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German Pages 1700 [2034] Year 2014
Graf-Schlicker (Hrsg.) Insolvenzordnung
InsO Kommentar zur Insolvenzordnung 4. Auflage 2014
Herausgegeben von Ministerialdirektorin Marie Luise Graf-Schlicker, Berlin
Bearbeitet von Alexander Bornemann, Dr. Bettina E. Breitenbücher, Michael Bremen, Dr. Klaus-Peter Busch, Hans Werner Castrup, Marie Luise Graf-Schlicker, Dr. Matthias Hofmann, Prof. Dr. Michael Huber, Claudia Kalkmann, Dr. Frank Kebekus, Thomas Kexel, Alexander Kubusch, Prof. Dr. Anette U. Neußner, Dr. Uwe Paul, Dr. Werner Pöhlmann, Ernst Riedel, Oliver Sabel, Ursula Schlegel, Rudolf Voß, Dr. Benjamin Webel, Marcus Wehler
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH · Köln
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Inhaltsübersicht Seite Bearbeiterverzeichnis ............................................................................................... XI Literaturverzeichnis ................................................................................................ XV
Kommentierung InsO Erster Teil
Allgemeine Vorschriften (§§ 1 – 10) ..................................... 1
Zweiter Teil
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Erfasstes Vermögen und Verfahrensbeteiligte (§§ 11 – 79) .............................................................................. 77 Eröffnungsvoraussetzungen und Eröffnungsverfahren (§§ 11 – 34) .................................................................. 77 Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger (§§ 35 – 55) .................................. 270 Insolvenzverwalter. Organe der Gläubiger (§§ 56 – 79) ...................................... 416
Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Dritter Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Vierter Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Fünfter Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Sechster Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt
Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 80 – 147) ...................................................... Allgemeine Wirkungen (§§ 80 – 102) .................................. Erfüllung der Rechtsgeschäfte. Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 – 128) ....................... Insolvenzanfechtung (§§ 129 – 147).....................................
535 535 643 795
Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse (§§ 148 – 173) ............................................................. 979 Sicherung der Insolvenzmasse (§§ 148 – 155) ..................... 979 Entscheidung über die Verwertung (§§ 156 – 164) ............ 1011 Gegenstände mit Absonderungsrechten (§§ 165 – 173) ...................................................................... 1024 Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Einstellung des Verfahrens (§§ 174 – 216) ...................... Feststellung der Forderungen (§§ 174 – 186) ................... Verteilung (§§ 187 – 206) ................................................... Einstellung des Verfahrens (§§ 207 – 216) ........................
1049 1049 1118 1152
Insolvenzplan (§§ 217 – 269) ............................................ 1193 Aufstellung des Plans (§§ 217 – 234) ................................. 1193 Annahme und Bestätigung des Plans (§§ 235 – 253) ...................................................................... 1219 IX
Inhaltsübersicht Dritter Abschnitt
Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung (§§ 254 – 269) ............... 1240
Siebter Teil
Eigenverwaltung (§§ 270 – 285) ....................................... 1263
Achter Teil
Restschuldbefreiung (§§ 286 – 303) ................................. 1345
Neunter Teil
Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 – 314) .............. 1459
Zehnter Teil
Besondere Arten des Insolvenzverfahrens (§§ 315 – 334) ...................................................................... Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 – 331) ...................... Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 332) ........................ Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (§§ 333 – 334) ......................................................................
Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt
Elfter Teil Erster Abschnitt Zweiter Abschnitt Dritter Abschnitt Zwölfter Teil
Internationales Insolvenzrecht (§§ 335 – 358) ............... Allgemeine Vorschriften (§§ 335 – 342) ............................ Ausländisches Insolvenzverfahren (§§ 343 – 353) ............ Partikularverfahren über das Inlandsvermögen (§§ 354 – 358) ......................................................................
1535 1535 1565
1567 1571 1577 1589 1599
Inkrafttreten (§ 359) ......................................................... 1605
Kommentierung RegE Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28.8.2013, BT-Drucks. 18/407 Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen ............................. 1607 Kommentierung EuInsVO (einschließlich Art. 102 EGInsO) Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (Art. 1 – 47) ......................................................................... 1639 Anhang Erwägungsgründe................................................................. 1719 Anhang A – C der EuInsVO .............................................. 1727 Kommentierung InsVV Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (§§ 1 – 20) ..................................... 1737
Stichwortverzeichnis ........................................................................................... 1801
X
§ 156
Berichtstermin
fordert, durch die Finanzverwaltung zu bemühen.112) Die Steuersachverhalte sind dann von den Finanzämtern mit Hilfe von Schätzungen abzuschließen. Soweit die Finanzverwaltung trotz Masseunzulänglichkeit die Erbringung steuerlicher Tätigkeiten fordert, ist der Verwalter jedenfalls berechtigt, einen Steuerberater mit der Erledigung solcher steuerlicher Tätigkeiten, die besondere Kenntnisse erfordern oder dem Umfang nach über das hinausgehen, was mit der Erstellung einer einfachen Steuererklärung allgemein verbunden ist, auch im eigenen Namen zu beauftragen.113) Die Kosten für die Beauftragung stehen ihm in Stundungsverfahren als Auslagen aus der Staatskasse zu.114) In Verfahren ohne Kostenstundung kann die Begründung von Auslagen zur Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse oder zur Einstellung des eröffneten Verfahrens mangels Masse führen.115) _____________ 112) BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717, 1719 = ZVI 2004, 606, zust. Bernsau, NZI 2004, 577, 580 (Urteilsanm.). 113) BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717, 1719 = ZVI 2004, 606, zust. Bernsau, NZI 2004, 577, 580 (Urteilsanm.). 114) BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717, 1718 = ZVI 2004, 606, zust. Bernsau, NZI 2004, 577, 580 (Urteilsanm.); Pape, ZInsO 2004, 1049. 115) Pape, ZInsO 2004, 1049, 1051; a. A. AG Hamburg, Beschl. v. 30.9.2004 – 67g IN 228/04, ZInsO 2004, 1093.
Zweiter Abschnitt Entscheidung über die Verwertung § 156 Berichtstermin Castrup
(1) 1Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten. 2Er hat darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. (2) 1Dem Schuldner, dem Gläubigerausschuss, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten ist im Berichtstermin Gelegenheit zu geben, zu dem Bericht des Verwalters Stellung zu nehmen. 2Ist der Schuldner Handels- oder Gewerbetreibender oder Landwirt, so kann auch der zuständigen amtlichen Berufsvertretung der Industrie, des Handels, des Handwerks oder der Landwirtschaft im Termin Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Castrup Übersicht I. II. 1. 2. 3.
Vorbemerkung .................................... Berichtstermin ..................................... Teilnahme .............................................. Tagesordnung ........................................ Ablauf ....................................................
1 2 2 3 5
4. Protokoll ................................................ 9 5. Anwesenheit des Verwalters ............... 10 III. Verbindung mit dem Prüfungstermin .................................................. 11
Castrup
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§ 156 I. 1
Berichtstermin
Vorbemerkung Castrup
Erste Gläubigerversammlung im eröffneten Verfahren ist der Berichtstermin. Er dient der ersten Orientierung der Gläubiger über das schuldnerische Unternehmen und dem weiteren Verfahrensgang und wird bereits im Eröffnungsbeschluss bestimmt. II. Berichtstermin 1.
2
Teilnahme
Zur Teilnahme berechtigt sind die Insolvenz- und Absonderungsgläubiger, der Verwalter, Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Schuldner (§ 76 Abs. 1 Satz 2). Daneben sind der Betriebsrat, der Sprecherausschuss und die amtliche Berufsvertretung berechtigt, am Berichtstermin teilzunehmen. Aus der abschließenden Aufzählung folgt, dass der Berichtstermin nicht öffentlich ist. 2.
Tagesordnung
3
Kern des Berichtstermins ist der Bericht des Verwalters. Auf seiner Grundlage sollen die Gläubiger über den Fortgang des Insolvenzverfahrens entscheiden. Zum Inhalt gehören zwingend die Ursachen der Insolvenz und die wirtschaftliche Entwicklung des Schuldners (Abs. 1 Satz 1) sowie die Erörterung der Möglichkeiten zum Erhalt des Unternehmens, der Aussichten eines Insolvenzplans und die Befriedigungsaussichten der Gläubiger. Zur Beurteilung der Arbeit des Verwalters ist seine bisherige Tätigkeit darzustellen. Dem Verwalter obliegt die Verpflichtung, seinen Bericht verständlich und schriftlich1) abzufassen. Grundsätzlich besteht kein Anspruch der Gläubiger auf über Berichte in den Gläubigerversammlungen hinausgehende Berichte des Verwalters.2)
4
Da es sich in der Regel um die erste Gläubigerversammlung handelt, ist im Berichtstermin auch der vom Gericht bestellte Verwalter zu bestätigen oder neu zu wählen (§ 57). Des Weiteren werden verfahrensleitende Beschlüsse gefasst, etwa ob der Verwalter Zwischenrechnung legen soll und in welchen Abständen ein Zwischenbericht einzureichen ist. Soweit der Verwalter besonders bedeutsame Rechtshandlungen vornehmen will (§§ 160 – 163), ist auch hierüber zu entscheiden. 3.
Ablauf
5
Die Versammlung wird durch den Rechtspfleger geleitet, es sei denn, der Richter hat sich das Verfahren oder diesen Teil des Verfahrens vorbehalten (§ 18 Abs. 2 RPflG).
6
Im Termin werden die einzelnen Tagesordnungspunkte erörtert. Soweit Entscheidungen zu treffen sind, z. B. über die Fortführung des Unternehmens, entscheiden die Gläubiger mit Summenmehrheit. Nur im Fall der Neuwahl eines Verwalters ist auch eine Kopfmehrheit erforderlich (§ 57 Satz 2). Stimmberechtigt sind nur die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger und die Absonderungsgläubiger (§ 77). _____________ 1) 2)
Görg in: MünchKomm-InsO, § 156 Rz. 25; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 156 Rz. 4. Wimmer-Wegener, FK-InsO, § 156 Rz. 8.
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§ 156
Berichtstermin
Die Gläubigerversammlung muss beschlussfähig sein, d. h. es muss mindestens ein stimmberechtigter Gläubiger anwesend sein.3) Entscheidungen des Insolvenzgerichts können die der Gläubigerversammlung nicht ersetzen. Stehen wichtige Entscheidungen an (z. B. eine Stilllegung, die mit dem Abbau einer erheblichen Zahl Arbeitsplätze verbunden ist), kann eine Vertagung angezeigt sein. Allerdings gilt die Zustimmung der Gläubigerversammlung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen als erteilt, wenn die einberufene Gläubigerversammlung beschlussunfähig ist. Hierauf sind die Gläubiger bei der Einladung zur Gläubigerversammlung hinzuweisen (§ 160 Abs. 1).
7
Im Übrigen hat der Verwalter das Verfahren nach den Regeln der Insolvenzordnung abzuwickeln.
8
4.
Protokoll
Über den Berichtstermin ist ein Protokoll zu führen (§ 4 InsO i. V. m §§ 159 ff ZPO). Es sind alle wesentlichen Vorgänge aufzunehmen (§ 160 Abs. 2 ZPO), d. h. in jedem Fall die Beschlüsse der Gläubigerversammlung. Den Anwesenden ist nach Abhaltung des Termins eine Protokollabschrift zu übermitteln. 5.
Anwesenheit des Verwalters
Da Hauptgegenstand des Termins der Bericht des Verwalters und er zugleich die zentrale Person des Verfahrens ist, ist seine Anwesenheit wie in jeder Gläubigerversammlung grundsätzlich erforderlich.4) Insbesondere in der ersten auf die Eröffnung des Verfahrens folgenden Gläubigerversammlung ist seine Anwesenheit erforderlich, denn die Gläubiger sollten die Person kennen, der sie ihr Vertrauen schenken und die sie wählen sollen. Der Verwalter kann sich jedoch in begründeten Ausnahmefällen durch einen Mitarbeiter oder ein Sozietätsmitglied vertreten lassen. Der Vertreter ist zum Sonderverwalter ohne eigenen Vergütungsanspruch zu bestellen. Von dem Vertreter ist zu verlangen, dass er in gleicher Weise wie der Verwalter über umfassende Kenntnisse des Verfahrens verfügt und in vollem Umfang entscheidungsbefugt ist. Andernfalls ist die Gläubigerversammlung zu vertagen, da wesentliche Entscheidungsgrundlagen fehlen. In bedeutenden Verfahren, auf Anordnung des Gerichts oder auf Verlangen der Gläubiger muss der Insolvenzverwalter persönlich erscheinen. Zwar ist der Insolvenzverwalter höchstpersönlich mit der Insolvenzverwaltung betraut, er kann sein Amt als solches nicht einem anderen übertragen. Das schließt es aber nicht aus, einzelne Aufgaben, für die er weiterhin letztverantwortlich ist, einem Mitarbeiter zu übertragen. Zudem ist der Einsatz von Mitarbeitern – jedenfalls in größeren Verfahren – praktisch unvermeidbar und unter Umständen sogar geboten.5) Eine generelle Anwesenheitspflicht6) wäre allerdings angesichts der enormen Insolvenzzahlen überzogen. _____________ 3) 4) 5) 6)
9
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 157 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 156 Rz. 10. A. Schmidt-Decker, InsO, § 156 Rz. 3. BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722 = NZI 2009, 641 = ZInsO 2009, 1641. So Görg in: MünchKomm-InsO, § 156 Rz. 23; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 156 Rz. 4; vgl. auch Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 156 Rz. 7a.
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§ 157
Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens
III. Verbindung mit dem Prüfungstermin 11
Nach § 29 Abs. 2 können Berichts- und Prüfungstermin miteinander verbunden werden. In Verbraucherinsolvenzverfahren ist dies wegen einer geringen Zahl Forderungsanmeldungen sinnvoll, ebenso, wenn bereits ein Insolvenzplan vorliegt.7)
12
Auch bei der Verbindung der Termine soll auf die Einhaltung der Fristen geachtet werden (§ 28 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2). _____________ Görg in: MünchKomm-InsO, § 156 Rz. 31 ff.
7)
§ 157 Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens 1Die
Gläubigerversammlung beschließt im Berichtstermin, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. 2Sie kann den Verwalter beauftragen, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, und ihm das Ziel des Plans vorgeben. 3Sie kann ihre Entscheidungen in späteren Terminen ändern. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Gegenstand der Entscheidung ........... 2
I. 1
III. Änderung der Entscheidung .............. 4
Vorbemerkung
Die Absicht des Gesetzgebers, die Gläubigerautonomie zu stärken, spiegelt sich insbesondere in der Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens wider. Dem Verfahren kann durch die Gläubiger ein vom Regelfall abweichender Verlauf gegeben werden. Die §§ 157–163 spezifizieren die Entscheidungen der Gläubigerversammlung. II. Gegenstand der Entscheidung
2
Ob das schuldnerische Unternehmen fortgeführt oder stillgelegt wird, wirkt sich in erster Linie auf die Gläubiger aus. Eine Fortführung birgt das Risiko einer Masseaufzehrung, aber auch die Chance einer deutlichen Massemehrung in sich. Es ist daher folgerichtig, den Gläubigern diese Entscheidung zu überlassen (zur Stilllegung vor dem Berichtstermin vgl. § 158).
3
Eine ähnliche Sachlage ergibt sich, wenn die Gläubiger den Ablauf des Insolvenzverfahrens abweichend regeln wollen. Sie haben die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Plans zu beauftragen und ihm das Ziel des Plans vorzugeben, also ob der Plan zu einem Erhalt des Unternehmens oder dessen Abwicklung führen soll. III. Änderung der Entscheidung
4
Aus der Verantwortung für die Fortführungsentscheidung ergibt sich, dass die Gläubigerversammlung diese Entscheidung jederzeit abändern kann (Satz 2).
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§ 158
Maßnahmen vor der Entscheidung
§ 158 Maßnahmen vor der Entscheidung (1) Will der Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin das Unternehmen des Schuldners stilllegen oder veräußern, so hat er die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist. (2) 1Vor der Beschlussfassung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, vor der Stilllegung oder Veräußerung des Unternehmens hat der Verwalter den Schuldner zu unterrichten. 2Das Insolvenzgericht untersagt auf Antrag des Schuldners und nach Anhörung des Verwalters die Stilllegung oder Veräußerung, wenn diese ohne eine erhebliche Verminderung der Insolvenzmasse bis zum Berichtstermin aufgeschoben werden kann. Literatur: Graf-Schlicker, Schwachstellenanalyse und Änderungsvorschläge zum Regelinsolvenzverfahren, ZIP 2002, 1166. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Zustimmung des Gläubigerausschusses ............................................ 2 III. Unterrichtung des Schuldners ........... 3
I.
IV. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts .......................................... 4 V. Rechtsmittel ......................................... 5
Vorbemerkung
Grundsätzlich entscheidet die Gläubigerversammlung über die Stilllegung oder Fortführung des Unternehmens (§ 157). Ergibt sich im Zeitraum zwischen Eröffnung und Berichtstermin die wirtschaftliche Notwendigkeit, das Unternehmen stillzulegen, müssen die Interessen der Gläubiger hinreichend gewahrt sein.1) Unter Stilllegung sind auch solche Maßnahmen zu verstehen, die faktisch zu einer solchen führen, z. B. die weitgehende Ablehnung von Aufträgen.2) Durch die gesetzliche Neuregelung des § 58 nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens3) ist für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit geschaffen worden, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber noch vor dem Berichtstermin das Unternehmen nicht nur stillzulegen, sondern auch zu veräußern. Diese Regelung geht zurück auf den Vorschlag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“.4) Sie soll verhindern, dass eine außerordentlich günstige Veräußerungsmöglichkeit, die nur für einen kurzen Zeitraum besteht, an der langen Frist bis zum Berichtstermin, die bis zu drei Monaten betragen kann (§ 29 Abs. 1 Nr. 1), scheitert.5) Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, weil nach der Insolvenzeröffnung ein Insolvenzgrund feststeht und für das Insolvenzgericht die Möglichkeit besteht, nach § 67 einen Gläubigerausschuss einzusetzen, der i. R. der geplanten Betriebsübertragung die Interessen der Gläubigergesamtheit angemessen _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Begr. z. § 177 RegE/§ 158 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 173, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 381. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 158 Rz. 4a. RegE Vereinfachung, BR-Drucks. 549/06, S. 6, 39 Vgl. dazu Graf-Schlicker, ZIP 2002, 1166, 1173. RegE Vereinfachung, BR-Drucks. 549/06, S. 39 (zu Nr. 21).
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1
§ 159
Verwertung der Insolvenzmasse
wahren kann. Vor diesem Hintergrund verzichtet die Neuregelung auf das Zustimmungserfordernis des Schuldners für die Veräußerung.6) II. Zustimmung des Gläubigerausschusses 2
Ist ein Gläubigerausschuss bestellt, hat der Verwalter vor einer Stilllegung oder Veräußerung dessen Zustimmung einzuholen. Soweit kein Ausschuss bestellt ist, kann der Verwalter das Unternehmen vorbehaltlich der Anhörung des Schuldners das Unternehmen stilllegen oder veräußern. Seine Entscheidung muss er allerdings gegenüber der Gläubigerversammlung rechtfertigen. III. Unterrichtung des Schuldners
3
Vor der Entscheidung des Gläubigerausschusses oder, wenn falls ein solcher nicht bestellt ist, vor der Stilllegung bzw. Veräußerung, hat der Verwalter den Schuldner zu unterrichten (Abs. 2 Satz 1). Dem Schuldner soll die Möglichkeit gegeben werden, sich gegen die vorzeitige Stilllegung zu wehren. Er kann das Insolvenzgericht anrufen, das die Stilllegung oder Veräußerung untersagt, wenn sie ohne erhebliche Masseeinbußen bis zur Gläubigerversammlung aufgeschoben werden kann. IV. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts
4
Die Entscheidung des Insolvenzgerichts kann sich nur auf die Aufschiebbarkeit der Stilllegung bis zur Gläubigerversammlung beziehen und setzt einen Antrag des Schuldners voraus. Das Gericht ist im Wesentlichen auf die Vorträge des Schuldners und des Verwalters angewiesen. Unbenommen ist die Beauftragung eines Sachverständigen. Angesichts möglicher Nachteile für die Insolvenzmasse ist die Entscheidung zügig zu treffen. Der Verwalter wird im Hinblick auf seine Haftung7) die vorzeitige Stilllegung oder Veräußerung nur dann in Erwägung ziehen, wenn dies zwingend erforderlich ist. V. Rechtsmittel
5
Die Entscheidung des Gerichts unterliegt nicht der sofortigen Beschwerde. Da im eröffneten Verfahren der Rechtspfleger entscheidet, ist der Beschluss des Gerichts mit der Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG angreifbar. _____________ 6) 7)
RegE Vereinfachung, BR-Drucks. 549/06, S. 39 (zu Nr. 21). Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 158 Rz. 6a.
§ 159 Verwertung der Insolvenzmasse Nach dem Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwerten, soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen. Übersicht I.
Vorbemerkung ..................................... 1
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II. Verwertung ........................................... 2
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§ 160
Besonders bedeutsame Rechtshandlungen
I.
Vorbemerkung
Im Berichtstermin entscheiden die Gläubiger über den Fortgang des Verfahrens. Dadurch erlangt der Verwalter Rechtssicherheit für sein weiteres Handeln. Gibt die Gläubigerversammlung nichts anderes vor, greift der Regelfall, d. h. die Verwertung des schuldnerischen Vermögens zur bestmöglichsten Befriedigung der Gläubiger.
1
II. Verwertung Zu verwerten ist grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners. Grenzen sind allein durch § 36, der nur das der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen der Insolvenzmasse zuordnet, und die Beschlüsse der Gläubigerversammlung gesetzt. Welche Verwertungsmaßnahmen ergriffen werden, unterliegt der Ermessensentscheidung des Verwalters.1) Sie kann auch darin bestehen, den Betrieb zur Abwicklung von Aufträgen weiterzuführen, oder dem Schuldner, so er eine natürliche Person ist, die Aufrechterhaltung seines Handwerks zu gestatten, um die erwirtschafteten pfändbaren Beträge zur Masse zu ziehen. Auch die Freigabe eines Gegenstandes der Insolvenzmasse kann Verwertungshandlung sein, da durch die Herausgabe die Masse entlastet wird.2) _____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 159 Rz. 5. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 159 Rz. 30.
§ 160 Besonders bedeutsame Rechtshandlungen (1) 1Der Insolvenzverwalter hat die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. 2Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, so ist die Zustimmung der Gläubigerversammlung einzuholen. Ist die einberufene Gläubigerversammlung beschlussunfähig, gilt die Zustimmung als erteilt; auf diese Folgen sind die Gläubiger bei der Einladung zur Gläubigerversammlung hinzuweisen. (2) Die Zustimmung nach Absatz 1 ist insbesondere erforderlich, 1.
wenn das Unternehmen oder ein Betrieb, das Warenlager im Ganzen, ein unbeweglicher Gegenstand aus freier Hand, die Beteiligung des Schuldners an einem anderen Unternehmen, die der Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen dienen soll, oder das Recht auf den Bezug wiederkehrender Einkünfte veräußert werden soll;
2.
wenn ein Darlehen aufgenommen werden soll, das die Insolvenzmasse erheblich belasten würde;
3.
wenn ein Rechtsstreit mit erheblichem Streitwert anhängig gemacht oder aufgenommen, die Aufnahme eines solchen Rechtsstreits abgelehnt oder zur Beilegung oder zur Vermeidung eines solchen Rechtsstreits ein Vergleich oder ein Schiedsvertrag geschlossen werden soll.
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2
§ 160
Besonders bedeutsame Rechtshandlungen Übersicht
I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Zustimmungspflichtige Rechtshandlungen ........................................... 2
I. 1
III. Einholung der Zustimmung ............... 3 IV. Verfahren .............................................. 4
Vorbemerkung
Grundsätzlich sollen bedeutsame Rechtshandlungen des Verwalters nicht ohne Beteiligung der Gläubiger vorgenommen werden. In den Entscheidungsprozess ist daher der Gläubigerausschuss oder, wenn er ein solcher nicht bestellt ist, die Gläubigerversammlung einzubeziehen. Daneben kann die Gläubigerversammlung festlegen, dass auch nicht bedeutende Rechtshandlungen ihre Zustimmung erfordern. Sie kann sich außerdem Zustimmungen vorbehalten, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist.1) II. Zustimmungspflichtige Rechtshandlungen
2
Absatz 2 zählt beispielhaft Rechtshandlungen auf, die zustimmungspflichtig sind. Darüber hinaus unterliegen alle sonstigen Handlungen der Zustimmungspflicht, wenn sie für das konkrete Insolvenzverfahren bedeutend sind. Es kommt also nicht nur auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger, sondern auf die vorgegebenen Verfahrensziele, z. B. eine übertragene Sanierung, auf die sich die Rechtshandlung erheblich auswirkt, an.2) III. Einholung der Zustimmung
3
Beabsichtigt der Verwalter zustimmungspflichtige Rechtshandlungen vorzunehmen, muss er initiativ werden und den Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung um Zustimmung ersuchen. Zustimmung bedeutet vorherige Einwilligung. Eine nachträgliche Zustimmung entspricht nicht der gesetzlichen Regelung und kommt allenfalls bei Gefahr im Verzug in Betracht.3) Die Zustimmung oder ihr Fehlen wirken sich nur im Innenverhältnis aus (vgl. § 164). Halten Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung eine Zustimmung für erforderlich, ist dies als Ausfluss der Gläubigerautonomie vom Verwalter zu beachten.4) Problematisch ist, dass in der Praxis nur sehr wenige Gläubiger der Einladung zur Gläubigerversammlung Folge leisten. Dadurch bestand die Gefahr, dass bestehende Sanierungsmöglichkeiten scheitern. Die Neuregelung des § 160 (Insolvenzordnung geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 23.10.2008) sieht daher nunmehr vor, dass die Zustimmung der Gläubigerversammlung als erteilt gilt, sofern die Versammlung beschlussunfähig ist und die Gläubiger bei der Einladung zur Gläubigerversammlung auf die Möglichkeit der Zustimmungsfiktion hingewiesen worden sind. _____________ 1) 2)
3) 4)
Begr. z. § 179 RegE/§ 160 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 174, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 383. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 160 Rz. 19, 20 m. w. Beispielen; OLG Köln, Urt. v. 29.6.2001 – 19 U 199/00, ZIP 2001, 1422 = ZInsO 2001 762, dazu EWiR 2001, 1011 (H.-G. Eckert). Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 160 Rz. 3. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 160 Rz. 24.
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§ 161
Vorläufige Untersagung der Rechtshandlung
IV. Verfahren Wird die Zustimmung des Gläubigerausschusses benötigt, wird der Verwalter eine Ausschusssitzung einberufen. Über die Zustimmung zu der vorgesehenen Rechtshandlung des Verwalters ist ein Beschluss zu fassen (§ 72). Für die Zustimmung der Gläubigerversammlung ist eine solche auf Antrag des Verwalters durch das Insolvenzgericht einzuberufen (§ 75 Abs. 1 Nr. 1).
4
§ 161 Vorläufige Untersagung der Rechtshandlung 1
In den Fällen des § 160 hat der Insolvenzverwalter vor der Beschlussfassung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung den Schuldner zu unterrichten, wenn dies ohne nachteilige Verzögerung möglich ist. 2Sofern nicht die Gläubigerversammlung ihre Zustimmung erteilt hat, kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners oder einer in § 75 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Mehrzahl von Gläubigern und nach Anhörung des Verwalters die Vornahme der Rechtshandlung vorläufig untersagen und eine Gläubigerversammlung einberufen, die über die Vornahme beschließt. Übersicht I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Untersagungsverfahren ....................... Zulässigkeit ............................................ Unterrichtung des Schuldners ..............
I.
Vorbemerkung
1 2 2 3
3. 4.
Antrag einer Gläubigerminderheit ....... 5 Einberufung der Gläubigerversammlung ............................................... 6 III. Rechtsmittel ......................................... 7
Vor der Beschlussfassung über bedeutende Rechtshandlungen ist der Schuldner zu unterrichten. Er soll Gelegenheit haben, anstatt des Beschlusses des Gläubigerausschusses einen solchen der Gläubigerversammlung herbeizuführen. Der gleiche Weg steht einer Gläubigerminderheit offen.
1
II. Untersagungsverfahren 1.
Zulässigkeit
Ein Untersagungsverfahren ist nur zulässig, wenn die Rechtshandlung noch nicht vorgenommen worden ist und die Gläubigerversammlung über die Maßnahme noch nicht entschieden hat. 2.
Unterrichtung des Schuldners
Bedeutsame Rechtshandlungen wirken sich auch auf die Rechtsposition des Schuldners aus. Er ist deshalb vor der Beschlussfassung zu hören, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Gegenvorstellung zu der beabsichtigten Maßnahme gegenüber dem Verwalter darzulegen.1) Hiervon darf nur abgesehen werden, wenn damit eine nachteilige Verzögerung verbunden ist. _____________ 1)
2
Begr. z. § 180 RegE/§ 161 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 174, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 385.
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§ 162 4
Soll der Rechtshandlung der Gläubigerausschuss zustimmen, kann der Schuldner die Einberufung einer Gläubigerversammlung und die Verlagerung der Zustimmungskompetenz auf diese beantragen. Sein Antrag ist zu begründen.2) In diesem Fall ist die Rechtshandlung bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung auszusetzen. Bei der Entscheidung des Insolvenzgerichts handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Sie bezieht sich auf die Aussetzung der Handlung.3) Kriterien zur Entscheidung sind nicht genannt. Die Entscheidung des Gerichts kann sich nur darauf gründen, dass die beabsichtigte Maßnahme erkennbar wirtschaftlich unvernünftig ist oder zu einem Masseschaden führt.4) Ausgeschlossen sein muss, dass der Antrag des Schuldners nur der Verzögerung des Verfahrens dient. 3.
5
Antrag einer Gläubigerminderheit
Neben dem Schuldner wird auch den Gläubigern ein Antragsrecht eingeräumt. Antragsberechtigt sind Gläubiger in gleicher Zahl, wie sie zur Einberufung einer Gläubigerversammlung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 erforderlich ist. Dies hat das Gericht i. R. einer Zulässigkeitsprüfung zu klären. Im Übrigen gelten die gleichen Grundsätze wie bei einem Schuldnerantrag. 4.
6
Betriebsveräußerung an besonders Interessierte
Einberufung der Gläubigerversammlung
Entscheidet sich das Gericht für einen Aufschub, muss es eine Gläubigerversammlung einberufen. Sie muss ausgehend vom Antragseingang spätestens drei Wochen später stattfinden (§ 75 Abs. 2). Der konkrete Zeitraum richtet sich nach der Dringlichkeit der Maßnahme und den Möglichkeiten, die Gläubiger rechtzeitig zu informieren. III. Rechtsmittel
7
Hat der Rechtspfleger entschieden, steht den Beteiligten die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG offen. _____________ 2) 3) 4)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 161 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 161 Rz. 5. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 161 Rz. 5.
§ 162 Betriebsveräußerung an besonders Interessierte (1) Die Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebs ist nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung zulässig, wenn der Erwerber oder eine Person, die an seinem Kapital zu mindestens einem Fünftel beteiligt ist, 1.
zu den Personen gehört, die dem Schuldner nahe stehen (§ 138),
2.
ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger ist, dessen Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des Insolvenzgerichts zusammen ein Fünftel der Summe erreichen, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergibt.
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§ 162
Betriebsveräußerung an besonders Interessierte
(2) Eine Person ist auch insoweit im Sinne des Absatzes 1 am Erwerber beteiligt, als ein von der Person abhängiges Unternehmen oder ein Dritter für Rechnung der Person oder des abhängigen Unternehmens am Erwerber beteiligt ist. Übersicht I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Besonders Interessierte ....................... Nahestehende Personen ....................... Gläubiger ...............................................
I.
Vorbemerkung
1 2 2 3
3. Beteiligte Personen ................................ 4 III. Verfahren .............................................. 5 IV. Auswirkungen ...................................... 6
Nahestehende oder am Schuldner beteiligte Personen verfügen über weitergehende Informationen als die übrigen Gläubiger. Sie gelten als besonders Interessierte. Zur Vermeidung von Nachteilen zulasten der Gesamtheit der Gläubiger hat die Gläubigerversammlung über eine Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebes an sie zu beschließen.
1
II. Besonders Interessierte 1.
Nahestehende Personen
Wie auch im Anfechtungsrecht wird nahestehenden Personen Insiderwissen unterstellt. 2.
Gläubiger
Großgläubiger verfügen aufgrund der bestehenden Geschäftsverbindung über weitreichende Kenntnisse, etwa die Hausbank oder der Hauptlieferant. Sie gelten als besonders interessiert, wenn sie mindestens ein Fünftel der Forderungen auf sich vereinen können. Auszugehen ist dabei von der Summe aller Forderungen der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger und Absonderungsgläubiger. Die Definition entspricht wortwörtlich § 75 Abs. 1 Nr. 3. 3.
2
3
Beteiligte Personen
Grundsätzlich müssen die Kriterien beim Erwerber selbst erfüllt sein. Ist am Erwerber eine Person, die unter Absatz 1 Nr. 1 oder 2 fällt, zu mindestens einem Fünftel beteiligt, gilt auch diese Person als interessiert. Absatz 2 verschärft die Regelung und erweitert den Kreis um Erwerber, die von einer nach Absatz 1 interessierten Person abhängig sind. Dazu zählen auch Dritte, die im Auftrag der interessierten Person oder des von ihr abhängigen Unternehmens auftreten.
4
III. Verfahren Aus dem Zustimmungserfordernis ergibt sich, dass der Verwalter bei einer Veräußerung die Identität des Vertragspartners im Hinblick auf ein besonderes Interesse zu prüfen hat. Stellt er fest, dass er an einen besonders Interessierten veräußern will, muss er initiativ werden und die Einberufung einer Gläubigerversammlung nach § 75 beantragen.1) Das Insolvenzgericht ist nach § 75 Abs. 1 gehalten, ohne weitere Prüfung eine Gläubigerversammlung einzuberufen. Insbesondere ist der _____________ 1)
Görg in: MünchKomm-InsO, § 162 Rz. 17.
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5
§ 163
Betriebsveräußerung unter Wert
Vortrag des Verwalters hinsichtlich der Voraussetzungen nicht zu überprüfen. Dem Verwalter muss die Möglichkeit eröffnet sein, die Zustimmung der Gläubigerversammlung auch bei einem Verdacht auf besonderes Interesse einzuholen.2) Absatz 1 Nr. 2 ist zur Qualifizierung eines interessierten Gläubigers wortwörtlich übernommen worden. Eine Schätzung des Insolvenzgerichts ist allenfalls i. R. von Aufsichtsmaßnahmen sinnvoll. IV. Auswirkungen 6
Das Zustimmungserfordernis wirkt nur im Innenverhältnis (§ 164), ist aber vom Verwalter vor Vornahme der Veräußerung zu beachten.3) Stellt das Insolvenzgericht eine Veräußerung an besonders Interessierte ohne Zustimmung der Gläubigerversammlung fest, sind sofortige Aufsichtsmaßnahmen nach § 58 angezeigt. Ist die Veräußerung noch nicht erfolgt, kann das Insolvenzgericht von sich aus eine Gläubigerversammlung einberufen.4) _____________ 2) 3) 4)
A. A. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 162 Rz. 7; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 162 Rz. 7. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 162 Rz. 7. Wimmer-Wegener, FK-InsO, § 162 Rz. 5.
§ 163 Betriebsveräußerung unter Wert (1) Auf Antrag des Schuldners oder einer in § 75 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Mehrzahl von Gläubigern und nach Anhörung des Insolvenzverwalters kann das Insolvenzgericht anordnen, dass die geplante Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebs nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung zulässig ist, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass eine Veräußerung an einen anderen Erwerber für die Insolvenzmasse günstiger wäre. (2) Sind dem Antragsteller durch den Antrag Kosten entstanden, so ist er berechtigt, die Erstattung dieser Kosten aus der Insolvenzmasse zu verlangen, sobald die Anordnung des Gerichts ergangen ist. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Verfahren .............................................. 2 1. Antragsberechtigte ................................ 2
I. 1
2.
Begründung und Inhalt des Antrages ................................................. 3 3. Entscheidung des Gerichts ................... 5 III. Rechtsmittel ......................................... 8
Vorbemerkung
Besteht unter den Beteiligten Uneinigkeit, ob eine Veräußerung des Unternehmens oder Teilen des Unternehmens wirtschaftlich sinnvoll ist, können sie durch einen Antrag bei dem Insolvenzgericht erreichen, dass die Veräußerung der Zustimmung der Gläubigerversammlung bedarf.
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§ 163
Betriebsveräußerung unter Wert
II. Verfahren 1.
Antragsberechtigte
Neben dem Schuldner sind Gläubiger in der nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Anzahl antragsberechtigt. Die Voraussetzung der Gläubigeranzahl ist durch das Gericht zu prüfen. Wird sie nicht erreicht, ist der Antrag unzulässig. 2.
2
Begründung und Inhalt des Antrages
Ein Antrag auf Anordnung des Zustimmungserfordernisses ist nur zulässig, wenn er mit einer besseren Veräußerungsmöglichkeit begründet wird. Maßgebend ist nicht nur ein höherer Kaufpreis, sondern auch ein früherer Zahlungstermin, eine umfangreichere Übernahme von Arbeitsnehmern usw.1) Die Angaben des Antragstellers sind von ihm glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO). Soweit ihm dadurch Kosten entstehen, kann er diese nach Absatz 2 aus der Masse verlangen, wenn seinem Antrag gefolgt wird.
3
Hat die Gläubigerversammlung bereits über die beabsichtigte Veräußerung entschieden, ist der Antrag unzulässig, denn der Antragsteller hätte bereits in dieser Gläubigerversammlung seine Alternative darstellen können.2)
4
3.
Entscheidung des Gerichts
Aus der Tatsache, dass der Antragsteller die Voraussetzungen glaubhaft zu machen hat, ergibt sich nur eine geringe Nachprüfungspflicht des Gerichts. Es genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vortrags.3) In erster Linie ist es Sache des Antragstellers, die Notwendigkeit der Zustimmung der Gläubigerversammlung darzulegen. Durch eine ausufernde Prüfung i. R. der Amtsermittlungspflicht würde der Entscheidung der Gläubigerversammlung vorgegriffen.4)
5
Vor der Entscheidung hat das Gericht den Verwalter anzuhören. Er kann dem Antrag entgegentreten.
6
Verbleibt es danach bei einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit i. S. des Antragstellers, hat das Insolvenzgericht das Zustimmungserfordernis anzuordnen.5) Mit dieser Anordnung ist nach h. M. auch die einstweilige Untersagung der Veräußerung verbunden.6) Nur ausnahmsweise, wenn die Veräußerung unmittelbar bevorsteht und deshalb eine vorherige Zustimmung nicht eingeholt werden kann, ist der Antrag zurückzuweisen.
7
III. Rechtsmittel Die Entscheidung des Insolvenzgerichts unterliegt keinem Rechtsmittel. Hat der Rechtspfleger entschieden, greift nach § 11 Abs. 2 RPflG die Erinnerung. _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Begr. z. § 182 RegE/§ 163 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 175, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 388. Görg in: MünchKomm-InsO, § 163 Rz. 11. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 163 Rz. 5. A. A. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 163 Rz. 7. Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 163 Rz. 6b. Görg in: MünchKomm-InsO, § 163 Rz. 4, 15; Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, InsO, § 163 Rz. 4a; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 163 Rz. 8.
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§ 164
Wirksamkeit der Handlung
§ 164 Wirksamkeit der Handlung Durch einen Verstoß gegen die §§ 160 bis 163 wird die Wirksamkeit der Handlung des Insolvenzverwalters nicht berührt. 1
Die in den §§ 160 – 163 festgelegten Zustimmungserfordernisse entfalten keine Außenwirkung. Sie gelten nur im Innenverhältnis. Unsicherheit im Geschäftsverkehr soll vermieden werden.1) Der Geschäftspartner des Verwalters soll darauf vertrauen können, dass dieser vollumfänglich verfügungsbefugt ist.
2
Missachtet der Verwalter Zustimmungserfordernisse, sieht er sich Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts (§ 58) und möglicherweise Haftungsansprüchen gegenüber. _____________ 1)
Begr. z. § 183 RegE/§ 164 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 175, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 389.
Dritter Abschnitt Gegenstände mit Absonderungsrechten Vor §§ 165 – 173 Vorbemerkung Castrup
1
Im Grundsatz obliegt es dem Absonderungsgläubiger, Gegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind, zu verwerten (§§ 49, 50). Nach dem Zweck des Insolvenzverfahrens, auch eine Fortführung des schuldnerischen Unternehmens zu fördern, kann dies nicht uneingeschränkt gelten. So kann die Verwertung des belasteten Betriebsgrundstückes einer Fortführungsabsicht jegliche Grundlage entziehen.
2
Zu unterscheiden ist dabei zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen, da sich auch die Verwertungsmöglichkeiten unterscheiden. Während unbewegliches Vermögen nach den Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) verwertet wird, richtet sich die Verwertung beweglichen Vermögens nach allgemeinen Regeln, d. h. ein Gegenstand kann verkauft werden.
3
Ein Verfahren für die Verwertung beweglicher Gegenstände, das sowohl die Rechte der Insolvenzmasse als auch des Gläubigers sicherstellt, bilden die §§ 166 – 173 ab. Sie gelten nur für das eröffnete Verfahren. Dies ergibt sich schon aus der Sache, denn Verwertung ist Aufgabe des Verwalters im eröffneten Verfahren.
§ 165 Verwertung unbeweglicher Gegenstände Castrup
Der Insolvenzverwalter kann beim zuständigen Gericht die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung eines unbeweglichen Gegenstands der Insolvenzmasse betreiben, auch wenn an dem Gegenstand ein Absonderungsrecht besteht. 1024
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§ 164
Wirksamkeit der Handlung
§ 164 Wirksamkeit der Handlung Durch einen Verstoß gegen die §§ 160 bis 163 wird die Wirksamkeit der Handlung des Insolvenzverwalters nicht berührt. 1
Die in den §§ 160 – 163 festgelegten Zustimmungserfordernisse entfalten keine Außenwirkung. Sie gelten nur im Innenverhältnis. Unsicherheit im Geschäftsverkehr soll vermieden werden.1) Der Geschäftspartner des Verwalters soll darauf vertrauen können, dass dieser vollumfänglich verfügungsbefugt ist.
2
Missachtet der Verwalter Zustimmungserfordernisse, sieht er sich Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts (§ 58) und möglicherweise Haftungsansprüchen gegenüber. _____________ 1)
Begr. z. § 183 RegE/§ 164 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 175, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 389.
Dritter Abschnitt Gegenstände mit Absonderungsrechten Vor §§ 165 – 173 Vorbemerkung Castrup
1
Im Grundsatz obliegt es dem Absonderungsgläubiger, Gegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind, zu verwerten (§§ 49, 50). Nach dem Zweck des Insolvenzverfahrens, auch eine Fortführung des schuldnerischen Unternehmens zu fördern, kann dies nicht uneingeschränkt gelten. So kann die Verwertung des belasteten Betriebsgrundstückes einer Fortführungsabsicht jegliche Grundlage entziehen.
2
Zu unterscheiden ist dabei zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen, da sich auch die Verwertungsmöglichkeiten unterscheiden. Während unbewegliches Vermögen nach den Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG) verwertet wird, richtet sich die Verwertung beweglichen Vermögens nach allgemeinen Regeln, d. h. ein Gegenstand kann verkauft werden.
3
Ein Verfahren für die Verwertung beweglicher Gegenstände, das sowohl die Rechte der Insolvenzmasse als auch des Gläubigers sicherstellt, bilden die §§ 166 – 173 ab. Sie gelten nur für das eröffnete Verfahren. Dies ergibt sich schon aus der Sache, denn Verwertung ist Aufgabe des Verwalters im eröffneten Verfahren.
§ 165 Verwertung unbeweglicher Gegenstände Castrup
Der Insolvenzverwalter kann beim zuständigen Gericht die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung eines unbeweglichen Gegenstands der Insolvenzmasse betreiben, auch wenn an dem Gegenstand ein Absonderungsrecht besteht. 1024
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§ 165
Verwertung unbeweglicher Gegenstände Übersicht I. II. III. 1. 2. 3. 4.
Vorbemerkung ..................................... 1 Begriff .................................................... 2 Verwertungsmöglichkeiten ................ 3 Beschlagnahme (§ 173 ZVG) ............... 4 Änderung des geringsten Gebots (§ 174 ZVG) .......................................... 5 Feststellungspauschale .......................... 7 Vollstreckungsschutz ............................ 9 a) Einstellung auf Antrag des Verwalters (§ 30d Abs. 1 ZVG) ..................... 10 b) Einstellung auf Antrag des Schuldners (§ 30d Abs. 2 ZVG) ..................... 12
I.
Vorbemerkung
c) Einstellung auf Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 30d Abs. 4 ZVG) ..................... 13 d) Auflagen (§ 30e ZVG) ................. 14 e) Aufhebung der Einstellung (§ 30f ZVG) .................................. 18 f) Zwangsverwaltung (§§ 153b, 153c ZVG) .................................... 21 IV. Freihändige Veräußerung ................. 22 V. Umsatzsteuer bei der Immobilienverwertung ................................ 24 1. Zwangsversteigerung ........................... 25 2. Zwangsverwaltung ............................... 26 3. Freihändige Verwertung ..................... 29
Neben dem Gläubiger steht auch dem Verwalter das Recht zu, unbewegliches Vermögen i. R. des ZVG zu verwerten. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, den Gegenstand zu verwerten, denn sein Absonderungsrecht haftet an dem Gegenstand und besteht über das Insolvenzverfahren hinaus fort. Daher kann der Verwalter nur dann einen erwarteten Erlös für die Insolvenzmasse realisieren, wenn er zur Verwertung berechtigt ist.
1
II. Begriff Zum unbeweglichen Vermögen gehören das Grundstück selbst sowie dessen wesentlichen Bestandteile (§ 946 BGB) und Rechte, die sich aus dem Eigentum am Grundbesitz ergeben (§ 96 BGB). Das Grundstück muss im Übrigen im Eigentum des Schuldners stehen (§ 35).
2
III. Verwertungsmöglichkeiten Regelungen zur Verwertung enthält nicht die Insolvenzordnung, sondern das ZVG, das mit Einführung der Insolvenzordnung um einige insolvenzspezifische Vorschriften ergänzt worden ist. 1.
Beschlagnahme (§ 173 ZVG)
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bereits eine Beschlagnahme des Schuldnervermögens erfolgt. Daher wirkt die Anordnung der Versteigerung nicht erneut als Beschlagnahme. Im Hinblick auf die Berechnung wiederkehrender Leistungen (§ 13 ZVG) und die Abgrenzung des von der Versteigerung erfassten Vermögens (§ 55 ZVG) gilt die Zustellung des Anordnungsbeschlusses als maßgeblicher Beschlagnahmezeitpunkt. 2.
3
4
Änderung des geringsten Gebots (§ 174 ZVG)
Absonderungsgläubiger können auf die Gestaltung des geringsten Gebots (§ 44 ZVG) Einfluss nehmen, wenn der Verwalter ihr Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück anerkannt hat. Voraussetzung ist, dass sie sowohl persönlicher als auch
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§ 165
Verwertung unbeweglicher Gegenstände
dinglicher Gläubiger sind.1) Nicht erforderlich ist eine Feststellung zur Tabelle. Sie können beantragen, dass bei Berechnung des geringsten Gebots nur die ihnen vorgehenden Rechte berücksichtigt werden. Das geringste Gebot verringert sich und erhöht die Aussicht auf eine Ersteigerung durch einen Interessenten. Der Gläubiger gelangt so in die Position des Antragstellers. Das Ausgebot des Grundstücks erfolgt in der gesetzlichen und der abgewandelten Variante. Vorteilhaft ist dieser Weg, weil so eine Einstellung des Verfahrens abgewendet werden und der Gläubiger seinen Ausfall feststellen kann. 6
Werden mehrere Anträge gestellt, ist das Gebot des am besten gestellten Gläubigers maßgebend. 3.
Feststellungspauschale
7
Bei der Verteilung des Erlöses der Versteigerung ergibt sich die Rangfolge aus § 10 ZVG. Vorrangig ist danach die Feststellungspauschale mit pauschal 4 % des Wertes des Zubehörs (§ 74a Abs. 5 Satz 2 ZVG, § 97 BGB) dem Erlös zu entnehmen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a). Die Beschränkung auf das Zubehör ist gerechtfertigt, weil die Feststellung der Rechte am Grundbesitz bereits durch Einsichtnahme in das Grundbuch ermöglicht wird. Voraussetzung ist nicht die Antragstellung durch den Verwalter, sondern lediglich, dass ein Insolvenzverwalter bestellt worden ist, d. h. das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
8
Der Verwalter kann durch einen Antrag bei dem Vollstreckungsgericht erreichen, dass neben dem geringsten Gebot nach § 44 ZVG nur die der Feststellungspauschale vorgehenden Ansprüche berücksichtigt werden (§ 174a ZVG). Voraussetzung ist, dass die Feststellungspauschale entstanden ist. Auch hier erfolgt ein Doppelausgebot (vgl. Rz. 5). 4.
9
Vollstreckungsschutz
Der Verwalter kann das Versteigerungsverfahren durch einen Antrag bei dem Vollstreckungsgericht (§ 15 ZVG) einleiten. Hat der Gläubiger diesen Antrag gestellt (§ 49), können der Verwalter und der Schuldner die einstweilige Einstellung des Verfahrens beantragen. a) Einstellung auf Antrag des Verwalters (§ 30d Abs. 1 ZVG)
10
Auf Antrag des Verwalters ist die Zwangsversteigerung (§ 30a Abs. 1 ZVG) einzustellen, wenn der Berichtstermin noch nicht stattgefunden hat, das Grundstück nach dem Ergebnis des Berichtstermins noch benötigt wird, die Versteigerung die Umsetzung des Insolvenzplans gefährdet oder die Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird. Dem Grundsatz der gemeinsamen Befriedigung aller Gläubiger folgend, können Vollstreckungsmaßnahmen eines einzelnen Gläubigers durch den Verwalter verhindert werden, wenn die Maßnahme die gemeinsamen Interessen gefährdet. So ist es im Interesse der Gläubiger, dass wesentliche Vermögensteile nicht vor dem Berichtstermin, in dem über deren Nutzung erst entschieden wird, veräußert werden. Gleiches gilt, wenn die Verwendung des Grundstücks i. R. eines Insolvenzplans vorgesehen ist. Schließlich sind Konstellationen denkbar, die _____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 165 Rz. 14.
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§ 165
Verwertung unbeweglicher Gegenstände
einen besseren Erlös etwa durch freihändige Veräußerung des Grundstücks erwarten lassen. Die Angaben des Verwalters sind glaubhaft zu machen (§ 30d Abs. 3 ZVG). Vor der Beschlussfassung des Gerichts ist der betreibende Gläubiger zu hören (§ 30d Abs. 3, § 30b Abs. 2 ZVG). Seine Interessen sind eingeschränkt zu berücksichtigen: Nur wenn die Einstellung ihm unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten ist, ist der Einstellungsantrag abzulehnen. Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts unterliegt der sofortigen Beschwerde (§ 30d Abs. 3, § 30b Abs. 3 ZVG) durch die Betroffenen.
11
b) Einstellung auf Antrag des Schuldners (§ 30d Abs. 2 ZVG) Hat der Schuldner einen Insolvenzplan vorgelegt, kann er mit dieser Begründung ebenfalls einen Einstellungsantrag stellen (Abs. 2). Dies setzt voraus, dass der Plan nicht nach § 231 zurückgewiesen wurde, etwa weil er offensichtlich keine Aussicht auf Annahme hat.
12
c) Einstellung auf Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 30d Abs. 4 ZVG) Ausnahmsweise kann auch der vorläufige Insolvenzverwalter die Einstellung betreiben. Er muss glaubhaft machen, dass die Versteigerung die Vermögenslage des Schuldners nachteilig beeinflusst. Seine Angaben sind glaubhaft zu machen.
13
d) Auflagen (§ 30e ZVG) Ein Einstellungsantrag führt zu einer Beeinträchtigung der Position des betreibenden Gläubigers, dessen Befriedigung durch die Einstellung zumindest verzögert wird. Ihm soll kein Schaden entstehen.2) Die einstweilige Einstellung ist deshalb mit der Auflage von Zahlungen aus der Masse an diesen Gläubiger zu verbinden.
14
Erfolgt die Einstellung im eröffneten Verfahren, sind an den Gläubiger beginnend mit dem Zeitpunkt des Berichtstermins die laufenden Zinsen spätestens zwei Wochen nach Fälligkeit zu zahlen (§ 30e Abs. 1 Satz 1 ZVG). Insgesamt soll der Gläubiger nicht länger als drei Monate ohne Zinszahlungen an einer Verwertung gehindert sein. Im eröffneten Verfahren ist dies durch die Frist zur Bestimmung des Berichtstermins (§ 29 Abs. 1 Nr. 1) gewährleistet. Erfolgte eine Einstellung auf Antrag des vorläufigen Verwalters, ist der Zeitraum auf drei Monate nach der darauf folgenden Einstellung festgelegt. Maßgebend ist der Zinssatz des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses. Dies soll ausreichen, um die Liquidität des Gläubigers zu sichern.3)
15
Ein möglicher Wertverlust durch die Nutzung des Grundstücks für das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Gläubigers durch laufende Zahlungen auszugleichen. Die Verpflichtung zur Zahlung beginnt mit der Einstellung des Versteigerungsver-
16
_____________ 2) 3)
Begr. z. § 188 RegE InsO/§ 30e ZVG, BT-Drucks. 12/2443, S. 176, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 619. Begr. z. § 188 RegE InsO/§ 30e ZVG, BT-Drucks. 12/2443, S. 176, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 619; BGH, Beschl. v. 16.2.2006 – IX ZR 26/05, ZIP 2006, 814 = NZI 2006, 1873, dazu EWiR 2006, 471 (N. Schmidt/Schirrmeister).
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§ 165
Verwertung unbeweglicher Gegenstände
fahrens.4) Nicht geregelt ist, wie der Verlust ermittelt wird. Da es sich um einen Antrag des Gläubigers handelt, ist ihm abzuverlangen, dass er seinen Antrag begründet, also einen Verlust darlegt. 17
Eine Beeinträchtigung der Situation des Gläubigers liegt nur vor, wenn er bei Durchführung der Zwangsversteigerung mit einer Befriedigung rechnen kann. Auflagen sind deshalb nicht anzuordnen, wenn der Versteigerungserlös nicht zu einer Befriedigung des betreibenden Gläubigers führt. Geltung hat dies auch im Hinblick auf eine teilweise Befriedigung des Gläubigers. Die Anordnung, Zinsen oder Wertverlust zu zahlen, bezieht sich nur auf den Betrag, den der Gläubiger voraussichtlich aus dem Erlös erhält. Dabei kann der nach § 74a Abs. 5 ZVG ermittelte Verkehrswert Anhaltspunkte liefern. e) Aufhebung der Einstellung (§ 30f ZVG)
18
Sind die Voraussetzungen für die Einstellung entfallen, werden die Auflagen nicht eingehalten, stimmen Verwalter oder der Schuldner zu oder wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, kann der Gläubiger die Aufhebung der Einstellung beantragen. Die Einstellung ist demnach nur auf Antrag des Gläubigers aufzuheben und braucht deshalb nicht wie bei einem Antrag des Schuldners befristet zu werden (§ 30a Abs. 1 ZVG).
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Erfolgte die Einstellung aufgrund des Antrags des vorläufigen Insolvenzverwalters, entfällt die Grundlage mit Rücknahme des Insolvenzantrages oder Abweisung des Eröffnungsantrages, sodass auch dies einen Aufhebungsgrund darstellt.
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Vor der Entscheidung sind Verwalter oder Schuldner zu hören. Die Aufhebungsentscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde (§ 30f Abs. 3 Satz 2, § 30b Abs. 3 ZVG). f)
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Zwangsverwaltung (§§ 153b, 153c ZVG)
Der Zwangsversteigerung ähnliche Regelungen ergeben sich für die Zwangsverwaltung. Danach ist auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zwangsverwaltung vollständig oder teilweise einzustellen, wenn durch ihre Fortsetzung eine wirtschaftliche Nutzung der Masse wesentlich erschwert wird. Die Angaben sind glaubhaft zu machen. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Mit der Einstellung ist dem Insolvenzverwalter zur Auflage zu machen, die Nachteile des die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers auszugleichen. Der Ausgleich erfolgt durch laufende Zahlungen aus der Masse. Entfallen diese Voraussetzungen, erfüllt der Verwalter die Auflagen nicht oder stimmt er der Fortsetzung der Verwaltung zu, ist die Anordnung auf Antrag des Gläubigers aufzuheben. Die Einstellung endet spätestens mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens. IV. Freihändige Veräußerung
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Nicht ausgeschlossen ist eine freihändige Veräußerung des Grundbesitzes (vgl. §§ 159, 160 Abs. 2 Nr. 1). Hierzu wird regelmäßig eine Abstimmung mit den Absonderungsgläubigern herbeigeführt, die einer solchen Verfahrensweise in der Regel _____________ 4)
Begr. z. § 188 RegE InsO/§ 30e ZVG, BT-Drucks. 12/2443, S. 176, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 619.
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§ 165
Verwertung unbeweglicher Gegenstände
zustimmen, da eine freihändige Veräußerung höhere Erlöse erwarten lässt. Zudem sind die bestehenden Sicherungsrechte an dem Grundbesitz vor der Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu löschen, da der Erwerber eine lastenfreie Umschreibung erwarten wird. Dies bedarf der Mitwirkung der Gläubiger. Wickelt der Verwalter die Veräußerung ab, sind Absonderungsgläubiger weiterhin bereit, den Aufwand des Verwalters durch einen prozentualen Erlösanteil, der in die Masse fließt, auszugleichen. Eine Verpflichtung besteht für die Gläubiger nicht. Sie sind allerdings in jedem Fall auf die Mitwirkung des Verwalters angewiesen, sodass sich regelmäßig ein Erlös für die Insolvenzmasse erreichen lässt. Das Absonderungsrecht setzt sich an dem Recht am Erlös bis zur Höhe des Absonderungsrechts fort.
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Paul
V. Umsatzsteuer bei der Immobilienverwertung Die umsatzsteuerlichen Konsequenzen der Verwertung von zur Insolvenzmasse gehörenden Immobilien richten sich vornehmlich nach der Art der Verwertungsmaßnahme.5) 1.
Zwangsversteigerung
Generell gilt, dass die Veräußerung der Immobilie, sofern nicht eine (nicht steuerbare) Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt (§ 1 Abs. 1a UStG), zu einer Lieferung i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 UStG führt. Sie ist grundsätzlich – da unter das GrEStG fallend – steuerfrei (§ 4 Nr. 9a UStG). Zwecks Vermeidung einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG kann allerdings ein Verzicht auf die Steuerfreiheit (§ 9 Abs. 1 UStG) angezeigt sein. Das Optionsrecht kann durch den Insolvenzverwalter i. R. der Zwangsversteigerung längstens bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin erklärt werden (§ 9 Abs. 3 Satz 1 UStG). Die aus der Optierung resultierende Umsatzsteuer schuldet nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG der Erwerber, wenn er Unternehmer oder juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Fehlt es hieran, ist der Insolvenzschuldner Steuerschuldner. Die Umsatzsteuer ist Masseverbindlichkeit, da sie nach Insolvenzeröffnung begründet worden ist. 2.
6) 7)
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Zwangsverwaltung
Wird für ein Grundstück die Zwangsverwaltung angeordnet, hat der durch das Versteigerungsgericht bestellte Zwangsverwalter ab dem Zeitpunkt der Übernahme des Amtes die steuerlichen Pflichten, soweit sie mit der beschlagnahmten Immobilie im Zusammenhang stehen, zu erfüllen. Der Zwangsverwalter ist in diesem Bereich Vermögensverwalter i. S. des § 34 AO.6) Er hat die Steuererklärungspflichten zu erfüllen.7) Hierzu erhält er regelmäßig eine gesonderte Steuernummer von der Finanzverwaltung erteilt. Der von ihm verwalteten Masse stehen etwaige Steuererstattungsansprüche zu; umgekehrt sind aus der Masse die Zahllasten zu bedienen. _____________ 5)
24
Vgl. hierzu BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 7105/11/10001, IV D 2 – S 7105/13/ 10003, 2014, 0394588, BStBl. I 2014, 816. BFH, Urt. v. 15.6.1999 – VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46 = BB 1999, 1966; BFH, Urt. v. 19.12.1985 – V R 139/76, BStBl. II 1986, 500 = ZIP 1986, 991. BMF-Schr. v. 8.6.1992 – IV A 3 – S 7340 – 63/92, BStBl. I 1992, 397.
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§ 166
Verwertung beweglicher Gegenstände
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Verständigt sich der Insolvenzverwalter mit dem Grundpfandgläubiger auf eine sog. kalte Zwangsverwaltung, wird die Immobilie nicht zur Sondermasse, sondern verbleibt innerhalb der Insolvenzmasse. Dementsprechend ändern sich die steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters durch die Vereinbarung einer kalten Zwangsverwaltung nicht.
28
Allerdings ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die vom Insolvenzverwalter mit dem Grundpfandgläubiger ausgehandelten Massekostenbeiträge der Umsatzsteuer unterliegen.8) 3.
Freihändige Verwertung
29
Auch bei der freihändigen Verwertung einer Immobilie kommt es zu einer grundsätzlich steuerfreien Lieferung eines Grundstücks (§ 1 Abs. 1, § 4 Nr. 9a UStG), wenn die Veräußerung der Immobilie nicht eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt. Ebenfalls ist es möglich, zur Umsatzsteuer zu optieren, um eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG zu verhindern. Der Verzicht auf die Steuerfreiheit kann nur im notariellen Grundstückskaufvertrag erklärt werden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 UStG). Er hat den Übergang der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG zur Konsequenz, wenn der Erwerber Unternehmer oder juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Ist der Insolvenzschuldner Schuldner der Umsatzsteuer, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit.
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Hat sich der Insolvenzverwalter mit dem Grundpfandgläubiger auf einen Kostenbeitrag für sein Mitwirken an der freihändigen Verwertung der Immobilie verständigt, liegt in der Beteiligung der Insolvenzmasse am Verwertungserlös ein Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung. Der Insolvenzschuldner erbringt nach Ansicht des BFH an den Grundpfandgläubiger eine Geschäftsbesorgung, da die Veräußerung des Grundstücks keine Pflicht des Insolvenzverwalters ist. Der Massebeitrag unterliegt deshalb der Umsatzsteuer.9) _____________ 8) 9)
BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923 = ZInsO 2011, 1904, dazu EWiR 2011, 673 (Mitlehner). BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923 = ZInsO 2011, 1904, dazu EWiR 2011, 673 (Mitlehner); BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 31/04, ZIP 2005, 2119 = ZInsO 2005, 813, dazu EWiR 2005, 841 (Spliedt/Schacht).
§ 166 Verwertung beweglicher Gegenstände Castrup
(1) Der Insolvenzverwalter darf eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat. (2) Der Verwalter darf eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat, einziehen oder in anderer Weise verwerten. (3) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung 1.
auf Gegenstände, an denen eine Sicherheit zu Gunsten des Betreibers oder des Teilnehmers eines Systems nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem System besteht,
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§ 166
Verwertung beweglicher Gegenstände
2.
auf Gegenstände, an denen eine Sicherheit zu Gunsten der Zentralbank eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder Vertragsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums oder zu Gunsten der Europäischen Zentralbank besteht, und
3.
auf eine Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes. Übersicht
I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Übergang des Verwertungsrechts ...... 2 III. Umfang der Verwertungsmöglichkeiten ....................................... 3 1. Verwertung beweglicher Gegenstände ..................................................... 3 2. Verwertung von Forderungen .............. 4 3. Verwertung durch den Gläubiger ......... 6 IV. Ermächtigung des (vorläufigen) Verwalters ............................................. 7 V. Ausschluss von Finanzsicherheiten ..................................................... 8 VI. Umsatzsteuerliche Aspekte der Verwertung .......................................... 9 1. Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen im Insolvenzverfahren .......... 10 a) § 166 Abs. 1 .................................. 11 b) § 170 Abs. 2 .................................. 12 c) § 173 Abs. 1 .................................. 13
I.
2.
3.
d) § 168 Abs. 3 .................................. 14 e) Freigabe ........................................ 15 Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen außerhalb des Insolvenzverfahrens ............................................. 16 a) Verwertung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter ... 16 b) Verwertung durch den Sicherungsnehmer ................................. 17 c) Verwertung durch den Sicherungsgeber auf Kommissionsbasis ............................................... 18 d) Verwertung durch den Sicherungsgeber ohne Zustimmung des Sicherungsnehmes ................. 20 e) Freigabe durch den Sicherungsnehmer ................................. 21 Verwertung von sicherungshalber abgetretenen Forderungen .................. 22
Vorbemerkung
Eine Fortführung des Unternehmens ist nur dann möglich, wenn der Verwalter die in seinem Besitz befindlichen beweglichen Gegenstände zu diesem Zweck nutzen kann. Dem würde ein alleiniges Verwertungsrecht der Absonderungsgläubiger entgegenstehen. Werden die Verwertungsmaßnahmen in einer Person konzentriert, lassen sich bessere Verwertungserlöse erzielen.1) Im Übrigen dient die Regelung dem Schutz der Gläubigergemeinschaft, da die Verwertung durch den Verwalter eine bestmöglichste Verwertung sicherstellen soll.
1
II. Übergang des Verwertungsrechts Mit Eröffnung des Verfahrens gehen die Verwertungsrechte vollumfänglich auf den Insolvenzverwalter über.2) Bis zu diesem Zeitpunkt steht das Verwertungsrecht uneingeschränkt dem Absonderungsgläubiger zu,3) solange eine darauf bezogene Anordnung des Insolvenzgerichts nach § 21 nicht entgegensteht. Ebenso ist die Anfechtung einer solchen Verwertung mangels eines Anfechtungstatbestandes nicht möglich. _____________ 1) 2)
3)
BGH, Beschl. v. 11.7.2002 – IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630 = ZVI 2002, 282, dazu EWiR 2002, 921 (Gundlach/Frenzel). BGH, Urt. v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 = NZI 2004, 137, dazu EWiR 2004, 123 (Gundlach/Schmidt); BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91 = ZVI 2006, 251, dazu EWiR 2006, 375 (Heublein). BGH, Urt. v. 23.9.2004 – IX ZR 25/03, ZIP 2005, 40 = ZVI 2005, 136.
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§ 166
Verwertung beweglicher Gegenstände
III. Umfang der Verwertungsmöglichkeiten 1. 3
Verwertung beweglicher Gegenstände
Umfasst werden alle beweglichen Gegenstände, an denen ein Absonderungsrecht besteht. Zu den Absonderungsrechten gehört auch das Sicherungseigentum (§ 51 Nr. 1) sowie im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Rechte. Die Gegenstände müssen sich im Besitz des Verwalters befinden, also seiner tatsächlichen Gewalt unterliegen (§ 854 BGB). Mittelbarer Besitz (§ 868 BGB) reicht aus, wenn der Schuldner eine sicherungsübereignete Sache gewerblich vermietet oder verleast hat, denn sie würden für eine eventuelle Unternehmensfortführung benötigt.4) Ausgenommen sind demnach Gegenstände, die rechtsgeschäftlich verpfändet und an den Pfandrechtsgläubiger übergeben worden sind. Sie bedürfen keines Schutzes, denn in der Weise verpfändete Gegenstände werden für die Fortführung des Unternehmens nicht benötigt.5) Ebenfalls nicht erfasst wird der einfache Eigentumsvorbehalt. 2.
Verwertung von Forderungen
4
Der Verwalter ist weiterhin berechtigt alle zur Sicherung abgetretenen Forderungen zu verwerten, unabhängig davon, ob sie vom Absonderungsgläubiger offengelegt worden sind oder nicht.6) Die Forderung muss noch bestehen.7) Forderungen, die durch Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme erfüllt wurden, fallen deshalb nicht unter das Verwertungsrecht (§ 378 BGB). Neben der Möglichkeit der Erzielung besserer Verwertungsergebnisse ist es in der Regel nur dem Verwalter möglich, die Forderungseinziehung durchzusetzen. Ihm stehen die gesamten Geschäftsunterlagen des Schuldners, die den Anspruch belegen, zur Verfügung, dem Gläubiger nicht. Einwendungen des Drittschuldners kann er daher am erfolgreichsten entgegentreten.8)
5
Ebenso wie bei beweglichen Sachen (Abs. 1), werden Forderungen, die mit einem Vertragspfandrecht (§§ 1279 ff BGB) belastet sind, nicht erfasst.9) 3.
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Verwertung durch den Gläubiger
Verwertet der Gläubiger die Forderung, ohne dass ihm die Verwertung überlassen ist (§ 170 Abs. 2), handelt er rechtwidrig und ist der Masse zum Schadensersatz verpflichtet (§ 823 Abs. 2 BGB), falls eine Verwertung durch den Verwalter zu einem höheren Erlös geführt hätte.10) Er ist außerdem verpflichtet, die Feststellungspauschale (§ 170 Abs. 1) und einen Übererlös an die Masse abzuführen. _____________ 4) BGH, Urt. v. 16.2.2006 – IX ZR 26/05, ZIP 2006, 814 = NZI 2006, 1873, dazu EWiR 2006, 471 (N. Schmidt/Schirrmeister). 5) Begr. § 191 RegE/§ 166 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 178, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 392. 6) BGH, Beschl. v. 11.7.2002 – IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630 = ZVI 2002, 282. 7) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91 = ZVI 2006, 251. 8) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91 = ZVI 2006, 251. 9) BGH, Beschl. v. 11.7.2002 – IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630 = ZVI 2002, 282. 10) BGH, Urt. v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 = NZI 2004, 137.
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§ 166
Verwertung beweglicher Gegenstände
IV. Ermächtigung des (vorläufigen) Verwalters Andere als die in Absatz 1 und Absatz 2 bezeichneten Sachen und Forderungen können sowohl der vorläufige als auch der Verwalter des eröffneten Verfahrens verwerten, wenn sie vom Gläubiger zur Verwertung oder Einziehung ermächtigt sind.11) Eine Ermächtigung ist insbesondere dann angebracht, wenn eine eindeutige Zuordnung der abgetretenen Forderung nicht möglich ist. Ein Interessenkonflikt ist darin nicht zu sehen, da die Forderung nicht zur Insolvenzmasse, worauf sich der Gleichbehandlungsgrundsatz der Insolvenzgläubiger bezieht, gehört. Durch die Tätigkeit des Verwalters wird die Masse hingegen gemehrt, wenn eine Verwertungspauschale gewährt wird (ein Anspruch darauf besteht nicht)12) oder sich ein die gesicherte Forderung übersteigender Erlös erzielen lässt.
7
V. Ausschluss von Finanzsicherheiten Absatz 2 schließt Finanzsicherheiten von dem Verwertungsrecht des Verwalters aus. Hierdurch wird Artikel 4 der Finanzsicherheitenrichtlinie in deutsches Insolvenzrecht umgesetzt.13)
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VI. Umsatzsteuerliche Aspekte der Verwertung Literatur: de Weerth, Aktuelle insolvenzrechtlich bedingte Problembereiche der Umsatzsteuer, ZInsO 2008, 1252; de Weerth, Umsatzsteuer bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände, ZInsO 2003, 246; Ries, § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG – Ende aller Diskussion (!?), ZInsO 2010, 689.
Die Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen sowie von sicherungshalber zedierten Forderungen wirft eine Reihe von umsatzsteuerlichen Fragestellungen auf. Deren Beantwortung richtet sich einerseits danach, wann die Verwertung erfolgt (innerhalb oder außerhalb des Insolvenzverfahrens). Andererseits ist aber auch entscheidend, wer auf welche Art die Verwertung nach §§ 166 ff durchführt.14) 1.
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Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen im Insolvenzverfahren
Ausgangspunkt für die umsatzsteuerliche Beurteilung der Verwertungsmaßnahmen insbesondere bei sicherungsübereigneten Gegenständen ist die Feststellung, dass allein die Sicherungsübereignung an sich noch keine umsatzsteuerliche Lieferung darstellt. Dementsprechend führt erst die Verwertung des Sicherungsguts vor oder während des Insolvenzverfahrens zu umsatzsteuerlichen Konsequenzen.
10
a) § 166 Abs. 1 Veräußert der Insolvenzverwalter einen in seinem Besitz befindlichen und mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstand gemäß § 166 Abs. 1 kommt es zwischen _____________ 11) BGH, Urt. v. 15.5.2003 – IX ZR 218/02, ZIP 2003, 1256 = NZI 2003, 496, dazu EWiR 2003, 799 (Tetzlaff). 12) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91 = ZVI 2006, 251. 13) Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten (Finanzsicherheiten-Richtlinie), Abl. (EG) L 168/43. 14) Vgl. hierzu BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 7105/11/10001, IV D 2 – S 7105/13/10003, 2014/0394588, BStBl. I 2014, 816.
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§ 166
Verwertung beweglicher Gegenstände
der Insolvenzmasse und dem Erwerber zu einer Lieferung i. S. des § 3 Abs. 1 UStG. Dieser sog. einstufige Umsatz führt, soweit nach den allgemeinen Regeln überhaupt ein steuerpflichtiges Umsatzgeschäft vorliegt, zum Anfall von Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2.15) Sie ist vom Insolvenzverwalter an das Finanzamt abzuführen. Die Bemessungsgrundlage für die Lieferung des Verwalters stellt dabei das vereinbarte Entgelt dar (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG), das jedoch nicht die Grundlage für die Ermittlung der Kostenpauschalen (§ 171) bildet. Stattdessen sind die pauschalierten Feststellungs- und Verwertungskosten aus dem Bruttoverwertungserlös zu ermitteln.16) Die Verwertungskostenpauschale ihrerseits ist – anders als die Feststellungskostenpauschale – nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 2011 ebenfalls eine steuerbare Leistung des Insolvenzverwalters (an den Sicherungsnehmer).17) Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass der Insolvenzverwalter zwar nach § 166 Abs. 1 zur Verwertung von Absonderungsgegenständen berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Entscheidet sich der Verwalter für eine Verwertung, erbringt er an den Sicherungsgläubiger eine entgeltliche Geschäftsbesorgung. Der Bundesfinanzhof hat mit seiner Entscheidung vom 28.7.2011 seine frühere Auffassung, wonach dies nur bei einer freihändigen Verwertung einer Immobilie gelten sollte, geändert.18) b) § 170 Abs. 2 12
Die Veräußerung eines dem Sicherungsnehmer vom Insolvenzverwalter überlassenen Absonderungsgegenstands führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu einem Doppelumsatz: Einerseits zu einer Lieferung des Insolvenzschuldners an den Sicherungsnehmer und andererseits zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Erwerber.19) Beide Lieferungen finden im Zeitpunkt der Gläubigerverwertung statt. Der aus der Erstlieferung resultierende Umsatzsteueranspruch ist Masseforderung des Steuergläubigers nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2. Umgekehrt hat der verwertende Sicherungsnehmer den Umsatzsteuerbetrag an die Insolvenzmasse abzuführen (§§ 171 Abs. 2 Satz 3, 170 Abs. 2). Er wird regelmäßig eine Gutschrift an den Insolvenzverwalter erteilen. Bemessungsgrundlage für die Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer ist die Gegenleistung (Nettokaufpreis) abzüglich Verwertungskosten (unstr.) und Feststellungskosten (str.).20) _____________ 15) BFH, Urt. v. 28.6.2000 – V R 87/99, ZIP 2000, 1778 = NZI 2001, 56, dazu EWiR 2000, 1127 (Onusseit); BFH, Urt. v. 28.6.2000 – V R 45/99, ZIP 2000, 2120 = DStR 2000, 2041, dazu EWiR 2001, 37 (Drescher); de Weerth, ZInsO 2003, 246. 16) LG Düsseldorf, Urt. v. 15.1.2004 – 21 S 156/03, BeckRS 2004, 17881 = ZInsO 2004, 1091. 17) BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923 = ZInsO 2011, 1904, dazu EWiR 2011, 673 (Mitlehner). 18) BFH, Urt. v. 6.10.2005 – V R 20/04, NZI 2006, 251 = BB 2005, 2798. 19) BFH, Beschl. v. 19.7.2007 – V B 222/06, ZIP 2007, 1998 = NZI 2007, 736, m. Anm. de Weerth. 20) Vgl. zum Meinungsstand und einem Beispielsfall: Waza/Uhländer/Schmittmann-Waza, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2224 ff.
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§ 166
Verwertung beweglicher Gegenstände
c) § 173 Abs. 1 Ist der Insolvenzverwalter nicht nach § 166 zur Verwertung eines Absonderungsgegenstandes berechtigt, kann der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut veräußern. Es kommt dann – wie bei einer Verwertung nach § 170 Abs. 2 – zu einem Doppelumsatz (Lieferung vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer einerseits und vom Sicherungsnehmer an den Erwerber andererseits). Beide Lieferungen fallen zeitlich zusammen, weshalb bei einer Verwertung nach Insolvenzeröffnung die aus der Erstlieferung resultierende Umsatzsteuer wiederum Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ist. Der Insolvenzmasse steht nach Ansicht des BGH aus dem Jahre 2007 gegen den Sicherungsnehmer ein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer zu. Er leitet das aus einer analogen Anwendung von § 170 Abs. 2 her und führt zur Begründung aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei einer Lieferung des Absonderungsgegenstandes an den Sicherungsnehmer dieser immer die Umsatzsteuer zu tragen hat.21) Dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich der Bundesfinanzhof zwischenzeitlich ausdrücklich auch noch einmal für den Fall angeschlossen, dass die Inbesitznahme des sicherungsübereigneten Gegenstandes bereits vor Insolvenzeröffnung, die Verwertung jedoch erst danach erfolgte.22)
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d) § 168 Abs. 3 Übernimmt der Sicherungsnehmer den mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstand selbst (§ 168 Abs. 3), kommt es lediglich zu einem einstufigen Umsatz (Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer).23) Die anfallende Umsatzsteuer ist Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2. Der Sicherungsnehmer hat der Insolvenzmasse die Umsatzsteuer zu erstatten.
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e) Freigabe Gibt der Insolvenzverwalter einen sicherungsübereigneten Gegenstand aus der Insolvenzmasse frei, führt allein die Freigabe noch nicht zu einem umsatzsteuerbaren Vorgang. Verwertet jedoch in der Folge der Insolvenzschuldner das freigegebene Sicherungsgut und fließt dem Sicherungsnehmer der Kauferlös zu, kommt es zu einer Lieferung an ihn. Die hierbei anfallende Umsatzsteuer ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs Masseverbindlichkeit. Im Zusammenhang mit der Freigabe eines Grundstücks durch einen Konkursverwalter hat er im Jahre 2001 judiziert, dass die Verwertung der Immobilie deshalb (auch) der Konkursmasse zugutekommt, weil sie von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Absonderungsgläubiger (zumindest teilweise) entlastet wird.24) Diese Rechtsprechung ist in der Literatur nicht unumstritten.25) _____________ 21) BGH, Urt. v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126 = NZI 2007, 394, m. Anm. de Weerth, dazu EWiR 2007, 537 (Flitsch). 22) BFH, Beschl. v. 1.3.2010 – XI B 34/09, ZInsO 2010, 721 = NZI 2010, 451; kritisch Ries, ZInsO 2010, 689. 23) Kahlert/Rühland-Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 9.565. 24) BFH, Urt. v. 16.8.2001 – V R 59/99, ZIP 2002, 230 = NZI 2002, 572, dazu EWiR 2002, 301 (Büteröwe). 25) Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 170 Rz. 25; de Weerth, ZInsO 2008, 1252; Büchler in: HambKomm-InsO, § 171 Rz. 15.
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§ 166 2.
Verwertung beweglicher Gegenstände
Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen außerhalb des Insolvenzverfahrens
a) Verwertung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter 16
Kommt es während des Insolvenzeröffnungsverfahrens zu einer Verwertungsmaßnahme an einem sicherungsübereigneten Gegenstand durch einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter, liegt (nur) eine Lieferung vom Sicherungsgeber an den Erwerber vor (sog. Einfachumsatz). Die Umsatzsteuer ist nach § 55 Abs. 2 Masseverbindlichkeit. Eine Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG erfolgt mangels Lieferung an den Sicherungsnehmer nicht.26) b) Verwertung durch den Sicherungsnehmer
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Verwertet vor Insolvenzeröffnung der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut, kommt es zu einem Doppelumsatz (1. Lieferung vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer; 2. Lieferung vom Sicherungsnehmer an den Erwerber).27) Da die erste Lieferung – weil vor Verfahrenseröffnung – außerhalb des Insolvenzverfahrens i. S. des § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG erfolgt, geht die Steuerschuldnerschaft auf den Sicherungsnehmer über. Dieser schuldet der Finanzverwaltung Umsatzsteuer einerseits als Leistungsempfänger und andererseits als Leistender. Ihm steht jedoch auch der Vorsteuererstattungsanspruch aus der Erstlieferung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG zu, so dass er im Ergebnis nur einmal mit der Umsatzsteuer belastet wird. § 55 Abs. 4 ist auf Verwertungsmaßnahmen während des Eröffnungsverfahrens mangels Steuerschuldnerschaft des Sicherungsgebers nicht anwendbar. Kein Fall des § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt vor, wenn zwar die Inbesitznahme des sicherungsübereigneten Gegenstandes durch den Sicherungsnehmer schon vor, die Verwertung jedoch erst nach Insolvenzeröffnung erfolgt.28) c) Verwertung durch den Sicherungsgeber auf Kommissionsbasis
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Veräußert der Sicherungsgeber vor Insolvenzeröffnung im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Sicherungsnehmers einen mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstand, kommt es zu einem Dreifachumsatz (1. Lieferung vom Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer, 2. Lieferung vom Sicherungsnehmer an den Sicherungsgeber [Kommissionsgeschäft, § 3 Abs. 3 UStG], 3. Lieferung vom Sicherungsgeber an den Erwerber).29) Aus den Lieferungen 1 und 2 schuldet der Sicherungsnehmer die Umsatzsteuer. Er hat jedoch aus der 1. Lieferung einen verrechenbaren Vorsteueranspruch, so dass er im Ergebnis nur einmal mit der Umsatzsteuer belastet wird.
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Von einer Verwertung im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung durch den Sicherungsgeber – kann in Abgrenzung zur Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsgang durch den Sicherungsgeber – nur dann ausgegangen werden, wenn es sich um ein von den Parteien vereinbartes Verwertungsgeschäft handelt. Der Erlös _____________ 26) 27) 28) 29)
Waza/Uhländer/Schmittmann-Waza, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2249. Waza/Uhländer/Schmittmann-Waza, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2251. BFH, Beschl. v. 1.3.2010 – XI B 34/09, ZInsO 2010, 721 = NZI 2010, 451. BFH, Urt. v. 23.7.2009 – V R 27/07, ZIP 2009, 2285 = ZInsO 2009, 2155, dazu EWiR 2010, 225 (Mitlehner).
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§ 166
Verwertung beweglicher Gegenstände
muss also zur Rückführung des Kredits verwendet werden anstatt z. B. zum Erwerb neuer Waren durch den Sicherungsgeber.30) Weitere Voraussetzung für einen Dreifachumsatz ist, dass die Verwertung nach Eintritt des Sicherungsfalls geschieht. Eine nur im Interesse des Sicherungsnehmers vorgenommene Veräußerung genügt für einen Dreifachumsatz ebenfalls nicht.31) d) Verwertung durch den Sicherungsgeber ohne Zustimmung des Sicherungsnehmes Veräußert der Sicherungsgeber den mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstand ohne Zustimmung des Sicherungsnehmers ist nach h. M. im Schrifttum von einem Einfachumsatz auszugehen, bei dem die Umsatzsteuer Insolvenzforderung ist.32) Der Erwerber haftet auch nicht für die nicht abgeführte Umsatzsteuer nach § 25d UStG.33)
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e) Freigabe durch den Sicherungsnehmer Gibt der Sicherungsnehmer das ihm sicherungsübereignete Gut frei, führt eine anschließende Verwertung durch den (vormaligen) Sicherungsgeber (nur) zu einem Einfachumsatz des Sicherungsgebers an den Erwerber. Der (ehemalige) Sicherungsnehmer ist in den Liefervorgang nicht mehr involviert. 3.
21
Verwertung von sicherungshalber abgetretenen Forderungen
Zieht der Insolvenzverwalter zur Sicherheit einem Gläubiger abgetretene Forderungen aufgrund der Befugnis von § 166 Abs. 2 ein, muss er i. R. der Abrechnung gegenüber dem Sicherungsgläubiger nicht nur die Kostenpauschalen (§§ 170, 171) in Abzug bringen, sondern auch die Umsatzsteuer einbehalten. Das ist die Konsequenz aus einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 9.12.2010. Nach diesem Urteil begründet die Vereinnahmung des Entgelts für eine Altforderung durch den Insolvenzverwalter bzgl. der Umsatzsteuer unabhängig davon eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1, ob der Schuldner der Soll- oder Istbesteuerung unterliegt.34) Dementsprechend ist die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen und nur der um die Kostenpauchalen und die Umsatzsteuer gekürzte Bruttoverwertungserlös an den Sicherungsgläubiger auszukehren.35) Die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gilt aufgrund des BMF-Schreibens vom 9.12.2011 erst für nach dem 31.12.2011 eröffnete Verfahren.36) _____________ 30) BFH, Urt. v. 23.7.2009 – V R 27/07, ZIP 2009, 2285 = ZInsO 2009, 2155, dazu EWiR 2010, 225 (Mitlehner). 31) BFH, Urt. v. 23.7.2009 – V R 27/07, ZIP 2009, 2285 = ZInsO 2009, 2155, dazu EWiR 2010, 225 (Mitlehner); anders noch BFH, Urt. v. 6.10.2005 –V R 20/04, NZI 2006, 251 = BB 2005, 2798. 32) Vgl. nur de Weerth, ZInsO 2008, 1252. 33) BFH, Urt. v. 28.2.2008 – V R 44/05, ZIP 2008, 932 = ZInsO 2008, 620, m. Anm. Lohse. 34) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823 (Sollbesteuerung), dazu EWiR 2011, 323 (Mitlehner); zur Istbesteuerung bereits vorher: BFH, Urt. v. 19.1.2009 – V R 64/07, ZIP 2009, 977 = ZInsO 2009, 920, dazu EWiR 2009, 315 (Berger). 35) Tetzlaff in MünchKomm-InsO, § 166 Rz. 68. 36) BMF v. 9.12.2011 – IV D 2 – S 7330/09/10001:001, ZIP 2011, 2431.
Paul
1037
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§ 167
Unterrichtung des Gläubigers
23
Kehrt der Insolvenzverwalter an den Zessionar den Bruttoverwertungserlös aus, haftet der Abtretungsgläubiger u. U. nach § 13c UStG gegenüber dem Finanzamt. Diese Haftung wird insbesondere dann virulent, wenn die Masse unzulänglich ist, also die Umsatzsteuermasseforderung aus ihr nicht bedient werden kann.
24
Der Einzug einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung beinhaltet keinen steuerbaren Umsatz, weshalb auf die Kostenpauschalen keine Umsatzsteuer anfällt.
§ 167 Unterrichtung des Gläubigers Castrup
(1) 1Ist der Insolvenzverwalter nach § 166 Abs. 1 zur Verwertung einer beweglichen Sache berechtigt, so hat er dem absonderungsberechtigten Gläubiger auf dessen Verlangen Auskunft über den Zustand der Sache zu erteilen. 2Anstelle der Auskunft kann er dem Gläubiger gestatten, die Sache zu besichtigen. (2) 1Ist der Verwalter nach § 166 Abs. 2 zur Einziehung einer Forderung berechtigt, so hat er dem absonderungsberechtigten Gläubiger auf dessen Verlangen Auskunft über die Forderung zu erteilen. 2Anstelle der Auskunft kann er dem Gläubiger gestatten, Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners zu nehmen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Auskunft über bewegliche Sachen (Abs. 1) .................................................. 2
I. 1
III. Auskunft über Forderungen (Abs. 2) .................................................. 5
Vorbemerkung
Absonderungsgläubiger sind durch den Übergang des Verwertungsrechts nicht gänzlich von Verwertungsmaßnahmen ausgeschlossen. So haben sie das Recht, den Verwalter auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen (§ 168). Haben sie keine Kenntnis über den Zustand der Sache, sind derartige Rechte nur schwerlich wahrzunehmen. Entsprechendes gilt für Forderungen. Die Unterrichtung der Gläubiger soll eine angemessene Beteiligung sicherstellen. II. Auskunft über bewegliche Sachen (Abs. 1)
2
Einem Absonderungsgläubiger hat der Verwalter Auskunft über den Zustand der Sache zu erteilen. Diese Pflicht trifft den Verwalter in jedem Einzelfall. Er kann den Gläubiger nicht auf seine Berichte gegenüber der Gläubigerversammlung oder dem Insolvenzgericht verweisen. Der Gegenstand, auf den sich das Auskunftsersuchen bezieht, ist von dem Gläubiger so zu bezeichnen, dass er sich aus der Masse ermitteln lässt. Wie die Auskunft zu erfolgen hat, ist nicht geregelt. Jedenfalls dann, wenn der Gläubiger eine schriftliche Auskunft verlangt, ist diese auch zu erteilen. Im Einzelfall können detaillierte Auflistungen, die auch die aus einer Verwertung entsprungenen Forderungen aufzeigen, erforderlich sein.1) Eine Auslotung besserer _____________ 1)
BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZIP 2004, 326 = ZVI 2004, 105, dazu EWiR 2004, 349 (Pape).
1038
Castrup
§ 168
Mitteilung der Veräußerungsabsicht
Verwertungsmöglichkeiten ist nur aufgrund einer später nachvollziehbaren schriftlichen Äußerung des Verwalters möglich. Der Auskunftsanspruch des Gläubigers geht nicht dadurch verloren, dass ein Wechsel in der Person des Verwalters eintritt. Auskunftspflichtiger ist immer der gegenwärtige Verwalter, der seinerseits einen Auskunftsanspruch gegen seinen Vorgänger hat und ggf. durchsetzen muss.
3
Um unnötigen Aufwand zu vermeiden, kann der Verwalter den Gläubiger darauf verweisen, die Sache selbst in Augenschein zu nehmen. In dieser Entscheidung ist der Verwalter frei, unabhängig davon, ob der Gläubiger am Ort der Insolvenz ansässig ist oder nicht.
4
III. Auskunft über Forderungen (Abs. 2) Eine Auskunftspflicht besteht auch hinsichtlich sicherungsabgetretener Forderungen. An die Stelle der Besichtigung tritt die Einsicht in die Geschäftsunterlagen.
5
§ 168 Mitteilung der Veräußerungsabsicht (1) 1Bevor der Insolvenzverwalter einen Gegenstand, zu dessen Verwertung er nach § 166 berechtigt ist, an einen Dritten veräußert, hat er dem absonderungsberechtigten Gläubiger mitzuteilen, auf welche Weise der Gegenstand veräußert werden soll. 2Er hat dem Gläubiger Gelegenheit zu geben, binnen einer Woche auf eine andere, für den Gläubiger günstigere Möglichkeit der Verwertung des Gegenstands hinzuweisen. (2) Erfolgt ein solcher Hinweis innerhalb der Wochenfrist oder rechtzeitig vor der Veräußerung, so hat der Verwalter die vom Gläubiger genannte Veräußerungsmöglichkeit wahrzunehmen oder den Gläubiger so zu stellen, wie wenn er sie wahrgenommen hätte. (3) 1Die andere Verwertungsmöglichkeit kann auch darin bestehen, dass der Gläubiger den Gegenstand selbst übernimmt. 2Günstiger ist eine Verwertungsmöglichkeit auch dann, wenn Kosten eingespart werden. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Information des Absonderungsgläubigers .............................................. 2
I.
III. Hinweis des Gläubigers ....................... 3 IV. Überlassung des Gegenstandes an den Gläubiger ....................................... 4
Vorbemerkung
Das Verwertungsrecht des Verwalters soll nicht zu Nachteilen für den Absonderungsgläubiger führen. Ihm wird deshalb die Möglichkeit eingeräumt, den Verwertungsabsichten des Verwalters seine eigenen entgegenzusetzen, wenn der Verwalter ihm gegenüber die Verwertungsabsicht anzeigt. Die Art der Verwertung ist nicht entscheidend. So kann der Gegenstand auch durch öffentliche Versteigerung verwertet werden.1) _____________ 1)
OLG Celle, Urt. v. 20.1.2004 – 16 U 109/03, ZIP 2004, 725 = ZInsO 2004, 445, dazu EWiR 2004, 715 (Blank).
Castrup
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1
§ 168
Mitteilung der Veräußerungsabsicht
II. Information des Absonderungsgläubigers 2
Vor einer beabsichtigten Veräußerung hat der Verwalter den Gläubiger zu unterrichten. Eine besondere Form ist nicht vorgesehen. Jedoch ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Information des Gläubigers nachweisen zu müssen, in jedem Fall das Erfordernis der Schriftform. Durch die Information wird zudem Rechtssicherheit geschaffen. Reagiert der Gläubiger nicht, kann er sich nicht im Nachhinein auf eine bessere Verwertungsmöglichkeit berufen. Inhaltlich muss die Art der Veräußerung so detailliert dargestellt werden, dass es dem Gläubiger möglich ist, Vergleiche zu anderen Veräußerungsmöglichkeiten zu ziehen. Neben dem Preis und den Zahlungsmodalitäten können deshalb abhängig vom Einzelfall weitere Angaben erforderlich sein. Mit der Information ist die Aufforderung zu verbinden, binnen einer Woche eine für den Gläubiger günstigere Verwertungsmöglichkeit anzuzeigen. Die kurze Frist von einer Woche trägt der zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens Rechnung.2) III. Hinweis des Gläubigers
3
Sieht der Gläubiger eine bessere Verwertungsmöglichkeit, zeigt er dies dem Verwalter an. Es obliegt dem Gläubiger, den Nachweis für eine Besserung zu erbringen.3) Aus Absatz 3 ergibt sich, dass schon eine Kostenersparnis genügt. Aus den allgemeinen Zielen des Insolvenzverfahrens ergibt sich aber auch die Pflicht des Verwalters, den Hinweis zu prüfen und von sich aus einer einen höheren Erlös versprechenden Möglichkeit nachzugehen. Hierzu ist er nach Absatz 2 jedenfalls dann verpflichtet, wenn der Gläubiger dies nachweist. Folgt er dem nicht, muss er den Gläubiger so stellen, als hätte er die bessere Lösung gewählt, ihm also den höheren Erlös zahlen.4) IV. Überlassung des Gegenstandes an den Gläubiger
4
Absatz 3 stellt klar, dass eine andere Verwertung auch in der Übernahme des Gegenstandes durch den Gläubiger möglich ist. Verwerter ist deshalb der Verwalter.5) Mit der Überlassung geht die Vereinbarung über den Wert des Gegenstandes einher. Dieser Betrag ist maßgebend für die Berechnung der Kosten der Verwertung und Feststellung nach § 170 Abs. 1 Satz 1. Als befriedigt ist der Gläubiger i. H. des Wertes abzüglich der Kosten, die an die Masse abzuführen sind, anzusehen. In Höhe des Restbetrages ist der Gläubiger i. R. des § 52 als Insolvenzgläubiger einzustufen. Dass der Gläubiger aus der Veräußerung einen höheren Erlös erzielt ist unerheblich.6) Die Überlassung ist mit der Veräußerung an einen Dritten gleichgestellt. Dessen Gewinn aus einer Weiterveräußerung steht ebenfalls nicht der Masse zu. Das Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen wird dadurch nicht beeinträchtigt. Gegenüber Bürgen wird der tatsächlich erzielte Erlös abzüglich der Kosten berücksichtigt. _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
Begr. RA z. § 193 RegE/§ 168 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 176, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 396. Begr. z. § 193 RegE/§ 168 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 179, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 395. BGH, Beschl. v. 4.7.2013 – IX ZR 264/12, ZIP 2013, 1927; OLG Celle, Urt. v. 20.1.2004 – 16 U 109/03, ZIP 2004, 725 = ZInsO 2004, 445. BGH, Urt. v. 3.11.2005 – IX ZR 181/04, ZIP 2005, 2214 = ZVI 2006, 61. BGH, Urt. v. 3.11.2005 – IX ZR 181/04, ZIP 2005, 2214 = ZVI 2006, 61.
1040
Castrup
Schutz des Gläubigers vor einer Verzögerung der Verwertung
§ 169
§ 169 Schutz des Gläubigers vor einer Verzögerung der Verwertung 1 Solange ein Gegenstand, zu dessen Verwertung der Insolvenzverwalter nach § 166 berechtigt ist, nicht verwertet wird, sind dem Gläubiger vom Berichtstermin an laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen. 2Ist der Gläubiger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer Anordnung nach § 21 an der Verwertung des Gegenstands gehindert worden, so sind die geschuldeten Zinsen spätestens von dem Zeitpunkt an zu zahlen, der drei Monate nach dieser Anordnung liegt. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit nach der Höhe der Forderung sowie dem Wert und der sonstigen Belastung des Gegenstands nicht mit einer Befriedigung des Gläubigers aus dem Verwertungserlös zu rechnen ist.
Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Entstehung des Anspruchs ................. 2
I.
III. Fehlende Befriedigung des Gläubigers ............................................. 5
Vorbemerkung
Obwohl der Verwalter unmittelbar nach dem Berichtstermin die Verwertung der Masse einzuleiten hat, kann diese sich, etwa durch Beschlüsse der Gläubigerversammlung oder Erstellung eines Insolvenzplans verzögern. Dem betroffenen Absonderungsgläubiger steht daher ein Nachteilsausgleich zu.
1
II. Entstehung des Anspruchs Wird ein Gegenstand nach § 166 durch den Verwalter nicht verwertet, erwächst dem Gläubiger daraus ein Anspruch auf Nachteilsausgleich, beginnend mit dem Berichtstermin. Der Ausgleich erfolgt in Form laufender Zinszahlungen. Diese Regelung entspricht § 30e ZVG, der gleiches für unbewegliches Vermögen regelt. Die Höhe der Zinszahlungen ergibt sich aus dem dem Absonderungsrecht zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Fehlt eine Vereinbarung beträgt der Zinssatz 4 %.1) Maßgebend ist der voraussichtlich zu realisierende Wert des Gegenstandes (vgl. § 165 Rz. 14 ff), der wesentlich von der Einbringbarkeit abhängt. Leistet der Drittschuldner bei zur Sicherung abgetretener Forderung Teilzahlungen, richtet sich der Ausgleich nach dem bis zum Stichtag gezahlten Betrag, da nur insoweit eine Verwertung stattgefunden hat.2) Wird der Gesamtbetrag gezahlt, ist der Ablauf des Zahltages maßgebend, wenn die Zahlung nicht früher zu erwirken war.
2
Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichs endet mit Ausschüttung des Erlöses an den Absonderungsgläubiger.3)
3
Ist die Verwertung durch eine Anordnung nach § 21 bereits im Eröffnungsverfahren untersagt worden, sind die laufenden Zahlungen spätestens drei Monate nach dieser
4
_____________ 1) 2) 3)
BGH, Urt. v. 16.2.2006 – IX ZR 26/05, ZIP 2006, 814 = NZI 2006, 1873, dazu EWiR 2006, 471 (N. Schmidt/Schirrmeister). BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632 = NZI 2003, 259, dazu EWiR 2003, 425 (Schumacher). BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632 = NZI 2003, 259.
Castrup
1041
§ 170
Verteilung des Erlöses
Anordnung aufzunehmen. Wird der Gläubiger an der Durchsetzung seiner Rechte im Interesse der Insolvenzmasse gehindert, soll er dadurch keinen Nachteil erleiden. Ist er durch Anordnungen des Insolvenzgerichts hingegen nicht gehindert, steht ihm kein Nachteilsausgleich zu. So hindert ihn ein im Eröffnungsverfahren ausgesprochenes Vollstreckungsverbot, das nur die Vollstreckung in die Masse betrifft, nicht, die Abtretung gegen einen Dritten durchzusetzen.4) Werden Verzögerungen durch die mangelhafte Leistungsfähigkeit/-bereitschaft des Drittschuldners verursacht, führt dies nicht zu einer Verzinsungspflicht, denn der Grund für die Verzögerung liegt nicht in insolvenzspezifischen Verfahrensabläufen.5) III. Fehlende Befriedigung des Gläubigers 5
Ist mit einer Befriedigung des Gläubigers bei Verwertung des Gegenstandes oder der Forderung nicht zu rechnen, sind keine Zinszahlungen zu leisten. Hätte der Gläubiger selbst die Verwertung nicht zügiger als der Verwalter durchführen können, entfällt ebenfalls der Nachteilsausgleich.6) _____________ 4) 5) 6)
BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632 = NZI 2003, 259. BGH, Urt. v. 16.2.2006 – IX ZR 26/05, ZIP 2006, 814 = NZI 2006, 1873. BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632 = NZI 2003, 259.
§ 170 Verteilung des Erlöses (1) 1Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter sind aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstands vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. 2Aus dem verbleibenden Betrag ist unverzüglich der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen. (2) Überlässt der Insolvenzverwalter einen Gegenstand, zu dessen Verwertung er nach § 166 berechtigt ist, dem Gläubiger zur Verwertung, so hat dieser aus dem von ihm erzielten Verwertungserlös einen Betrag in Höhe der Kosten der Feststellung sowie des Umsatzsteuerbetrages (§ 171 Abs. 2 Satz 3) vorweg an die Masse abzuführen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Entnahme der Verwertungskosten .................................................... 2
I. 1
III. Verwertung durch den Gläubiger ...... 3
Vorbemerkung
Ist die Verwertung nach § 166 erfolgt, ist der Absonderungsberechtigte aus dem Erlös zu befriedigen. Allerdings wird der Anspruch des Gläubigers um die Kosten der Verwertung gekürzt. Im Rahmen der Verwertungshandlung hat der Verwalter den Wert des Gegenstandes zu ermitteln und die Form der Verwertung festzulegen. Diese
1042
Castrup
§ 170
Verteilung des Erlöses
Kosten sollen nicht über die Vergütung des Verwalters durch die Masse finanziert werden. Vielmehr sollen diese Kosten zulasten des Absonderungsgläubigers gehen.1) Auch bei Einziehung einer verpfändeten Forderung bei nicht fälliger Hauptforderung, kann der Insolvenzverwalter die Kosten der Feststellung und der Verwertung der Forderung vorab für die Masse entnehmen.2) II. Entnahme der Verwertungskosten Nach Verwertung des Gegenstandes sind dem Erlös vorab die Kosten der Feststellung und die der Verwertung zu entnehmen. Im Einzelnen werden diese Kosten durch § 171 konkretisiert. Nur der danach verbleibende Erlös ist an den Absonderungsgläubiger auszuzahlen. Die Verkürzung ist dem Gläubiger zuzumuten, da er z. B. bei der Einräumung von Krediten die Sicherheit so bemessen kann, dass auch der Kostenbetrag durch die Sicherheit gedeckt ist.3)
2
III. Verwertung durch den Gläubiger Erfolgt die Verwertung durch Überlassung des Gegenstandes an den Gläubiger (d. h. Verzicht des Verwalters auf die Verwertung)4), im Wege einer rechtswidrigen Verwertung durch den Gläubiger5) oder durch freiwillige Zahlung des Drittschuldners an den Gläubiger nach Eröffnung,6) entfallen für die Masse die Kosten der Verwertung, nicht jedoch die der Feststellung. Der Verwalter wird zur Überprüfung der Werthaltigkeit des Gegenstandes und zur Höhe der Verrechnung der Forderung des Gläubigers Ermittlungen anstellen, auch wenn er nicht selbst verwertet. Dieser Betrag schließt die auf die Feststellungskosten entfallende Umsatzsteuer ein.
3
Maßgebend für die Verpflichtung zur Zahlung der Feststellungspauschale ist, ob die Verwertung nach Eröffnung des Verfahrens abgeschlossen wird. Wurde z. B. die der Sicherung dienende Versicherung vor Eröffnung gekündigt, aber erst nach Eröffnung die Bereitschaft der Versicherung zur Zahlung erklärt, unterfällt sie dem Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 2 und verursacht die Pauschale.7)
4
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Begr. z. § 195 RegE/§ 170 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 180, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 399. BGH, Urt. v. 11.4.2013 – IX ZR 176/11, ZIP 2013, 987, dazu EWiR 2013, 523 (Mitlehner). Begr. z. § 195 RegE/§ 170 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 180, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 399. BGH, Urt. v. 3.11.2005 – IX ZR 181/04, ZIP 2005, 2214 = ZVI 2006, 61. BGH, Urt. v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 = NZI 2004, 137, dazu EWiR 2004, 123 (Gundlach/Schmidt). BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632 = NZI 2003, 259, dazu EWiR 2003, 425 (Schumacher). BGH, Urt. v. 11.7.2002 – IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630 = ZVI 2002, 282, dazu EWiR 2002, 921 (Gundlach/Frenzel).
Castrup
1043
§ 171
Berechnung des Kostenbeitrags
§ 171 Berechnung des Kostenbeitrags (1) 1Die Kosten der Feststellung umfassen die Kosten der tatsächlichen Feststellung des Gegenstands und der Feststellung der Rechte an diesem. 2Sie sind pauschal mit vier vom Hundert des Verwertungserlöses anzusetzen. (2) 1Als Kosten der Verwertung sind pauschal fünf vom Hundert des Verwertungserlöses anzusetzen. 2Lagen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, so sind diese Kosten anzusetzen. 3Führt die Verwertung zu einer Belastung der Masse mit Umsatzsteuer, so ist der Umsatzsteuerbetrag zusätzlich zu der Pauschale nach Satz 1 oder den tatsächlich entstandenen Kosten nach Satz 2 anzusetzen. Übersicht
1
I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Umfang der Kosten ............................. Kosten der Feststellung ........................ Kosten der Verwertung ........................
I.
Vorbemerkung
1 2 2 3
3. Umsatzsteuerpflicht .............................. 5 III. Abweichende Vereinbarung über Verwertungskosten .............................. 6
Die Regelung spezifiziert die Beträge, die für Feststellung und Verwertung anzusetzen sind (vgl. § 170 Abs. 1 Satz 1). Um deren Überprüfung zu vereinfachen, werden sie im Regelfall in Pauschalen bemessen. Die Pauschalen berechnen sich jeweils prozentual vom Bruttoerlös.1) II. Umfang der Kosten 1.
2
2. 3
Kosten der Feststellung
Im Rahmen der Feststellung hat der Verwalter zunächst den konkreten Sicherungsgegenstand aus der gesamten Insolvenzmasse zu ermitteln und seinen Wert festzustellen. In der Folge wird er überprüfen, ob das Sicherungsrecht wirklich besteht. Zum Ausgleich dieser Kosten wird der Insolvenzmasse die so genannte Feststellungspauschale aus dem Verwertungserlös gewährt. Sie ist grundsätzlich mit 4 % des Erlöses bemessen. Eine Abweichung ist nicht vorgesehen. Unerheblich ist, ob der Aufwand im Einzelfall geringer oder höher ist.2) Kosten der Verwertung
Die Kosten der Verwertung werden pauschal mit 5 % des Verwertungserlöses angesetzt. Sie umfassen alle Maßnahmen, die zur Verwertung erforderlich waren, z. B. die Beauftragung eines Auktionators zur Versteigerung von Kunstwerken,3) Transportkosten und Ähnliches. Im Gegensatz zur Feststellungspauschale ist eine Abweichung möglich, wenn die entstandenen Kosten erheblich geringer oder höher _____________ 1) 2) 3)
Begr. z. § 196 RegE/§ 171 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 181, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 402. BGH, Urt. v. 11.7.2002 – IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630 = ZVI 2002, 282, dazu EWiR 2002, 921 (Gundlach/Frenzel). BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZR 65/04, ZIP 2005, 1974 = ZVI 2005, 616.
1044
Castrup
§ 172
Sonstige Verwendung beweglicher Sachen
waren. Erheblich ist eine Abweichung dann, wenn die Kosten das Doppelte oder die Hälfte der Pauschale betragen.4) Verwertungskosten sind nur anzusetzen, wenn die Masse mit diesen Kosten belastet wird. Wird dem Gläubiger die Verwertung überlassen, entstehen ihm und nicht der Masse Kosten der Verwertung.5) 3.
4
Umsatzsteuerpflicht
In der Verwertung von der Sicherung dienenden Sachen ist überwiegend ein steuerpflichtiger Umsatz zu sehen, der eine Umsatzsteuerpflicht auslöst. Der Umsatzsteuerbetrag ist zusätzlich zu den Pauschalen vom Erlös abzuziehen.
5
III. Abweichende Vereinbarung über Verwertungskosten Über die gesetzlichen Pauschalen hinaus kann der Verwalter mit einem Absonderungsgläubiger eine höhere Verwertungs-/Feststellungspauschale vereinbaren.6)
6
_____________ 4) 5) 6)
Begr. z. § 196 RegE/§ 171 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 181, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 402. BGH, Urt. v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, ZIP 2004, 42 = NZI 2004, 137, dazu EWiR 2004, 123 (Gundlach/Schmidt). BGH, Urt. v. 15.5.2003 – IX ZR 218/02, ZIP 2003, 1256 = NZI 2003, 497, dazu EWiR 2003, 799 (Tetzlaff).
§ 172 Sonstige Verwendung beweglicher Sachen (1) 1Der Insolvenzverwalter darf eine bewegliche Sache, zu deren Verwertung er berechtigt ist, für die Insolvenzmasse benutzen, wenn er den dadurch entstehenden Wertverlust von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an durch laufende Zahlungen an den Gläubiger ausgleicht. 2Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. (2) 1Der Verwalter darf eine solche Sache verbinden, vermischen und verarbeiten, soweit dadurch die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers nicht beeinträchtigt wird. 2Setzt sich das Recht des Gläubigers an einer anderen Sache fort, so hat der Gläubiger die neue Sicherheit insoweit freizugeben, als sie den Wert der bisherigen Sicherheit übersteigt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Ausgleichszahlungen ........................... 2
I.
III. Nutzung durch Weiterverarbeitung ............................................... 4
Vorbemerkung
Führt der Verwalter das Unternehmen fort, benötigt er regelmäßig auch die mit Absonderungsgegenständen belasteten Gegenstände. Neben dem Ausgleich der geschuldeten Zinsen (§ 169) sind Nachteile auch insoweit auszugleichen, als durch die Nutzung der Gegenstand an Wert verliert. Castrup
1045
1
§ 173
Verwertung durch den Gläubiger
II. Ausgleichszahlungen 2
Nutzt der Verwalter einen Gegenstand, den er nach § 166 verwerten kann, führt dies in der Regel zu einem Wertverlust des Gegenstandes. Dadurch verringert sich die Befriedigungsmöglichkeit des Absonderungsgläubigers, da seiner Forderung eine entsprechend geringere Sicherheit gegenübersteht. Genügt der Wert des Gegenstandes auch nach einem Wertverlust der Sicherung der Forderung (Haupt- und Nebenforderung),1) besteht keine Verpflichtung zur Zahlung (Satz 2). Die Höhe des Verlustes ist im Einzelfall zu ermitteln, ebenso die Höhe der laufenden Zahlung. Liegen gleichzeitig die Voraussetzungen für eine Zinszahlung wegen verzögerter Verwertung vor (§ 169), erhält der Gläubiger diese Zahlungen zusätzlich.2)
3
Eine Nutzung liegt nicht vor, wenn der Verwalter den Gegenstand bis zum Berichtstermin sichert. III. Nutzung durch Weiterverarbeitung
4
Die Nutzung kann auch in einer Weiterverarbeitung der Sache bestehen. Dadurch darf der Absonderungsgläubiger jedoch nicht beeinträchtigt werden. Grundsätzlich setzt sich sein Sicherungsrecht an dem Eigentumsanteil an der neuen Sache fort (§ 949 Satz 2 BGB). Übersteigt dieses Sicherungsrecht die bisherige Sicherheit, hat er sie entsprechend freizugeben. _____________ 1) 2)
Begr. z. § 197 RegE/§ 172 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 182, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 405. Begr. RA z. § 197 RegE/§ 172 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 178, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 406.
§ 173 Verwertung durch den Gläubiger (1) Soweit der Insolvenzverwalter nicht zur Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung berechtigt ist, an denen ein Absonderungsrecht besteht, bleibt das Recht des Gläubigers zur Verwertung unberührt. (2) 1Auf Antrag des Verwalters und nach Anhörung des Gläubigers kann das Insolvenzgericht eine Frist bestimmen, innerhalb welcher der Gläubiger den Gegenstand zu verwerten hat. 2Nach Ablauf der Frist ist der Verwalter zur Verwertung berechtigt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Verwertung durch den Gläubiger ...... 2
I. 1
III. Antrag des Verwalters auf beschleunigte Verwertung .................. 3 IV. Unbewegliches Vermögen .................. 5
Vorbemerkung
Ist der Verwalter nicht zur Verwertung eines beweglichen Absonderungsgegenstandes berechtigt, obliegt dem Absonderungsgläubiger die Verwertung. Er ist
1046
Castrup
§ 173
Verwertung durch den Gläubiger
verpflichtet, die Verwertung zügig vorzunehmen.1) Eine Verzögerung wirkt sich nachteilig aus, da ein Übererlös, der der Insolvenzmasse zufallen wird, dem Verwalter nicht zur Verfügung steht. Der Verwalter ist deshalb berechtigt, ein Verfahren mit dem Ziel der baldigen Verwertung einzuleiten. II. Verwertung durch den Gläubiger Das Verwertungsrecht umfasst alle nicht unter § 166 fallenden Sicherungsrechte, etwa die mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstände, die sich nicht im Besitz des Verwalters befinden.2)
2
III. Antrag des Verwalters auf beschleunigte Verwertung Verwertet der Gläubiger nicht, kann der Verwalter bei dem Insolvenzgericht beantragen, dem Gläubiger eine Frist zur Verwertung zu setzen. Vor einer Entscheidung ist der Gläubiger anzuhören. Leitet dieser daraufhin die Verwertung ein, ist eine Entscheidung des Gerichts nicht mehr erforderlich.
3
Reagiert der Gläubiger nicht, setzt das Gericht eine Frist fest, innerhalb derer der Gläubiger die Verwertung eingeleitet haben muss. Die Länge der Frist hängt von den Verwertungsmöglichkeiten bezogen auf den konkreten Gegenstand ab. So wird die Verwertung eines wertvollen Kunstgegenstandes, den der Absonderungsgläubiger in Besitz hat, nicht binnen einer kurzen Frist eingeleitet werden können, etwa weil zunächst ein Wertgutachten einzuholen ist. Die Frist ist eine Ausschlussfrist.3) Beginnt die Verwertung nicht innerhalb der Frist, geht das Verwertungsrecht auf den Verwalter über. Der Gläubiger ist dann zur Herausgabe begründender Urkunden oder des Sicherungsgegenstandes verpflichtet.
4
IV. Unbewegliches Vermögen Die Vorschrift bezieht sich nur auf Gegenstände nach § 166. Eine Ausnahme ergibt sich aus § 313 Abs. 3 Satz 2 a. F., wonach der Treuhänder entsprechend § 173 Abs. 2 das Verwertungsrecht für unbewegliches Vermögen erlangen kann.4)
_____________ 1) 2) 3) 4)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 173 Rz. 3. Dazu ausführl. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 173 Rz. 4 f; UhlenbruckUhlenbruck, InsO, § 173 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 173 Rz. 14. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 33 – zu Nr. 29.
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Fünfter Teil Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Einstellung des Verfahrens Erster Abschnitt Feststellung der Forderungen Vor §§ 174 ff Vorbemerkung Graf-Schlicker
Der erste Abschnitt des 5. Teils der InsO enthält Regelungen, wie die Insolvenzgläubiger (§ 38) ihre Rechte wahrzunehmen haben, um an der Verteilung der Insolvenzmasse teilnehmen zu können. Das Gesetz berücksichtigt die Rechte der Insolvenzgläubiger nicht von Amts wegen, sondern nur, wenn die Gläubiger sie im Feststellungsverfahren geltend machen. Dazu haben sie ihre Forderung beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden (§ 174). Das Insolvenzgericht überprüft nicht die Berechtigung der Forderung, sondern stellt i. R. des sog. Prüfungstermins (§ 176 Abs. 1 Satz 1) nur fest, ob Widerspruch erhoben ist.
1
Das weitere Procedere hängt davon ab, ob und von wem Widerspruch erhoben wird. Widerspricht niemand der angemeldeten Forderung, so gilt die Forderung als festgestellt, mit der Folge, dass der Insolvenzgläubiger an der Verteilung der Masse teilnimmt und nach Abschluss des Insolvenzverfahrens aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem Urteil in das neue Vermögen des Schuldners vollstrecken kann (§ 201 Abs. 2).
2
Widerspricht ein Gläubiger oder der Insolvenzverwalter, so ist die Berechtigung der angemeldeten Forderung zunächst i. R. einer Feststellungsklage von den für die Forderung allgemein zuständigen Gerichten1) zu klären (§§ 180, 185). Ist die Forderung tituliert, hat der Widersprechende zu klagen, ansonsten der anmeldende Insolvenzgläubiger. An der Verteilung der Masse kann der anmeldende Insolvenzgläubiger nur teilnehmen, wenn die Berechtigung seiner Forderung gerichtlich nachgewiesen ist.
3
Der Widerspruch des Schuldners bleibt für das Insolvenzverfahren ohne Bedeutung (§ 178 Abs. 1 Satz 2). Er bewirkt jedoch, dass der Insolvenzgläubiger nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht aus der Tabelle vollstrecken kann, sondern Leistungsklage gegen den Schuldner zu erheben hat. Hat der Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Titel, muss der Schuldner nicht nur widersprechen, sondern diesen Widerspruch auch binnen einer Monatsfrist gerichtlich verfolgen, um eine spätere Vollstreckung verhindern zu können. _____________
4
1)
Für zivilrechtliche Forderungen ist das AG, bei dem das Insolvenzgericht angesiedelt ist, oder das LG, in dessen Bezirk das Insolvenzgericht liegt, zuständig (§ 180 Abs. 1). Die Berechtigung von Lohnforderungen ist vor den ArbG zu klären, für streitige Sozialversicherungsbeiträge ist Klage vor dem SG zu erheben, streitige Steuerforderungen haben die FG zu klären.
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§ 174
Anmeldung der Forderungen
§ 174 Anmeldung der Forderungen (1) 1Die Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. 2Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden. 3Zur Vertretung des Gläubigers im Verfahren nach diesem Abschnitt sind auch Personen befugt, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes). (2) Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung zugrunde liegt. ) (3) 1Die Forderungen nachrangiger Gläubiger sind nur anzumelden, soweit das Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert. 2Bei der Anmeldung solcher Forderungen ist auf den Nachrang hinzuweisen und die dem Gläubiger zustehende Rangstelle zu bezeichnen. (4) Die Anmeldung kann durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt hat. In diesem Fall sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, unverzüglich nachgereicht werden.
)
Absatz 2 m. W. v. 1.7.2014 geändert durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379). In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 2: „(2) Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt.“
Literatur: Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743; Hain, Die unerlaubte Handlung im Insolvenzverfahren – Geklärte und ungeklärte Fragen, ZInsO 2011, 1193; Hirte, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (BT-Drucks.17/11268) für den Deutschen Bundestag, ZInsO 2013, 171; Kehe/Meyer/Schmerbach, Anmeldung und Feststellung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – Teil 1, ZInsO 2002, 615; Schmerbach, Bestreiten der Deliktseigenschaft gem. § 175 II InsO nur durch den Schuldner?, NZI 2008, 534; Schmittmann/Röcken, Restschuldbefreiung für nach § 235 AO festgesetzte Hinterziehungszinsen, InsBüro 2005, 52; Smid, Rechtsprobleme titelergänzender Feststellungsklagen, ZInsO 2011, 1327. Übersicht I. II. III. IV.
Zweck der Norm .................................. 1 Anmeldeberechtigte ............................ 3 Adressat der Anmeldung .................. 10 Anmeldefrist ....................................... 11
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V. Form der Forderungsanmeldung ..... 12 VI. Inhalt der Forderungsanmeldung .... 15 VII. Fehlerhafte Anmeldung ................... 23 VIII. Wirkung der Anmeldung ............... 25
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§ 174
Anmeldung der Forderungen
I.
Zweck der Norm
Insolvenzgläubiger können ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen gemäß § 87 nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.1) Eine Einzelzwangsvollstreckung während des Insolvenzverfahrens ist ausgeschlossen (§ 89). Bei der Verteilung der Insolvenzmasse können die Insolvenzgläubiger nur berücksichtigt werden, wenn sie ihre Insolvenzforderungen beim Insolvenzverwalter zur Tabelle angemeldet haben.
1
Die Anmeldung ist die verfahrensrechtliche Geltendmachung des materiellen Anspruchs, sie setzt daher die Prozessfähigkeit des Handelnden voraus: Bei Prozessunfähigen ist die Anmeldung durch den gesetzlichen Vertreter vorzunehmen, bei juristischen Personen oder Gesellschaften des Handelsrechts durch den organschaftlichen Vertreter.2)
2
II. Anmeldeberechtigte Zur Anmeldung berechtigt sind Insolvenzgläubiger (vgl. zur Definition § 38) sowie nachrangige Insolvenzgläubiger (z. B. Forderungsinhaber betreffend Zinsen, Verfahrenskosten, Geldbußen, Zwangsgelder, Ansprüche der Gesellschafter auf Rückgewähr kapitalersetzender Darlehen, vgl. § 39 Abs. 1), sofern sie vom Insolvenzgericht zur Anmeldung aufgefordert worden sind (Abs. 3, § 177 Abs. 2).3) Absonderungsberechtigte Gläubiger können ihre persönliche Forderung gegen den Schuldner in voller Höhe zur Insolvenztabelle anmelden. Sie können aber, wenn sie nicht auf das Recht zur abgesonderten Befriedigung verzichten, nur mit dem Betrag bei der Verteilung berücksichtigt werden, mit dem sie bei der Verwertung des Sicherungsguts ausgefallen sind (§§ 52, 190). Aufrechnungsberechtigte Insolvenzgläubiger können, müssen aber ihre Forderung nicht anmelden, weil sie auch während des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit haben, ihre Forderung durch die Aufrechnungserklärung zu realisieren.4) Ist die Insolvenzforderung durch Aufrechnung getilgt, sollte der Insolvenzgläubiger zwecks Vermeidung der Kosten einer vom Insolvenzverwalter angestrengten Vollstreckungsgegenklage seine Anmeldung zurücknehmen.
3
Gläubiger nicht fälliger Forderungen (§ 41), auflösend bedingter Forderungen (§ 42) sowie von Forderungen gegen Gesamtschuldner (§ 43) können diese als Insolvenzforderungen anmelden; ebenso gilt dies auch für Zahlungsansprüche auf erstes Anfordern.5) Dagegen können Gesamtschuldner oder Bürgen die Forderung, die sie durch eine Befriedigung des Gläubigers künftig gegen den Schuldner _____________
4
1)
2) 3)
4) 5)
Der Schuldgrund der Forderung muss vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, aber nicht schon durchsetzbar gewesen sein, OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2010 – 3 U 134/10, – juris. Vgl. dazu auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.6.2012 – 12 W 1132/12, ZInsO 2012, 1626. Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 174 Rz. 41 m. w. N. Das Rechtsschutzinteresse für einen Insolvenzantrag eines nachrangigen Gläubigers hängt – wie auch bei anderen Gläubigern – nicht davon ab, dass im eröffneten Verfahren eine Befriedigung zu erwarten ist, BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 282/09, ZIP 2010, 2055, dazu EWiR 2010, 819 (Gundlach/U. Müller). Riedel in: MünchKomm-InsO, § 174 Rz. 9. BGH, Urt. v. 29.5.2008 – IX ZR 45/07, ZIP 2008, 1441, dazu EWiR 2008, 665 (Neußner).
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§ 174
Anmeldung der Forderungen
erwerben könnten, nur dann anmelden, wenn der Gläubiger seine Forderung nicht geltend macht (§ 44).6) Sie sind jedoch zur Forderungsanmeldung berechtigt, soweit sie den Gläubiger vor oder nach7) der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befriedigt haben. 5
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft hat der Insolvenzverwalter Ansprüche gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter, der sich ebenfalls in der Insolvenz befindet, in diesem Verfahren zur Tabelle anzumelden.8) Zur Tabelle anzumelden sind auch vor Verfahrenseröffnung begründete Steuerforderungen,9) und zwar unabhängig davon, ob bereits ein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegt.10) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dürfen auch keine Festsetzungs- bzw. Feststellungsbescheide mehr erlassen werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten.11)
6
Rückständige Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner sind zur Tabelle anzumelden, sofern sie aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung stammen. Außerdem kann der Unterhaltsgläubiger wegen dieser Ansprüche nach § 89 Abs. 2 Satz 2 in den Teil der Bezüge des Schuldners pfänden, der für die übrigen Gläubiger nicht pfändbar ist.12) Für Unterhaltsansprüche nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten die §§ 40, 100.
7
Aussonderungsansprüche gemäß § 47 können dagegen nicht zur Tabelle angemeldet werden, weil sie außerhalb des Insolvenzverfahrens befriedigt werden. Ebenso wenig können Masseforderungen, also Forderungen, die ein Gläubiger entweder durch Handlungen des Insolvenzverwalters, des starken vorläufigen Insolvenzverwalters oder durch Geschäfte mit dem Insolvenzverwalter erlangt, angemeldet werden, weil der Insolvenzverwalter diese auch ohne Anmeldung zur Tabelle zu befriedigen hat.13) Die irrtümliche Anmeldung einer Masseforderung zur Insolvenztabelle macht diese nicht zur Insolvenzforderung.14) Auch Zug-um-Zug-Leistungen können aufgrund des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden.15) _____________ 6) BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 54. 7) Vgl. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 11. 8) BGH, Beschl. v. 31.10.2001 – VIII ZR 177/00, Rpfleger 2002, 94; Wimmer-App, FK-InsO, § 93 Rz. 14; A. Schmidt-Pohlmann, InsO, § 93 Rz. 55. 9) Umsatzsteuer gemäß §§ 16 ff UStG sind für das Kalenderjahr, im Jahr der Insolvenzeröffnung für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung zur Tabelle anzumelden, BFH, Urt. v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481, dazu EWiR 2012, 127 (de Weerth). 10) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 3. 11) Zuletzt BFH, Urt. v. 16.4.2013 – VII R 44/12, ZIP 2013, 1871, dazu EWiR 2013, 705 (Anzinger); BFH, Urt. v. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421, m. Anm. Kahlert, dazu EWiR 2012, 69 (Onusseit); BFH, Urt. v. 13.5.2009 – XI R 63/07, ZIP 2009, 1631, dazu EWiR 2010, 87 (S. Erdmann). 12) OLG Thüringen, Urt. 29.8.2011 – 1 UF 324/11, ZInsO 2011, 1856 (LS); Kübler/Prütting/ Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 174 Rz. 53; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 5. 13) BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 297/08, ZIP 2011, 859, dazu EWiR 2011, 305 (Derleder); BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, dazu EWiR 2004, 191 (Holzer). 14) OLG Schleswig, Urt. v. 19.12.2003 – 4 U 181/01, ZInsO 2004, 687. 15) BFH, Urt. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421, m. Anm. Kahlert.
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§ 174
Anmeldung der Forderungen
Der Gläubiger kann seine Forderungen persönlich, aber auch durch einen gewillkürten Vertreter, der eine Vollmacht nachzuweisen hat, anmelden. Dies kann gemäß Absatz 1 Satz 3 auch ein Inkassounternehmen sein, das darüber hinaus berechtigt sind, Gläubiger im Prüfungstermin zu vertreten.16) Außerdem kann das Gericht einem Inkassounternehmen einen Tabellenauszug übersenden und andere Zustellungen nach diesem Verfahrensabschnitt an ein solches Unternehmen richten.17) Bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist eine Vollmacht nur auf Rüge des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers vorzulegen (§ 4 InsO, § 88 Abs. 2 ZPO).
8
Prozesskostenhilfe für einen Insolvenzgläubiger zur Anmeldung von Forderungen kann regelmäßig nur bei besonderen Schwierigkeiten und der Aussicht auf eine Quote bewilligt werden. Maßstab für eine Anwaltsbeiordnung in einem solchen Fall ist, ob eine wirtschaftlich denkende, vermögende Partei vernünftigerweise einen Rechtsanwalt beauftragen würde.18)
9
III. Adressat der Anmeldung Die Forderungen sind beim Insolvenzverwalter, im Verfahren der Eigenverwaltung beim Sachwalter (§ 270 Abs. 3 Satz 2) anzumelden.
10
IV. Anmeldefrist Die Anmeldefrist wird vom Insolvenzgericht gemäß § 28 im Eröffnungsbeschluss festgelegt. Dem Gericht steht dafür ein Zeitraum von zwei Wochen bis drei Monaten zur Verfügung (§ 28 Abs. 1 Satz 2). Auch nach Fristablauf ist eine Anmeldung möglich,19) sie hat aber spätestens bis zum Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist20) oder der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 Satz 2 zu erfolgen.21) Der Gläubiger hat aber ggf. kostenrechtliche Nachteile in Kauf zu nehmen (vgl. § 177 Abs. 1 Satz 2).
11
V. Form der Forderungsanmeldung Die Anmeldung hat schriftlich zu erfolgen,22) jedoch nicht notwendigerweise durch eigenhändige Unterschrift (§ 126 Abs. 1 BGB).23) Der Absender muss aber zweifelsfrei erkennbar sein. Ausreichend ist eine Übermittlung durch Telefax, das zu den _____________ 16) Klargestellt durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts v. 12.12.2007, BGBl. I 2007, 2840, das zum 1.7.2008 in Kraft getreten ist. 17) RegE z. Neuregelung der Rechtsberatung, BT-Drucks. 16/3655, S. 92. Dagegen steht einem Inkassounternehmen keine Vertretungsbefugnis im Restschuldbefreiungsverfahren zu, vgl. AG Köln, Beschl. v. 14.11.2012 – 72 IN 336/06, ZVI 2013, 166. 18) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 565/02, ZIP 2004, 1922, dazu EWiR 2005, 81 (Römermann); Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 174 Rz. 48; UhlenbruckSinz, InsO, § 174 Rz. 16. 19) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 13. 20) BGH, Beschl. v. 7.7.2013 – IX ZR 151/12, ZIP 2013, 1677, dazu EWiR 2013, 623 (Laroche); Hain in: jurisPR-InsR 17/2013 Anm. 1. 21) Laroche, EWiR 2013, 623. 22) Eine Verpflichtung zur Nutzung eines vom Insolvenzverwalter vorgegebenen Formulars besteht nicht, BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. 23) Vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschl. v. 4.7.2002 – 2 BvR 2168/00, NJW 2002, 3534.
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§ 174
Anmeldung der Forderungen
schriftlichen, nicht zu den elektronischen Dokumenten zählt.24) Auf elektronischem Wege, z. B. per E-Mail,25) ist die Anmeldung nur möglich, wenn der Insolvenzverwalter dazu ausdrücklich sein Einverständnis erklärt hat (Abs. 4). Zwar kann die schriftliche Form gemäß §§ 126, 126a BGB grundsätzlich durch die elektronische Form ersetzt werden, allerdings nur, wenn sich aus dem Gesetz – wie hier – nichts anderes ergibt (§ 126 Abs. 3 BGB). 13
Der Anmeldung sind die Unterlagen, aus denen sich die Forderung ergibt, im Abdruck beizufügen (Abs. 1 Satz 2). Die Urkunden (z. B. Vertragsurkunden, Vollstreckungstitel, Wechsel, Bescheide) sollen dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern ermöglichen, die Berechtigung der Forderung und damit die Frage des Widerspruchs zu prüfen.26) Das Gesetz verlangt in diesem Verfahrensstadium nicht die Vorlage von Originalurkunden, sie ist also nicht Wirksamkeitserfordernis für die Anmeldung der Forderung.27) Der Gläubiger muss aber bei einem solchen Vorgehen damit rechnen, dass der Insolvenzverwalter oder ein anderer Insolvenzgläubiger die Forderung bestreiten, weil sie deren Berechtigung nicht hinreichend prüfen können.28) Für die elektronische Anmeldung bestimmt das Gesetz ausdrücklich (Abs. 4 Satz 2), dass die Urkunden unverzüglich nachzureichen sind.
14
Die Anmeldung ist grundsätzlich in deutscher Sprache vorzunehmen (§ 184 GVG).29) Gläubiger aus anderen EU-Mitgliedstaaten können gemäß Art. 42 Abs. 2 EuInsVO30) die Forderung auch in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des anderen Staates anmelden. In diesem Fall muss die Anmeldung jedoch mindestens die Überschrift „Anmeldung einer Forderung“ in deutscher Sprache enthalten. Vom Gläubiger kann aber eine Übersetzung der Anmeldung ins Deutsche verlangt werden. VI. Inhalt der Forderungsanmeldung
15
Bei der Anmeldung sind gemäß Absatz 2 Halbs. 1 der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Die Forderung ist eindeutig zu konkretisieren, weil sie als Grundlage für die Eintragung in die Tabelle dient, aus der die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.31) Der Grund ist anzugeben, damit der Insolvenzverwalter _____________ 24) Vgl. dazu BGH, Beschl. v. 15.7.2008 – X ZB 8/08, NJW 2008, 2649. 25) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 174 Rz. 13. So wohl auch Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 18. Zur Notwendigkeit einer qualifizierten Signatur vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2008 – IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357. 26) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 41. 27) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04, ZIP 2006, 192, dazu EWiR 2006, 177 (Köster/Ahrendt); Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 174 Rz. 47; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 174 Rz. 41; Braun-Specovius, InsO, § 174 Rz. 21, 22; UhlenbruckSinz, InsO, § 174 Rz. 42. 28) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04; ZIP 2006, 192; LG Berlin, Beschl. v. 5.4.2013 – 83 T 66/13, ZInsO 2013, 1269; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke InsO, § 174 Rz. 47; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 174 Rz. 41; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 42. 29) Die Maßgeblichkeit des Gerichtsverfassungsgesetzes für das Insolvenzverfahren setzt unser Recht als selbstverständlich voraus, Jaeger-Gerhardt, InsO, § 4 Rz. 2. 30) Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren v. 29.5.2000, ABl. (EG) L 160/1. 31) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680, dazu EWiR 2013, 251 (Foerste), m. Anm. Krings, NZI 2013, 392; Raab in: jurisPR-InsR 8/2013 Anm. 2.
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§ 174
Anmeldung der Forderungen
und die übrigen Gläubiger prüfen können, ob die Forderung besteht. Dabei ist der Sachverhalt darzulegen, aus dem sich die Forderung herleiten soll. Der Insolvenzgläubiger hat also Tatsachen vorzutragen, die i. V. m. einem – nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden – Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lassen.32) Wird eine Forderung aus fremdem Recht geltend gemacht, bedarf es näheren Sachvortrags zum Rechtserwerb des Gläubigers. Ebenso ist zum Verpflichtungsgrund des Schuldners vorzutragen, wenn sich die Forderung ursprünglich nicht gegen ihn, sondern gegen einen Dritten richtete.33) Eine rechtliche Bewertung der Tatsachen ist nicht erforderlich. Fehlt die Angabe des Grundes, so ist die Anmeldung der Forderung unwirksam.34) Eine Bezugnahme auf Unterlagen ist nur zulässig, wenn daraus die notwendigen Tatsachen eindeutig und vollständig zu entnehmen sind.35) Darüber hinaus hat der Gläubiger bei seiner Anmeldung gemäß Absatz 2 Halbs. 2 die Tatsachen anzugeben, aus denen sich nach seiner Einschätzung ergibt, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners, eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht36) oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach §§ 370, 373 oder § 374 AO37) zugrunde liegt. Diese Vorschrift soll dem Schuldner frühzeitig Kenntnis davon vermitteln, dass der Gläubiger die Herausnahme dieser Forderungen aus der Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1) begehrt. Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind diese Forderungen daher – unabhängig davon, ob der Gläubiger die rechtzeitige Anmeldung in dieser Form unverschuldet unterlässt38) – nur, wenn der Gläubiger seine Forderungsanmeldung mit den Attributen nach Absatz 2 versieht.39) Hat der Gläubiger es bei der Forderungsanmeldung zunächst unterlassen, die notwendigen Angaben zum Rechtsgrund zu machen, kann er seine Anmeldung nachträglich, auch für eine bereits zur Tabelle festgestellte Forderung, noch ändern.40) Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, diese nachträglich angemeldeten Tatsachen in die Tabelle einzutragen.41) Mit den Rechtsgründen nach § 174 Abs. 2 sind die Hauptforderung und die vor Verfahrenseröffnung angefallenen Zinsen anzumelden, nicht
_____________ 32) 33) 34) 35) 36)
37)
38) 39) 40) 41)
BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. OLG Stuttgart, Urt. v. 22.2.1962 – 3 U 148/61, NJW 1962, 1018. BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. Der Rechtsgrund ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, eingefügt worden. Er gilt für Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt werden, Art. 103h Abs. 1 EGInsO. Der Rechtsgrund ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, eingefügt worden. Er gilt für Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt werden, Art. 103h Abs. 1 EGInsO. BGH, Urt. v. 16.12.2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244. Begr. RegE InsOÄndG – zu Nr. 12, BT-Drucks. 14/5680, S. 27 zur vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. BGH, Urt. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566. BGH, Urt. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 174 Rz. 10; a. A. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 19.
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§ 174
Anmeldung der Forderungen
jedoch die Zinsen auf die Hauptforderung, die nach Verfahrenseröffnung fällig werden.42) 17
Hinsichtlich des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat der Gläubiger im Einzelnen einen Lebenssachverhalt darzulegen, aus dem sich nach seiner Einschätzung rechtlich herleiten lässt, dass der Schuldner den Tatbestand einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung verwirklicht hat.43) Dafür reicht es nicht aus, bei der Anmeldung der Forderung Normen, z. B. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB, zu nennen, vielmehr ist der Lebenssachverhalt mitzuteilen, aus dem sich eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners ergeben soll.44) Eine Bezugnahme auf Unterlagen ist nur zulässig, wenn sich daraus die der Forderung zugrunde liegenden Tatsachen ergeben.45) Die Norm will sicherstellen, dass auch der in rechtlichen Dingen unerfahrene Schuldner aufgrund des Tatsachenvortrags in der Lage ist, zu entscheiden, ob es sinnvoll und notwendig ist, Widerspruch gegen die Anmeldung der Forderung aus diesem Rechtsgrund zu erheben, um nicht gemäß § 302 Nr. 1 von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen zu sein. Auch der Hinweis, die Forderung sei in einem rechtskräftigen Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid als Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung bezeichnet, ist nicht ausreichend.46) Diese Rechtsgrundangabe nimmt an der Rechtskraft dieser Titel nicht teil.47) Der Gläubiger hat also in einem solchen Fall ebenfalls die Tatsachen, auf die er seinen Rechtsgrund stützt, anzugeben.
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Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten soll es für eine Herausnahme der rückständigen Unterhaltsforderungen aus der Restschuldbefreiung nicht mehr – wie bis zum 30.6.2014 – erforderlich sein, dass der Schuldner den Straftatbestand der Unterhaltspflichtverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 StGB) verwirklicht hat.48) Diese Norm setzt neben der Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht voraus, dass der Unterhaltsberechtigte durch die Entziehung des gesetzlichen Unterhalts in seinem Lebensbedarf gefährdet ist oder _____________ 42) BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 67/10, ZVI 2011, 93 zum Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. 43) LG Bochum, Beschl. v. 6.8.2004 – 10 T 50/04, n. v.; Braun-Specovius, InsO, § 174 Rz. 40; Kehe/Meyer/Schmerbach, ZInsO 2002, 615, 617; Hain, ZInsO 2011, 1193, 1195. 44) AG Eschweiler, Urt. v. 11.12.2012 – 27 C 119/12, ZVI 2013, 237; AG Köln, Beschl. v. 25.10.2012 – 72 IK 479/11, ZVI 2013, 150; LG Dortmund, Urt. v. 8.5.2012 – 1 S 271/10, juris. 45) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. Eine Bezugnahme auf einen gerichtlichen Vergleich, der den Rechtsgrund der titulierten Forderung als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung außer Streit stellt, reicht aus, vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.6.2013 – I-7 U 198/11, 7 U 198/11, ZVI 2013, 399. 46) BGH, Vers.-Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 160/11, ZInsO 2012, 1614; BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37, dazu EWiR 2011, 261 (Riedemann); BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 239/07, ZIP 2010, 150, dazu EWiR 2010, 199 (Jacoby); BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311, dazu EWiR 2006, 539 (Ahrens); OLG Koblenz, Urt. v. 15.11.2007 – 6 U 537/07, NZI 2008, 117; Hain, ZInsO 2011, 1193, 1195. 47) BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 239/07, ZIP 2010, 150. 48) BT-Drucks. 17/11288, S. 16. Vgl. dazu auch die Entscheidung des OLG Celle v. 7.5.2012 – 10 WF 385/10, FamRZ 2012, 1838.
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ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, eine Voraussetzung, die der Schuldner nur schwer nachweisen kann. Im Insolvenzverfahren werden diese strafrechtlichen Beweisschwierigkeiten der besonderen Bedeutung der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht gerecht.49) Auch andere europäische Länder haben daher solche Forderungen aus der Restschuldbefreiung ausgenommen.50) Um eine Ausnahme von der Restschuldbefreiung zu erreichen, hat der Gläubiger zu diesem Rechtsgrund ebenfalls Tatsachen vorzutragen, aus denen sich nach seiner Einschätzung ergibt, dass der Schuldner seiner Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Unterhalts vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich pflichtwidrig nicht nachgekommen ist. Dazu reicht es, wenn der Schuldner erkennen kann, aus welchen Tatsachen der Gläubiger eine solche Pflichtverletzung herleitet, eine rechtliche Einordnung hat er nicht vorzunehmen.51) Keine Forderungen aus unerlaubter Handlung sind hinterzogene Steuern nach § 370 AO und darauf entfallene Zinsen nach § 235 AO,52) weil Steuern gemäß § 38 AO von Gesetzes wegen entstehen,53) und diese steuerrechtlichen Normen keine Schutzgesetze i. S. des § 823 Abs. 2 BGB sind.54) Für Insolvenzverfahren, die ab dem 1.7.201455) beantragt werden, hat der Gesetzgeber aber bestimmt, dass Verbindlichkeiten des Schuldners aus dem Steuerschuldverhältnis von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, wenn der Schuldner wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist und er die entsprechende Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 zur Tabelle angemeldet hat.56) Die rechtskräftige Verurteilung muss nicht zum Zeitpunkt der Anmeldung der Forderung vorliegen,57) es reicht, wenn sie bis zum Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist58) oder der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 Satz 2 erfolgt.59) Forderungen wegen gewöhnlicher Steuerrückstände des Schuldners oder andere Geldforderungen der Steuerbehörden – wie etwa Zwangsgelder – bleiben aber weiterhin von der Restschuldbefreiung erfasst.60)
_____________ 49) 50) 51) 52) 53)
54) 55) 56) 57) 58) 59) 60)
BT-Drucks. 17/11288, S. 16, 32. Vgl. dazu BT-Drucks. 17/11288, S. 16. Vgl. dazu auch A. Schmidt-Preß/Henningsmeier, InsO, § 174 Rz. 17. FG Hessen, Urt. v. 13.1.2011 – 13 K 1261/10, EFG 2011, 945, dazu Martini, jurisPR-InsR 13/2011 Anm. 6. BFH, Urt. v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZVI 2008, 497; Braun-Specovius, InsO, § 174 Rz. 43; Schmittmann/Röcken, InsBürO 2005, 52; vgl. auch BFH, Urt. v. 24.10.1996 – VII R 113/94, NJW 1997, 1725. BFH Urt. v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZVI 2008, 497. Art. 103h Abs. 1 EGInsO des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379. Kritisch dazu Hirte, ZInsO 2013, 171. BT-Drucks. 17/11268, S. 32. Vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2013 – IX ZR 151/12, ZIP 2013, 1677, dazu EWiR 2013, 623 (Laroche); BGH, Urt. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566. Vgl. dazu Laroche, EWiR 2013, 623. BT-Drucks. 17/11268, S. 32.
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Der Forderungsbetrag ist grundsätzlich in Euro anzugeben. Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist (z. B. Ansprüche auf Nachbesserung und Mängelbeseitigung sowie auf Rückgewähr von Gegenständen infolge Wandlung des Kaufvertrages) sind mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann (§ 45 Satz 1), denn die insolvenzrechtliche gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus der Masse ist nur durchführbar, wenn sich die Forderungen für die Berechnung der Quote eignen.61) Ausländische Währungen sind gemäß § 45 Satz 2 nach dem Kurswert, der zur Zeit der Verfahrenseröffnung für den Zahlungsort maßgeblich ist, in inländische Währung umzurechnen.
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Der Betrag ist getrennt nach Hauptforderung, Kosten und Zinsen bis zur Verfahrenseröffnung anzumelden. Zinsen sind mit dem Beginn des Zinslaufs und dem Prozentsatz anzumelden. Bei der Geltendmachung von Verzugszinsen sind die Voraussetzungen des Verzuges sowie die Höhe der über dem gesetzlichen Zinssatz liegenden Zinsen im Einzelnen darzulegen. Bei Forderungen auf Arbeitsentgelt ist der Bruttobetrag anzugeben, weil dieser vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer geschuldet wird.
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Bei nachrangigen Forderungen hat der Gläubiger gemäß Absatz 3 auf den Nachrang hinzuweisen und die ihm zustehende Rangstelle hinzuweisen. Das Insolvenzrecht kennt fünf Ränge, die in § 39 im Einzelnen aufgeführt sind. VII.
Fehlerhafte Anmeldung
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Die Frage, ob dem Insolvenzverwalter eine Vorprüfungspflicht bei den Anmeldungen obliegt, ist umstritten.62) Eine solche Vorprüfungspflicht wurde unter der KO überwiegend für das Konkursgericht, bei dem die Forderungen anzumelden waren, bejaht. Allerdings war streitig, ob sich diese Vorprüfung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle lediglich auf formelle Mängel der Anmeldung oder auch auf die Frage der Anmeldbarkeit der Forderung bezog.
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Mit der Übertragung der Forderungserfassung auf den Insolvenzverwalter stellt sich daher zunächst die Frage, ob auch die Vorprüfungspflicht auf ihn übergegangen ist. Dies ist im Hinblick auf die formellen Anforderungen des § 174 zu bejahen,63) denn Fragen der Zulässigkeit der Anmeldung werden im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens nicht mehr geprüft. Die Notwendigkeit einer solchen Vorprüfung zeigt sich insbesondere bei der Anmeldung einer Forderung, die aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung stammen oder auf den weiteren in § 174 Abs. 2 aufgeführten Rechtsgründen beruhen soll. Hat der Gläubiger hierzu nicht die nach Absatz 2 not_____________ 61) BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 298/08, BFH/NV 2011, 1278; BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379. 62) Bejahend: Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 44, § 175 Rz. 9 ff und 15. Kübler/Prütting/ Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 175 Rz. 35 f; vgl. auch AG Münster, Beschl. v. 1.3.2004 – 77 IK 35/01, n. v., das jedenfalls bei offensichtlichen Mängeln eine Prüfungspflicht bejaht; verneinend Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 18. 63) Blersch/Goetsch/Haas-Gruber, InsR, § 175 InsO Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork-Pape/ Schaltke, InsO, § 174 Rz. 33; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 174 Rz. 34; a. A. Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 18, 23, der jedoch insoweit weiterhin eine Vorprüfungspflicht des Insolvenzgerichts bejaht.
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wendigen Tatsachen vorgetragen, so hat der Insolvenzverwalter die Anmeldung insoweit zurückzuweisen, wenn der Gläubiger seine Angaben trotz Aufforderung zur Nachbesserung nicht ergänzt.64) Denn der Insolvenzverwalter kann eine fehlerhaft angemeldete Forderung nicht durch das Bestreiten der Forderung im Prüfungstermin korrigieren. Insoweit steht dem Insolvenzverwalter kein Widerspruchsrecht zu.65) Die Frage des Vorliegens einer der in § 174 Abs. 2 aufgeführten Rechtsgründe betrifft nicht die Insolvenzmasse, sondern die Vollstreckungsmöglichkeit nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der Beendigung der Wohlverhaltenszeit. Der Insolvenzverwalter, dem lediglich die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse zusteht, ist daher nicht befugt, eine solche rechtliche Einordnung der Forderung zu bestreiten. Vielmehr ist es allein Aufgabe des Schuldners, diesen bei der Anmeldung dargelegten Gründen zu widersprechen.66) Der rechtlich nicht geschulte Schuldner ist jedoch zwingend darauf angewiesen, dass die gesetzlichen Vorgaben bei der Anmeldung der Forderungen eingehalten werden, um nicht zu Unrecht mit einer Forderung aus der Restschuldbefreiung ausgeschlossen zu werden. VIII. Wirkung der Anmeldung Nur eine ordnungsgemäße, rechtzeitige und vollständige Anmeldung einer Forderung zum Insolvenzverfahren hemmt mit Eingang beim Insolvenzverwalter die Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB).67) Diese Hemmung dauert bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hinsichtlich bereits festgesetzter Steuerforderungen wird die Verjährung unterbrochen (§ 231 Abs. 1 AO), bezüglich noch nicht festgesetzter Steuerforderungen wird die Verjährung der Festsetzungsfrist bis zum Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gehemmt (§ 171 Abs. 13 AO). _____________ 64) So auch Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 175 Rz. 3, 4; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 174 Rz. 34. 65) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZR 100/07, ZInsO 2008, 809. 66) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZR 100/07, ZInsO 2008, 809. 67) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680, dazu EWiR 2013, 251 (Foerste), m. Anm. Krings, NZI 2013, 392; Raab, jurisPR-InsR 8/2013 Anm. 2. Eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB tritt nicht ein, wenn ein Gläubiger im Insolvenzverfahren eine Forderung als Masseforderung geltend macht, obwohl es sich um eine Insolvenzforderung handelt, LG Wuppertal, Urt. v. 20.4.2010 – 16 O 129/09, ZInsO 2010, 1281.
§ 175 Tabelle (1) 1Der Insolvenzverwalter hat jede angemeldete Forderung mit den in § 174 Abs. 2 und 3 genannten Angaben in eine Tabelle einzutragen. 2Die Tabelle ist mit den Anmeldungen sowie den beigefügten Urkunden innerhalb des ersten Drittels des Zeitraums, der zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist und dem Prüfungstermin liegt, in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. Graf-Schlicker
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(2) Hat ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus einer vorsätzlich pflichtwidrig verletzten gesetzlichen Unterhaltspflicht oder aus einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung angemeldet, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen. )
)
Absatz 2 m. W. v. 1.7.2014 geändert durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379). In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 2: „(2) Hat ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen.“
Literatur: Bähr, Forderungsprüfung und Tabellenführung, InVo 1998, 205; Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743; Schmerbach, Bestreiten der Deliktseigenschaft gem. § 175 II InsO nur durch den Schuldner?, NZI 2008, 534. Übersicht I. Regelungsinhalt ................................... 1 II. Erfassung der Forderungen ................ 2 III. Zurückweisungsrecht des Insolvenzverwalters ............................. 5
I. 1
IV. Niederlegung und Verbleib der Tabelle ................................................... 9 V. Hinweispflicht des Gerichts auf von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen ................. 12
Regelungsinhalt
Die Norm regelt in Absatz 1 die Art und Weise der Erfassung der Forderungen durch den Insolvenzverwalter, die Fristen für die Auslegung der Tabelle bei Gericht und die Einsichtsbefugnis der Beteiligten. Absatz 2 bestimmt die Belehrungspflicht des Gerichts im Falle der Anmeldung von Forderungen, die gemäß § 302 Nr. 1 nicht unter die Restschuldbefreiung fallen. II. Erfassung der Forderungen
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Der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter in der Eigenverwaltung hat jede wirksam angemeldete Forderung unter einer laufenden Nummer in der Reihenfolge der Anmeldung in die Tabelle einzutragen.1) Mehrere gleichzeitig angemeldete Forderungen eines Gläubigers sind nacheinander, jeweils unter einer besonderen Nummer zu erfassen, der Gläubiger jedoch nur einmal, denn bei einer Abstimmung nach Köpfen (z. B. § 57, § 244) ist er nur einmal stimmberechtigt. Der Gläubiger der Forderung sowie dessen Vertreter sind namentlich mit Wohnsitz bzw. Sitz anzugeben. Darüber hinaus ist wegen der verjährungshemmenden Wirkung der Anmeldung der Zeitpunkt der Forderungsanmeldung aufzunehmen.
3
In die Tabelle einzutragen sind ferner der Grund (einschließlich der Tatsachen zu den Rechtsgründen des § 174 Abs. 2) und der Betrag der einzelnen Forderungen (§ 174 Rz. 14), zunächst die Hauptforderung, dann Nebenforderungen wie Zinsen und Kosten. Hinsichtlich der Zinsen ist wegen der Abgrenzung der Insolvenzforderungen zu den nachrangigen Forderungen (§§ 38, 39) der konkrete Zeitraum _____________ 1)
S. dazu ausführl. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 5.
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anzugeben. Sie können grundsätzlich nur für die Zeit bis zur Eröffnung des Verfahrens angemeldet werden (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 1). Bei nachrangigen Forderungen ist der Hinweis auf den Nachrang sowie die Rangstelle der Forderung einzutragen. Die Tabelle kann gemäß § 5 Abs. 4 mithilfe der EDV hergestellt und bearbeitet werden.
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III. Zurückweisungsrecht des Insolvenzverwalters Der Insolvenzverwalter, auf den die Erfassung der Forderungen in der Tabelle nach der InsO übergegangen ist,2) nicht das Insolvenzgericht, hat eine Vorprüfungspflicht und ein Zurückweisungsrecht bei fehlerhaften Anmeldungen. Er ist bei der Erfassung der Forderungen nicht nur beurkundend tätig (§ 174 Rz. 23 f).3) Zwar hat er nicht zu prüfen, ob die Forderung materiell zu Recht geltend gemacht wird oder ob es sich tatsächlich um eine Insolvenzforderung handelt, wenn sie als solche bezeichnet wird.4) Ein Zurückweisungsrecht besteht auch nicht, wenn der Gläubiger ohne Hinweis auf den Charakter einer nachrangigen Forderung eine solche zur Tabelle anmeldet.5)
5
Vielmehr hat der Insolvenzverwalter diese Forderungen einzutragen und sodann im Prüfungstermin zu bestreiten. Er hat jedoch eine Forderungsanmeldung nach Hinweis an den Gläubiger zurückzuweisen, wenn diese nicht den Mindestanforderungen des § 174 entspricht, also z. B. nicht den Grund und den Betrag der Forderung erkennen lässt oder keine Tatsachen angegeben werden, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass die Forderung auf einem der in § 174 Abs. 2 aufgeführten Rechtsgründe beruht. Ebenso ist er berechtigt, eine Forderungsanmeldung zurückzuweisen, wenn ein offensichtlicher Mangel vorliegt, also eine nicht anmeldbare Forderung angemeldet und dabei entsprechend bezeichnet wird, z. B. ein Aussonderungsrecht, eine Masseforderung oder eine nachrangige Forderung,6) obwohl das Gericht nicht zur Anmeldung solcher Forderungen aufgefordert hat.7)
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_____________ 2) 3)
4) 5) 6) 7)
Nach der KO war für die Erfassung der Tabelle das Konkursgericht zuständig (§ 140 KO). Blersch/Goetsch/Haas-Gruber, InsR, § 175 InsO Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork-Pape/ Schaltke, InsO, § 175 Rz. 2; Braun-Specovius, InsO, § 175 Rz. 6; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 9 f; a. A. Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 18, 23, der jedoch insoweit weiterhin eine Vorprüfungspflicht des Insolvenzgerichts bejaht; Bähr, InVo 1998, 205, 208, der eine Prüfungspflicht sowohl des Insolvenzverwalters als auch des Insolvenzgerichts bejaht; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 175 Rz. 13–15, der eine Vorprüfungspflicht des Insolvenzverwalters bejaht und für das Gericht eine Pflicht annimmt, das Attribut „vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung“ zu streichen, wenn Tatsachen in der Tabelle dazu fehlen. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 10. LG Waldshut-Tiengen, Beschl. v. 26.1.2005 – 1 T 172/03, ZIP 2005, 499; UhlenbruckSinz, InsO, § 175 Rz. 11. Riedel in: MünchKomm-InsO, § 175 Rz. 13. Differenzierend Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 10, 11, der das Zurückweisungsrecht auf rein formale Mängel beschränkt, es bei Masseforderungen und nachrangigen Forderungen ausdrücklich verneint; ähnlich wohl auch Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 175 Rz. 3, die ein Zurückweisungsrecht nur in Ausnahmefällen, die jedoch nicht benannt werden, bejahen.
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Ein formelles Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insolvenzverwalters, eine angemeldete Forderung nicht in die Tabelle aufzunehmen, ist nicht gegeben. In Betracht kommt lediglich ein Antrag an das Gericht, im Aufsichtswege nach § 58 Abs. 2 Satz 1 einzuschreiten.8)
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Ist der Insolvenzverwalter mit der Anweisung des Insolvenzgerichts nicht einverstanden, kann er dagegen – nach vorheriger gerichtlicher Androhung von Zwangsgeld wegen der Nichtaufnahme der Forderung – gemäß § 58 Abs. 2 Satz 3 mit der sofortigen Beschwerde vorgehen. IV. Niederlegung und Verbleib der Tabelle
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Die Tabelle mit den Anmeldungen sowie den beigefügten Urkunden ist innerhalb des ersten Drittels des Zeitraums, der zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist und dem Prüfungstermin liegt, beim Insolvenzgericht niederzulegen. Diese Maßnahme dient dazu, dass sich die Beteiligten des Insolvenzverfahrens durch Einsicht in die Tabelle in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts über die angemeldeten Forderungen informieren können. Beteiligte sind der Insolvenzverwalter, der Insolvenzschuldner, die Insolvenzgläubiger, die Mitglieder des Gläubigerausschusses, die Absonderungsberechtigten sowie die Massegläubiger.9) Anderen Personen, z. B. Mitgliedern bzw. Gesellschaftern einer insolventen Gesellschaft,10) Bürgen oder Interessenten für eine Betriebsübernahme, kann das Insolvenzgericht gemäß § 4 InsO, § 299 Abs. 2 ZPO Einsicht gewähren, wenn sie ein rechtliches Interesse geltend machen.11) Das Einsichtnahmerecht umfasst auch das Recht auf Erteilung einer Abschrift aus der Tabelle.12)
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Die Niederlegung der Tabelle hat beim Insolvenzgericht zu erfolgen, eine Niederlegung beim Insolvenzverwalter ist von Absatz 1 Satz 2 nicht gedeckt.13) Auf der Geschäftsstelle kann das Insolvenzgericht die Tabelle den Gläubigern auch in elektronischer Form zur Ansicht auf einem Bildschirm zur Verfügung stellen.14) Dagegen ist ein passwortgeschütztes Einsichtsrechts beim Verwalter über das Internet als Ersatz für die Niederlegung der Tabellen bei Gericht mit der derzeitigen Rechtslage nicht vereinbar.15) Nicht ausgeschlossen ist aber, dass der Insolvenzverwalter diese Maßnahme zusätzlich anbietet.16) _____________ 8) Vgl. auch BGH, Urt. v. 27.4.1995 – IX ZR 102/94, ZIP 1995, 932; Braun-Specovius, InsO, § 175 Rz. 24; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 175 Rz. 4; Depré in: HKInsO, § 175 Rz. 8; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 175 Rz. 12; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 14. 9) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 22. 10) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Wagner, InsO, § 175 Rz. 8. 11) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 22. 12) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 175 Rz. 6; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 24. 13) Braun-Specovius, InsO, § 175 Rz. 21 f; Riedel in MünchKomm-InsO, § 175 Rz. 16. 14) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 22, der allerdings auf die Lesbarkeit einer in elektronischer Form zur Verfügung gestellten Tabelle abstellt. 15) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 22. 16) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Wagner, InsO, § 175 Rz. 8.
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Die Tabelle wird nach der Übergabe durch den Insolvenzverwalter gemäß Absatz 1 vom Gericht geführt.17) Dem Insolvenzverwalter ist gesetzlich die Erfassung der Forderungen in der Tabelle, nicht aber die Führung der Tabelle nach der Niederlegung übertragen worden. Für eine solche Übertragung wären weitere Regelungen, u. a. zur Erteilung von Tabellenauszügen und Aufbewahrungsvorschriften erforderlich gewesen. Deshalb bestimmt auch § 15a AktO, dass die weitere Führung der dem Insolvenzgericht nach § 175 vorgelegten Tabelle dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle obliegt.
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V. Hinweispflicht des Gerichts auf von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen Nach § 302 Nr. 1 werden Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, einer vorsätzlich pflichtwidrig verletzten gesetzlichen Unterhaltspflicht18) oder aus einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO19) von der Restschuldbefreiung nicht berührt, wenn der Gläubiger diese Forderungen unter Angabe des jeweiligen Rechtsgrundes zur Tabelle angemeldet hat. Um zu verhindern, dass dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Tabelle erteilt wird, hat der Schuldner, nicht der Insolvenzverwalter20) gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 Widerspruch gegen diese Rechtsgründe einzulegen. Die Frage, ob die Forderung tatsächlich aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, einer vorsätzlich pflichtwidrig verletzten gesetzlichen Unterhaltspflicht oder aus einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO stammt, ist aber nicht im Insolvenzverfahren, sondern i. R. einer Feststellungsklage vor den dazu zuständigen Gerichten zu klären.21)
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Um dem rechtlich wenig versierten Schuldner die Konsequenzen aus solchen Forderungsanmeldungen des Gläubigers zu verdeutlichen und ihn auf die Möglichkeit des Widerspruchs aufmerksam zu machen, schreibt § 175 Abs. 2 vor, dass das Gericht den Schuldner ausdrücklich darauf hinzuweisen hat. Dieser Hinweis muss individuell auf die jeweilige Forderung abgestimmt sein22) und dem Schuldner aufzeigen, dass die Forderung nicht an der Restschuldbefreiung teilnimmt, wenn er keinen Widerspruch gegen den dargelegten Rechtsgrund der Forderung einlegt und die Forderung deshalb zur Tabelle festgestellt wird. Ferner muss dem Schuldner
13
_____________ 17) So wohl auch Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 175 Rz. 9; Depré in: HK-InsO, § 175 Rz. 13; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 20; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Wagner, InsO, § 175 Rz. 8. 18) Der Rechtsgrund ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, eingefügt worden. Er gilt für Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt werden, Art. 103h Abs. 1 EGInsO. 19) Der Rechtsgrund ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, eingefügt worden. Er gilt für Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt werden, Art. 103h Abs. 1 EGInsO. 20) BGH, Urt. v. 12.6.2008 – IX ZR 100/07, ZInsO 2008, 809; vgl. dazu auch Schmerbach, NZI 2008, 534; BGH, Urt. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566. 21) BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37, dazu EWiR 2011, 261 (Riedemann); Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 175 Rz. 26, 27. 22) LG Bochum, Beschl. v. 6.8.2004 – 10 T 50/04, n. v.; Begr. RA z. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/6468, S. 17.
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Verlauf des Prüfungstermins
mitgeteilt werden, dass er den Widerspruch nur im mündlichen Prüfungstermin, bei Anordnung eines schriftlichen Prüfungstermins nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erheben kann. Sofern der Schuldner nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen im konkreten Fall nicht in der Lage ist, ohne anwaltliche Hilfe eine Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Erhebung des Widerspruchs zu treffen, ist ihm ein Rechtsanwalt beizuordnen.23) 14
Wann ein solcher Hinweis zu erfolgen hat, ist im Gesetz nicht näher geregelt. Nach dem Sinn und Zweck des Absatzes 2 hat dies so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Schuldner ausreichend Zeit verbleibt, zu prüfen, ob er einen Widerspruch einlegen möchte, also am besten unmittelbar nach Niederlegung der Tabelle, mit der Ladung des Schuldners zum mündlichen Prüfungstermin oder der Bestimmung des schriftlichen Prüfungstermins.24) Ist der Schuldner nicht ordnungsgemäß belehrt worden und hat er deshalb den ihm möglichen Widerspruch versäumt, kann ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung des Prüfungstermins gewährt werden (vgl. dazu auch § 186 Rz. 2).25) _____________ 23) BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 44/03, ZVI 2003, 601, m. Anm. Mäusezahl; Kübler/ Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 175 Rz. 7. 24) Braun-Specovius, InsO, § 175 Rz. 27. 25) AG Duisburg, Beschl. v. 26.7.2008 – 62 IN 36/02, NZI 2008, 628 ff; Kübler/Prütting/ Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 175 Rz. 10.
§ 176 Verlauf des Prüfungstermins 1
Im Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft. 2Die Forderungen, die vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten werden, sind einzeln zu erörtern.
Literatur: Bähr, Forderungsprüfung und Tabellenführung, InVo 1998, 205; Bratvogel, In welchen Fällen muß der Konkursverwalter die Termine vor dem Konkursgericht persönlich wahrnehmen, in welchen Fällen kann er sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, und wann kann und muß ein anderer Konkursverwalter bestellt werden?, KTS 1977, 229; Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743; Eisner, Der isolierte Widerspruch des Schuldners gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung, NZI 2003, 480; Fuchs, Die Änderungen im Restschuldbefreiungsverfahren – Problemlösung oder neue Fragen?, NZI 2002, 298; Kehe/Meyer/Schmerbach, Anmeldung und Feststellung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – Teil 2, ZInsO 2002, 660; Kübler, Zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Gesamtvollstreckungsgericht und Verwalter bei der Feststellung der Schuldenmasse, in: Festschrift für Wolfram Henckel, 1995, S. 495; Mäusezahl, Die unerlaubte Handlung in der Insolvenz der natürlichen Person, ZInsO 2002, 462; Schoppe, Nachhaftung für Deliktsforderungen im Anschluss an das Restschuldbefreiungsverfahren, ZVI 2004, 377. Übersicht I. Zweck des Prüfungstermins ............... 1 II. Teilnehmende Personen ...................... 2
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1. 2.
Teilnahmeberechtigte ............................ 2 Teilnahmeverpflichtete ......................... 3
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Verlauf des Prüfungstermins III. IV. V. 1.
Zeitpunkt des Prüfungstermins ......... 6 Gegenstand der Prüfung ..................... 8 Widerspruch ....................................... 10 Widerspruchsberechtigte .................... 10
I.
Zweck des Prüfungstermins
2. 3. 4.
Inhalt und Form des Widerspruchs ... 12 Wirkungen des Widerspruchs ............ 17 Rücknahme des Widerspruchs ........... 21
Der Prüfungstermin dient dazu, die Forderungsrechte der Insolvenzgläubiger festzuschreiben, um eine Grundlage für die Verteilung der Insolvenzmasse nach §§ 187 ff zu schaffen und den Kreis der Forderungsberechtigten für ein eventuelles Restschuldbefreiungsverfahren festzulegen.
1
II. Teilnehmende Personen 1.
Teilnahmeberechtigte
Der Prüfungstermin ist eine Gläubigerversammlung (§ 74 Abs. 1 Nr. 2). Zur Teilnahme berechtigt sind daher die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger einschließlich der nachrangigen Insolvenzgläubiger, und zwar unabhängig davon, ob sie zur Forderungsanmeldung vom Gericht aufgefordert wurden,1) die Mitglieder des Gläubigerausschusses, der Schuldner sowie der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter. Der Termin ist somit nicht öffentlich.2) 2.
2
Teilnahmeverpflichtete
Die Frage, ob der Insolvenzverwalter persönlich am Prüfungstermin teilzunehmen hat, ist streitig.3) Eine generelle Pflicht, diesen Termin selbst wahrzunehmen, besteht für ihn nicht. Zwar ist der Insolvenzverwalter höchstpersönlich mit der Insolvenzverwaltung betraut, er kann sein Amt als solches nicht einem anderen übertragen. Das schließt es aber nicht aus, einzelne Aufgaben, für die er weiterhin letztverantwortlich ist, einem Mitarbeiter zu übertragen.4) Eine persönliche Teilnahme des Insolvenzverwalters am Prüfungstermin ist daher insbesondere verzichtbar, wenn keine erörterungsbedürftigen Streitpunkte im Prüfungstermin zu erwarten sind.
3
Der Schuldner hat am Prüfungstermin teilzunehmen, wenn er Widerspruch gegen die Forderung oder den Rechtsgrund der Forderung erheben will, denn ein solcher Widerspruch ist mündlich zu erklären, es sei denn, die gesamte Forderungsprüfung wird gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 schriftlich durchgeführt. Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht die Teilnahme des Schuldners zur Aufklärung des Sachverhalts
4
_____________ 1) 2) 3)
4)
Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 16. Riedel in: MünchKomm-InsO, § 176 Rz. 9. Braun-Specovius, InsO, § 176 Rz. 2; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 10; WimmerKießner, FK-InsO, § 176 Rz. 4. Für eine persönliche Wahrnehmungspflicht: AG Hohenschönhausen, Beschl. v. 8.9.1999 – 36 IK 1/99, ZInsO 2000, 168, 139; Braun-Specovius, InsO, § 176 Rz. 4; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 24; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 176 Rz. 19; Depré in: HK-InsO, § 176 Rz. 2; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Wagner, InsO, § 176 Rz. 9; WimmerKießner, FK-InsO, § 176 Rz. 5; dagegen: A. Schmidt-Preß/Henningsmeier, InsO, § 176 Rz. 5; Bratvogel, KTS 1977, 229, 231; Blersch/Goetsch/Haas-Gruber, InsR, § 176 InsO Rz. 9; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 176 Rz. 11, Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 63 Rz. 46 und Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 23, die einen mit Weisungen versehenen Vertreter für zulässig halten. BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722.
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anordnen. Erscheint der Schuldner nicht, kann er nach § 98 i. V. m. § 97 zwangsweise vorgeführt werden.5) Hat er den Termin schuldlos versäumt, kann ihm Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden (§ 186 Abs. 1). 5
Dagegen haben die Gläubiger nicht zwingend am Prüfungstermin teilzunehmen. Ihre Forderungen werden – wie sich aus Absatz 1 ergibt6) – unabhängig von ihrem Erscheinen geprüft und, sofern weder andere Gläubiger oder der Insolvenzverwalter Widerspruch erheben, auch festgestellt. Die Gläubiger können einen bevollmächtigten Vertreter zum Termin entsenden. III. Zeitpunkt des Prüfungstermins
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Der Prüfungstermin und die Frist zur Anmeldung der Forderungen werden im Eröffnungsbeschluss bestimmt (§ 28 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 2), der öffentlich bekannt zu machen ist (§ 30 Abs. 1 Satz 1). Den bereits bekannten Gläubigern, dem Schuldner und den Drittschuldnern ist der Beschluss besonders zuzustellen. In der Praxis wird die Zustellung meistens auf den Insolvenzverwalter übertragen (§ 8 Abs. 3). Die Frist zur Forderungsanmeldung beträgt mindestens zwei Wochen, höchstens drei Monate (§ 28 Abs. 1), der Prüfungstermin soll nicht über sechs Wochen und darf nicht über drei Monate hinaus angesetzt werden (§ 29 Abs. 1 Nr. 1). Der Zeitraum zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist und dem Prüfungstermin soll mindestens eine Woche und höchstens zwei Monate betragen (§ 29 Abs. 1 Nr. 2). Der Prüfungstermin kann daher frühestens drei Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfinden, spätestens ist er nach fünf Monaten anzusetzen.
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Das Gericht (Rechtspfleger, § 18 RPflG) kann den Prüfungstermin gemäß § 4 InsO, §§ 136, 227 ZPO vertagen. IV. Gegenstand der Prüfung
8
Der Prüfungstermin wird vom Rechtspfleger geleitet (§ 18 Abs. 1 RPflG), es sei denn, der Richter hat sich die Durchführung dieses Termins ausdrücklich vorbehalten (§ 18 Abs. 2 RPflG). Um den Ablauf des Termins zu straffen, sind – im Gegensatz zur KO – nicht mehr alle angemeldeten Forderungen, sondern gemäß Satz 2 nur noch die bestrittenen einzeln zu erörtern. Dadurch wird jedoch ein Bestreiten während des Prüfungstermins nicht ausgeschlossen.7) Ist streitig, ob eine Forderung anmeldungsfähig ist, so darf die Erörterung nicht von Amts wegen ablehnt werden.8) Sofern sich kein Widerspruch abgezeichnet hat, reicht der pauschale Aufruf der Forderungen auf.9)
_____________ 5) 6) 7) 8) 9)
Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 176 Rz. 9; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 17, 18; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 24. Begr. RA z. § 203 RegE/§ 176 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 178, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 411. Begr. z. § 203 RegE/§ 176 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 184, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 411. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 31. Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 176 Rz. 6; a. A. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 31, der meint, die anderen Forderungen seien nicht aufzurufen.
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Die Prüfung beschränkt sich auf die formale Zulässigkeit der fristgemäß angemeldeten Forderungen und – sofern Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger nicht widersprochen haben (§ 177) – der nach Ablauf der Frist angemeldeten Forderungen. Geprüft werden die Forderungen lediglich ihrem Betrag und Rang nach, Rangfragen spielen jedoch nur bei der Anmeldung nachrangiger Forderungen (§§ 38, 39, 327) eine Rolle. Gegenstand der Prüfung ist nicht die Begründetheit der Forderung, sondern nur, ob Widerspruch gegen die Insolvenzforderung erhoben wird. Die Frage der Forderungsberechtigung ist ggf. im Prozesswege vor den dazu zuständigen Gerichten zu klären (siehe §§ 180, 184, 185).
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V. Widerspruch 1.
Widerspruchsberechtigte
Zum Widerspruch berechtigt sind der Insolvenzverwalter, der Sachwalter, die Insolvenzgläubiger und der Schuldner. Dem Insolvenzverwalter steht jedoch kein isoliertes Widerspruchsrecht hinsichtlich der in §§ 174 Abs. 2, 302 Nr. 110) aufgeführten Rechtsgründe, sondern nur gegen die Forderungen als solche zu. Seine Aufgabe ist es allein, zu verhindern, dass unberechtigte Forderungen bei der Verteilung der Insolvenzmasse berücksichtigt werden. Der isolierte Widerspruch gegen besonders attributierte Forderungen, die gemäß § 302 Nr. 1 von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, hindert nicht die Berücksichtigung des anmeldenden Gläubigers bei der Verteilung, sondern nur die Inanspruchnahme des Schuldners durch seine Gläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Zum isolierten Widerspruch gegen einen solchen Forderungsgrund ist daher allein der Schuldner befugt.11)
10
Auch nachrangige Insolvenzgläubiger, die das Gericht nicht zur Anmeldung ihrer Forderung aufgefordert hat, können Widerspruch gegen eine Insolvenzforderung erheben.12) Etwas Gegenteiliges lässt sich nicht aus der fehlenden Zuerkennung eines Stimmrechts in der Gläubigerversammlung (§ 77 Abs. 1 Satz 2) entnehmen, denn nicht nachrangige Forderungen, die infolge des Widerspruchs bestritten sind, werden
11
_____________ 10) Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, sind gemäß § 302 Nr. 1 neben den vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen auch Forderungen aus der Restschuldbefreiung ausgenommen, die aus einer vorsätzlich pflichtwidrigen gesetzlichen Unterhaltspflichtverletzung oder aus einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO resultieren, wenn der jeweilige Rechtsgrund bei der Anmeldung dargelegt worden ist. Die Ergänzung gilt für Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt werden, Art. 103h Abs. 1 EGInsO. 11) BGH, Urt. v. 12.6.2008 – IX ZR 100/07, ZInsO 2008, 809; BGH, Urt. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566; LG Trier, Urt. v. 31.1.2006 – 1 S 207/05, ZIP 2006, 1834; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 17; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 302 Rz. 15. 12) OLG München, Urt. v. 28.7.2010 – 7 U 2417/10, ZInsO 2010, 1603, dazu EWiR 2011, 89 (Menke/Reissinger); LG Kiel, Zwischenurt. v. 3.8.2007 – 11 O 380/06, ZInsO 2007, 1117; Braun-Specovius, InsO, § 176 Rz. 12; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 176 Rz. 26; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 26; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 176 Rz. 14, der die Wirkung eines Widerspruchs für die Verteilung allerdings nur bejaht, wenn die nachrangigen Insolvenzgläubiger bis zur Erstellung des Schlussverzeichnisses zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert wurden. A. A.: Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 27.
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ebenfalls vom Stimmrecht ausgeschlossen. Außerdem geht Satz 2 davon aus, dass Forderungen von einem „Insolvenzgläubiger“ bestritten werden können, die Vorschrift differenziert also nicht zwischen regulären und nachrangigen Insolvenzgläubigern.13) 2.
Inhalt und Form des Widerspruchs
12
Der Widersprechende hat anzugeben, wogegen sich sein Widerspruch richtet, also z. B. gegen den Grund der Forderung, den Betrag, die Berechtigung des Anmeldenden, die Eigenschaft als Insolvenzforderung oder den Rang. Einer Begründung bedarf es nicht.14)
13
Der Widerspruch ist Prozesshandlung, sodass für ihn die allgemeinen Voraussetzungen einer jeden Prozesshandlung gelten. Er ist grundsätzlich mündlich im Termin zu erklären, auch wenn er bereits schriftlich angekündigt wurde.15) Ein schriftlicher Widerspruch eines abwesenden Insolvenzgläubigers ist wirkungslos, es sei denn, das Gericht hat die Forderungsprüfung im schriftlichen Verfahren ausdrücklich angeordnet (§ 5 Abs. 2).
14
In der Praxis hat sich teilweise eine besondere Form des Widerspruchs herausgebildet, das sog. „vorläufige Bestreiten“. Der Insolvenzverwalter will mit dieser Art des Bestreitens Zeit gewinnen, um die bis zum Prüfungstermin noch nicht abschließend geklärte Frage der Begründetheit der Forderung weiter zu prüfen und eine vorzeitige Feststellungsklage des Insolvenzgläubigers zu verhindern. Letztlich geht es bei der umstrittenen Frage der Zulässigkeit dieser Art des Bestreitens darum, ob und wie lange es dem Insolvenzgläubiger einer „vorläufig bestrittenen Forderung“ zuzumuten ist, mit der Erhebung der Feststellungsklage nach § 179 Abs. 1 zu warten und eine für den Insolvenzverwalter nachteilige Kostenfolge zu vermeiden.
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Das „vorläufige Bestreiten“ ist – obwohl teilweise schon unter der KO praktiziert – auch in der InsO nicht vorgesehen.16) Vielmehr hat der Gesetzgeber die Fristen für die Durchführung des Prüfungstermins in § 29 ausdrücklich beibehalten. Das „vorläufige Bestreiten“ unterläuft diese gesetzlichen Fristen und bürdet dem Gläubiger auf, die Prüfung außerhalb des gesetzlichen Fristenrahmens abwarten zu müssen, ohne den Zeitpunkt des Abschlusses der Prüfung beeinflussen und eine Klärung über sein Stimmrecht herbeiführen zu können. Eine „vorläufig bestrittene“ Forderung ist daher als wirksam bestritten anzusehen,17) das Rechtsschutzbedürfnis
_____________ 13) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 176 Rz. 26; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 26. 14) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 28; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 176 Rz. 27, der allerdings eine Begründung für sinnvoll erachtet, um Nachfragen des Insolvenzverwalters zu vermeiden. 15) Braun-Specovius, InsO, § 176 Rz. 12; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 28. 16) BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576. 17) Im Ergebnis ebenso: BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576; OLG München, Beschl. v. 12.7.2005 – 7 W 1447/05, ZIP 2005, 2227; Kübler/Prütting/BorkPape/Schaltke, InsO, § 176 Rz. 15, § 179 Rz. 5 ff; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 37.
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für eine Feststellungsklage entfällt nicht.18) Dem Bedürfnis des Insolvenzverwalters nach einer Verlängerung der Prüfungsfrist kann – unter gerichtlicher Zeitkontrolle – durch eine Vertagung des Termins gemäß § 4 InsO, § 136 Abs. 3, § 227 ZPO Rechnung getragen werden.19) Bestreitet der Insolvenzverwalter allerdings die Forderung „vorläufig“, so folgt daraus nicht in jedem Fall, dass er Anlass für eine Feststellungsklage i. S. des § 93 ZPO gegeben hat.20) Diese Frage ist vielmehr unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach den zu § 93 ZPO entwickelten Grundsätzen, die auch i. R. des § 91a ZPO heranzuziehen sind,21) zu beantworten. Die Grundsätze des § 93 ZPO können jedoch nur bis zur erstmaligen öffentlichen Bekanntmachung des Verteilungsverzeichnisses eingreifen, weil sich hieran eine Ausschlussfrist von zwei Wochen für den Nachweis der Erhebung der Feststellungsklage anschließt (§ 189 Abs. 1).22) 3.
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Wirkungen des Widerspruchs
Der Widerspruch des Insolvenzverwalters hindert die Feststellung der Forderung und bezweckt, dass keine unberechtigten Forderungen an der Befriedigung der Gläubiger aus der Masse teilhaben.
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Dagegen steht der Widerspruch des Schuldners der Feststellung der Forderung und ihrer Berücksichtigung im Verteilungsverfahren nicht entgegen.23) Er ist lediglich für die Vollstreckung der Forderung nach Beendigung des Insolvenzverfahrens von Bedeutung. Der Gläubiger erhält im Falle des Widerspruchs des Schuldners keinen Auszug aus der Tabelle zum Zwecke der Zwangsvollstreckung (§ 201 Abs. 2 Satz 1), vielmehr muss er – sofern er nicht bereits über eine titulierte Forderung verfügt (§ 184 Abs. 2) – den Widerspruch im Klagewege beseitigen (§§ 184, 201 Abs. 2 Satz 2).
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Etwas anderes gilt im Falle der Eigenverwaltung. Hier ist der Schuldner zum einen in der Funktion eines Insolvenzverwalters, der zu verhindern hat, dass unberechtigte Forderungen bei der Verteilung der Insolvenzmasse berücksichtigt werden. Zum anderen fungiert er aber auch als Schuldner, der eine Nachhaftung aus den besonderen Rechtsgründen des § 302 Nr. 1 vermeiden möchte. Der Widerspruch des eigenverwaltenden Schuldners kann daher unterschiedliche Rechtswirkungen erzeugen: Bestreitet er eine Forderung als solche, wird diese gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 nicht zur Tabelle festgestellt. Sie nimmt auch nicht an der Verteilung der Masse teil.
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_____________ 18) A. A. LG Koblenz, Urt. v. 8.12.1966 – 3 S 148/66, KTS 1966, 254; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.11.1981 – 16 W 46/81, ZIP 1982, 201, sieht die Klage nur als zulässig an, wenn dem Insolvenzverwalter ggf. mit angemessener Fristsetzung Gelegenheit gegeben wurde, zu erklären, ob er das vorläufige Bestreiten aufrechterhalten will. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.5.1989 – 11 W 63/89, ZIP 1989, 791, dazu EWiR 1989, 705 (Godau-Schüttke). 19) So auch Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 178 Rz. 21. 20) BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576, 578. 21) BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576, 578; OLG München, Beschl. v. 12.7.2005 – 7 W 1447/05, ZIP 2005, 2227; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.5.1989 – 11 W 63/89, ZIP 1989, 791; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke InsO, § 179 Rz. 7; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 176 Rz. 29; Depré in: HK-InsO, § 179 Rz. 5; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 178 Rz. 20. 22) BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576. 23) BGH, Urt. v. 11.7.2013 – IX ZR 286/12, ZIP 2013, 1640.
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§ 177 20
Der Schuldner kann seinen Widerspruch aber auch isoliert gegen die in §§ 174 Abs. 2, 302 Nr. 1 aufgeführten Rechtsgründe richten,24) wenn die Forderung sich aus mehreren Anspruchsgrundlagen herleitet.25) Das Bestehen der Forderung als solche ist in diesen Fällen unbestritten.26) Der eigenverwaltende Schuldner kann also sein Widerspruchsrecht als Eigenverwalter für die Zwecke des Insolvenzverfahrens anerkennen, als Schuldner hinsichtlich seiner Nachhaftung dagegen bestreiten.27) 4.
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Nachträgliche Anmeldungen
Rücknahme des Widerspruchs
Die Rücknahme des Widerspruchs ist Prozesshandlung. Sie ist sowohl mündlich im Prüfungstermin als auch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 4 InsO, § 496 ZPO) möglich.28) Adressat der Rücknahmeerklärung ist das Insolvenzgericht, nicht der Anmelder.29) Das Gericht hat die Tabelle von Amts wegen zu berichtigen, denn die Führung der Tabelle ist weiterhin Aufgabe des Gerichts. Der Gesetzgeber hat dem Insolvenzverwalter in §§ 174, 175 nur die ordnungsgemäße Erfassung der Forderung übertragen, nicht jedoch die übrigen mit der Tabelle verbundenen Aufgaben, wie auch § 178 Abs. 2 Satz 1 hinsichtlich des Widerspruchs verdeutlicht.30) _____________ 24) Vgl. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 27; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.6.2008 – IX ZR 100/07, ZInsO 2008, 809; LG Trier, Urt. v. 31.1.2006 – 1 S 207/05, ZIP 2006, 1834; Eisner, NZI 2003, 480, 484; Kehe/Meyer/Schmerbach, ZInsO 2002, 660; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 17; a. A. Mäusezahl, ZInsO 2002, 462; Schoppe, ZVI 2004, 377. 25) Bsp.: Bei der Bestellung einer Ware bestreitet der Gläubiger die Tatsachen, aus denen sich ein Eingehungsbetrug herleiten lässt, nicht jedoch, dass er dem Gläubiger die Forderung aus Kaufvertrag schuldet. Vgl. zu den Abgrenzungsfragen bei einem isolierten Widerspruch Eisner, NZI 2003, 480, 483. 26) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 24a; Fuchs, NZI 2002, 298, 303. 27) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265, dazu EWiR 2014, 17 (Ahrens). 28) Bähr, InVo 1998, 205, 209. 29) AG Bremen, Beschl. v. 4.2.2005 – 40 IN 881/02, NZI 2005, 399; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 179 Rz. 3; a. A. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 33 m. w. N.; offengelassen in BGH, Urt. v. 6.3.2013 – III ZR 261/12, ZInsO 2013, 950. 30) A. A., allerdings zur Gesamtvollstreckungsordnung, Kübler in: FS Henckel, S. 495, 509; s. a. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 176 Rz. 33.
§ 177 Nachträgliche Anmeldungen (1) 1Im Prüfungstermin sind auch die Forderungen zu prüfen, die nach dem Ablauf der Anmeldefrist angemeldet worden sind. 2Widerspricht jedoch der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgläubiger dieser Prüfung oder wird eine Forderung erst nach dem Prüfungstermin angemeldet, so hat das Insolvenzgericht auf Kosten des Säumigen entweder einen besonderen Prüfungstermin zu bestimmen oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren anzuordnen. 3Für nachträgliche Änderungen der Anmeldung gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. (2) Hat das Gericht nachrangige Gläubiger nach § 174 Abs. 3 zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert und läuft die für diese Anmeldung gesetzte 1070
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§ 177
Nachträgliche Anmeldungen
Frist später als eine Woche vor dem Prüfungstermin ab, so ist auf Kosten der Insolvenzmasse entweder ein besonderer Prüfungstermin zu bestimmen oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren anzuordnen. (3) 1Der besondere Prüfungstermin ist öffentlich bekannt zu machen. 2Zu dem Termin sind die Insolvenzgläubiger, die eine Forderung angemeldet haben, der Verwalter und der Schuldner besonders zu laden. 3§ 74 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Literatur: Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743; Tscheschke, Nachträglich angemeldete Forderungen in der Konkursabwicklung, Rpfleger 1992, 96. Übersicht I. 1. 2.
I.
Nachträgliche Forderungsanmeldungen ............................................ 1 Anmeldungen bis zum Abschluss des Prüfungstermins ............................. 2 Anmeldungen nach dem Prüfungstermin ..................................................... 6
II. Nachträgliche Änderungen der Anmeldung ........................................... 9 III. Nachträgliche Anmeldung nachrangiger Forderungen ............... 14 IV. Besonderer Prüfungstermin ............. 15 V. Anordnung der Prüfung im schriftlichen Verfahren ..................... 18
Nachträgliche Forderungsanmeldungen
Nach § 28 Abs. 1 hat das Insolvenzgericht die Gläubiger im Eröffnungsbeschluss aufzufordern, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist anzumelden. Die im Eröffnungsbeschluss gesetzte Frist ist jedoch keine Ausschlussfrist, vielmehr können die Gläubiger gemäß Absatz 1 ihre Forderungen auch noch nach Ablauf der Anmeldefrist oder sogar nach dem Prüfungstermin anmelden. Für die unterschiedlichen Zeitpunkte der Anmeldung sieht das Gesetz verschiedene Verfahrensweisen vor. 1.
1
Anmeldungen bis zum Abschluss des Prüfungstermins
Hat ein Insolvenzgläubiger die Anmeldung nicht fristgerecht, jedoch bis zum Abschluss des Prüfungstermins vorgenommen und der Insolvenzverwalter diese Forderung in die Tabelle eingetragen, so kann sie grundsätzlich in diesem Termin geprüft werden, es sei denn, der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgläubiger widerspricht dieser Prüfung. Der Widerspruch hat mündlich im Termin zu erfolgen. Er bezieht sich ausschließlich auf die Prüfung in diesem Termin, nicht auf die materielle Berechtigung der Forderung.1) Eine Begründung ist nicht erforderlich. Unerheblich für den Widerspruch ist auch, ob der Insolvenzgläubiger ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Anmeldung gehindert war.2)
2
Das Widerspruchsrecht besteht ebenfalls, wenn der Insolvenzverwalter die nachträgliche Forderungsanmeldung noch in einen Nachtrag zur Tabelle aufgenommen und diesen vor der Niederlegung der Tabelle dem Gericht übermittelt hat,
3
_____________ 1) 2)
Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 5. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 5.
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sodass die Niederlegungsfrist gemäß § 175 Abs. 1 eingehalten wurde.3) Der Gesetzgeber hat die Widerspruchsmöglichkeit gegen die Forderungsprüfung allein an die Versäumung der Anmeldefrist geknüpft. Das ist auch sinnvoll, weil die Aufnahme der Forderung in die Tabelle nicht bedeutet, dass der Insolvenzverwalter die Berechtigung der Forderung bereits abschließend geprüft hat.4) 4
Trotz eines fehlenden Widerspruchs des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers hat das Insolvenzgericht bei verspäteter Anmeldung keine Forderungsprüfung vorzunehmen, wenn dies mangels ausreichender Vorbereitung des Termins nicht möglich ist, z. B. die Forderung auf einen Anspruch aus unerlaubter Handlung gestützt wird und der Schuldner nicht gemäß § 175 Abs. 2 rechtzeitig vor dem Termin auf die Rechtsfolgen des § 302 Nr. 1 und die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Qualifizierung der Forderung hingewiesen worden ist.
5
Findet wegen des Widerspruchs oder aus einem anderen Grund eine Prüfung der verspätet angemeldeten Forderung in diesem Termin nicht statt, so hat das Insolvenzgericht auf Kosten des verspätet anmeldenden Gläubigers gemäß Absatz 1 Satz 2 entweder einen besonderen Prüfungstermin zu bestimmen oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren anzuordnen. 2.
Anmeldungen nach dem Prüfungstermin
6
Bis wann eine Forderung nach dem Prüfungstermin zur Tabelle angemeldet werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist, bis zu welchem Verfahrensabschnitt ein Rechtsschutzinteresse für den nachträglich anmeldenden Insolvenzgläubiger noch zu bejahen ist. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle besteht für den Insolvenzgläubiger bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Unerheblich ist, ob der Gläubiger die Forderung so spät anmeldet, dass die Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 nicht gewahrt werden und er deshalb bei der Verteilung der Masse nicht berücksichtigt werden kann.5)
7
Das rechtliche Interesse des Gläubigers an der Anmeldung und Prüfung der Forderung besteht zum einen wegen der Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB,6) zum anderen aufgrund der Titulierung der Forderung nach § 178 Abs. 3.7) Es besteht auch im Hinblick auf die Verteilung der vom Treuhänder während der Wohlverhaltenszeit gemäß § 292 Abs. 1 eingenommenen Beträge. _____________ 3)
4) 5)
6) 7)
Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 63 Rz. 50; a. A. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 5; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 6; Riedel in: MünchKomm-InsO, § 177 Rz. 2; Nerlich/Römermann-Becker, InsO, § 177 Rz. 9. So aber Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 5. BGH, Urt. v. 5.2.1998 – IX ZR 259/97, ZIP 1998, 515, dazu EWiR 1998, 501 (Johlke/ Schröder); BGH, Urt. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 8 m. w. N.; a. A. wohl Riedel in: MünchKomm-InsO, § 177 Rz. 4–8. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 8. BGH, Urt. v. 5.2.1998 – IX ZR 259/97, ZIP 1998, 515; a. A. Gottwald-Eickmann, InsRHdb., § 63 Rz. 49, der die Anmeldung der Forderung nach Ablauf der Frist des § 189 Abs. 1 als unzulässig ansieht, weil das Insolvenzverfahren nicht als billiges und einfaches Titulierungsverfahren missbraucht werden dürfe. Im Ergebnis ebenso Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 29.
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Nachträgliche Anmeldungen
Das Insolvenzgericht ist verpflichtet, die nachträglich angemeldete Forderung, die nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 geprüft und festgestellt wird, noch in das Schlussverzeichnis aufzunehmen.8) Eine nach dem regulären Prüfungstermin angemeldete Forderung ist in einem besonderen Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren zu prüfen (Abs. 1 Satz 2).
8
II. Nachträgliche Änderungen der Anmeldung Nachträgliche Änderungen der Anmeldungen sind z. B. solche, die den Betrag, den Grund oder die Person des Gläubigers betreffen.9) Darunter fallen auch die nachträgliche Beanspruchung des Rechtsgrunds des vorsätzlichen Delikts10) und der weiteren in § 174 Abs. 2 aufgeführten Rechtsgründe zur Unterhaltspflichtverletzung und zur Steuerstraftat. Sie werden wie Neuanmeldungen behandelt (Abs. 1 Satz 3),11) also in der Regel im Prüfungstermin geprüft, sofern die Änderungen bis zum Abschluss dieses Termins vorgenommen worden sind und kein Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines Gläubigers gegen die Prüfung erhoben wurde.
9
Hinsichtlich der Änderungen nach dem Prüfungstermin ist zu unterscheiden, ob die Forderung im Prüfungstermin bestritten oder festgestellt worden ist: Wird eine bestrittene Forderung ganz oder teilweise zurückgenommen, so verbleibt es beim Bestreiten. Ist die Forderung im Prüfungstermin bereits festgestellt worden, ist streitig, ob die Rücknahme der Forderung noch Wirkungen entfalten kann. Dies wird überwiegend mit der Begründung verneint, die Eintragung in die Tabelle wirke für die festgestellte Forderung gemäß § 178 Abs. 3 wie ein rechtskräftiges Urteil.12) Dagegen spricht jedoch, dass die Titulierungswirkung nur gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern eintritt, der Tabelleneintrag daher nicht uneingeschränkt mit den Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils gleichzusetzen ist. Die Forderung kann deshalb auch nach der Feststellung zur Tabelle zurückgenommen werden.13) Das Insolvenzgericht hat die Rücknahme in der Tabelle zu vermerken, mit der Folge, dass die Forderung nicht in das Verteilungsverzeichnis zu übernehmen ist und der Gläubiger keinen vollstreckbaren Tabellenauszug erhält.14) Ebenso wie der Rücknahme steht etwa auch der nachträglichen Einführung
10
_____________ 8) Tscheschke, Rpfleger 1992, 96. 9) Riedel in: MünchKomm-InsO, § 177 Rz. 12; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 33. Die Auffassung von Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 12, erfasst seien nur wesentliche Änderungen, findet im Gesetz keine Stütze. Abzugrenzen sind die Änderungen aber gegenüber offensichtlichen Unrichtigkeiten, die von Amts wegen zu berichtigen sind. 10) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566. 11) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. 12) RG, Urt. v. 8.1.1926 – II 282/25, RGZ 112, 297; Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 63 Rz. 39; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 177 Rz. 32; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 174 Rz. 50; diff. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 17. 13) Braun-Specovius, InsO, § 177 Rz. 25; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 38, 39. 14) Braun-Specovius, InsO, § 177 Rz. 26; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 39; a. A. AG Marburg/Lahn, Beschl. v. 5.7.2005 – 22 IN 15/04, ZInsO 2005, 784, das eine Rücknahmemöglichkeit der Forderungsanmeldungen verneint und deshalb die Möglichkeit der Neuanmeldung einer Forderung mit geändertem Grund (hier: Anspruch aus unerlaubter Handlung) nach der Feststellung der Forderung ablehnt.
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des Rechtsgrunds der vorsätzlichen unerlaubten Handlung nicht eine Rechtskraft des § 178 Abs. 3 entgegen.15) 11
Der Wechsel in der Person des Forderungsinhabers durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge stellt nur dann eine Änderung der Forderungsanmeldung dar, wenn er streitig ist.16) Bei einer unstreitigen Rechtsnachfolge ist der Tabelleneintrag lediglich zu berichtigen. Die Rechtsnachfolge ist z. B. durch Erbschein, Abtretungsurkunde oder Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegenüber dem Insolvenzgericht nachzuweisen. Ist die Forderung bereits tituliert, so ist der Vollstreckungstitel gemäß §§ 727, 731 ZPO umzuschreiben und gemäß § 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO dem Insolvenzverwalter erneut zuzustellen.17) Alternativ kommt auch eine Rücknahme der Anmeldung durch den ursprünglichen Gläubiger und eine Neuanmeldung der Forderung durch den neuen Gläubiger in Betracht, der gemäß Nr. 2340 ff GKGKV die Kosten des nachträglichen Prüfungstermins (20 €)18) zu tragen hat.19)
12
Ist die Rechtsnachfolge streitig, so ist in der Tabelle zu vermerken, dass es sich um die gleiche Forderung und verschiedene Anmeldende handelt. Der Insolvenzverwalter darf im Prüfungstermin die Forderung zwar ihrem Bestand und dem Gesamtbetrag nach anerkennen, die Rechtszuständigkeit der Anmeldenden aber nur mit der Beschränkung „bis zum Austragen des Streites unter ihnen“ bestreiten.20)
13
Ist die Änderung der Tabelle nach dem Prüfungstermin vorzunehmen, so ist dafür das Insolvenzgericht zuständig, weil die Führung der Tabelle nach der Erfassung der Forderungen und der Übermittlung an das Insolvenzgericht durch den Insolvenzverwalter Aufgabe des Insolvenzgerichts ist (§ 175 Rz. 11). III. Nachträgliche Anmeldung nachrangiger Forderungen
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Nachrangige Insolvenzgläubiger nehmen am Insolvenzverfahren nur teil, wenn das Insolvenzgericht sie gemäß § 174 Abs. 3 ausdrücklich zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert hat, also praktisch nur dann, wenn an die anderen Insolvenzgläubiger eine Dividende von 100 % des Nominalwertes der angemeldeten Forderungen ausgeschüttet werden kann. Hat das Insolvenzgericht die nachrangigen Gläubiger zur Anmeldung aufgefordert und läuft die Anmeldefrist später als eine Woche vor dem Prüfungstermin ab, so ist ein gesonderter Prüfungstermin anzuberaumen oder die Prüfung im schriftlichen Verfahren anzuordnen (Abs. 2).21) Die Kosten dafür hat die Masse zu tragen, weil die Verzögerung der Forderungsprüfung nicht auf das Versäumnis der nachrangigen Gläubiger zurückzuführen _____________ 15) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566. 16) Braun-Specovius, InsO, § 177 Rz. 30; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 14; Blersch/ Goetsch/Haas-Gruber, InsR, § 177 InsO Rz. 16; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 40. 17) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 14. 18) Durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) v. 23.7.2013, BGBl. I, 2586, 2667 wurde der Betrag von 15 € auf 20 € heraufgesetzt. 19) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 42. 20) BGH, Urt. v. 19.12.1996 – IX ZR 18/96, ZIP 1997, 372, dazu EWiR 1997, 269 (Gerhardt). 21) Zu den Abläufen bei der schriftlichen Forderungsprüfung vgl. Riedel in: MünchKommInsO, § 177 Rz. 20.
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ist.22) Hat der nachrangige Gläubiger die Forderung nicht innerhalb der vom Insolvenzgericht gesetzten Frist angemeldet, so richten sich die Folgen der verspäteten Anmeldung nach Absatz 1. IV. Besonderer Prüfungstermin Für den gesondert anzuberaumenden Prüfungstermin sieht das Gesetz keine Frist vor,23) die in § 29 Abs. 1 vorgesehenen Fristen finden daher keine Anwendung. Der besondere Prüfungstermin kann mit dem Schlusstermin verbunden werden, wenn die Anmeldung so verspätet erfolgt, dass ein besonderer Prüfungstermin vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 189 nicht stattfinden kann.24)
15
Nach Absatz 3 ist der besondere Prüfungstermin öffentlich bekannt zu machen (vgl. § 9). Außerdem sind der Insolvenzverwalter, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger, die eine Forderung angemeldet haben, besonders zu laden (zur Form vgl. § 8). Hat sich im regulären Prüfungstermin herausgestellt, dass ein besonderer Prüfungstermin anzuberaumen ist, so ist – entsprechend § 74 Abs. 2 Satz 2 – die öffentliche Bekanntmachung entbehrlich, sofern das Gericht die Verhandlung durch verkündeten Beschluss vertagt und der Prüfungstermin öffentlich bekannt gemacht war.25)
16
Die nachträglich angemeldeten Forderungen sind vor dem besonderen Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter in eine (Ergänzungs-)Tabelle einzutragen, die in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Prüfung der Beteiligten niederzulegen ist.26)
17
V. Anordnung der Prüfung im schriftlichen Verfahren Zur Ausgestaltung des schriftlichen Prüfungsverfahrens enthält das Gesetz keine gesonderten Regelungen. Verfahrensrechtlich ist bei dieser Möglichkeit der nachträglichen Forderungsprüfung, die der Entlastung der Gerichte dienen soll,27) sicherzustellen, dass die Gläubiger ebenso beteiligt werden wie im mündlichen Prüfungstermin. Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen28) notwendig:
18
Die Anordnung des schriftlichen Prüfungstermins für die nach Ablauf der Anmeldefrist angemeldeten Forderungen; die Bestimmung der Ausschlussfrist, innerhalb derer die Gläubiger gegen die Forderung schriftlich Widerspruch beim In-
19
_____________ 22) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 177 Rz. 34. 23) Riedel in: MünchKomm-InsO, § 177 Rz. 16. 24) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 8/05, ZIP 2007, 876, 877; Begr. z. § 201 RegE/§ 174 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 184, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 409; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 177 Rz. 7; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 25; a. A. Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 31. 25) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 11. 26) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 12. 27) Begr. RA z. § 204 RegE/§ 177 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 178, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 413. 28) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 177 Rz. 17, 18; Riedel in: MünchKommInsO, § 177 Rz. 16; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 35, 36; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 13 – 24.
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solvenzgericht29) erheben können; die Belehrung des Schuldners nach § 175 Abs. 2 sowie die Mitteilung, dass die um die nachträglichen Forderungen ergänzte Tabelle nebst den Urkunden auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts eingesehen werden kann. Die vorgenannten Maßnahmen sind vom Insolvenzgericht öffentlich bekannt zu machen. 20
Den Insolvenzgläubigern, die eine Forderung angemeldet haben, dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner sind die nachträgliche Forderungsanmeldung, die Prüfung im schriftlichen Verfahren sowie die Ausschlussfrist für die Erhebung des Widerspruchs entsprechend Absatz 3 Satz 2 gesondert mitzuteilen. Die Zustellung dieser Mitteilung kann gemäß § 8 Abs. 3 dem Insolvenzverwalter übertragen werden.
21
Das Insolvenzgericht hat am festgesetzten Prüfungstag den innerhalb der Ausschlussfrist eingegangenen Widerspruch eines Gläubigers oder des Insolvenzverwalters in die Tabelle einzutragen. Versäumt der Schuldner die Ausschlussfrist schuldlos, kommt gemäß § 186 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (Näheres dazu § 186 Rz. 2).30)
22
Das Prüfungsergebnis ist denjenigen Gläubigern, deren Forderung bestritten worden ist, mitzuteilen (siehe § 179 Abs. 3). _____________ 29) Vgl. dazu Depré in: HK-InsO, § 177 Rz. 8. 30) Im Ergebnis ebenso, allerdings mit der Begründung, § 186 finde nur analog Anwendung, Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 177 Rz. 23; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 177 Rz. 19; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 177 Rz. 38; Depré in: HK-InsO, § 177 Rz. 8, der eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit mangels Regelungslücke verneint.
§ 178 Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung (1) 1Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger erhoben wird oder soweit ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. 2Ein Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen. (2) 1Das Insolvenzgericht trägt für jede angemeldete Forderung in die Tabelle ein, inwieweit die Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach festgestellt ist oder wer der Feststellung widersprochen hat. 2Auch ein Widerspruch des Schuldners ist einzutragen. 3Auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden ist vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Feststellung zu vermerken. (3) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Literatur: Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743; Eisner, Der isolierte Widerspruch des Schuldners gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung, NZI 2003, 480; Kehe/Meyer/Schmerbach,
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Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung
§ 178
Anmeldung und Feststellung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – Teil 2, ZInsO 2002, 660; Kübler, Zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Gesamtvollstreckungsgericht und Verwalter bei der Feststellung der Schuldenmasse, in: Festschrift für Wolfram Henckel, 1995, S. 495; Merkle, Die Zuständigkeit von Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht im insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahren, Rpfleger 2001, 165. Übersicht I. II. III. IV. V.
Regelungsinhalt ................................... Feststellung der Forderung ................ Gegenstand der Feststellung .............. Inhalt des Tabelleneintrags ................. Wechsel- und Schuldurkunden ..........
I.
Regelungsinhalt
1 2 5 6 8
VI. Berichtigung von Tabelleneintragungen ............................................ 10 VII. Rechtsmittel gegen Tabelleneintragungen ....................................... 13 VIII. Rechtswirkungen der Tabelleneintragungen ....................................... 15
Diese Vorschrift regelt die Voraussetzungen und Wirkungen der unstreitigen Feststellung ordnungsgemäß angemeldeter Forderungen der Insolvenzgläubiger. Die Feststellung der Forderung ist Voraussetzung für die Teilnahme an der insolvenzrechtlichen Befriedigung der Gläubiger. Sie ermöglicht die Vollstreckung aus dem Tabelleneintrag gegen den Schuldner persönlich nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiungsphase (Abs. 1, § 201 Abs. 2, 287 Abs. 2, 300 Abs. 1), ferner hat sie Bedeutung für das Stimmrecht bei Gläubigerversammlungen (§ 77).
1
II. Feststellung der Forderung Eine Forderung gilt als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren weder vom Insolvenzverwalter, Sachwalter oder eigenverwaltenden Schuldner (§ 283 Abs. 1) noch von einem Insolvenzgläubiger Widerspruch (zu Form, Inhalt und Rücknahme des Widerspruchs § 176 Rz. 12 f und 21) erhoben worden ist. Für die Feststellung der Forderung ist also nicht erforderlich, dass die Gläubiger oder der Insolvenzverwalter der angemeldeten Forderung zustimmen, vielmehr wirkt das Nichtbestreiten als stillschweigendes Anerkenntnis.1) Möglich ist auch eine Feststellung, die sich auf einen Teilbetrag der Forderung bezieht.2)
2
Die Feststellung der Forderung gibt dem Gläubiger ohne weiteres das Recht, an den Verteilungen teilzunehmen (§ 189 Abs. 1) und sein Stimmrecht auszuüben (§ 77 Abs. 1 Satz 1). Sie ist ferner nach Verfahrensbeendigung wesentliche Grundlage der Vollstreckung gegen den Schuldner (§§ 201 Abs. 2, 257).
3
Der Schuldner kann – sofern nicht Eigenverwaltung angeordnet wurde – mit seinem Widerspruch die Feststellung der Forderung nicht abwenden, denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nimmt allein der Insolvenzverwalter das Interesse des Schuldners wahr, dass nur berechtigte Forderungsanmeldungen bei
4
_____________ 1) 2)
RG, Urt. v. 1.7.1903 – V 78/03, RGZ 55, 157, 160; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 2. A. Schmidt-Preß/Henningsmeier, InsO, § 178 Rz. 7; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 35.
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Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung
der Verteilung der Masse berücksichtigt werden.3) Sein Widerspruch hat daher nur Bedeutung für den Zeitpunkt nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Er führt dazu, dass der Gläubiger nach der Aufhebung des Verfahrens nicht aus der Eintragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 201 Abs. 2, dazu § 176 Rz. 18 f). III. Gegenstand der Feststellung 5
Gegenstand der Feststellung ist die Forderung in ihrer Eigenschaft als Insolvenzforderung bestimmten Ranges und bestimmten Betrages,4) nicht die Teilnahmebefugnis des Gläubigers an der Verteilung der Insolvenzmasse oder sein insolvenzspezifisches Haftungsrecht an der Masse.5) Bedeutung hat die Streitfrage für die Präjudizwirkung der Feststellung. Die hier vertretene Auffassung hat zur Folge, dass der Bestand einer Forderung im Falle der Feststellung in einem späteren Streit, z. B. um den Rang der Forderung oder isoliert um den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung, nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Nach anderer Auffassung6) wird z. B. bei einem isolierten Rangwiderspruch oder einem isolierten Widerspruch gegen die Qualifizierung der Forderung, z. B. als Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, nicht die Forderung als solche festgestellt, vielmehr hat der Bestand der Forderung nur die Bedeutung einer Vorfrage, auf die sich die Rechtskraft nicht erstreckt. IV. Inhalt des Tabelleneintrags
6
Das Insolvenzgericht (in der Regel der Rechtspfleger, § 18 RPflG) hat für jede angemeldete Forderung das Ergebnis der Prüfung in die Tabelle einzutragen, also entweder, dass die Forderung festgestellt wird, oder wer (Insolvenzverwalter, Gläubiger oder Schuldner) in welcher Höhe oder aus welchem Grund (z. B. Qualifizierung der Forderung als eine solche aus unerlaubter Handlung) gegen die Forderung Widerspruch erhoben hat (Abs. 2 Satz 1 und 2). Die Eintragung des Prüfergebnisses hat nur beurkundende Funktion, über den Bestand des Gläubigerrechts haben die Zivilgerichte oder die anderen Fachgerichte zu entscheiden.7)
7
Nachrangige Forderungen, die der Insolvenzgläubiger nicht als solche angemeldet hat, sind insgesamt, nicht nur hinsichtlich des Rangs zu bestreiten.8) Beansprucht _____________ 3)
4)
5)
6)
7) 8)
BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, ZIP 2014, 134; BGH, Urt. v. 11.7.2013 – IX ZR 286/12, ZIP 2013, 1640; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 3, 23; Eisner, NZI 2003, 480. RG, Urt. v. 1.7.1903 – V 78/03, RGZ 55, 157, 160; OLG Schleswig, Urt. v. 19.12.2003 – 4 U 181/01, ZInsO 2004, 687; Jaeger-Weber, KO, § 146 Rz. 13; vgl. dazu die Ausführungen von Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 12 m. w. N. So aber: Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 1, 2, 39 ff; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 179 Rz. 17; Jaeger-Henkel, KO, § 29 Rz. 19; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 15. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 11–16; ausführl. Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 43 ff; vgl. zum Widerspruch gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung auch Eisner, NZI 2003, 480, 482; Kehe/Meyer/Schmerbach, ZInsO 2002, 660. Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 178 Rz. 5; Schumacher in: MünchKommInsO, § 178 Rz. 47; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 178 Rz. 9. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 178 Rz. 8.
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Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung
§ 178
der Insolvenzgläubiger bei Anmeldung einer nachrangigen Forderung einen unzutreffenden Rang, so ist lediglich der Rang zu bestreiten mit der Angabe, für welchen Rang die Forderung ansonsten zur Tabelle festzustellen ist.9) Persönliche Forderungen von Gläubigern, die durch ein Absonderungsrecht (§§ 49 – 52) dinglich abgesichert sind (sog. Ausfallforderungen), sind uneingeschränkt zur Insolvenztabelle festzustellen. Das Absonderungsrecht wird erst im Verteilungsverfahren berücksichtigt. Dennoch sollte in der Tabelle gekennzeichnet sein, dass es sich um die Forderung eines absonderungsberechtigten Gläubigers handelt. Die Forderung ist mit dem Vermerk „festgestellt bis zur Höhe des Ausfalls“ oder „festgestellt unter Beschränkung auf den Ausfall“ oder „festgestellt für den Ausfall“10) einzutragen. V. Wechsel- und Schuldurkunden Der Urkundsbeamte hat auf den vom Gläubiger eingereichten Wechseln und Schuldurkunden (z. B. Schuldscheine, Schecks) zu vermerken, dass die Forderung festgestellt worden ist (Abs. 2 Satz 3). Die Vorschrift dient in erster Linie dazu, dem anmeldenden Gläubiger die Übertragung verbriefter Forderungen zu erleichtern.11) Darüber hinaus soll sie vermeiden, dass der Gläubiger neben dem vollstreckbaren Tabellenauszug (§ 201 Abs. 2) über eine weitere Urkunde verfügt, aus der er wegen seiner im Verteilungsverfahren nicht befriedigten Forderung die Einzelzwangsvollstreckung betreiben könnte.12) Eine Verpflichtung zur Vorlage der Originalurkunden im Prüfungstermin besteht nicht,13) weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Die Doppeltitulierung kann dadurch vermieden werden, dass das Insolvenzgericht die spätere Erteilung des vollstreckbaren Tabellenauszugs von der Vorlage der Originalurkunde zur Entwertung abhängig macht.14)
8
Die Tabelleneinträge sind vom Insolvenzgericht (vgl. § 18 RPflG) einzeln zu unterzeichnen.15)
9
VI. Berichtigung von Tabelleneintragungen Unrichtige Eintragungen, d. h. solche, die mit dem wahren Prüfungsergebnis nicht übereinstimmen, können berichtigt werden, da nur das tatsächliche Prüfungser_____________ 9) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 178 Rz. 8. 10) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 178 Rz. 3; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 178 Rz. 10; a. A. Kübler/ Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 178 Rz. 24. 11) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04, ZIP 2006, 192, dazu EWiR 2006, 177 (Köster/ Ahrendt). 12) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04, ZIP 2006, 192; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 178 Rz. 15. 13) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04, ZIP 2006, 192; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 178 Rz. 16; Depré in: HK-InsO, § 178 Rz. 4; a. A. Merkle, Rpfleger 2001, 165. 14) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04, ZIP 2006, 192. 15) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 178 Rz. 11; a. A. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 178 Rz. 2, der es im Anschluss an Kübler in: FS Henckel, S. 495, 508, für ausreichend erachtet, dass der Verwalter in seiner auszulegenden Tabelle bereits das eigene Bestreiten vorbereitend vermerkt und das Gericht im Sitzungsprotokoll das Bestreiten förmlich feststellt. Hierdurch entfalle die Unterzeichnung der Einzelvermerke, es sei lediglich das Protokoll über den Prüfungstermin als öffentliche Urkunde über dessen ordnungsgemäßen Verlauf zu unterzeichnen.
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§ 178
Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung
gebnis die Wirkungen des Absatzes 3 entfalten kann.16) Die Befugnis zur Berichtigung ergibt sich nicht aus einer analogen Anwendung der §§ 319, 320 ZPO, weil diese Normen eine gerichtliche Entscheidung voraussetzen, während das Insolvenzgericht lediglich Erklärungen entgegenzunehmen und zu beurkunden hat. Darüber hinaus wäre eine Berichtigung beim Richter- bzw. Rechtspflegerwechsel nicht mehr möglich (§ 320 Abs. 4 ZPO).17) 11
Die Tabelle ist dagegen nicht zu berichtigen, wenn Aussonderungs- oder Absonderungsrechte, Masseforderungen oder sonstige unanmeldbare Forderungen zur Tabelle angemeldet und festgestellt worden sind. Durch die Eintragung in die Tabelle werden diese Forderungen nicht zu Insolvenzforderungen,18) die allein der Feststellung zugänglich sind. Die rechtliche Einordnung einer Forderung als Insolvenzforderung unterliegt nicht der Disposition der Beteiligten des Insolvenzverfahrens.19) Wird eine Masseforderung zur Tabelle festgestellt, so schließt die Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags eine spätere Geltendmachung als Masseforderung nicht aus.20)
12
Gegen eine die Berichtigung anordnende oder ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers ist gemäß § 11 Abs. 2 RPflG die sofortige Erinnerung möglich, die Entscheidung des Richters ist nicht anfechtbar (§ 6 Abs. 1, § 11 Abs. 2 RPflG).21) VII.
Rechtsmittel gegen Tabelleneintragungen
13
Der Inhalt oder die Tragweite des Tabelleneintrags können i. R. einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO geklärt werden.22)
14
Festgestellte Forderungen können mit denjenigen Rechtsmitteln angefochten werden, die die ZPO gegen rechtskräftige Urteile vorsieht,23) also Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO), Restitutionsklage (§ 580 ZPO), Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO)24) oder Klage aus § 826 BGB.25) _____________ 16) AG Köln, Beschl. v. 30.9.2004 – 71 IN 453/02, NZI 2005, 171. 17) BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 333/83, ZIP 1984, 980. 18) BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 133/90, ZIP 1991, 456, dazu EWiR 1991, 493 (Brehm); BGH, Urt. v. 13.6.2006 – IX ZR 15/04, ZIP 2006, 1410, dazu EWiR 2006, 627 (Köster/ Willmer); Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 178 Rz. 18; Depré in: HK-InsO, § 178 Rz. 9. 19) BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 133/90, ZIP 1991, 456. 20) BGH, Urt. v. 13.6.2006 – IX ZR 15/04, ZIP 2006, 1410; a. A. Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 34. 21) BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZA 74/11, ZInsO 2011, 2278. 22) BGH, Urt. v. 4.10.1984 – IX ZR 159/83, ZIP 1984, 1509, 1510; BGH, Urt. v. 10.11.1993 – VIII ZR 119/92, ZIP 1993, 1876, 1878, dazu EWiR 1994, 81 (v. Westphalen); Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 44. 23) BGH, Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZR 113/09, NZI 2010, 345, der dementsprechend die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage verneint. 24) Voraussetzung für den Erfolg einer Vollstreckungsgegenklage ist, dass keine Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO eingetreten ist, also die Einwendungen nicht schon im Prüfungstermin hätten geltend gemacht werden können, BGH, Urt. v. 21.2.1991 – IX ZR 133/90, ZIP 1991, 456; BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 156/07, ZIP 2009, 243; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 543, Rz. 45; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 178 Rz. 12, 31. 25) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 178 Rz. 51; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 178 Rz. 31.
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Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung
§ 178
VIII. Rechtswirkungen der Tabelleneintragungen Die Eintragung in die Tabelle, nicht bereits das Nichtbestreiten der Forderung im Prüfungstermin,26) hat für den Insolvenzverwalter und alle Insolvenzgläubiger die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils,27) ebenso gegenüber dem Schuldner als Träger der Insolvenzmasse.28) Hat der Schuldner der Feststellung nicht widersprochen oder wurde der Widerspruch beseitigt, so erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags – wie sich mittelbar aus § 201 Abs. 2 herleiten lässt – auch auf ihn persönlich.29) Die Rechtskraftwirkung der Tabelle gilt grundsätzlich nur für Insolvenzforderungen, nicht jedoch für solche, die nicht anmeldefähig sind (z. B. Masseforderungen).30) Der Umfang der Rechtskraft wird durch den in der Tabelle angegebenen Grund31) und die Höhe der angemeldeten Forderung32) bestimmt. Zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft muss die Forderung eindeutig individualisierbar sein.33) Einwendungen gegen den in der Tabelle festgestellten Anspruch können nur im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden.34)
15
Dritten gegenüber entfaltet die Feststellung der Forderung dagegen keine Rechtskraftwirkung,35) also z. B. nicht gegenüber Bürgen,36) Zedenten oder Gläubigern von Sicherungsrechten.37) Dagegen kann die Feststellung der Forderung Voraussetzung für einen Anspruch des Gläubigers gegen einen Dritten sein.38) Hatte dieser aber keine Möglichkeit, Widerspruch gegen die Feststellung der Forderung einzulegen, muss er die Rechtskraft nicht gegen sich gelten lassen.39) Wird eine _____________
16
26) Gegen diese Ansicht von Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 36, spricht schon der Wortlaut des § 178 Abs. 3. 27) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, ZIP 2014, 134; BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 103/11, ZInsO 2013, 196; BGH, Urt. V. 11.12.2008 – IX ZR 156/07, ZIP 2009, 243. 28) BGH, Urt. v. 31.10.2012 – III ZR 204/12, ZIP 2012, 2369, dazu EWiR 2012, 799 (Eckardt); BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 156/07, ZIP 2009, 243; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 69. 29) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, ZIP 2014, 134. 30) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, ZIP 2014, 134; a. A. Eckard, ZIP 1993, 1765. 31) BAG, Urt. v. 22.2.2012 – 5 AZR 229/11, NZA-RR 2013, 304. 32) BGH, Urt. v. 19.1.2012 – IX ZR 4/11, ZIP 2012, 537, dazu EWiR 2012, 251 (U. Keller). 33) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680, dazu EWiR 2013, 251 (Foerste). 34) BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 103/11, ZInsO 2013, 196: eine zur Tabelle festgestellte Darlehensforderung hindert nicht die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen vorzeitiger Kreditkündigung. 35) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 178 Rz. 20. 36) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 129/94, ZIP 1995, 2161, dazu EWiR 1995, 871 (Tiedtke). 37) BGH, Urt. v. 30.10.1974 – VIII ZR 81/73, NJW 1975, 122. 38) Vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, ZIP 1990, 175: Der Leasingnehmer kann vom Leasinggeber die gezahlten Leasingraten nach Bereicherungsrecht herausverlangen, nachdem in der Insolvenz des Lieferanten die Forderung des wandelnden Leasingnehmers zur Tabelle festgestellt wurde. Der Leasinggeber hat in diesem Fall die Feststellung zur Tabelle wie ein rechtskräftiges Wandlungsurteil gegen sich gelten zu lassen. Dazu EWiR 1990, 137 (Martinek). 39) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, ZIP 2014, 134; BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, dazu EWiR 2007, 115 (J. M. Schmidt), für einen aus Durchgriffshaftung in Anspruch genommen GmbH-Gesellschafter; ebenso OLG München, Beschl. v. 15.4.2013 – 7 U 457/13, ZInsO 2013, 1693.
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§ 178
Voraussetzungen und Wirkungen der Feststellung
Forderung gegen eine OHG oder KG zur Tabelle festgestellt, so tritt die Rechtskraftwirkung gemäß § 161 Abs. 2, § 129 Abs. 1 HGB auch gegen die persönlich haftenden Gesellschafter ein.40) 17
Die Rechtskraftwirkung der Tabelleneintragung erstreckt sich auch auf Steuerforderungen. Dabei ist unerheblich, ob der Eintrag in die Tabelle wie ein bestandskräftiger Steuerbescheid,41) ein bestandskräftiger Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO42) oder ein rechtskräftiges Urteil43) wirkt. Diese Streitfrage hat vor allem Auswirkungen für die Frage der Abänderbarkeit der Feststellung.44) Durch die Feststellung der Forderung werden – sofern der Schuldner nicht widerspricht – die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängigen Steuerfestsetzungs–, Rechtsbehelfs- und Gerichtsverfahren in der Hauptsache erledigt,45) die Unterbrechung der Verfahren endet jedoch nicht.46) Sofern keine übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben werden und auch die Voraussetzungen für eine nach § 138 Abs. 3 FGO fingierte Erledigungserklärung nicht vorliegen, ist ein Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.47) Das Finanzamt vollstreckt nach Verfahrensbeendigung aus dem Tabellenauszug im Wege der Verwaltungsvollstreckung, es bedarf keiner Vollstreckungsklausel. Die Verjährung richtet sich nach der AO und beträgt fünf Jahre.48)
18
Absatz 3 gilt nur für freiwillige Feststellungen. Bei einem rechtskräftigen Feststellungsurteil (§ 183 Abs. 1 ebenso) hat die Eintragung nur deklaratorische Bedeutung, die Rechtskraftwirkung tritt bereits aufgrund des Feststellungsurteils ein.
_____________ 40) BGH, Urt. v. 30.1.1961 – II ZR 98/59, WM 1961, 427, 429; Schumacher in: MünchKommInsO, § 178 Rz. 73. 41) So wohl BFH, Urt. v. 19.8.2008 – VII R 36/07, ZIP 2009, 39, dazu EWiR 2009, 39 (Kahlert); FG Berlin, Beschl. v. 17.3.2006 – 2 B 7048/04, n. v.; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 178 Rz. 39. 42) BFH, Urt. v. 6.12.2012 – V R 1/12, ZInsO 2013, 880; BFH, Urt. v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481, dazu EWiR 2012, 127 (de Weerth). 43) So wohl BFH, Urt. v. 26.4.1988 – VII R 97/87, ZIP 1988, 1266, dazu EWiR 1989, 77 (Onusseit); vgl. dazu auch Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 88 m. w. N. 44) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 88. Steuerbescheide können gemäß §§ 172 ff AO, Feststellungsbescheide gemäß §§ 130, 131 AO abgeändert werden; Urteile können nur im Rechtsmittelwege geändert werden. 45) BFH, Beschl. v. 14.5.2013 – X B 134/12, ZIP 2013, 1789; FG Köln, Urt. v. 8.5.2013 – 10 K 3191/12, EFG 2013, 1371, nimmt dagegen an, dass mit der widerspruchslosen Eintragung zur Tabelle eine Rücknahme des Einspruchs erfolge. 46) BFH, Beschl. v. 14.5.2013 – X B 134/12, ZIP 2013, 1789, mit dem ausdrücklich auch erklärt wird, dass der IV. Senat an seinen Entscheidungen v. 10.11.2010 (BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – IV B 18/09, ZIP 2011, 592; BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649) nicht festhält; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 89. Zu Anschlussbeiträgen vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 12.5.2011 – 9 A 298/09, juris, dazu Zeuner, jurisPR-InsR 21/2011 Anm. 4. 47) BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – IV B 18/09, ZIP 2011, 592. 48) BFH, Urt. v. 26.4.1988 – VII R 97/87, ZIP 1988, 1266, dazu EWiR 1989, 77 (Onusseit); Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 89.
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§ 179
Streitige Forderungen
§ 179 Streitige Forderungen (1) Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. (2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen. (3) 1Das Insolvenzgericht erteilt dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle. 2Im Falle des Absatzes 2 erhält auch der Bestreitende einen solchen Auszug. 3Die Gläubiger, deren Forderungen festgestellt worden sind, werden nicht benachrichtigt; hierauf sollen die Gläubiger vor dem Prüfungstermin hingewiesen werden. Literatur: Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743. Übersicht I. Regelungsinhalt ................................... 1 II. Feststellung nicht titulierter Insolvenzforderungen (Abs. 1) .......... 3
I.
III. Feststellung titulierter Forderungen (Abs. 2) ................................... 10 IV. Beglaubigter Tabellenauszug (Abs. 3) ................................................ 15
Regelungsinhalt
Die Vorschrift regelt die Durchsetzung von Forderungen, die i. R. des Prüfungsverfahrens vom Insolvenzverwalter, dem Schuldner als Eigenverwalter, dem Sachwalter, oder einem Insolvenzgläubiger bestritten (§ 178 Abs. 1 Satz 1) worden sind. Für solche Forderungen findet das Feststellungsverfahren nach den §§ 179 – 183 statt. Hat der Schuldner widersprochen, so richtet sich das Feststellungsverfahren nach § 184, denn sein Widerspruch hat keinen Einfluss auf die Feststellung der Forderung zur Tabelle.
1
Das Feststellungsverfahren dient dazu, die Teilnahmeberechtigung der Forderungen im insolvenzrechtlichen Verteilungsverfahren zu klären. Ist die Forderung bestritten,1) erfolgt die Klärung jedoch nicht innerhalb des Insolvenzverfahrens, sondern im Klagewege vor den ordentlichen Gerichten oder den für die Forderungsstreitigkeit zuständigen Fachgerichten (vgl. § 185). Bei zivilrechtlichen Forderungen ist die Zulässigkeit einer Feststellungklage auch in denjenigen Ländern, die bei kleineren Forderungen zunächst ein obligatorisches außergerichtliches Schlichtungsverfahren vorsehen,2) nicht von der vorherigen Durchführung eines solchen Schlichtungsversuchs abhängig, weil im Schlichtungsverfahren nicht – jedenfalls
2
_____________ 1) 2)
Zum „vorläufigen Bestreiten“ einer Forderung vgl. § 176 Rz. 14 f. Ein solches obligatorisches Schlichtungsverfahren ist in, Bayern, Baden-Württemberg (bis zum 30.4.2013), Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein eingeführt.
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§ 179
Streitige Forderungen
nicht unmittelbar – die Rechtsfolgen herbeigeführt werden können, die mit einer gerichtlichen Feststellung verbunden sind.3) II. Feststellung nicht titulierter Insolvenzforderungen (Abs. 1) 3
Nach Absatz 1 hat der Insolvenzgläubiger, für dessen bestrittene Forderung kein Titel vorliegt, den Widerspruch gegen den Grund der Forderung, den Betrag, die Eigenschaft als Insolvenzforderung (§ 38), den geltend gemachten Rang (§ 39) oder die Qualifizierung der Forderung, z. B. als Deliktsforderung4) im Wege der Feststellungsklage gegen den Widersprechenden zu beseitigen.5) Die Insolvenzfeststellungsklage ist nur statthaft, wenn die Klageforderung im Insolvenzverfahren ordnungsgemäß angemeldet,6) geprüft und bestritten worden ist.7) Diese von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen sind von der Partei darzulegen und nachzuweisen.8) Es handelt sich um eine echte Feststellungsklage i. S. des § 256 ZPO mit der Besonderheit, dass sich das Feststellungsinteresse aus dem Bestreiten der Forderung im Prüfungstermin, dem mit der Feststellung verbundenen Recht auf Teilhabe an der Masse sowie dem Interesse, an einem geordnet durchgeführten Insolvenzverfahren teilzunehmen, ergibt. Es besteht daher auch, wenn eine Quote bei der Verteilung nicht zu erwarten ist.9)
4
Das Rechtsschutzinteresse an einer Feststellungsklage besteht, solange das Insolvenzverfahren noch nicht eingestellt und es nicht offenkundig ausgeschlossen ist, dass mit der Klage noch rechtsschutzwürdige Ziele zu erreichen sind. Auch nach der Schlussverteilung ist – solange das Verfahren noch andauert – noch ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen, um einen Titel zu erlangen (vgl. auch die Ausführungen zu § 177 Rz. 6 ff).10)
5
Gegenstand des Feststellungsverfahrens ist das Bestehen der Forderung gegen den Insolvenzschuldner, die Haftung der Masse für diese Forderung sowie die Quotenkürzung anderer Insolvenzgläubiger bei der Verteilung infolge des haftungsrechtlichen Ausgleichs.11) Maßgebend für die Prüfung ist der Sachverhalt (der „Grund“ des Anspruchs), der in der Anmeldung angegeben ist. Der Übergang von einem an_____________ 3) BGH, Urt. v. 9.6.2011 – IX ZR 213/10, ZIP 2011, 1687, dazu EWiR 2011, 607 (Eckardt), dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 24/2011 Anm. 1. 4) BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 44/03, ZVI 2003, 601, m. Anm. Mäusezahl; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.6.2008 – IX ZR 100/07, ZInsO 2008, 809 – zur Beseitigung eines Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen den Rechtsgrund des Vorsatzdelikts. 5) BAG, Zwischenurt. v. 10.5.2013 – 5 AZR 252/12 (A), ZInsO 2013, 1475. 6) BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483. 7) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, dazu EWiR 2004, 191 (Holzer); BAG, Urt. v. 16.6.2004 – 5 AZR 521/03, ZIP 2004, 1867, dazu EWiR 2005, 201 (Joost). 8) BAG, Urt. v. 16.6.2004 – 5 AZR 521/03, ZIP 2004, 1867; BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379; BGH, Urt. v. 21.2.2000 – II ZR 231/98, ZIP 2000, 705, dazu EWiR 2000, 589 (Schuschke). 9) BGH, Urt. v. 17.7.2008 – IX ZR 126/07, ZIP 2008, 1744; Kübler/Prütting/Bork-Pape/ Schaltke, InsO, § 179 Rz. 11; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 179 Rz. 10. 10) BGH, Urt. v. 5.2.1998 – IX ZR 259/97, ZIP 1998, 515, dazu EWiR 1998, 501 (Johlke/ Schröder). 11) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 179 Rz. 11.
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§ 179
Streitige Forderungen
gemeldeten Rückzahlungsanspruch aus Wandlung zur nicht angemeldeten Nichterfüllungsforderung ist daher nicht statthaft.12) Eine auf einen anderen Anspruchsgrund gestützte Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig.13) Der Antrag lautet: „Die Forderung des Klägers gegen … (Name und Adresse des Insolvenzschuldners) wird i. H. von … € zur Tabelle festgestellt.“14) Haben mehrere Widerspruchsberechtigte die Forderung bestritten, so ist sie erst festgestellt, wenn alle Widersprüche beseitigt sind. Zur Beseitigung der Widersprüche kann der Gläubiger die Bestreitenden gemeinsam oder getrennt verklagen.15) Etwas anderes gilt nur, wenn über die Forderung bereits ein Rechtsstreit mit mehreren Beteiligten anhängig ist. In diesem Fall ist die Aufnahme des Verfahrens nur einheitlich gegenüber allen Beteiligten möglich.16) Wird in einem Einzelprozess die Klage des Gläubigers rechtskräftig abgewiesen, so wirkt dieses Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern, die Parteien sind in diesem Fall sog. besondere Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO).17) Die noch anhängigen Feststellungsklagen gegen andere Widersprechende werden unzulässig. Dagegen wirkt ein rechtskräftiges Urteil, mit dem in einem Einzelprozess das Gläubigerrecht feststellt wird, nur dann gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Gläubigern, wenn es den letzten Widerspruch beseitigt.18) Werden die Bestreitenden vom Gläubiger gemeinsam verklagt, so sind diese notwendige Streitgenossen i. S. des § 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO.19)
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Der Insolvenzverwalter und die Gläubiger, die der Forderung widersprochen haben, können dem Feststellungsgegner als Nebenintervenient beitreten (§ 66 ZPO). Der Verwalter hat ein rechtliches Interesse i. S. des § 66 ZPO, weil er die Interessen des Schuldners und der Insolvenzgläubiger wahrzunehmen hat, der Gläubiger, weil sich bei der unberechtigten Feststellung einer Forderung seine Quote bei der Verteilung der Masse mindert.20) Umstritten ist, ob auch der Schuldner persönlich (nicht in seiner Funktion als Eigenverwalter) als Nebenintervenient beitreten kann.21) Zu bejahen ist dies nur, wenn der Schuldner die Forderung bestritten hat, weil er in diesem Fall ein rechtliches Interesse i. S. des § 66 ZPO hat.22)
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_____________ 12) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379. 13) BGH, Urt. v. 27.9.2001 – IX ZR 71/00, ZIP 2001, 2099, dazu EWiR 2001, 1147 (Steinecke). 14) BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, ZIP 1994, 1193, dazu EWiR 1994, 899 (Pape). 15) BGH, Urt. v. 9.7.1990 – II ZR 69/89, BGHZ 112, 95, dazu EWiR 1991, 179 (Rabe). 16) BGH, Urt. v. 13.3.1980 – II ZR 239/78, ZIP 1980, 427, für das seerechtliche Verteilungsverfahren, das auf die Vorschriften der KO/InsO verweist, BGH, Urt. v. 9.7.1990 – II ZR 69/89, BGHZ 112, 95; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 51. 17) BGH, Urt. v. 9.7.1990 – II ZR 69/89, BGHZ 112, 95. 18) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 16; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 179 Rz. 13. 19) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 17. 20) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 19. 21) Dagegen RG, Beschl. v. 16.9.1891 – II. 117/91, RGZ 28, 422; Kübler/Prütting/Bork-Pape/ Schaltke, InsO, § 179 Rz. 12. 22) Im Ergebnis ebenso: Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 20; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 179 Rz. 16; ohne Differenzierung: Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 51.
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Die Frage, inwieweit im Insolvenzverfahren Forderungen festgestellt und Gläubiger befriedigt werden, berührt auch die Vollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Außerdem kann das Ergebnis eines Feststellungsprozesses nach § 179 Präjudizwirkung für die Feststellungsklage nach § 184 haben.23) Hat der Schuldner dagegen keinen Widerspruch gegen die Feststellung der Forderung erhoben, fehlt ein Interventionsinteresse, denn die Möglichkeit, eine Vollstreckung aus der Tabelle zu verhindern (§ 184), steht ihm nicht offen.24)
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Nicht titulierte, bestrittene Steuerforderungen sind von der Steuerbehörde nicht klageweise, sondern im Wege eines Feststellungsbescheids nach § 251 Abs. 3 AO, der dem widersprechenden Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger zuzustellen ist, zu verfolgen.25) Gegen diesen Bescheid kann der Insolvenzverwalter oder der Gläubiger nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO Einspruch erheben. Das weitere gerichtliche Verfahren richtet sich sodann nach der FGO.26) III. Feststellung titulierter Forderungen (Abs. 2)
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Liegt für die angemeldete, bestrittene Forderung bereits ein Titel vor, so hat nicht der Gläubiger, sondern der Bestreitende gemäß Absatz 2 den Widerspruch zu verfolgen und Feststellungsklage zu erheben.27) Ist über einen vollstreckbaren Titel zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit anhängig, obliegt es dem Bestreitenden den Widerspruch durch Aufnahme des Rechtsstreits zu verfolgen28) und zwar in dem Stadium und auf die Weise, wie ihn der Schuldner hätte fortsetzen können.29) Tituliert i. S. der Vorschrift ist eine Forderung, wenn für sie im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein Vollstreckungstitel vorhanden ist. Bei Urteilen ist ausreichend, dass die mündliche Verhandlung, aufgrund derer das Urteil gesprochen wird, vor der Insolvenzeröffnung stattgefunden hat (vgl. § 249 Abs. 3 ZPO).30)
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Titel i. S. des Absatzes 2 sind alle in §§ 704, 794 ZPO genannten (rechtskräftige und für vorläufig vollstreckbar erklärte) Endurteile, dazu zählen auch Teilurteile gemäß § 301 ZPO, Versäumnisurteile31) und Vorbehaltsurteile gemäß §§ 302, 599 ZPO – nicht jedoch Grundurteile32) –, ferner gerichtliche, schiedsrichterliche und _____________ 23) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 20; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 51. 24) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 20. 25) BFH, Beschl. v. 15.10.2008 – II B 91/08, ZInsO 2009, 47. 26) Vgl. dazu ausführl. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 179 Rz. 23 und § 185 Rz. 7 ff. 27) BFH, Beschl. v. 5.11.2013 – IV B 108/13, juris. 28) Zeuner, jurisPR-InsR 21/2011 Anm. 4 zu VG Magdeburg, Urt. v. 12.5.2011 – 9 A 298/09, juris, zu einem Widerspruchsverfahren gegen einen vorinsolvenzlich erlassenen Abgabenbescheid. 29) BFH, Beschl. v. 15.3.2013 – VII B 49/12, ZInsO 2013, 1540. 30) BGH, Urt. v. 14.7.1994 – IX ZR 193/93, ZIP 1994, 1388, dazu EWiR 1994, 1149 (Pfeiffer); Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 25. 31) RG v. 22.2.1902 – I. 366/01, RGZ 50, 412, 415, und zwar auch dann, wenn gegen das Versäumnisurteil bereits vor Insolvenzeröffnung Einspruch eingelegt wurde, weil nicht dadurch, sondern erst durch ein aufhebendes Urteil das Versäumnisurteil beseitigt wird, wie sich aus § 343 ZPO ergibt. 32) RG, Urt. v. 5.2.1931 – VI 463/30, JW 1931, 2104.
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anwaltliche Vergleiche, Beschlüsse über die Unterhaltsfestsetzung und Unterhaltsabänderung, beschwerdefähige Entscheidungen, einstweilige Anordnungen i. S. des § 794 Abs. 1 Buchst. a ZPO, Vollstreckungsbescheide, für vollstreckbar erklärte Schiedssprüche, gerichtliche oder notarielle Urkunden, in denen sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, außerdem Auszüge aus der Insolvenztabelle, Entscheidungen der Arbeitsgerichte (§§ 62, 85 ArbGG) sowie Vergleiche und Schiedssprüche vor dem Schiedsgericht (§ 109 ArbGG), landesrechtliche Vollstreckungstitel (§ 801 ZPO), ausländische Urteile und Schiedssprüche, sofern sie für vollstreckbar erklärt sind (§§ 722, 1042 ZPO). Ebenso fällt unter Absatz 2 ein vollstreckbarer Steuerbescheid, auch wenn er nicht bestandskräftig ist.33) Der Widerspruch ist bei solchen Bescheiden durch Aufnahme eines unterbrochenen Vorverfahrens zu verfolgen, das nach § 44 Abs. 1 FGO Voraussetzung für eine gerichtliche Geltendmachung ist.34) Die Klage des Bestreitenden ist eine negative Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO. Der Antrag hat zu lauten, den Widerspruch gegen die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung für begründet zu erklären.35)
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Dem Gläubiger der titulierten Forderung steht ebenfalls die Befugnis zu, Feststellungsklage zu erheben, um die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über seine Rechte zu beenden, obwohl er bei der Verteilung der Insolvenzmasse berücksichtigt wird (vgl. § 189).36) Außerdem ist sein Feststellungsinteresse im Hinblick auf sein Stimmrecht in der Gläubigerversammlung zu bejahen.37)
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Im Feststellungsprozess ist nicht notwendigerweise der Originaltitel vorzulegen. Der Forderungsnachweis kann mit sämtlichen nach der ZPO zulässigen Beweismitteln geführt werden. Nach §§ 420, 435 ZPO genügt die Vorlage einer öffentlich beglaubigten Abschrift, wenn das Gericht nicht aus besonderem Anlass die Vorlage der Urschrift anordnet.38)
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IV. Beglaubigter Tabellenauszug (Abs. 3) Das Insolvenzgericht erteilt dem Gläubiger, dessen nicht titulierte Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle (Abs. 3 Satz 1). Der Tabellenauszug dient dem Zweck, dem Gläubiger den Nachweis von Anmeldung _____________ 33) BFH, Beschl. v. 15.3.2013 – VII B 49/12, ZInsO 2013, 1540; BFH, Urt. v. 23.2.2010 – VII R 48/07, ZIP 2010, 844, m. Anm. Kahlert, dazu EWiR 2010, 577 (v. Spiessen); UhlenbruckSinz, InsO, § 179 Rz. 23. 34) BFH, Beschl. v. 15.3.2013 – VII B 49/12, ZInsO 2013, 1540. 35) BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, ZIP 1994, 1193. 36) BGH, Beschl. v. 31.10.2012 – III ZR 204/12, ZIP 2012, 2369, dazu EWiR 2012, 799 (Eckardt). Bei Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen einen bestandskräftigen Steuerbescheid kann das Finanzamt einen Insolvenzfeststellungsbescheid erlassen, BFH, Urt. v. 23.2.2010 – VII R 48/07, ZIP 2010, 844, dazu EWiR 2010, 577 (v. Spiessen) und Kahlert, ZIP 2010, 846; Bartone, jurisPR-SteuerR 22/2010 Anm. 3. 37) Vgl. zur GesO: BGH, Urt. v. 29.6.1998 – II ZR 353/97, ZIP 1998, 1594; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 43; a. A. Eckardt in: Kölner Schrift, S. 733, Rz. 54. 38) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 95/04, ZIP 2006, 192, dazu EWiR 2006, 177 (Köster/ Ahrendt).
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Zuständigkeit für die Feststellung
und Widerspruch für den Forderungsfeststellungsstreit zu erleichtern.39) Liegt für die bestrittene Forderung ein Titel vor, so ist für den Bestreitenden ein solcher Tabellenauszug auszustellen, weil diesem die Initiative für eine Feststellungsklage obliegt (Abs. 2). Die Erteilung des Auszugs an den Gläubiger einer titulierten Forderung bleibt unberührt.40) Gläubiger, deren Forderung festgestellt worden ist, benötigen keinen Nachweis über die Anmeldung und Feststellung der Forderung. Sie erhalten deshalb keinen Tabellenauszug. Zur Vermeidung unnötiger Nachfragen beim Insolvenzgericht oder Insolvenzverwalter sieht Absatz 3 Satz 3 vor, dass die Gläubiger vor dem Prüfungstermin auf diese Rechtslage hingewiesen werden.41) _____________ 39) Begr. RA z. § 207 Abs. 3 RegE/§ 179 Abs. 3 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 179, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 416. 40) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 179 Rz. 45. 41) Begr. RA z. § 207 Abs. 3 RegE/§ 179 Abs. 3 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 179, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 416.
§ 180 Zuständigkeit für die Feststellung (1) 1Auf die Feststellung ist im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben. 2Für die Klage ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist oder anhängig war. 3Gehört der Streitgegenstand nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte, so ist das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirk das Insolvenzgericht gehört. (2) War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Literatur: Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743; Heidbrink/Gräfin von der Groeben, Insolvenz und Schiedsverfahren, ZIP 2006, 265. Übersicht I. Regelungsinhalt ................................... 1 II. Feststellungsklage im ordentlichen Verfahren (Abs. 1) .................... 2 III. Feststellung bei besonderen Verfahrensarten ................................... 4
I. 1
1.
Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozesses .................................... 4 2. Mahnverfahren ...................................... 5 3. Schiedsverfahren .................................... 6 IV. Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits (Abs. 2) ........................... 7
Regelungsinhalt
Die Norm bestimmt, dass der Streit zwischen dem die Forderung anmeldenden Gläubiger und dem Widersprechenden außerhalb des Insolvenzverfahrens in einem Feststellungsprozess zu klären ist. Dies geschieht entweder vor den ordentlichen Gerichten (Abs. 1 Satz 1), vor den für die bestrittene Forderung nach allgemeinen Regeln zuständigen Fachgerichten oder vor der zuständigen Verwaltungsbehörde (§ 185). Zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit trifft die Norm teilweise Son-
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Zuständigkeit für die Feststellung
derregelungen. Außerdem ergänzt sie die Regelung des § 240 ZPO über die Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits. II. Feststellungsklage im ordentlichen Verfahren (Abs. 1) Sofern im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch kein Rechtsstreit über die bestrittene Forderung anhängig war, ist vom Gläubiger eine positive (§ 179 Abs. 1), vom Bestreitenden eine negative (§ 179 Abs. 2) Feststellungsklage zu erheben.1) Bürgerlich-rechtliche Forderungen sind i. R. einer Klage vor den ordentlichen Gerichten zu klären. Zu den zivilrechtlichen Ansprüchen zählen auch solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz, selbst wenn das Schutzgesetz den Normen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.2) Maßgebend ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Soweit die Forderung den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts berührt (§§ 23, 71 GVG), ist örtlich das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist oder war (Abs. 1 Satz 2). Fällt die Forderung aufgrund ihres Streitwertes in den Zuständigkeitsbereich des Landgerichts, so ist das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirk das Insolvenzgericht gehört (Abs. 1 Satz 3). Für Handelssachen ist dort gemäß § 95 GVG die Kammer für Handelssachen funktionell zuständig.3)
2
Aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit sind Gerichtsstandsvereinbarungen zur örtlichen Zuständigkeit unwirksam.4) Vereinbarungen über die sachliche Zuständigkeit (§ 38 ZPO) sind jedoch zulässig.5) Der Insolvenzverwalter ist auch grundsätzlich6) an eine von dem Schuldner getroffene Schiedsabrede gebunden, weil er die Rechtslage zu übernehmen hat, die bei Eröffnung des Verfahrens besteht.7)
3
III. Feststellung bei besonderen Verfahrensarten 1.
Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozesses
Wie bereits unter der KO, ist umstritten, ob der Feststellungsstreit auch in der besonderen Verfahrensart des Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozesses betrieben werden kann. Während in der Literatur teilweise eine solche Möglichkeit bejaht
_____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6)
7)
Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 5, 12. BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 271/09, ZInsO 2011, 44; OLG Schleswig, Beschl. v. 15.4.2011 – 16 W 50/11, ZInsO 2011, 1708, vgl. dazu Smid, jurisPR-InsR 24/2011 Anm. 4. Depré in: HK-InsO, § 180 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 1; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 9. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 3. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 14. Das gilt nicht für Anfechtungsprozesse, weil sich der Rückgewähranspruch zur Masse nicht aus der vertraglichen Vereinbarung, sondern aus einem selbständigen Recht des Insolvenzverwalters ergibt, BGH, Beschl. v. 20.11.2003 – III ZB 24/03, ZInsO 2004, 88. Ebenso wenig, wenn die Schiedsabrede Rang und Anmeldbarkeit der Forderung betrifft, so auch Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 11. BGH, Beschl. v. 20.11.2003 – III ZB 24/03, ZInsO 2004, 88.
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Zuständigkeit für die Feststellung
wird,8) lehnen die Rechtsprechung9) und einige Stimmen in der Literatur10) dies zu Recht ab. Nach dem Wortlaut des § 592 ZPO kann nur eine Verurteilung zur Leistung, nicht jedoch Feststellung verlangt werden. Zweck des Urkundenprozesses ist es darüber hinaus, dem durch die Urkunde legitimierten Gläubiger zu einer raschen Befriedigung zu verhelfen. Dies kann jedoch bei einer Feststellung der Forderung im Urkundenprozess nicht erreicht werden, weil diese nur unter dem Vorbehalt der Rechte (§ 599 ZPO) erfolgen könnte und eine Klärung erst im Nachverfahren möglich wäre. 2. 5
Das Mahnverfahren ist zur Feststellung einer Insolvenzforderung ungeeignet, weil es auf einen Vollstreckungsbescheid zielt, der eine Leistung, jedoch keine Feststellung zum Inhalt haben kann.11) 3.
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Mahnverfahren
Schiedsverfahren
Die Feststellung einer Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle ist – nach vorheriger ordnungsgemäßer Anmeldung zur Tabelle und Forderungsprüfung – auch im Schiedsverfahren möglich, wenn deutlich wird, dass dessen Gegenstand nur die insolvenzmäßige Befriedigung der zugesprochenen Ansprüche ist.12) IV. Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits (Abs. 2)
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War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die zur Tabelle angemeldete, geprüfte und bestrittene Forderung13) ein Rechtsstreit anhängig, so ist die Feststellung der Forderung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben, eine neue Klage ist unstatthaft.14) Die Aufnahme erfolgt gemäß § 250 ZPO durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes an den Gegner oder durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung, wenn beide Parteien anwesend
_____________ 8) Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 64 Rz. 40; Depré in: HK-InsO, § 180 Rz. 2; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 6, 7; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 10, 11. 9) RG, Urt. v. 9.11.1893 – VI 168/93, RGZ 32, 230; OLG Hamm, Urt. v. 20.4.1967 – 5 U 45/67, KTS 1967, 169; OLG München, Urt. v. 19.10.1984 – 23 U 3153/84, ZIP 1985, 297; vgl. auch BGH, Urt. 21.3.1979 – II ZR 91/78, WM 1979, 614; BGH, Urt. v. 9.3.1994 – VIII ZR 165/93, ZIP 1994, 562 – zur Zwischenfeststellungsklage im Wechselprozess, dazu EWiR 1994, 513 (Paulusch). 10) OLG München, Urt. v. 19.10.1984 – 23 U 3153/84, ZIP 1985, 297; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 473, Rz. 50; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 7; WimmerKießner, FK-InsO, § 180 Rz. 6. 11) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 7; Schumacher in: MünchKommInsO, § 180 Rz. 8. 12) BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – III ZB 88/07, ZIP 2009, 627, dazu EWiR 2009, 451 (Wirth/ Undritz); Heidbrink/Gräfin v. d. Groeben, ZIP 2006, 265 ff. 13) Die Durchführung des Prüfungsverfahrens ist zwingende Voraussetzung für die Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits, BGH, Teil-Beschl. v. 7.7.2010 – XII ZR 158/09, ZIP 2010, 2410; BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 644, dazu EWiR 1995, 893 (Weipert) und BGH, Urt. v. 27.9.2001 – IX ZR 71/00, ZIP 2001, 2099, dazu EWiR 2001, 1147 (Steinecke). 14) RG, Urt. v. 30.1.1907 – V 153/06, RGZ 65, 132.
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Zuständigkeit für die Feststellung
sind.15) Für das Verfahren bleibt die Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen Prozessgerichts erhalten.16) Zur Aufnahme des Rechtsstreits berechtigt ist im Falle des § 179 Abs. 1 nur der anmeldende Gläubiger,17) nicht der Insolvenzverwalter, ein widersprechender Insolvenzgläubiger18) oder der Insolvenzschuldner.19) Aufnahmegegner ist der Bestreitende.20) Liegt bereits ein Titel vor (§ 179 Abs. 2), ist der Bestreitende zur Aufnahme befugt, Aufnahmegegner ist sodann der Gläubiger.21) Verfolgt der Bestreitende seinen Widerspruch jedoch nicht, ist der Gläubiger auch bei einer titulierten Forderung zur Aufnahme des Rechtsstreits befugt.22) Die erforderliche Aufnahme des Verfahrens durch Insolvenzverwalter oder Gläubiger kann der Schuldner nicht dadurch umgehen, dass er dem den Rechtsstreit nicht aufnehmenden Insolvenzverwalter beitritt und für diesen die Fortsetzung des Verfahrens begehrt. Für eine solche Nebenintervention fehlt die verfahrensrechtliche Grundlage, denn der Insolvenzverwalter wird erst durch die Aufnahme des Verfahrens Partei des Rechtsstreits. Ein Beitritt zum Zwecke seiner Unterstützung kann daher erst ab diesem Zeitpunkt erfolgen.23) Haben mehrere Personen der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung (teilweise) widersprochen haben, ist der Rechtsstreit gegenüber allen Widersprechenden aufzunehmen.24) Eine Teilaufnahme ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen in Bezug auf den aufgenommenen Teil des Rechtsstreits und den nicht aufgenommenen Teil ausgeschlossen ist.25)
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Die angemeldete Forderung muss mit dem Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits identisch sein.26) Diese Voraussetzung ist anhand der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu entscheiden, die insoweit den allgemeinen Regeln der ZPO vorgehen.27) Identität des Streitgegenstandes liegt z. B. nicht vor zwischen dem Begehren, das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses festzustellen und dem-
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_____________ 15) RG, Urt. v. 4.10.1924 – V 354/23, RGZ 109, 47, 48; RG, Urt. v. 10.2.1915 – V 381/14, RGZ 86, 235, 240; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 20. 16) BGH., Urt. v. 23.6.1988 – IX ZR 172/87, ZIP 1988, 979, dazu EWiR 1988, 1017 (Grunsky). 17) BFH, Beschl. v. 5.11.2013 – IV B 108/13, juris. 18) RG, Beschl. v. 12.6.1906 – II 34/06, RGZ 63, 364, 366; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 26. 19) BGH, Beschl. v. 27.10.2003 – II ZA 9/02, ZIP 2003, 2271, 2272. 20) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 21. 21) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 12; Schumacher in: MünchKommInsO, § 180 Rz. 21; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 26. 22) BGH, Beschl. v. 27.3.2013 – III ZR 367/12, ZIP 2013, 1094, dazu EWiR 2013, 457 (Hirtz); BAG, Beschl. v. 28.8.2013 – 5 AZN 426/13 (F), ZInsO 2013, 2456. 23) BGH, Beschl. v. 27.1.2009 – XI ZB 28/08, ZInsO 2009, 432. 24) BGH, Beschl. v. 27.3.2013 – III ZR 367/12, ZIP 2013, 1094; BGH, Beschl. v. 6.3.2013 – III ZR 261/12, ZInsO 2013, 950; BGH, Beschl. v. 31.10.2012 – III ZR 204/12, ZIP 2012, 2369; kritisch dazu EWiR 2012, 799 (Eckardt) und Pape, WuB VI A § 179 InsO. 25) BGH, Beschl. v. 27.3.2013 – III ZR 367/12, ZIP 2013, 1094, dazu EWiR 2013, 457 (Hirtz). 26) A. A. OLG Brandenburg, Urt. v. 10.6.2010 – 12 U 198/09, ZIP 2010, 2318. 27) BGH, Urt. v. 23.6.1988 – IX ZR 172/87, ZIP 1988, 979.
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§ 180
Zuständigkeit für die Feststellung
jenigen, eine befristete Lohnforderung mit Vorrecht zur Insolvenztabelle festzustellen.28) Sie ist jedoch zu bejahen, wenn es sich um einen Anspruch handelt, der gemäß § 45 in einen Geldbetrag umgerechnet werden kann.29) 10
Der frühere Leistungsantrag ist in einen Antrag auf Feststellung der Forderung zur Tabelle zu ändern. Diese Umstellung von einer Leistungs- in eine Feststellungsklage beinhaltet keine Klageänderung i. S. des § 263 ZPO, sondern eine „später eintretende Veränderung“ i. S. des § 264 Nr. 3 ZPO.30) Das gilt auch für einen Anspruch, der infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 45 umzustellen ist.31) Ist bereits ein Titel vorhanden, so hat der Widersprechende den Rechtsstreit mit dem Antrag aufzunehmen, seinen Widerspruch gegen die zur Insolvenzrechtstabelle angemeldete Klageforderung für begründet zu erklären.32) Unterbleibt irrtümlich eine Antragsumstellung und ergeht daraufhin ein Urteil mit unzutreffendem Tenor, kann das Urteil als Feststellung der bestrittenen Forderung zur Tabelle ausgelegt werden, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass das Recht auf insolvenzrechtliche Befriedigung Gegenstand des Rechtsstreits war.33)
11
Die Aufnahme des bereits anhängigen Verfahrens ist bis einschließlich der Revisionsinstanz möglich.34) Absatz 2 ist entsprechend auf das nach § 240 ZPO unterbrochene Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden. In dem aufzunehmenden Verfahren ist die Höhe des Erstattungsanspruchs festzustellen.35)
12
Der Streitwert für die Zeit nach der Aufnahme des Verfahrens richtet sich nach § 182 (vgl. die Ausführungen dort). Die Kosten des gemäß Absatz 2 aufgenommenen Rechtsstreits sind im Regelfall einheitlich zu behandeln, sie können nicht danach aufgeteilt werden, ob sie vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ent-
_____________ 28) BGH, Urt. v. 23.6.1988 – IX ZR 172/87, ZIP 1988, 979. 29) BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 644; BGH, Urt. v. 23.6.1988 – IX ZR 172/87, ZIP 1988, 979; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 11; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 26. 30) BGH, Beschl. v. 31.10.2012 – III ZR 204/12, ZIP 2012, 2369; BGH, Urt. v. 8.11.1961 – VIII ZR 149/60, NJW 1962, 153; OLG Hamm, Urt. v. 6.7.1992 – 31 U 13/92, ZIP 1993, 444, dazu EWiR 1993, 279 (Pape); Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 13; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 29. 31) RG, Urt. v. 30.1.1907 – V 153/06, RGZ 65, 132. 32) BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, ZIP 1994, 1193, dazu EWiR 1994, 899 (Pape). 33) BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – III ZB 88/07, ZIP 2009, 627; BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, ZIP 1994, 1193; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 24; Kübler/ Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 11. 34) Sie ist auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren möglich, BFH, Beschl. v. 5.11.2013 – IV B 108/13, juris; BGH, Beschl. v. 31.10.2012 – III ZR 204/12, ZIP 2012, 2369; BGH, Beschl. v. 24.10.2011 – IX ZR 244/09, NZI 2011, 937; BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZR 265/03, ZVI 2004, 530, 531; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 180 Rz. 16; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 473, Rz. 59. 35) OLG München, Beschl. v. 29.9.2003 – 11 W 1353/02, ZIP 2003, 2318; Braun/Specovius, InsO, §§ 179 – 181 Rz. 28; Depré in: HK-InsO, § 180 Rz. 3; a. A.: Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 64 Rz. 40; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 14.
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§ 181
Umfang der Feststellung
standen sind.36) Streitig ist, ob der Insolvenzverwalter nach Aufnahme des Rechtsstreits noch ein sofortiges Anerkenntnis i. S. des § 93 ZPO abgeben kann. Allein die Unterbrechung kann dieses jedenfalls nicht hindern.37) Nicht möglich ist ein sofortiges Anerkenntnis aber dann, wenn zum Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens die Voraussetzungen für ein sofortiges Anerkenntnis durch den Schuldner bereits nicht mehr gegeben waren. Da der Insolvenzverwalter den Prozess lediglich in der Lage aufnehmen kann, in der sich dieser befindet, muss er auch die vorherige Prozessführung des Schuldners gegen sich gelten lassen, sofern nicht im Einzelfall Rechtshandlungen anfechtbar sind.38) _____________ 36) BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576, 578; OLG Hamm, Beschl. v. 19.2.1990 – 23 W 534/89, Rpfleger 1990, 435; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 31.3.1981 – 12 W 44/81, ZIP 1981, 638; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 17 ff; a. A.: OLG Rostock, Urt. v. 5.11.2001 – 3 U 168/99, ZIP 2001, 2145, 2146, dazu EWiR 2002, 77 (Binz); Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 180 Rz. 14; die Möglichkeit einer Differenzierung für den Fall eines zur Zeit der Unterbrechung bereits instanziell „fortgeschrittenen“ Rechtsstreits offenlassend: BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132 ff, dazu EWiR 2007, 85 (Hofmann); BGH, Urt. v. 29.5.2008 – IX ZR 45/07, ZIP 2008, 1441, 1444, dazu EWiR 2008, 665 (Neußner). 37) Vgl. BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576, 578 – zum sofortigen Anerkenntnis beim „vorläufigen Bestreiten“; OLG Celle, Beschl. v. 31.5.1994 – 14 W 17/94, ZIP 1994, 1197, dazu EWiR 1994, 1043 (Feuerborn); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.5.1989 – 11 W 63/89, ZIP 1989, 791, dazu EWiR 1989, 705 (Godau-Schüttke); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.1994 – 17 W 1/94, ZIP 1994, 638, dazu EWiR 1994, 477 (Godau-Schüttke); Kübler/ Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 180 Rz. 22. 38) BGH, Beschl. v. 31.10.2012 – III ZR 204/12, ZIP 2012, 2369; BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.7.2005 – 4 W 4/05, ZIP 2006, 684; a. A. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 180 Rz. 22.
§ 181 Umfang der Feststellung Die Feststellung kann nach Grund, Betrag und Rang der Forderung nur in der Weise begehrt werden, wie die Forderung in der Anmeldung oder im Prüfungstermin bezeichnet worden ist. Literatur: Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743. Übersicht I. Regelungsinhalt ................................... 1 II. Anmeldung und Prüfung ................... 2
I.
III. Grund, Betrag und Rang der Forderung ............................................. 5
Regelungsinhalt
Die Norm legt für die Insolvenzfeststellungsklagen besondere, von Amts wegen zu berücksichtigende Sachurteilsvoraussetzungen fest.
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1
§ 181
Umfang der Feststellung
II. Anmeldung und Prüfung 2
Besondere Sachurteilsvoraussetzungen der Feststellungsklage sind die Anmeldung und Prüfung der streitgegenständlichen Forderung.1) Diese Erfordernisse stellen sicher, dass die anderen Widerspruchsberechtigten bei der Forderungsfeststellung mitwirken können.2) Fehlen diese Sachurteilsvoraussetzungen, besteht also keine Identität zwischen der angemeldeten und geprüften Forderung sowie der von dem Kläger begehrten Feststellung, so ist die Feststellungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses ohne sachliche Prüfung durch Prozessurteil abzuweisen.3) In diesen Fällen ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn zuvor ein neues Anmeldeund Prüfungsverfahren stattgefunden hat.4)
3
Der Nachweis der Anmeldung und Prüfung der Forderung erfolgt durch den beglaubigten Auszug aus der Tabelle, den das Insolvenzgericht gemäß § 179 Abs. 3 zu erteilen hat.
4
Die Anmeldung und Prüfung der streitgegenständlichen Forderung muss bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erfolgt sein. Sie kann noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden.5) III. Grund, Betrag und Rang der Forderung
5
Eine Identität zwischen der geprüften Forderung und derjenigen, die Gegenstand der Feststellungsklage ist, liegt nicht vor, wenn der Anspruchsgrund abweicht, ein höherer als der angemeldete Betrag oder ein besserer Rang geltend gemacht werden. Grund ist der Lebenssachverhalt, der in der Anmeldung für die Entstehung der Forderung angegeben ist.6) Wird der Grund des Anspruchs im Laufe des Verfahrens geändert, geht also z. B. der Gläubiger von dem angemeldeten Rückzahlungsanspruch aus Wandlung auf die Geltendmachung eines Nichterfüllungsschadens über, ist eine Feststellungsklage ohne neue Anmeldung der Forderung gemäß § 177 unzulässig.7) Keine Änderung des Klagegrundes liegt dagegen vor, wenn der Gläubiger die Klage für den „Ausfall“ angemeldet hat, aber im Feststellungsprozess uneingeschränkt Feststellung zur Tabelle beantragt.8) Bestritten ist in diesem Fall _____________ 1) 2) 3)
4)
5) 6) 7)
8)
BAG, Urt. v. 22.2.2012 – 5 AZR 229/11, NZA-RR 2013, 304; BAG, Urt. v. 3.12.1985 – 1 AZR 545/84, ZIP 1986, 518, dazu EWiR 1986, 287 (Balz). Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 181 Rz. 1, 3. BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, dazu EWiR 2004, 191 (Holzer); BGH, Urt. v. 27.9.2001 – IX ZR 71/00, ZIP 2001, 2099, dazu EWiR 2001, 1147 (Steinecke). BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 3/08, ZIP 2009, 483, 484, dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 8/2009 Anm. 5 = jurisPR extra 2009, 125–128; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZR 220/06, ZIP 2008, 566; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 181 Rz. 6. BGH, Urt. v. 21.2.2000 – II ZR 231/98, ZIP 2000, 705, 706, dazu EWiR 2000, 589 (Schuschke); Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 181 Rz. 4. BAG, Urt. v. 22.2.2012 – 5 AZR 229/11, NZA-RR 2013, 304; BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 181 Rz. 6. BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379; vgl. entsprechend auch BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760 ff, m. Bespr. v. d. Lühe, dazu EWiR 2008, 25 (Henkel/Mock) – zum Übergang von einer Darlehensforderung zu einer solchen aus ungerechtfertigter Bereicherung. A. A. LG Bonn, Urt. v. 15.8.1996 – 18 O 2/96, ZIP 1996, 1672.
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§ 182
Streitwert
die gesamte Forderung, der Vermerk für den „Ausfall“ hat im Zweifel nur Bedeutung für die Verteilung der Masse.9) Ist der in der Anmeldung angegebene Anspruchsgrund nicht in die Tabelle übernommen worden, so ist diese ggf. zu berichtigen. Eine Ergänzung oder Berichtigung des in der Anmeldung angegebenen Sachverhalts im Feststellungsprozess ist analog § 264 Nr. 1 ZPO zulässig.10)
6
Im Falle der Rechtsnachfolge vor Erhebung der Feststellungsklage ist eine erneute Anmeldung nicht erforderlich, wenn diese dem Insolvenzgericht nachgewiesen und sodann in der Tabelle vermerkt worden ist.11) Nach Erhebung der Feststellungsklage sind bei einer Rechtsnachfolge die §§ 265, 325 ZPO maßgebend.
7
Eine Erhöhung des angemeldeten und geprüften Betrages i. R. einer Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig. Die Feststellungsklage kann jedoch auf einen Teil der Forderung beschränkt werden.12)
8
Der Rang einer Forderung ist ausschließlich beachtlich für die nachrangigen Insolvenzgläubiger (§ 39), die ihre Forderungen nur anmelden können, wenn das Insolvenzgericht besonders dazu auffordert (§ 174 Abs. 3).13) Die Inanspruchnahme eines schlechteren Ranges ohne Änderung des Anspruchsgrundes ist im Feststellungsverfahren zulässig.14)
9
_____________ 9) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 181 Rz. 9; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 181 Rz. 4. 10) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 181 Rz. 6. 11) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 181 Rz. 10; a. A. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 181 Rz. 8; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 181 Rz. 5. 12) BGH, Urt. v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, ZIP 1988, 229, dazu EWiR 1988, 1149 (Koch); Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 181 Rz. 6; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 181 Rz. 11; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 181 Rz. 3. 13) Vgl. zu den Anforderungen einer Feststellungsklage bei nachrangigen Forderungen BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760, m. Bespr. v. d. Lühe. 14) Eckardt in: Kölner Schrift, S. 734, Rz. 55; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 181 Rz. 10; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 181 Rz. 12.
§ 182 Streitwert Der Wert des Streitgegenstands einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, bestimmt sich nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Literatur: Schneider, Der Streitwert der Konkursfeststellungsklage, MDR 1974, 101. Übersicht I.
Zweck und Geltungsbereich der Norm ..................................................... 1
II. Grundlagen der Schätzung des Streitwerts ............................................. 7 III. Sonstige Verfahrensfragen ................ 10
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§ 182 I.
Streitwert
Zweck und Geltungsbereich der Norm
1
Die Vorschrift präzisiert die Regelung des § 148 KO.1) Sie bezweckt, die Kosten einer Feststellungsklage in ein angemessenes Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens zu setzen und für die Beteiligten kalkulierbar zu machen.2) Der Streitwert soll nicht höher sein als der Betrag, den der Gläubiger aus der Insolvenzmasse erhalten kann. Entscheidend ist also die voraussichtliche Insolvenzquote.3) Ist eine Insolvenzquote nicht zu erwarten, ist für den Streitwert die niedrigste Wertstufe (500 €)4) anzusetzen.5)
2
Die Norm ist sowohl für den Gebühren- als auch für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert unter Einschluss des Wertes des Beschwerdegegenstandes i. S. von § 511a ZPO maßgebend.6)
3
§ 182 gilt für alle Klagen auf Feststellung einer bestrittenen Insolvenzforderung nach den §§ 179, 180,7) unabhängig davon ob es sich um eine neue Klage (§ 180 Abs. 1) oder eine Prozessaufnahme (§ 180 Abs. 2) handelt.8) Im letzten Fall bestimmt sich der Streitwert für das weitere Verfahren nach § 182.9) Das gilt ebenfalls, wenn es sich um einen Rechtsstreit gemäß § 180 Abs. 2 oder § 179 Abs. 2 handelt, also ein Titel gegen den Schuldner bereits vorliegt.10) Auch in einem selbständigen Beweissicherungsverfahren gegen den Insolvenzverwalter, das dazu
_____________ 1) Begr. z. § 210 RegE/§ 182 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 185, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 417. 2) Motive z. KO, S. 368 = Hahn, Materialien, IV, S. 330; Schneider, MDR 1974, 101, 102; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 182 Rz. 1. 3) Die zum früheren Recht teilweise vertretene Auffassung, auch eine spätere Vollstreckungsmöglichkeit nach Aufhebung des Verfahrens sei bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen, steht mit dem Wortlaut § 182 nicht im Einklang; OLG Celle, Beschl. v. 23.6.2005 – 4 U 83/05, ZIP 2005, 1571; OLG Rostock, Beschl. v. 28.4.2003 – 3 W 43/03, ZIP 2003, 1411; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 182 Rz. 1, 2; UhlenbruckSinz, InsO, § 182 Rz. 8. Zum früheren Recht vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 14.5.1986 – 8 U 240/85, ZIP 1986, 1063, dazu EWiR 1986, 919 (Schneider); Hartmann, GKG, Anh II § 12 Anm. D. 4) Die niedrigste Wertstufe ist durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) v. 23.7.2013, BGBl. I, 2586, von 300 € auf 500 € angehoben worden. 5) BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, ZIP 2000, 237, dazu EWiR 2001, 29 (Mohrbutter); BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, ZIP 1999, 1811, dazu EWiR 2000, 243 (Tappmeier). 6) BGH, Beschl. v. 28.1.2002 – II ZB 23/01, NZI 2002, 549; BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – VII ZR 200/05, ZIP 2007, 247, dazu Kummer, jurisPR-BGHZivilR 7/2007 Anm. 3; Tetzlaff, jurisPR-InsR 9/2007 Anm. 1. 7) Auf Klagen, die Masseverbindlichkeiten betreffen, findet § 182 dagegen keine Anwendung, LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.5.2012 – 5 Ta 3/12, ZInsO 2012, 2409. 8) BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZR 340/12, juris; LAG Nürnberg, Beschl. v. 1.10.2013 – 4 Ta 128/13, juris. 9) BFH, Beschl. v. 26.9.2006 – X S 4/06, ZIP 2006, 2284, dazu Hermann, jurisPR-InsR 26/2006 Anm. 2. 10) BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, ZIP 1994, 1193, dazu EWiR 1994, 899 (Pape) zu § 148 KO; a. A. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 182 Rz. 3; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 182 Rz. 3, die als Streitwert der Feststellungsklage den Betrag annehmen, um den sich im Erfolgsfall der Anteil des bestreitenden Gläubigers erhöhen würde.
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§ 182
Streitwert
bestimmt ist, vor der Insolvenz durch den Schuldner verursachte Mängel festzustellen, bemisst sich der Streitwert nach § 182.11) Hat der Gläubiger mehrere Widersprechende in einem Verfahren verklagt, so gilt der einfache Streitwert des § 182. Eine Zusammenrechnung nach § 5 ZPO findet nicht statt, weil wirtschaftlich gesehen nur das Gläubigerrecht im Streit steht.12)
4
Gemäß § 185 Satz 3 gilt die Vorschrift auch für diejenigen Verfahren, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben ist, also z. B. für arbeitsgerichtliche Verfahren,13) Verwaltungsstreitverfahren14) und das Verfahren vor den Finanzgerichten.15)
5
Nicht anwendbar ist die Vorschrift bei einer Klage gegen den Widerspruch des Schuldners (§ 184).16) Dieses Verfahren betrifft nicht die Eintragung der Forderung zur Insolvenztabelle, weil der Widerspruch des Schuldners die Feststellung der Forderung nicht hindert (§ 178 Abs. 1 Satz 2). Maßgebend sind in diesem Falle die Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bzw. Ablauf der Wohlverhaltenszeit.17) Ebenfalls unanwendbar ist die Vorschrift, wenn nur einer der in § 302 Nr. 1 genannten Rechtsgründe bestritten ist.18) In diesen Fällen besteht das Feststellungsinteresse darin, nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiungsphase wegen der Forderung weiterhin gegen den Schuldner vollstrecken zu können, so dass auch hier die Vollstreckungsaussichten das Streitwertkriterium sind.19) Bei geringen Vollstreckungsaussichten kann ein Abschlag von 75 % des Nennwerts der Forderung angemessen sein.20)
6
_____________ 11) 12) 13) 14) 15) 16)
17) 18) 19)
20)
Vgl. OLG München, Beschl. v. 21.6.2004 – 28 W 1600/04, n. v. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 182 Rz. 11. LAG Hamm, Urt. v. 6.9.2001 – 4 Sa 466/01, ZInsO 2001, 1072 (LS). OVG Münster, Beschl. v. 26.8.1982 – 2 B 1495/81, ZIP 1982, 1341; OVG Greifswald, Beschl. v. 23.2.2004 – 1 L 9/01, NVwZ-RR 2004, 798. FG Düsseldorf, Beschl. v. 22.9.2000 – 14 K 2809/00, n. v. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 182 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 182 Rz. 12; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 182 Rz. 5; a. A. OLG München, Beschl. v. 11.11.2004 – 31 W 2640/04, ZVI 2005, 102, allerdings bei einer Feststellungsklage des Insolvenzverwalters. BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, ZIP 2009, 435; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 182 Rz. 5. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 182 Rz. 12; a. A. OLG München, Beschl. v. 11.11.2004 – 31 W 2640/04, ZVI 2005, 102. BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, ZIP 2009, 435; OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 178/06, ZIP 2007, 252; OLG Rostock, Urt. v. 19.2.2007 – 3 U 65/06, NZI 2007, 358; a. A. OLG Hamm, Beschl. v. 8.8.2006 – 27 W 41/06, ZVI 2007, 208, das den Wert der Forderung abzüglich der zu erwartenden Befriedigungsquote im Insolvenzund Restschuldbefreiungsverfahren zugrunde legt. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.10.2007 – 12 W 70/07, JurBüro 2007, 648, das die volle Forderungshöhe als Streitwert zugrunde legt. BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, ZIP 2009, 435; OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 178/06, ZIP 2007, 252; OLG Rostock, Urt. v. 19.2.2007 – 3 U 65/06, NZI 2007, 358.
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§ 182
Streitwert
II. Grundlagen der Schätzung des Streitwerts 7
Das Gericht hat bei der Wertbestimmung nach § 182 sämtliche Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen,21) insbesondere ist es nicht an die Auskunft des Insolvenzverwalters gebunden. Diese wird zwar regelmäßig Grundlage für die Wertbestimmung sein, das Gericht muss die Auskunft aber einer sorgfältigen Prüfung unterziehen, hierzu ggf. auch die Insolvenzakten beiziehen und auswerten.22)
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Festsetzung des Streitwerts ist entsprechend § 4 ZPO der Zeitpunkt der Einreichung der Klage,23) der Einlegung des Rechtsmittels24) oder der Aufnahme des Rechtsstreits bei einem unterbrochenen Verfahren.25) Die einmal begründete örtliche und sachliche Zuständigkeit bleibt erhalten, spätere Änderungen der Quote führen nicht zu einer veränderten Zuständigkeit.26) Das gilt auch dann, wenn der Streitwert bei Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits unterhalb des die Zuständigkeit begründenden Streitwerts liegt.27)
9
Der Wert des Streitgegenstandes ist der Betrag, den der Gläubiger bei der Verteilung der Insolvenzmasse zu erwarten hat. Ein Abschlag wegen des Feststellungscharakters der Klage ist nicht vorzunehmen, weil § 182 den Streitwert der Insolvenzfeststellungsklage abschließend regelt.28) Für die Berechnung des Wertes bleiben eventuelle Sicherheiten des Gläubigers, seien es dingliche oder persönliche (etwa Bürgschaften), außer Betracht.29) Zinsen und Kosten sind insoweit berücksichtigungsfähig, als sie bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen sind; dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus § 39 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3.30) Steht der Masse eine (aufrechenbare) Gegenforderung gegen den Kläger einer Feststellungsklage zu, so ist der Streitwert der Feststellungsklage grundsätzlich nach dem Betrag festzusetzen, der bei einer Verteilung der um die Gegenforderung erhöhten Masse auf die Klageforderung entfiele.31) III. Sonstige Verfahrensfragen
10
Der Streitwert wird durch Beschluss festgesetzt. Anfechtung und Abänderungsmöglichkeiten richten sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 63 ff GKG). _____________ 21) BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – VII ZR 340/12, juris; BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, ZIP 1999, 1811. 22) BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – VII ZR 200/05, ZIP 2007, 247. 23) OLG Köln, Beschl. v. 29.1.2003 – 2 W 14/03, NZI 2003, 568; Kübler/Prütting/BorkPape/Schaltke, InsO, § 182 Rz. 4. 24) BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, ZIP 1999, 1811; BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – VII ZR 200/05, ZIP 2007, 247 – zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde. 25) BGH, Beschl. v. 27.2.1980 – I ZR 13/78, ZIP 1980, 429. 26) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 182 Rz. 15; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 182 Rz. 6. 27) S. dazu OLG Rostock, Beschl. v. 28.4.2003 – 3 W 43/03, ZIP 2003, 1411. 28) OLG Naumburg, Beschl. v. 23.1.1995 – 7 W 34/94, ZIP 1995, 575, dazu EWiR 1995, 383 (Pape). 29) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 182 Rz. 20. 30) Str., wie hier Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 182 Rz. 8; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 182 Rz. 10; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 182 Rz. 6; wohl auch OLG Naumburg, Beschl. v. 23.1.1995 – 7 W 34/94, ZIP 1995, 575 – zur GesO. 31) BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, ZIP 2000, 237, 238.
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§ 183
Wirkung der Entscheidung
§ 183 Wirkung der Entscheidung (1) Eine rechtskräftige Entscheidung, durch die eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für begründet erklärt wird, wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. (2) Der obsiegenden Partei obliegt es, beim Insolvenzgericht die Berichtigung der Tabelle zu beantragen. (3) Haben nur einzelne Gläubiger, nicht der Verwalter, den Rechtsstreit geführt, so können diese Gläubiger die Erstattung ihrer Kosten aus der Insolvenzmasse insoweit verlangen, als der Masse durch die Entscheidung ein Vorteil erwachsen ist. Literatur: Eckardt, Die Feststellung und Befriedigung des Insolvenzgläubigerrechts, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 743. Übersicht I. II. 1. 2.
Regelungsinhalt ................................... Rechtskrafterstreckung ....................... Obsiegen des Widersprechenden ......... Obsiegen des Anmeldegläubigers ........
I.
Regelungsinhalt
1 2 4 6
III. Berichtigung der Tabelle ..................... 8 IV. Erstattung der Kosten des Feststellungsprozesses ....................... 12
Die Vorschrift regelt, welche Wirkungen die Entscheidungen in einem Insolvenzfeststellungsprozess, der außerhalb des Insolvenzverfahrens vor den für die Forderung allgemein zuständigen Gerichten (vgl. §§ 180, 185) zu führen ist, auf das Insolvenzverfahren hat.
1
II. Rechtskrafterstreckung In Absatz 1 wird bestimmt, dass sich die Rechtskraft eines Insolvenzfeststellungsurteils nicht nur auf die Parteien, sondern auch auf die anderen Insolvenzgläubiger und den Insolvenzverwalter sowie i. R. der Eigenverwaltung auf den Schuldner und den Sachwalter (§ 283 Abs. 1 Satz 1, § 270 Abs. 1 Satz 2, § 183 Abs. 1) erstreckt. Für den einzelnen Gläubiger, der eine Forderung angemeldet hat und im Feststellungsstreit gegen den Widersprechenden der Forderung obsiegt, wäre es nicht hilfreich, wenn die Entscheidung nur zwischen ihm und dem Widersprechenden wirken würde, weil er ansonsten eine Feststellung der Forderung zulasten aller übrigen Gläubiger und des Insolvenzverwalters bzw. des eigenverwaltenden Schuldners, des Sachwalters oder Treuhänders nicht erreichen und bei der Verteilung der Masse nicht berücksichtigt würde.1)
2
§ 183 ist jedoch nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit § 178 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 zu sehen. Deshalb ist bei der Frage der Wirkungen zu unterscheiden, ob der Widersprechende oder der anmeldende Insolvenzgläubiger obsiegt.2)
3
_____________ 1) 2)
Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 183 Rz. 2, 8.
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§ 183 1.
Wirkung der Entscheidung
Obsiegen des Widersprechenden
4
Wird im Forderungsfeststellungsverfahren zugunsten des Widersprechenden entschieden, unterliegt also der Anmeldegläubiger, wird die Forderung nicht festgestellt, vielmehr scheidet der Anmeldegläubiger damit aus dem Insolvenzverfahren aus.3) Er ist also nicht mehr berechtigt, mit dieser Forderung an Gläubigerversammlungen teilzunehmen.4) Darüber hinaus ist für den Anmeldegläubiger nach Verfahrensaufhebung nicht nur eine Vollstreckung aus der Tabelle gegen den Schuldner unmöglich, sondern er kann seine Forderung wegen der entgegenstehenden Rechtskraft auch nicht mehr klageweise gegen den Schuldner geltend machen.5)
5
Das Urteil wirkt zugunsten aller Insolvenzgläubiger und des Insolvenzverwalters, auch wenn sie nicht Partei des Feststellungsrechtsstreits waren oder noch andere Insolvenzgläubiger die Forderung bestritten haben.6) Sofern noch weitere Feststellungsklagen anderer Gläubiger betreffend diese Forderung anhängig sind, werden diese aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist, unzulässig.7) 2.
Obsiegen des Anmeldegläubigers
6
Obsiegt der Anmeldegläubiger im Forderungsfeststellungsstreit, so erstreckt sich die Rechtskraft dieses Urteils nur dann auf die anderen Insolvenzgläubiger und den Insolvenzverwalter, usw., wenn nicht weitere Widersprüche betreffend dieser Forderung erhoben und noch nicht beseitigt sind, denn gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 setzt die Feststellung der Forderung voraus, dass alle erhobenen Widersprüche beseitigt sind. Die Rechtskrafterstreckung nach Absatz 1 tritt daher nur ein, wenn entweder lediglich ein Gläubiger Widerspruch erhoben oder aber der letzte der Widersprüche beseitigt ist.8)
7
Die positive Feststellung der Forderung des Anmeldegläubigers erzeugt auch Rechtskraft zulasten des Schuldners. Sofern er der Feststellung der Forderung nicht persönlich widersprochen hat oder sein Widerspruch beseitigt wurde, kann der Schuldner sich bei einer Vollstreckung aus der Tabelle nicht mehr erfolgreich gegen den Bestand
_____________ 3) 4) 5)
6) 7) 8)
Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 183 Rz. 2. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 183 Rz. 2; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 3. BGH, Urt. v. 24.4.1958 – II ZR 38/57, WM 1958, 696; Braun-Specovius, InsO, § 183 Rz. 3; a. A. Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 58; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 6; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 183 Rz. 6 mit der Begründung, der Bestand der Forderung sei lediglich schuldrechtliche Vorfrage des Haftungsrechts, die von der Rechtskraft nicht umfasst werde; wohl auch BGH, Urt. v. 13.6.2006 – IX ZR 15/04, ZIP 2006, 1410 Rz. 21, der als Streitgegenstand der Klage nicht die Forderung selbst, sondern die Beteiligung an der haftenden Masse sieht. Zum Meinungsstand vgl. Kübler/Prütting/ Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 183 Rz. 3 ff. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 3. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 183 Rz. 10. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 4; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 58; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 183 Rz. 11; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 183 Rz. 1.
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§ 183
Wirkung der Entscheidung
der Forderung zur Wehr setzen. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 183, jedoch aus dem Sinn und Zweck des § 201 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 178 Abs. 3.9) III. Berichtigung der Tabelle Die obsiegende Partei hat beim Insolvenzgericht die Berichtigung der Tabelle zu beantragen (Abs. 2). Dem Antrag ist eine Urteilsausfertigung mit Rechtskraftvermerk beizufügen (§ 706 ZPO). Die Berichtigung der Tabelle10) hat nur deklaratorischen Charakter, denn die Wirkung der Forderungsfeststellung tritt bereits mit der Rechtskraft der Entscheidung ein.11)
8
Fehlerhafte Eintragungen können auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines beeinträchtigten Insolvenzgläubigers unter Vorlage der Entscheidung berichtigt werden.12) Nimmt das Insolvenzgericht die Berichtigung vor, ist dagegen kein Rechtsmittel gegeben. Lehnt es die Berichtigung ab, ist gegen die Entscheidung die Erinnerung möglich (§ 6 Abs. 1 InsO, § 11 RPflG).13)
9
Die Berichtigung ist grundsätzlich auch noch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zulässig (Argument aus § 189 Abs. 2, § 203 Abs. 1 Nr. 1, § 183 Abs. 2).14)
10
Eine Berichtigung der Tabelle kann dagegen gemäß § 183 Abs. 2, 184 Abs. 2 analog nicht vorgenommen werden, wenn einer der in §§ 174 Abs. 2, 302 Nr. 1 aufgeführten Anspruchsgründe vom Schuldner bestritten wurde und die Forderung zwar tituliert ist, jedoch der entsprechende Anspruchsgrund in diesem Titel nicht selbstständig festgestellt ist.15) Der Schuldner muss seinen Widerspruch gegen die durch Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 184 Abs. 2 verfolgen.16) Denn die Rechtskraft eines solchen Versäumnisurteils, mit dem der Beklagte zu einer Leistung verurteilt wird, erstreckt sich nicht auf die Feststellung, dass der Anspruch z. B. aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder einer der weiteren Anspruchsgründe stammt, die gemäß § 302 Nr. 1 von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind. Diese Feststellung kann auch nicht durch die Auslegung des Versäumnisurteils in Verbindung mit der Klageschrift erfolgen. Ebenso wenig kann die Angabe eines solchen Rechtsgrundes in einem Vollstreckungsbescheid, der ohne materiell-rechtliche Prüfung der Forderung erlassen wird, eine materielle Rechtskraftwirkung zu diesen Gründen erzeugen.17)
11
_____________ 9) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 6 und § 178 Rz. 70; Eckardt in: Kölner Schrift, S. 743, Rz. 59. 10) Formulierungsbeispiele für die Tabellenberichtung bei Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 64 Rz. 55 f. 11) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 183 Rz. 12; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 7. 12) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 183 Rz. 12; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 8. 13) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 183 Rz. 14; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 8. 14) BFH, Beschl. v. 24.10.2008 – VII R 30/08, BFH/NV 2009, 414 Rz. 7, hierzu Bartone, jurisPR-SteuerR 17/2009; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 8; Kübler/ Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 183 Rz. 17. 15) BGH, Vers.-Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 160/11, ZInsO 2012, 1614. 16) BGH, Vers.-Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 160/11, ZInsO 2012, 1614. 17) BGH, Vers.-Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 160/11, ZInsO 2012, 1614.
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§ 184
Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
IV. Erstattung der Kosten des Feststellungsprozesses 12
Die Regelung in Absatz 3 befasst sich nicht mit der Frage der Kostenverteilung im Feststellungsprozess – diese beurteilt sich nach den §§ 91 ff ZPO –, sondern nur mit dem Kostenerstattungsanspruch desjenigen Gläubigers gegen die Masse, der im Feststellungsstreit gegen den Anmeldegläubiger obsiegt hat. Dieser Gläubiger kann – unabhängig von seinem Kostenerstattungsanspruch gegen den Anmeldegläubiger18) – aus der Insolvenzmasse die Erstattung seiner Kosten verlangen, sofern der Masse durch die Entscheidung ein Vorteil erwachsen ist. Der Vorteil der Masse ist die Quote, die ohne den Widerspruch auf den angemeldeten Anspruch entfallen wäre und nun nicht mehr zu zahlen ist.19) Insoweit vergrößert sich die zur Verteilung stehende Masse, sodass die anderen Gläubiger eine höhere Quote erhalten.20)
13
Der Erstattungsanspruch ist Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3. Im Umfang der Erstattung kann die Masse die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs gegen den Anmeldegläubiger verlangen, weil der widersprechende Gläubiger ansonsten auf Kosten der Masse ungerechtfertigt bereichert wäre. Der Erstattungsanspruch erlischt, wenn der Anmeldegläubiger dem widersprechenden Gläubiger die Kosten des Feststellungsstreits ersetzt hat.21)
14
Haben der Insolvenzverwalter und ein oder mehrere Gläubiger erfolgreich gegen den Anmeldegläubiger einen Feststellungsstreit geführt – wobei unerheblich ist, ob der Festellungsprozess von dem Verwalter und den Gläubigern gemeinsam oder in getrennten Verfahren geführt wurde –, haben die Gläubiger keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten gegen die Masse. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass in diesem Falle kein Vorteil für die Masse entstehen kann.22) Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Verwalter im Forderungsfeststellungsstreit gegen den Anmeldegläubiger unterliegt, der Gläubiger jedoch obsiegt. In diesem Fall hat der Gläubiger nach Absatz 3 einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Masse.23) _____________ 18) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 11; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 183 Rz. 19; a. A. A. Schmidt-Herchen, InsO, § 183 Rz. 10, der – entgegen dem Wortlaut der Norm – eine Hemmung des Kostenerstattungsanspruchs bis zur Abtretung annimmt. 19) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 11; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 183 Rz. 16. 20) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 183 Rz. 7. 21) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 11 m. w. N. 22) Vgl. Motive zur KO, S. 368 = Hahn, Materialien, Bd. IV, S. 330; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 12. 23) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 183 Rz. 12.
§ 184 Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners (1) 1Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. 2War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen. 1102
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§ 184
Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
(2) 1Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. 2Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. 3Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. 4Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen. Literatur: Ahrens, Restschuldbefreiung und Versagungsgründe, ZVI 2011, 273; Behr, Durchsetzung von Deliktsforderungen bei der Forderungspfändung und in Insolvenzverfahren, Rpfleger 2003, 389; Bils, Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – Der richtige Feststellungsantrag des Gläubigers nach § 184 InsO, ZInsO 2006, 1082; Bückl, Die Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung in der Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2005, 16; Eisner, Der isolierte Widerspruch des Schuldners gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung, NZI 2003, 480; Fahl/Winkler, Nicht insolvenzfeste Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO) – Risiken für privilegierte Insolvenzgläubiger im geltenden Recht, NZI 2010, 288; Fuchs, Die Änderungen im Restschuldbefreiungsverfahren – Problemlösung oder neue Fragen?, NZI 2002, 298; Graf-Schlicker/Remmert, Das Unternehmensinsolvenzrecht unter der Lupe – Änderungen und Zukunftsperspektiven, NZI 2001, 569; Grote, Aushebelung der dreijährigen Verjährungsfrist bei Forderungen aus unerlaubter Handlung durch den BGH?, NJW 2011, 1121; Hain, Die unerlaubte Handlung im Insolvenzverfahren – Geklärte und ungeklärte Rechtsfragen, ZInsO 2011, 1193; Hattwig, Ungewissheit für Schuldner deliktischer Forderungen – Überlegungen zu § 184 InsO, ZInsO 2004, 636; Hattwig/Richter, Die Behandlung von Widersprüchen des Schuldners gegen eine durch Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, ZVI 2006, 373; Heinze, Behandlung von Forderungen aus Vorsatzdelikt im Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, DZWIR 2002, 369; Henning, Aktuelles zu Überschuldung und Insolvenzen natürlicher Personen, ZInsO 2004, 585; Kahlert, Nochmals: Zum Widerspruch des Schuldners gegen den Haftungsgrund i. S. des § 302 Nr. 1 InsO, ZInsO 2007, 927; Kahlert, Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners gegen den Haftgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung im Insolvenzverfahren, ZInsO 2006, 409; Kehe/Meyer/Schmerbach, Anmeldung und Feststellung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – Teil 2, ZInsO 2002, 660; Mäusezahl, Die unerlaubte Handlung in der Insolvenz der natürlichen Person, ZInsO 2002, 462; Riedel, Deliktische Ansprüche in der Restschuldbefreiung, NZI 2002, 414; Riedel/Vogelmair, Widerspruch des Schuldners gegen eine angemeldete Insolvenzforderung, Rpfleger 2008, 339; Schmidt, R./Hampel, Eingehungsbetrug im Verbraucherinsolvenzverfahren, ZVI 2009, 60; Schoppe, Nachhaftung für Deliktsforderungen im Anschluss an das Restschuldbefreiungsverfahren, ZVI 2004, 377, Smid, Einige Fragen des InsOÄndG und der weiteren Reparatur der InsO, DZWIR 2002, 221; Smid, Rechtsprobleme titelergänzender Feststellungsklagen, ZInsO 2011, 1327. Übersicht I. II. III. 1.
Regelungsinhalt ................................... Widerspruch des Schuldners .............. Beseitigung des Widerspruchs ............ Nicht titulierte Forderungen ................ a) Feststellungsklage des Gläubigers (Abs. 1) ........................
1 2 4 4 4
b) Feststellungsklage des Gläubigers bei von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen (Abs. 1 analog) .................... 5 c) Klagegegner .................................... 7 d) Zuständigkeit und Streitwert ........ 8 e) Keine Klagefrist .............................. 9
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§ 184 2. 3. 4.
I. 1
Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
Negative Feststellungsklage des Schuldners ............................................ 11 Titulierte Forderungen (Abs. 2) ........ 12 Nicht titulierte Forderungen i. S. des Absatzes 2 .............................. 15
5.
Steuer- und Sozialversicherungsforderungen ......................................... 16 6. Prozessaufnahme ................................. 18 IV. Berichtigung der Tabelle ................... 19
Regelungsinhalt
Die Norm befasst sich mit der Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners gegen eine vom Gläubiger angemeldete Forderung. Sie räumt dem Gläubiger die Möglichkeit ein, den Widerspruch des Schuldners durch die Erhebung einer Feststellungsklage oder die Aufnahme eines bereits anhängigen Rechtsstreits schon während des Insolvenzverfahrens zu beseitigen, um anschließend die nachinsolvenzrechtliche Vollstreckung wie bei einer vom Schuldner nicht bestrittenen Forderung betreiben zu können. Der durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 angefügte Absatz 2 regelt den Fall, dass die Forderung bereits tituliert ist und legt insoweit – grundsätzlich entsprechend der Regelung in § 179 Abs. 2 – dem Schuldner die Verpflichtung auf, seinen Widerspruch innerhalb eines Monats zu verfolgen. II. Widerspruch des Schuldners
2
Der Widerspruch des Schuldners, der sich gegen den Bestand und die Durchsetzbarkeit der Forderung richten kann,1) hat keine Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren. Er hindert nicht die Feststellung der Forderung zur Tabelle (§ 178 Abs. 1 Satz 2) und die Befriedigung des Gläubigers aus der Insolvenzmasse. Wirkungen zeigt er vielmehr erst außerhalb des Insolvenzverfahrens für die nachinsolvenzrechtliche Vollstreckung. Der Gläubiger erhält beim Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung keinen vollstreckbaren Tabellenauszug, sodass er nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Ablauf der Abtretungsfrist (vgl. § 294)2) wegen der im Insolvenzverfahren nicht befriedigten Forderung nicht gegen ihn vollstrecken kann, sondern sich einen Titel gegen den Schuldner persönlich verschaffen muss.3)
3
Eine nachinsolvenzrechtliche Vollstreckung kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn für die Forderung keine Restschuldbefreiung erteilt wird (§ 201 Abs. 3). Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem gesetzlichen Unterhalt4) sowie aus einer rechtskräftigen Verurteilung
_____________ 1) 2) 3)
4)
LG Dresden, Urt. v. 13.8.2004 – 10 O 2038/04, ZVI 2004, 531; Schumacher in: MünchKommInsO, § 184 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 4. BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311, dazu EWiR 2006, 539 (Ahrens); Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 10; Schumacher in: MünchKommInsO, § 184 Rz. 2; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 24; Ahrens, ZVI 2011, 273, 286. Dieser Rechtsgrund ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, eingefügt worden. Er gilt gemäß Art. 103h dieses Gesetzes für Insolvenzverfahren, die ab dem 1.7.2014 eröffnet werden.
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Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
§ 184
wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO5) sind gemäß § 302 Nr. 1 von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Mit seinem Widerspruch gegen so attributierte Forderungen kann der Schuldner bewirken, dass die angemeldete Forderung an der Restschuldbefreiung teilnimmt.6) Unterbleibt der Widerspruch, ist die jeweilige Forderung gemäß § 302 Nr. 1 von der Restschuldbefreiung ausgenommen.7) III. Beseitigung des Widerspruchs 1.
Nicht titulierte Forderungen
a) Feststellungsklage des Gläubigers (Abs. 1) Der Gläubiger kann den Widerspruch gegen eine Forderung gemäß Absatz 1 durch eine Feststellungsklage schon während des Insolvenzverfahrens beseitigen,8) sodass er mit dem Auszug aus der Tabelle einen vollstreckbaren Titel erhält. Das notwendige Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) folgt in der Regel aus § 201 Abs. 2, besteht also in der Herstellung der Vollstreckungsmöglichkeit aus dem Tabelleneintrag nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Gegenstand der Feststellungsklage ist der Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner,9) nicht jedoch die Forderung als Insolvenzforderung bestimmten Ranges und bestimmten Betrages (vgl. hierzu § 178 Rz. 4).
4
b) Feststellungsklage des Gläubigers bei von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen (Abs. 1 analog) Hat der Gläubiger seine angemeldete Forderung auf mehrere Anspruchsgrundlagen,10) darunter auch auf Rechtsgründe gestützt, die nach § 302 Nr. 1 eine Ausnahme von der Restschuldbefreiung begründen, kann der Schuldner seinen Wider_____________ 5) Dieser Rechtsgrund ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, eingefügt worden. Er gilt gemäß Art. 103h dieses Gesetzes für Insolvenzverfahren, die ab dem 1.7.2014 eröffnet werden. 6) Vgl. Begr. RegE InsOÄndG – zu Nr. 12, BT-Drucks. 14/5680, S. 27. 7) Vgl. BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 44/03, ZVI 2003, 601, m. Anm. Mäusezahl. 8) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265, dazu EWiR 2014, 17 (Ahrens); BGH, Urt. v. 2.10.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37, dazu EWiR 2011, 261 (Riedemann); BGH, Urt. v. 25.6.2009 – IX ZR 154/08, ZIP 2009, 1687; BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311. Eine Leistungsklage zur Beseitigung des Widerspruchs ist nicht zulässig, die Möglichkeit einer Feststellungsklage lässt das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage während des Insolvenzverfahrens entfallen, so auch Kübler/Prütting/ Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 10; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 8. Diff. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 184 Rz. 6, der § 184 einschränkend dahingehend auslegen will, dass der Gläubiger bei mangelnder insolvenzmäßiger Feststellung der Forderung auch Leistungsklage gegen den Schuldner erheben kann, jedoch aus einem so erlangten Titel erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens vollstrecken kann. 9) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 184 Rz. 3; Eisner, NZI 2003, 480, 482. 10) Beispiel: Bei der Bestellung einer Ware bestreitet der Gläubiger die Tatsachen, aus denen sich ein Eingehungsbetrug herleiten lässt, nicht jedoch, dass er dem Gläubiger die Forderung aus Kaufvertrag schuldet. Vgl. zu den Abgrenzungsfragen bei einem isolierten Widerspruch Eisner, NZI 2003, 480, 483.
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§ 184
Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
spruch ausschließlich gegen diese Rechtsgründe richten,11) Das Bestehen der jeweiligen Forderung ist in einem solchen Fall unbestritten,12) die Herleitung aus dem Rechtsgrund aber streitig. 6
Der Gläubiger kann diesen Widerspruch des Schuldners gegen die rechtliche Einordnung der Forderung analog § 184 Abs. 1 i. R. einer Feststellungsklage beseitigen.13) Zwar kann der Gläubiger wegen der nicht bestrittenen Forderung einen vollstreckbaren Auszug aus der Tabelle beanspruchen.14) Nach Erteilung der Restschuldbefreiung kann der Schuldner sich gegen eine Vollstreckung daraus jedoch erfolgreich mit der Vollstreckungsgegenklage zur Wehr setzen, weil der Tabellenauszug nicht einen Anspruch aus unerlaubter Handlung ausweist. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage des Gläubigers ergibt sich daher aus der Besorgnis, dass der Schuldner die Vollstreckung aus diesem Titel mit einer Vollstreckungsgegenklage angreifen wird.15) Gegenstand der Feststellungsklage ist die Nachhaftung des Schuldners trotz Erteilung der Restschuldbefreiung, weil die in 302 Nr. 1 aufgeführten Rechtsgründe vorliegen.16) _____________ 11) Vgl. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 27; BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 124/08, ZIP 2009, 389; BGH, Urt. v. 18.1.2007 – IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541; Eisner, NZI 2003, 243; Kehe/Meyer/Schmerbach, ZInsO 2002, 660; Kübler/Prütting/Bork-Pape/ Schaltke, InsO, § 184 Rz. 9; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 17; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 302 Rz. 20; a. A. Mäusezahl, ZInsO 2002, 462; Schoppe, ZVI 2004, 377. 12) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 24a; Fuchs, NZI 2002, 298, 303. 13) So schon Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680 S. 27, wonach Vorbild insoweit der isolierte Vorrechtsstreit nach § 146 KO ist; BGH, Urt. v. 25.6.2009 – IX ZR 154/08, ZIP 2009, 1687; BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 124/08, ZIP 2009, 389; BGH, Urt. v. 18.1.2007 – IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541; BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311; OLG Koblenz, Urt. v. 15.11.2007 – 6 U 537/07, NZI 2008, 117; vgl. auch bereits BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 44/03, ZVI 2003, 601, m. Anm. Mäusezahl; OLG Rostock, Beschl. v. 13.6.2005 – 3 U 75/05, ZVI 2005, 433; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 19; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 184 Rz. 13; Landfermann in: HK-InsO, § 302 Rz. 11, 12; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 302 Rz. 20; Schoppe, ZVI 2004, 377, 381; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 24a; a. A. noch Graf-Schlicker/Remmert, NZI 2001, 569, 572, mit krit. Prüfung der Voraussetzungen einer Analogie; Fuchs, NZI 2002, 298, 303. 14) BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39, 40, dazu EWiR 2011, 161 (Riedemann); Eisner, NZI 2003, 480, 483; Fuchs, NZI 2002, 298; a. A. Brückl, ZInsO 2005, 16, 18; Henning, ZInsO 2004, 585, 588; Mäusezahl, ZInsO 2002, 462, 468. 15) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265; BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311; BGH, Urt. v. 22.9.1994 – IX ZR 165/93, ZIP 1994, 1720, dazu EWiR 1994, 1251 (Walker); OLG Koblenz, Urt. v. 15.11.2007 – 6 U 537/07, NZI 2008, 117; OLG Rostock, Beschl. v. 13.6.2005 – 3 U 57/05, ZVI 2005, 433. 16) Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2009 – IX ZR 154/08; BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 124/08, ZIP 2009, 389; BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311; OLG Koblenz, Urt. v. 15.11.2007 – 6 U 537/07, NZI 2008, 117; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 302 Rz. 20, a. A. Brückl, ZInsO 2005, 16, 18; Henning, ZInsO 2004, 585, 588; Mäusezahl, ZInsO 2002, 462, 468, die allerdings davon ausgehen, dass Gläubiger bei einem isolierten Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung trotz der unstreitigen Forderung keinen vollstreckbaren Auszug aus der Tabelle erhalten und daher das Feststellungsinteresse in der Wiederherstellung der Vollstreckungsmöglichkeit sehen.
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Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
§ 184
c) Klagegegner Die Feststellungsklage ist gegen den Schuldner persönlich zu richten.17) Ist die Forderung daneben auch von einem anderen Insolvenzgläubiger oder dem Insolvenzverwalter bestritten worden, hat der Gläubiger die Feststellungsklage jeweils gegen den Schuldner oder die sonst Widersprechenden zu erheben. Gegen die Einordnung der Forderung aus einem der in § 302 Nr. 1 genannten Rechtsgründe steht jedoch nur dem Schuldner, nicht dem Insolvenzverwalter ein Widerspruchsrecht zu, denn es gehört nicht zu dessen Aufgaben, die Rechte des Schuldners für die Zeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wahrzunehmen (vgl. auch § 176 Rz. 10).18) Die Verfahren können verbunden werden. Schuldner und Gläubiger oder Verwalter sind in diesem Fall nur einfache Streitgenossen.19)
7
d) Zuständigkeit und Streitwert Zuständigkeit20) und Streitwert21) richten sich grundsätzlich nach den allgemeinen prozessualen Regeln (z. B. der ZPO).22) Die §§ 179 – 183 Abs. 1 und 3 sind nicht anwendbar, denn die Klage nach § 184 betrifft nicht die Eintragung der Forderung in die Insolvenztabelle. Wegen der Einzelheiten vgl. auch § 182 Rz. 6.
8
e) Keine Klagefrist Eine Frist für die Feststellungsklage zur Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Sie lässt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 189 Abs. 1 herleiten,23) weil weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Der Widerspruch des Schuldners hat keinen Einfluss auf die Verteilung der Masse, sodass kein verfahrensrechtlicher Zwang besteht, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten und trotz Widerspruchs des Schuldners zur Tabelle festgestellten Forderung _____________ 17) Braun-Specovius, InsO, § 184 Rz. 7. 18) BGH, Urt. v. 12.6.2008 – IX ZR 100/07, ZInsO 2008, 809. 19) OLG Celle, Beschl. v. 9.4.1963 – 8 W 47/63, KTS 1964, 118; Kübler/Prütting/Bork-Pape/ Schaltke, InsO, § 184 Rz. 20; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 7. 20) Feststellungsklagen, deren Gegenstand die Frage einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist, fallen in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, auch wenn das Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB öffentlich-rechtlicher Natur ist, BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 271/09, ZInsO 2011, 44; a. A. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 302 Rz. 21, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, dass entsprechend § 180 Abs. 1 Satz 2 das AG oder LG am Sitz des Insolvenzgerichts zuständig ist. 21) Dieser bemisst sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Vollstreckungsaussichten: hierzu ausführl. BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, ZIP 2009, 435 – Abschlag von 75 % bei einer Feststellungsklage betreffend eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung; OLG Celle, Beschl. v. 21.5.2007 –7 W 38/07, NZI 2007, 473 – Abschlag von 75 %; a. A. zuvor noch OLG Hamm, Beschl. v. 8.8.2006 – 27 W 41/06, ZVI 2007, 208 – Nominalwert. 22) So grundsätzlich Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 184 Rz. 3. 23) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265; BGH, Urt. v. 2.10.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37; BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 124/08, ZIP 2009, 389; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.2.2008 – 10 U 3/08, ZIP 2008, 2090; Schumacher in: MünchKommInsO, § 184 Rz. 3; Braun-Specovius, InsO, § 184 Rz. 2; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 184 Rz. 14 ff; a. A. wohl Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 111, die sich für die Einführung einer gesetzlichen Frist aussprechen.
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§ 184
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vor dem Schlusstermin auszutragen. Eine solche, den Gläubiger erheblich belastende Zeitvorgabe, ist auch nicht gerechtfertigt. Sie würde ihm die Möglichkeit nehmen, zunächst einmal abzuwarten, in welcher Höhe er bei der Verteilung befriedigt wird, und wie sich die berufliche Lage des Schuldners in der ersten Zeit der Wohlverhaltensperiode entwickelt, um dann auf einer breiteren Tatsachengrundlage entscheiden zu können, ob es sich lohnt, das Kostenrisiko für eine Feststellungsklage einzugehen. Ebenso wenig ist eine Klagefrist aus Gründen des Schuldnerschutzes erforderlich. 10
Auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung kann der Gläubiger noch Feststellungsklage erheben, um feststellen zu lassen, dass eine Forderung nicht an der Restschuldbefreiung teilnimmt. Der Feststellungsanspruch, der keine Feststellung von Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 1 BGB) zum Gegenstand hat, verjährt nicht.24) 2.
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Negative Feststellungsklage des Schuldners
Ob neben der Möglichkeit des Gläubigers, den Widerspruch des Schuldners gegen einen der Rechtsgründe des § 302 Nr. 1 bereits während des Verfahrens durch eine Feststellungsklage zu beseitigen, auch dem Schuldner die Befugnis zusteht, i. R. einer negativen Feststellungsklage die rechtliche Einordnung solcher Forderungen klären zu lassen, ist umstritten. Teilweise wird das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage verneint, weil der Schuldner hinreichend durch seinen Widerspruch geschützt und ihm zuzumuten sei, abzuwarten, ob der Gläubiger den Widerspruch beseitige und nach Erteilung der Restschuldbefreiung tatsächlich Vollstreckungsversuche unternehme.25) Angesichts einer fehlenden Verpflichtung des Gläubigers, innerhalb einer bestimmten Zeit eine Feststellungsklage zur Frage der Berechtigung seiner angemeldeten Forderung zu erheben (siehe dazu Rz. 9), ist ein Rechtsschutzinteresse für eine negative Feststellungsklage des Schuldners jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Gläubiger mit der Erhebung einer Feststellungsklage zuwartet.26) Der Schuldner hat aufgrund der Anforderungen, die das Insolvenzverfahren und die Restschuldbefreiungsphase an ihn stellen, ein Interesse daran, frühzeitig klären zu lassen, ob er für eine Forderung auch nach der Erteilung der Restschuldbefreiung noch haftet, weil sie gemäß § 302 Nr. 1 von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist.27) Das Rechtsschutzinteresse für eine negative Feststellungsklage ist solange zu bejahen, wie nicht feststeht, dass eine Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist.28) Beweispflichtig für die fehlende Vollstreckbarkeit ist derjenige, der die Nachhaftung des Schuldners erreichen will.29) _____________ 24) BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37, dazu EWiR 2011, 261 (Riedemann). 25) OLG Brandenburg, Urt. v. 19.12.2012 – 13 U 18/11, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 15.10.2003 – 13 W 42/03, ZIP 2003, 2311; LG Bochum, Beschl. v. 28.2.2003 – 2 O 197/03, ZVI 2004, 119; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 184 Rz. 18; Hattwig, ZInsO 2004, 636; Braun-Specovius, InsO, § 184 Rz. 6; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 184 Rz. 8; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 9. 26) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265, allerdings wohl ohne die Einschränkung; BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 124/08, ZIP 2009, 389; Kübler/Prütting/ Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 19a. 27) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265. 28) BGH, Urt. v. 11.7.2013 – IX ZR 286/12, ZIP 2013, 1640. 29) BGH, Urt. v. 11.7.2013 – IX ZR 286/12, ZIP 2013, 1640.
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Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
3.
§ 184
Titulierte Forderungen (Abs. 2)
Die Frage, ob der Gläubiger auch bei einem bereits vor Einleitung des Insolvenzverfahrens erworbenen rechtskräftigen Titel den Widerspruch des Schuldners im Wege der Feststellungsklage beseitigen muss, wenn sich aus dessen Tenor einer der in § 302 Nr. 1 aufgeführten Rechtsgründe ergibt, war bis zum Inkrafttreten der Neufassung der Norm am 1.7.200730) – umstritten.31) Mit der Neuregelung ist diese Streitfrage entschieden worden. In Anlehnung an § 179 Abs. 2 bestimmt Absatz 2 nunmehr, dass den Schuldner bei einer bereits titulierten Forderung die Klagelast trifft. Zu der Titeln zählen auch gerichtliche Vergleiche, in denen ein in § 302 Nr. 1 aufgeführter Rechtsgrund außer Streit gestellt wurde32) sowie ein entsprechendes notarielles Schuldanerkenntnis.
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Um alsbald Rechtsklarheit über die Wirkung des Widerspruchs zu erhalten, hat der Schuldner binnen der Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens zu verfolgen. Ziel dieser „Verfolgung“ muss die Beseitigung des Titels sein. Gegen rechtskräftige Endurteile bleiben dem Schuldner insofern nur Nichtigkeits- bzw. Restitutionsklage; bei einem vor Rechtskraft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Prozess ist vorrangig die Prozessaufnahme zu betreiben. Geht der Schuldner nicht fristgerecht entsprechend vor, so gilt sein Widerspruch als nicht erhoben (Abs. 2 Satz 2). Der Gläubiger kann sodann nach Verfahrensaufhebung gegen den Schuldner gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 die Vollstreckung aus dem Tabellenauszug betreiben. Im Hinblick auf die einschneidenden Folgen weist das Gericht den Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, sowie den bestreitenden Schuldner mit der Übersendung des beglaubigten Tabellenauszugs auf die Folgen der Fristversäumung hin. Soweit der Schuldner den Widerspruch – nicht den „Anspruch“, wie Absatz 2 Satz 4 unzutreffend formuliert – in dem dargestellten Sinne „verfolgt“, hat er dies dem Gericht in geeigneter Weise, etwa durch eine Abschrift entsprechender gerichtlicher Anschreiben oder Verfügungen, nachzuweisen. Der Nachweis muss nicht binnen Monatsfrist, aber zeitnah erfolgen. _____________
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30) Für Verfahren, die bis zum 30.6.2007 eröffnet worden sind, gilt die bis dahin gültige Fassung, Art. 103c EGInsO. 31) Zum Teil wurde die Notwendigkeit der Erhebung einer solchen Feststellungsklage mit der Begründung bejaht, der alte Titel werde durch den Auszug aus der Tabelle „aufgezehrt“, der Gläubiger müsse sich daher durch die Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners mit dem Tabellenauszug einen neuen Titel besorgen. Vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.5.1998 – IX ZR 256/96, ZIP 1998, 1113, dazu EWiR 1998, 757 (Runkel); Smid, DZWIR 2002, 221, 223. Teilweise wurde die Ansicht vertreten, der Titel werde nicht aufgezehrt, der Gläubiger könne vielmehr für die nachinsolvenzliche Vollstreckung auf seinen alten Titel zurückgreifen, (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311), bei Deliktsforderungen gelte dies jedoch nur, wenn der Gläubiger über ein rechtskräftiges Urteil verfüge, aus dessen Tenor oder aus dessen Entscheidungsgründen sich im Wege der Auslegung der Anspruchsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zweifelsfrei ergebe, vgl. dazu Graf-Schlicker-Graf-Schlicker, InsO, 1. Aufl., § 184 Rz. 10 ff; Graf Schlicker/Remmert, NZI 2001, 569, 572; Behr, Rpfleger 2003, 389, 391; Heinze, DZWIR 2002, 369, 371; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, Stand: 2009, § 174 Rz. 45; Riedel, NZI 2002, 414, 415; ebenso Uhlenbruck-Vallender, InsO, 12. Aufl., § 302 Rz. 23 (Fn. 4). 32) BGH, Urt. v. 25.6.2009 – IX ZR 154/08, ZIP 2009, 1687.
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§ 184 4. 15
Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
Nicht titulierte Forderungen i. S. des Absatzes 2
Kein Fall des Absatzes 2 liegt hingegen vor, wenn der Gläubiger seine Forderung zwar tituliert hat, in dem Titel (einschließlich Anerkenntnis- und Versäumnisurteil) aber die ausdrückliche Feststellung fehlt, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung,33) einer vorsätzlich pflichtwidrigen gesetzlichen Unterhaltspflichtverletzung oder auf einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder 374 AO beruht. Die Entscheidungsgründe eines Urteils können für das Vorliegen eines solchen Rechtsgrundes nicht herangezogen werden, weil sich die Rechtskraft eines Leistungsurteils nicht auf eine derartige Feststellung erstreckt.34) Kein Titel i. S. des Absatzes 2 beinhaltet auch der Vollstreckungsbescheid, der auf einen der vorgenannten Rechtsgrundlagen (§ 302 Nr. 1) gestützt wird, weil hier schon eine Schlüssigkeitsprüfung fehlt.35) Es ist in diesen Fallkonstellationen also Sache des Gläubigers, den Widerspruch des Schuldners gegen den Schuldgrund im Wege einer (titelergänzenden)36) Feststellungsklage zu beseitigen, wenn er sich die nachinsolvenzliche Vollstreckungsmöglichkeit verschaffen will. Der Feststellungsanspruch, der nicht auf die Feststellung eines Leistungsanspruchs, sondern auf Durchsetzbarkeit des Anspruchs trotz Erteilung der Restschuldbefreiung gerichtet ist, verjährt nicht.37) Eine direkte Anwendung des § 194 Abs. 1 BGB kommt schon seinem Wortlaut nach nicht in Betracht. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift fehlt die planwidrige Regelungslücke, der Gesetzgeber hat die Unverjährbarkeit eines Feststellungsanspruchs gesehen und bewusst dazu keine Regelung getroffen.38) Erst mit dem Wegfall des Feststellungsinteresses entfällt daher die Möglichkeit einer Feststellungsklage.39) Es fehlt, wenn der materielle Anspruch, z. B. der Anspruch auf Schadenersatz aus einer deliktischen Handlung, der dem Feststellungsbegehren zugrunde liegt, bereits verjährt ist.40) Die Beweislast für die vorsätzliche Deliktstat oder die weiteren Rechtsgründe i. S. des § 302 Nr. 1 liegt beim Gläubiger, sodass Beweisprobleme zu seinen Lasten gehen. Der Schuldner kann – wie unter _____________ 33) BGH, Urt. v. 11.7.2013 – IX ZR 286/12, ZIP 2013, 16; BGH, Vers.-Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 160/11, ZInsO 2012, 1614; BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 239/07, ZIP 2010, 150, dazu EWiR 2010, 199 (Jacoby) – zum Versäumnisurteil. 34) Vgl. zur vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung: BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39; BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 239/07, ZIP 2010, 150; a. A. OLG Brandenburg, Urt. v. 11.2.2010 – 12 U 164/09, ZIP 2010, 2022. 35) BGH, Vers.-Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 160/11, ZInsO 2012, 1614; BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39; BGH, Urt. v. 18.5.2006 – IX ZR 187/04, ZVI 2006, 311; BGH, Beschl. v. 5.4.2005 – VII ZB 17/05, ZVI 2005, 253; anders aber beim gerichtlichen Vergleich: BGH, Urt. v. 25.6.2009 – IX ZR 154/08, ZIP 2009, 1687. 36) BGH, Urt. v. 5.11.2009 – IX ZR 239/07, ZIP 2010, 150, 152. 37) BGH, Urt. v. 2.10.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37, dazu EWiR 2011, 261 (Riedemann); a. A. Grothe, NJW 2011, 1121. 38) BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37, 38 unter Bezugnahme auf die Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. I, 1888, S. 291 und die Protokolle der Kommission für die Zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. I, 1897, S. 194 f; dazu vgl. dazu auch Smid, ZInsO 2011, 1327. 39) Riedemann, EWiR 2011, 261. 40) BGH, Urt. v. 2.10.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37, dazu EWiR 2011, 261 (Riedemann); OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2012 – I-9 W 47/11, 9 W 47/11, NZI 2012, 196; dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 6/2012 Anm. 3.
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Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners
§ 184
Rz. 11 – zur Klärung der rechtlichen Einordnung der Forderung eine negative Feststellungsklage erheben.41) Eine Frist für die Erhebung der Klage durch den Gläubiger besteht nicht.42) 5.
Steuer- und Sozialversicherungsforderungen
Widerspricht der Schuldner einer nicht titulierten Steuerforderung, so kann die Finanzbehörde diesen gemäß § 251 Abs. 3 AO durch einen Feststellungsbescheid ausräumen oder ein unterbrochenes Steuerstreitverfahren wieder aufnehmen.43) Der Schuldner kann dagegen Einspruch einlegen und gegen die Einspruchsentscheidung Klage vor dem Finanzgericht erheben (im Einzelnen § 185 Rz. 4 ff). Auch die Sozialversicherungsträger können bestrittene Forderungen durch Verwaltungsakt zur Tabelle feststellen lassen.44)
16
Weder die Finanzbehörde noch die Sozialversicherungsträger können jedoch verbindlich feststellen, dass die Ansprüche auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen. § 251 Abs. 3 AO beschränkt das Finanzamt auf die Festlegung der Ansprüche aus dem Steuerverhältnis, § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV die Sozialversicherungsträger auf die Entscheidung über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe, sodass eine Befugnis über den zivilrechtlichen Anspruch aus einer unerlaubten Handlung zu befinden, nicht besteht.45)
17
6.
Prozessaufnahme
War bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Verfahren (Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Einspruch bei Steuerbescheiden) anhängig, das gemäß § 240 ZPO unterbrochen wurde, muss der Gläubiger zur Beseitigung des Widerspruchs dieses in dem Stadium und auf die Weise wieder aufnehmen, wie es der Schuldner hätte fortführen können.46) Eine Neuklage nach Satz 1 ist unzulässig.47) Die Klage kann nur als Feststellungsklage fortgeführt werden.48)
18
IV. Berichtigung der Tabelle Obsiegt der Gläubiger im Feststellungsprozess, so hat er entsprechend § 183 Abs. 2 zu beantragen, dass die Beseitigung des Widerspruchs in der Tabelle vermerkt wird. Wird der Feststellungsprozess zugunsten des Schuldners entschieden, so ist eine Berichtigung nicht vorzunehmen, denn die Forderung bleibt im Verhältnis zwischen _____________ 41) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265; OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2009 – 7 W 2/09, ZVI 2009, 108. 42) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265. 43) BFH, Beschl. v. 15.10.2008 – II B 91/08, ZInsO 2009, 47; BFH, Urt. v. 13.11.2007 – VII R 61/06, ZIP 2008, 1745 ff; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 184 Rz. 6; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 10. 44) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 15; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 10. 45) So auch Hain, ZInsO 2011, 1193, 1199; ausdrücklich offengelassen in BFH, Urt. v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZVI 2008, 497; a. A. LG Itzehoe, Beschl. v. 18.7.2008 – 9 T 27/08, ZIP 2009, 1028; AG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2006 – 67g IN 478/04, ZIP 2006, 1915. 46) BFH, Urt. v. 15.3.2013 – VII B 49/12, ZInsO 2013, 1540; BFH, Urt. v. 23.2.2010 – VII R 48/07, ZIP 2010, 844, dazu EWiR 2010, 577 (v. Spiessen). 47) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 184 Rz. 5. 48) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 184 Rz. 5; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 11.
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19
§ 185
Besondere Zuständigkeiten
Gläubiger und Schuldner bestritten, sodass dem Gläubiger kein vollstreckbarer Tabellenauszug erteilt werden kann (§ 201 Abs. 2).49) _____________ 49) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 184 Rz. 14, 21; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 184 Rz. 11; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 23, 24.
§ 185 Besondere Zuständigkeiten 1Ist
für die Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht nicht gegeben, so ist die Feststellung bei dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde vorzunehmen. 2§ 180 Abs. 2 und die §§ 181, 183 und 184 gelten entsprechend. 3Ist die Feststellung bei einem anderen Gericht zu betreiben, so gilt auch § 182 entsprechend. Literatur: Gerhard, Die rechtswegfremde Forderung im Insolvenzfeststellungsverfahren, NZI 2010, 849; Hain, Die unerlaubte Handlung im Insolvenzverfahren – Geklärte und ungeklärte Rechtsfragen, ZInsO 2011, 1193. Übersicht I. Regelungsinhalt ................................... 1 II. Feststellung durch Verwaltungsakt ........................................... 4
I.
III. Feststellung bestrittener Steuerforderungen .......................................... 5 IV. Streitwert ............................................ 12
Regelungsinhalt
1
Die Norm regelt die streitige Feststellung von Forderungen, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet ist. In diesen Fällen ist die Feststellung der Forderung von den Gerichten der anderen Rechtszweige oder von den zuständigen Verwaltungsbehörden vorzunehmen, also z. B. von den Arbeitsgerichten (§ 2 ArbGG), den Sozialgerichten (§ 51 SozGG), den Verwaltungsgerichten (§ 40 VwGO), den Finanzgerichten (§ 33 FGO), den Finanzbehörden (§ 251 Abs. 3 AO) oder von den Krankenkassen als Einzugsstellen (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV).
2
Der Rechtsweg richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.1) Geht es um die isolierte Feststellung, ob eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners vorliegt, sind daher – unabhängig davon, ob das Schutzgesetz den Normen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist2) – die Zivilgerichte zuständig.3) Das gilt für die Feststellung der _____________ 1) 2) 3)
BGH, Urt. v. 16.2.1984 – IX ZR 45/83, ZIP 1984, 633; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 4.6.1974 – GmS-OGB 2/73, NJW 1974, 2087. Z. B. nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge. BVerwG, Beschl. v. 12.4.2013 – 9 B 37/12, ZVI 2013, 263; BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 271/09, ZInsO 2011, 44; OLG Schleswig, Beschl. v. 15.4.2011 – 16 W 50/11, ZInsO 2011, 1708, vgl. dazu Smid, jurisPR-InsR 24/2011 Anm. 4; vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.1.2007 – IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541; BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZR 124/08, ZIP 2009, 389 – mit jeweils stillschweigender Annahme des ordentlichen Rechtswegs; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.10.2011 – L 1 AR 5/11 B, juris; LG Itzehoe, Beschl. v. 18.7.2008 – 9 T 27/08, ZIP 2009, 1028; SG Gelsenkirchen, Urt. v. 29.5.2006 – S 2 SO 26/05, ZfF 2007, 252.
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§ 185
Besondere Zuständigkeiten
Deliktsforderung ebenfalls, wenn sowohl die öffentlich-rechtliche Forderung als solche und das Attribut der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bestritten sind.4) Eine umfassende Zuständigkeit eines Gerichts (§ 17 Abs. 2 GVG) für beide Fragestellungen ist nicht gegeben. Voraussetzung für eine einheitliche Gerichtszuständigkeit ist, dass der Streitgegenstand, der sich nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff durch den Antrag und den Sachverhalt bestimmt, identisch ist.5) Das ist bei diesen Ansprüchen nicht der Fall, sowohl Antrag als auch Sachverhalt zur Begründung der Forderungen sind unterschiedlich. Der Rechtsweg ändert sich nicht, wenn hinsichtlich der Insolvenzforderung der Berechtigte oder Verpflichtete wechselt, also eine Rechtsnachfolge eintritt. Die Natur der angemeldeten Forderung, die dem Feststellungsstreit zugrunde liegt, wird dadurch nicht berührt.6)
3
II. Feststellung durch Verwaltungsakt Die Feststellung einer bestrittenen Forderung hat gemäß Satz 1 Alt. 2 durch Verwaltungsakt gegenüber dem Bestreitenden zu erfolgen, sofern und soweit der Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Festsetzung der Forderung durch Verwaltungsakt gegenüber dem Schuldner berechtigt ist,7) z. B. bei Steuerforderungen gemäß § 251 Abs. 3 AO (unten Rz. 5), Beitragsforderungen des Sozialversicherungsträgers nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV oder bei öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen. Die Berechtigung umfasst jedoch nicht die Feststellung, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung8) beruht9) (Näheres § 184 Rz. 17). _____________ 4) 5)
6)
7) 8)
9)
AG Göttingen, Urt. v. 12.2.2013 – 21 C 121/12, ZVI 2013, 197. Zimmermann in: MünchKomm-ZPO, § 17 GVG Rz. 13; BVerwG, Beschl. v. 31.3.2004 – 9 A 33/03, NVwZ-RR 2004, 551; im Ergebnis ebenso LSG NRW, Urt. v. 31.3.2011 – L 9 SO 5/09, – juris, das allerdings i. R. eines obiter dictum darauf abstellt, wo der Schwerpunkt des Streits liegt; a. A. Gerhardt, NZI 2010, 849, 854. Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 185 Rz. 10; Schumacher in: MünchKommInsO, § 185 Rz. 3; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 185 Rz. 3; a. A. BGH, Urt. v. 16.2.1984 – IX ZR 45/83, ZIP 1984, 633, der bei einem Forderungsübergang auf den Bürgen hinsichtlich rückständiger Sozialversicherungsbeiträge die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte mit der wesentlichen Begründung angenommen hat, maßgeblich für den Rechtsweg sei nicht die öffentlich-rechtliche Hauptforderung aus dem Sozialrecht, sondern das Bürgschaftsverhältnis. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 185 Rz. 4; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 185 Rz. 5. Eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist allerdings keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i. S. des § 302 Nr. 1 InsO, BFH, Urt. v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZVI 2008, 497. Von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist aber ab 1.7.2014 (Art. 103h Abs. 1 EGInsO des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379) eine Forderung aus einem Steuerverhältnis, wenn der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist und die Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 angemeldet wurde. So auch Hain, ZInsO 2011, 1193, 1199; Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 185 Rz. 6; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 185 Rz. 5; ausdrücklich offengelassen in BFH, Urt. v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZVI 2008, 497; a. A. LG Itzehoe, Beschl. v. 18.7.2008 – 9 T 27/08, ZIP 2009, 1028; AG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2006 – 67g IN 478/04, ZIP 2006, 1915.
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4
§ 185
Besondere Zuständigkeiten
III. Feststellung bestrittener Steuerforderungen 5
Widerspricht der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgläubiger einer Steuerforderung, für die noch kein Steuer- oder Feststellungsbescheid vorliegt, so hat das Finanzamt einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO i. V. m. § 179 Abs. 1 InsO zu erlassen, um den Widerspruch auszuräumen.10) Dagegen kann das Finanzamt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Steuerbescheide mehr erlassen, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die die Höhe der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten.11)
6
Der Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO ist kein auf die Steuerfestsetzung gerichteter Verwaltungsakt, also kein Steuerbescheid i. S. des § 155 AO.12) Er ist auf Feststellung zur Insolvenztabelle gerichtet13) und muss sich – ebenso wie ein Feststellungsurteil nach § 183 – mit den erhobenen Einwendungen gegen die Anmeldung auseinandersetzen. Entsprechend § 181 kann Gegenstand des Feststellungsbescheids nur die Steuerforderung sein, die mit der angemeldeten und geprüften Forderung nach Grund und Höhe identisch ist.14) Diese Forderungsidentität ist vom Finanzamt im Feststellungsbescheid kenntlich zu machen.15) Werden mehrere Steuerforderungen in dem Feststellungsbescheid zusammengefasst, handelt es sich um verschiedene Verwaltungsakte.16) Adressat des Feststellungsbescheids ist der Widersprechende,17) der den Bescheid mit dem Einspruch anfechten kann. Gegen die Einspruchsentscheidung ist der Klageweg bei den Finanzgerichten eröffnet.18) Im Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren kann der Widersprechende alle Einwendungen vorbringen, die dem Insolvenzschuldner gegen den Steueranspruch zustehen. _____________ 10) BFH, Urt. v. 19.2.2013 – II R 17/11, ZIP 2013, 1133, dazu EWiR 2013, 487 (v. Spiessen); BFH, Urt. v. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421, m. Anm. Kahlert, dazu EWiR 2012, 69 (Onusseit); BFH, Beschl. v. 15.10.2008 – II B 91/08, ZInsO 2009, 47; BFH, Urt. v. 13.11.2007 – VII R 61/06, ZIP 2008, 1745; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 184 Rz. 6; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 184 Rz. 10; BFH, Urt. v. 26.2.1987 – V R 114/79, ZIP 1987, 583, dazu EWiR 1987, 503 (Weiß); AG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2006 – 67g IN 478/04, ZIP 2006, 1915. 11) BFH, Urt. v. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421, m. Anm. Kahlert; BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392. Dies gilt auch für den Sozialversicherungsträger, vgl. dazu BSG, Urt. v. 17.5.2001 – B 12 KR 32/00 R, ZIP 2001, 1159, dazu EWiR 2001, 687 (Gagel); SG Dresden, Urt. v. 24.10.2012 – S 18 KR 627/09, juris. 12) BFH, Urt. v. 23.2.2005 – VII R 63/03, ZIP 2005, 1184, dazu EWiR 2005, 685 (Paul); Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 185 Rz. 10; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 185 Rz. 7. 13) BFH, Urt. v. 23.2.2010 – VII R 48/07, ZIP 2010, 844, m. Anm. Kahlert, dazu EWiR 2010, 577 (v. Spiessen); BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392. 14) BFH, Urt. v. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421, m. Anm. Kahlert; BFH, Urt. v. 17.5.1984 – V R 80/77, ZIP 1984, 1004; BFH, Urt. v. 26.2.1987 – V R 114/79, ZIP 1987, 583. 15) BFH, Urt. v. 17.5.1984 – V R 80/77, ZIP 1984, 1004. 16) BFH, Urt. v. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421, m. Anm. Kahlert; BFH, Urt. v. 26.2.1987 – V R 114/79, ZIP 1987, 583; BFH, Urt. v. 30.9.1976 – V R 109/73, DB 1977, 1171. 17) BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392. 18) BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392.
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§ 185
Besondere Zuständigkeiten
Obsiegt der Widersprechende im Feststellungsstreit, wird die Steuerforderung bei der insolvenzrechtlichen Verteilung nicht berücksichtigt. Der bestandskräftige Feststellungsbescheid oder ein rechtskräftiges Urteil wirken gemäß § 183 i. V. m. § 185 Satz 2 gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.19) Der Obsiegende hat gemäß Satz 2 i. V. m. § 183 Abs. 2 die Berichtigung der Tabelle zu beantragen.
7
Liegt im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein vom Schuldner angefochtener Steuerbescheid vor, hat das Finanzamt die Forderung gleichwohl zur Tabelle anzumelden.20) Wird die Forderung im Prüfungstermin bestritten, ist nach § 180 Abs. 2 i. V. m. § 185 Satz 2 die Feststellung im Wege der Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsbehelfsverfahrens (Einspruch) oder – bei Anhängigkeit einer Klage – des Rechtsmittelverfahrens einschließlich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens21) zu betreiben. Für einen gesonderten Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO neben dem fortzuführenden Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren ist kein Raum, weil es an der Erforderlichkeit eines Feststellungsverfahrens fehlt.22)
8
Zur Aufnahme des Einspruchs- und des Rechtsmittelverfahrens sind der Widersprechende und der Gläubiger der Steuerforderung befugt.23) § 179 Abs. 2 erlegt zwar bei einem titulierten Anspruch, also dem Steuerbescheid,24) dem Widersprechenden die Feststellungslast auf, entzieht damit jedoch dem Gläubiger nicht die Befugnis zur Aufnahme des Verfahrens.25) Der Widersprechende muss seinen Antrag nicht an die Verfahrenslage anpassen, sondern lediglich beantragen, den Steuerbescheid aufzuheben.26)
9
War die Steuerforderung bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unanfechtbar, hat dies auch der Widersprechende, der grundsätzlich die Verfolgungslast für den Widerspruch trägt, gegen sich gelten zu lassen. Er ist nur
10
_____________ 19) BFH, Urt. v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481, dazu EWiR 2012, 127 (de Weerth). 20) BFH, Urt. v. 24.8.2011 – V R 53/09, ZIP 2011, 2421, m. Anm. Kahlert; BFH, Urt. v. 13.5.2009 – XI R 63/07, ZIP 2009, 1631, dazu EWiR 2010, 87 (S. Erdmann). 21) Dazu BFH, Beschl. v. 5.11.2013 – IV B 108/13, juris. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist allein darauf gerichtet, die Nichtzulassung der Revision zu beseitigen. Ist es erfolgreich, setzt sich das Beschwerdeverfahren im Revisionsverfahren als Insolvenzfeststellungsverfahren fort. Ist es erfolglos, kann der BFH feststellen, dass ein Insolvenzgläubigerrecht besteht. 22) BFH, Urt. v. 23.2.2005 – VII R 63/03, ZIP 2005, 1184; BFH, Urt. v. 7.3.2006 – VII R 11/05, ZIP 2006, 968. 23) BFH, Urt. v. 23.2.2005 – VII R 63/03, ZIP 2005, 1184; BVerwG, Urt. v. 19.4.1988 – 8 C 73.85, NJW 1989, 314; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 185 Rz. 12; UhlenbruckSinz, InsO, § 185 Rz. 13. 24) Zu den titulierten Forderungen i. S. der Vorschrift zählt auch ein Steuerbescheid, weil die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit dieses Bescheids durch die Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich nicht gehemmt wird, dazu BVerwG, Urt. v. 19.4.1988 – 8 C 73/85, NJW 1989, 314. 25) BVerwG, Urt. v. 19.4.1988 – 8 C 73/85, NJW 1989, 314; Schumacher in: MünchKommInsO, § 185 Rz. 12; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 185 Rz. 5; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 185 Rz. 13. 26) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 185 Rz. 12.
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§ 186
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
befugt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO), die Änderung des bestandskräftigen Bescheids (§ 130 AO)27) oder die Wiederaufnahme des Rechtsstreits (§ 134 FGO, §§ 578 ff ZPO) zu beantragen.28) Hat der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch auf die Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung gestützt, ist auch das Finanzamt berechtigt tätig zu werden und das Bestehen der angemeldeten Forderung durch Bescheid festzustellen.29) 11
Zum Widerspruch des Schuldners gegen eine Steuerforderung vgl. § 184 Rz. 16. IV. Streitwert
12
Für die Feststellungsverfahren bei den anderen Gerichten gilt gemäß Satz 3 die Vorschrift des § 182. Maßgeblich ist also die Quote, die hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderung erwartet werden kann.
13
Auf die Verwaltungsverfahren ist § 182 nach dem Willen des Gesetzgebers30) nicht anwendbar. _____________ 27) BFH, Urt. v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 185 Rz. 9; a. A. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 185 Rz. 10, der eine Änderungsmöglichkeit nur nach §§ 172 ff AO bejaht. 28) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 185 Rz. 12; A. Schmidt-Herchen, InsO, § 185 Rz. 6; s. a. BMF-Schreiben v. 17.12.1998, BStBl. I, 1500 Nr. 6.2. 29) BFH, Urt. v. 23.2.2010 – VII R 48/07, ZIP 2010, 844, m. Anm. Kahlert; dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 9/2010 Anm. 4. 30) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 185.
§ 186 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (1) 1Hat der Schuldner den Prüfungstermin versäumt, so hat ihm das Insolvenzgericht auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 2§ 51 Abs. 2, § 85 Abs. 2, §§ 233 bis 236 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) 1Die den Antrag auf Wiedereinsetzung betreffenden Schriftsätze sind dem Gläubiger zuzustellen, dessen Forderung nachträglich bestritten werden soll. 2 Das Bestreiten in diesen Schriftsätzen steht, wenn die Wiedereinsetzung erteilt wird, dem Bestreiten im Prüfungstermin gleich. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Wiedereinsetzungsverfahren .............. 2 1. Voraussetzungen ................................... 2
I. 1
2. Information der Gläubiger ................... 4 3. Folgen der Wiedereinsetzung ............... 5 III. Kosten und Rechtsmittel .................... 6
Normzweck
Die Vorschrift soll dem Schuldner die Möglichkeit eröffnen, bei unverschuldetem Versäumen des Prüfungstermins, der mündlich oder unter den Voraussetzungen
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§ 186
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
der §§ 5 Abs. 2, 177 Abs. 1 Satz 2 schriftlich durchgeführt werden kann,1) das Bestreiten der Forderung nachzuholen, um die nachinsolvenzrechtliche Vollstreckung aus der Tabelle (§ 201) zu verhindern. Gleiches gilt, wenn der Schuldner bei der Anmeldung einer Forderung nicht ordnungsgemäß nach § 175 Absatz 2 belehrt worden ist und deshalb nicht rechtzeitig widersprochen hat2) oder das Gericht den Schuldner nicht gemäß § 184 Abs. 2 auf die Folgen der Fristversäumnis bei Nichterhebung der Feststellungsklage hingewiesen hat.3) Eine unverschuldete Säumnis liegt nicht vor, wenn der prozessfähige4) Schuldner im Prüfungstermin anwesend war, aber das Bestreiten der Forderung trotz ordnungsgemäßer Belehrung unterlassen hat.5) II. Wiedereinsetzungsverfahren 1.
Voraussetzungen
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass der Schuldner innerhalb von zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses (Abs. 1 Satz 2, § 234 Abs. 1 ZPO), grundsätzlich aber spätestens ein Jahr nach dem Prüfungstermin (Abs. 1 Satz 2, § 234 Abs. 3 ZPO) schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (Abs. 1 Satz 2, §§ 236 Abs. 1, 496 ZPO) einen entsprechenden Antrag stellt.6) Das dem Rechtsstaatsprinzip innewohnende Gebot des fairen Verfahrens gebietet es jedoch, die Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO nicht anzuwenden, wenn die Versäumung der Frist die Folge eines fehlerhaften Verhaltens des Gerichts ist,7) z. B. des unterbliebenen Hinweises nach § 175 Abs. 2.8)
2
Inhaltlich muss dieser Antrag die Tatsachen enthalten, die den Schuldner ohne Verschulden gehindert haben, im mündlichen Prüfungstermin oder im schriftlichen Prüfungsverfahren die Forderung zu bestreiten. Das Verschulden ist nach § 276 BGB zu beurteilen, maßgebend ist die Sorgfalt, die der Schuldner unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles aufwenden müsste.9) Dabei hat er sich das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters (Abs. 1 Satz 2, § 51 Abs. 2 ZPO) oder eines Bevollmächtigten (Abs. 1 Satz 2, § 85 Abs. 2 ZPO) zurechnen zu lassen. Die Tatsachen sind nach § 294 ZPO glaubhaft zu machen. Außerdem ist die versäumte Prozesshandlung, also der Widerspruch gegen die genau zu bezeichnende Forderung nachzuholen (Abs. 2 Satz 1, § 236 Abs. 2 ZPO).
3
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Die Vorschrift findet daher auf das schriftliche Verfahren direkt Anwendung, nicht nur analog, so aber Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 186 Rz. 4; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 186 Rz. 1; A. Schmidt-Preß, InsO, § 186 Rz. 1. AG Duisburg, Beschl. v. 26.7.2008 – 62 IN 36/02, NZI 2008, 628 ff. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 186 Rz. 1; a. A. A. Schmidt-Herchen, InsO, § 186 Rz. 3a. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 186 Rz. 1. Vgl. AG Göttingen, Beschl. v. 15.3.2004 – 74 IN 438/02, ZVI 2004, 195; Kübler/ Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 186 Rz. 2; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 186 Rz. 1. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 186 Rz. 6. Vgl. BVerfG Beschl. v. 15.4.2004 – 1 BvR 622/98, NJW 2004, 2149; Gehrlein in: MünchKomm-ZPO, § 234 Rz. 15; Musielak-Grandel, ZPO, § 234 Rz. 6. AG Duisburg, Beschl. v. 26.7.2008 – 62 IN 36/02, NZI 2008, 628. Musielak-Grandel, ZPO, § 233 Rz. 4; a. A. Gehrlein in: MünchKomm-ZPO, § 233 Rz. 23, der allein einen objektiven Maßstab anwenden will.
Graf-Schlicker
1117
§ 187 2. 4
Information der Gläubiger
Die den Antrag betreffenden Schriftsätze sind dem Gläubiger, dessen Forderung nachträglich bestritten werden soll, von Amts wegen (§ 8) zuzustellen (Abs. 2 Satz 1). 3.
5
Befriedigung der Insolvenzgläubiger
Folgen der Wiedereinsetzung
Obsiegt der Schuldner mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung, so gilt die Forderung als im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren bestritten (Abs. 2 Satz 2). Ein weiterer Prüfungstermin ist weder erforderlich noch zulässig.10) Das Insolvenzgericht hat den Widerspruch in der Tabelle zu vermerken. Der Widerspruch des Schuldners, der seine Nachhaftung gemäß § 201 verhindern soll, kann nur durch eine Klage nach § 184 beseitigt werden. III. Kosten und Rechtsmittel
6
Die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens trägt in der Regel der Schuldner (§ 4 InsO, § 238 Abs. 4 ZPO), es sei denn die versäumte Rechtshandlung ist auf ein fehlerhaftes Verhalten des Gerichts zurückzuführen (vgl. dazu die Ausführungen Rz. 2).
7
Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers (§ 18 RPflG) steht dem unterlegenen Gläubiger oder Schuldner die sofortige Erinnerung zu (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG), die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG, § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen ist.11) Hat der Richter gemäß § 18 Abs. 2 RPflG über das Wiedereinsetzungsgesuch entschieden, ist ein Rechtsmittel nicht vorgesehen (§ 6) und damit nicht zulässig. _____________ 10) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 186 Rz. 15; Schumacher in: MünchKommInsO, § 186 Rz. 9. 11) BGH, Beschl. v. 20.4.2011 – IX ZA 52/10, ZIP 2011, 1170.
Zweiter Abschnitt Verteilung § 187 Befriedigung der Insolvenzgläubiger Castrup
(1) Mit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger kann erst nach dem allgemeinen Prüfungstermin begonnen werden. (2) 1Verteilungen an die Insolvenzgläubiger können stattfinden, sooft hinreichende Barmittel in der Insolvenzmasse vorhanden sind. 2Nachrangige Insolvenzgläubiger sollen bei Abschlagsverteilungen nicht berücksichtigt werden. (3) 1Die Verteilungen werden vom Insolvenzverwalter vorgenommen. 2Vor jeder Verteilung hat er die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist. Übersicht I.
Vorbemerkung ..................................... 1
1118
II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger ........................................ 2
Castrup
§ 187 2. 4
Information der Gläubiger
Die den Antrag betreffenden Schriftsätze sind dem Gläubiger, dessen Forderung nachträglich bestritten werden soll, von Amts wegen (§ 8) zuzustellen (Abs. 2 Satz 1). 3.
5
Befriedigung der Insolvenzgläubiger
Folgen der Wiedereinsetzung
Obsiegt der Schuldner mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung, so gilt die Forderung als im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren bestritten (Abs. 2 Satz 2). Ein weiterer Prüfungstermin ist weder erforderlich noch zulässig.10) Das Insolvenzgericht hat den Widerspruch in der Tabelle zu vermerken. Der Widerspruch des Schuldners, der seine Nachhaftung gemäß § 201 verhindern soll, kann nur durch eine Klage nach § 184 beseitigt werden. III. Kosten und Rechtsmittel
6
Die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens trägt in der Regel der Schuldner (§ 4 InsO, § 238 Abs. 4 ZPO), es sei denn die versäumte Rechtshandlung ist auf ein fehlerhaftes Verhalten des Gerichts zurückzuführen (vgl. dazu die Ausführungen Rz. 2).
7
Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers (§ 18 RPflG) steht dem unterlegenen Gläubiger oder Schuldner die sofortige Erinnerung zu (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG), die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG, § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen ist.11) Hat der Richter gemäß § 18 Abs. 2 RPflG über das Wiedereinsetzungsgesuch entschieden, ist ein Rechtsmittel nicht vorgesehen (§ 6) und damit nicht zulässig. _____________ 10) Kübler/Prütting/Bork-Pape/Schaltke, InsO, § 186 Rz. 15; Schumacher in: MünchKommInsO, § 186 Rz. 9. 11) BGH, Beschl. v. 20.4.2011 – IX ZA 52/10, ZIP 2011, 1170.
Zweiter Abschnitt Verteilung § 187 Befriedigung der Insolvenzgläubiger Castrup
(1) Mit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger kann erst nach dem allgemeinen Prüfungstermin begonnen werden. (2) 1Verteilungen an die Insolvenzgläubiger können stattfinden, sooft hinreichende Barmittel in der Insolvenzmasse vorhanden sind. 2Nachrangige Insolvenzgläubiger sollen bei Abschlagsverteilungen nicht berücksichtigt werden. (3) 1Die Verteilungen werden vom Insolvenzverwalter vorgenommen. 2Vor jeder Verteilung hat er die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist. Übersicht I.
Vorbemerkung ..................................... 1
1118
II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger ........................................ 2
Castrup
§ 187
Befriedigung der Insolvenzgläubiger 1. 2.
Zeitpunkt ............................................... 2 Umfang .................................................. 3
I.
Vorbemerkung
3. 4.
Zu berücksichtigende Gläubiger .......... 5 Vornahme .............................................. 6
Durch die Verwertung der Insolvenzmasse erwirtschaftet der Verwalter Masse, die an die Gläubiger auszuschütten ist. Damit wird die – in der Regel teilweise – Befriedigung der Gläubiger realisiert. Dabei ist zwischen einer Abschlagsverteilung und der Schlussverteilung (§ 196) zu unterscheiden. Eine Abschlagsverteilung erfolgt, wenn vor dem Abschluss der Verwertungsmaßnahmen bereits Mittel zur Verfügung stehen, ohne dass das Endergebnis des Verfahrens feststeht. Im Gegensatz dazu erfolgt die Schlussverteilung nach Abschluss aller Verwertungsmaßnahmen. Für beide gilt jedoch ein einheitliches Regelwerk (§§ 188 – 195), das in Einzelfällen Unterscheidungen zwischen Abschlags- und Schlussverteilung trifft.
1
II. Verteilung an die Insolvenzgläubiger 1.
Zeitpunkt
Verteilungen dürfen erst nach dem Prüfungstermin stattfinden. Gemeint ist der im Eröffnungsbeschluss bestimmte Prüfungstermin (§ 29 Abs. 1 Nr. 2), nicht der zur Prüfung nachträglicher Anmeldungen (§ 177). Erst zu diesem Zeitpunkt werden die Gläubiger mit den Erklärungen des Verwalters zu ihren Forderungen konfrontiert und sind in der Lage, etwa dem Bestreiten des Verwalters durch eine Feststellungsklage entgegenzutreten. Der Verwalter ist gehalten, bis zum Prüfungstermin die angemeldeten Forderungen auf ihre Berechtigung zu prüfen. 2.
2
Umfang
Eine Verpflichtung zur Vornahme einer Verteilung besteht nur im Fall der Schlussverteilung. Abschlagsverteilungen kann der Verwalter nach eigenem Ermessen vornehmen.1) Er hat dabei abzuwägen, ob die vorhandenen Barmittel nicht anderweitig benötigt werden, etwa zur Deckung absehbarer Masseverbindlichkeiten.2) Nimmt er dennoch eine Verteilung vor, ist er einer Haftung ausgesetzt (§ 61). Der Verzicht auf eine Verteilung kann auch wirtschaftlich begründet sein. So dürfte regelmäßig eine Abfindung von Absonderungsrechten zur Vermeidung von Zinszahlungen einer Verteilung vorzuziehen sein.3)
3
Eine Einflussnahme des Insolvenzgerichts ist grundsätzlich i. R. der Aufsicht nach § 58 möglich.4) Es wird den Verwalter jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen zu einer Abschlagsverteilung anhalten können, denn mit einer entsprechenden Weisung trägt auch das Gericht ein Haftungsrisiko gegenüber ausgefallenen Massegläubigern.
4
_____________ 1) 2) 3) 4)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 187 Rz. 9: Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 187 Rz. 13. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 187 Rz. 9; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 187 Rz. 11. Begr. z. § 215 RegE/§ 187 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 186, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 420. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 187 Rz. 9; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 187 Rz. 4, 9; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 187 Rz. 6, 14.
Castrup
1119
§ 188 3. 5
Zu berücksichtigende Gläubiger
Empfänger einer Verteilung sind stets nur die Insolvenzgläubiger (§ 38). Nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 39) kommen nur zum Zuge, wenn die Befriedigung der Insolvenzgläubiger sichergestellt ist. Ein Abschlag ist gleichbedeutend mit einer nur teilweisen Befriedigung, weshalb nachrangige Gläubiger hier nicht zum Zuge kommen (Abs. 2 Satz 2).5) Massegläubiger sind stets außerhalb einer Verteilung vorab zu befriedigen (§ 53). 4.
6
Verteilungsverzeichnis
Vornahme
Die Durchführung von Verteilungen obliegt dem Insolvenzverwalter. Besteht ein Gläubigerausschuss, hat er dessen Zustimmung einzuholen. Seine Mitwirkung beschränkt sich nur darauf, ob überhaupt eine Verteilung stattfindet.6) Eine erteilte Zustimmung des Gläubigerausschusses begründet keine Verpflichtung, die Verteilung vorzunehmen.7) Erfolgt die Verteilung ohne Zustimmung, ist sie gegenüber den Gläubigern gleichwohl wirksam.8) Die Genehmigung des Insolvenzgerichts ist nur im Falle der Schlussverteilung (§ 196 Abs. 2) sowie bei Genossenschaften nach § 115a GenG und bei dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (§ 52 Abs. 2 VAG) erforderlich. _____________ 5)
6) 7) 8)
Begr. z. § 215 RegE/§ 187 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 186, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 420; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 187 Rz. 3; Irschlinger in: HKInsO, § 187 Rz. 6. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 187 Rz. 13. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 187 Rz. 10. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 187 Rz. 8.
§ 188 Verteilungsverzeichnis 1 Vor einer Verteilung hat der Insolvenzverwalter ein Verzeichnis der Forderungen aufzustellen, die bei der Verteilung zu berücksichtigen sind. 2Das Verzeichnis ist auf der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. 3Der Verwalter zeigt dem Gericht die Summe der Forderungen und den für die Verteilung verfügbaren Betrag aus der Insolvenzmasse an; das Gericht hat die angezeigte Summe der Forderungen und den für die Verteilung verfügbaren Betrag öffentlich bekannt zu machen.
Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Verteilungsverzeichnis ........................ 2 III. Bekanntmachung des Verzeichnisses ...................................................... 3
I. 1
IV. Besonderheiten bei der Schlussverteilung .............................................. 5
Vorbemerkung
Jede Verteilung muss nachvollziehbar sein. Gläubiger müssen die Möglichkeit haben, die Rechtmäßigkeit einer Verteilung zu überprüfen. Der Verwalter muss deshalb
1120
Castrup
§ 188
Verteilungsverzeichnis
die Verteilung in Form eines Verzeichnisses dokumentieren und die Absicht der Verteilung öffentlich bekannt machen. II. Verteilungsverzeichnis Das Verteilungsverzeichnis listet alle Forderungen, die bei der Verteilung berücksichtigt werden. Die Forderungen müssen demnach zumindest teilweise im Tabellenprüfungsverfahren (§§ 174 ff) festgestellt sein.1) Bestrittene, für den Ausfall festgestellte und aufschiebend bedingte Forderungen unterliegen Sonderregelungen (§§ 189 – 191). Zur Individualisierung gehört neben dem festgestellten Betrag der Forderung auch die Gläubigerbezeichnung. Weitere Angaben sind nicht erforderlich, aber zulässig. Vor der Erstellung wird der Verwalter einen Abgleich mit der gerichtlichen Insolvenztabelle vornehmen, da nur dort verbindlich Prüfungsergebnisse festgehalten sind.2) Eine Verpflichtung des Insolvenzgerichts zur Prüfung besteht nur i. R. der Schlussverteilung, da es dieser zustimmt (§ 196 Abs. 1).3)
2
III. Bekanntmachung des Verzeichnisses Das Verteilungsverzeichnis wird den Beteiligten nicht übersandt, sondern lediglich auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht ausgelegt. Zur Einsicht berechtigt sind die Personen, die auch ein Akteneinsichtsrecht haben. Eine besondere Form der Auslage ist nicht vorgeschrieben, sodass grundsätzlich das Bereithalten der Insolvenzakte zur Einsicht ausreicht. Die Auslage muss vor oder zumindest gleichzeitig mit der Veröffentlichung erfolgen, da andernfalls die Ausschlussfrist nach Absatz 1 nicht beginnt.4) Der Zeitraum orientiert sich an den aus der Veröffentlichung folgenden Zeiträumen.
3
Neben der Auslage wird das Verteilungsverzeichnis öffentlich bekannt gemacht. Mit Wirksamwerden der Bekanntmachung (§ 9 Abs. 1 Satz 3) werden Ausschlussfristen (§§ 189, 190) in Gang gesetzt. Eine fehlerhafte oder unterlassene Veröffentlichung steht einer Verteilung entgegen. Die Veröffentlichung erfolgt in dem nach § 9 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Blatt. Nachdem für alle Bundesländer das Internet (www.insolvenzbekanntmachungen.de) als amtliches Veröffentlichungsblatt bestimmt worden ist, erfolgt die Veröffentlichung durch das Insolvenzgericht,5) da für den Insolvenzverwalter keine Möglichkeit besteht, unmittelbar eine Veröffentlichung in das länderübergreifende elektronische Informationssystem unter www.insolvenzbekanntmachungen.de einzustellen.6) Daher sieht die gesetzliche Regelung vor, dass der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Summe der Forderungen und den für die Verteilung verfügbaren Betrag aus der Insolvenzmasse anzeigt und das Insolvenzgericht die angezeigte Summe sowie den für die Verteilung verfügbaren Betrag öffentlich bekannt macht. Zu veröffentlichen sind die
4
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 188 Rz. 3. Irschlinger in: HK-InsO, § 188 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 188 Rz. 19. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 188 Rz. 20. BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZR 145/12, ZIP 2013, 636. RegE Vereinfachung, BR-Drucks. 549/06, S. 41 – zu Nr. 24.
Castrup
1121
§ 189
Berücksichtigung bestrittener Forderungen
Summe der zu berücksichtigenden Forderungen sowie der Verteilungsbetrag (vgl. auch § 206 hinsichtlich möglicher Masseverbindlichkeiten). IV. Besonderheiten bei der Schlussverteilung 5
Leitet die Bekanntmachung die Schlussverteilung ein, sind hiermit weitere Wirkungen verbunden. Das Schlussverzeichnis stellt die Berücksichtigung der Insolvenzforderungen als Ergebnis des Insolvenzverfahrens fest. Ist eine Forderung nicht berücksichtigt worden, sieht die Insolvenzordnung den besonderen Rechtsbehelf „Einwendung gegen das Schlussverzeichnis“ vor. Eine bisher nicht berücksichtigte Forderung kann nur noch über eine Einwendung bei der Verteilung Berücksichtigung finden (vgl. § 194). Mit Bekanntmachung des Schlussverzeichnisses entfällt deshalb die Möglichkeit, Forderungen anzumelden. Entsprechendes gilt für laufende Leistungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1. Sie gehören zum Schuldenstand und sind mit dem Datum der Einreichung des Schlussverzeichnisses bei Gericht abzurechnen.
§ 189 Berücksichtigung bestrittener Forderungen (1) Ein Insolvenzgläubiger, dessen Forderung nicht festgestellt ist und für dessen Forderung ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil nicht vorliegt, hat spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung dem Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist. (2) Wird der Nachweis rechtzeitig geführt, so wird der auf die Forderung entfallende Anteil bei der Verteilung zurückbehalten, solange der Rechtsstreit anhängig ist. (3) Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Bestrittene Forderungen ..................... 2 III. Ausschlussfrist ...................................... 3
I. 1
IV. Auswirkungen ...................................... 6 V. Widerspruch des Verwalters gegen eine titulierte Forderung .................... 8
Vorbemerkung
An einer Verteilung nehmen grundsätzlich nur festgestellte Forderungen teil (§ 178 Abs. 1). Bestrittene Forderungen können nur Berücksichtigung finden, wenn der Gläubiger oder der Bestreitende das Feststellungsverfahren betreiben (§ 179 Abs. 1, 2). II. Bestrittene Forderungen
2
Die Regelung umfasst Forderungen, die nach § 178 Abs. 1 im Prüfungstermin in Gänze oder zum Teil durch einen Insolvenzgläubiger oder den Insolvenzverwalter bestritten wurden und nicht tituliert sind. Auch das „vorläufige Bestreiten“ führt zu
1122
Castrup
Berücksichtigung bestrittener Forderungen
§ 189
einer bestrittenen Forderung.1) Ein Widerspruch des Schuldners hat hier keinen Einfluss, da er der Feststellung nicht entgegensteht (§ 178 Abs. 1 Satz 2). III. Ausschlussfrist Um i. R. einer Verteilung Berücksichtigung zu finden, muss rechtzeitig eine Feststellungsklage erhoben und nachgewiesen werden. Rechtzeitig bedeutet, spätestens innerhalb von zwei Wochen, gerechnet ab Wirksamwerden der öffentlichen Bekanntmachung des Verteilungsverzeichnisses (§ 9 Abs. 1 Satz 3). Es handelt sich um eine Ausschlussfrist. Für die Berechnung gelten nach § 4 InsO, § 222 ZPO die §§ 187 ff BGB. Die Ausschlussfrist bezieht sich auf die jeweilige Verteilung (vgl. § 192). Handelt es sich bei der Verteilung um die Schlussverteilung, wirkt die Frist abschließend.2)
3
Der Nachweis der Klageerhebung erfolgt gegenüber dem Insolvenzverwalter. Eine besondere Form des Nachweises ist nicht vorgesehen. Ausreichend ist die Eingangsbestätigung des jeweils zuständigen Gerichts auf der Klageschrift.3) Die Klage muss wirksam erhoben worden sein. Aus dem Nachweis muss sich der Umfang der Klage ergeben. Der Nachweis der rechtzeitigen Klageerhebung ist so zu führen, dass der Insolvenzverwalter sicher erkennen kann, ob die Klage innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist erhoben worden ist.4)
4
Neben der Erhebung der Klage kommt die Aufnahme eines Prozesses, der nach § 240 ZPO unterbrochen ist, in Betracht.
5
IV. Auswirkungen Wird der Nachweis rechtzeitig geführt, wird die Forderung des Gläubigers bei der Verteilung berücksichtigt. Auf sie entfällt also eine Quote. Eine Auszahlung erfolgt nicht. Vielmehr wird der Betrag bis zur Entscheidung im Feststellungsverfahren zurückbehalten.
6
Kann der Nachweis bezogen auf die konkrete Verteilung nicht geführt werden, wird die Forderung nicht berücksichtigt. Ist die Verteilung die Schlussverteilung, fällt der Gläubiger mit seiner Forderung im gesamten Verfahren aus.
7
V. Widerspruch des Verwalters gegen eine titulierte Forderung Hat der Verwalter einer titulierten Forderung widersprochen, muss er seinen Widerspruch durchsetzen (§ 179 Abs. 2). Hat er dies versäumt, muss er die Forderung als festgestellt berücksichtigen.5) Ist das Feststellungsverfahren aufgenommen worden, aber noch nicht entschieden, sind die auf die Forderung entfallenden Beträge zurückzubehalten.6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6)
BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576 = ZInsO 2006, 320. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 189 Rz. 12. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 189 Rz. 12; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 189 Rz. 3. BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 143/11, ZIP 2012, 2071, dazu EWIR 2012, 767 (Baumert). Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 189 Rz. 10; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 189 Rz. 8; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 189 Rz. 3; Irschlinger in: HK-InsO, § 189 Rz. 1. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 189 Rz. 8.
Castrup
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8
§ 190
Berücksichtigung absonderungsberechtigter Gläubiger
§ 190 Berücksichtigung absonderungsberechtigter Gläubiger (1) 1Ein Gläubiger, der zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist, hat spätestens innerhalb der in § 189 Abs. 1 vorgesehenen Ausschlussfrist dem Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihr ausgefallen ist. 2Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt. (2) 1Zur Berücksichtigung bei einer Abschlagsverteilung genügt es, wenn der Gläubiger spätestens innerhalb der Ausschlussfrist dem Verwalter nachweist, dass die Verwertung des Gegenstands betrieben wird, an dem das Absonderungsrecht besteht, und den Betrag des mutmaßlichen Ausfalls glaubhaft macht. 2In diesem Fall wird der auf die Forderung entfallende Anteil bei der Verteilung zurückbehalten. 3Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 bei der Schlussverteilung nicht erfüllt, so wird der zurückbehaltene Anteil für die Schlussverteilung frei. (3) 1Ist nur der Verwalter zur Verwertung des Gegenstands berechtigt, an dem das Absonderungsrecht besteht, so sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden. 2Bei einer Abschlagsverteilung hat der Verwalter, wenn er den Gegenstand noch nicht verwertet hat, den Ausfall des Gläubigers zu schätzen und den auf die Forderung entfallenden Anteil zurückzubehalten. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Gleichstellung mit einer bestrittenen Forderung .................................. 2 III. Verteilungsart ....................................... 4
I. 1
1. Abschlagsverteilung .............................. 5 2. Schlussverteilung ................................... 8 IV. Verwertungsrecht .............................. 11
Vorbemerkung
Absonderungsgläubiger (§§ 49 – 52) genießen nur insoweit die Stellung eines Insolvenzgläubigers, als der Schuldner ihnen gegenüber auch persönlich haftet1) und sie auf abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausfallen (§ 52). Nur in diesem Umfang nehmen sie an einer Verteilung teil. Liegt das Verwertungsrecht nicht in ihrer Hand, ist es Aufgabe des Verwalters, den Umfang der Berücksichtigung festzustellen. II. Gleichstellung mit einer bestrittenen Forderung
2
Forderungen der Absonderungsgläubiger nehmen ebenso wie bestrittene Forderungen nicht an der Verteilung teil, solange der Ausfall oder der Verzicht nicht feststeht. Eine Feststellung erfolgt nach Betrag und Rang (§ 178 Abs. 2 Satz 1). Ist der Betrag nicht bestimmbar, weil der Erlös aus der Verwertung des Absonderungsgegenstandes noch nicht feststeht, kann folglich keine Feststellung nach einem konkreten Betrag, sondern nur dem Grunde nach erfolgen. Solche Forderungen werden im Tabellenprüfungsverfahren für den Nichtfachmann irreführend „für den _____________ 1)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 190 Rz. 1.
1124
Castrup
Berücksichtigung absonderungsberechtigter Gläubiger
§ 190
Ausfall festgestellt“. Die Behandlung der Forderungen entspricht vom Grundsatz her der Behandlung bestrittener Forderungen. Eine Teilnahme an der Verteilung kommt nur in Betracht, wenn die Höhe des Ausfalls bezifferbar ist. Insoweit erlangt der Absonderungsgläubiger die Stellung eines Insolvenzgläubigers. In erster Linie ergibt sich aus Verwertungsmaßnahmen, inwieweit der Gläubiger aus dem Gegenstand befriedigt wird. Der dann verbleibende Rest stellt den Ausfall dar, der nunmehr wie eine persönliche Forderung behandelt werden kann.2)
3
III. Verteilungsart Abhängig von der Art der Verteilung, also Abschlags- oder Schlussverteilung, ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen. 1.
4
Abschlagsverteilung
Um i. R. einer Abschlagsverteilung berücksichtigt zu werden, muss der Gläubiger innerhalb der Ausschlussfrist (§ 189 Abs. 1) nachweisen, dass die Verwertung des Absonderungsgegenstandes anhängig ist. Ein Ergebnis der Verwertung ist noch nicht erforderlich. Soweit die Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt, kann der Nachweis durch den Eingangsvermerk zum Versteigerungsantrag (§ 15 ZVG) oder der Beauftragung eines Gerichtsvollziehers erbracht werden. Soll die Verwertung außergerichtlich erfolgen, müssen konkrete Verwertungsaktivitäten nachgewiesen werden, z. B. die Beauftragung einer Verwertungsgesellschaft.
5
Weiterhin ist die Höhe des vermutlichen Ausfalls glaubhaft zu machen (§ 4 InsO, § 294 ZPO). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung hängen vom Einzelfall ab. Im Zwangsversteigerungsverfahren stehen Wertgutachten, die eine Berechnung des Ausfalls ermöglichen, zur Verfügung. Der Wert eines PKWs lässt sich anhand allgemein zugänglicher Listen bewerten. Der so ermittelte vermutliche Ausfall wird bei der Verteilung durch Zurückbehalten des darauf entfallenden Anteils berücksichtigt.
6
Folgt der Abschlagsverteilung die Schlussverteilung, muss hierfür der Ausfall feststehen. Ansonsten wird der zurückbehaltene Betrag i. R. der Verteilung an die anderen Gläubiger ausgekehrt.3)
7
2.
Schlussverteilung
Die Schlussverteilung ist abschließend. Der Gläubiger muss daher innerhalb der Ausschlussfrist den Ausfall konkret nachweisen. Eine Schätzung kommt nicht in Betracht. Inhaltlich gibt der Nachweis das Ergebnis der Verwertung wieder. Diese muss also abgeschlossen sein.
8
Anstelle des Ausfalls kann der Gläubiger den Verzicht der abgesonderten Befriedigung nachweisen. Dazu reicht eine Erklärung über den Verzicht gegenüber dem Verwalter nicht aus.4) Nachweis des Verzichts bedeutet, dass der Verzicht rechts
9
_____________ 2) 3) 4)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 190 Rz. 5. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 190 Rz. 13. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 190 Rz. 6.
Castrup
1125
§ 191
Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen
wirksam vollzogen worden ist, z. B. durch die abgegebene Löschungsbewilligung zu einem Grundpfandrecht.5) Gelingt es dem Gläubiger nicht, Ausfall oder Verzicht nachzuweisen, nimmt er nicht an der Verteilung teil. 10
Adressat der Erklärung des Gläubigers ist unabhängig von der Verteilungsart stets der Insolvenzverwalter. IV. Verwertungsrecht
11
Das durch Absätze 1 und 2 beschriebene Verhalten kann dem Gläubiger nur abverlangt werden, wenn er berechtigt ist, den Gegenstand zu verwerten. Steht das Verwertungsrecht dem Verwalter zu (§ 166), obliegt es ihm, den Ausfall für die Abschlagsverteilung zu schätzen bzw. den Gegenstand bis zur Schlussverteilung zu verwerten.6) Gibt er den Gegenstand frei, muss er dem Gläubiger ausreichend Zeit geben, damit dieser nach Absatz 1 oder 2 tätig werden kann. _____________ 5) 6)
Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 190 Rz. 8. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 190 Rz. 14.
§ 191 Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen (1) 1Eine aufschiebend bedingte Forderung wird bei einer Abschlagsverteilung mit ihrem vollen Betrag berücksichtigt. 2Der auf die Forderung entfallende Anteil wird bei der Verteilung zurückbehalten. (2) 1Bei der Schlussverteilung wird eine aufschiebend bedingte Forderung nicht berücksichtigt, wenn die Möglichkeit des Eintritts der Bedingung so fern liegt, dass die Forderung zur Zeit der Verteilung keinen Vermögenswert hat. 2In diesem Fall wird ein gemäß Absatz 1 Satz 2 zurückbehaltener Anteil für die Schlussverteilung frei. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Unterscheidung nach Abschlagsund Schlussverteilung ......................... 2
I. 1
1. 2.
Abschlagsverteilung .............................. 3 Schlussverteilung ................................... 4
Vorbemerkung
Aufschiebend bedingte Forderungen1) gelten im Grundsatz als festgestellte Forderungen. Ihre Berücksichtigung ist jedoch von der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts abhängig. Auflösend bedingte Forderungen nehmen ohne Einschränkungen an der Verteilung teil (vgl. § 42),2) sodass es einer besonderen Regelung i. R. der Verteilung nicht bedarf.
_____________ 1) 2)
Zum Begriff „aufschiebend bedingt“ ausführl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 191 Rz. 1 – 4. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 191 Rz. 8.
1126
Castrup
§ 192
Nachträgliche Berücksichtigung
II. Unterscheidung nach Abschlags- und Schlussverteilung Charakteristisch für die hier betroffenen Forderungen ist, dass ihre Realisierung von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist. Eine Einschätzung, inwieweit der Eintritt der Bedingung sichergestellt ist, ist erst im Zusammenhang mit der Schlussverteilung erforderlich. 1.
Abschlagsverteilung
Bei einer Abschlagsverteilung wird die Forderung berücksichtigt, der auf sie entfallene Teil allerdings zurückbehalten. Zu diesem Zeitpunkt kann der Eintritt der Bedingung noch abgewartet werden, da folgende Verteilungen eine nachträgliche Regulierung ermöglichen. Ergibt sich im weiteren Verfahren, dass die Bedingung sicher nicht eintritt, ist der zurückbehaltene Betrag an die übrigen Gläubiger auszuschütten. 2.
2
3
Schlussverteilung
Der abschließende Charakter der Schlussverteilung verlangt, hinsichtlich des Bedingungseintritts eine Entscheidung zu treffen. Maßgebend für die Entscheidung ist die Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts. Ist sie verschwindend gering, wird der auf die Forderung entfallende Betrag für die übrigen Gläubiger frei. Andernfalls ist der Betrag ebenso wie bei der Abschlagsverteilung zurückzubehalten und erst nach Eintritt der Bedingung an den Gläubiger auszuschütten.
4
§ 192 Nachträgliche Berücksichtigung Gläubiger, die bei einer Abschlagsverteilung nicht berücksichtigt worden sind und die Voraussetzungen der §§ 189, 190 nachträglich erfüllen, erhalten bei der folgenden Verteilung aus der restlichen Insolvenzmasse vorab einen Betrag, der sie mit den übrigen Gläubigern gleichstellt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Erfasste Forderungen .......................... 2 1. Bestrittene Forderungen (§ 189) ......... 3
I.
2.
Absonderungsberechtigte Gläubiger (§ 190) .................................. 4 III. Verfahren .............................................. 5
Vorbemerkung
Die Vorschrift beschreibt ein einheitliches Verfahren zur Berücksichtigung der Gläubiger, die bei einer vorhergehenden Abschlagsverteilung nicht berücksichtigt worden sind. Zweck ist es, diese Gläubiger den übrigen gleichzustellen. Auf die Schlussverteilung ist diese Vorschrift, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, nicht anzuwenden.
1
II. Erfasste Forderungen Einbezogen werden nur Forderungen, die bei einer Abschlagsverteilung nicht berücksichtigt worden sind. Dazu zählen demnach nicht die Forderungen, für die ein Anteil zurückbehalten wurde. Ihr Anteil wird an die betroffenen Gläubiger ausgeschüttet, sobald etwa ein Feststellungsurteil die bestrittene Forderung feststellt. Castrup
1127
2
§ 193
Änderung des Verteilungsverzeichnisses
Einzubeziehen sind auch Forderungen, die der Verwalter ungerechtfertigt nicht berücksichtigt hat.1) Ist die Masse nicht ausreichend, kommt nur ein Haftungsanspruch gegen den Verwalter, nicht gegen die Masse in Betracht.2) 1. 3
2. 4
Bestrittene Forderungen (§ 189)
Hat der Gläubiger innerhalb der die Abschlagsverteilung betreffenden Notfrist nicht die Erhebung der Feststellungsklage nachgewiesen, sondern erst nach Ablauf dieser Frist, wird er bei der folgenden Verteilung vorab berücksichtigt. Diese Berücksichtigung führt nicht zwingend zu einer Ausschüttung, sondern kann auch in der Zurückbehaltung des auf die Forderung bei der abgeschlossenen Verteilung entfallenden Betrages bestehen, wenn in der Sache noch keine Entscheidung (Feststellungsurteil) vorliegt. Absonderungsberechtigte Gläubiger (§ 190)
Kann der Gläubiger den Nachweis nach § 190 Abs. 1 führen (Nachweis des Ausfalls oder Verzicht), erhält er den Betrag vorab, mit dem er bei der vorhergehenden Abschlagsverteilung berücksichtigt worden wäre. Weist er hingegen nur nach, dass er die Verwertung betreibt, und macht den zu erwartenden Ausfall glaubhaft (§ 190 Abs. 2), wird dieser Ausfall zurückbehalten. III. Verfahren
5
Zu berücksichtigende Gläubiger sind für die in den §§ 189, 190 geregelten Fälle auf die gegenüber dem Verwalter zu führenden Nachweise hin in das Verteilungsverzeichnis aufzunehmen und dort gesondert auszuweisen.3) Forderungen, die der Verwalter versehentlich nicht berücksichtigt hat, nimmt er nach Feststellung des Versehens von Amts wegen auf.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 192 Rz. 5; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 192 Rz. 3. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 192 Rz. 8. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 193 Rz. 13. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 192 Rz. 6.
§ 193 Änderung des Verteilungsverzeichnisses Der Insolvenzverwalter hat die Änderungen des Verzeichnisses, die aufgrund der §§ 189 bis 192 erforderlich werden, binnen drei Tagen nach Ablauf der in § 189 Abs. 1 vorgesehenen Ausschlussfrist vorzunehmen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Änderung des Verzeichnisses ............. 2
I. 1
III. Berichtigung ......................................... 4
Vorbemerkung
Führen Gläubiger die erforderlichen Nachweise nach den §§ 189 – 192, muss der Verwalter das Verteilungsverzeichnis berichtigen. Dies hat innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der Notfrist des § 189 Abs. 1 zu erfolgen. 1128
Castrup
§ 194
Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis
II. Änderung des Verzeichnisses Durch die Festlegung einer Frist für die Änderung des Verzeichnisses wird zum einen der Verteilungsvorgang beschleunigt und zum anderen für Rechtsicherheit gesorgt. Eine Vorlage des geänderten Verzeichnisses bei Gericht ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Allerdings benötigt das Gericht zur Entscheidung über Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis (vgl. § 194) stets das aktuelle Verzeichnis, unabhängig von der Art der Verteilung. Die Behandlung des – aktuellen – Verteilungsverzeichnisses i. R. der Schlussverteilung ist Tagesordnungspunkt des Schlusstermins (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2). Daraus folgt, dass der Verwalter nach Änderungen ein aktualisiertes Verzeichnis der Auslage bei Gericht zuführen muss.1)
2
Neben den in der Norm genannten Fällen kommt auch die Berichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten in Betracht.2)
3
III. Berichtigung Berichtigungen können ausschließlich durch den Verwalter vorgenommen werden. Eine Änderung durch das Insolvenzgericht scheidet aus.3) _____________ 1)
2) 3)
Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 193 Rz. 9; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 193 Rz. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 193 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 193 Rz. 4; Irschlinger in: HK-InsO, § 193 Rz. 2. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 193 Rz. 3. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 193 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 193 Rz. 2.
§ 194 Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis (1) Bei einer Abschlagsverteilung sind Einwendungen eines Gläubigers gegen das Verzeichnis bis zum Ablauf einer Woche nach dem Ende der in § 189 Abs. 1 vorgesehenen Ausschlussfrist bei dem Insolvenzgericht zu erheben. (2) 1Eine Entscheidung des Gerichts, durch die Einwendungen zurückgewiesen werden, ist dem Gläubiger und dem Insolvenzverwalter zuzustellen. 2Dem Gläubiger steht gegen den Beschluss die sofortige Beschwerde zu. (3) 1Eine Entscheidung des Gerichts, durch die eine Berichtigung des Verzeichnisses angeordnet wird, ist dem Gläubiger und dem Verwalter zuzustellen und in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. 2Dem Verwalter und den Insolvenzgläubigern steht gegen den Beschluss die sofortige Beschwerde zu. 3Die Beschwerdefrist beginnt mit dem Tag, an dem die Entscheidung niedergelegt worden ist. Übersicht I. II. III. 1.
Vorbemerkung ..................................... 1 Einwendungen ..................................... 3 Verfahren .............................................. 7 Zurückweisung .................................... 11
2. Änderung des Verzeichnisses ............. 12 3. Zurückweisung und Änderung ........... 13 IV. Unabänderbarkeit des Verzeichnisses ........................................... 15
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1129
4
§ 194 I.
Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis
Vorbemerkung
1
Auch das durch den Verwalter erstellte Verteilungsverzeichnis muss gerichtlicher Kontrolle unterliegen, da es sich unmittelbar auf die Befriedigungsmöglichkeiten des Gläubigers auswirkt. Die Insolvenzordnung sieht hierzu den besonderen Rechtsbehelf der Einwendung gegen das Verteilungsverzeichnis vor. Das Verfahren dient der zügigen Abwicklung der Verteilung.
2
Die Vorschrift gilt mit Ausnahme des Absatzes 1 auch für die Schlussverteilung (§ 197 Abs. 2).1) Ein Unterschied ergibt sich nur insoweit, als dass die Einwendung im Schlusstermin zu erheben ist (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2). II. Einwendungen
3
In Betracht kommen Einwendungen, die das Verzeichnis aus Sicht des Einwenders unrichtig erscheinen lassen und sich dies für ihn nachteilig auswirkt (Rechtsschutzbedürfnis). Beispiele: Nichtberücksichtigung des Prüfungsergebnisses, falsche Berechnung von Zinsen, die Nichtaufnahme einer Forderung oder Nichtberücksichtigung von Änderungen nach den §§ 189 – 192. Durch eine Einwendung können die Voraussetzungen der §§ 189, 190 nicht nachträglich geltend gemacht. Für diese Fälle gilt die Ausschlussfrist nach § 189 Abs. 1.
4
Stärkste Einwendung gegen das Verzeichnis ist die Behauptung, nicht enthalten zu sein. Handelt es sich um das Schlussverzeichnis, kann nur so eine noch nicht erfolgte Anmeldung geltend gemacht werden.2) Begründet ist die Einwendung nur, wenn der Gläubiger vorbringen kann, von dem Insolvenzverfahren nicht rechtzeitig erfahren zu haben. Im Hinblick auf die Zustellungsfiktion des § 9 Abs. 3 ist dieser Beweis kaum zu führen.
5
Einwendungen können nur Anmeldegläubiger erheben,3) die ein rechtliches Interesse an der Verfolgung der Einwendung haben.
6
Gegenstand der Einwendung kann nicht der Inhalt einer Feststellungsklage nach §§ 180 ff sein.4) Solche Einwendungen unterliegen der Ausschlussfrist nach § 189 Abs. 1.5) III. Verfahren
7
Zu erheben ist die Einwendung bei dem Insolvenzgericht. Sie ist spätestens innerhalb einer Woche nach Ablauf der Ausschlussfrist nach § 189 Abs. 1 zu erheben. Eine Verlängerung der Frist ist nicht möglich (§ 4 InsO, § 224 Abs. 2 ZPO).6)
8
Handelt es sich um das Schlussverzeichnis, kann die Einwendung nur im Schlusstermin bzw. im schriftlichen Verfahren nach Bestimmung des Schlusstermins zum _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 194 Rz. 1. LG Verden, Beschl. v. 20.5.2005 – 6 T 41/05, ZVI 2005, 321 = ZInsO 2005, 949. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 194 Rz. 4; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 194 Rz. 2; Irschlinger in: HK-InsO, § 194 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 194 Rz. 6. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 194 Rz. 4; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 194 Rz. 5; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 194 Rz. 4. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 194 Rz. 9.
1130
Castrup
Einwendungen gegen das Verteilungsverzeichnis
§ 194
Stichtag erfolgen (§ 197 Abs. 1 Nr. 2). Soweit Änderungen i. S. der §§ 189 bis 192 geltend gemacht werden, müssen diese zuvor gegenüber dem Verwalter geltend gemacht und von diesem abgelehnt worden sein. Nach dem Wortlaut der Vorschrift hat die Einwendung keine aufschiebende Wirkung. Allerdings würde eine trotz vorliegender Einwendung vorgenommene Verteilung das Einwendungsverfahren überflüssig machen. Vor der Verteilung ist deshalb die Entscheidung im Einwendungsverfahren abzuwarten.7) Betroffene sind vor der Entscheidung zu hören.8)
9
Entscheidungen des Gerichts ergehen durch Beschluss. An wen die Entscheidung zu übermitteln ist, richtet sich danach, ab das Verzeichnis geändert oder der Antrag des Gläubigers zurückgewiesen wird. Entsprechendes gilt für das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.
10
1.
Zurückweisung
Wird der Antrag des Gläubigers zurückgewiesen, ist die Entscheidung ihm und dem Verwalter zuzustellen. Die übrigen Gläubiger sind nicht beschwert, da das bestehende Verzeichnis nicht geändert wird. Alleine der abgewiesene Gläubiger ist beschwerdeberechtigt. 2.
Änderung des Verzeichnisses
Durch die Änderung sind alle Gläubiger betroffen, da sich ihre Quote ändert. Dem Gläubiger, dessen Eintrag geändert wurde und dem Verwalter ist der Beschluss zuzustellen. Den übrigen Gläubigern wird das geänderte Verzeichnis durch Auslage auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Kenntnis gebracht. Beschwerdeberechtigt sind der Verwalter und jeder Insolvenzgläubiger. Die Beschwerdefrist beginnt nicht mit der Zustellung, sondern mit der Auslage des geänderten Verzeichnisses. Eine besondere Zustellung an alle Insolvenzgläubiger ist nicht erforderlich, auch nicht durch den Insolvenzverwalter. Die Auslage ist in vielen Fällen einzige Informationsquelle der Gläubiger und soll Massenzustellungen vermeiden.9) 3.
11
12
Zurückweisung und Änderung
Möglich ist auch eine teilweise Änderung des Verteilungsverzeichnisses. Dann sind sowohl Zustellungen an Verwalter und Antragsteller als auch die Auslage des Verteilungsverzeichnisses erforderlich. Formal gelten dann allerdings unterschiedliche Fristen. In Bezug auf die Zurückweisung beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung, hinsichtlich der Änderung mit Auslage.
13
Aus den Beschwerdeberechtigungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur die Verfolgung der Berücksichtigung der Forderung eines Gläubigers regeln wollte. Denkbar ist daneben auch die Einwendung, die Forderung eines anderen Gläubigers sei zu Unrecht im Verteilungsverzeichnis berücksichtigt worden. Von der Abweisung dieser Einwendung sind entgegen Absatz 2 alle Insolvenzgläubiger betroffen.
14
_____________ 7) 8) 9)
Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 195 Rz. 18. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 194 Rz. 11. A. A. Irschlinger in: HK-InsO, § 194 Rz. 8.
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1131
§ 195
Festsetzung des Bruchteils
IV. Unabänderbarkeit des Verzeichnisses 15
Werden keine Einwendungen erhoben bzw. eine Einwendung rechtskräftig zurückgewiesen, ist das Verteilungsverzeichnis bezogen auf die jeweilige Verteilung nicht mehr änderbar.10) Entsprechendes gilt, wenn eine Änderung nicht angefochten oder die sofortige Beschwerde hiergegen rechtskräftig abgewiesen wird.
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Für die Schlussverteilung bedeutet dies, dass mit Einreichung des Verzeichnisses bei dem Insolvenzgericht das Anmeldeverfahren zur Forderungsprüfung beendet wird, denn das Schlussverzeichnis bildet hinsichtlich der Gläubigerbefriedigung das Ergebnis des Insolvenzverfahrens. Nunmehr kann eine Berücksichtigung einer Forderung nur noch i. R. der §§ 189 – 194 erfolgen. Für nachrangige laufende Leistungen (Zinsen ab Eröffnung sowie Säumniszuschläge, § 39 Abs. 1 Nr. 1) endet mit Einreichung die Laufzeit der Zinsen und Säumniszuschläge, da auch diese betragsmäßig in das Schlussverzeichnis aufzunehmen sind. _____________ 10) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 188 Rz. 19.
§ 195 Festsetzung des Bruchteils (1) 1Für eine Abschlagsverteilung bestimmt der Gläubigerausschuss auf Vorschlag des Insolvenzverwalters den zu zahlenden Bruchteil. 2Ist kein Gläubigerausschuss bestellt, so bestimmt der Verwalter den Bruchteil. (2) Der Verwalter hat den Bruchteil den berücksichtigten Gläubigern mitzuteilen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Bruchteil ............................................... 2 III. Abschlagsverteilung ............................ 4
I. 1
IV. Schlussverteilung ................................. 5 V. Information der Gläubiger ................. 6
Vorbemerkung
Bei der Bestimmung des Bruchteils ist zwischen Abschlags- und Schlussverteilung zu unterscheiden. Im Rahmen der Schlussverteilung muss der Verwalter alle ihm zur Verfügung stehenden Gelder an die Gläubiger ausschütten, während er bei einer Abschlagsverteilung nur die voraussichtlich nicht mehr benötigten ausschüttet. II. Bruchteil
2
Der Bruchteil errechnet sich aus dem Verhältnis des auszuschüttenden Betrages zum Gesamtbetrag der festgestellten Forderungen und wird in Prozent ausgedrückt: Quote (%)
3
(Ausschüttungsbetrag u 100) Summe der festgestellten Forderungen
Die Genauigkeit der Nachkommastellen ist nicht geregelt. Im Verhältnis zueinander werden somit die Gläubiger gleichbehandelt. 1132
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§ 196
Schlussverteilung
III. Abschlagsverteilung Schüttet der Verwalter Gelder während des noch nicht abschlussreifen Verfahrens aus, besteht die Gefahr, dass er später entstehende Masseverbindlichkeiten nicht mehr tilgen kann. Das Verfahren kann so in den Bereich der Masseunzulänglichkeit, in Extremfällen der Massearmut gelangen. Ist ein Gläubigerausschuss bestellt, muss dieser als von den Gläubigern beauftragtes Organ den Bruchteil nach einem Vorschlag des Verwalters bestimmen. Der Ausschuss ist an die gesetzlichen Regelungen gebunden. Werden sie missachtet, ist der Verwalter gehalten, dem entgegenzutreten bzw. darauf basierende Ausschüttungen nicht vorzunehmen.1) Existiert kein Gläubigerausschuss, obliegt dies dem Verwalter. Damit wird zumindest in Großverfahren eine Kontrolle über den auszuschüttenden Betrag konstituiert. Eine Mitwirkung des Insolvenzgerichts kommt nur in Betracht, wenn der Verwalter Anlass zu Aufsichtsmaßnahmen nach § 58 gibt, z. B. Vornahme einer Ausschüttung ohne Bestimmung der Quote durch den Gläubigerausschuss.
4
IV. Schlussverteilung Für die Schlussverteilung bestimmt der Verwalter die Quote anhand der für die Insolvenzgläubiger verbleibenden Masse. Kontrolliert wird seine Berechnung über die Prüfung der Rechnungslegung durch das Insolvenzgericht.
5
V. Information der Gläubiger Durch die Mitteilungspflicht an die Gläubiger wird diesen ermöglicht, die korrekte Ausschüttung zugunsten ihrer Forderung zu überprüfen. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben, sodass es genügt, die Quote in den Verwendungszweck der Überweisung aufzunehmen.2) _____________ 1) 2)
6
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 195 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 195 Rz. 5. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 195 Rz. 10.
§ 196 Schlussverteilung (1) Die Schlussverteilung erfolgt, sobald die Verwertung der Insolvenzmasse mit Ausnahme eines laufenden Einkommens beendet ist. (2) Die Schlussverteilung darf nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichts vorgenommen werden. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Ende der Verwertung .......................... 2 III. Durchführung der Verteilung ............ 3
I.
IV. Zustimmungserfordernis .................... 5 V. Rechtsmittel ......................................... 7
Vorbemerkung
Anders als eine Abschlagsverteilung ist die Schlussverteilung nicht in das Ermessen des Verwalters gestellt. Ist die Verwertung der Masse vollzogen, muss der Verwalter Castrup
1133
1
§ 196
Schlussverteilung
die Schlussverteilung einleiten. Die Verteilung bezieht sich nur auf Insolvenzgläubiger. Masseverbindlichkeiten begleicht der Verwalter stets vorab (§ 53). Es gelten die §§ 187 – 195 unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Schlussverteilung. II. Ende der Verwertung 2
Verwertung bedeutet in erster Linie die Umwandlung von Gegenständen und Ansprüchen in Geld. Daneben kann die Verwertung der Masse auch in der Freigabe eines Gegenstandes oder der Feststellung der Nichtverwertbarkeit eines Gegenstandes bestehen.1) Über die Verwendung nicht verwertbarer Gegenstände entscheidet die Gläubigerversammlung (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3). Gegenstände, deren Verwertung noch nicht möglich ist, können einer Nachtragsverteilung vorbehalten werden.2) Laufendes Einkommen hindert ebenfalls nicht (Satz 2). Soweit es bis zur Aufhebung in die Masse gezogen wird, ist es im Wege einer Nachtragsverteilung zu verteilen. III. Durchführung der Verteilung
3
Obwohl die Formulierung des Absatzes 1 die Verteilung an den Abschluss der Verwertung bindet, kann sie faktisch erst nach Abhaltung des Schlusstermins vorgenommen werden. Im Termin wird auch über Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis entschieden (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), d. h. der Verteilungsschlüssel steht erst nach Abhaltung des Termins bzw. rechtskräftiger Entscheidung über Einwendungen nach § 197 Abs. 3 endgültig fest.3)
4
Nach der Durchführung rechnet der Verwalter dem Insolvenzgericht gegenüber ab. Diese Rechnungslegung erstreckt sich über den seit der Schlussrechnung vergangenen Zeitraum und belegt auch die Beträge, die nicht verausgabt wurden oder einer Nachtragsverteilung vorzubehalten sind.4) IV. Zustimmungserfordernis
5
Anders als eine Abschlagsverteilung bedarf die Schlussverteilung der Zustimmung des Insolvenzgerichts. Eine Schlussverteilung hat abschließenden Charakter und kann später nicht mehr korrigiert werden. Die Genehmigung des Insolvenzgerichts steht in engem Zusammenhang zur Prüfung der Schlussrechnung des Verwalters, da sich daraus der Abschluss der Verwertung und die zur Verteilung verfügbare Masse ergibt.5) Formell wird die Zustimmung durch Beschluss erteilt, da hiermit die Bestimmung des Schlusstermins einhergeht (§ 197 Abs. 1 Satz 1). Die Zustimmung richtet sich an den Verwalter und wird mit Zugang des Beschlusses bei ihm wirksam.6) Sie kann widerrufen werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.7) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 196 Rz. 1; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 194 Rz. 4. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 196 Rz. 5; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rz. 4. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rz. 4. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rz. 16. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 196 Rz. 15; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rz. 8; Irschlinger in: HK-InsO, § 196 Rz. 6. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rz. 10. Irschlinger in: HK-InsO, § 196 Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 196 Rz. 18.
1134
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§ 197
Schlusstermin
Verteilt der Verwalter ohne Zustimmung des Gerichts, setzt er sich Haftungsansprüchen (§ 60) und Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts (§ 58) aus.8) Nach außen ist die Verteilung gleichwohl wirksam.9)
6
V. Rechtsmittel Die Zustimmungserteilung unterliegt nicht der sofortigen Beschwerde (§ 6 Abs. 1). Regelmäßig ergeht die Zustimmung durch den Rechtspfleger, sodass die sofortige Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zulässig ist.
7
_____________ 8) 9)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rz. 15; Irschlinger in: HK-InsO, § 196 Rz. 10. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 196 Rz. 6.
§ 197 Schlusstermin (1) 1Bei der Zustimmung zur Schlussverteilung bestimmt das Insolvenzgericht den Termin für eine abschließende Gläubigerversammlung. 2Dieser Termin dient 1.
zur Erörterung der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters,
2.
zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis und
3.
zur Entscheidung der Gläubiger über die nicht verwertbaren Gegenstände der Insolvenzmasse.
(2) Zwischen der öffentlichen Bekanntmachung des Termins und dem Termin soll eine Frist von mindestens einem Monat und höchstens zwei Monaten liegen. (3) Für die Entscheidung des Gerichts über Einwendungen eines Gläubigers gilt § 194 Abs. 2 und 3 entsprechend. Übersicht I. II. 1. 2.
I.
Vorbemerkung ..................................... Gegenstände des Schlusstermins ....... Schlussrechnung des Verwalters .......... Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis .............................................
1 2 2 3
3.
Entscheidung über nicht verwertbare Gegenstände ........................... 4 4. Weitere Tagesordnungspunkte ............. 5 III. Bestimmung und Veröffentlichung des Termins ............................ 7
Vorbemerkung
Letzter Termin eines Insolvenzverfahrens ist der Schlusstermin. In dieser Gläubigerversammlung wird den Gläubigern das Verfahrensergebnis eröffnet. Ist das Verfahren massearm oder masseunzulänglich gelten Sonderregelungen (§§ 207, 211).
1
II. Gegenstände des Schlusstermins 1.
Schlussrechnung des Verwalters
Bereits aus § 66 Abs. 1 ergibt sich, dass der Verwalter zum Ende des Amtes der Gläubigerversammlung Rechnung zu legen hat. Über den Inhalt der Schlussrechnung sowie über das Prüfungsprotokoll eines Sachverständigen können sich die Gläubiger durch Einsichtnahme vergewissern (§ 66 Abs. 2 Satz 2). Der Begriff
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1135
2
§ 197
Schlusstermin
Schlussrechnung umfasst auch einen Schlussbericht. Einwendungen gegen die Schlussrechnung müssen im Termin persönlich vorgetragen werden.1) 2. 3
Anders als bei einer Abschlagsverteilung können Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis nur im Schlusstermin erhoben werden.2) Das setzt voraus, dass der einwendende Gläubiger im Termin anwesend ist bzw. ordnungsgemäß vertreten wird. Für die Entscheidung gilt § 194 Abs. 2 und 3 entsprechend (Abs. 3). 3.
4
Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis
Entscheidung über nicht verwertbare Gegenstände
Sind nach Ansicht des Insolvenzverwalters Gegenstände nicht zu verwerten, trägt er dies den Gläubigern zur Entscheidung vor. Begrifflich bedeutet nicht verwertbar auch, dass die Kosten einer Verwertung zu keinem nennenswerten Erlös führen. In Betracht kommen nur Fälle, in denen der Verwalter von Unsicherheiten getragen ist, denn er hat während des laufenden Verfahrens jederzeit die Möglichkeit, einen Gegenstand freizugeben.3) 4.
Weitere Tagesordnungspunkte
5
Im Schlusstermin ist, soweit ein Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt worden ist (§ 287), über den Antrag zu verhandeln. Nur im Schlusstermin kann ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt werden (§ 290 Abs. 1). In Betracht kommt auch die Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 Abs. 1 Satz 3).
6
Da der Gläubiger ein rechtliches Interesse daran hat, dass seine Forderung im Tabellenprüfungsverfahren tituliert wird (§ 178 Abs. 3) können grundsätzlich bis zum bzw. im Schlusstermin noch nachträglich Forderungen angemeldet und auch nachträgliche Anmeldungen geprüft werden. Sie führen allerdings selbst dann nicht mehr zur Aufnahme in das Schlussverzeichnis oder gar zu einer Verteilung an sie, wenn sie festgestellt werden,4) es sei denn, es wird eine begründete Einwendung gegen das Schlussverzeichnis erhoben. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Folge ist die Bestimmung des Schlusstermins durch das Insolvenzgericht. Anmeldungen, die vor diesem Zeitpunkt beim Verwalter eingehen, müssen zuvor in einen nachträglichen Prüfungstermin (§ 177) geprüft werden, da sonst der Gläubiger an dem Verteilungsverfahren nicht beteiligt werden kann.5) Eine nach Veröffentlichung und Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldete Forderung findet allerdings bei der Schlussverteilung keine Berücksichtigung mehr.6) _____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 197 Rz. 4. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 197 Rz. 3; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 197 Rz. 17; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 197 Rz. 10; Irschlinger in: HK-InsO, § 197 Rz. 4. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 197 Rz. 8; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 197 Rz. 13. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 177 Rz. 2 Rz. 5. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 197 Rz. 5; Irschlinger in: HK-InsO, § 197 Rz. 6. BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 8/05, ZIP 2007, 876, dazu EWIR 2007, 627 (Köster).
1136
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§ 198
Hinterlegung zurückbehaltener Beträge
III. Bestimmung und Veröffentlichung des Termins Der Schlusstermin wird durch Beschluss des Insolvenzgerichts bestimmt. Neben der Tagesordnung beinhaltet die Terminbestimmung Zeit und Ort (§ 74 Abs. 2 Satz 1). Sie ist öffentlich bekannt zu machen (§ 74 Abs. 2). Zwischen der Wirksamkeit der Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1 und dem Termin soll mindestens eine Frist von einem Monat und höchstens von zwei Monaten gewahrt sein. Den Gläubigern muss die Möglichkeit eröffnet sein, z. B. die Schlussrechnung eingehend zu prüfen. Kurze Fristen (vgl. § 75 Abs. 2) ließen dies nicht zu. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass die Ausschlussfristen nach den §§ 189, 190 abgelaufen sind.7) Es handelt sich um eine Sollvorschrift. Insbesondere in Großverfahren kann eine Überschreitung der Frist angezeigt sein.8)
7
Beteiligte müssen nicht gesondert, d. h. über die Veröffentlichung hinaus, über den anstehenden Termin informiert werden.9) Lediglich der Verwalter ist über den Termin besonders zu unterrichten, da seine Anwesenheit – wie bei jeder Gläubigerversammlung – zwingend erforderlich ist. _____________
8
7) 8) 9)
Irschlinger in: HK-InsO, § 196 Rz. 9. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 197 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 197 Rz. 4; a. A. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 197 Rz. 3. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 197 Rz. 2.
§ 198 Hinterlegung zurückbehaltener Beträge Beträge, die bei der Schlussverteilung zurückzubehalten sind, hat der Insolvenzverwalter für Rechnung der Beteiligten bei einer geeigneten Stelle zu hinterlegen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Anwendungsfälle ................................. 2
I.
III. Hinterlegungsstelle ............................. 3
Vorbemerkung
Anders als bei einer Abschlagsverteilung folgt der Schlussverteilung keine weitere Verteilung mehr. Für diesen Fall ist zu regeln, wie der Verwalter mit zurückbehaltenen Beträgen zu verfahren hat.
1
II. Anwendungsfälle Welche Beträge zurückzubehalten sind, ergibt sich aus den §§ 189 – 191. Bezogen auf diese Beträge dauert der Insolvenzbeschlag fort.1) Gelder, die der Verwalter an die Gläubiger nicht auszahlen kann, weil sie z. B. nicht mehr zu ermitteln sind, fallen nicht unter diese Regelung,2) diese sind vielmehr nach den §§ 372 ff BGB zu hinterlegen.3) _____________ 1) 2) 3)
Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 198 Rz. 13c. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 198 Rz. 2; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 198 Rz. 4. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 198 Rz. 3; Irschlinger in: HK-InsO, § 198 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 196 Rz. 1.
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2
§ 199
Überschuss bei der Schlussverteilung
III. Hinterlegungsstelle 3
Neben der amtlichen Hinterlegungsstelle (§§ 372 ff BGB) kommen auch andere geeignete Stellen in Betracht, z. B. Banken.4) Wird keine amtliche Hinterlegungsstelle gewählt, muss das Geld jeweils verfahrensbezogen hinterlegt werden.5) Ein Sammelkonto ist unzulässig. Ebenso sind die verwahrten Gelder von dem Vermögen des Verwalters zu trennen. _____________ 4) 5)
Beschlussempfehlung/Bericht des RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 179, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 426. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 199 Rz. 3.
§ 199 Überschuss bei der Schlussverteilung 1 Können bei der Schlussverteilung die Forderungen aller Insolvenzgläubiger in voller Höhe berichtigt werden, so hat der Insolvenzverwalter einen verbleibenden Überschuss dem Schuldner herauszugeben. 2Ist der Schuldner keine natürliche Person, so hat der Verwalter jeder am Schuldner beteiligten Person den Teil des Überschusses herauszugeben, der ihr bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde.
Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Natürliche Person (Satz 1) .................. 2
I. 1
III. Juristische Personen (Satz 2) .............. 3
Vorbemerkung
Können durch die Schlussverteilung alle zu berücksichtigenden Forderungen beglichen werden und verbleibt danach ein Überschuss, bedarf es einer Regelung, wie mit diesem Überschuss zu verfahren ist. Zu unterscheiden ist dabei, ob Vermögensträger eine natürliche oder juristische Person ist. II. Natürliche Person (Satz 1)
2
Ist Vermögensträger eine natürliche Person, ist der Überschuss an diese auszuzahlen. Dies kann auch ein Rechtsnachfolger (z. B. Erbe) sein. III. Juristische Personen (Satz 2)
3
Insolvenzverfahren über nicht natürliche Personen sollen stets zur vollständigen Abwicklung des Vermögensträgers führen, wenn die Erhaltung etwa durch einen Insolvenzplan ausscheidet. Dem würde es widersprechen, wenn der Person der Überschuss ausgehändigt würde und dadurch die Notwendigkeit einer Liquidation entstünde. Deshalb ist auch hier die Verteilung durch den Verwalter vorzunehmen, allerdings nach den für die Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Grundsätzen, z. B. nach den §§ 145–158 HGB für die offene Handelsgesellschaft. Der Verwalter tritt insoweit in die Position des Liquidators ein.
1138
Castrup
§ 200
Aufhebung des Insolvenzverfahrens
§ 200 Aufhebung des Insolvenzverfahrens (1) Sobald die Schlussverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) 1Der Beschluss und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen. 2Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend. Übersicht I. II. III. IV.
Vorbemerkung ..................................... Voraussetzungen der Aufhebung ...... Entscheidung des Gerichts ................. Bekanntmachung der Aufhebung .....
I.
Vorbemerkung
1 2 4 5
V. VI. 1. 2.
Wirkung der Aufhebung ..................... 7 Steuerrecht ............................................ 9 Einkommensteuer ............................... 10 Umsatzsteuer ....................................... 12
Das Insolvenzverfahren endet mit der Aufhebung des Verfahrens. Dadurch enden auch die Wirkungen des Verfahrens, etwa der Insolvenzbeschlag. Ebenso endet das Amt des Verwalters und damit verbunden die Aufsicht des Insolvenzgerichts.1)
1
II. Voraussetzungen der Aufhebung Das Verfahren kann nur aufgehoben werden, wenn der Verwalter die Schlussverteilung vollzogen hat. Den Vollzug muss er gegenüber dem Insolvenzgericht nachweisen.2) Der Nachweis ist durch Vorlage einer Ausschüttungsliste sowie der entsprechenden Belastungen des Anderkontos zu erbringen. Nach der Ausschüttung muss das Anderkonto einen Bestand von 0 € aufweisen.
2
Ist der Schuldner eine natürliche Person und hat er Restschuldbefreiung beantragt, setzt die Aufhebung die Rechtskraft des Ankündigungsbeschlusses voraus (§ 289 Abs. 2 Satz 2 a. F.). Eine vollständige Nullstellung des Anderkontos wird, wenn während der Schlussverteilung noch laufendes Einkommen zur Masse gezogen wird, in der Regel nicht möglich sein (§ 196 Abs. 1). Dieser Bestand wird dann in das Restschuldbefreiungsverfahren übernommen.
3
III. Entscheidung des Gerichts Nach Prüfung der Schlussverteilung hebt das Insolvenzgericht das Verfahren durch Beschluss auf. Die Aufhebung unterliegt keinem Rechtsmittel. Dies ist auch nicht erforderlich, da die Rechte der Beteiligten bereits im Verteilungsverfahren und im Schlusstermin hinreichend gewahrt sind. Mit der Aufhebung wird lediglich das bisherige Verfahrensergebnis formell festgestellt. Soweit der Rechtspfleger die Aufhebung beschließt – was die Regel ist –, kommt die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG in Betracht.
_____________ 1) 2)
Begr. z. § 228 RegE/§ 200 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 187, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 428. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 200 Rz. 3; Irschlinger in: HK-InsO, § 200 Rz. 1.
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1139
4
§ 200
Aufhebung des Insolvenzverfahrens
IV. Bekanntmachung der Aufhebung 5
Zur Information der Beteiligten ist lediglich die öffentliche Bekanntmachung vorgesehen. Sie erfolgt wie alle insolvenzrechtlichen Veröffentlichungen auf der bundeseinheitlichen Plattform im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de. Die früher vorgesehene Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist entfallen. In der Veröffentlichung ist der Grund der Aufhebung anzugeben, z. B. „... nach Vollzug der Schlussverteilung ...“.3)
6
Gesondert zu unterrichten ist das Registergericht (§ 31). Insolvenzvermerke im Grundbuch (§ 32) sowie in Registern für Schiffe und Luftfahrzeuge sind zu löschen. V. Wirkung der Aufhebung
7
Rechte der Insolvenzgläubiger regelt § 201. Aus Sicht des Schuldners endet der Insolvenzbeschlag (damit auch das Amt des Verwalters), d. h. er ist wieder in vollem Umfang verfügungsbefugt. Soweit Massegegenstände der Nachtragsverteilung vorbehalten sind, dauern der Insolvenzbeschlag und das Amt des Verwalters fort.4)
8
Daneben enden auch über die Verfügungsbeschränkung hinausgehende Wirkungen des Verfahrens, etwa die Unterbrechung von Prozessen nach § 240 ZPO oder die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB. Paul
VI. Steuerrecht 9
Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens geht auch in steuerlicher Hinsicht grundsätzlich die „Zuständigkeit“ für die steuerlichen Angelegenheiten wieder auf den Insolvenzschuldner über. 1.
10
Einkommensteuer
Der Schuldner hat zum einen wieder seinen Steuererklärungspflichten nachzukommen, also z. B. die Einkommensteuererklärung abzugeben. Das gilt (jedenfalls bei abhängig Beschäftigten), wenn man mit dem AG Bochum – entgegen der allgemeinen Verwaltungsauffassung – annimmt, dass sogar während des Insolvenzverfahrens nicht der Insolvenzverwalter/Treuhänder, sondern allein der Schuldner zur Abgabe der Steuererklärung berechtigt und verpflichtet ist,5) erst Recht für das Jahr der Verfahrensaufhebung. Nach a. A. haben für das Schlussjahr der Verwalter eine Steuererklärung für den Zeitraum vom Jahresanfang bis zur Aufhebung des Verfahrens und der Schuldner ab diesem Zeitpunkt bis zum Ende des Kalenderjahres abzugeben. Beide Erklärungen sind sodann von der Finanzverwaltung zu einer Steuererklärung zusammenzufassen. Zum Teil wird von der Finanzverwaltung vertreten, der Insolvenzverwalter/Treuhänder sei, soweit wegen Steuererstattungsansprüchen die Nachtragsverteilung angeordnet oder vorbehalten worden ist, zur alleinigen Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet. _____________ 3)
4) 5)
Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 200 Rz. 12; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 200 Rz. 4; Irschlinger in: HK-InsO, § 200 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 200 Rz. 16. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 200 Rz. 8; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 200 Rz. 12. AG Bochum, Beschl. v. 9.9.2013 – 88 IK 913/11, BeckRS 2013, 16651.
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Paul
Rechte der Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung
§ 201
Schließt sich an das Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiungsphase an, ist zu beachten, dass der Treuhänder der Wohlverhaltensperiode kein Vertreter i. S. der §§ 34, 35 AO6) und deshalb auch nicht steuererklärungspflichtig ist. 2.
11
Umsatzsteuer
Im Bereich der Umsatzsteuer kann die Geltendmachung der Vorsteuer aus der Vergütungsrechnung des Verwalters Probleme bereiten. Das gilt einmal, wenn die Vorsteuern erst nach der bereits im Schlusstermin erfolgten Verfahrensaufhebung angemeldet werden. Hat das Insolvenzgericht nicht die Nachtragsverteilung für die Vorsteuererstattung angeordnet, entfällt das Aufrechnungsverbot (vgl. die Kommentierung zu § 203 Rz. 14) und das Finanzamt kann gegenüber dem Anspruch mit Steuererinsolvenzforderungen aufrechnen.7) Um das zu Gunsten der übrigen Insolvenzgläubigern vermeiden, wird die Verfahrensaufhebung regelmäßig nicht im Schlusstermin beschlossen, sondern – üblicherweise um drei Monate – aufgeschoben.
12
Hat der Insolvenzverwalter während des Verfahrens nicht nur steuerpflichtige, sondern auch steuerfreie Umsätze getätigt, stellt sich darüber hinaus regelmäßig die Frage, ob und bejahendenfalls in welchem Verhältnis die Vorsteuer aus der Vergütung aufzuteilen ist. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass ein Vorsteuerabzug nur insoweit in Betracht kommt, als die Leistungen des Verwalters dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen sind.8) Daran soll es z. B. fehlen, wenn der Verwalter nur dem privaten Vermögensbereich des Schuldners zuzuordnende Gegenstände verwertet hat. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage fehlt bislang. Das FG Nürnberg hat in einem Fall, in dem ein vom Verwalter verkauftes Privatgrundstück des Schuldners auch für betriebliche Verbindlichkeiten haftete, dies als ausreichenden Bezug zur unternehmerischen Sphäre angesehen und den Vorsteuerabzug aus der Verwalterrechnung zugelassen.9) Der Bundesfinanzhof hat das Urteil zwar nicht bestätigt, jedoch in der Sache keine anderslautende Entscheidung getroffen.10) _____________
13
6) BFH, Beschl. v. 27.5.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 = ZIP 2009, 2255. 7) BFH, Urt. v. 28.2.2012 – VII R 36/11, ZIP 2012, 933 = ZInsO 2012, 883, dazu EWiR 2012, 463 (Sinz/Hiebert). 8) OFD Münster, Kurzinfo USt Nr. 9/2011 v. 15.6.2011, DB 2011, 2005. 9) FG Nürnberg, Urt. v. 11.5.2011 – 2 K 1513/08, EFG 2010, 1843. 10) BFH, Urt. v. 26.9.2012 – V R 8/11, ZIP 2013, 325 = ZInsO 2013, 354.
§ 201 Rechte der Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung Castrup
(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. (2) 1Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. 2Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Castrup
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§ 201
Rechte der Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung
3 Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... II. Geltendmachung von Forderungen ......................................... III. Insolvenztabelle als Vollstreckungstitel ...................................... 1. Widerspruch des Schuldners ................
I. 1
1 2 3 5
2. Restschuldbefreiung .............................. 7 IV. Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung .............................................. 8 V. Rechtsmittel ......................................... 9
Vorbemerkung
Entfallen die Wirkungen des eröffneten Insolvenzverfahrens, ändern sich auch die Rechte der Gläubiger. Einige Ergebnisse und Entscheidungen des Insolvenzverfahrens wirken jedoch nach. Die Vorschrift regelt ausschließlich die Rechte der Insolvenzgläubiger. Neugläubiger und Massegläubiger sind nicht erfasst. Zu beachten ist, dass Gegenstände, die der Nachtragsverteilung unterliegen, weiterhin durch den Insolvenzbeschlag erfasst werden, also auch das Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 fortdauert.1) II. Geltendmachung von Forderungen
2
Insolvenzgläubiger (§ 38), die im Verfahren keine vollständige Befriedigung erlangt haben, können ihre Restforderung gegen den Schuldner geltend machen. Einschränkungen ergeben sich nur, wenn der Schuldner Restschuldbefreiung beantragt hat (§ 294) bzw. der Vermögensträger im Falle einer juristischen Person nicht mehr existiert. III. Insolvenztabelle als Vollstreckungstitel
3
Festgestellte Forderungen berechtigen zur Vollstreckung gegen den Schuldner. Die Vollstreckung erfolgt mittels einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Insolvenztabelle. Insoweit werden bereits bestehende Titel durch die Feststellung zur Tabelle aufgezehrt (ausführl. zu Steuerforderungen Rz. 10).2) Die vollstreckbare Ausfertigung kann ausschließlich beim zuständigen Insolvenzgericht (§ 2) beantragt werden. Erteilt wird die vollstreckbare Ausfertigung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 724 Abs. 2 ZPO), ggf. durch den Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RPflG). Gläubiger nicht festgestellter Forderungen können aus bereits vorhandenen Titeln vollstrecken bzw. einen solchen erwirken.3) Sie unterliegen allerdings auch dem Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1.
4
Während des eröffneten Verfahrens ist eine Vollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger unzulässig (§ 89). Absatz 2 Satz 3 stellt deshalb klar, dass eine vollstreckbare Ausfertigung erst nach Aufhebung des Verfahrens beantragt werden kann. _____________ 1) 2) 3)
Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 201 Rz. 6. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 201 Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 201 Rz. 18. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 201 Rz. 18; Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 201 Rz. 11b.
1142
Castrup
Rechte der Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung
1.
§ 201
Widerspruch des Schuldners
Hat der Schuldner der Forderung widersprochen, hindert dies zwar nicht die Feststellung der Forderung (§ 178 Abs. 1 Satz 2), wohl aber die Vollstreckung nach Aufhebung des Verfahrens (Abs. 2 Satz 3). Voraussetzung für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist deshalb die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellungsurteil (§ 184) oder Rücknahme durch den Schuldner.4) Der Widerspruch des Schuldners ist durch das Insolvenzgericht von Amts wegen zu beachten.
5
Da die Feststellungsklage des Gläubigers nach § 184 keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt, kann sie auch noch nach Aufhebung des Verfahrens erhoben werden.
6
2.
Restschuldbefreiung
Ist Restschuldbefreiung beantragt worden, beginnt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Abtretungsfrist (§ 287 Abs. 2). Während dieser Zeit gilt für Insolvenzgläubiger ein Vollstreckungsverbot (§ 294 Abs. 1 a. F.). Für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung fehlt daher das Rechtschutzinteresse ebenso wie im eröffneten Verfahren (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 3).5) Außerdem mindern auch Zahlungen während der Laufzeit der Abtretungserklärung den zur Tabelle festgestellten Anspruch. Somit kann erst nach Beendigung der Laufzeit, sei es durch Erteilung der Restschuldbefreiung oder deren Versagung/Widerruf, eine Aussage über die Höhe des vollstreckbaren Betrages getroffen werden. Bejaht man die Erteilung, müsste der Schuldner sich gegen eine Vollstreckung durch Vollstreckungsgegenklage zur Wehr setzen. Der Hinweis, den Gläubigern müsse nach Versagung/ Widerruf die sofortige Vollstreckung möglich sein, vermag nicht zu überzeugen, da die vollstreckbare Ausfertigung zügig erlangt werden kann.
7
IV. Ansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung Die Durchsetzung eines Anspruchs mit dem Attribut „vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung“ (§ 174 Abs. 2) wird von der Restschuldbefreiung nicht erfasst (§ 302 Nr. 1). Nach Erteilung der Restschuldbefreiung kann demnach für den verbliebenen Restbetrag eine vollstreckbare Ausfertigung aus der Tabelle erteilt werden. Ein Widerspruch des Schuldners muss beseitigt worden sein.
8
V. Rechtsmittel Gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel steht dem Schuldner die Erinnerung nach § 732 ZPO offen. Gläubiger können gegen die Ablehnung der Klauselerteilung mittels Erinnerung nach § 573 Abs. 1 ZPO vorgehen.6)
_____________ 4) 5) 6)
Begr. z. § 229/230 RegE/§ 201 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 187, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 429. Irschlinger in: HK-InsO, § 201 Rz. 6; a. A. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 201 Rz. 17; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 201 Rz. 5. Füchsl/Weishäupl in: MünchKomm-InsO, § 201 Rz. 39.
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9
§ 202
Zuständigkeit bei der Vollstreckung
§ 202 Zuständigkeit bei der Vollstreckung (1) Im Falle des § 201 ist das Amtsgericht, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist oder anhängig war, ausschließlich zuständig für Klagen: 1.
auf Erteilung der Vollstreckungsklausel;
2.
durch die nach der Erteilung der Vollstreckungsklausel bestritten wird, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eingetreten waren;
3.
durch die Einwendungen geltend gemacht werden, die den Anspruch selbst betreffen.
(2) Gehört der Streitgegenstand nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte, so ist das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirk das Insolvenzgericht gehört. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Zuständigkeitsbereich ......................... 2
I. 1
III. Zuständiges Gericht ............................ 3 IV. Besonderheiten ..................................... 4
Vorbemerkung
Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen der nach § 201 möglichen Vollstreckung und dem vorangegangenen Insolvenzverfahren gelten für Klagen besondere Zuständigkeiten. II. Zuständigkeitsbereich
2
Erfasst werden die Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 731 ZPO (Nr. 1), die Klage gegen die Erteilung nach § 768 ZPO (Nr. 2) und die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO (Nr. 3). Nicht geregelt ist die Zuständigkeit bei Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Hier gelten über § 4 InsO die allgemeinen Vorschriften des Vollstreckungsrechts. Über die Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach § 732 ZPO entscheidet demnach das Insolvenzgericht.1) III. Zuständiges Gericht
3
Abhängig vom Streitgegenstand (Abs. 2) ist das am Ort des Insolvenzgerichts ansässige Amtsgericht (nicht das Insolvenzgericht!) bzw. das für das Insolvenzgericht zuständige Landgericht zuständig (§§ 23, 71 GVG). Maßgeblicher Streitwert ist der noch offene Betrag der jeweiligen Forderung.2) IV. Besonderheiten
4
Bei einer Vollstreckungsgegenklage kann der Schuldner nur Einwendungen geltend machen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung begründet wurden _____________ 1) 2)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 202 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 202 Rz. 5. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 202 Rz. 6.
1144
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§ 203
Anordnung der Nachtragsverteilung
(§ 767 Abs. 2 ZPO).3) Letzte mündliche Verhandlung ist der Prüfungstermin bzw. bei einer folgenden Feststellungsklage nach § 184 dieses Klageverfahren.4) _____________ 3) 4)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 202 Rz. 3. OLG Naumburg, Beschl. v. 7.1.2004 – 5 W 98/03, NZI 2004, 630.
§ 203 Anordnung der Nachtragsverteilung (1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlusstermin 1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.
(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen. (3) 1Das Gericht kann von der Anordnung absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag oder den ermittelten Gegenstand dem Schuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags oder den geringen Wert des Gegenstands und die Kosten einer Nachtragsverteilung angemessen erscheint. 2Es kann die Anordnung davon abhängig machen, dass ein Geldbetrag vorgeschossen wird, der die Kosten der Nachtragsverteilung deckt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... II. Einbezogene Fälle ................................ 1. Zurückbehaltene Beträge (Abs. 1 Nr. 1) ........................................ 2. Zurückfließende Beträge (Abs. 1 Nr. 2) ........................................
I.
1 2 3 4
3.
Nachträgliche Ermittlung von Massegegenständen (Abs. 1 Nr. 3) ...... 5 4. Fortdauer der Beschlagnahme .............. 7 III. Verfahren .............................................. 8 IV. Fortdauer des Amtes des Insolvenzverwalters .................................... 13 V. Steuerrecht .......................................... 14
Vorbemerkung
In der Regel findet das Insolvenzverfahren mit dem Schlusstermin und der unmittelbar darauf folgenden Schlussverteilung seinen Abschluss. Werte, die nach dem Schlusstermin anfallen, sollen i. S. der Gesamtabwicklung des Vermögensträgers ebenfalls einbezogen werden, d. h. nachträglich an die Gläubiger ausgeschüttet werden.
1
II. Einbezogene Fälle Grundsätzlich können nur Gegenstände berücksichtigt werden, die zur Insolvenzmasse gehören (§ 35), d. h. deren Massezugehörigkeit bis zur Aufhebung des Verfahrens eingetreten ist. Besteht der Vermögensträger fort – das ist bei natürlichen Personen immer der Fall – und erlangt er nach Aufhebung neue VermögensgegenCastrup
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2
§ 203
Anordnung der Nachtragsverteilung
stände, sind diese nicht der Masse zuzurechnen und unterfallen daher nicht einer Nachtragsverteilung.1) Gleiches gilt für freigegebene Gegenstände. Im masseunzulänglichen Verfahren ist § 203 nur bezogen auf nachträglich ermittelte Massegegenstände entsprechend anzuwenden (§ 211 Abs. 3). Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist (anders als in der 3. Auflage vertreten) auch die Anordnung einer Nachtragsverteilung nach Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse (§ 207) zulässig.2) Sind die Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren vollständig befriedigt worden, ist die Anordnung einer Nachtragsverteilung unzulässig.3) 1. 3
2. 4
Zurückbehaltene Beträge (Abs. 1 Nr. 1)
In Betracht kommen Beträge, die nach den §§ 189 und 191 zurückbehalten wurden und durch erfolglose Feststellungsklage bzw. endgültigen Nichteintritt der Bedingung nicht an die betroffenen Gläubiger ausgezahlt werden können. Umfasst sind auch Beträge, die den Gläubiger nicht erreichen können, etwa wenn die juristische Person nicht mehr besteht.4) Zurückfließende Beträge (Abs. 1 Nr. 2)
Zahlt der Verwalter i. R. der Verwaltung der Masse Beträge aus, z. B. Vorauszahlungen auf Steuerschulden, deren konkreter Betrag noch zu ermitteln ist, und fließen die nicht benötigten Beträge erst nach dem Schlusstermin zurück, erhöht sich nachträglich die Masse. Entsprechendes gilt, wenn ein Gläubiger den bei der Schlussverteilung ausgeschütteten Betrag erstattet, weil er anderweitig Befriedigung erlangt hat. 3.
Nachträgliche Ermittlung von Massegegenständen (Abs. 1 Nr. 3)
5
Entgegen der Einschätzung des Verwalters, die gesamte Insolvenzmasse verwertet zu haben, können nach dem Schlusstermin weitere Massegegenstände festgestellt werden, z. B. ein bislang unbekanntes Guthaben auf einem ausländischen Bankkonto. Die Ermittlung ist nicht an aktives Forschen des Verwalters gebunden. Zufallsfunde werden ebenso erfasst wie Gegenstände, deren Werthaltigkeit sich erst nach dem Schlusstermin herausstellt.5)
6
Für die vor dem Abschluss des Verfahrens liegenden Veranlagungsjahre können dem Schuldner möglicherweise Steuererstattungsansprüche zustehen. Da Ansprüche auf Erstattung von Steuerzahlungen von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 nicht erfasst werden,6) können diese möglichen Ansprüche nicht im Restschuldbefreiungsverfahren durch den Treuhänder (RSB) eingezogen werden. An_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 203 Rz. 14; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 203 Rz. 4, 9. BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 40/13, ZIP 2013, 1320, dazu EWiR 2014, 19 (Zimmer). Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 203 Rz. 5. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 203 Rz. 9. BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 17/04, ZIP 2006, 143 = ZVI 2006, 25. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340 = ZVI 2006, 58, dazu EWiR 2006, 245 (Beck); BGH, Beschl. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437 = ZInsO 2005, 873.
1146
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§ 203
Anordnung der Nachtragsverteilung
sprüche auf Erstattung von Erstattung der Steuer gehören zur Insolvenzmasse. Das Insolvenzgericht behält sich wegen dieser möglichen Ansprüche die Anordnung einer Nachtragsverteilung Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren findet unter den Voraussetzungen des § 203 eine Nachtragsverteilung statt. Die Ankündigung der Restschuldbefreiung steht dem nicht entgegen.7) 4.
Fortdauer der Beschlagnahme
Die Beschlagnahme zurückfließender Beträge und Gegenstände nach Nummer 3 erfolgt durch den Anordnungsbeschluss.8) Hinsichtlich zurückbehaltener Beträge bleibt die Beschlagnahme über die Aufhebung des Verfahrens hinaus erhalten.9)
7
III. Verfahren Eine Nachtragsverteilung setzt die Anordnung des Insolvenzgerichts voraus. Sie ergeht auf Antrag des Verwalters, eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen. Die Anordnung ist nicht befristet. Sie kann auch nach Aufhebung des Verfahrens erfolgen (Abs. 2), jedoch frühestens nach Abhaltung des Schlusstermins.10) Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung ist eine Entscheidung über noch zu erwartende Massegegenstände nicht zulässig.11)
8
Ist der zur Verteilung zur Verfügung stehende oder zu erwartende Verwertungsbetrag gering, kann von einer Nachtragsverteilung abgesehen werden. Dabei sind insbesondere die durch die Anordnung verursachten Kosten (Verwertungskosten, Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters, § 6 Abs. 1 InsVV) zu berücksichtigen. Wird von der Verteilung abgesehen, ist der Betrag oder Gegenstand dem Schuldner zu überlassen. Absatz 1 Satz 2 sieht die Möglichkeit vor, die Anordnung von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen. Denkbar ist dies nur, wenn Zweifel bestehen, ob der Erlös der Verwertung die Kosten der Nachtragsverteilung deckt. Eine Ausschüttung an nur einen der im Schlussverzeichnis enthaltenen Gläubiger ist unzulässig. Grundlage der Ausschüttung ist das im Schlusstermin festgestellte Schlussverzeichnis.
9
Schließt sich an die Aufhebung des Verfahrens die so genannte Wohlverhaltensperiode an, kann in der Anordnung die Verteilung gemeinsam mit der ersten Ausschüttung nach § 292 Abs. 1 Satz 2 vorgesehen werden. Die Anordnung ergeht durch Beschluss. Eine besondere Information der Beteiligten ist nicht vorgesehen. Im Hinblick auf den möglichen Ausschluss von Massegläubigern (§ 206 Nr. 3) ist vor der Durchführung eine Veröffentlichung entsprechend § 188 vorzunehmen12) und das Verteilungsverzeichnis bei Gericht auszulegen.
11
_____________ 7) BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 17/04, ZIP 2006, 143 = ZVI 2006, 25. 8) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 200 Rz. 12; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 203 Rz. 22. 9) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 203 Rz. 12. 10) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 286/03, NZI 2005, 395; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 203 Rz. 3. 11) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 286/03, NZI 2005, 395. 12) Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 205 Rz. 4; sinngemäß auch Irschlinger in: HK-InsO, § 203 Rz. 9.
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§ 203
Anordnung der Nachtragsverteilung
IV. Fortdauer des Amtes des Insolvenzverwalters 13
Bezogen auf die betroffene Masse dauert das Amt des Verwalters bis zur Abwicklung fort, soweit Gegenstände betroffen sind, die der Nachtragsverteilung vorbehalten sind. In allen anderen Fällen lebt das Amt des Verwalters mit der Anordnung der Nachtragsverteilung wieder auf.13) Möglich ist es, einen anderen Verwalter mit der Abwicklung zu beauftragen. Angezeigt ist dies, wenn der Massezufluss aus einem Haftungsanspruch gegen den ursprünglichen Verwalter herrührt. Paul
V. Steuerrecht Literatur: Lissner, Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer (vorbehaltenen) Nachtragsverteilung für Steuererstattungsansprüche, BB 2013, 1495; Nayel, Aufrechterhaltung der Beschlagnahmewirkung im Schlusstermin am Beispiel von Steuererstattungsansprüchen, ZInsO 2011, 153.
14
Ordnet das Insolvenzgericht – wie regelmäßig bei zu erwartenden Einkommensteuererstattungen – den Vorbehalt der Nachtragsverteilung wegen dieser Ansprüche i. R. der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an, hat das dieselbe Rechtsfolge wie die (sofortige) Anordnung der Nachtragsverteilung im Schlusstermin. In beiden Fällen besteht hinsichtlich des Vermögensgegenstandes der Insolvenzbeschlag über den Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung hinaus unverändert fort. Es bedarf also beim Vorbehalt der Nachtragsverteilung nicht einer zusätzlich gesondert anzuordnenden Nachtragsverteilung. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist u. a., dass ein Gläubiger (insbesondere die Finanzverwaltung) nicht einwenden kann, in der Zeit zwischen Verfahrensaufhebung und Anordnung der Nachtragsverteilung mangele es am Insolvenzbeschlag des Vermögensgegenstandes (also z. B. für die Steuererstattung), so dass die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote nicht gelten.14)
15
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Nachtragsverteilung tatsächlich erst nachträglich angeordnet wird, ohne dass zuvor ein entsprechender Vorbehalt existierte. Dann entfaltet die Anordnung der Nachtragsverteilung keine Rückwirkung.15)
16
Seitens der Finanzverwaltung wird häufig die Bestimmtheit des Beschlusses über die Anordnung des Nachtragsvorbehalts in Zweifel gezogen. Das gilt insbesondere dann, wenn im Gerichtsbeschluss „die Nachtragsverteilung für Steuererstattungsansprüche angeordnet wird, soweit sie bis zur Verfahrensaufhebung entstanden sind.“ Entgegen der Ansicht der Finanzämter ist diese Formulierung jedoch nicht zu unbestimmt.16) Auch der Bundesfinanzhof hat bisher in seiner Judikatur keine Bedenken gegen die Bestimmtheit des Beschlusses erkennen lassen.17)
_____________ 13) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 203 Rz. 11; Irschlinger in: HK-InsO, § 205 Rz. 1. 14) BFH, Urt. v. 28.2.2012 – VII R 36/11, ZIP 2012, 933 = ZInsO 2012, 883, dazu EWiR 2012, 463 (Sinz/Hiebert). 15) BFH, Beschl. v. 4.9.2008 – VII B 239/07, BeckRS 2008, 25014074; dazu Nayel, ZInsO 2011, 153. 16) Lissner, BB 2013, 1494. 17) BFH, Urt. v. 28.2.2012 – VII R 36/11, ZIP 2012, 933 = ZInsO 2012, 883, dazu EWiR 2012, 463 (Sinz/Hiebert).
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Paul
§ 205
Vollzug der Nachtragsverteilung
§ 204 Rechtsmittel Castrup
(1) 1Der Beschluss, durch den der Antrag auf Nachtragsverteilung abgelehnt wird, ist dem Antragsteller zuzustellen. 2Gegen den Beschluss steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu. (2) 1Der Beschluss, durch den eine Nachtragsverteilung angeordnet wird, ist dem Insolvenzverwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubiger die Verteilung beantragt hatte, diesem Gläubiger zuzustellen. 2Gegen den Beschluss steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Ablehnung der Nachtragsverteilung ................................................... 2
I.
III. Anordnung der Nachtragsverteilung ................................................... 3
Vorbemerkung
Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung bzw. Anordnung der Nachtragsverteilung ist nur streng nach der Beschwer der Betroffenen zugelassen. Ein weitergehendes Rechtsmittel ergibt sich nicht (§ 6 Abs. 1). Dies gilt auch, wenn der Rechtspfleger die Entscheidung erlassen hat in Bezug auf nicht in den Absätzen 1 und 2 genannte Personen.
1
II. Ablehnung der Nachtragsverteilung Wird die Nachtragsverteilung abgelehnt, ist die Entscheidung nur dem Antragsteller zuzustellen. Nur ihm steht die sofortige Beschwerde offen. Eine darüber hinaus gehende Unterrichtung von Beteiligten findet nicht statt.
2
III. Anordnung der Nachtragsverteilung Von der Anordnung ist nur der Schuldner betroffen, denn bei Ablehnung der Anordnung wäre der verfügbare Gegenstand bzw. Betrag an ihn auszukehren. Ihm steht daher die sofortige Beschwerde offen. Zuzustellen ist die Entscheidung dem Verwalter, der die Nachtragsverteilung durchführen muss, dem betroffenen Schuldner sowie einem antragstellenden Gläubiger.
§ 205 Vollzug der Nachtragsverteilung 1 Nach der Anordnung der Nachtragsverteilung hat der Insolvenzverwalter den zur Verfügung stehenden Betrag oder den Erlös aus der Verwertung des ermittelten Gegenstands auf Grund des Schlussverzeichnisses zu verteilen. 2Er hat dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen.
Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Verwertung ........................................... 2
III. Rechnungslegung ................................ 3
Castrup
1149
3
§ 206 I. 1
Ausschluss von Massegläubigern
Vorbemerkung
Grundlage jeder Verteilung an die Insolvenzgläubiger ist das Schlussverzeichnis, nach dem auch bei einer Nachtragsverteilung die zur Verfügung stehende Masse zu verteilen ist. Vorgenommen wird sie durch den Verwalter, dessen Amt insoweit fortdauert bzw. durch die Anordnung der Nachtragsverteilung neu beginnt. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Verwertung eines Gegenstandes. Ihm steht für die Durchführung der Nachtragsverteilung eine besondere Vergütung zu (§ 6 Abs. 1 InsVV). II. Verwertung
2
Die Verwertung unterscheidet sich nicht von der im eröffneten Verfahren. Allerdings ist es dem Verwalter nicht mehr möglich, Zustimmungen der Gläubigerversammlung einzuholen, etwa wenn er ein Grundstück durch freihändige Veräußerung verwerten will (§ 160 Abs. 2 Nr. 1). Eine Gläubigerversammlung existiert nur während des eröffneten Verfahrens.1) III. Rechnungslegung
3
Über die i. R. der Nachtragsverteilung verwaltete Masse hat der Verwalter Rechnung nach den allgemeinen Grundsätzen zu legen (§ 66).2) Sie erfolgt jedoch nur gegenüber dem Insolvenzgericht, da eine Gläubigerversammlung nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. Nr. 2). _____________ 1) 2)
Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 206 Rz. 3; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 203 Rz. 3; Irschlinger in: HK-InsO, § 205 Rz. 5; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 205 Rz. 9. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 205 Rz. 8.
§ 206 Ausschluss von Massegläubigern Massegläubiger, deren Ansprüche dem Insolvenzverwalter 1.
bei einer Abschlagsverteilung erst nach der Festsetzung des Bruchteils,
2.
bei der Schlussverteilung erst nach der Beendigung des Schlusstermins oder
3.
bei einer Nachtragsverteilung erst nach der öffentlichen Bekanntmachung
bekannt geworden sind, können Befriedigung nur aus den Mitteln verlangen, die nach der Verteilung in der Insolvenzmasse verbleiben. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Grundsatz ............................................. 2 1. Abschlagsverteilung .............................. 4
I. 1
2. 3.
Schlussverteilung ................................... 5 Nachtragsverteilung .............................. 6
Vorbemerkung
Ebenso wie bei Insolvenzgläubigern sind auch Massegläubiger mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen, wenn sie sie nicht rechtzeitig bei dem Insolvenzverwalter anzeigen. Von diesem Grundsatz profitiert auch der Verwalter. Er muss Massever-
1150
Castrup
§ 206
Ausschluss von Massegläubigern
bindlichkeiten nur berücksichtigen, wenn sie ihm bekannt sind.1) Dabei kommt es nicht darauf an, dass er den Anspruch auch der Höhe nach kennt.2) Fehlentscheidungen des Verwalters können zu einer Haftung nach den §§ 60, 61 führen. In Zweifelsfällen muss er entsprechende Rückstellungen bilden.3) II. Grundsatz Unterschieden wird zwischen den drei Verteilungsvarianten (Nr. 1 – 3), die sich für die Insolvenzgläubiger ergeben. Schüttet der Verwalter an die Insolvenzgläubiger aus, verringert sich die auch für Massegläubiger zur Verfügung stehende Masse. Erhält der Verwalter erst nach den, in den Nummern 1 bis 3 genannten Zeitpunkten Kenntnis von Masseverbindlichkeiten, steht den Massegläubigern lediglich die noch verbleibende Masse zur Verfügung.
2
Die Regelung bezieht sich nur auf die Verteilung von Insolvenzmasse, also Vermögen, das zum Zeitpunkt der Eröffnung besteht und das der Schuldner während des eröffneten Insolvenzverfahrens erlangt. Deshalb scheidet eine – auch nur entsprechende – Anwendung auf die während der Wohlverhaltensperiode an den Treuhänder abzuführenden Beträge aus. Darüber hinaus unterliegen Masseverbindlichkeiten nicht der Restschuldbefreiung.4)
3
1.
Abschlagsverteilung
Eine Abschlagsverteilung dient der Begleichung der Insolvenzforderungen und setzt voraus, dass alle bekannten Masseverbindlichkeiten gedeckt sind. Gleichwohl wird der Verwalter einen gewissen Teil der Masse zur Begleichung noch nicht bekannter oder betragsmäßig noch nicht feststehender Masseverbindlichkeiten zurückhalten. Erlangt der Verwalter Kenntnis von einer neuen Masseverbindlichkeit nach Festsetzung des Bruchteils (§ 195),5) hindert dies die Verteilung nicht. Für den Massegläubiger bleibt nur die nach Verteilung verbleibende Masse. Der Verwalter ist jedoch nicht gehindert, die Abschlagsverteilung zurückzunehmen. Dies ist insbesondere dann angezeigt, wenn er von einer Masseverbindlichkeit hätte wissen müssen und die Restmasse nicht zur Begleichung ausreicht. 2.
Schlussverteilung
Im Schlusstermin wird u. a. abschließend über das Schlussverzeichnis verhandelt (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2). Nach dem Termin steht dieses unveränderbar fest. Masseverbindlichkeiten können deshalb nicht mehr zu einer Veränderung der Verteilungsquote führen. Masseverbindlichkeiten, die nach dem Termin bekannt werden, können auch hier nur Befriedigung aus der nach der Verteilung verbliebenden Restmasse verlangen. Allerdings führt die Schlussverteilung zur Ausschüttung der gesamten, vorhanden Masse. Anlass, Rückbehalte zu bilden, besteht nicht. Verspätete Massegläubiger fallen deshalb mit ihren Forderungen aus. _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
4
Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 206 Rz. 10. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 206 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 206 Rz. 2. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 206 Rz. 3. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 206 Rz. 8. Wimmer-Kießner, FK-InsO, § 206 Rz. 7.
Castrup
1151
5
Vor §§ 207–216 3. 6
Vorbemerkung
Nachtragsverteilung
Steht nach Abhaltung des Schlusstermins weitere Insolvenzmasse zur Verfügung (vgl. § 203), können aus dieser Masse auch Masseverbindlichkeiten bedient werden, die bis zur Bekanntmachung der Nachtragsverteilung dem Verwalter zur Kenntnis gelangt sind. Nach diesem Zeitpunkt angezeigte Verbindlichkeiten fallen somit aus.
Dritter Abschnitt Einstellung des Verfahrens Vor §§ 207 – 216 Vorbemerkung Riedel
Übersicht I. Einstellungsfälle ................................... 1 II. Einstellungsverfahren ......................... 2
I. 1
III. Einstellungswirkungen ....................... 3
Einstellungsfälle
Abweichend vom „normalen“ Verfahrensablauf, der gemäß § 200 mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der Verteilung der Masse oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258) endet, sehen die Bestimmungen der §§ 207 bis 216 mit der Einstellung des eröffneten Verfahrens dessen vorzeitige Beendigung vor. Unterschieden werden vier Fallgestaltungen: –
die Einstellung mangels Masse (§ 207; sog. Massearmut oder Massekostenarmut),
–
die Einstellung aufgrund Masseunzulänglichkeit (§§ 208 bis 211),
–
die Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds (§ 212) und
–
die Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213).
II. Einstellungsverfahren 2
Ungeachtet der unterschiedlichen Fallgestaltungen, die zu einer Einstellung des eröffneten Insolvenzverfahrens führen können, bedarf jede Einstellung einer gerichtlichen Beschlussfassung (§ 215), der eine Anhörung bzw. sonstige Einbeziehung der Beteiligten vorauszugehen hat. Ebenso ist der Verwalter bei jeder Art der Einstellung verpflichtet, über seine Tätigkeit Rechnung zu legen (§ 66 Abs. 1). III. Einstellungswirkungen
3
Die Verfahrenseinstellung, einerlei aus welchen Gründen sie erfolgt, hat wie die „normale“ Aufhebung des Insolvenzverfahrens u. a. zur Folge, dass der Schuldner wieder über das zur Masse zählende Vermögen verfügen kann (vgl. § 215). Prozessrechtlich führt die Einstellung des Verfahrens zum Wegfall der gemäß § 240 ZPO eingetretenen Unterbrechung. Der Verwalter verliert die Prozessführungsbefugnis.1) Ebenso entfallen mit der Verfahrenseinstellung alle Vollstreckungsbeschränkungen der Gläubiger, wenn keine Restschuldbefreiung angekündigt wird. Soweit _____________ 1)
Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.4.2005 – 17 U 177/03, ZInsO 2005, 823 = NZI 2005, 395.
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Riedel
Vor §§ 207–216 3. 6
Vorbemerkung
Nachtragsverteilung
Steht nach Abhaltung des Schlusstermins weitere Insolvenzmasse zur Verfügung (vgl. § 203), können aus dieser Masse auch Masseverbindlichkeiten bedient werden, die bis zur Bekanntmachung der Nachtragsverteilung dem Verwalter zur Kenntnis gelangt sind. Nach diesem Zeitpunkt angezeigte Verbindlichkeiten fallen somit aus.
Dritter Abschnitt Einstellung des Verfahrens Vor §§ 207 – 216 Vorbemerkung Riedel
Übersicht I. Einstellungsfälle ................................... 1 II. Einstellungsverfahren ......................... 2
I. 1
III. Einstellungswirkungen ....................... 3
Einstellungsfälle
Abweichend vom „normalen“ Verfahrensablauf, der gemäß § 200 mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der Verteilung der Masse oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258) endet, sehen die Bestimmungen der §§ 207 bis 216 mit der Einstellung des eröffneten Verfahrens dessen vorzeitige Beendigung vor. Unterschieden werden vier Fallgestaltungen: –
die Einstellung mangels Masse (§ 207; sog. Massearmut oder Massekostenarmut),
–
die Einstellung aufgrund Masseunzulänglichkeit (§§ 208 bis 211),
–
die Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds (§ 212) und
–
die Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213).
II. Einstellungsverfahren 2
Ungeachtet der unterschiedlichen Fallgestaltungen, die zu einer Einstellung des eröffneten Insolvenzverfahrens führen können, bedarf jede Einstellung einer gerichtlichen Beschlussfassung (§ 215), der eine Anhörung bzw. sonstige Einbeziehung der Beteiligten vorauszugehen hat. Ebenso ist der Verwalter bei jeder Art der Einstellung verpflichtet, über seine Tätigkeit Rechnung zu legen (§ 66 Abs. 1). III. Einstellungswirkungen
3
Die Verfahrenseinstellung, einerlei aus welchen Gründen sie erfolgt, hat wie die „normale“ Aufhebung des Insolvenzverfahrens u. a. zur Folge, dass der Schuldner wieder über das zur Masse zählende Vermögen verfügen kann (vgl. § 215). Prozessrechtlich führt die Einstellung des Verfahrens zum Wegfall der gemäß § 240 ZPO eingetretenen Unterbrechung. Der Verwalter verliert die Prozessführungsbefugnis.1) Ebenso entfallen mit der Verfahrenseinstellung alle Vollstreckungsbeschränkungen der Gläubiger, wenn keine Restschuldbefreiung angekündigt wird. Soweit _____________ 1)
Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.4.2005 – 17 U 177/03, ZInsO 2005, 823 = NZI 2005, 395.
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§ 207
Einstellung mangels Masse
im eröffneten Verfahren unter Anwendung der §§ 113, 120 durch den Verwalter Kündigungen ausgesprochen wurden, wird deren Wirksamkeit von der späteren Verfahrenseinstellung nicht berührt.2) Abweichend von den Wirkungen einer Verfahrensaufhebung birgt die Verfahrenseinstellung, die auf Antrag der verfahrensgegenständlichen GmbH erfolgt, die Möglichkeit, die Fortsetzung der Gesellschaft zu beschließen (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). _____________ 2)
Vgl. BAG, Urt. v. 11.2.1992 – 3 AZR 117/91, ZIP 1992, 1247 = DB 1992, 2559, dazu EWiR 1992, 859 (Schaub).
§ 207 Einstellung mangels Masse (1) 1Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. 2Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden; § 26 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Vor der Einstellung sind die Gläubigerversammlung, der Insolvenzverwalter und die Massegläubiger zu hören. (3) 1Soweit Barmittel in der Masse vorhanden sind, hat der Verwalter vor der Einstellung die Kosten des Verfahrens, von diesen zuerst die Auslagen, nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen. 2Zur Verwertung von Massegegenständen ist er nicht mehr verpflichtet. Literatur: Kübler, Die Behandlung massearmer Insolvenzverfahren nach neuem Recht, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 967; Uhlenbruck, Gesetzeszulänglichkeit bei Masseunzulänglichkeit, NZI 2001, 408. Übersicht I. II. 1. 2. 3. III.
Vorbemerkung ..................................... 1 Feststellung der Massearmut .............. 4 Umfang der Aktivmasse ....................... 4 Anregung des Insolvenzverwalters ...... 5 Kosten des Verfahrens ........................ 10 Verfahren ............................................ 14
I.
Vorbemerkung
1. 2. IV. V.
Anhörung ............................................. 14 Aufgaben des Verwalters .................... 18 Einstellungsbeschluss ........................ 20 Wirkungen der Einstellung mangels Masse .................................... 24
Reicht die zu erwartende Insolvenzmasse nicht aus, um die Kosten des Verfahrens i. S. des § 54 zu decken, bestimmt § 26 Abs. 1 Satz 1 die Ablehnung des Eröffnungsantrags, wenn weder ein Kostenvorschuss geleistet, noch die Verfahrenskosten gestundet werden. Eine Einstellung des eröffneten Verfahrens mangels einer die Kosten deckenden Masse wie sie in § 207 vorgesehen ist, dürfte demnach nur dann notwendig werden, wenn die Werthaltigkeit der Masse i. R. der Eröffnungsentscheidung unzutreffend beurteilt wurde, weil sich etwa Forderungen und Ansprüchen ent-
Riedel
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1
§ 207
Einstellung mangels Masse
gegen den Erwartungen nicht realisieren lassen.1) Daneben wird eine Einstellung des Verfahrens nach § 207 dann erforderlich, wenn eine Verfahrenskostenstundung aufgehoben, ein Kostenvorschuss nicht geleistet wird und die vorhandene Masse die Kosten des Verfahrens nicht deckt.2) Eine zunächst nicht vorhersehbare Erhöhung der Verfahrenskosten, die zu einer Einstellung nach § 207 führt, kommt etwa dann in Betracht, wenn der Verwalter mit umfangreichen Steuererklärungspflichten konfrontiert wird. 2
Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden (Abs. 1 Satz 2). Der Vorschuss kann wie im Falle des § 26 Abs. 1 sowohl von einem Gläubiger als auch vom Schuldner oder von dritter Seite geleistet werden.3) Entsprechend § 26 Abs. 3 kann ein geleisteter Vorschuss von demjenigen zurückgefordert werden, der pflichtwidrig und schuldhaft einen Antrag auf Verfahrenseröffnung nicht rechtzeitig gestellt hat (Abs. 1 Satz 2).4) Der Vorschuss muss zur uneingeschränkten Verfügung des Insolvenzverwalters stehen. Die entsprechende Absichtserklärung eines Gläubigers reicht nicht aus.5) Hinsichtlich der Höhe des zu erbringenden Vorschusses wird sich das Insolvenzgericht auf entsprechende Vorschläge des Verwalters stützen müssen.
3
Eine Kostenstundung kommt in dieser Phase des Verfahrens nur in Betracht, wenn der Schuldner unter Beachtung des § 287 Abs. 1 einen Antrag auf Restschuldbefreiung bzw. auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt oder sich ggf. dem Eröffnungsantrag eines Gläubigers angeschlossen hat. Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird regelmäßig der Insolvenzverwalter den Schuldner auf die Möglichkeit einer Kostenstundung hinweisen, bevor er die Einstellung des Verfahrens anregt. Ein entsprechender gerichtlicher Hinweis wird sich demzufolge meist erübrigen. Werden dem Insolvenzschuldner die Kosten gestundet, so hat der Insolvenzverwalter gleichwohl aus den Verwertungserlösen zunächst die Kosten zu begleichen und für voraussichtlich noch entstehende Kosten Rückstellungen zu bilden.6) II. Feststellung der Massearmut 1.
4
Umfang der Aktivmasse
Zur Feststellung der Massearmut bedarf es eines Abgleichs zwischen den abzudeckenden Verfahrenskosten und der zu realisierenden Insolvenzmasse. Dabei dürfen offene Forderungen als Aktiva nur berücksichtigt werden, wenn deren Geltendmachung weder das Risiko einer zusätzlichen Kostenbelastung der Masse birgt, _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Zur Einschränkung der Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung in der Genossenschaftsinsolvenz nach § 105 Abs. 1 GenG. LG Mühlhausen, Beschl. v. 15.5.2008 – 2 T 96/08, juris. Zur Frage, ob auch der Insolvenzverwalter befugt ist, aus eigenen Mitteln den Kostenvorschuss zu leisten, vgl. Uhlenbruck, NZI 2001, 408. BGH, Urt. v. 15.1.2009 – IX ZR 56/08, ZIP 2009, 571 = NZI 2009, 233, dazu EWiR 2009, 247 (Voss). Vgl. AG Charlottenburg, Beschl. v. 22.12.2004 – 101 IN 2808/04, DZWIR 2005, 168. BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – IX ZB 261/08, ZIP 2010, 145 = NZI 2010, 188, dazu EWiR 2010, 127 (Weitzmann).
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Riedel
§ 207
Einstellung mangels Masse
noch mit einer nicht unerheblichen Zeitverzögerung verbunden ist. Das Risiko einer Belastung der Masse ist dann beseitigt, wenn entweder die Gläubiger die anfallenden Kosten mittels Vorschussleistungen übernehmen oder dem Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe gewährt wird. Für eine beabsichtigte Klage ist dem Verwalter Prozesskostenhilfe jedoch allenfalls dann zu gewähren, wenn die Klage Aussicht auf Erfolg hat und der klageweise geltend gemacht Anspruch geeignet ist, die Massearmut zu beseitigen.7) Dabei ist auch die voraussichtliche Durchsetzbarkeit eines obsiegenden Urteils gegen den Beklagten, also dessen Liquidität zu berücksichtigen.8) Darüber hinaus muss es den Insolvenzgläubigern nicht zumutbar sein, entsprechende Kostenvorschüsse zu leisten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn schlechte Prozess- und Vollstreckungsvoraussetzungen bestehen.9) Was wiederum dazu führt, dass die Geltendmachung der streitigen Ansprüche mit erheblichen Zeitverzögerungen verbunden ist, diese Ansprüche deshalb bei der Feststellung der Massearmut unberücksichtigt bleiben und das Verfahren unverzüglich einzustellen ist. Im Ergebnis kann eine Einstellung in derartigen Fällen nur durch Vorschussleistungen der Gläubiger verhindert werden.10) 2.
Anregung des Insolvenzverwalters
Obgleich die gerichtliche Verfahrenseinstellung mangels Masse von Amts wegen erfolgt, ist es dennoch nicht Aufgabe des Gerichts, den jeweiligen Stand der Massekostendeckung zu kontrollieren. Vielmehr gehört es zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters, die Kostendeckung zu beobachten, bei Auftreten von Zweifeln eine Überprüfung vorzunehmen und ggf. dem Gericht hierüber Mitteilung zu machen. Diese Mitteilung löst, wenn sie denn objektiv zutreffend ist, in Anlehnung an die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 ein Vollstreckungsverbot entsprechend § 210 aus, das auch der Zwangsvollstreckung durch Kostengläubiger entgegensteht.11)
5
Regt der Verwalter die Einstellung mangels Masse an, wird das Insolvenzgericht dieser Anregung grundsätzlich entsprechen. Jedoch hat das Insolvenzgericht zu prüfen, ob tatsächlich Massearmut besteht. Dazu hat sich das Gericht vom Verwalter entsprechende Unterlagen bzw. Ausführungen vorlegen zu lassen. Weitergehende Amtsermittlungen sind regelmäßig nicht angezeigt. Gegen die Ablehnung der Verfahrenseinstellung hat der Insolvenzverwalter kein Beschwerderecht. Hat der Rechtspfleger entschieden, ist die befristete Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG statthaft.12) Im Übrigen verbleibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die Masseunzulänglichkeit nach § 208 anzuzeigen.
6
_____________ 7) BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 221/08, ZIP 2009, 1591 = NZI 2009, 602, dazu EWiR 2009, 757 (M. Wagner); OLG Celle, Beschl. v. 29.3.2012 – 13 W 20/12, ZInsO 2012, 738; OLG Celle, Beschl. v. 14.2.2012 – 9 W 22/12, ZVI 2012, 119. 8) BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 48/12, ZInsO 2013, 496. 9) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.8.2011 – 9 W 13/11, ZIP 2012, 494. 10) Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 8.4.2010 – 9 W 21/10, ZIP 2010, 1464, dazu EWiR 2010, 473 (Jacoby). 11) BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 11/04, ZIP 2006, 1999 = ZVI 2007, 200. 12) BGH, Beschl. v. 26.4.2007 – IX ZB 221/04, ZIP 2007, 1134 = ZVI 2007, 317.
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§ 207
Einstellung mangels Masse
7
Der Insolvenzverwalter sollte seiner Anregung zur Verfahrenseinstellung seinen Schlussbericht samt Schlussrechnung und seinen Vergütungsantrag beilegen. Soweit das Insolvenzverfahren bereits soweit gediehen ist, dass bereits eine Forderungsprüfung stattfand, ist auch ein Schluss- oder Verteilungsverzeichnis zu erstellen. Zwar kommt weder eine Schlussverteilung in Betracht noch ist eine Restschuldbefreiung zulässig, innerhalb der eine Verteilung von Einnahmen auf der Grundlage des Schlussverzeichnisses erfolgen müsste (§ 289 Abs. 3; ab 1.7.2014: § 289 n. F.). Möglich ist jedoch eine Nachtragsverteilung, deren Durchführung ein Schlussverzeichnis erfordert (§ 205). Die Anordnung einer Nachtragsverteilung wird nicht durch § 211 Abs. 3 ausgeschlossen.13)
8
Der Insolvenzverwalter kann grundsätzlich davon ausgehen, dass das Insolvenzgericht seiner Anregung folgt. Sollte dies nicht der Fall sein, so hat ihm das Gericht eine entsprechende Äußerung zu übermitteln. Demzufolge kann der Insolvenzverwalter weitere Verwertungstätigkeiten unterlassen, sobald er gegenüber dem Gericht die Verfahrenseinstellung angeregt hat und keine anderweitige Äußerung des Gerichts erhält (vgl. Abs. 3 Satz 2). Wird in der Folge allerdings ein Kostenvorschuss geleistet, ist die Verwertungstätigkeit umgehend wieder aufzunehmen.
9
Sollte das Insolvenzgericht von dritter Seite oder aufgrund amtswegiger Ermittlungen Erkenntnisse über die bestehende Massearmut gewonnen haben, ist der Insolvenzverwalter hierzu zu hören (Abs. 2). 3.
Kosten des Verfahrens
10
Das Insolvenzgericht hat zu prüfen, ob die vorhandene zusammen mit der evtl. noch generierbaren Insolvenzmasse ausreicht, um die bereits entstandenen sowie die voraussichtlich noch anfallenden Verfahrenskosten zu begleichen.
11
Zu den Kosten des Verfahren i. S. des Absatzes 1 Satz 1 gehören die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) sowie die Vergütung und die Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (§ 54).
12
Die zu prognostizierenden Gerichtskosten umfassen die Gebühren für das Verfahren unter der Bedingung, dass es zumindest bis zu einer Einstellung nach § 208 fortgeführt werden kann. Der Gegenstandswert der Gebühr bestimmt sich gemäß § 58 GKG nach dem voraussichtlichen Wert der Masse bei Beendigung des Verfahrens. Als gerichtliche Auslage ist insbesondere die Vergütung eines eingeschalteten Sachverständigen zu berücksichtigen.
13
Die aus der Masse zu entnehmende Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Verwalters bestimmen sich nach der InsVV. Massearmut i. S. des § 207 liegt demnach dann vor, wenn die Masse nicht ausreicht, um neben den Gerichtskosten die Regelvergütung gemäß § 2 InsVV, ergänzt oder reduziert um evtl. Zuschlagsoder Abzugstatbestände i. S. des § 3 InsVV zu berichtigen. Als Berechnungsgrundlage i. S. des § 1 InsVV ist auf den Wert der verwalteten Masse abzustellen. Der Umfang der zu erstattenden Verwalterauslagen ist anhand des § 4 InsVV zu ermitteln. Dabei ergibt sich die Frage, ob die Kosten eines zur Erfüllung steuerrecht_____________ 13) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 40/13, ZIP 2013, 2320, dazu EWiR 2014, 19 (Zimmer).
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§ 207
Einstellung mangels Masse
licher Pflichten beauftragten externen Fachmannes als Verwalterauslagen oder als Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 anzusehen sind. Der Bundesgerichtshof hat die Kosten eines vom Verwalter im eigenen Namen beauftragten Steuerberaters in einem massearmen Verfahren, in dem dem Schuldner die Kosten nach § 4a gestundet wurden, als aus der Staatskasse zu ersetzende Auslagen i. S. des § 4 Abs. 2 InsVV definiert.14) Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass ein Insolvenzverfahren nach § 207 einzustellen ist, wenn der Verwalter auferlegte Pflichten mit den vorhandenen oder voraussichtlich zu generierenden Mitteln nicht erfüllen kann, ohne sich der Gefahr einer persönlichen Haftung nach § 61 auszusetzen.15) Darüber hinaus ist auch dann von einer Massearmut auszugehen, wenn sog. unausweichliche Verwaltungskosten, wie etwa solche für die Sicherung der Masse nicht beglichen werden können.16) Nicht zu derartigen unausweichlichen Verwaltungskosten gehört die Umsatzsteuer, die durch eine nach Eintritt der Massearmut vorgenommene Verwertung von Massegegenständen anfällt.17) III. Verfahren 1.
Anhörung
Mit der Anregung zur Einstellung mangels Masse oder auf entsprechende Anforderung des Insolvenzgerichts hat der Verwalter eine Aufstellung der Massegläubiger einzureichen, die nach Absatz 2 vor der Einstellung anzuhören sind und denen das Insolvenzgericht deshalb die beabsichtigte Verfahrenseinstellung gesondert mitteilt. Mit der Zustellung eines entsprechenden Schreibens kann der Verwalter gemäß § 8 Abs. 3 beauftragt werden. Die Einberufung einer Gläubigerversammlung reicht insoweit nicht aus. Absatz 2 unterscheidet deutlich zwischen der Gläubigerversammlung und den Massegläubigern (vgl. § 74). Dessen ungeachtet sollte es den Massegläubigern aber ermöglicht werden, einer Gläubigerversammlung beizuwohnen, die zum Thema Einstellung mangels Masse und deren möglicher Abwendung durch Leistung eines Kostenvorschusses einberufen wird. Gegebenenfalls sollte den Massegläubigern in der Gläubigerversammlung Gelegenheit gegeben werden, sich zu äußern. Im Übrigen haben die Massegläubiger weder ein Beschwerderecht gegen den Einstellungsbeschluss (§ 216 Abs. 1), noch können sie Einwendungen gegen die Schlussrechnung des Verwalters erheben. Sie sind auf die Möglichkeit verwiesen, eventuelle Schadenersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter gemäß § 61 geltend zu machen.
14
Vor der Verfahrenseinstellung ist eine Gläubigerversammlung einzuberufen, die der Anhörung der Insolvenzgläubiger sowie des Schuldners zur beabsichtigten Einstellung dient (Abs. 2). Die entsprechende Terminbestimmung erfolgt nach Prüfung der Schlussrechnung und der Festsetzung der Verwaltervergütung durch das Insol_____________
15
14) BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717 = Rpfleger 2004, 727; entspr. für die Erstellung von Verdienstbescheinigungen für die Bundesagentur für Arbeit, BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 198/05, ZIP 2006, 1501 = ZVI 2006, 407, dazu EWiR 2006, 569 (Prasser). 15) Landfermann in: HK-InsO, § 207 Rz. 5 ff. 16) Landfermann in: HK-InsO, § 207 Rz. 5. 17) BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252 = NZI 2011, 60, dazu EWiR 2011, 59 (Ries).
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§ 207
Einstellung mangels Masse
venzgericht. Die festzusetzende Vergütung wird regelmäßig deutlich unter der Regelvergütung liegen (§ 3 Abs. 2 Buchst. c InsVV). Die Vergütungsfestsetzung wird ebenso wie die Schlussrechnung hinfällig, wenn in der Folge ein Kostenvorschuss geleistet und damit die Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht wird. 16
Mit der nach Absatz 2 einzuberufenden Gläubigerversammlung sollten die Tagesordnungspunkte verbunden werden, die ansonsten im Schlusstermin abzuhandeln sind (§ 197), soweit diese, wie etwa die Erörterung der Schlussrechnung, auch bei der Verfahrenseinstellung mangels Masse zum Tragen kommen. Gegebenenfalls kann auch ein besonderer Prüfungstermin (§ 177) einbezogen werden. Eine Verbindung mit dem Berichts- oder dem allgemeinen Prüfungstermin scheidet grundsätzlich auch dann aus, wenn sich die Massearmut zwischen dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses und den darin bestimmten Terminen ergibt. Die im Eröffnungsbeschluss enthaltene Terminbestimmung weist nicht die entsprechenden Tagesordnungspunkte aus. Denkbar wäre allenfalls, dass diese Tagesordnungspunkte in eine Terminbestimmung aufgenommen werden, die auf denselben Zeitpunkt abgestellt ist wie die im Eröffnungsbeschluss bestimmten Termine. Im Hinblick auf die Fristbestimmungen der § 197 Abs. 2 und § 66 Abs. 2 Satz 3 dürfte sich eine derartige Konstellation aber äußerst selten ergeben.
17
In einer im Vorfeld stattfindenden Gläubigerversammlung, z. B. im Berichtstermin, können die Gläubiger auf die Einberufung einer Versammlung zur Anhörung nach Absatz 2 ausdrücklich verzichten. Erforderlich ist dazu ein entsprechender Tagesordnungspunkt i. R. der Terminbestimmung. 2.
Aufgaben des Verwalters
18
Der Erlass des Einstellungsbeschlusses setzt voraus, dass der Verwalter vorhandene Barmittel zur Begleichung der Verfahrenskosten verwendet hat. Zu weiteren Verwertungshandlungen ist der Verwalter dagegen nicht verpflichtet (Abs. 3). Können nicht alle angefallenen Verfahrenskosten beglichen werden, sind zuerst die Auslagen des Gerichts und des Verwalters im Verhältnis ihrer Beträge zu decken. Ebenfalls im Verhältnis ihrer Beträge sind anschließend die Gerichtsgebühren und die Vergütung des Verwalters zu bedienen.18) Dies gilt auch im Falle einer Kostenstundung nach § 4a.19) Ein evtl. sich ergebender Überschuss ist an die Massegläubiger wiederum im Verhältnis ihrer Ansprüche auszuzahlen.
19
Ob der Verwalter zu anderen als Verwaltungshandlungen noch verpflichtet ist, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich entnehmen. Dagegen spricht die Tatsache, dass er womöglich für solche Handlungen keine Vergütung erhält. Zumutbar dürfte es aber sein, den Verwalter als verpflichtet anzusehen, bis zur abschließenden Gläubigerversammlung eingehende Forderungsanmeldungen in die Insolvenztabelle aufzunehmen und diese i. R. eines mit dem Schlusstermin angeordneten Prüfungstermins einer Prüfung zu unterziehen. Ist das Verfahren allerdings bereits unmittelbar nach dessen Eröffnung und vor Ablauf der Anmeldefrist einzustellen, ist die Anlage einer Tabelle nicht erforderlich. Es besteht keine Pflicht _____________ 18) Vgl. LG Frankfurt/O., Beschl. v. 9.11.2004 – 19 T 732/03, ZInsO 2004, 1370. 19) BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – IX ZB 261/08, ZIP 2010, 145 = NZI 2010, 188.
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Einstellung mangels Masse
des Verwalters, nach Eintritt der Massearmut Anfechtungsansprüche durchzusetzen.20) Dagegen bleibt der Insolvenzverwalter verpflichtet i. R. des § 34 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 AO Steuererklärungen abzugeben. Dies auch dann, wenn die hierfür einem zu beauftragenden Steuerberater zu leistenden Honorare in der Masse nicht zur Verfügung stehen.21) Allerdings ist es der Finanzbehörde dann verwehrt, den Insolvenzverwalter mittels Zwangsmittel zur Abgabe der Steuererklärungen anzuhalten, wenn offensichtlich ist, dass die Erklärungen keine steuerlichen Auswirkungen ergeben.22) IV. Einstellungsbeschluss Wird kein Kostenvorschuss geleistet und kommt auch keine nachträgliche Bewilligung einer Kostenstundung in Betracht, erlässt das Insolvenzgericht den Einstellungsbeschluss, nachdem der Verwalter gemäß § 66 Rechnung gelegt und die Verwendung vorhandener Barmittel nachgewiesen hat. Hat der Verwalter aus den vorhandenen Barmitteln die Kosten des Verfahrens bereits im Vorfeld der Gläubigerversammlung berichtigt und ergibt sich i. R. der Gläubigerversammlung keine Möglichkeit zur Fortführung des Verfahrens, kann der Einstellungsbeschluss in der Gläubigerversammlung verkündet werden. Im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens nach § 5 Abs. 2 muss den Gläubigern die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Kostenvorschuss zu leisten.
20
Der Einstellungsbeschluss ist öffentlich bekannt zu machen (§ 215 Abs. 1 Satz 1). Nach § 215 Abs. 1 Satz 2 sind der Schuldner, der Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses vorab über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einstellung zu unterrichten. Wirksam wird die Einstellung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 zwei Tage nach Veröffentlichung des Einstellungsbeschlusses. Vorab-Information bedeutet insoweit, dass das Insolvenzgericht den angesprochenen Beteiligten mitteilt, zu welchem Zeitpunkt die Veröffentlichung wirksam wird.
21
Gegen den Einstellungsbeschluss ist seitens der Insolvenzgläubiger und des Schuldners die sofortige Beschwerde statthaft (§ 216 Abs. 1). Die Beschwerdefrist beginnt mit dem oben genannten Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Einstellungsbeschlusses, also mit dem Ablauf zweier Tage nach der Veröffentlichung (§ 9 Abs. 1 Satz 3), und zwar auch dann, wenn der Beschluss schon zu einem früheren Zeitpunkt an einen Beteiligten zugestellt worden ist.23) Die Veröffentlichung der Entscheidung über die Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 207 im Internet ist auch dann für die Ingangsetzung der Beschwerdefrist maßgeblich, wenn die aktuelle Anschrift des Schuldners, der zunächst unbekannten Aufenthalts war, später ermittelt und dem Schuldner der Beschluss durch Aufgabe zur Post nochmals zugestellt wird.24)
22
_____________ 20) 21) 22) 23)
BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 221/08, ZIP 2009, 1591 = NZI 2009, 602. BFH, Beschl. v. 19.11.2007 – VII B 104/07. FG Thüringen, Urt. v. 1.9.2011 – 1 K 355/10, ZIP 2011, 2021. A. A. OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 270/00, NZI 2000, 169, dazu EWiR 2001, 275 (Mankowski). 24) LG Göttingen, Beschl. v. 3.9.2007 – 10 T 108/07, NZI 2007, 735.
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§ 207 23
Einstellung mangels Masse
Wurde die Eröffnung des Verfahrens im Grundbuch oder sonstigen öffentlichen Registern vermerkt, so hat das Insolvenzgericht das registerführende Gericht unter Beigabe einer Abschrift des Einstellungsbeschlusses um die Löschung des Vermerks zu ersuchen (§ 215 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 200 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 32). V. Wirkungen der Einstellung mangels Masse
24
Mit der Einstellung des Verfahrens erhält der Schuldner das Recht zurück, über die verbliebene Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 215 Abs. 2 Satz 1). Im Gegenzug verliert der Verwalter dieses Recht, sodass er nicht mehr befugt ist, für die Masse Rechtshandlungen vorzunehmen. Diese Wirkungen treten unabhängig von der Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses ein. In Fällen, in denen damit zu rechnen ist, dass gegen den Einstellungsbeschluss Rechtsmittel eingelegt werden, ist deshalb zu erwägen, den Eintritt der Wirkungen der Einstellung von der Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses abhängig zu machen.
25
Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können nach Verfahrenseinstellung die Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs beim Insolvenzgericht beantragen und daraus die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 215 Abs. 2 Satz 2). Eine Ankündigung der Restschuldbefreiung und damit der Übergang in die Wohlverhaltensphase kommen nach einer Einstellung des Verfahrens gemäß § 207 nicht in Betracht (vgl. § 289 Abs. 3 Satz 1 = § 289 n. F.).
26
Wenn nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Versteigerung eines zur Masse gehörenden Grundstücks angeordnet und der Titel gegen den Insolvenzverwalter umgeschrieben und diesem zugestellt wird, ist eine erneute Umschreibung auf den Schuldner und eine Zustellung an ihn nicht erforderlich, sofern das Insolvenzverfahren während des Zwangsversteigerungsverfahrens mangels Masse eingestellt wird.25)
27
Eine Verfahrenseinstellung nach § 207 hindert nicht die Eröffnung eines weiteren Verfahrens, wenn sich neue pfändbare Vermögenswerte ergeben oder der Schuldner eine Restschuldbefreiung anstrebt, wofür ihm die Kostenstundung gewährt werden kann.26) Handelt es sich um Vermögenswerte, die in Anwendung des § 203 dem eingestellten Verfahren zugerechnet werden können, kommt die Anordnung einer Nachtragsverteilung in Betracht. § 211 Abs. 3 steht dem nicht entgegen.27)
28
Im Gegensatz zu einer Abweisung mangels Masse oder einer Versagung der Restschuldbefreiung, die nach § 26 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 303a in das Schuldnerverzeichnis einzutragen ist, führt die Einstellung nach § 207 nicht zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis.
_____________ 25) BGH, Beschl. v. 24.11.2005 – V ZB 84/05, ZfIR 2006, 151 (LS) = InVo 2006, 111. 26) AG Leipzig, Beschl. v. 1.2.2007 – 401 IN 4702/06, ZVI 2007, 280; AG Göttingen, Beschl. v. 27.4.2005 – 74 IN 130/05, ZVI 2005, 278; zum vergleichbaren Fall einer vorausgegangenen Ablehnung nach § 26 InsO: BGH, Beschl. v. 5.8.2002 – IX ZB 51/02, ZIP 2002, 1695 = ZInsO 2002, 818. 27) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 40/13, ZIP 2013, 2320.
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§ 208
Anzeige der Masseunzulänglichkeit
§ 208 Anzeige der Masseunzulänglichkeit (1) 1Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, so hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt. 2Gleiches gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. (2) 1Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekannt zu machen. 2Den Massegläubigern ist sie besonders zuzustellen. (3) Die Pflicht des Verwalters zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse besteht auch nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit fort. Literatur: Dinstühler, Die Abwicklung massearmer Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung, ZIP 1998, 1697; A. Schmidt, Nichts ist unmöglich: Rückkehr zum „normalen“ Insolvenzverfahren trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO), NZI 1999, 442. Übersicht I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Anzeige des Verwalters ....................... Modalitäten der Anzeige ...................... Keine Nachprüfung durch das Gericht ................................................... 3. Wegfall der Masseunzulänglichkeit ...... III. Wirkungen der Anzeige ...................... 1. Konstitutive Wirkung ...........................
I.
1 3 3 6 7 8 8
2. 3. IV. V. 1. 2.
Haftung des Verwalters ........................ 9 Insolvenz des Insolvenzverfahrens .... 12 Bekanntmachungen ........................... 13 Fortführung des Verfahrens ............. 15 Verwertungstätigkeit des Verwalters ............................................ 15 Gerichtliches Verfahren ...................... 18
Vorbemerkung
Soweit die Insolvenzmasse zwar die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens i. S. des § 207 abdeckt, aber nicht ausreicht, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten i. S. der §§ 55, 100, 101, 324 zu erfüllen („Insolvenz in der Insolvenz”), ist das Verfahren zunächst nicht einzustellen, sondern i. R. der §§ 208 ff fortzusetzen. Dasselbe gilt, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreicht, um bestehende sonstige Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen („drohende Masseunzulänglichkeit”). Ist die drohende Masseunzulänglichkeit angezeigt, bedarf es keiner Anzeige einer „endgültigen” Masseunzulänglichkeit; eine solche wäre sogar unzulässig.1) Ob die Masseunzulänglichkeit bereits vor der Eröffnung des Verfahrens feststand bzw. absehbar war oder sich erst nach Verfahrenseröffnung ergab, spielt keine Rolle.
1
Masseunzulänglichkeit ist grundsätzlich dann gegeben, wenn der Vergleich der vorhandenen oder noch zu erwartender Werte mit den noch zu erbringenden Leistungen ergibt, dass der Überschuss nicht ausreicht, um alle Masseansprüche der Massegläubiger zu befriedigen. Die Masse ist umgekehrt hinreichend werthaltig, wenn ausreichendes Vermögen vorhanden ist oder entsprechende Zuflüsse zu erwarten sind.2) Mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit und der damit einhergehenden _____________
2
1) 2)
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 25.11.2003 – 25 W 60/03, NZI 2005, 40. Vgl. BAG, Urt. v. 11.8.1998 – 9 AZR 135/97, ZIP 1999, 36 = DB 1999, 231.
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§ 208
Anzeige der Masseunzulänglichkeit
Zurücksetzung der bis zum Zeitpunkt der Anzeige begründeten Masseverbindlichkeiten ist für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit geschaffen, ungeachtet mangelnder Liquidität die Vermögensverwertung abzuschließen. Zur Vermeidung persönlicher Haftung wird der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit weitere Masseverbindlichkeiten nur noch in einem Umfang eingehen, den er mit der vorhandenen oder voraussichtlich noch zu generierenden Masse abdecken kann. II. Anzeige des Verwalters 1.
Modalitäten der Anzeige
3
Es obliegt grundsätzlich dem Verwalter, abzuschätzen, ob eine Masseunzulänglichkeit gegeben ist oder eine solche droht.3) Ein fixer Zeitpunkt ist nicht normiert. Wird eine (drohende) Masseunzulänglichkeit für den Verwalter erkennbar oder steht diese bereits vor Eröffnung des Verfahrens fest, hat er dies zur Vermeidung von Haftungsansprüchen dem Insolvenzgericht gemäß Absatz 1 anzuzeigen. Soweit die Masseunzulänglichkeit bereits vor Verfahrenseröffnung bestand, wird der Insolvenzverwalter die Anzeige unmittelbar im Anschluss an die Eröffnung des Verfahrens abgeben. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist hierzu nicht befugt. Wenn allerdings der vorläufige und der endgültige Insolvenzverwalter personenidentisch sind, kann der vorläufige Verwalter die Masseunzulänglichkeit mit der Maßgabe dem Gericht anzeigen, dass diese Anzeige mit Eröffnung des Verfahrens wirksam wird und dann zusammen mit dem Eröffnungsbeschluss öffentlich bekannt gemacht werden kann.4)
4
Allein die Anzeige der (drohenden) Masseunzulänglichkeit durch den Verwalter ist ausschlaggebend für den Eintritt der damit verbundenen Wirkungen. Abweichend hiervon ist die Rangfolge des § 209 bereits dann zu berücksichtigen, wenn Masseunzulänglichkeit tatsächlich gegeben ist.5) Der Verwalter muss die Masseunzulänglichkeit auch im Rechtsstreit mit einem klagenden Massegläubiger nicht näher darstellen oder gar beweisen.6) Gleichwohl sollte der Verwalter der Anzeige eine Liquidationsrechnung sowie eine Darstellung der bisherigen und zukünftig noch zu entfaltenden Aktivitäten beifügen.
5
Im Bereich der Eigenverwaltung ist § 285 zu beachten, wonach der Sachwalter die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen hat.
_____________ 3) 4)
5) 6)
BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 = WM 2010, 2321, dazu EWiR 2011, 123 (K. Fuchs). BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, ZIP 2005, 873 = DB 2005, 1339, dazu EWiR 2005, 473 (Lindemann); BAG, Urt. v. 21.11.2006 – 9 AZR 97/06, ZIP 2007, 834 = DB 2007, 1705, dazu EWiR 2008, 87 (Henkel); AG Hamburg, Beschl. v. 8.11.2002 – 67g IN 379/02, ZIP 2002, 2227. BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – IX ZB 261/08, ZIP 2010, 145 = NZI 2010, 188, dazu EWiR 2010, 127 (Weitzmann). BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 459/00, ZIP 2002, 628 = NZI 2003, 273, dazu EWiR 2002, 815 (Berscheid).
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§ 208
Anzeige der Masseunzulänglichkeit
2.
Keine Nachprüfung durch das Gericht
Es besteht grundsätzlich keine Möglichkeit bzw. Verpflichtung seitens des Gerichts, nachzuprüfen, ob eine Masseunzulänglichkeit tatsächlich gegeben ist. Allerdings werden sich aus den i. R. der Verfahrenseröffnung vorzulegenden Verzeichnissen und Übersichten i. S. der §§ 151 ff entsprechende Anhaltspunkte ergeben, die zusammen mit den Ausführungen, die der Verwalter innerhalb seiner Anzeige der Masseunzulänglichkeit macht, eine gewisse Schlüssigkeitsprüfung zulassen.7) Die rechtzeitige Anzeige gehört zu den insolvenzspezifischen Pflichten des Verwalters, deren Erfüllung vom Insolvenzgericht i. R. des § 66 zu prüfen ist. 3.
6
Wegfall der Masseunzulänglichkeit
Stellt sich im weiteren Verlauf der Masseverwertung heraus, dass entgegen der zunächst angenommenen Masseunzulänglichkeit ausreichend Masse vorhanden ist, steht einer Rückkehr zum normalen Verfahren nichts entgegen. Insbesondere ist nicht einzusehen, warum die Insolvenzgläubiger leer ausgehen sollen, obwohl verwertbare Masse zur Verfügung steht. Entgegen der von Schmidt8) geäußerten Ansicht ist hierfür auch keine ausdrückliche Beschlussfassung durch das Insolvenzgericht erforderlich. Allenfalls ist eine Anzeige des Insolvenzverwalters an das Gericht zu fordern, die durch das Gericht bekannt gemacht und den Massegläubigern mitgeteilt wird. Kann der Insolvenzverwalter mit den erwirtschafteten Erlösen alle Masseverbindlichkeiten befriedigen, ist kein Grund für eine vorzeitige Beendigung des Verfahrens ersichtlich.
7
III. Wirkungen der Anzeige 1.
Konstitutive Wirkung
Die Anzeige der (drohenden) Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter hat konstitutive Wirkung.9) Jedoch ist die Befriedigungsreihenfolge des § 209 ab dem Zeitpunkt zu beachten, zu dem die Masseunzulänglichkeit objektiv eintritt. Der Verwalter kann die Rechtsfolge des § 209 nicht dadurch verhindern, dass er die Anzeige der Masseunzulänglichkeit pflichtwidrig unterlässt.10) Anders als im Bereich des § 60 KO, wo den Verwalter im Rechtsstreit mit einem Massegläubiger die Beweislast für die gegebene Masseunzulänglichkeit traf,11) stellt die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach der InsO eine allgemein gültige Zäsur dar. Eine Beweispflicht des Verwalters in Bezug auf das tatsächliche Bestehen der Masseunzulänglichkeit besteht innerhalb der InsO nicht. 2.
Haftung des Verwalters
Allerdings haftet der Verwalter gemäß § 61 für die Erfüllung der von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten, wenn der Gläubiger einer solchen Verbindlichkeit aufgrund einer ungerechtfertigten Anzeige der Masseunzulänglichkeit in den Rang _____________ 7) 8) 9) 10) 11)
8
Dinstühler, ZIP 1998, 1697. A. Schmidt, NZI 1999, 442. BAG, Urt. v. 11.8.1998 – 9 AZR 135/97, ZIP 1999, 36 = DB 1999, 231. BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – IX ZB 261/08, ZIP 2010, 145 = NZI 2010, 188. BAG, Urt. v. 30.10.1985 – 5 AZR 507/84, KTS 1986, 484.
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9
§ 208
Anzeige der Masseunzulänglichkeit
eines sog. Altmassegläubigers (§ 209 Abs. 1 Nr. 3) gedrängt wird. Der Ersatzanspruch umfasst den Forderungsausfall, der dadurch eintritt, dass die sog. Neumassegläubiger (§ 209 Abs. 1 Nr. 2) vorrangig befriedigt werden müssen. In einem entsprechenden Klageverfahren trifft den Verwalter die Beweislast dafür, dass eine Masseunzulänglichkeit zum Zeitpunkt der Anzeige zumindest drohte. Dagegen besteht keine Verpflichtung des Verwalters gegenüber einzelnen Gläubigern, möglichst frühzeitig die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen, um eine Berücksichtigung von Ansprüchen als Neumasseverbindlichkeiten zu gewährleisten.12) 10
Für die Erfüllung von Masseverbindlichkeiten, die nicht durch eine Handlung des Verwalters begründet wurden, kann sich im Falle einer ungerechtfertigten Anzeige der Masseunzulänglichkeit eine Verwalterhaftung aus § 60 ergeben. Im Übrigen haftet der Verwalter gemäß § 61 sowohl gegenüber den Alt- als auch gegenüber den Neumassegläubigern, es sei denn, dass er zum Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu erfüllen. Hierfür trägt der Insolvenzverwalter die Beweislast. Dieser ist dadurch Genüge getan, dass der Verwalter zum Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit einen – aus damaliger Sicht – auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhenden und sorgfältig erwogenen Liquiditätsplan erstellt hat, der eine Erfüllung der fälligen Masseverbindlichkeiten erwarten ließ.13)
11
Begründete der Verwalter Masseverbindlichkeiten, obwohl für ihn vorhersehbar war, dass diese nicht erfüllt werden können, kann sich der Verwalter der Haftung nach § 61 nicht dadurch entziehen, dass er anschließend, d. h. verspätet, die Masseunzulänglichkeit anzeigt. Die Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass noch nicht realisierte Masseansprüche vorhanden sind, die die Ansprüche der Massegläubiger übersteigen. Ein Ausfallschaden i. S. des § 61 liegt bereits dann vor, wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat und keine ohne weiteres durchsetzbaren Ansprüche vorhanden sind, aus denen die Massegläubiger befriedigt werden könnten.14) Die Massegläubiger müssen sich nicht auf den Ausgang eines möglicherweise langwierigen Rechtsstreits über ungewisse Ansprüche vertrösten lassen. 3.
12
Insolvenz des Insolvenzverfahrens
Wie im „Normalverfahren“ die Insolvenzgläubiger, werden bei Masseunzulänglichkeit die Massegläubiger ggf. nur noch mit einer Quote bedient oder fallen mit Ihren Ansprüchen gegen die Masse gänzlich aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob diejenigen Regelungen, die in eben diesem „Normalverfahren“ im Verhältnis zu den Insolvenzgläubigern gelten, bei Masseunzulänglichkeit auf die Massegläubiger anwendbar sind. Ein dem § 89 vergleichbares Vollstreckungsverbot ergibt sich bei Masseunzulänglichkeit zumindest für die sog. Altgläubiger (vgl. § 209 Abs. 1 Nr. 3) aus § 210. Weitere Bestimmungen wie sie noch im RegE zur _____________ 12) BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 = WM 2010, 2321. 13) BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311 = NZI 2005, 222, dazu EWiR 2005, 679 (Pape). 14) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZIP 2004, 1107 = ZVI 2004, 345, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender).
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§ 208
Anzeige der Masseunzulänglichkeit
InsO, z. B. zum Wahlrecht des Verwalters entsprechend § 103 enthalten waren, sind nicht Gesetz geworden. Allgemein anerkannt ist in diesem Zusammenhang die Beschränkung der Aufrechnung, wobei die §§ 94 – 96 mit der Vorgabe Anwendung finden, dass an die Stelle der Insolvenzeröffnung die Anzeige der Masseunzulänglichkeit tritt.15) Hat ein Altmassegläubiger vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch eine nach § 90 zulässige Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen den Verwalter eine Sicherstellung seiner Forderung erwirkt, so dürfte es dem Sinn und Zweck der insolvenzrechtlichen Bestimmungen entsprechen, dieses Sicherungsrecht in Anwendung des § 88 als unwirksam zu betrachten. Weitgehend ungeklärt ist auch das Schicksal eines vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit wirksam erworbenen Sicherungsrechts. Hier gebietet es der Vertrauensschutz, dem Massegläubiger, diese Sicherstellung zu erhalten. In entsprechender Anwendung der Regelungen zur abgesonderten Befriedigung kann ein solcher Massegläubiger demzufolge Befriedigung seiner Ansprüche verlangen und gilt nur insoweit als nachrangiger Massegläubiger, als er i. R. der abgesonderten Befriedigung ausfällt. Das Verwertungsrecht sollte aber in Anwendung des § 166 dem Verwalter zustehen. IV. Bekanntmachungen Das Gericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 2 öffentlich bekannt zu machen, ohne dass davon die Wirksamkeit der Anzeige abhängig wäre. Die Massegläubiger sind gesondert durch entsprechende Zustellungen zu informieren. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit seitens des Verwalters hat deshalb die betroffenen Massegläubiger mit zustellungsfähiger Anschrift zu benennen. Die Zustellung kann gemäß § 8 Abs. 3 dem Insolvenzverwalter übertragen werden. Ein Rechtsmittel gegen die Anzeige der Masseunzulänglichkeit steht den Beteiligten nicht zu.
13
Eine Möglichkeit, die Verfahrenseinstellung durch Leistung eines Vorschusses abzuwenden, ist nicht vorgesehen und letztlich auch nicht erforderlich, denn das Ziel, das mit einer Vorschussleistung verfolgt wird, nämlich eine geordnete Vermögensabwicklung, wird auch i. R. der §§ 208 ff erreicht. Im Übrigen sind Vorschüsse nur zur Deckung der Kosten i. S. des § 54 vorgesehen, deren Deckung durch die Masse setzt § 208 aber gerade voraus.
14
V. Fortführung des Verfahrens 1.
Verwertungstätigkeit des Verwalters
Anders als bei vorliegender Massearmut, bei der der Verwalter gemäß § 207 Abs. 3 nicht mehr verpflichtet ist, die Masse zu verwerten, ist hier nach Absatz 3 ungeachtet der angezeigten Masseunzulänglichkeit die Masse durch den Verwalter zu verwerten und zu verwalten.
15
Die Kosten, die durch die Verwertung und Verwaltung entstehen, stellen grundsätzlich Neumasseverbindlichkeiten i. S. des § 209 Abs. 1 Nr. 2 dar, die den bereits zum Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit bestehenden Altmassever-
16
_____________ 15) BFH, Urt. v. 4.3.2008 – VII R 10/06, BStBl. II 2008, 506 = ZIP 2008, 886, dazu EWiR 2008, 661 (v. Spiessen).
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§ 208
Anzeige der Masseunzulänglichkeit
bindlichkeiten vorgehen und vollständig zu befriedigen sind. Um den Ausfall dieser Altmasseverbindlichkeiten so gering wie möglich zu halten, ist bei der Veranlassung von Verwertungskosten seitens des Verwalters ein besonderes Augenmaß erforderlich. So dürfte eine kostenintensive Abwicklung noch nicht erfüllter Verträge wohl nur dann in Betracht kommen, wenn mit einem realen Massezufluss gerechnet werden kann. Allerdings wird man eine Haftung des Verwalters gegenüber den Altmassegläubigern aus der Begründung von Neumasseverbindlichkeiten nur dann herleiten können, wenn der Tatbestand der sog. Liquidationsverschleppung erfüllt ist.16) Die Rechtsverfolgung seitens des Verwalters ist nicht deshalb sittenwidrig, weil der Prozessgegner der Gefahr ausgesetzt ist, auch bei einem Obsiegen seine Kosten nicht erstattet zu bekommen.17) 17
Ergibt sich während des weiteren Verfahrens, dass die Masse nicht mehr ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken, kann auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit noch eine Verfahrenseinstellung nach § 207 in Betracht kommen. 2.
Gerichtliches Verfahren
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Fortzuführen ist auch das Verfahren als solches. Mithin sind die Insolvenzgläubiger zur Anmeldung ihrer Forderungen aufzufordern, eine Insolvenztabelle anzulegen und einen Prüfungstermin abzuhalten, der u. U. aber mit der abschließenden Gläubigerversammlung verbunden werden kann, da eine Zahlung auf Insolvenzforderungen nicht in Betracht kommt.
19
Die Tatsache, dass ungeachtet der Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Tabelle anzulegen und eine Forderungsprüfung durchzuführen ist, ergibt sich u. a. aus § 215 Abs. 2 Satz 2, wonach die §§ 201, 202 entsprechend gelten und somit auch die Möglichkeit eröffnet werden muss, einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle zu erhalten. Eine Aufnahme der Massegläubiger in die Insolvenztabelle findet nicht statt, sodass auch eine entsprechende Anmeldung zur Tabelle nicht vorgesehen ist. Ebenso hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht zur Folge, dass sich die Gläubigerversammlung nunmehr aus den Altmassegläubigern rekrutiert. Die entsprechenden Regelungen des Regierungsentwurfs sind nicht Gesetz geworden.
20
Mit § 210a wird klargestellt, dass innerhalb des fortzuführenden Verfahrens die Vorlage eines Insolvenzplans möglich ist. Nach § 210a Nr. 1 werden in einem solchen Planverfahren die Altmassegläubiger (§ 209 Abs. 1 Nr. 3) behandelt, wie ansonsten die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger. Sie bilden mithin eine Abstimmungsgruppe und fallen unter das Obstruktionsverbot des § 245. Die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger unterliegen in diesem Planverfahren den Beschränkungen, die ansonsten die nachrangigen Insolvenzgläubiger treffen (§ 210a Nr. 2 i. V. m. § 246).
_____________ 16) BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 245/88, ZIP 1989, 1584 = WM 1989, 1904, dazu EWiR 1990, 275 (Gerhardt). 17) BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, BGHZ 161, 236 = ZIP 2005, 131; BGH Urt. v. 26.6.2001 – IX ZR 209/98, ZIP 2001, 1376 = NZI 2001, 533, dazu EWiR 2001, 823 (Pape).
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§ 209
Befriedigung der Massegläubiger
§ 209 Befriedigung der Massegläubiger (1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge: 1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens;
2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören;
3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten 1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte;
2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte;
3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Übersicht
I. Vorbemerkung ..................................... II. Vorrangige Verfahrenskosten (Abs. 1 Nr. 1) ........................................ III. Neumasseverbindlichkeiten (Abs. 1 Nr. 2) ........................................ 1. Begründung nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit .......................... 2. Verbindlichkeiten aus gegenseitigem Vertrag (Abs. 2 Nr. 1) ........... 3. Dauerschuldverhältnis und Kündigung (Abs. 2 Nr. 2) ....................
I.
1 2 3 3 4
4.
Dauerschuldverhältnis und Gegenleistung (Abs. 2 Nr. 3) ............... 9 5. Weitere Neumasseverbindlichkeiten ................................. 10 6. Verfolgung von Neumasseverbindlichkeiten ................................. 13 IV. Altmasseverbindlichkeiten (Abs. 1 Nr. 3) ...................................... 14 V. Sonstige Ansprüche ........................... 16
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Vorbemerkung
Können die Masseverbindlichkeiten nicht insgesamt bedient werden, bestimmt § 209, in welcher Reihenfolge und in welchem Verhältnis die einzelnen Verbindlichkeiten zu begleichen sind. Vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründete Masseverbindlichkeiten (sog. Altmasseverbindlichkeiten, Absatz 1 Nr. 3) erhalten erst dann Zahlungen aus der Insolvenzmasse, wenn neben den Kosten des Verfahrens (Abs. 1 Nr. 1) diejenigen Masseverbindlichkeiten gedeckt sind, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurden (sog. Neumasseverbindlichkeiten, Absatz 1 Nr. 2). Maßgebender Zeitpunkt für die Abgrenzung der beiden Anspruchsarten ist der Eingang der Anzeige bei Gericht. Jedoch ist § 209 nicht deshalb unanwendbar, weil der Verwalter die bestehende Masseunzulänglichkeit nicht angezeigt hat. Andern-
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§ 209
Befriedigung der Massegläubiger
falls könnte er sich der von ihm einzuhaltenden Rangfolge bei der Befriedigung der Massegläubiger auf Kosten der Staatskasse entziehen.1) II. Vorrangige Verfahrenskosten (Abs. 1 Nr. 1) 2
Ist die Insolvenzmasse unzulänglich, hat die Berichtigung der Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54) absoluten Vorrang vor dem Ausgleich der Neumasseverbindlichkeiten.2) Zu den Verfahrenskosten gehören dabei auch sog. unausweichliche Verwaltungskosten (vgl. hierzu § 207 Rz. 13). Vorrangig aus der unzulänglichen Masse sind die Verfahrenskosten auch dann abzudecken, wenn dem Schuldner diese gemäß § 4a gestundet sind. Denn unabhängig von einer Kostenstundung sind die Verfahrenskosten aus der Insolvenzmasse zu berichtigten, soweit diese dazu ausreicht.3) Ansonsten müsste die Kostenstundung nach § 4b Abs. 2 aufgehoben werden. Führt der Insolvenzverwalter unter Verletzung des gesetzlichen Vorrangs der Verfahrenskosten Umsatzsteuer an das Finanzamt ab, ist sein bei Stundung der Verfahrenskosten bestehender Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse entsprechend zu kürzen.4) Reicht die Insolvenzmasse bei gewährter Kostenstundung nicht aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, sind die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen; auf die Gerichtskosten und die festgesetzte Vergütung des Insolvenzverwalters ist dieselbe Quote zu zahlen.5) Im Falle der Verfahrenskostenstundung sind bei unzureichender Masse die Vergütung und die Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gegen die Staatskasse i. H. der Mindestvergütung festzusetzen, soweit diese der Masse nicht entnommen werden kann.6) Die aus Staatskasse zu gewährende Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 bzw. § 13 Abs. 1 InsVV a. F. ist demnach um den Betrag zu kürzen, um den die Insolvenzmasse dadurch verringert wurde, dass der Insolvenzverwalter unter Verstoß gegen § 209 Zahlungen auf nachrangige Masseverbindlichkeiten leistete. Der Verwalter sollte demnach rechtzeitig Rückstellungen bilden oder die Festsetzung von Vorschüssen beantragen, um seine Vergütung und seinen Auslagenersatz sicherzustellen. III. Neumasseverbindlichkeiten (Abs. 1 Nr. 2) 1.
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Begründung nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit
Um eine Verbindlichkeit als Neu- oder Altmasseverbindlichkeit zu qualifizieren, kommt es auf den Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit an; der Entstehungsgrund der Forderung ist dagegen ohne Bedeutung, sodass es sich etwa auch um einen Bereichungsanspruch handeln kann, der sich gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 gegen die Masse richtet.7) Als Neumasseverbindlichkeit gilt eine Massever_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – IX ZB 261/08, ZIP 2010, 145 = NZI 2010, 188, dazu EWiR 2010, 127 (Weitzmann). BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, ZIP 2006, 1004 = ZVI 2006, 303. BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – IX ZB 261/08, ZIP 2010, 145 = NZI 2010, 188; Kirchhof in: HK-InsO, § 4a Rz. 45; a. A.: Landfermann in: HK-InsO, § 209 Rz. 6. BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252. = NZI 2011, 60, dazu EWiR 2011, 59 (Ries). BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 175/11, ZIP 2013, 634. BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 245/11, ZIP 2013, 631. BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, ZIP 2006, 1004 = ZVI 2006, 303.
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Befriedigung der Massegläubiger
bindlichkeit demnach dann, wenn sie nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit begründet wurde, unabhängig davon, ob ein rechtsgeschäftliches oder gesetzliches Schuldverhältnis zugrunde liegt. Absatz 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Fallgestaltungen, die zu einer Neumasseverbindlichkeit führen. 2.
Verbindlichkeiten aus gegenseitigem Vertrag (Abs. 2 Nr. 1)
Wählt der Verwalter die Erfüllung eines Vertrages (§ 103 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 2) nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit, wird die Verbindlichkeit aus diesem Vertrag zu einer Neumasseverbindlichkeit.
4
Lehnt der Verwalter dagegen die Erfüllung ab, handelt es sich bei dem daraus resultierenden Schadensersatzanspruch des Vertragspartners um eine Altmasseverbindlichkeit, wenn der Vertrag nach Eröffnung zustande gekommen ist. Bestand der Vertrag bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung (§ 103 Abs. 2).
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3.
Dauerschuldverhältnis und Kündigung (Abs. 2 Nr. 2)
Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnisse, z. B. aus Miet- oder Pachtverträgen, sind Neumasseverbindlichkeiten für die Zeit nach dem frühestmöglichen Kündigungstermin. Dieser Termin ist unter rechtlichen Gesichtspunkten zu bestimmen.8) Kündigt der Verwalter nach der Anzeige zum frühesten Termin, sind die Ansprüche des anderen Teils Altmasseverbindlichkeiten.9)
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Hat der Verwalter das Verhältnis bereits vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gekündigt, ist eine erneute Kündigung nach der Anzeige nicht mehr erforderlich. Dadurch ließe sich die Vertragsbeendigung nicht beschleunigen.10)
7
Aus der Masseunzulänglichkeit ergeben sich keine Sonderkündigungsfristen.11)
8
4.
Dauerschuldverhältnis und Gegenleistung (Abs. 2 Nr. 3)
Nimmt der Verwalter die Gegenleistung aus einem Dauerschuldverhältnis nach der Anzeige in Anspruch, werden die hieraus resultierenden Masseverbindlichkeiten ebenfalls zu den Neumasseverbindlichkeiten gezählt.12) Eine Inanspruchnahme liegt dann vor, wenn er eine Leistung nutzt, obwohl er dies hätte verhindern können.13) So hat der Verwalter die Möglichkeit, eine gemietete Sache freizustellen, indem er auf die Nutzung verzichtet und dem Eigentümer die Nutzung überlässt.14) Nimmt der Verwalter nach der Anzeige die Arbeitskraft eines Arbeitnehmers in _____________ 8) BAG, Urt. v. 31.3.2004 – 10 AZR 253/03, ZIP 2004, 1323 = BB 2004, 2079, dazu EWiR 2004, 815 (Bork). 9) Begr. zu § 321 RegE/§ 209 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 220, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 439. 10) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = ZVI 2003, 468, dazu EWiR 2003, 651 (Tetzlaff). 11) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 209 Rz. 16. 12) OLG Koblenz, Urt. v. 11.5.2007 – 8 U 1776/05, ZMR 2007, 786. 13) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = ZVI 2003, 468. 14) BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZIP 2004, 326 = ZVI 2004, 105, dazu EWiR 2004, 349 (Pape).
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§ 209
Befriedigung der Massegläubiger
Anspruch, hat dieser Anspruch auf Zahlung seiner vollen Vergütung. Auch hier lässt sich die Neumasseverbindlichkeit durch eine Freistellung verhindern.15) 5.
Weitere Neumasseverbindlichkeiten
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Die Kfz-Steuer stellt für die Zeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit auch dann eine Neumasseverbindlichkeit dar, wenn der Verwalter von der Tatsache, dass auf den Schuldner ein Fahrzeug zugelassen ist, keine Kenntnis hat.16)
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Nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige fällig gewordene Wohngeldschulden sind Neumasseverbindlichkeiten i. S. von Absatz 1, Absatz 2 Nr. 3, sofern der Insolvenzverwalter die Gegenleistung dadurch in Anspruch genommen hat, dass er über einen längeren Zeitraum – hier viereinhalb Jahre – von der Möglichkeit der Freigabe der Eigentumswohnung keinen Gebrauch gemacht hat.17)
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Ein verfahrensrechtlicher Kostenerstattungsanspruch ist dann als Neumasseverbindlichkeit anzusehen, wenn die Klage nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit rechtshängig wurde.18) 6.
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Verfolgung von Neumasseverbindlichkeiten
Wegen Neumasseverbindlichkeiten kann grundsätzlich auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit geklagt und mit dem erworbenen Titel in die Masse vollstreckt werden. Stellt sich nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit jedoch heraus, dass die zwischenzeitlich begründeten Neumasseverbindlichkeiten nicht oder nicht vollständig beglichen werden können, so ist eine erneute Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht ausgeschlossen, aber wohl nicht notwendig.19) Eine weitere Anzeige führt nicht dazu, dass eine Neumasseverbindlichkeit zu einer Altmasseverbindlichkeit zurückgestuft wird oder sich innerhalb der Neumasseverbindlichkeiten eine interne Befriedigungsrangfolge ergibt.20) Zwingend notwendig ist die weitere Anzeige der Masseunzulänglichkeit oder die Anzeige des Fortbestands der Masseunzulänglichkeit deshalb nicht. Denn auch ohne eine solche weitere Anzeige ist ein Neumassegläubiger daran gehindert, ein Leistungsurteil gegen den Verwalter zu erwirken, wenn dieser im Prozess einwendet, dass die Masse nicht ausreicht, um die Neumasseverbindlichkeiten neben den Kosten des Verfahrens abzudecken. Den Einwand muss der Verwalter mit einer aussagekräftigen Liquidationsberechnung
_____________ 15) BAG, Urt. v. 21.11.2006 – 9 AZR 97/06, ZIP 2007, 834 = DB 2007, 1705, dazu EWiR 2008, 87 (Henkel). 16) BFH, Urt. v. 29.8.2007 – IX R 58/06, BStBl. II 2008, 322 = ZIP 2007, 2083. Ist das Fahrzeug des Schuldners nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar und deshalb nicht massezugehörig, stellt die Kfz-Steuer keine Masseverbindlichkeit dar: BFH, Urt. v. 13.4.2011 – II R 49/09, ZIP 2011, 1728 = NZI 2011, 828. 17) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.4.2006 – 3 Wx 299/05, ZIP 2007, 687 = ZfIR 2007, 870, m. Anm. Pape, S. 817. 18) BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 129/07, ZIP 2008, 1204 = ZVI 2009, 131, dazu EWiR 2009, 57 (Siemon). 19) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = ZVI 2003, 468. 20) BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 129/07, ZIP 2008, 2284 = ZVI 2009, 131; BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = ZVI 2003, 468.
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Befriedigung der Massegläubiger
belegen.21) Auch ein Kostenfestsetzungsbeschluss kann in diesem Fall nur in Form einer Feststellung der Kostenschuld ergehen.22) Der Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses mit dem Inhalt der Feststellung der Kostenschuld kommt allerdings wohl nur dann in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter die Anerkennung des Anspruchs als Masseverbindlichkeit ernstlich bestreitet. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn sich der Verwalter auf das Vollstreckungsverbot nach § 210 beruft.23) Ergibt sich nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit, dass selbst die Kosten des Verfahrens nicht mehr befriedigt werden können, bleibt die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung nach § 207. IV. Altmasseverbindlichkeiten (Abs. 1 Nr. 3) Alle nicht unter Absatz 1 Nr. 2 fallenden Masseverbindlichkeiten sind Altmasseverbindlichkeiten. Diese erhalten aus der unzulänglichen Masse nur noch quotale Befriedigung, deren Höhe sich aus dem Verhältnis der zu berücksichtigen Ansprüche ergibt. Gegebenenfalls fallen die Altmassegläubiger gänzlich aus. Innerhalb der Altmassegläubiger sind die Unterhaltsansprüche des Schuldners und seiner Familie (§ 100) sowie der persönlichen haftenden Gesellschafter (§ 101 Abs. 1 Satz 3) nachrangig. Ebenfalls nachrangig sind z. B. Zinsen und Säumniszuschläge, die von Altmassegläubigern für die Zeit nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit beansprucht werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 analog). Auf Sozialplanforderungen sind regelmäßig keine Zahlungen zu leisten (§ 123 Abs. 2). Eine Zwangsvollstreckung in die Masse ist gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 auch dann unzulässig, wenn der Sozialplan nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbart wurde.24)
14
Die vom Insolvenzverwalter formgerecht angezeigte Masseunzulänglichkeit ist für das Prozessgericht bindend; Altmasseverbindlichkeiten können danach nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden. Möglich bleibt die Erhebung einer Feststellungsklage.25)
15
V. Sonstige Ansprüche Ansprüche, die keine Masseverbindlichkeiten darstellen, sind unabhängig von einer eingetretenen Masseunzulänglichkeit vom Verwalter zu erfüllen. Dies gilt z. B. für die sich aus § 170 ergebenden Ansprüche von absonderungsberechtigten Gläubigern auf Auszahlung des Verwertungserlöses.26) Ebenso für den Anspruch auf Rückzahlung einer auf das Anderkonto des Verwalters fehlgeleiteten Überweisung.27)
_____________ 21) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, ZIP 2006, 1004 = ZVI 2006, 303; BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = ZVI 2003, 468. 22) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.12.2004 – 15 W 25/04, ZInsO 2005, 994. 23) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817 = NZI 2005, 328. 24) BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 249/09, ZInsO 2010, 2193. 25) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914 = ZVI 2003, 468. 26) BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101 = ZIP 2010, 739, dazu EWiR 2010, 395 (Knof). 27) BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 = NZI 2009, 245, dazu EWiR 2009, 343 (Ferslev).
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§ 210
Vollstreckungsverbot
§ 210 Vollstreckungsverbot Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Anwendungsbereich ............................ 2
I. 1
III. Rechtsmittel ......................................... 6
Vorbemerkung
Auch im Zustand der Masseunzulänglichkeit steht die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger im Vordergrund. Eine Vollstreckung durch einzelne Massegläubiger würde diesen Zweck unterlaufen. § 210 entspricht der Regelung des § 89, der ein Vollstreckungsverbot für Insolvenzgläubiger beinhaltet. Soweit es einem Massegläubiger verboten ist, seine Ansprüche durch Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse zu verwirklichen, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für die Erwirkung eines Leistungstitels gegen die Masse.1) Demnach kann z. B. nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kein Kostenfestsetzungsbeschluss mehr gegen die Masse erlangt werden.2) Dagegen beschränkt die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht die Befugnis der Ordnungsbehörde, den Insolvenzverwalter als Störer auf der Grundlage der einschlägigen ordnungsrechtlichen Bestimmungen in Anspruch zu nehmen.3) II. Anwendungsbereich
2
Das Vollstreckungsverbot greift, sobald die Anzeige der (drohenden) Masseunzulänglichkeit bei dem Insolvenzgericht eingeht (§ 208 Abs. 1). Auf die Veröffentlichung oder Zustellung an die Massegläubiger kommt es nicht an. Es betrifft zunächst Altmassegläubiger, also Gläubiger von Masseverbindlichkeiten, die vor Eingang der Anzeige begründet worden sind (§ 209 Abs. 1 Nr. 3).
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Neumassegläubiger (§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 2) sind grundsätzlich ausgenommen, da Verbindlichkeiten, die mit ihnen eingegangen werden, dem Verwalter Handlungsspielraum eröffnen sollen. Müssten die Neumassegläubiger mit einer Beschränkung ihrer Rechte durch ein Vollstreckungsverbot rechnen, würden sie kaum zu einem Vertragsabschluss bereit sein und der Verwalter keinen Handlungsspielraum erreichen können.
4
Soweit allerdings auch die Befriedigung der Neumasseverbindlichkeiten durch die Masse nicht mehr gewährleistet ist, kann sich der Verwalter auch gegen die Vollstreckungsmaßnahme eines Neumassegläubigers auf das Vollstreckungsverbot des § 210 berufen. Die Vorschrift des § 210 gilt demnach auch gegenüber den Neumassegläubigern i. S. des § 209 Abs. 1 Nr. 2, wenn die Begleichung der Kosten i. S. des § 209 Abs. 1 Nr. 1 durch die Insolvenzmasse nicht mehr gesichert ist oder _____________ 1) 2) 3)
BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZB 129/07, ZIP 2008, 2284 = ZVI 2009, 131, dazu EWiR 2009, 57 (Siemon). BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817 = NZI 2005, 328. OVG NRW, Beschl. v. 21.8.2013 – 8 B 612/13, ZInsO 2013, 1857.
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§ 210
Vollstreckungsverbot
nicht alle Neumassegläubiger befriedigt werden können.4) Macht der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit glaubhaft, dass eine danach entstandene, als Neumasseverbindlichkeit einzustufende Kostenerstattungsforderung aus der Masse nicht befriedigt werden kann, darf gegen ihn ein Kostenfestsetzungsbeschluss nicht ergehen.5) Schließlich findet die Regelung des § 210 auch entsprechende Anwendung, wenn ein Kostengläubiger nach Eintritt der Massearmut i. S. des § 207 in die Masse vollstreckt.6) Allerdings wird das Vollstreckungsverbot dabei nicht automatisch mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit oder der Anregung ausgelöst, das Verfahren nach § 207 einzustellen. Daher kann sich der Verwalter gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahme eines Neumassegläubigers oder eines Kostengläubigers nur dann begründet zur Wehr setzen, wenn er die Tatsache, dass die Masse nicht reicht, um deren Ansprüche insgesamt zu bedienen, hinreichend glaubhaft macht. Eine wiederholte Anzeige der Masseunzulänglichkeit ersetzt dieses Erfordernis nicht.7) Sind die Kosten des Verfahrens gedeckt und ist nur ein Neumassegläubiger vorhanden, so steht die Regelung des § 210 einer Zwangsvollstreckung des einzigen Neumassegläubigers nicht entgegen und hindert damit auch nicht die Erhebung einer Leistungsklage seitens des Gläubigers.8)
5
III. Rechtsmittel § 210 stellt ein Vollstreckungshindernis dar, das, wenn es i. R. einer Vollstreckungsmaßnahme nicht beachtet wird, durch eine Erinnerung nach § 766 ZPO durchgesetzt werden kann. Die Entscheidung fällt aus Gründen der Sachnähe analog § 89 Abs. 3 in die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts.9) Funktionell zuständig ist der Richter (§ 20 Nr. 17 RPflG). Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts findet die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO statt.10) Mit der Vollstreckungserinnerung kann sich der Insolvenzverwalter auch gegen die Vollstreckungsmaßnahme eines Neumassegläubigers oder eines Kostengläubigers zur Wehr setzen. Er ist damit nicht auf die Vollstreckungsabwehrklage zu verweisen. Allerdings muss der Insolvenzverwalter dabei die Masseunzulänglichkeit bzw. die Massearmut glaubhaft machen. Gelingt ihm dies nicht in ausreichendem Maße, muss eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden.11)
_____________ 4) BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, ZIP 2006, 1004 = ZVI 2006, 303. 5) BGH v. 9.10.2008 – IX ZB 129/07, ZIP 2008, 2284 = ZVI 2009, 131, dazu EWiR 2009, 57 (Siemon). 6) BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 11/04, ZIP 2006, 1999 = ZVI 2007, 200. 7) BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 129/07, ZIP 2008, 2284 = ZVI 2009, 131. 8) OLG Stuttgart, Urt. v. 9.5.2011 – 5 U 7/11, ZIP 2011, 2077. 9) BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 11/04, ZIP 2006, 1999 = ZVI 2007, 200. 10) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732 = ZVI 2004, 197, dazu EWiR 2004, 1231 (Lüke/Ellke). 11) BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – IX ZB 172/05, ZIP 2007, 2140 = NZI 2007, 721.
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§ 210a
Insolvenzplan bei Masseunzulänglichkeit
§ 210a Insolvenzplan bei Masseunzulänglichkeit Kebekus/Wehler
Bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelten die Vorschriften über den Insolvenzplan mit der Maßgabe, dass 1.
an die Stelle der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger die Massegläubiger mit dem Rang des § 209 Absatz 1 Nummer 3 treten und
2.
für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger § 246 Nummer 2 entsprechend gilt.
Literatur: Zimmer, Insolvenzplan bei Masseunzulänglichkeit nach § 210a InsO (ESUG), ZInsO 2012, 390. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Auswirkungen der Masseunzulänglichkeit auf das Planverfahren ............................................... 3
I.
1. 2.
Massegläubiger ...................................... 3 Nicht nachrangige Insolvenzgläubiger ................................................. 5
Vorbemerkung
1
Mit dem durch das ESUG eingeführten § 210a wird nunmehr klargestellt, dass auch bei Masseunzulänglichkeit i. S. des § 208 die Vorlage eines Insolvenzplans möglich ist, nachdem diese Frage zuvor uneinheitlich beurteilt wurde.1) Überwiegend wurde zwar schon bislang ein Planverfahren auch bei Masseunzulässigkeit für möglich erachtet,2) eine entsprechende Regelung im ursprünglichen Gesetzentwurf zur InsO war damals jedoch auf Vorschlag des Rechtsausschusses wieder gestrichen worden.3) Die bestehende Rechtsunsicherheit und fehlende Planungssicherheit für den Schuldner sollen jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers durch die gesetzliche Klarstellung beseitigt werden.
2
Die Regelung ist zu begrüßen, denn es ist nicht einzusehen, warum den Massegläubigern die Möglichkeiten eines Planverfahrens vorenthalten werden sollten.4) Masseunzulänglichkeit i. S. der Vorschrift verweist dabei auf den engeren Begriff des § 209 Abs. 1 Satz 1. Eine Anwendung bei nur vorübergehender bzw. überwindbarer Masseunzulänglichkeit würde einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Rangverhältnis der Gläubigergruppen bedeuten. Es kommt daher – entgegen dem Wortlaut – wohl nicht allein auf die Anzeige gemäß § 208, sondern als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal auch auf das materielle Vorliegen der Masseunzulänglichkeit an.5) Voraussetzung bleibt jedoch die Deckung der Verfahrenskosten, mithin darf keine Massearmut i. S. des § 207 vorliegen.6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. So etwa Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 217 Rz. 45; Eidenmüller in: MünchKommInsO, Vor §§ 217 bis 269 Rz. 33 m. w. N. BT-Drucks. 12/7302, S. 180. Zurückhaltend insoweit aber etwa Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 210a Rz. 8; Weitzmann in: HambKomm-InsO, § 210a Rz. 3; Zimmer, ZInsO 2012, 390. Weitzmann in: HambKomm-InsO, § 210a Rz. 3 ff; a. A. aber wohl: Madaus in: MünchKommInsO, § 210a Rz. 7. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 210a Rz. 9.
1174
Kebekus/Wehler
Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
§ 211
II. Auswirkungen der Masseunzulänglichkeit auf das Planverfahren 1.
Massegläubiger
Nummer 1 sieht vor, dass in einem solchen Planverfahren die sog. Altmassegläubiger (im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3) so zu behandeln sind, wie ansonsten die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger i. S. des § 38. Die Zulässigkeit eines Insolvenzplans nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit bedeutet zwangsläufig, dass in die Rechte dieser Massegläubiger eingegriffen werden kann, da deren Forderungen nicht mehr voll befriedigt werden können. Letzteres setzt jedoch § 53 üblicherweise voraus. Sie rücken damit nicht nur wirtschaftlich, sondern aufgrund der Regelung auch formal in die Stellung der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger. Sie bilden mithin eine Abstimmungsgruppe und fallen unter das Obstruktionsverbot des § 245.
3
Die Ansprüche der sog. Neumassegläubiger (§ 209 Abs. 1 Nr. 2) sind hiervon nicht erfasst und müssen voll bedient werden können, denn bei der Befriedigung der Gläubiger nach § 258 Abs. 2 sollen die vorrangigen Massegläubiger an die Stelle der Massegläubiger treten, wobei das Erfordernis der vollständiger Begleichung von deren Ansprüchen ausdrücklich postuliert wurde.7)
4
2.
Nicht nachrangige Insolvenzgläubiger
Die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger unterliegen bei Masseunzulänglichkeit den Beschränkungen, die ansonsten die nachrangigen Insolvenzgläubiger treffen (Nummer 2 i. V. m. § 246), ohne dass hiermit jedoch eine Subordination ihrer Rechtsstellung insgesamt verbunden wäre, sodass der Anwendungsbereich des § 222 Abs. 1 Nr. 3 oder des § 225 eben nicht eröffnet ist.8) Eine entsprechende Gruppenbildung ist daher denknotwendig auch bei Masseunzulänglichkeit erforderlich.9) Da sie – wie ansonsten nur die Nachranggläubiger gemäß § 39 – auch mit einer nur quotalen Befriedigung aber regelmäßig nicht rechnen können, soll eine Zustimmung dann ebenfalls fingiert werden, wenn in Folge des zu erwartenden Desinteresses am Ausgang der Abstimmung keine Beteiligung hieran erfolgt. _____________ 7) 8) 9)
Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 41 f, 54. Madaus in: MünchKomm-InsO, § 210a Rz. 14. Str., wie hier: Madaus in: MünchKomm-InsO, § 210a Rz. 14; Zimmer, ZInsO 2012, 390; a. A.: Braun/Kießner, InsO, § 210a Rz. 14, 19 f; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 210a Rz. 27, 31; Weitzmann in: HambKomm-InsO, § 210a Rz. 9 f.
§ 211 Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Riedel
(1) Sobald der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse nach Maßgabe des § 209 verteilt hat, stellt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren ein. (2) Der Verwalter hat für seine Tätigkeit nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gesondert Rechnung zu legen. (3) 1Werden nach der Einstellung des Verfahrens Gegenstände der Insolvenzmasse ermittelt, so ordnet das Gericht auf Antrag des Verwalters oder eines Riedel
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5
§ 211
Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
Massegläubigers oder von Amts wegen eine Nachtragsverteilung an. 2§ 203 Abs. 3 und die §§ 204 und 205 gelten entsprechend. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... II. Vorbereitung der Verfahrenseinstellung .................................................. 1. Aufgaben des Verwalters ...................... 2. Gerichtliches Verfahren ........................ 3. Begleichung der Masseverbindlichkeiten ........................................
I. 1
1 2 2 6
III. IV. 1. 2. V. VI.
Einstellungsbeschluss ........................ 10 Nachtragsverteilung .......................... 14 Anwendungsfälle ................................. 14 Zu berücksichtigende Ansprüche ....... 15 Restschuldbefreiung .......................... 17 Inanspruchnahme des Schuldners ... 18
9
Vorbemerkung
Masseverbindlichkeiten sind durch den Verwalter stets vorab zu befriedigen, ohne dass es einer Entscheidung der Gläubigerversammlung bedarf (§ 53). Eine Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit unterliegt daher anderen Regeln als die Aufhebung des Verfahrens nach Vollzug der Schlussverteilung. II. Vorbereitung der Verfahrenseinstellung 1.
Aufgaben des Verwalters
2
Sobald die Verwertung der Masse abgeschlossen ist, hat der Verwalter dem Insolvenzgericht seine Schlussrechnung samt Schlussbericht vorzulegen, innerhalb derer über die Tätigkeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gesondert Rechnung zu legen ist (Abs. 2). Der Tag der Unzulänglichkeitsanzeige gilt auch buchhalterisch als Zäsur. Auf diesen Tag ist ein rechnerischer Abschluss zu erstellen und ein Kontoauszug vorzulegen. Die Schlussrechnung ist durch das Insolvenzgericht zu prüfen (§ 66 Abs. 2) und mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. Auf die Abhaltung eines Schlusstermins zur Erörterung der Schlussrechnung i. S. des § 197 Abs. 1 Nr. 1 kann verzichtet werden.1)
3
Zusammen mit dem Schlussbericht hat der Verwalter in Anwendung des § 188 Satz 1 ein Verteilungs- bzw. Schlussverzeichnis vorzulegen, in das die Insolvenzgläubiger aufzunehmen sind. Die Aufnahme in das Schlussverzeichnis ist für die Insolvenzgläubiger Voraussetzung für ihre Berücksichtigung im Falle einer eventuellen Nachtragsverteilung. Auch können Zahlungen innerhalb der Wohlverhaltensperiode an Insolvenzgläubiger nur aufgrund des Schlussverzeichnisses geleistet werden.
4
Die Massegläubiger, einerlei ob Alt- oder Neumassegläubiger, werden im Schlussverzeichnis nicht genannt. Jedoch hat der Verwalter eine Verteilungsliste zu erstellen und dem Insolvenzgericht vorzulegen. Darin sind die dem Verwalter bekannten Massegläubiger mit ihren Ansprüchen getrennt nach Alt- und Neumassegläubiger aufzuführen. Auch geleistete Zahlungen sind zu vermerken. Es besteht allerdings kein Anspruch der unzulänglichen Masse auf Rückgewähr erhaltener Zahlungen gegen einen Massegläubiger.
_____________ 1)
BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – IX ZB 134/08, ZVI 2009, 346.
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Riedel
Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
§ 211
Anhand dieser Verteilungsliste sind die Massegläubiger bei einer eventuellen Nachtragsverteilung zu berücksichtigen. Dass die Massegläubiger im Falle der Einstellung aufgrund Masseunzulänglichkeit i. R. einer sich anschließenden Nachtragsverteilung zu berücksichtigen sind, ergibt sich u. a. aus Absatz 3, wonach auch Massegläubiger die Anordnung der Nachtragsverteilung beantragen können. Dieses Antragsrecht wäre unverständlich, wenn die Massegläubiger an einer Nachtragsverteilung nicht partizipieren könnten. 2.
5
Gerichtliches Verfahren
Das Schlussverzeichnis ist entsprechend § 188 Satz 2 auf der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. Die Summe der Forderungen und die Tatsache, dass zur Verteilung kein Betrag zur Verfügung steht, sind öffentlich bekannt zu machen (§ 188 Satz 3). Die Liste der Massegläubiger ist zu den Akten zu nehmen und kann eingesehen werden. Eine Bekanntmachung i. S. des § 188 erfolgt hierzu nicht.
6
Wie im regulären Verfahren ist auch nach angezeigter Masseunzulänglichkeit die Vergütung des Verwalters durch das Insolvenzgericht festzusetzen. Den entsprechenden Antrag stellt der Insolvenzverwalter i. R. der Vorlage seines Schlussberichts. Die Vergütung gehört zu den Kosten des Verfahrens, die vorweg aus der verbleibenden Masse zu begleichen ist (§ 209 Abs. 1 Nr. 1; § 54).
7
Die Abhaltung eines Schlusstermins ist erforderlich, um die Insolvenzgläubiger zu einem Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu hören. Das schriftliche Verfahren kann jedoch angeordnet werden (§ 5). Soweit ab 1.7.2014 § 290 Abs. 2 n. F. zur Anwendung kommt, wonach der Versagungsantrag schriftlich gestellt wird, ist ein Schlusstermin insgesamt entbehrlich.
8
3.
Begleichung der Masseverbindlichkeiten
Die Begleichung der Masseverbindlichkeiten in der Rangfolge des § 209 durch den Verwalter hängt nicht von der Genehmigung der Schlussverteilung durch das Insolvenzgericht ab. § 196 Abs. 2 ist insoweit nicht anwendbar. Dennoch sollte der Insolvenzverwalter Zahlungen an Massegläubiger erst nach Abhaltung des Schlusstermins bzw. nach Prüfung der Schlussrechnung durch das Insolvenzgericht leisten. Beträge, die auf streitige Masseansprüche entfallen, sind entsprechend § 214 Abs. 3 sicherzustellen bzw. zu hinterlegen. Zwar findet die Regelung des § 214 Abs. 3 nach dem Wortlaut des Gesetzes nur im Falle der Einstellung nach § 212 und § 213 Anwendung, der Regelungszweck ist jedoch auch bei einer Einstellung wegen Masseunzulänglichkeit erfüllt. Die analoge Anwendung der Bestimmung ist deshalb geboten.
9
III. Einstellungsbeschluss Sobald der Verwalter die Insolvenzmasse nach Maßgabe des § 209 verteilt hat, stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein (Abs. 1). Die Verteilung der Masse ist dem Insolvenzgericht zu belegen. Die „Nullstellung“ des Anderkontos ist nachzuweisen.
10
Der Einstellungsbeschluss ist öffentlich bekannt zu machen (§ 215 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 200 Abs. 2 Satz 2). Nach § 215 Abs. 1 Satz 2 sind der Schuldner, der Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses vorab über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einstellung zu unterrichten. Soweit der Einstel-
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§ 211
Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
lungsbeschluss durch den Rechtspfleger erlassen wird, ist dagegen die befristete Erinnerung statthaft (§ 11 Abs. 2 RPflG). Die Entscheidung des Richters ist unanfechtbar (§ 216).2) 12
Liegt ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung vor, darf das Verfahren erst dann eingestellt werden, wenn über diesen Antrag rechtskräftig entschieden ist (§ 289 Abs. 3 a. F.). Die rechtskräftige Entscheidung über den Restschuldbefreiungsantrag ist in diesem Fall zusammen mit dem Einstellungsbeschluss öffentlich bekannt zu machen.
13
Wurde die Eröffnung des Verfahrens im Grundbuch vermerkt, so hat das Insolvenzgericht das Grundbuchamt unter Beigabe einer Abschrift des Einstellungsbeschlusses um die Löschung des Vermerks zu ersuchen (§ 215 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 200 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 32). IV. Nachtragsverteilung 1.
14
2. 15
Anwendungsfälle
Lassen sich nach Verfahrenseinstellung Vermögenswerte ermitteln, die dem Schuldner zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gehörten oder die er während des Verfahrens erlangt hat, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Verwalters, eines Massegläubigers oder von Amts wegen eine Nachtragsverteilung an (Abs. 3), soweit nicht die mit der Nachtragsverteilung entstehenden Kosten außer Verhältnis stehen zur Höhe der Verteilungsmasse (Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 203 Abs. 3). Nach dem Wortlaut des Absatzes 3 Satz 1 kommt eine Nachtragsverteilung nur dann in Betracht, wenn Gegenstände der Insolvenzmasse nachträglich ermittelt werden, was der Regelung des § 203 Abs. 1 Nr. 3 entspricht.3) Dagegen ist eine Nachtragsverteilung für die Fälle des § 203 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 nicht vorgesehen. Dies ist im Hinblick darauf, dass auch bei gegebener Masseunzulänglichkeit aus der Masse gezahlte Beträge an diese zurückfließen oder zurückbehaltene Beträge bzw. geleistete Sicherheiten i. S. des § 214 Abs. 3 frei werden können, wohl nicht weiter zu beachten.4) Zu berücksichtigende Ansprüche
Im Rahmen einer Nachtragsverteilung können gemäß § 205 nur die im Schlussverzeichnis genannten Gläubiger Erlösauszahlungen erhalten. In das Schlussverzeichnis sind grundsätzlich aber nur Insolvenzgläubiger aufzunehmen (§§ 187, 188). Dessen ungeachtet sind Massegläubiger mit ihren unstreitigen Ansprüchen auch innerhalb einer Nachtragsverteilung vorab zu befriedigen (vgl. § 53). Die Auszahlung auf die bis dato noch nicht getilgten Masseforderungen ist anhand der vom Insolvenzverwalter zur Einstellung des Verfahrens erstellten Verteilungsliste vorzunehmen. Nachträglich ermittelte Gegenstände, hinsichtlich derer das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung anordnet, dienen demnach primär dazu, offene Masseansprüche zu befriedigen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass diese Masseansprüche nicht im Schlussverzeichnis aufgeführt sind. Die Anordnung der Nachtragsverteilung ist dabei nicht _____________ 2) 3) 4)
BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 234/05, ZIP 2007, 603 = NZI 2007, 243. BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 287/05, ZInsO 2006, 1105. BGH, Beschl. v. 16.1.2014 – IX ZB 122/12, ZIP 2014, 437; Landfermann in: HK-InsO, § 211 Rz. 8.
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Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
§ 211
deshalb entbehrlich, weil keine Auszahlung an Insolvenzgläubiger zu erwarten ist. Vielmehr ist die Anordnung der Nachtragsverteilung Voraussetzung dafür, dass der Verwalter über die entsprechenden Vermögensgegenstände verfügen kann und diese zur Befriedigung der Massegläubiger verwerten darf. Mit der Einstellung des Verfahrens hat der Verwalter diese Verfügungsbefugnis verloren. Die Anordnung einer Nachtragsverteilung erübrigt sich auch dann nicht, wenn zum Zeitpunkt, zu dem weitere Vermögenswerte bekannt werden, die Wohlverhaltensphase läuft. Das Zugriffsrecht des Treuhänders beschränkt sich auf die abgetretenen Teile des Arbeitseinkommens. Er hat somit keine Befugnis, über sonstige Vermögenswerte zu verfügen. Dies kann nur durch einen i. R. einer Nachtragsverteilung zu bestellenden Insolvenzverwalter geschehen. Steuerrückerstattungsansprüche z. B., die sich nachträglich als massezugehörig ergeben, können nur durch eine angeordnete Nachtragsverteilung verwertet werden. Da solche Ansprüche kein Arbeitsentgelt darstellen, gelten sie nicht als an den Treuhänder abgetreten. Ansprüche auf Steuerrückerstattung von Einkommensteuer fallen dann in die Masse, wenn das Ende des Veranlagungszeitraums (31.12.) und damit der Entstehungszeitpunkt des Rückerstattungsanspruchs (1.1.) in das eröffnete Verfahren fällt. Ansonsten gebühren diese Ansprüche dem Schuldner auch dann, wenn er sich in der Wohlverhaltensphase befindet. Ein Pflichtteilsanspruch gehört dann zur Masse, wenn der Erbfall vor oder während des eröffneten Verfahrens eintrat. Macht der Schuldner seinen Pflichtteilsanspruch erst nach Verfahrensaufhebung geltend (§ 852 Abs. 1 ZPO), ist eine Nachtragsverteilung anzuordnen.5)
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V. Restschuldbefreiung Soweit dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt wurde und demzufolge Zahlungen an den Treuhänder erfolgen, sind diese Zahlungen zunächst dazu zu verwenden, offene Masseansprüche zu befriedigen. Eine Ausschüttung an die Insolvenzgläubiger entsprechend des Schlussverzeichnisses darf erst dann erfolgen, wenn die Massegläubiger befriedigt sind.6) Auch insoweit gilt die Verteilungsliste, die der Verwalter zur Verfahrenseinstellung dem Gericht vorlegte, als Grundlage für Auszahlung an die Massegläubiger. Mit dem Wortlaut des § 292 Abs. 1 Satz 2 ist diese Vorgehensweise auch wenn sie zweifellos systemgerecht erscheint, allerdings nicht zu vereinbaren. Nach der zitierten Vorschrift sind aus den Einnahmen in der Wohlverhaltensphase nur die gestundeten Kosten abzüglich der Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts vorweg zu begleichen. Sonstige Masseverbindlichkeiten werden nicht angesprochen. Somit wären Zahlungen an die Insolvenzgläubiger zu leisten, ungeachtet der Tatsache, dass offene Masseverbindlichkeiten bestehen. Dieses Ergebnis ist abzulehnen.
17
VI. Inanspruchnahme des Schuldners Im Übrigen besteht nach der Einstellung des Verfahrens grundsätzlich keine Möglichkeit, ausgefallene Masseverbindlichkeiten gegen den Schuldner persönlich zu verfolgen. Die Verweisung in § 215 Abs. 2 auf die Regelungen der §§ 201, 202 ist _____________ 5) 6)
BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 184/09, ZIP 2011, 135, dazu EWiR 2011, 157 (Storz). BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322 = NZI 2005, 399.
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§ 212
Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds
nicht so zu verstehen, dass bei der Einstellung des Verfahrens an die Stelle der in §§ 201, 202 genannten Insolvenzgläubiger die ausgefallenen Massegläubiger treten würden. Vielmehr bezieht sich die normierte entsprechende Anwendung darauf, dass an die Stelle der in §§ 201, 202 genannten Verfahrensaufhebung die Einstellung des Verfahrens tritt. 19
Soweit allerdings Masseverbindlichkeiten, wie z. B. oktroyierte Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2, Alt. 2, gleichzeitig auch Insolvenzforderungen darstellen, können diese nach der Verfahrenseinstellung gegen den Schuldner verfolgt werden, wenn diesem nicht die Restschuldbefreiung erteilt wird, was gemäß § 289 Abs. 3 a. F. durch die Einstellung aufgrund Masseunzulänglichkeit nicht gehindert wird.7) Für Masseverbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet wurden, haftet der Schuldner nur mit dem Vermögen, das ihm als zuvor massezugehörig nach Einstellung des Verfahrens wieder zufällt.8) _____________ 7) 8)
BGH, Urt. v. 28.6.2007 – IX ZR 73/06, NZI 2007, 670 = WM 2007, 1844. Vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1954 – IV ZR 81/54, NJW 1955, 339.
§ 212 Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds 1
Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, dass nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. 2Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird. Übersicht
1
I. II. 1. 2. 3.
Vorbemerkung ..................................... Voraussetzungen .................................. Antrag .................................................... Wegfall der Eröffnungsgründe ............. Glaubhaftmachung ................................
I.
Vorbemerkung
1 2 2 3 4
III. Auswirkungen auf den Verfahrensfortgang .................................... 9 IV. Entscheidung des Insolvenzgerichts ................................................ 12
Durch ein Insolvenzverfahren wird in erheblichem Maße in die Rechtsposition des Schuldners eingegriffen. Ergibt sich im Laufe des Verfahrens, dass die Grundlagen der Verfahrenseröffnung, die Eröffnungsgründe entfallen sind, kann der Schuldner die Einstellung des Verfahrens erreichen. Den Wegfall des Eröffnungsgrundes kann der Schuldner auch gegen eine nach Verfahrensbeendigung in Betracht kommende Nachtragsverteilung geltend machen.1) II. Voraussetzungen 1.
2
Antrag
Eine Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds nach § 212 setzt einen entsprechenden Antrag des Schuldners voraus. Für die juristische Person stellt deren _____________ 1)
BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 = NZI 2010, 741.
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Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds
§ 212
organschaftlicher Vertreter den Antrag. Besteht die organschaftliche Vertretung aus mehreren Personen, sind all diese zu beteiligen.2) Diese werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens insoweit nicht von der Vertretung der Schuldnerin ausgeschlossen. Bei Personengesellschaften ist der Antrag aller vertretungsberechtigten Gesellschafter erforderlich.3) Der Antrag des Schuldners ist an keine zeitliche Befristung gebunden; er kann deshalb theoretisch auch unmittelbar nach Verfahrenseröffnung gestellt werden, soweit z. B. das gegen den Eröffnungsbeschluss eingelegte Rechtsmittel verworfen wurde.4) 2.
Wegfall der Eröffnungsgründe
Nach Einstellung des Verfahrens dürfen weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit, bei juristischen Personen auch keine Überschuldung, vorliegen. Damit wird eine Parallele zu den Eröffnungsgründen der §§ 17 – 19 gezogen. Diese dürfen zum Zeitpunkt und in absehbarer Zeit nach Einstellung nicht vorliegen.5) Das Insolvenzverfahren kann nicht wegen Wegfall des Eröffnungsgrundes eingestellt werden, wenn nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung bei noch laufendem Insolvenzverfahren Restschuldbefreiung erteilt wird und dadurch die Insolvenzforderungen, die zur Eröffnung des Verfahrens geführt haben, zu unvollkommenen Verbindlichkeiten geworden sind.6) 3.
3
Glaubhaftmachung
Der Wegfall der Eröffnungsgründe ist ebenso wie die Nachhaltigkeit des Wegfalls glaubhaft zu machen. Ansonsten ist der Antrag unzulässig.7) Glaubhaftmachung bedeutet die Darlegung, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass eine Behauptung zutrifft.8) Der Schuldner muss vortragen, dass er in der Lage ist, alle Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Zu berücksichtigen sind wegen § 214 Abs. 3 auch die Massegläubiger. Letztere müssen noch vor Verfahrenseinstellung befriedigt werden können. Dem Insolvenzgericht gegenüber sind die Umstände in gleicher Weise darzulegen, wie es bei der Frage der Verfahrenseröffnung nötig wäre, um eine Eröffnung abzuwenden.9)
4
Es ist hinsichtlich der Insolvenzgläubiger nicht erforderlich, bereits bei Antragstellung ausreichende Mittel zur Befriedigung der Gläubiger der Masse zur Verfügung zu stellen. Ausreichend ist vielmehr eine Sicherstellung etwa durch Bürgschaften, die ein Dritter rechtswirksam und unbedingt übernommen hat. Die bloße Aussicht, dass entsprechende Mittel wohl zur Verfügung stehen werden, genügt indes
5
_____________ 2)
3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
OLG Celle, Beschl. v. 7.9.2000 – 2 W 69/00, ZIP 2000, 1943 = NZI 2001, 28, dazu EWiR 2001, 31 (Ringstmeier); AG Hamburg, Beschl. v. 26.4.2006 – 67c IN 312/05, ZIP 2006, 1688. A. A. Landfermann in: HK-InsO, § 212 Rz. 3. BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17 = ZIP 2006, 1957, dazu EWiR 2007, 17 (Bruns). OLG Celle, Beschl. v. 7.9.2000 – 2 W 69/00, ZIP 2000, 1943 = NZI 2001, 28. BGH, Beschl. v. 23.1.2014 – IX ZB 33/13, NZI 2014, 229. BGH, Beschl. v. 18.6.2009 – IX ZA 13/09, NZI 2009, 517. BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139 = ZVI 2003, 538. OLG Celle, Beschl. v. 7.9.2000 – 2 W 69/00, ZIP 2000, 1943 = NZI 2001, 28.
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§ 212
Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds
nicht. Aus der Sicherstellung dürfen sich keine Verpflichtungen ergeben, die nicht durch die Substanz des Unternehmens zu decken sind. Dies ist der Fall, wenn dem Schuldner darlehensweise Mittel zur Verfügung gestellt werden, die den Wert des Unternehmens erkennbar übersteigen und damit zu einer erneuten Überschuldung führen. Fällt dagegen dem Schuldner während des eröffneten Verfahrens eine Erbschaft an, die auch nach Ansicht des Insolvenzverwalters die Befriedigung aller Verbindlichkeiten ermöglicht, dürfte diese Darstellung für eine positive Entscheidung über den Einstellungsantrag ausreichend sein.10) Wird dem Schuldner vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung, so rechtfertigt dies noch keine Einstellung des Verfahrens nach § 212. 6
Wurde im Vorfeld des Eröffnungsbeschlusses ein Sachverständigengutachten erstellt, hat der Schuldner auf die dort dargestellten Eröffnungsgründe gesondert einzugehen und deren Wegfall darzustellen.11)
7
Es ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts oder des Verwalters, weitere Ermittlungen hinsichtlich des Wegfalls der Eröffnungsgründe anzustellen.12) Dies ist alleine Sache des Schuldners. Das Insolvenzgericht trifft jedoch die Nachprüfungspflicht hinsichtlich des Schuldnervortrags. Ist der Antrag des Schuldners nach Ansicht des Insolvenzgerichts nicht ausreichend glaubhaft gemacht, hat es den Schuldner mittels Zwischenverfügung zur Vervollständigung seines Antrags anzuhalten. Dabei ist dem Schuldner eine Frist zu bestimmen, nach deren ungenutztem Ablauf der Antrag zurückgewiesen wird.
8
Der Antrag des Schuldners ist als unzulässig zu verwerfen, wenn nicht konkret dargelegt wird, dass sämtliche in Betracht kommenden Insolvenzgründe einschließlich der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen sind. Es genügt demnach nicht, denjenigen Eröffnungsgrund, auf den sich der Eröffnungsbeschluss bezieht, als beseitigt darzustellen. Es reicht deshalb auch nicht aus, wenn der Eröffnungsantrag zurückgenommen oder für erledigt erklärt wird. Ebenso genügt es nicht, dass die Forderung des antragstellenden Gläubigers weggefallen ist.13) III. Auswirkungen auf den Verfahrensfortgang
9
Erst wenn ein zulässiger Antrag vorliegt, ist das Einstellungsverfahren nach § 214 einzuleiten. Spätestens dann hat der Antrag des Schuldners Einfluss auf die Tätigkeit des Verwalters. Würde er seine Verwertungsbemühungen uneingeschränkt fortsetzen, entzieht er dem Antrag auf Einstellung möglicherweise die Grundlage. Ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag auf Einstellung erfolgreich sein wird, wird der Verwalter auch zu einem früheren Zeitpunkt seine Verwertungsmaßnahmen zu überprüfen haben.
10
Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Schuldners auf Einstellung des Verfahrens zu veröffentlichen (§ 214 Abs. 1 Satz 1). Dabei genügt es, die Tatsache der An_____________ 10) 11) 12) 13)
Vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 = NZI 2010, 741. Vgl. LG Göttingen, Beschl. v. 3.11.2008 – 10 T 119/08, ZIP 2009, 382 = NZI 2008, 751. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 212 Rz. 7. BGH, Beschl. v. 7.10.2010 – IX ZB 1/10, NZI 2011, 20; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 12/06, ZVI 2006, 564; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17 = ZIP 2006, 1957.
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Riedel
§ 213
Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger
tragstellung bekannt zu machen und auf die Möglichkeit hinzuweisen, innerhalb einer Woche Widerspruch gegen den Antrag zu erheben (§ 214 Abs. 1 Satz 3). Im Übrigen ist auf den in der Geschäftsstelle zur Einsicht niedergelegten Gesamtantrag zu verweisen (§ 214 Abs. 1 Satz 2). Die Veröffentlichung unterbleibt, wenn der Antrag mangels ausreichender Glaubhaftmachung unzulässig ist. Das weitere Verfahren bei zulässigem Antrag ergibt sich aus § 214. Das Rechtsmittelverfahren regelt § 216.
11
IV. Entscheidung des Insolvenzgerichts Eine Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes kommt nur in Betracht, wenn das Insolvenzgericht davon überzeugt ist, dass seitens des Schuldners kein Insolvenzgrund vorliegt. Die Glaubhaftmachung des Schuldners bezieht sich nur auf die Zulässigkeit des Antrags; für dessen Begründetheit genügt die Glaubhaftmachung nicht. Vielmehr hat das Insolvenzgericht von Amts wegen zu ermitteln. Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass gegen den Einstellungsantrag fristgerecht Widersprüche erhoben wurden (vgl. § 214). Soweit dem Insolvenzgericht keine anderweitigen Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen, dürfte es angezeigt sein, den Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen, aus dem sich insbesondere ergeben muss, dass auch mit einer drohenden Zahlungsunfähigkeit beim Schuldner in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
12
§ 213 Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (1) 1Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben. 2Bei Gläubigern, deren Forderungen vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter bestritten werden, und bei absonderungsberechtigten Gläubigern entscheidet das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen, inwieweit es einer Zustimmung dieser Gläubiger oder einer Sicherheitsleistung gegenüber ihnen bedarf. (2) Das Verfahren kann auf Antrag des Schuldners vor dem Ablauf der Anmeldefrist eingestellt werden, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Schuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind. Übersicht I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Voraussetzungen .................................. Antrag .................................................... Zeitpunkt ...............................................
I.
Vorbemerkung
1 2 2 3
3. Zustimmung der Gläubiger .................. 4 III. Auswirkungen auf das Verfahren ...... 8 IV. Forderungskauf .................................... 9
Die Regelung eröffnet dem Schuldner eine Möglichkeit, das Insolvenzverfahren vorzeitig zu beenden. Er kann auf diesem Wege die Gesamtvollstreckung seines Vermögens vermeiden und etwa seine Selbständigkeit fortführen. Mit der Zustim-
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§ 213
Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger
mung der in § 213 genannten Gläubiger kann der Schuldner auch die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung erreichen.1) II. Voraussetzungen 1. 2
2. 3
Zeitpunkt
Absatz 1 legt als frühesten Zeitpunkt den Ablauf der Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1) fest. Betroffene der Einstellung sind die Insolvenzgläubiger, deren Befriedigung das Insolvenzverfahren dient. Verlässliche Informationen zu diesem Personenkreis lassen sich erst nach Ablauf der Anmeldefrist erreichen. Daneben lässt Absatz 2 den Antrag auch vor diesem Zeitpunkt zu und stellt dazu auf die bis dahin bekannten Gläubiger ab. Sie ergeben sich z. B. aus dem Schuldenbereinigungsplan (§ 305) oder aus dem Gläubigerverzeichnis, das der Verwalter vorzulegen hat (§§ 152, 154). 3.
4
Antrag
Die Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger nach § 213 setzt einen hierauf gerichteten Antrag des Schuldners voraus, der, ebenso wie die beizufügenden Zustimmungserklärungen der Gläubiger, an keine besondere Form gebunden ist. Handelt es sich nicht um eine natürliche Personen, ist der Antrag von allen gesetzlichen Vertretern zu stellen. Zu unterscheiden ist zwischen einem Einstellungsantrag, der vor Ablauf der Anmeldefrist (Abs. 2) und einem solchen, der danach gestellt wird (Abs. 1). Im letzten Fall ist die Einstellung zwingend, im ersten Fall handelt es sich um eine Kann-Bestimmung. Es liegt demnach im Ermessen des Gerichts, ob es den Ablauf der Anmeldefrist abwartet.
Zustimmung der Gläubiger
Die Zustimmungen der Gläubiger sind durch den Schuldner beizubringen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts oder des Verwalters, sich um Zustimmungen zu bemühen. Dem Einstellungsantrag, der nach Ablauf der Anmeldefrist gestellt wird, sind die Zustimmungen all derjenigen Gläubiger beizufügen, die eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet haben (Abs. 1 Satz 1). Dass eine Anmeldung erst nach Ablauf der Anmeldefrist erfolgte, spielt keine Rolle. Auch absonderungsberechtigte Gläubiger sind zu berücksichtigen. Die Zustimmung der Aussonderungsberechtigten sowie der Massegläubiger ist dagegen nicht erforderlich. Die Zustimmung nachrangiger Gläubiger ist nach dem Wortlaut des Absatzes 1 Satz 1 notwendig, wenn eine entsprechende Forderung angemeldet wurde. Hat das Insolvenzgericht nicht zur Anmeldung nachrangiger Forderungen aufgefordert, hängt das Zustimmungserfordernis demnach davon ab, dass eine Anmeldung trotz fehlender gerichtlicher Aufforderung vorgenommen wird. Diese von Zufälligkeiten abhängende Situation erscheint unbillig. Demzufolge ist davon auszugehen, dass das Insolvenzgericht für den Fall eines Einstellungsantrags i. S. des § 213, zur Anmeldung nachrangiger Forderungen gemäß § 174 Abs. 3 aufzufordern hat. In der Folge sind die Zustimmungserklärungen derjenigen Gläubiger nachzureichen, die aufgrund der gericht_____________ 1)
BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 219/10, NZI 2011, 947; LG Berlin, Beschl. v. 19.1.2009 – 86 T 24/09, ZInsO 2009, 443.
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§ 213
Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger
lichen Aufforderung innerhalb einer zu bestimmenden Anmeldefrist nachrangige Forderungen anmelden. Soweit der Schuldner oder der Verwalter Forderungen bestritten haben, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen, inwieweit diese Gläubiger zustimmen müssen (Abs. 1 Satz 2). Die Entscheidung erfolgt nach den Grundsätzen des § 77 Abs. 2 Satz 2. Damit ist allerdings nicht die Prüfung der Forderungen im Prüfungstermin Voraussetzung des Antrags. Eine Entscheidung ist nur dann erforderlich, wenn Verwalter oder Schuldner ausdrücklich erklären, dass sie der Forderung widersprechen. Im Übrigen ist von dem Erfordernis der Zustimmung auszugehen. Entsprechendes gilt für Absonderungsgläubiger.
5
Bei der Entscheidung ist abzuwägen, ob die Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens haben, etwa weil die Verwertung eines Grundstücks unmittelbar vor dem Abschluss steht und der zu erwartende Erlös einen wesentlichen Teil der (Absonderungs-)Forderung deckt. Liegt ein berechtigtes Interesse vor, ist die Zustimmung dieser Gläubiger erforderlich. Auch eine Sicherstellung ist zur Vermeidung der Zustimmung möglich. Die Entscheidung des Gerichts, wonach die Zustimmung eines Gläubigers nicht erforderlich ist oder es gegenüber einem Gläubiger keiner Sicherheitsleistung bedarf, ist – soweit der Rechtspfleger entschieden hat – mit der befristeten Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG anfechtbar. Im Übrigen findet gegen die Einstellungsentscheidung die sofortige Beschwerde nach § 216 statt.2)
6
Dem vor Ablauf der Anmeldefrist gestellten Einstellungsantrag müssen die Zustimmungen aller zur Zeit der Einstellung bekannten Insolvenzgläubiger beigefügt werden (Abs. 2), auch wenn deren Forderungen bestritten oder nachrangig sind. Ebenso ist die Zustimmung der absonderungsberechtigten Gläubiger erforderlich. Bestehen für das Insolvenzgericht Zweifel daran, dass ihm alle Insolvenzgläubiger bekannt wurden, sollte der Einstellungsantrag abgelehnt und der Schuldner ggf. auf eine erneute Antragstellung nach Ablauf der Anmeldefrist verwiesen werden. Zustimmen müssen alle bekannten Gläubiger. Ein Ersetzungsverfahren (vgl. § 309) ist ebenso wie eine Mehrheitsentscheidung nicht vorgesehen. Zustimmungen der Massegläubiger sind wegen der sichergestellten Befriedigung nach § 214 Abs. 3 nicht erforderlich.
7
III. Auswirkungen auf das Verfahren Durch einen Einstellungsantrag darf das Insolvenzverfahren nicht unnötig verzögert werden. Liegt ein Antrag vor, der nur geringe und behebbare Mängel aufweist, sind, soweit möglich, Verwertungshandlungen zu unterlassen.
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IV. Forderungskauf § 213 kann vom Schuldner auch in der Weise genutzt werden, dass er den Gläubigern gegen Abtretung ihrer Forderungen einen Teilbetrag dieser Forderungen erstattet und mit den abgetretenen Forderungen die Zustimmung zur Einstellung bewilligt. Abweichend vom Planverfahren ist dabei eine Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht erforderlich. _____________ 2)
LG Wuppertal, Beschl. v. 28.4.2009 – 6 T 223/09, ZInsO 2009, 1113.
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§ 214
Verfahren bei der Einstellung
§ 214 Verfahren bei der Einstellung (1) 1Der Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 212 oder § 213 ist öffentlich bekannt zu machen. 2Er ist in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen; im Falle des § 213 sind die zustimmenden Erklärungen der Gläubiger beizufügen. 3Die Insolvenzgläubiger können binnen einer Woche nach der öffentlichen Bekanntmachung schriftlich Widerspruch gegen den Antrag erheben. (2) 1Das Insolvenzgericht beschließt über die Einstellung nach Anhörung des Antragstellers, des Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses, wenn ein solcher bestellt ist. 2Im Falle eines Widerspruchs ist auch der widersprechende Gläubiger zu hören. (3) Vor der Einstellung hat der Verwalter die unstreitigen Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen Sicherheit zu leisten. Übersicht I. II. III. IV. 1. 2. 3. 4.
I. 1
Vorbemerkung ..................................... Öffentliche Bekanntmachung ............ Auslage des Antrags ............................ Widerspruch ......................................... Bedeutung .............................................. Berechtigung .......................................... Wegfall der Eröffnungsgründe ............. Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger ...............................................
1 2 3 4 4 5 6 7
5. V. 1. 2. 3. 4.
Form und Frist ...................................... 8 Weiteres gerichtliches Verfahren ..... 10 Anhörung ............................................. 10 Forderungsprüfung ............................. 11 Behandlung der Massegläubiger ......... 12 Vorzulegende Unterlagen und fortgeltende Obliegenheiten .............. 13 5. Schlusstermin ...................................... 14 VI. Beschlussfassung ................................ 16
Vorbemerkung
Geregelt wird das Einstellungsverfahren nach einem zulässigen Antrag auf Einstellung wegen Wegfalls der Eröffnungsgründe (§ 212) und nach Zustimmung aller Gläubiger (§ 213). Auf eine Verfahrenseinstellung nach § 207 oder § 208 ist die Vorschrift nicht anwendbar. II. Öffentliche Bekanntmachung
2
Der Antrag auf Einstellung ist öffentlich bekannt zu machen. Zweck der Bekanntmachung ist es, Insolvenzgläubigern die Möglichkeit zu geben, dem Einstellungsantrag zu widersprechen. Die Veröffentlichung unterbleibt, wenn der Antrag mangels ausreichender Glaubhaftmachung unzulässig ist. III. Auslage des Antrags
3
Der Antrag ist zur Einsicht der Beteiligten auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts auszulegen, im Falle des § 213 auch die Zustimmungserklärungen. Eine besondere Zustellung des Antrags ist nicht vorgesehen. IV. Widerspruch 1.
4
Bedeutung
Der Widerspruch hat nicht den Charakter eines Rechtsmittels, da noch keine angreifbare Entscheidung vorliegt, sondern vielmehr den einer Anhörung. Die Er1186
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§ 214
Verfahren bei der Einstellung
hebung eines Widerspruch ist weder Voraussetzung für das Recht, gegen den erlassenen Einstellungsbeschluss Rechtsmittel einzulegen, noch ist das Insolvenzgericht davon befreit, sich vom Vorliegen des Einstellungsgrundes zu überzeugen, wenn kein Widerspruch erhoben wird. 2.
Berechtigung
Widerspruchsberechtigt sind nach dem Wortlaut des Absatzes 1 Satz 3 die Insolvenzgläubiger. Ob hierzu auch die Gläubiger nachrangiger Forderungen i. S. des § 39 gehören, wenn das Insolvenzgericht nicht zur Anmeldung solcher Forderungen aufgefordert hat, ist fraglich. Abstellend auf die Tatsache, dass gegen den Einstellungsbeschluss nach § 216 Abs. 1 „jedem“ Insolvenzgläubiger, also wohl auch den Gläubigern nachrangiger Forderungen, die sofortige Beschwerde zusteht, muss diesen Gläubigern auch ein Widerspruchsrecht gewährt werden. Es sind keine nachvollziehbaren Gründe dafür ersichtlich, dass das Insolvenzgericht den Wegfall der Eröffnungsgründe ungeachtet eventueller Einwendungen der nachrangigen Insolvenzgläubiger zu beurteilen hat, sich dann aber i. R. einer notwendigen Abhilfeentscheidung mit den vorgebrachten Beschwerdegründen auseinandersetzen muss. Kein Widerspruchsrecht haben die Massegläubiger sowie Aus- und Absonderungsgläubiger, denen ansonsten keine persönliche Forderung gegen den Schuldner zusteht. 3.
Wegfall der Eröffnungsgründe
Ein Widerspruch gegen einen Einstellungsantrag nach § 212 richtet sich gegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags, z. B. auf unzureichende Glaubhaftmachung oder unverändert bestehender Eröffnungsgründe.1) 4.
6
Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger
Zielrichtung des Widerspruchs, den nur Insolvenzgläubiger erheben können, ist es, ihre Zustimmung nachträglich zu verweigern oder auf eine Fehlinterpretation ihrer vorliegenden Erklärung hinzuweisen und damit die Einstellung zu verhindern. Soweit sie ihre Forderung noch nicht angemeldet haben, können sie dies i. R. des Widerspruchs nachholen. 5.
5
7
Form und Frist
Der Widerspruch ist bei dem Insolvenzgericht schriftlich zu erheben. Einer Begründung bedarf er nicht. Fehlt sie, begründet der Widerspruch keine Maßnahmen des Insolvenzgerichts.
8
Die Frist beginnt mit der Wirksamkeit der Veröffentlichung nach § 9 Abs. 1 Satz 3, also zwei Tage nach der Veröffentlichung, und beträgt eine Woche. Gehen nach Fristablauf, aber vor der Entscheidung des Gerichts Widersprüche ein, sind diese gleichwohl zu berücksichtigen, da dem Insolvenzgericht insoweit eine Amtsermittlungspflicht obliegt.
9
_____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 212 Rz. 14.
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§ 214
Verfahren bei der Einstellung
V. Weiteres gerichtliches Verfahren 1. 10
2. 11
Vorzulegende Unterlagen und fortgeltende Obliegenheiten
Gleichzeitig mit der Aufforderung zur Berichtigung der Masseansprüche sollte der Insolvenzverwalter ersucht werden, seinen Vergütungsantrag zu stellen. Die Vorlage eines Schlussverzeichnisses ist mangels entsprechender Erlösverteilung nicht erforderlich. Dagegen bleibt der Insolvenzverwalter verpflichtet, Rechnung zu legen (§ 66 Abs. 1). Auch ist der Insolvenzverwalter bis zur Verfahrenseinstellung befugt und verpflichtet, die Masse zu verwalten. Verwertungshandlungen sollten sich dagegen auf unaufschiebbare Maßnahmen beschränken. 5.
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Behandlung der Massegläubiger
Gelangt das Insolvenzgericht zu der Überzeugung, dass kein Eröffnungsgrund gegeben ist, fordert es den Insolvenzverwalter auf, die bestehenden Masseansprüche zu berichtigen bzw. sicherzustellen (Abs. 3) und dies dem Gericht nachzuweisen. Eine Sicherstellung kann sowohl durch einen entsprechenden Rückbehalt als auch durch Bürgschaft o. Ä. erfolgen. Den Insolvenzverwalter fordert das Gericht auf, seinen Vergütungsantrag einzureichen. Die Höhe der Vergütung wird letztlich erst durch deren rechtskräftige Festsetzung festgelegt. Damit der Schuldner auch diese Masseverbindlichkeiten sicherstellen kann, bedarf es der Festsetzung der Vergütung.2) 4.
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Forderungsprüfung
Nachdem die Insolvenzgläubiger auch bei einer Einstellung gemäß § 212 die Möglichkeit haben, einen vollstreckbaren Tabellenauszug zu beantragen, wird das Insolvenzgericht als verpflichtet angesehen werden müssen, die Prüfung angemeldeter Forderungen zu ermöglichen. Ein im Eröffnungsbeschluss bestimmter Prüfungstermin ist deshalb auch dann durchzuführen, wenn sich zwischenzeitlich der Wegfall des Eröffnungsgrundes ergibt. 3.
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Anhörung
Das Insolvenzgericht entscheidet über den Einstellungsantrag des Schuldners nach Anhörung des Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses, wenn ein solcher bestellt ist (Abs. 2 Satz 1). Anzuhören ist auch ein Insolvenzgläubiger, der gegen den Schuldnerantrag Widerspruch erhoben hat. Eine gesonderte Verbescheidung dieses Widerspruchs ist aber nicht notwendig. Eine Anhörung des Schuldners ist dann erforderlich, wenn gegen dessen Antrag Widersprüche erhoben wurden, der Insolvenzverwalter Bedenken gegen eine Einstellung geäußert hat oder das Insolvenzgericht weitergehende Informationen für erforderlich hält.
Schlusstermin
Die Einberufung einer abschließenden Gläubigerversammlung i. S. eines Schlusstermins kann unterbleiben. Gegenstand einer solchen Gläubigerversammlung wäre nur die Erörterung der Schlussrechnung des Verwalters (§§ 66, 197 Abs. 1). Es sind weder Einwendungen gegen das (nicht erstellte) Schlussverzeichnis möglich, noch _____________ 2)
BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 67/10, ZInsO 2011, 777.
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§ 215
Bekanntmachung und Wirkungen der Einstellung
sind Anträge zu einer beantragten Restschuldbefreiung zu stellen, da eine solche nach Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds nicht in Betracht kommt (§ 289 Abs. 3 a. F.). Eine Einstellung nach § 213 dürfte dagegen eine Restschuldbefreiung nicht hindern. Ungeachtet der Regelung des § 289 Abs. 3 a. F. ist es nämlich durchaus denkbar, dass nicht alle Insolvenzgläubiger ermittelt werden konnten. Um diese von der späteren Geltendmachung ihrer Ansprüche auszuschließen, bedarf es der Erteilung einer Restschuldbefreiung.3) Es kann davon ausgegangen werden, dass die Insolvenzgläubiger kein Interesse an der Prüfung der Schlussrechnung des Verwalters haben und diese dem Insolvenzgericht überlassen. Zu denken wäre auch an eine Schlussrechnungslegung gegenüber dem Schuldner, die ohne Einschaltung des Insolvenzgerichts erfolgen könnte. Sind allerdings noch ungeprüfte Forderungen vorhanden, ist deren Prüfung erforderlich, die aber auch schriftlich erfolgen kann. Die Einstellung des Verfahrens aufgrund Wegfalls des Eröffnungsgrunds hindert die Insolvenzgläubiger nicht daran, sich einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle erteilen zu lassen (§ 215 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 201 Abs. 2). Bei einer Einstellung nach § 213 kommt dies nicht in Betracht.
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VI. Beschlussfassung Gelangt das Insolvenzgericht zu der Überzeugung, dass ein Insolvenzgrund nicht ausgeschlossen werden kann oder liegen die notwendigen Gläubigerzustimmungen nicht vor, lehnt es den Antrag des Schuldners durch zu begründenden Beschluss ab. Gegen einen solchen Beschluss steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (§ 216 Abs. 2). Andernfalls ergeht der Einstellungsbeschluss. Die Wirksamkeit des Einstellungsbeschlusses sollte vom Eintritt der Rechtskraft abhängig gemacht werden, um masseschädigende Handlungen des Schuldners für den Fall zu verhindern, dass der Beschluss im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird. _____________ 3)
Vgl. LG Berlin, Beschl. v. 19.1.2009 – 86 T 24/09, ZInsO 2009, 442.
§ 215 Bekanntmachung und Wirkungen der Einstellung (1) 1Der Beschluss, durch den das Insolvenzverfahren nach §§ 207, 211, 212 oder 213 eingestellt wird, und der Grund der Einstellung sind öffentlich bekannt zu machen. 2Der Schuldner, der Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses sind vorab über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einstellung (§ 9 Abs. 1 Satz 3) zu unterrichten. 3§ 200 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. (2) 1Mit der Einstellung des Insolvenzverfahrens erhält der Schuldner das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. 2Die §§ 201, 202 gelten entsprechend. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Bekanntmachung ................................. 2 III. Verfügungsbefugnis des Schuldners ............................................ 3
IV. Haftung des Schuldners ...................... 5 V. Registereintragungen .......................... 7
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§ 215 I. 1
Bekanntmachung und Wirkungen der Einstellung
Vorbemerkung
Die Regelung umfasst die Wirkungen der Einstellung aus Gründen der Massearmut (§ 207), der Masseunzulänglichkeit (§ 211), des Wegfalls der Eröffnungsgründe (§ 212) und mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213). II. Bekanntmachung
2
Der Einstellungsbeschluss und der Grund der Einstellung sind öffentlich bekannt zu machen (Abs. 1 Satz 1, § 200 Abs. 2 Satz 2). Wirkungen entfaltet der Beschluss nach Ablauf von zwei Tagen seit dem Tag der Veröffentlichung (§ 9 Abs. 1 Satz 3). Hierüber sind Schuldner, Verwalter und Gläubigerausschuss vorab zu unterrichten. Auf die Rechtskraft des Beschlusses kommt es nicht an. Das Gericht kann aber die Wirkungen des Beschlusses von dessen Rechtskraft abhängig machen. Im Gegensatz zum Wirksamwerden eines Aufhebungsbeschlusses i. S. des § 200 ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einstellung explizit geregelt. Somit kann die vom Bundesgerichtshof getroffene Feststellung, dass der Aufhebungsbeschluss unabhängige von seiner Veröffentlichung mit Erlass wirksam wird, nicht auf den Einstellungsbeschluss übertragen werden. Gleichzeitig ergeben sich Zweifel dahingehend, dass die vom Bundesgerichtshof getroffene Feststellung dem Willen des Gesetzgebers entspricht.1) Vermögenswerte, die dem Schuldner etwa in Form einer Erbschaft bis zum Wirksamwerden der Einstellung anfallen, gehören in vollem Umfang zur Insolvenzmasse. III. Verfügungsbefugnis des Schuldners
3
Mit Wirksamkeit des Einstellungsbeschlusses (Abs. 1 Satz 2) erhält der Schuldner wieder seine volle Verfügungsbefugnis. Gleichzeitig endet das Amt des Insolvenzverwalters und eines Gläubigerausschusses. Anhängige Prozesse werden analog § 239 ZPO unterbrochen und können vom Schuldner aufgenommen werden, soweit die Ansprüche aus einem solchen Prozess nicht der Nachtragsverteilung vorbehalten werden.2) Nicht mehr benötigte Masse ist an den Schuldner herauszugeben. Geschäftsunterlagen sind ebenfalls an den Schuldner zu übergeben, wenn den Verwalter keine Verpflichtung zur Aufbewahrung i. R. seiner Buchführungspflichten trifft.
4
Soweit eine Nachtragsverteilung angeordnet ist oder vorbehalten wird (nur nach § 211 Abs. 3), besteht insoweit das Amt des Verwalters fort. IV. Haftung des Schuldners
5
Durch den Verweis in Absatz 2 Satz 2 ist klargestellt, dass Gläubiger nunmehr wieder ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner geltend machen können, soweit dem Schuldner keine Restschuldbefreiung erteilt wird. Sie können insbesondere bezüglich ihrer festgestellten und nicht vom Schuldner widersprochenen Forderungen einen vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle erhalten bzw. falls keine Forderungsprüfung stattgefunden hat, ihren ursprünglichen Titel zur Zwangsvollstreckung nutzen. Im Übrigen besteht nach der Einstellung des Verfahrens gemäß § 207 oder § 208 grundsätzlich keine Möglichkeit, ausgefallene Masseverbindlichkeiten gegen den Schuldner persönlich zu verfolgen. Die Verweisung in _____________ 1) 2)
Vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 = NZI 2010, 741. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 215 Rz. 8.
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§ 216
Rechtsmittel
Absatz 2 auf die Regelungen der §§ 201, 202 ist nicht so zu verstehen, dass bei der Einstellung des Verfahrens an die Stelle der in §§ 201, 202 genannten Insolvenzgläubiger die ausgefallenen Massegläubiger treten würden. Vielmehr bezieht sich die normierte entsprechende Anwendung darauf, dass an die Stelle der in §§ 201, 202 genannten Verfahrensaufhebung die Einstellung des Verfahrens tritt. Soweit allerdings Masseverbindlichkeiten, wie z. B. oktroyierte Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, gleichzeitig auch Insolvenzforderungen darstellen, können diese nach der Verfahrenseinstellung gegen den Schuldner verfolgt werden, wenn diesem nicht die Restschuldbefreiung erteilt wird, was gemäß § 289 Abs. 3 a. F. zumindest durch die Einstellung aufgrund Masseunzulänglichkeit nicht gehindert wird.3) Für Masseverbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet wurden, haftet der Schuldner nur mit dem Vermögen, das ihm als zuvor massezugehörig nach Einstellung des Verfahrens wieder zufällt.4) Für gestundete Verfahrenskosten haftet der Schuldner nach Maßgabe der §§ 4b und 4c.
6
V. Registereintragungen Aus Anlass der Insolvenzeröffnung erfolgte Eintragungen in Register (Grundbuch, Handelsregister usw.) sind aufgrund eines Ersuchens des Insolvenzgerichts zu löschen (Abs. 1 Satz 3, § 200 Abs. 2 Satz 2).
7
_____________ 3) 4)
BGH, Urt. v. 28.6.2007 – IX ZR 73/06, NZI 2007, 670 = WM 2007, 1844. Vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1954 – IV ZR 81/54, NJW 1955, 339.
§ 216 Rechtsmittel (1) Wird das Insolvenzverfahren nach §§ 207, 212 oder 213 eingestellt, so steht jedem Insolvenzgläubiger und, wenn die Einstellung nach § 207 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) Wird ein Antrag nach §§ 212 oder 213 abgelehnt, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Beschwerdeberechtigung .................... 2 1. Einstellung nach §§ 207, 212, 213 ........ 2
I.
2. Ablehnung des Einstellungsantrags ..... 3 3. Beschwerderecht des Verwalters .......... 4 III. Beschwerdefrist .................................... 5
Vorbemerkung
Soweit das Schuldnervermögen nicht vollständig verwertet wird, also bei einer Einstellung nach §§ 207, 212 oder § 213 räumt § 216 den Betroffenen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 6) ein. Die Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 211) unterliegt daher keinem Rechtsmittel, da sie erst nach Verteilung des Schuldnervermögens erfolgt. Soweit der Einstellungsbeschluss jedoch durch den Rechtspfleger erlassen wird, ist dagegen die befristete Erinnerung Riedel
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§ 216
Rechtsmittel
stets statthaft (§ 11 Abs. 2 RPflG). Die Entscheidung des Richters ist dann allerdings unanfechtbar.1) II. Beschwerdeberechtigung 1. 2
2. 3
Ablehnung des Einstellungsantrags
Dem Schuldner steht gegen die Ablehnung seiner Anträge nach den §§ 212 und 213 die sofortige Beschwerde zu (Abs. 2). Gläubiger sind nicht beschwert, da die Verwertung zu ihrer Befriedigung fortdauert. 3.
4
Einstellung nach §§ 207, 212, 213
Beschwert sind in allen Fällen die Insolvenzgläubiger, da die Verwertung des schuldnerischen Vermögens durch die Einstellung abgebrochen wird. Massegläubigern steht auch im Falle einer Einstellung nach § 207 kein Beschwerderecht zu. Der Schuldner, der die Einstellungsverfahren nach den §§ 212 und 213 selber einleitet, ist nur durch die Einstellung mangels Masse beschwert. Ist der Schuldner eine natürliche Person, wird sein Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gegenstandslos (§ 289 Abs. 2 a. F.).
Beschwerderecht des Verwalters
Dem Insolvenzverwalter steht gegen eine Einstellungsentscheidung des Insolvenzgerichts grundsätzlich kein Beschwerderecht zu.2) Dies gilt auch für den Fall, dass das Insolvenzgericht die angeregte Einstellung aufgrund Massearmut ablehnt. III. Beschwerdefrist
5
Die Beschwerdefrist beginnt mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Veröffentlichung des Einstellungsbeschlusses, also mit dem Ablauf zweier Tage nach der Veröffentlichung (§ 9 Abs. 1 Satz 3), und zwar auch dann, wenn der Beschluss schon zu einem früheren Zeitpunkt an einen Beteiligten zugestellt worden ist.3)
_____________ 1) 2) 3)
BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 234/05, ZIP 2007, 603 = NZI 2007, 243. BGH, Beschl. v. 26.4.2007 – IX ZB 221/04, ZIP 2007, 1134 = ZVI 2007, 317. A. A. OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 270/99, ZIP 2000, 195 = NZI 2000, 169, dazu EWiR 2000, 181 (Bork).
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Sechster Teil Insolvenzplan Erster Abschnitt Aufstellung des Plans § 217 Grundsatz Kebekus/Wehler
1
Die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften dieses Gesetzes geregelt werden. 2Ist der Schuldner keine natürliche Person, so können auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen werden. Literatur: Braun/Heinrich, Auf dem Weg zu einer (neuen) Insolvenzplankultur in Deutschland – Ein Beitrag zu dem Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2011, 505; Brinkmann, Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97; Fritze, Sanierung von Groß- und Konzernunternehmen durch Insolvenzpläne – Der Fall Senator Entertainment AG –, DZWIR 2007, 89; Graeber, Vergütungsbestimmung durch Vereinbarung zwischen einem Insolvenzverwalter und den weiteren Beteiligten eines Insolvenzverfahrens, ZIP 2013, 917; Hirte/Knof/Mock, Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (Teil I), DB 2011, 632; Kresser, Debt-equity-swaps im Insolvenzplanverfahren de lege ferenda, ZInsO 2010, 1409; Pape, Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch Insolvenzverfahren bei gleichzeitiger Abschaffung der Gläubigergleichbehandlung?, ZInsO 2010, 2155; Uhlenbruck, Zehn Jahre Insolvenzordnung – eine kritische Zwischenbilanz –, NZI 2009, 1. Übersicht I.
Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich ............................ 1 II. Planinhalte ............................................ 6 1. Allgemein ............................................... 6
I.
2.
Eingriff in die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte ............................ 7 III. Steuerliche Aspekte ........................... 11
Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich
Das deutsche Insolvenzplanverfahren hat in weiten Teilen Elemente des US-amerikanischen Reorganisationsverfahrens aus dem Chapter 11 BC übernommen. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers war es, das Insolvenzplanverfahren zum „Kernoder sogar Herzstück“ des neuen Insolvenzrechts zu machen.1)
1
Die Rechtspraxis in den letzten Jahren zeigt hingegen, dass die hohen Erwartungen des Gesetzgebers an das von ihm neu geschaffene Insolvenzplanverfahren zumindest quantitativ nicht realisiert wurden. Bezogen auf die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland sind die Verfahren, in denen ein Insolvenzplan
2
_____________ 1)
Braun-Braun/Frank, InsO, Vor § 217 Rz. 1; Kübler/Prütting/Bork-Pleister, InsO, § 217 Rz. 1 ff; Uhlenbruck-Lüer, InsO, Vor § 217 Rz. 1.
Kebekus/Wehler
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§ 217
Grundsatz
vorgelegt und bestätigt wurde, weiterhin die Ausnahme. So bleibt das Planverfahren in Deutschland in seiner Anwendung meist beschränkt auf Großinsolvenzen, häufig auch Konzerninsolvenzen, in denen über parallel geschaltete Insolvenzpläne versucht wird, das Fehlen eines deutschen Konzerninsolvenzrechtes zu kompensieren.2) Daneben finden Insolvenzpläne praktische Anwendung dort, wo aufgrund rechtsträgergebundenen Berechtigungen eine übertragende Sanierung nicht zielführend ist, weil diese nicht übertragbar sind, sondern der Erhalt des Rechtsträgers zwingend notwendig ist. 3
Nach § 1 stellt der vom Regelinsolvenzverfahren abweichende Insolvenzplan eine von mehreren, gleichberechtigten Verwertungs- und Befriedigungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren dar. Der Insolvenzplan bietet somit die Möglichkeit, im Wege des Verhandlungsprozesses zwischen den Beteiligten frei von staatlicher Reglementierung eine für sie optimale Verwertungs- und Befriedigungsmöglichkeit zu finden.3) Anders als im US-amerikanischen Insolvenzrecht kann in einem deutschen Insolvenzplanverfahren nicht nur die Sanierung, sondern auch die Liquidation als potentielles Planziel verfolgt werden. Auch Mischformen wie übertragende Sanierungen können durch einen Insolvenzplan umgesetzt werden.4)
4
Die Rechtsnatur des Insolvenzplans wird kontrovers diskutiert.5) Richtig dürfte wohl die Qualifikation als spezifisch insolvenzrechtliches Instrument sein, mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisieren, wobei trotz der Parallelen kein privatrechtlicher Vertrag oder Vergleich gegeben ist,6) und das gleichzeitig auch prozessuale Wirkungen im Hinblick auf den weiteren Gang des Insolvenzverfahrens hat.
5
Der Insolvenzplan ist kein selbständiges Insolvenzverfahren, sondern nur i. R. eines eröffneten Insolvenzverfahrens zulässig.7) Während im Verbraucherinsolvenzrecht die Vorlage eines Insolvenzplans gemäß § 312 Abs. 3 a. F. bislang nicht möglich war, können mit Inkrafttreten des Art. 103h Satz 2 EGInsO nun in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren auch dort, ebenso wie bereits zuvor in den besonderen Insolvenzverfahren der §§ 315 ff und im eigenverwalteten Insolvenzverfahren, Insolvenzpläne vorgelegt werden. II. Planinhalte 1.
6
Allgemein
Verfahrensrechtlich kann im Insolvenzplanverfahren nur von den Regelungen der InsO abgewichen werden, die auch im Regelverfahren grundsätzlich zur Disposition der Gläubiger stehen. Demnach können die Vorschriften über die Forderungs_____________ 2) 3)
4) 5) 6) 7)
Vgl. Fritze, DZWIR 2007, 89. Allgemeine Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 72 ff, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 110 ff. S. aber den Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen und die Ausführungen hierzu nach der Kommentierung der InsOVorschriften. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 217 Rz. 4; Braun-Braun/Frank, InsO, Vor § 217 Rz. 12 ff. Vgl. Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 217 Rz. 7 ff. So BGH, Urt. v. 6.10.2005 – IX ZR 36/02, ZIP 2006, 39 = ZInsO 2006, 38, dazu EWiR 2006, 87 (Bähr/Landry); a. A.: Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 217 Rz. 32 ff. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 217 Rz. 2.
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§ 217
Grundsatz
feststellung der Insolvenzgläubiger in einem Insolvenzplan nicht abbedungen werden.8) Klarstellend wird aber nunmehr in Satz 1 auch die Zulässigkeit von „verfahrensleitenden“ bzw. „begleitenden“ (Teil-)Insolvenzplänen postuliert,9) wobei jedoch von vornherein planfeste Vorschriften zwingend bleiben.10) Materiell-rechtlich können die Verwertungs- und Verteilungsmodalitäten der InsO durch den Insolvenzplan geändert werden. So sollen die Vorschriften über die Verteilung disponibel sein, weshalb auch diesbezügliche Präklusionsklauseln bezogen auf bestrittene Forderungen für eine Tabellenfeststellungsklage als zulässig erachtet werden.11) Hierbei ist allerdings zu beachten, dass in die Rechte der absonderungsberechtigten, nicht aber in die der aussonderungsberechtigten Gläubiger eingegriffen werden kann. Geregelt werden können hingegen die Rechte der Insolvenzgläubiger, nicht aber der Massegläubiger. Eine Ausnahme gilt hier lediglich für Ansprüche aus Sozialplänen, die gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 zwar Masseverbindlichkeiten sind, aber dennoch gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2 in einem Insolvenzplan modifiziert werden können.12) Fraglich erscheint auch die Zulässigkeit Festlegung der Vergütung des Insolvenzverwalters durch den Insolvenzplan.13) 2.
Eingriff in die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte
Der mit Inkrafttreten des ESUG in Satz 2 postulierte Zugriff auf die Gesellschafterrechte stellt die zuvor fehlende14) Verknüpfung zum Gesellschaftsrecht her und ermöglicht eine Plangestaltung auch ohne Mitwirkung oder gar gegen den Willen15) der bisherigen Anteilseigner. Diesen wird somit ein zuvor erhebliches Blockadepotential16) auch und gerade in den Fällen, in denen eine übertragende Sanierung nicht möglich oder gewünscht ist, genommen.
7
Wesentliche Neuerung ist hierbei – neben der grundsätzlichen Möglichkeit zur Verdrängung von Altgesellschaftern, die nicht zu Sanierungsbeiträgen bereit sind, aus der Eigentümerstellung – als Kernstück der gesellschaftsrechtlichen Umgestaltungsmöglichkeit der in § 225a Abs. 2 näher beschriebene „Debt-Equity-Swap“.17)
8
Somit kann – entsprechend der gesetzgeberischen Prämisse, dass die Anteilsinhaber wie letztrangige Gläubiger zu behandeln sind18) – i. R. eines Insolvenzplans die schuldnerische Unternehmung auf die (Insolvenz)Gläubiger übertragen werden,
9
_____________ 8) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 230/07, ZIP 2009, 480 = ZInsO 2009, 478, dazu EWiR 2009, 251 (Landry). 9) Vgl. zum Erfordernis: Braun/Heinrich, NZI 2011, 505, 515 f. 10) Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48. 11) BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = ZInsO 2010, 1448, dazu EWiR 2010, 681 (Huber). 12) Braun-Braun/Frank, InsO, § 217 Rz. 8; a. A.: Flessner in: HK-InsO, § 217 Rz. 9. 13) Vgl. Graeber, ZIP 2013, 916 ff; LG München I, Beschl. v. 2.8.2013 – 14 T 16050/13, ZIP 2013, 2273 = ZInsO 2013, 1966. 14) Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48; vgl. auch: Pape, ZInsO 2010, 2155, 2157; Uhlenbruck, NZI 2009, 1, 3. 15) Vgl. § 245 Abs. 3. 16) Pape, ZInsO 2010, 2155, 2157; Kresser, ZInsO 2010, 1409. 17) Zum Debt-Equity-Swap näher: Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632, 637 ff; Kresser, ZInsO 2010, 1409. 18) So auch Brinkmann, WM 2011, 97, 99.
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§ 218
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was neue Wege für eine finanzwirtschaftliche Reorganisation einerseits sowie die Bewältigung komplexer Konzernstrukturen andererseits eröffnet. 10
Die im Plan getroffenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen treten ohne sonst eventuell erforderliche Mitwirkungshandlungen der Organe mit Rechtskraft der gerichtlichen Bestätigung des Plans in Kraft. III. Steuerliche Aspekte
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Regelmäßig zu berücksichtigen sind die steuerlichen Auswirkungen der im Insolvenzplan vorgesehenen Maßnahmen. Werden gemäß § 227 Abs. 1 oder durch andere Planregelungen Verbindlichkeiten ganz oder teilweise erlassen, so entsteht in dieser Höhe hierdurch ein Sanierungsgewinn bei der Gesellschaft, der grundsätzlich sowohl der Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuer unterliegt. Für diese Fälle sieht jedoch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2003, der sog. „Sanierungserlass“,19) vor, dass die Körperschaftsteuer auf diese Sanierungsgewinne gestundet und letztlich erlassen werden kann. Weiteres Ziel ist regelmäßig, dass Verlustvorträge der Gesellschaft weitgehend erhalten bleiben, um sie bei zukünftigen, nach der Sanierung anfallenden Gewinnen steuermindernd geltend zu machen. In der praktischen Anwendung ergibt sich hierbei derzeit das Problem von Rechtsunsicherheiten im Steuerrecht.20) Näheres zu den steuerlichen Fragen siehe § 254 Rz. 7 ff. _____________ 19) BMF-Schreiben v. 27.5.2003 – IV A 6 -S 2140- 8/03, BStBl. I 2003, 240. 20) Die vom Gesetzgeber eingeführte Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG, welche Investoren den Erhalt von Verlustvorträgen in Krisensituationen garantieren wollte, ist gegenwärtig aufgrund eines laufenden Verfahrens der EU-Kommission, die in der Sanierungsklausel eine verbotene Beihilfe sieht, ausgesetzt. Der Gläubiger eines Debt-Equity-Swap kann daher derzeit nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass Verlustvorträge im Unternehmen i. R. der Sanierungsklausel von § 8c KStG erhalten bleiben.
§ 218 Vorlage des Insolvenzplans (1) 1Zur Vorlage eines Insolvenzplans an das Insolvenzgericht sind der Insolvenzverwalter und der Schuldner berechtigt. 2Die Vorlage durch den Schuldner kann mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden. 3 Ein Plan, der erst nach dem Schlußtermin beim Gericht eingeht, wird nicht berücksichtigt. (2) Hat die Gläubigerversammlung den Verwalter beauftragt, einen Insolvenzplan auszuarbeiten, so hat der Verwalter den Plan binnen angemessener Frist dem Gericht vorzulegen. (3) Bei der Aufstellung des Plans durch den Verwalter wirken der Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, der Betriebsrat, der Sprecherausschuß der leitenden Angestellten und der Schuldner beratend mit. Literatur: Delhaes, Im Überblick: Der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren, NZI 1999, 47; Dinstühler, Der Insolvenzplan gemäß den §§ 217–269 InsO, InVo 1998, 333; Obermüller, Eingriffe in die Kreditsicherheiten durch Insolvenzplan und Verbraucherinsolvenzverfahren, WM 1998, 483; Pelz, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der
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Vorlage des Insolvenzplans
Insolvenz, 1999; Schiessler, Der Insolvenzplan, 1997; Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, 1998; Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, 2004; Wittig, Obstruktionsverbot und cram down, ZInsO 1999, 373. Übersicht I. Verfahrensablauf .................................. 1 II. Insolvenzverwalter ............................... 2
I.
III. Schuldner .............................................. 4 IV. Beteiligung bei der Aufstellung ......... 5
Verfahrensablauf
Absatz 1 Satz 1 bestimmt, dass sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Schuldner zur Planvorlage berechtigt sind. Der Plan ist dem Insolvenzgericht vorzulegen, wobei funktional nunmehr der Richter zuständig ist, dem gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung und rechtlichen Komplexität das gesamte Insolvenzplanverfahren übertragen wurde.1) Die Planvorlage ist gleichzeitig der Antrag auf Durchführung des Insolvenzplanverfahrens. Das Gericht hat sodann das Planverfahren einzuleiten und von Amts wegen die Überprüfung gemäß § 231 vorzunehmen. Es kann daher in der Praxis zweckmäßig sein, in Abstimmung mit dem Gericht zunächst einen Planentwurf zur Vorprüfung einzureichen, um Unklarheiten frühzeitig zu bereinigen. Der Plan ist schriftlich abzufassen und vom Plan Vorlegenden eigenhändig zu unterschreiben.2) Da Absatz 1 von der Vorlage „einesInsolvenzplans“ ausgeht, ist jeder Vorlageberechtigte i. R. des Initiativrechtes auch nur berechtigt, einen Plan vorzulegen.3) Etwaig konkurrierende Pläne verschiedener Planersteller werden jeweils im Erörterungs- und Abstimmungstermin (§§ 235 ff) behandelt, die gleichzeitige Vorlage verschiedener Pläne eines Planberechtigten ist jedoch nicht möglich.4) Ein Insolvenzplan kann nur bis zum Schlusstermin vorgelegt werden (Abs. 1 Satz 3), für eingetragene Genossenschaften gilt jedoch § 116 Nr. 1 GenG.
1
II. Insolvenzverwalter Der Insolvenzverwalter hat ein eigenes Initiativrecht.5) Daneben ist er zu Planvorlage gemäß Absatz 2 durch Auftrag der Gläubigerversammlung binnen angemessener Frist6) verpflichtet, wobei er dann an die Vorgaben gebunden sein dürfte.7) Insofern hat die Gläubigerversammlung zumindest mittelbar auch ein eigenes Planinitiativrecht. _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6) 7)
Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 139. Str.: so wie hier Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 1; Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 218 Rz. 7; Schiessler, Insolvenzplan, S. 115; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 123; a. A.: Dinstühler, InVO 1998, 333, 338. Braun-Braun/Frank, InsO, § 218 Rz. 12. Str.: so wie hier: Braun-Braun/Frank, InsO, § 218 Rz. 3; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 4 ff; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 24 ff; Delhaes, NZI 1999, 47, 51; Wittig, ZInsO 1999, 373, 378; dagegen mit Verweis auf die Begründung des gestrichenen § 254 Abs. 1 RegE, in der es heißt: „Ohne einen Auftrag der Gläubigerversammlung ist der Verwalter nicht berechtigt, einen Plan vorzulegen:“ Obermüller, WM 1998, 483, 484; Schiessler, Insolvenzplan, S. 98 f. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 34, schlägt hier einen Zeitraum von acht Wochen vor. Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 28.
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Vorlage des Insolvenzplans
Ein vorläufiger Insolvenzverwalter kann im Insolvenzeröffnungsverfahren keinen Plan vorlegen, sondern einen solchen lediglich vorbereiten.8) Etwas anderes gilt für den Schuldner, der berechtigt ist, dem Gericht gemäß Absatz 1 Satz 1 bereits mit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Plan („pre-packaged-plan“) vorzulegen.9) III. Schuldner
4
Der Schuldnerplan ist bei juristischen Personen entsprechend § 18 Abs. 3 durch die vertretungsberechtigten Geschäftsführungsorgane vorzulegen.10) Liegen mehrere Vertretungsberechtigungen vor, so ist es notwendig, dass die Vorlage des Plans durch sämtliche einzelvertretungsberechtigten Personen gemeinsam erfolgt.11) Bei Personengesellschaften dürfte ausreichen, dass der Plan von allein vertretungsberechtigten Gesellschaftern gemeinschaftlich unterschrieben eingereicht wird, nicht von allen persönlich haftenden Gesellschaftern.12) Ob für die Planvorlage ein Gesellschafterbeschluss erforderlich ist, bestimmt sich nach den jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Regelungen, wobei für einen Fortführungsplan jedenfalls ein Fortführungsbeschluss der Gesellschafter schon bei Planeinreichung notwendig ist.13) Die Absicht des Schuldners, einen Insolvenzplan vorzulegen, begründet keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 4a Abs. 2.14) Die dem Schuldner durch die Planerstellung entstandenen Kosten können nicht erstattet werden.15) IV. Beteiligung bei der Aufstellung
5
Der Insolvenzverwalter hat bei der Planerstellung den in Absatz 3 genannten Adressatenkreiskreis zu konsultieren. Fraglich erscheint der Umfang der Beteiligung, wobei der Gesetzestext von einem Auskunftsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter ausgehend bis hin zu einer Mitwirkungspflicht der Betroffenen auslegbar erscheint,16) die bejahendenfalls gegenüber dem Schuldner gemäß § 97 durchzusetzen ist.17) Der Insolvenzverwalter ist jedoch inhaltlich nicht an die Stellungnahmen und Äußerungen gebunden.18)
_____________ 8) Str., wie hier: Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 218 Rz. 42; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 9; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 32; a. A.: Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rz. 111. 9) Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 10. 10) Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 72 ff; Dinstühler, InVO 1998, 333, 338; Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 218 Rz. 26. 11) Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 75. 12) Str.: so wie hier: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 14; Eidenmüller in: MünchKommInsO, § 218 Rz. 81; Dinstühler, InVO 1998, 333, 338; Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 218 Rz. 26; dagegen: Stahlschmidt, GbR, S. 156; Pelz, GbR, S. 139. 13) Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 12. 14) LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119 = ZInsO 2003, 89. 15) BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232 = ZInsO 2008, 101, dazu EWiR 2008, 409 (Freudenberg). 16) So etwa: Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 75. 17) Braun-Braun/Frank, InsO, § 218 Rz. 6. 18) Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 49.
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§§ 219–221
Gliederung/Darstellender Teil/Gestaltender Teil
Ein Verstoß des Insolvenzverwalters kann eine Zurückweisung des Plans gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 1 zur Folge haben,19) eine lediglich unzureichende Mitwirkung hingegen nicht.20)
6
_____________ 19) Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 218 Rz. 54. 20) Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 218 Rz. 50.
§§ 219 – 221 § 219 Gliederung des Plans 1
Der Insolvenzplan besteht aus dem darstellenden Teil und dem gestaltenden Teil. 2Ihm sind die in den §§ 229 und 230 genannten Anlagen beizufügen.
§ 220 Darstellender Teil (1) Im darstellenden Teil des Insolvenzplans wird beschrieben, welche Maßnahmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlagen für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen. (2) Der darstellende Teil soll alle sonstigen Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Beteiligten über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind.
§ 221 Gestaltender Teil 1
Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. 2Der Insolvenzverwalter kann durch den Plan bevollmächtigt werden, die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und offensichtliche Fehler des Plans zu berichtigen. Literatur: Braun/Uhlenbruck, Muster eines Insolvenzplanes, 1998; Smid/Rattunde, Der Insolvenzplan, 2005. Übersicht I. Inhaltlicher Aufbau ............................. 1 II. Darstellender Teil ................................ 3
I.
III. Gestaltender Teil .................................. 4 IV. Planberichtigung .................................. 5
Inhaltlicher Aufbau
§ 219 gibt die Grobgliederung und Planinhalte eines Insolvenzplans vor. Die gesetzgeberische Vorgabe ist bewusst abstrakt gehalten, da der Planvorleger zum einen nicht unnötig eingeengt werden soll und zum anderen die Darstellungen jeweils vom Einzelfall abhängen. Der Insolvenzplan besteht aus dem darstellenden
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§§ 219–221
Gliederung/Darstellender Teil/Gestaltender Teil
und gestaltenden Teil und, soweit erforderlich, aus den Plananlagen. Während der darstellende Teil in erster Linie der vollumfänglichen Information der Gläubiger dienen soll, wird der gestaltende Teil im Wesentlichen Vollzugselemente bezüglich der zu behandelnden Rechtspositionen der Beteiligten beinhalten. 2
Die inhaltliche Gliederung des Plans ist nicht zu verwechseln mit der Formulierung des Planzieles. Insofern liegt kein Verstoß gegen die §§ 219 ff vor, wenn der Insolvenzplan als Ziel nicht die Sanierung formuliert.1) II. Darstellender Teil
3
Der darstellende Teil des Insolvenzplans entspricht in wesentlichen Teilen dem „disclosurestatement“ aus dem Chapter 11-Verfahren des US-amerikanischen Insolvenzrechts. Nach Lektüre des darstellenden Teils soll der Gläubiger über alle wirtschaftlichen und rechtlichen Sachverhalte des Schuldners informiert sein, um auf einer ausreichenden Informationsbasis eine Entscheidung über die Annahme des Insolvenzplans treffen zu können. Deshalb sollte im darstellenden Teil insbesondere auch das Planziel konkret formuliert werden. Auch etwaig bereits eingeleitete Sanierungsmaßnahmen und deren Konsequenzen sind zu berücksichtigen. Gründe, die eine Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen, sind nicht zwingend anzugeben.2) Art und Darstellung der Angaben hängen vom Umfang und der jeweiligen wirtschaftlichen Bedeutung für das Unternehmen ab.3) Maßgeblich und ausreichend ist die Erwähnung und Erörterung von Ansprüchen, wohingegen umfassende Ausführungen im Detail nicht zu verlangen sind und auch eine im Ergebnis unzutreffende Bewertung durch den Planersteller unschädlich sein soll.4) Unrichtige Angaben über Einkommen und Vermögen des Schuldners stellen jedoch einen Verstoß dar.5) III. Gestaltender Teil
4
Da mit Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen eintreten und gleichzeitig gemäß § 257 aus einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan auch Vollstreckungen möglich sind, sind im gestaltenden Teil die herbeizuführenden Rechtsänderungen konkret zu bestimmen. Nicht möglich sind deshalb auch sog. Eventualklauseln.6) Disponierbar sind insbesondere die Vorschriften über die Verteilung der Insolvenzmasse.7) Zulässig sind auch lediglich „verfahrensleitende“ bzw. „begleitende“ (Teil-)Insolvenzpläne. Beteiligt i. S. des § 221 ist nur, in wessen Rechtspositionen durch den Plan eingegriffen wird.
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
LG München, Beschl. v. 5.9.2003 – 14 T 15659/03, ZVI 2003, 473. BGH, Beschl. v. 19.5.2009 – IX ZB 236/07, ZIP 2009, 1384 = NZI 2009, 515, dazu EWiR 2010, 29 (Lau). BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 30/09, ZIP 2010, 341 = ZInsO 2010, 85 f. BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = ZInsO 2010, 1448, dazu EWiR 2010, 681 (Huber). BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 250/11, WM 2012, 1640. Vgl. hierzu Nerlich/Römermann-Braun, InsO, § 210 Rz. 81 ff. BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = ZInsO 2010, 1448.
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§ 222
Bildung von Gruppen
IV. Planberichtigung Die mit § 221 Satz 2 eingefügte Möglichkeit zur Planberichtigung durch den Insolvenzverwalter folgt Praktikabilitätserwägungen zur Vereinfachung und Beschleunigung bei formellen Hindernissen oder Unzulänglichkeiten.8) Dies gilt auch, wenn der Insolvenzverwalter nicht der Planersteller ist. Die Korrekturen bedürfen gemäß § 248a der Bestätigung durch das Insolvenzgericht.
5
_____________ 8)
Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48.
§ 222 Bildung von Gruppen (1) 1Bei der Festlegung der Rechte der Beteiligten im Insolvenzplan sind Gruppen zu bilden, soweit Beteiligte mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. 2 Es ist zu unterscheiden zwischen 1.
den absonderungsberechtigten Gläubigern, wenn durch den Plan in deren Rechte eingegriffen wird;
2.
den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern;
3.
den einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger, soweit deren Forderungen nicht nach § 225 als erlassen gelten sollen;
4.
den am Schuldner beteiligten Personen, wenn deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden.
(2) 1Aus den Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung können Gruppen gebildet werden, in denen Beteiligte mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefaßt werden. 2Die Gruppen müssen sachgerecht voneinander abgegrenzt werden. 3Die Kriterien für die Abgrenzung sind im Plan anzugeben. (3) 1Die Arbeitnehmer sollen eine besondere Gruppe bilden, wenn sie als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind. 2Für Kleingläubiger und geringfügig beteiligte Anteilsinhaber mit einer Beteiligung am Haftkapital von weniger als 1 Prozent oder weniger als 1.000 Euro können besondere Gruppen gebildet werden. Literatur: Hingerl, Gruppenbildung im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2007, 1337; Smid, Rechtsmittelverfahren bei Anfechtung des Bestätigungsbeschlusses nach § 248 InsO, NZI 2005, 613. Übersicht I.
Obligatorische Gruppenbildung ....... 1
I.
Obligatorische Gruppenbildung
II. Fakultative Gruppenbildung .............. 5
Die Gruppenbildung ist von zentraler Bedeutung für die spätere Abstimmung der Beteiligten über den Insolvenzplan. Da der Widerstand von opponierenden Gruppen ggf. im Wege des § 245 gebrochen werden kann, ist es möglich, durch eine kreative Gruppenbildung das Risiko der Ablehnung des Insolvenzplans zumindest zu reduzieren. Die Gruppeneinteilung erfolgt durch den Planersteller. Auch die Bildung Kebekus/Wehler
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Bildung von Gruppen
nur einer Gruppe ist zulässig,1) ebenso Gruppen mit lediglich einem Gläubiger.2) Letzteres ist für den Pensionssicherungsverein in § 9 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG ausdrücklich angeordnet. 2
Obligatorisch ist eine Gruppe von absonderungsberechtigten Gläubigern, wenn in deren Rechte durch den Plan eingegriffen werden soll. Die Gläubiger sind innerhalb dieser Gruppe nur mit dem Wert ihres Absonderungsrechtes zu berücksichtigen, der abhängig vom Planziel (Sanierung oder Zerschlagung) entweder mit dem Fortführungs- oder dem Liquidationswert zu bemessen ist.3) Wird der zu prognostizierende Erlös aus dem Absonderungsrecht vermutlich nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen, so ist er mit dem dann zu berechnenden hypothetischen Ausfall ggf. in einer weiteren Gruppe der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger gemäß § 38 zu berücksichtigen.
3
So genannte Mischgruppen, die Gläubiger mit unterschiedlicher Rechtsstellung (gesicherte und ungesicherte Gläubiger) in sich vereinen, sind unzulässig.4) Die einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger gemäß § 39 sind zu behandeln, soweit ihre Forderungen nicht nach § 225 als erlassen gelten sollen, was der Regelfall sein dürfte.
4
Am Schuldner beteiligte Personen bilden bei Eingriff in deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte ebenfalls eine oder mehrere Gruppen. Eine Gleichbehandlung ist auch hier trotz gleicher Rechtsstellung nicht zwingend.5) II. Fakultative Gruppenbildung
5
Unter Gläubigern mit gleicher Rechtsstellung können weitere verschiedene Gruppen (Untergruppen) mit jeweils gleichartigen wirtschaftlichen Interessen gebildet werden. Der Planersteller muss hier auf eine sachgerechte Abgrenzung der Untergruppen achten. Die Kriterien für die Gruppenbildung sind im Plan darzustellen.
6
Arbeitnehmer6) sollen eine besondere Gruppe bilden, wenn sie als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind. Dies beurteilt sich nach der subjektiven Betroffenheit der Arbeitnehmer.7) Arbeitnehmeransprüche, die auf § 55 Abs. 1 Satz 2 oder auf § 123 basieren, sind in diesem Zusammenhang ohne Relevanz.
7
Auch für sog. Kleingläubiger können besondere Gruppen gebildet werden. Bis zu welcher Forderungshöhe von einem „Kleingläubiger“ auszugehen ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Hier sollte auf den Einzelfall abgestellt werden.8) Eine nicht hin_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
AG Duisburg, Beschl. v. 15.8.2001 – 43 IN 40/00, NZI 2001, 605. LG Hildesheim, Beschl. v. 26.5.2009 – 7 T 54/08; Eidenmüller in: MünchKomm-InsO, § 222 Rz. 30 ff; vgl. auch Hingerl, ZInsO 2007, 1337. Vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2005 – IX ZB 266/04, ZIP 2005, 1648 = ZVI 2005, 604, dazu EWiR 2006, 279 (v. Gleichenstein); Smid, NZI 2005, 613. BGH, Beschl. v. 7.7.2005 – IX ZB 266/04, ZIP 2005, 1648 = ZVI 2005, 604. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Nicht freiberufliche oder arbeitnehmerähnliche Personen: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 222 Rz. 24. LG Mühlhausen, Beschl. v.17.9.2007 – 2 T 190/06, NZI 2007, 724. Uhlenbruck-Lüer, InsO,§ 223 Rz. 33.
1202
Kebekus/Wehler
§ 223
Rechte der Absonderungsberechtigten
reichend begründete Differenzierung unter den Kleingläubigern durch Bildung mehrerer Untergruppen kann zur Zurückweisung des Plans führen.9) Für die nur geringfügig beteiligten Anteilseigner kann ebenfalls eine Gruppe gebildet werden. Die Höhe der Beteiligung stellt somit ein zulässiges Differenzierungskriterium dar. Da die Vorschrift nur für Anteilsscheine, nicht jedoch für Mitgliedschaftsrechte gilt, scheidet eine Anwendung etwa auf Genossenschaften und Vereine aus.10)
8
_____________ 9) Zur Differenzierung zwischen „Klein-“ und „Kleinstgläubigern“ vgl. LG Neuruppin, Beschl. v. 19.4.2013 – 2 T 33/13, NZI 2013, 646. 10) Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff.
§ 223 Rechte der Absonderungsberechtigten (1) 1Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, so wird das Recht der absonderungsberechtigten Gläubiger zur Befriedigung aus den Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, vom Plan nicht berührt. 2Eine abweichende Bestimmung ist hinsichtlich der Finanzsicherheiten im Sinne von § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes sowie der Sicherheiten ausgeschlossen, die 1.
dem Betreiber oder dem Teilnehmer eines Systems nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes zur Sicherung seiner Ansprüche aus dem System oder
2.
der Zentralbank eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Europäischen Zentralbank gestellt wurden.
(2) Soweit im Plan eine abweichende Regelung getroffen wird, ist im gestaltenden Teil für die absonderungsberechtigten Gläubiger anzugeben, um welchen Bruchteil die Rechte gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen. Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, gelten die Absonderungsrechte der Gläubiger gemäß Absatz 1 unbeschränkt fort. Es gilt dann die Regelabwicklung gemäß §§ 166 ff. Mit einem etwaigen Ausfall ist der absonderungsberechtigte Gläubiger im Insolvenzplan zusätzlich als nicht nachrangiger Gläubiger gemäß § 38 zu berücksichtigten. Verzichtet der Absonderungsberechtigte auf seine Forderung, so gilt dies im Zweifel lediglich als Verzicht auf den ungesicherten Teil seiner Forderung, wenn das Absonderungsrecht wertmäßig geringer als die Forderung ist.1)
1
Abweichende Vereinbarungen von der Regelabwicklung der Absonderungsrechte sind möglich. In Betracht kommen Verzicht, Kürzung, Stundung oder eine andere von den §§ 166 ff abweichende Behandlung. Aufgrund des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes sind die Auswirkungen auf das Absonderungsrecht gemäß Absatz 2 konkret zu beziffern. Hierbei ist auch § 228 zu berücksichtigen.
2
_____________ 1)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 223 Rz. 10.
Kebekus/Wehler
1203
§ 224 3
Rechte der Insolvenzgläubiger
Hinsichtlich der in Absatz 1 Satz 2 genannten Sicherheiten ist eine abweichende Regelung nicht möglich, wie dies auch für den Fall der Verwertung in § 166 Abs. 3 geregelt ist.
§ 224 Rechte der Insolvenzgläubiger Für die nicht nachrangigen Gläubiger ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans anzugeben, um welchen Bruchteil die Forderungen gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen. 1
Da die Änderung der Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger gemäß § 223 im Regelfall oft nur sehr schwierig durchzusetzen ist, ist der Einschnitt in die Rechte der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger gemäß § 38 bei vielen Insolvenzplänen häufig der wesentliche Kernbereich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsänderungen im Hinblick auf § 257 konkret bezeichnet werden müssen. Als Beispiel nennt das Gesetz die Forderungskürzung oder -stundung. Aber auch andere Regelungen, wie bspw. Forderungsverzicht gegen Besserungsschein, Rangrücktritt oder andere Vereinbarungen sind denkbar.
§ 225 Rechte der nachrangigen Insolvenzgläubiger (1) Die Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger gelten, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist, als erlassen. (2) Soweit im Plan eine abweichende Regelung getroffen wird, sind im gestaltenden Teil für jede Gruppe der nachrangigen Gläubiger die in § 224 vorgeschriebenen Angaben zu machen. (3) Die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens für Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten kann durch einen Plan weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden. 1
Die Regelung befasst sich mit den nachrangigen Insolvenzgläubigern gemäß § 39. Hierzu gehören im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Aktiengesellschaft auch i. R. eines Insolvenzplanverfahrens die unselbständigen Ansprüche von Vorzugsaktionären auf Nachzahlungen nicht geleisteter Vorzugsdividenden.1) Deren Forderungen gelten als erlassen, sodass gemäß § 397 Abs. 1 BGB die Forderung erlischt. Die Bestimmung bedeutet im Regelfall keine Schlechterstellung der Gläubiger im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren, da auch dort nur äußerst selten eine Bedienung auf die nachrangigen Insolvenzforderungen in Betracht kommt.
2
Dem Planersteller ist allerdings die Möglichkeit gegeben, von der Erlassfiktion abzuweichen und eine andere Regelung im Insolvenzplan vorzusehen. In diesem Fall _____________ 1)
BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 188/09, ZIP 2010, 1039 = NZI 2010, 603, dazu EWiR 2010, 465 (Mock).
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Kebekus/Wehler
§ 225a
Rechte der Anteilsinhaber
ist es möglich, lediglich eine Regelung für eine einzelne Rangklasse des § 39 vorzunehmen. Dies bedingt nicht, dass Vereinbarungen für ggf. vordere Rangklassen des § 39 zwingend zu erfolgen haben.2) Für den Fall, dass nachrangige Insolvenzforderungen im Insolvenzplan behandelt werden sollen, ist zu beachten, dass zunächst durch das Gericht gemäß § 174 Abs. 3 die Aufforderung zur Anmeldung dieser Forderungen ergeht, damit diese auch geprüft werden können. Bei Geldstrafen und diesen in § 39 Abs. 1 Satz 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten ist weder ein Haftungsausschluss noch eine Haftungsbeschränkung des Schuldners möglich. Hierüber sind die Beteiligten des Plans nicht dispositionsbefugt. _____________ 2)
Str., wie hier: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 225 Rz. 6; a. A.: Nerlich/Römermann-Braun, InsO, § 225 Rz. 6.
§ 225a Rechte der Anteilsinhaber (1) Die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen bleiben vom Insolvenzplan unberührt, es sei denn, dass der Plan etwas anderes bestimmt. (2) 1Im gestaltenden Teil des Plans kann vorgesehen werden, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden. 2Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist ausgeschlossen. 3Insbesondere kann der Plan eine Kapitalherabsetzung oder erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber vorsehen. (3) Im Plan kann jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten. (4) 1Maßnahmen nach Absatz 2 oder 3 berechtigen nicht zum Rücktritt oder zur Kündigung von Verträgen, an denen der Schuldner beteiligt ist. 2Sie führen auch nicht zu einer anderweitigen Beendigung der Verträge. 3Entgegenstehende vertragliche Vereinbarungen sind unwirksam. 4Von den Sätzen 1 und 2 bleiben Vereinbarungen unberührt, welche an eine Pflichtverletzung des Schuldners anknüpfen, sofern sich diese nicht darin erschöpft, dass eine Maßnahme nach Absatz 2 oder 3 in Aussicht genommen oder durchgeführt wird. (5) 1Stellt eine Maßnahme nach Absatz 2 oder 3 für eine am Schuldner beteiligte Person einen wichtigen Grund zum Austritt aus der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit dar und wird von diesem Austrittsrecht Gebrauch gemacht, so ist für die Bestimmung der Höhe eines etwaigen Abfindungsanspruches die Vermögenslage maßgeblich, die sich bei einer Abwicklung des Schuldners eingestellt hätte. 2Die Auszahlung des Abfindungsanspruches kann zur Vermeidung einer unangemessenen Belastung der Finanzlage des Schuldners über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren gestundet werden. 3 Nicht ausgezahlte Abfindungsguthaben sind zu verzinsen. Kebekus/Wehler
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3
§ 225a
Rechte der Anteilsinhaber
Literatur: Bauer/Dimmling, Endlich im Gesetz(entwurf): Der Debt-Equity-Swap, NZI 2011, 517; Becker, Umwandlungsmaßnahmen im Insolvenzplan und die Grenzen einer Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch das Insolvenzrecht, ZInsO 2013, 1885; Braun/Heinrich, Auf dem Weg zu einer (neuen) Insolvenzplankultur in Deutschland – Ein Beitrag zu dem Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2011, 505; Brinkmann, Wege aus der Insolvenz eines Unternehmens – oder: Die Gesellschafter als Sanierungshindernis, WM 2011, 97; Cahn/ Simon/Theiselmann, Debt Equity Swap zum Nennwert!, DB 2010, 1629; Eckert/Harig, Zur Bewertung von Sicherheiten beim Debt Equity Swap nach § 225a InsO im Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2012, 2318; Günther, Auswirkungen des ESUG auf das Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2012, 2037; Hirte/Knof/Mock, Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (Teil I), DB 2011, 632; Kresser, Debtequity-swaps im Insolvenzplanverfahren de lege ferenda, ZInsO 2010, 1409; Meyer/ Degener, Debt-Equity-Swap nach dem RegE-ESUG, BB 2011, 846; Nawroth/Wohlleber, Der „unechte Share-Deal“ mittels Insolvenzplan – oder: zum praktischen Umgang mit der Regelung des § 225a Abs. 3 InsO, ZInsO 2013, 1022; Pape, Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch Insolvenzverfahren bei gleichzeitiger Abschaffung der Gläubigergleichbehandlung?, ZInsO 2010, 2155; Schäfer, C., Insolvenzplan als Lösungsmittel für Mehrheits-/Minderheitskonflikte? – Lehren aus dem Fall Suhrkamp, ZIP 2013, 2237; Uhlenbruck, Zehn Jahre Insolvenzordnung – eine kritische Zwischenbilanz, NZI 2009, 1; Wieneke/Hoffmann, Der Erhalt der Börsennotierung beim echten und unechten Debt Equity Swap in der Insolvenz der börsennotierten AG, ZIP 2013, 697. Übersicht I.
Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich ............................ 1 II. Debt-Equity-Swap ............................... 3 III. Sonstige Regelungsinhalte ................. 8
I.
IV. Unwirksamkeit von Change-ofControl-Klauseln ............................... 12 V. Abfindungsansprüche ....................... 13 VI. Steuern ................................................ 14
Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich
1
Mit der Neuregelung durch das ESUG wird ein Zugriff auf die Gesellschafterrechte möglich und die zuvor vermisste1) Verknüpfung mit dem Gesellschaftsrecht hergestellt. Die Zufuhr von neuem Eigenkapital stellt oftmals die entscheidende Weichenstellung für die Sanierung eines Unternehmens i. R. eines Insolvenzplanverfahrens dar.2) Mit der Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital („Debt-EquitySwap“)3) ergibt sich die Möglichkeit, bisherige Gläubiger mit gesellschaftsrechtlichem Einfluss auszustatten und so für eine Sanierung zu gewinnen.
2
Die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen bleiben weiterhin im Grundsatz vom Insolvenzverfahren unberührt. Das Gesetz lässt jedoch einen Eingriff in diese Rechte zu, wenn dies im Insolvenzplan ausdrücklich vorgesehen ist. Die Inhaber von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten am Schuldner sind so als Beteiligte in das Insolvenzplanverfahren eingebunden und können als eigene Gruppe über den Plan und damit über den Forderungsumtausch abstimmen. Nur dann besteht auch Anlass für ihre Beteiligung. Sie genießen damit _____________ 1) 2) 3)
Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48; vgl. auch: Pape, ZInsO 2010, 2155, 2157; Uhlenbruck, NZI 2009, 1, 3. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Zum Debt-Equity-Swap näher: Günther, ZInsO 2012, 2037, 2038 ff; Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632, 637 ff; Kresser, ZInsO 2010, 1409.
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Kebekus/Wehler
§ 225a
Rechte der Anteilsinhaber
wie auch die Gläubiger Minderheitenschutz und haben das Recht, sich mit Rechtsmitteln gegen den Plan zu wehren. II. Debt-Equity-Swap Der Planinhalt muss im Einzelnen regeln, wie die Umwandlung einer Forderung in Eigenkapital technisch umgesetzt werden soll. Zugleich sind Regelungen für eventuell bestellte Sicherheiten zu treffen.4)
3
Gemäß Absatz 2 Satz 2 kann jedoch kein Gläubiger gegen seinen Willen in eine Gesellschafterposition gedrängt werden, denn das Recht, einer Umwandlung seiner Forderung nicht zuzustimmen, stellt ein Individualrecht jedes einzelnen Gläubigers dar. Die Zustimmung kann nicht ersetzt werden durch mehrheitliche Abstimmung innerhalb der Gruppen. Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG. Die erforderliche Zustimmungserklärung jedes betroffenen Gläubigers, der Anteilsinhaber am Schuldner wird, bzw. der Mehrheitsbeschluss nach SchVG ist dem Plan nach § 230 Abs. 2 beizufügen.5)
4
Der Debt-Equity-Swap erfolgt üblicherweise durch eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung, wobei die Forderung als Sacheinlage eingebracht wird und die Einbringung entweder durch eine Forderungsübertragung – hierbei erlischt die Forderung durch Konfusion – oder durch einen Erlassvertrag erfolgt.6)
5
Im Plan anzugeben ist, mit welchem Wert ein Anspruch anzusetzen ist und wem das Bezugsrecht zustehen soll. Zur Frage der Werthaltigkeit des Anspruchs sind ggf. Gutachten einzuholen.7) Eine Bewertung zum Nennwert scheidet damit aus.8) Mit dieser gesetzgeberischen Wertung sind Auffassungen eine Absage erteilt, die für eine teleologische Reduktion der Sacheinlagevorschriften beim Debt-EquitySwap eintreten.9) Allerdings stellt sich in der Praxis die Frage des Bewertungsmaßstabes aufgrund der Insolvenzsituation.10) Richtig und praktisch handhabbar erscheint – auch mit Blick auf die Regelung des Absatzes 5 – die Bewertung anhand des bei Planerörterung wahrscheinlichsten Alternativszenarios, das regelmäßig die Quote bei Zerschlagung sein dürfte.11) Zur Rechts- und Kalkulationssicherheit ist die Bewertung der Sacheinlage nur innerhalb des Planverfahrens angreifbar (§ 254 Abs. 4). Eine Überbewertung der Sacheinlage führt später nicht zu einer Differenzhaftung des Einlegers gegenüber dem Schuldner.
6
Wirksamkeitserfordernis der im Insolvenzplan gefassten Beschlüsse ist die Eintragung in das jeweilige Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- oder Vereinsregister. Zur Vereinfachung wird der Insolvenzverwalter hierzu an Stelle der Organe zur Anmeldung ermächtigt (§ 254a Abs. 2). _____________
7
Zu deren Bewertung vgl.: Eckert/Harig, ZInsO 2012, 2318 ff. Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48. Meyer/Degener, BB 2011, 846. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 225a Rz. 21; a. A.: Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, 1629 ff. 9) So etwa: Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, 1629 ff. 10) Brinkmann, WM 2011, 97, 99; Meyer/Degener, BB 2011, 846. 11) Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 225a Rz. 21. 4) 5) 6) 7) 8)
Kebekus/Wehler
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§ 225a
Rechte der Anteilsinhaber
III. Sonstige Regelungsinhalte 8
Möglich ist die grundlegende Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen des Schuldners auch außerhalb eines Debt-Equity-Swap und deren Anpassung an die Bedürfnisse des Insolvenzplanverfahrens. Da eine Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst wird, kann der Plan z. B. bereits Regelungen zur Fortsetzung der schuldnerischen Gesellschaft enthalten.12) Auch die Übertragung von Beteiligungen des Schuldners an Drittgesellschaften kann in den Plan aufgenommen werden.
9
Denjenigen Gläubigern, die durch eine Umwandlung ihrer Forderungen zu Anteilsinhabern werden, soll das Sanierungs- und ggf. das Kleinbeteiligungsprivileg des § 39 Abs. 5 zugute kommen, da davon auszugehen sei, dass die Anteile zum Zweck der Sanierung i. S. des § 39 Abs. 4 erworben wurden.13) Problematisch ist dabei, dass dieses Privileg ggf. bereits mit Planbestätigung infolge der damit meist verbundenen „nachhaltigen Sanierung“ endet und somit sich danach anschließende Finanzierungshilfen nicht mehr umfasst wären.14)
10
Im Falle der Einziehung von Anteilsrechten in einem Insolvenzplan muss eine finanzielle Kompensation vorgesehen werden, sofern die Anteile noch werthaltig sind. Die hierfür erforderlichen Mittel sind im Plan zur Verfügung zu stellen, eine Entschädigung ist nach § 251 Abs. 3 Satz 2 außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend zu machen, damit keine Verzögerung eintritt. Allerdings ist im Insolvenzverfahren regelmäßig von einer Wertlosigkeit der Anteile auszugehen.15)
11
Die zulässigen Grenzen einer gesellschaftsrechtlichen Reorganisation sind bislang in der Rechtspraxis noch nicht erkennbar.16) Eine Beurteilung dürfte im Einzelfall stets eine Würdigung der Maßnahme im konkreten Zusammenhang mit der Sanierungskonzeption insgesamt erfordern. Eine grundlegende Umgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen – z. B. durch Formwechsel17) – ist jedoch ebenso wenig grundsätzlich ausgeschlossen wie der Austausch von Gesellschaftern durch Anteilsübertragung.18) Bei börsennotierten Gesellschaften sind zum Erhalt der Listung entsprechende Besonderheiten zu beachten.19) IV. Unwirksamkeit von Change-of-Control-Klauseln
12
Durch die Regelungen in Absatz 4 wird zum Erhalt von Sanierungschancen sichergestellt, dass die in der Praxis üblichen Change-of-Control-Klauseln im Fall der Durchführung eines Debt-Equity-Swaps oder anderer Kapitalmaßnahmen nicht zur Anwendung kommen, indem insoweit ihre Unwirksamkeit angeordnet wird.20) _____________ 12) Ein förmlicher Fortsetzungsbeschluss (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG, § 140 HGB, § 117 Abs. 1 GenG, § 49 Abs. 2 VAG) wird somit entbehrlich. 13) Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. 14) Meyer/Degener, BB 2011, 846. 15) Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. 16) Vgl. C. Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242 f. 17) Zur Umwandlung vgl. Becker, ZInsO 2013, 1885. 18) Nawroth/Wohlleber, ZInsO 2013, 1022 ff m. w. N. 19) Wieneke/Hoffmann, ZIP 2013, 697 ff. 20) Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff.
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Kebekus/Wehler
§ 226
Gleichbehandlung der Beteiligten
Der Gesetzgeber kommt damit der Forderung nach einer klarstellender Regelung nach, um nicht den diesbezüglichen Rechtsunsicherheiten i. R. der der Anwendung des § 119 ausgesetzt zu sein.21) Vertragliche Abreden, die nicht allein an die Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 2 und 3 anknüpfen, sondern an weitergehende Pflichtverletzungen, bleiben hiervon unberührt. V. Abfindungsansprüche In Absatz 5 wird die Abwicklung von etwaig begründeten Abfindungsansprüchen erleichternd geregelt, damit diese nicht zu einer die Sanierungsaussichten gefährdenden Belastung des Schuldners führen. Bei der Bestimmung der Höhe des Abfindungsanspruchs ist in Rechnung zu stellen, dass die Nichtdurchführung des Plans die Liquidation des schuldnerischen Unternehmens zur Folge hätte. Zudem kann im Plan vorgesehen werden, dass die Fälligkeit eines etwaigen Abfindungsanspruchs über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren gestreckt oder aufgeschoben werden kann. Bezüglich der Verzinsung erscheint ein Rückgriff auf gesellschaftsrechtliche Vorschriften, etwa § 327b Abs. 2 AktG, naheliegend. Eine Besicherung des Anspruchs sieht das Gesetz jedoch nicht vor.
13
VI. Steuern Derzeit offen bleibt die Frage nach dem steuerlichen Umgang mit Sanierungsgewinnen und der Erhaltung von Verlustvorträgen nach § 8c Abs. 1a KStG i. R. eines Debt-Equity-Swap ebenso wie für Unternehmen, die dieses Instrument außerhalb einer Planinsolvenz anwenden. Insbesondere kann ein Debt-Equity-Swap einen „schädlichen Beteiligungserwerb“ darstellen, der zum Verlust der Verlustvorträge führt. Ein schädlicher Beteiligungserwerb ist vor allem dann gegeben, wenn der Gläubiger i. R. des Debt-Equity-Swap mehr als 25 % bzw. mehr als 50 % der Geschäftsanteile übernimmt.22) _____________ 21) Vgl. Braun/Heinrich, NZI 2011, 505, 508 f. 22) Vgl. zu den steuerlichen Risiken: Bauer/Dimmling, NZI 2011, 517, 519 f; Meyer/Degener, BB 2011, 846, 850; sowie auch die Kommentierung zu § 217, dort Rz. 11 und § 254 Rz. 7 ff.
§ 226 Gleichbehandlung der Beteiligten (1) Innerhalb jeder Gruppe sind allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten. (2) 1Eine unterschiedliche Behandlung der Beteiligten einer Gruppe ist nur mit Zustimmung aller betroffenen Beteiligten zulässig. 2In diesem Fall ist dem Insolvenzplan die zustimmende Erklärung eines jeden betroffenen Beteiligten beizufügen. (3) Jedes Abkommen des Insolvenzverwalters, des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Beteiligten, durch das diesen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ein nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt wird, ist nichtig.
Kebekus/Wehler
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14
§ 226
Gleichbehandlung der Beteiligten Übersicht II. Verbot von Nebenabreden .................. 3
I.
Gläubigerrechte innerhalb einer Gruppe .................................................. 1
I.
Gläubigerrechte innerhalb einer Gruppe
1
Die Norm modifiziert den im Regelinsolvenzverfahren geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung („par condicio creditorum“). Im Insolvenzplanverfahren kann die Gleichbehandlung der Gläubiger auf die einzelnen Gruppen beschränkt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht im Verhältnis der einzelnen Gruppen zueinander.
2
Eine unterschiedliche Behandlung der Gläubiger innerhalb einer Gruppe dürfte zwar die Ausnahme darstellen, ist grundsätzlich allerdings möglich. Sie setzt allerdings die Zustimmung aller beteiligten und gleichzeitig benachteiligten1) Gläubiger voraus. Hierbei kommt es auf die wirtschaftliche Benachteiligung des Gläubigers insoweit an, dass eine gleichförmige rechtliche Regelung ausreicht, aber etwaige individuelle Wirkungen beim Betroffenen, z. B. aufgrund unterschiedlicher steuerlicher Konsequenzen, unbeachtlich sind.2) Verfahrenstechnisch ist die Zustimmungserklärung jedes betroffenen Gläubigers dem Insolvenzplan beizufügen. II. Verbot von Nebenabreden
3
Jede Vereinbarung zwischen einzelnen Beteiligten oder Dritten mit Beteiligten, die diesen für ihr Abstimmungsverhalten oder für sonstige Verhaltensweisen im Insolvenzverfahren Vorteile gewähren und im Plan nicht offengelegt sind, sind nichtig. Die Vorschrift stellt ein Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB dar. In diesem Zusammenhang kann auch ein Forderungskauf durch einen Insolvenzgläubiger oder einen Dritten von anderen Insolvenzgläubigern unter bestimmten Voraussetzungen nichtig sein.3)
4
Das Verbot von Nebenabreden ist im Zusammenhang mit § 250 Nr. 2 zu sehen, der regelt, dass eine Nebenabrede mit dem Inhalt einer Begünstigung eines Gläubigers, die kausal für die Annahme des Plans war, zu einer vollständigen Versagung der Planbestätigung gemäß § 248 führen kann. Es besteht insofern ein doppeltes Risiko. Zum einen wäre eine entsprechende Vereinbarung gemäß Absatz 3 nichtig, zum anderen könnte sie zur Ablehnung des gesamten Insolvenzplans führen.
_____________ 1)
2) 3)
So wohl h. M., vgl. Braun-Braun/Frank, InsO, § 226 Rz. 6; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 226 Rz. 10, Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 226 Rz. 4; Nerlich/RömermannBraun, InsO, § 226 Rz. 4. Str., wie hier: A. Schmidt-Thies, InsO, § 226 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 226 Rz. 6; a. A.: Breuer in: MünchKomm-InsO, § 226 Rz. 8. Vgl. BGH, Beschl. v. 3.3.2005 – IX ZB 153/04, ZIP 2005, 719 = ZVI 2005, 266, dazu EWiR 2005, 547 (Bähr/Landry).
1210
Kebekus/Wehler
§ 227
Haftung des Schuldners
§ 227 Haftung des Schuldners (1) Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, so wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit. (2) Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, so gilt Absatz 1 entsprechend für die persönliche Haftung der Gesellschafter. Literatur: Brand, Die Auswirkungen eines Insolvenzplans auf die Haftung ausgeschiedener Personengesellschafter, KTS 2009, 431; Müller, Gesellschaftsrechtliche Regelungen im Insolvenzplan, KTS 2002, 255; Stahlschmidt, Die GbR in der Insolvenz, 2004; Eidenmüller, Gesellschafterhaftung und Insolvenzplan, ZGR 2001, 684.
Soweit im Plan nichts anderes bestimmt wird, haftet der Schuldner nach Absatz 1 nicht mehr für seine restlichen Verbindlichkeiten, die die im Plan vorgesehene Befriedigungshöhe seiner Gläubiger übersteigen. Durch diese Regelung wird eine Äquivalenz zwischen dem Insolvenzplanverfahren, insbesondere wenn dessen Ziel der Erhalt des Rechtsträgers ist, und der Restrukturierungsvariante der übertragenden Sanierung hergestellt, in der der neue übernehmende Unternehmensträger in der Regel auch von den Altverbindlichkeiten des Schuldners befreit ist.
1
Eine abweichende Regelung ist möglich. Hierbei ist allerdings unter Berücksichtigung von § 247 zu bedenken, dass keine Schlechterstellung des Schuldners im Vergleich zur Regelinsolvenz vereinbart werden kann. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit der Restschuldbefreiung bei natürlichen Personen im Regelinsolvenzverfahren zu bedenken. Andererseits ist der Insolvenzplan für natürliche Personen, sofern sie nicht in den Anwendungsbereich der §§ 304 ff fallen, eine attraktive Möglichkeit zur Erlangung einer faktischen Restschuldbefreiung ohne den dafür im Gesetz im Normalfall vorgesehenen Zeitraum. Die Fiktion der Haftungsbefreiung gilt gemäß Absatz 2 auch zugunsten von persönlich haftenden Gesellschaftern einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer KGaA. Dies gilt auch zugunsten bereits ausgeschiedener Gesellschafter.1) Eine entsprechende Anwendung von Absatz 2 auf Organe und/oder Alleingesellschafter juristischer Personen scheidet aus.2) Darüber hinaus sind abweichend vom Regelfall sowohl haftungsverschärfende als auch haftungsbegünstigende Regelungen, wie der Verzicht auf die Gesellschafterhaftung für die laut Plan zu befriedigenden Verbindlichkeiten, möglich.3)
2
_____________ 1)
2) 3)
Str., befürwortend: Braun-Braun/Frank, InsO, § 227 Rz. 7; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 227 Rz. 10; Stahlschmidt, GbR, S. 165; Eidenmüller, ZGR 2001, 684; Kübler/Prütting/ Bork-Spahlinger, InsO, § 227 Rz. 7; Müller, KTS 2002, 255, 260; dagegen: A. SchmidtThies, InsO, § 227 Rz 8; Brand, KTS 2009, 431; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 227 Rz. 13; Flessner in: HK-InsO, § 227 Rz. 6. BFH, Beschl. v. 15.5.2013 – VII R 2/12, ZIP 2013, 1732 = ZInsO 2013, 1901, dazu EWiR 2013, 691 (Hiebert). Str., befürwortend: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 227, Rz. 12; Eidenmüller, ZGR 2001, 685; dagegen: Flessner in: HK-InsO, § 227 Rz. 7.
Kebekus/Wehler
1211
§ 228
Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse
§ 228 Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse 1
Sollen Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben werden, so können die erforderlichen Willenserklärungen der Beteiligten in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans aufgenommen werden. 2Sind im Grundbuch eingetragene Rechte an einem Grundstück oder an eingetragenen Rechten betroffen, so sind diese Rechte unter Beachtung des § 28 der Grundbuchordnung genau zu bezeichnen. 3Für Rechte, die im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen sind, gilt Satz 2 entsprechend. 1
Unter Rechten an Gegenständen sind grundsätzlich sämtliche dinglichen Rechte an Sachen zu verstehen, auch an Geschäftsanteilen, Forderungen oder immateriellen Rechten.1) Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang § 925 Abs. 1 Satz 3 BGB, der bestimmt, dass auch in einem Insolvenzplan wirksam die Auflassung erklärt werden kann. Im Insolvenzplan können allerdings lediglich die materiell-rechtlich erforderlichen Willenserklärungen vorgenommen werden. Die tatsächlichen Voraussetzungen, wie die Übergabe der Sache oder der Grundbucheintrag, werden durch die Vereinbarungen im Insolvenzplan nicht ersetzt. Auch ggf. erforderliche weitere Handlungen, wie die Eintragung im Grundbuch, sind zusätzlich durchzuführen.2) Soll eine Erklärung im Namen eines Dritten abgegeben werden, so ist dessen Bevollmächtigung bzw. Zustimmung dem Plan beizufügen.3) Fehlt eine derartige Bevollmächtigung/ Zustimmung kann nicht die Wirkung des § 254 Abs. 1 eintreten.
2
Mit rechtskräftiger gerichtlicher Bestätigung des Insolvenzplans gemäß § 248 werden die im Plan dargestellten Willenserklärungen gemäß § 254 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 wirksam. _____________ 1) 2) 3)
Vgl. Breuer in: MünchKomm-InsO, § 228 Rz. 2. Braun-Braun/Frank, InsO, § 228 Rz. 4; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 228 Rz. 7; Kübler/ Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 228 Rz. 5; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 228 Rz. 1. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 228 Rz. 2.
§ 229 Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan 1 Sollen die Gläubiger aus den Erträgen des vom Schuldner oder von einem Dritten fortgeführten Unternehmens befriedigt werden, so ist dem Insolvenzplan eine Vermögensübersicht beizufügen, in der die Vermögensgegenstände und die Verbindlichkeiten, die sich bei einem Wirksamwerden des Plans gegenüberstünden, mit ihren Werten aufgeführt werden. 2Ergänzend ist darzustellen, welche Aufwendungen und Erträge für den Zeitraum, während dessen die Gläubiger befriedigt werden sollen, zu erwarten sind und durch welche Abfolge von Einnahmen und Ausgaben die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens während dieses Zeitraums gewährleistet werden soll. 3Dabei sind auch die Gläubiger zu berücksichtigen, die zwar ihre Forderungen nicht angemeldet haben, jedoch bei der Ausarbeitung des Plans bekannt sind.
1212
Kebekus/Wehler
Vermögensübersicht. Ergebnis- und Finanzplan
§ 229
Ein Großteil der Ablehnung, die das Insolvenzplanverfahren nach Inkrafttreten der InsO in der Praxis erfahren hat, geht – zu Unrecht – zurück auf diese Vorschrift. In der Praxis ist lange Zeit angenommen worden, dass die umfangreichen Anlagen gemäß § 229 grundsätzlich in jedem Insolvenzplanverfahren zu erstellen seien. Dies ist, wie der Gesetzestext eindeutig zeigt, unrichtig. Nur wenn die Gläubiger aus den Erträgen des vom Schuldner oder einem Dritten fortgeführten Unternehmens befriedigt werden sollen, sind die in dieser Vorschrift genannten Anlagen dem Plan beizufügen. Dies bedeutet, dass bspw. im Falle einer Befriedigung der Gläubiger aus Finanzmitteln eines neu eintretenden Investors in Form einerEinmalzahlung keine Plananlagen zu erstellen sind.
1
Sieht der Plan hingegen eine Befriedigung der Gläubiger aus späteren Erträgen vor, so sind eine Vermögensübersicht, eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Liquiditätsrechnung zu erstellen. In der Vermögensübersicht sind die übrigen Voraussetzungen des Plans zu berücksichtigen und zu unterstellen. Wird von einer Fortführung und Sanierung des Unternehmens ausgegangen, sind in der Vermögensübersicht entsprechend Fortführungswerte anzusetzen. Sieht der Plan hingegen Teilliquidation vor, so wären für diesen Bereich Zerschlagungswerte zu berücksichtigen.
2
Die Plan- und Verlustrechnung hat eine Gegenüberstellung der erwarteten Erträge und Aufwendungen auszuweisen, die in der Regel in Jahresabschnitten zu prognostizieren sind. Die Liquiditätsrechnung schließlich sollte den gesamten planmäßigen Sanierungszeitraum im Hinblick auf seine liquiditätsmäßigen Auswirkungen darstellen. Sämtliche Zahlenwerke haben den Zweck, den Gläubigern eine gesicherte Informationsbasis darüber zu verschaffen, ob die durch den Plan beabsichtigte Sanierung betriebswirtschaftlich seriös erwartet werden kann. Eine dem Insolvenzplan nach Satz 2 beizufügende Liquiditätsrechnung in tabellarischer Form ist jedoch nicht zwingend, sondern kann durch entsprechend substantiierte Ausführungen zu den Einnahmen und Ausgaben des Schuldners während des Planzeitraums ersetzt werden. Welche Anforderungen an die i. R. des Insolvenzplanverfahrens vorzulegenden Übersichten und Prognoseberechnungen zu stellen sind, kann schon wegen der Vielfalt der in Betracht kommenden Pläne sowie der unterschiedlichen Schuldner nicht durch bindende, in allen in Betracht kommenden Planverfahren einzuhaltende Vorgaben, festgelegt werden.1)
3
Der nachträglich ergänzte Satz 3 legt dem Planersteller die Verpflichtung auf, alle ihm bekannten Forderungen in die Plangestaltung aufzunehmen und Vorsorge für den Fall zu treffen, dass bisher nicht angemeldete Forderungen nachträglich geltend gemacht werden. Hiermit soll das Risiko gemindert werden, dass ein Insolvenzplan durch nachträglich angemeldete Forderungen zu Fall gebracht wird, weil hierfür keine Vorkehrungen in der Finanz- und Liquiditätsplanung getroffen worden sind.2) Sowohl in der Vermögensübersicht (Satz 1) als auch im Ergebnis- und Finanzplan (Satz 2) sind daher alle bekannten Ansprüche zu berücksichtigen. Dabei ist auf die Kenntnis des Planerstellers abzustellen.
4
_____________ 1) 2)
So BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 30/09, ZIP 2010, 341 = ZInsO 2010, 85 f. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff.
Kebekus/Wehler
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§ 230
Weitere Anlagen
§ 230 Weitere Anlagen (1) 1Ist im Insolvenzplan vorgesehen, daß der Schuldner sein Unternehmen fortführt, und ist der Schuldner eine natürliche Person, so ist dem Plan die Erklärung des Schuldners beizufügen, daß er zur Fortführung des Unternehmens auf der Grundlage des Plans bereit ist. 2Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, so ist dem Plan eine entsprechende Erklärung der Personen beizufügen, die nach dem Plan persönlich haftende Gesellschafter des Unternehmens sein sollen. 3Die Erklärung des Schuldners nach Satz 1 ist nicht erforderlich, wenn dieser selbst den Plan vorlegt. (2) Sollen Gläubiger Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte oder Beteiligungen an einer juristischen Person, einem nicht rechtsfähigen Verein oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit übernehmen, so ist dem Plan die zustimmende Erklärung eines jeden dieser Gläubiger beizufügen. (3) Hat ein Dritter für den Fall der Bestätigung des Plans Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern übernommen, so ist dem Plan die Erklärung des Dritten beizufügen. 1
Ist der Schuldner eine natürliche Person, so ist dessen zustimmende Erklärung zur Fortführung des Geschäfts auf Grundlage des Plans beizufügen. Diese ist entbehrlich, wenn der Schuldner den Plan selbst vorgelegt hat. Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 oder eine KGaA, so ist dem Plan eine entsprechende Erklärung der persönlich haftenden Gesellschafter auch dann beizufügen, wenn der Plan vom Schuldner selbst vorgelegt wurde. Absatz 1 Satz 2 erfasst nun auch die Fälle, bei denen z. B. im Zuge der Durchführung eines Debt-Equity-Swap ein Wechsel bei den Anteilsinhabern des Schuldners eintritt und eine persönliche Haftung übernommen wird. Dies betrifft sowohl persönlich haftende Gesellschafter, die bereits diese Stellung innehaben als auch solche, die bislang noch gar kein Gesellschafter oder kein persönlich haftender Gesellschafter waren. Hingegen ist die Zustimmungserklärung von solchen Personen nicht erforderlich, die nach dem Insolvenzplan die Stellung als persönlich haftender Anteilsinhaber verlieren sollen.1) Unter „entsprechender“ Erklärung wird hierbei das Einverständnis der persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten aus der Fortführung zu verstehen sein.2)
2
Da einem Gläubiger die Übernahme von Anteilen oder Beteiligungen nicht aufgedrängt werden kann, ist dem Plan nach Absatz 2 die jeweilige Zustimmungserklärung aller anderen künftigen Anteilsinhaber beizufügen.
3
Absatz 3 bestimmt, dass, für den Fall, dass ein Dritter Verpflichtungen im Falle der Bestätigung des Plans gegenüber den Gläubigern übernommen hat, dessen Erklärung dem Plan beizufügen ist. Eine derartige Erklärung kann zu weitreichenden Konsequenzen führen, da sie bei entsprechender Formulierung gemäß § 257 Abs. 2 _____________ 1) 2)
Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. So Braun-Braun/Frank, InsO, § 230 Rz. 6; Flessner in: HK-InsO, § 230 Rz. 3.
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Kebekus/Wehler
§ 231
Zurückweisung des Plans
zur Vollstreckung gegen den Plangaranten führen kann. Obwohl die Plangarantie in der Praxis relativ selten zu finden ist, kann sie im Einzelfall für die Annahme eines Insolvenzplans von wesentlicher Bedeutung sein, insbesondere dann, wenn die abstimmenden Gläubiger Zweifel an der Möglichkeit zur Zahlung einer bestimmten Quote erheben, die sodann durch einen Plangaranten sichergestellt werden könnte.
§ 231 Zurückweisung des Plans (1) 1Das Insolvenzgericht weist den Insolvenzplan von Amts wegen zurück, 1.
wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage und den Inhalt des Plans, insbesondere zur Bildung von Gruppen, nicht beachtet sind und der Vorlegende den Mangel nicht beheben kann oder innerhalb einer angemessenen, vom Gericht gesetzten Frist nicht behebt,
2.
wenn ein vom Schuldner vorgelegter Plan offensichtlich keine Aussicht auf Annahme durch die Beteiligten oder auf Bestätigung durch das Gericht hat oder
3.
wenn die Ansprüche, die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil eines vom Schuldner vorgelegten Plans zustehen, offensichtlich nicht erfüllt werden können.
2 Die Entscheidung des Gerichts soll innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage des Plans erfolgen.
(2) Hatte der Schuldner in dem Insolvenzverfahren bereits einen Plan vorgelegt, der von den Beteiligten abgelehnt, vom Gericht nicht bestätigt oder vom Schuldner nach der öffentlichen Bekanntmachung des Erörterungstermins zurückgezogen worden ist, so hat das Gericht einen neuen Plan des Schuldners zurückzuweisen, wenn der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses, wenn ein solcher bestellt ist, die Zurückweisung beantragt. (3) Gegen den Beschluß, durch den der Plan zurückgewiesen wird, steht dem Vorlegenden die sofortige Beschwerde zu. Literatur: Kaltmeyer, Der Insolvenzplan als Sanierungsmittel des Schuldners, ZInsO 1999, 255; Neumann, Die Gläubigerautonomie in einem künftigen Insolvenzverfahren, 1995; Smid, Kontrolle der sachgerechten Abgrenzung von Gläubigergruppen im Insolvenzplanverfahren, InVO 1997, 159. Übersicht I. Grundsatz ............................................. 1 II. Zurückweisungstatbestände ............... 2 1. Allgemein ............................................... 2
I.
2. Schuldnerplan ........................................ 4 III. Rechtsmittel ......................................... 7
Grundsatz
Die Vorschrift ist eine zentrale Norm im Insolvenzplanverfahren. § 231 normiert die sog. Vorprüfung eines vorgelegten Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht. Bei der Prüfung des Inhalts des Plans nach dieser Vorschrift geht es in erster Linie darum, die Ausgestaltung des Plans anhand der Kriterien der §§ 217 bis 230 auf Kebekus/Wehler
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1
§ 231
Zurückweisung des Plans
offensichtliche Mängel zu überprüfen. Hintergrund ist, dass möglichst frühzeitig aussichtslose Insolvenzpläne zurückgewiesen werden und dadurch zum einen Kosten erspart werden können und gleichzeitig keine Verzögerungen eintreten. Die Prüfung durch das Gericht hat unverzüglich i. R. des Amtsermittlung zu erfolgen.1) Nicht ausgeschlossen wird, dass Besonderheiten des Einzelfalls eine längere Vorprüfung als zwei Wochen beanspruchen. Im Hinblick auf § 232 sind hingegen Ermittlungen des Gerichts bei den Insolvenzplanbeteiligten grundsätzlich nicht notwendig, da diese selbst Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.2) Dem Planverfasser ist jedoch in jedem Fall rechtliches Gehör zu gewähren.3) Die in der Vorschrift dargestellten Zurückweisungstatbestände sind abschließend und können nicht erweitert werden.4) II. Zurückweisungstatbestände 1.
Allgemein
2
Die Regelungen über die Planvorlageberechtigung und den Planinhalt müssen eingehalten sein. Die Prüfung der Vorlageberechtigung umfasst hingegen nicht die Frage der Wahrung der Mitwirkungsrechte gemäß § 219 Abs. 3, da es sich hierbei lediglich um eine Verfahrensvorschrift handelt und dies erst explizit i. R. des § 250 zu prüfen ist.5)
3
Der Planinhalt muss inhaltlich bestimmt sein. Dies bedeutet hingegen nicht, dass ein bestimmtes Planziel, bspw. die Sanierung, vorgegeben wird.6) Bezüglich der Gruppenbildung i. S. des § 222 ist durch das Gericht zu prüfen, ob die obligatorischen Gruppen gebildet wurden und eine sachgerechte Abgrenzung stattgefunden hat, denn von dieser hängen die Mehrheitsverhältnisse bei den Abstimmungen maßgeblich ab.7) Ob eine manipulative Gruppenbildung erfolgte, ist grundsätzlich nicht Gegenstand der Vorprüfung durch das Insolvenzgericht.8) Ein Verstoß gegen § 222 Abs. 3 als Sollvorschrift ist ebenfalls unbeachtlich. Die wirtschaftliche Angemessenheit der im Plan vorgesehenen Regelungen wird vom Gericht nicht geprüft. Die Erfolgsaussichten und die Erfüllbarkeit des Plans sind prognostisch zu beurteilen, wobei neben dem Planinhalt auch Stellungnahmen von Beteiligten Berücksichtigung finden können.9) Eine Regelung zur Vergütung des Insolvenzverwalters im Plan kann zulässig sein.10) _____________ 1) Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 231 Rz. 3. 2) So Breuer in: MünchKomm-InsO, § 231 Rz. 5; befürwortend aber: Neumann, Gläubigerautonomie, S. 288. 3) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 231 Rz. 6. 4) LG München, Beschl. v. 5.9.2003 – 14 T 15659/03, ZVI 2003, 473. 5) Vgl. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 231 Rz. 11; a. A.: Breuer in: MünchKomm-InsO, § 231 Rz. 9. 6) S. LG München, Beschl. v. 5.9.2003 – 14 T 15659/03, ZVI 2003, 473. 7) Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. 8) Str., wie hier Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 231 Rz. 26; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 231 Rz. 11; dagegen Smid, InVO 1997, 159; Kaltmeyer, ZInsO 1999, 255, 263. 9) Vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – IX ZB 21/09, ZIP 2011, 340 und BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – IX ZB 244/08 sowie IX ZB 243/08. 10) So LG München I, Beschl. v. 2.8.2013 – 14 T 16050/13, ZIP 2013, 2273 = ZInsO 2013, 1966.
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Kebekus/Wehler
§ 232
Stellungnahmen zum Plan
2.
Schuldnerplan
Absatz 2 stellt zusätzliche Prüfungskriterien für einen vom Schuldner vorgelegten Plan auf. So ist in diesem Fall der Plan zurückzuweisen, wenn er keine Aussicht auf Annahme durch die Beteiligten oder Bestätigung durch das Gericht hat. Ein weiterer Zurückweisungstatbestand liegt gemäß Absatz 1 Nr. 3 vor, wenn den Beteiligten laut Schuldnerplan zuzubilligende Ansprüche nicht erfüllt werden können.
4
Die Gründe für die Zurückweisung müssen offensichtlich sein. Hieraus erfolgt im Umkehrschluss die Annahme, dass die Prognose der Annahme und Erfüllbarkeit der Planregelungen mindestens wahrscheinlich sein muss.11) Keine Aussicht auf Annahme und offensichtliche Unerfüllbarkeit ist gegeben bei Durchführung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens gegen den Schuldner.12) Die Unerfüllbarkeit der Gläubigeransprüche muss sich bei einem Vergleich der Planregelungen mit den Angaben über die wirtschaftliche Lage des Schuldners im darstellenden Teil und in den Anlagen geradezu aufdrängen.13) Insbesondere kann ein offensichtlich fehlender Wirklichkeitsbezug eines vom Schuldner vorgelegten Zahlenwerks zur Zurückweisung des Plans führen.14)
5
Einen sog. Zweitplan des Schuldners hat das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters ohne weitere Prüfung zurückzuweisen, sofern vorher vorgelegte Pläne entweder abgelehnt, vom Gericht nicht bestätigt oder vor dem Erörterungstermin durch den vorlegenden Schuldner zurückgenommen wurden.
6
III. Rechtsmittel Gegen die Zurückweisung kann der Planvorlegende gemäß Absatz 3 innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1, § 4 i. V. m. § 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO sofortige Beschwerde einlegen. _____________ 11) LG München, Beschl. v. 5.10.2001 – 14 T 17126/01, ZInsO 2001, 1018. 12) AG Siegen, Beschl. v. 28.12.1999 – 25 IN 161/99, NZI 2000, 236. 13) LG Bielefeld, Beschl. v. 30.11.2001 – 23 T 365/01, ZIP 2002, 951 = ZVI 2002, 77, dazu EWiR 2002, 1103 (Olbing). 14) BGH, Beschl. v. 6.4.2006 – IX ZB 289/04, n. v.
§ 232 Stellungnahmen zum Plan (1) Wird der Insolvenzplan nicht zurückgewiesen, so leitet das Insolvenzgericht ihn zur Stellungnahme zu: 1.
dem Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuß der leitenden Angestellten;
2.
dem Schuldner, wenn der Insolvenzverwalter den Plan vorgelegt hat;
3.
dem Verwalter, wenn der Schuldner den Plan vorgelegt hat.
(2) Das Gericht kann auch der für den Schuldner zuständigen amtlichen Berufsvertretung der Industrie, des Handels, des Handwerks oder der Landwirtschaft oder anderen sachkundigen Stellen Gelegenheit zur Äußerung geben. Kebekus/Wehler
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7
§ 233
Aussetzung von Verwertung und Verteilung
(3) 1Das Gericht bestimmt eine Frist für die Abgabe der Stellungnahmen. 2Die Frist soll zwei Wochen nicht überschreiten. 1
Wird der Insolvenzplan nach Vorprüfung durch das Gericht gemäß § 231 nicht zurückgewiesen, ist er zwingend dem in dieser Vorschrift bezeichneten Personenkreis zur Stellungnahme zuzuleiten. Anders als noch gemäß § 14 VglO ist hingegen die Anhörung der zuständigen Berufsvertretung fakultativ. Das Gericht hat gemäß Absatz 3 eine Frist für die Abgabe der Stellungnahmen zu setzen. Diese soll zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung regelmäßig nicht länger als zwei Wochen betragen.1) Eine sinnvolle Terminierung des Erörterungs- und Abstimmungstermins berücksichtigt dabei diesen Fristablauf, damit Gläubiger sich mit den Stellungnahmen noch befassen können. Geht dem Insolvenzgericht eine verspätete Stellungnahme zu, so kann diese ggf. dem Insolvenzplan beigefügt und zur Einsicht der Beteiligten in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts niedergelegt werden. _____________ 1)
Braun-Braun/Frank, InsO, § 232 Rz. 4.
§ 233 Aussetzung von Verwertung und Verteilung 1
Soweit die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplans durch die Fortsetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse gefährdet würde, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners oder des Insolvenzverwalters die Aussetzung der Verwertung und Verteilung an. 2Das Gericht sieht von der Aussetzung ab oder hebt sie auf, soweit mit ihr die Gefahr erheblicher Nachteile für die Masse verbunden ist oder soweit der Verwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung die Fortsetzung der Verwertung und Verteilung beantragt. Übersicht
1
I.
Aussetzung der Masseverwertung und -verteilung .................................... 1
II. Ablehnung/Aufhebung der Aussetzung ............................................ 2
I.
Aussetzung der Masseverwertung und -verteilung
Die Aussetzung der Masseverwertung und -verteilung durch das Insolvenzgericht ist faktisch nur bei einem Schuldnerplan relevant. Wird der Plan vom Insolvenzverwalter vorgelegt, wird dieser, als der eigentlich zur Masseverwertung und -verteilung Berechtigte, nicht das von ihm selbst eingeleitete Planverfahren behindern. Eine etwaige Aussetzungsanordnung durch das Insolvenzgericht erfasst keine Immobilien. Hierfür gilt die Regelung in § 30d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZVG. Um zu entscheiden, ob eine Aussetzung anzuordnen ist, hat das Gericht den Vergleich zwischen einer etwaigen Abwicklung im Regelinsolvenzverfahren mit der im Insolvenzplan vorgeschlagenen Verfahrensweise vorzunehmen. II. Ablehnung/Aufhebung der Aussetzung
2
Sofern mit der Aussetzung der Verwertung erhebliche Nachteile für die Masse verbunden sind, ist die Aussetzung abzulehnen bzw. eine bereits angeordnete Aus1218
Kebekus/Wehler
Erörterungs- und Abstimmungstermin/Prüfungstermin
§§ 235, 236
setzung aufzuheben. Ein erheblicher Nachteil in diesem Sinne ist bspw. die Befürchtung einer erheblichen Quotenreduzierung für die Gläubiger bei Durchführung des Plans im Vergleich zu einer schon ausgehandelten Unternehmensveräußerung i. R. einer übertragenden Sanierung.1) Gemäß Satz 2 Alt. 2 hat das Gericht den Antrag auf Aussetzung der Verwertung abzulehnen bzw. eine bereits angeordnete Aussetzung aufzuheben, wenn dies durch den Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung beantragt wird. _____________ 1)
Vgl. Braun-Braun/Frank, InsO, § 233 Rz. 8.
§ 234 Niederlegung des Plans Der Insolvenzplan ist mit seinen Anlagen und den eingegangenen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. Der Insolvenzplan ist in der Geschäftsstelle niederzulegen. Es soll den Beteiligten die Möglichkeit zur Information und Vorbereitung im Hinblick auf den Erörterungs- und Abstimmungstermin gegeben werden. Für Abschriften aus dem Insolvenzplan gilt § 4 i. V. m. § 299 ZPO, § 56 GKG. Der Plan sollte möglichst frühzeitig, auf jeden Fall vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme nach § 232, niedergelegt werden,1) spätestens jedoch mit Bekanntmachung des Erörterungs- und Abstimmungstermins. Eine etwaig unterbliebene Niederlegung ist ein Verfahrensmangel i. S. des § 250 Nr. 1. _____________ 1)
So Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 234 Rz. 3; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 234 Rz. 4.
Zweiter Abschnitt Annahme und Bestätigung des Plans §§ 235, 236 § 235 Erörterungs- und Abstimmungstermin (1) 1Das Insolvenzgericht bestimmt einen Termin, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Beteiligten erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird (Erörterungs- und Abstimmungstermin). 2Der Termin soll nicht über einen Monat hinaus angesetzt werden. 3Er kann gleichzeitig mit der Einholung der Stellungnahmen nach § 232 anberaumt werden. (2) 1Der Erörterungs- und Abstimmungstermin ist öffentlich bekanntzumachen. 2 Dabei ist darauf hinzuweisen, daß der Plan und die eingegangenen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle eingesehen werden können. 3§ 74 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kebekus/Wehler
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1
Erörterungs- und Abstimmungstermin/Prüfungstermin
§§ 235, 236
setzung aufzuheben. Ein erheblicher Nachteil in diesem Sinne ist bspw. die Befürchtung einer erheblichen Quotenreduzierung für die Gläubiger bei Durchführung des Plans im Vergleich zu einer schon ausgehandelten Unternehmensveräußerung i. R. einer übertragenden Sanierung.1) Gemäß Satz 2 Alt. 2 hat das Gericht den Antrag auf Aussetzung der Verwertung abzulehnen bzw. eine bereits angeordnete Aussetzung aufzuheben, wenn dies durch den Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung beantragt wird. _____________ 1)
Vgl. Braun-Braun/Frank, InsO, § 233 Rz. 8.
§ 234 Niederlegung des Plans Der Insolvenzplan ist mit seinen Anlagen und den eingegangenen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. Der Insolvenzplan ist in der Geschäftsstelle niederzulegen. Es soll den Beteiligten die Möglichkeit zur Information und Vorbereitung im Hinblick auf den Erörterungs- und Abstimmungstermin gegeben werden. Für Abschriften aus dem Insolvenzplan gilt § 4 i. V. m. § 299 ZPO, § 56 GKG. Der Plan sollte möglichst frühzeitig, auf jeden Fall vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme nach § 232, niedergelegt werden,1) spätestens jedoch mit Bekanntmachung des Erörterungs- und Abstimmungstermins. Eine etwaig unterbliebene Niederlegung ist ein Verfahrensmangel i. S. des § 250 Nr. 1. _____________ 1)
So Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 234 Rz. 3; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 234 Rz. 4.
Zweiter Abschnitt Annahme und Bestätigung des Plans §§ 235, 236 § 235 Erörterungs- und Abstimmungstermin (1) 1Das Insolvenzgericht bestimmt einen Termin, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Beteiligten erörtert werden und anschließend über den Plan abgestimmt wird (Erörterungs- und Abstimmungstermin). 2Der Termin soll nicht über einen Monat hinaus angesetzt werden. 3Er kann gleichzeitig mit der Einholung der Stellungnahmen nach § 232 anberaumt werden. (2) 1Der Erörterungs- und Abstimmungstermin ist öffentlich bekanntzumachen. 2 Dabei ist darauf hinzuweisen, daß der Plan und die eingegangenen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle eingesehen werden können. 3§ 74 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Kebekus/Wehler
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§§ 235, 236
Erörterungs- und Abstimmungstermin/Prüfungstermin
(3) 1Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Insolvenzverwalter, der Schuldner, der Betriebsrat und der Sprecherausschuß der leitenden Angestellten sind besonders zu laden. 2Mit der Ladung ist ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts, die der Vorlegende auf Aufforderung einzureichen hat, zu übersenden. 3Sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen, so sind auch diese Personen gemäß den Sätzen 1 und 2 zu laden; dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. 4Für börsennotierte Gesellschaften findet § 121 Absatz 4a des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung; sie haben eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Plans über ihre Internetseite zugänglich zu machen.
§ 236 Verbindung mit dem Prüfungstermin 1
Der Erörterungs- und Abstimmungstermin darf nicht vor dem Prüfungstermin stattfinden. 2Beide Termine können jedoch verbunden werden. Literatur: Kussmaul/Steffan, Insolvenzplanverfahren: Der prepackaged plan als Sanierungsalternative, DB 2000, 1849.
1
Zur Erörterung und Abstimmung über den Insolvenzplan ist eine Gläubigerversammlung durchzuführen. Hierfür wird ein nicht öffentlicher Termin durch das Insolvenzgericht festgesetzt. Dieser Termin soll nicht später als einen Monat nach seiner Bekanntmachung stattfinden.1) Die Möglichkeit zur Terminierung bereits bei Einholung der Stellungnahmen dient der Verfahrensbeschleunigung.2) Ausnahmsweise können bei umfangreichem Diskussionsbedarf zwei getrennte Termine zur Erörterung und Abstimmung bestimmt werden. Bei einem gesonderten Abstimmungstermin gilt für diesen die Frist des § 241 Abs. 1 Satz 2. Die Terminierung selbst steht im Ermessen des Gerichts. Ein Rechtsmittel dagegen ist nicht gegeben. Vertagung ist möglich.3)
2
Der Erörterungs- und Abstimmungstermin sowie die Möglichkeit zur Einsichtnahme in den Plan sind öffentlich bekannt zu machen. Für die öffentliche Bekanntmachung gilt § 9. Aus dem Verweis auf § 74 Abs. 2 Satz 1 ergibt sich der zwingende Inhalt der Ladung. Schwierig ist oft eine Prognose hinsichtlich der tatsächlichen Teilnehmerzahl, wobei eine kurzfristige Verlegung an einen in kurzer Zeit unschwer zu erreichenden Ort durch Aushang aber nicht zu beanstanden ist.4)
3
Neben der öffentlichen Bekanntmachung sind die in § 235 Abs. 3 bezeichneten Beteiligten gesondert zu laden. Der Ladung ist eine Abschrift des Plans nebst ggf. vorliegenden Anlagen beizufügen. Sofern der Plan zusammengefasst wird, muss die _____________ 1) 2)
3) 4)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 235 Rz. 4. A. A.: Fristbeginn ggf. erst bei Ablauf der Frist zur Stellungnahme nach § 232 Abs. 3: Braun-Braun/Frank, InsO, § 235 Rz. 3; Flessner in: HK-InsO, § 235 Rz. 7; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 235 Rz. 6. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 235 Rz. 8. Vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = ZInsO 2010, 1448, dazu EWiR 2010, 681 (Huber).
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§ 237
Stimmrecht der Insolvenzgläubiger
Zusammenfassung den Planinhalt vollständig und wahrheitsgetreu wiedergeben.5) Eine etwaig unterbliebene oder nicht ordnungsgemäße Bekanntmachung bzw. eine fehlerhafte Ladung stellen einen Verfahrensmangel gemäß § 250 Nr. 1 dar.6) Fehlt hingegen bei der Ladung lediglich eine Seite des Insolvenzplans, so ist dies nicht grundsätzlich ein Verfahrensmangel.7) Die Regelung in § 235 Abs. 3 Satz 3 erweitert den Kreis der gesondert zu ladenden Personen. Eine direkte Ladung erfolgt jedoch nicht an Aktionäre oder Kommanditaktionäre. Für börsennotierte Gesellschaften i. S. von § 3 Abs. 2 AktG wird auf die Regelung über die Ladung zur Hauptversammlung nach § 121 Abs. 4a AktG Bezug genommen. Es bietet sich bei einer Vielzahl von Beteiligten stets an, den Insolvenzplan – ggf. passwortgeschützt – auf den Internetseiten der Schuldnerin oder des Insolvenzverwalters zur Einsicht bereitzustellen. Diese Möglichkeit stellt eine umfassende Information der Beteiligten sicher.
4
§ 236 stellt klar, dass der Erörterungs- und Abstimmungstermin nicht vor dem Prüftermin stattfinden kann, was sich bereits daraus ergibt, dass ansonsten erhebliche Probleme bei Stimmrechtsfestsetzungen entstehen könnten. Die Termine können verbunden werden. In Kombination mit § 29 Abs. 2 kann ein weiterer Beschleunigungseffekt dadurch hergestellt werden, dass der Erörterungs- und Abstimmungstermin gleichzeitig mit dem Berichts- und Prüfungstermin verbunden wird.8) Diese Terminkonzentration macht in der Praxis jedoch nur bei der auch praktischen Durchführbarkeit Sinn, was komplexe Großverfahren mit einer zersplitterten Gläubigerschaft eher nicht geeignet erscheinen lässt.9) _____________
5
5) 6) 7) 8) 9)
Krit. hierzu: Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 235 Rz. 17. BGH, Beschl. v. 13.1.2011 – IX ZB 29/10, ZIP 2011, 781. Vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 21.6.2000 – 7 W 951/00, ZIP 2000, 1303 = NZI 2000, 436. Kussmaul/Steffan, DB 2000, 1849 f. Vgl. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 236 Rz. 4 ff.
§ 237 Stimmrecht der Insolvenzgläubiger (1) 1Für das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger bei der Abstimmung über den Insolvenzplan gilt § 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 Nr. 1 entsprechend. 2Absonderungsberechtigte Gläubiger sind nur insoweit zur Abstimmung als Insolvenzgläubiger berechtigt, als ihnen der Schuldner auch persönlich haftet und sie auf die abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausfallen; solange der Ausfall nicht feststeht, sind sie mit dem mutmaßlichen Ausfall zu berücksichtigen. (2) Gläubiger, deren Forderungen durch den Plan nicht beeinträchtigt werden, haben kein Stimmrecht. Übersicht I. Grundsatz ............................................. 1 II. Stimmrechtsausschluss ........................ 3
III. Rechtsmittel ......................................... 4
Kebekus/Wehler
1221
§ 237 I.
Stimmrecht der Insolvenzgläubiger
Grundsatz
1
Die Vorschrift regelt das Stimmrecht der Gläubiger bei der Abstimmung über den Insolvenzplan. Durch den Verweis auf § 77 gelten grundsätzlich die Stimmrechtsregelungen zur Gläubigerversammlung. Für das nach § 77 Abs. 1 Satz 1 gewährte Stimmrecht ist das Bestreiten des Schuldners irrelevant.1) Eine nach § 77 Abs. 2 Satz 1 notwendige Einigung über das Stimmrecht in der Gläubigerversammlung setzt voraus, dass keine Gegenstimme eines stimmberechtigten Gläubigers erhoben wird und der Insolvenzverwalter ebenfalls keinen Widerspruch gegen die Gewährung des beabsichtigten Stimmrechts erhebt. Eine Entscheidung des Insolvenzgerichts über das Stimmrecht bzw. dessen Neufestsetzung ist nach § 77 Abs. 2 Satz 2 nur statthaft, wenn es zuvor nicht zu einer Einigung unter den Beteiligten gekommen ist.2) Die Feststellung der Abstimmungsberechtigung gehört als Vorfrage zur gerichtlichen Stimmrechtsentscheidung, über die das Insolvenzgericht abschließend zu entscheiden hat. In einem anschließenden Verfahren über die Bestätigung des Insolvenzplans werden die Feststellungen zum Stimmrecht nicht mehr überprüft.3) Gemäß § 77 Abs. 3 Nr. 1 geben auch aufschiebend bedingte Forderungen ein Stimmrecht.
2
Absonderungsberechtigte Gläubiger sind als Insolvenzgläubiger nur insoweit stimmberechtigt, als ihre Forderung durch das Absonderungsrecht nicht vollständig bedient wird. Steht ihr Ausfall zum Zeitpunkt der Abstimmung noch nicht fest, ist dieser zu schätzen. II. Stimmrechtsausschluss
3
Kein Stimmrecht haben nach Absatz 2 Gläubiger, deren Forderungen durch den Plan nicht beeinträchtigt werden. Eine Schlechterstellung setzt nicht zwingend eine wirtschaftliche Benachteiligung voraus, vielmehr kann auch eine Beeinträchtigung im rechtlichen Sinne ausreichen, um ein Stimmrecht zu erhalten.4) Während eine lediglich durch die Plandurchführung bedingte Verzögerung bei einer vorgesehen Quote von 100 % nicht als Beeinträchtigung i. S. der Vorschrift anzusehen sein dürfte, ist eine Solche jedoch bei einer im gestaltenden Teil angeordneten Stundung anzunehmen.5) III. Rechtsmittel
4
Gegen die Festsetzung des Stimmrechts ist eine sofortige Beschwerde nicht vorgesehen. Mit Übertragung der funktionalen Zuständigkeit auf den Richter ist dessen Entscheidung unangreifbar.
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Kübler/Prütting/Bork-Spahlinger, InsO, § 237 Rz. 8. AG Duisburg, Beschl. v. 27.3.2003 – 62 IN 187/02, NZI 2003, 447. Vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 235/06, ZIP 2008, 2428 = NZI 2009, 106, dazu EWiR 2009, 117 (Keller). Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 237 Rz. 7. Braun-Braun/Frank, InsO, § 237 Rz. 8 f; A. Schmidt-Thies, InsO, § 237 Rz. 3a.
1222
Kebekus/Wehler
§ 238a
Stimmrecht der Anteilsinhaber
§ 238 Stimmrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger (1) 1Soweit im Insolvenzplan auch die Rechtsstellung absonderungsberechtigter Gläubiger geregelt wird, sind im Termin die Rechte dieser Gläubiger einzeln zu erörtern. 2Ein Stimmrecht gewähren die Absonderungsrechte, die weder vom Insolvenzverwalter noch von einem absonderungsberechtigten Gläubiger noch von einem Insolvenzgläubiger bestritten werden. 3Für das Stimmrecht bei streitigen, aufschiebend bedingten oder nicht fälligen Rechten gelten die §§ 41, 77 Abs. 2, 3 Nr. 1 entsprechend. (2) § 237 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Vorschrift ist die konsequente Fortsetzung des gesetzgeberischen Gedankens aus § 222, der bestimmt, dass im Insolvenzplanverfahren eine gesonderte Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger zu bilden ist, sofern in deren Rechte eingegriffen werden soll. Im Erörterungstermin sind deshalb deren Rechte einzeln zu erörtern, da dies im Prüfungsverfahren zur Insolvenztabelle nach §§ 174 ff nicht erfolgt. Bei der Bestimmung des aufgrund des Absonderungsrechts zu gewährenden Stimmrechtes ist von Fortführungswerten auszugehen, sofern der Plan eine Fortführung vorsieht.1) Das Stimmrecht eines absonderungsberechtigten Gläubigers setzt zunächst voraus, dass das Absonderungsrecht weder vom Insolvenzverwalter noch von einem anderen absonderungsberechtigten Gläubiger oder einem Insolvenzgläubiger bestritten wird. Andernfalls gilt § 77 Abs. 2. Das Stimmrecht selbst bezieht sich ausschließlich auf das Absonderungsrecht. Wenn der Absonderungsberechtigte mit einem Ausfall zu rechnen hat, kann ihm ggf. parallel ein Stimmrecht i. R. des § 237 als Insolvenzgläubiger gewährt werden.
1
Hinsichtlich des Rechtsmittels gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts über den Umfang des Aussonderungsrechts oder des Stimmrechts gelten die entsprechenden Ausführungen zu § 237 (§ 237 Rz. 4).
2
_____________ 1)
Begr. zu § 281 RegE/§ 237 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 206, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 478 f.
§ 238a Stimmrecht der Anteilsinhaber (1) 1Das Stimmrecht der Anteilsinhaber des Schuldners bestimmt sich allein nach deren Beteiligung am gezeichneten Kapital oder Vermögen des Schuldners. 2Stimmrechtsbeschränkungen, Sonder- oder Mehrstimmrechte bleiben außer Betracht. (2) § 237 Absatz 2 gilt entsprechend. Literatur: Thole, Treuepflicht-Torpedo? Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Insolvenzverfahren, ZIP 2013, 1937.
Das Stimmrecht der am Schuldner beteiligten Personen richtet sich allein nach der Höhe ihrer Beteiligung am gezeichneten Kapital des Schuldners. Die Stimmrechte
Kebekus/Wehler
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1
§ 239
Stimmliste
im Planverfahren entsprechen damit nicht zwangsläufig den Stimmrechten, die den jeweiligen Anteilsinhabern nach Maßgabe des einschlägigen Gesellschaftsrechts zustehen. Rechtsbeschränkungen, Mehrstimmrechte oder Sonderstimmrechte bleiben bei der Bemessung des Stimmrechts außer Betracht und werden von der Vorschrift verdrängt. Daher ist allein zu ermitteln, welcher Anteil am Rechtsträger dem einzelnen Anteilsinhaber zusteht. Bei Kapitalgesellschaften ist dabei auf den Anteil am eingetragenen Haftkapital abzustellen. Dies hat im Umkehrschluss zur Konsequenz, dass z. B. stimmrechtslose Vorzugsaktien bei der Abstimmung über den Insolvenzplan zu beteiligen sind; zudem ist der finanzielle Ausgleich für das fehlende Stimmrecht in Gestalt des Vorzugs in der Insolvenz obsolet geworden.1) Auch ergeben sich aus der Beziehung der Gesellschafter untereinander regelmäßig keine Stimmbindungsverpflichtungen. Solche – etwa auf Basis der Geltendmachung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten – würden einen unzulässigen Eingriff in das insolvenz(plan)spezifische Kompetenzgefüge darstellen, weshalb auch eine Überprüfung ausschließlich den Rechtsmitteln i. R. des Insolvenzverfahrens vorbehalten bleibt.2) 2
Die Verweisung auf § 237 Abs. 2 stellt mit Blick auf § 225a Abs. 1 klar, dass die Ausübung des Stimmrechts davon abhängt, ob der Plan zu einer Beeinträchtigung der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der in Absatz 1 genannten Personen führt. Nur dann besteht ein Stimmrecht der Anteilsinhaber. _____________ 1) 2)
Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.10.2013 – 5 U 145/13, ZIP 2013, 2018 = ZInsO 2013, 2112, dazu EWiR 2013, 753 (Bähr/Schwartz); Thole, ZIP 2013, 1937, 1939 ff.
§ 239 Stimmliste Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hält in einem Verzeichnis fest, welche Stimmrechte den Beteiligten nach dem Ergebnis der Erörterung im Termin zustehen. 1
In Anlehnung an § 71 VglO ist eine gesonderte Stimmliste zu erstellen, in der die einzelnen Stimmrechte der Gläubiger aufzuführen sind. Aus Praktikabilitätsgründen sollte diese Liste bereits nach den gebildeten Gruppen gemäß § 222 differenzieren und den Wert der jeweiligen Forderung bzw. des Absonderungsrechts beinhalten. Es dürfte regelmäßig davon auszugehen sein, dass diese Liste, auch wenn sie durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erstellen ist, durch den Insolvenzverwalter, zumindest wenn dieser auch den Plan erstellt hat, vorbereitet wird. In der Praxis ist eine frühzeitige Abstimmung mit dem Insolvenzgericht anzuempfehlen, um einen insoweit reibungslosen Ablauf des Abstimmungstermins zu gewährleisten.
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Kebekus/Wehler
Gesonderter Abstimmungstermin/Schriftliche Abstimmung
§§ 241, 242
§ 240 Änderung des Plans 1
Der Vorlegende ist berechtigt, einzelne Regelungen des Insolvenzplans auf Grund der Erörterung im Termin inhaltlich zu ändern. 2Über den geänderten Plan kann noch in demselben Termin abgestimmt werden. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine zentrale Norm für den Planersteller. Sie ermöglicht es, einzelne Regelungen des Insolvenzplans zu ändern, ohne das gesamte Verfahren erneut durchführen zu müssen. Zur Änderung berechtigt ist ausschließlich der Planvorlegende. Er kann die Änderungen sowohl vor dem Erörterungstermin,1) im Erörterungstermin selbst als auch, sofern ein gesonderter Abstimmungstermin anberaumt wurde, danach vornehmen.2) Findet ein gesonderter Abstimmungstermin statt und hat der Planersteller eine Änderung vorgenommen, hat in diesem dann allerdings auch eine Erörterung, zumindest über die geänderten Inhalte, stattzufinden.
1
Da der Gesetzgeber lediglich einzelne Regelungen zur Änderung durch den Planersteller freigegeben hat, muss der grundsätzliche Charakter des Insolvenzplans erhalten bleiben.3) Dem Plan können auch neue Regelungen hinzugefügt werden.4) Das Insolvenzgericht hat etwaige Änderungen im Vorfeld auf deren Zulässigkeit und auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 231 zu prüfen und ggf. einen richterlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO zu erteilen. Den beteiligten Gläubigern ist im Termin grundsätzlich das Recht zur Stellungnahme zu den vorgenommenen Änderungen einzuräumen. Etwaig abwesende Gläubiger müssen Planänderungen hinnehmen. Eine durchgeführte Änderung stellt grundsätzlich keinen Grund zur Terminierung eines gesonderten Abstimmungstermins oder einer Vertagung dar. Dies kann ggf. sinnvoll sein, wenn der Plan aufgrund einer Vielzahl von Änderungen unübersichtlich geworden ist.5)
2
Sollte das Insolvenzgericht die durchgeführte Änderung nicht akzeptieren, ist ein Rechtsmittel nicht vorgesehen. _____________
3
1) 2) 3) 4) 5)
Dies ergibt sich aus § 231, wonach Änderungen zur Beseitigung von Mängeln zulässig sind; vgl. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 240 Rz. 4. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork-Pleister, InsO, § 240 Rz. 16; a. A. aber etwa: A. Schmidt-Thies, InsO, § 240 Rz 8 – bis zum Abschluss des Erörterungstermins. Änderungen sind nach Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 9, bspw. möglich bei: Befriedigungsquote einzelner Gläubiger oder Gruppen, Fälligkeiten, Stundungsvereinbarungen, Eingriffsumfang in Absonderungsrechte, Gruppenbildung. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 240 Rz. 6. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 240 Rz. 16.
§§ 241, 242 § 241 Gesonderter Abstimmungstermin (1) 1Das Insolvenzgericht kann einen gesonderten Termin zur Abstimmung über den Insolvenzplan bestimmen. 2In diesem Fall soll der Zeitraum zwischen dem Erörterungstermin und dem Abstimmungstermin nicht mehr als einen Monat betragen. Kebekus/Wehler
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§§ 241, 242
Gesonderter Abstimmungstermin/Schriftliche Abstimmung
(2) 1Zum Abstimmungstermin sind die stimmberechtigten Beteiligten und der Schuldner zu laden. 2Dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. 3 Für diese reicht es aus, den Termin öffentlich bekannt zu machen. 4Für börsennotierte Gesellschaften findet § 121 Absatz 4a des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung. 5Im Fall einer Änderung des Plans ist auf die Änderung besonders hinzuweisen.
§ 242 Schriftliche Abstimmung (1) Ist ein gesonderter Abstimmungstermin bestimmt, so kann das Stimmrecht schriftlich ausgeübt werden. (2) 1Das Insolvenzgericht übersendet den stimmberechtigten Beteiligten nach dem Erörterungstermin den Stimmzettel und teilt ihnen dabei ihr Stimmrecht mit. 2Die schriftliche Stimmabgabe wird nur berücksichtigt, wenn sie dem Gericht spätestens am Tag vor dem Abstimmungstermin zugegangen ist; darauf ist bei der Übersendung des Stimmzettels hinzuweisen. 1
Das Auseinanderfallen von Erörterungs- und Abstimmungstermin sollte die Ausnahme darstellen.1) Von der ursprünglichen Bestimmung eines gesonderten Abstimmungstermins zu unterscheiden ist die Unterbrechung des Termins2) und die Vertagung des Termins nach § 4 i. V. m. § 227 ZPO.3) Ein gesonderter Abstimmungstermin kann auch während des ursprünglich einheitlich terminierten Erörterungs-/Abstimmungstermins bestimmt werden, wenn der Verlauf des Termins zeigt, dass eine Abstimmung bspw. aus Zeitgründen nicht mehr möglich ist. In einem solchen Fall soll der gesonderte Abstimmungstermin innerhalb eines Monats nach dem Erörterungstermin stattfinden.4) Gegen die Anordnung eines gesonderten Abstimmungstermins sind keine Rechtsmittel gegeben (§ 6).
2
Sofern ein gesonderter Abstimmungstermin bestimmt wurde, kann das Stimmrecht für die Gläubiger auch schriftlich ausgeübt werden. Hierbei sind die Grundsätze staatsrechtlicher Wahlen (§ 39 BWahlG) zu berücksichtigen.5) Die Übersendung des Stimmzettels und die Angabe der Höhe des Stimmrechts gemäß § 239 erfolgt durch einfachen Brief.6) Fehler bei der Durchführung des Verfahrens können zu einem Verstoß gemäß § 250 Nr. 1 führen, der ggf. durch Wiederholung der schriftlichen Abstimmung behoben werden kann.7) Die Durchführung der schriftlichen Abstimmung kann für den Planersteller durchaus Vorteile bringen, weil der Aufwand der Gläubiger, die nicht persönlich anreisen müssen, gering gehalten werden kann. _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Vgl. Braun-Braun/Frank, InsO, § 241 Rz. 1; Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 241 Rz. 4. Nach Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 241 Rz. 4, grundsätzlich zulässig. Bei der Vertagung wird ein neuer Termin bestimmt, nachdem der festgesetzte Termin bereits begonnen hat; vgl. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 241 Rz. 6. Die Monatsfrist ist als Ordnungsvorschrift zu sehen, dessen Nichteinhaltung auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 241 Rz. 9. AG Duisburg, Beschl. v. 1.4.2003 – 62 IN 187/02, NZI 2003, 447. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 242 Rz. 4. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 242 Rz. 8; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 242 Rz. 6.
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Kebekus/Wehler
§ 244
Erforderliche Mehrheiten
§ 243 Abstimmung in Gruppen Jede Gruppe der stimmberechtigten Beteiligten stimmt gesondert über den Insolvenzplan ab. Die separate Abstimmung in Gruppen ist logische Konsequenz der in § 222 vorgeschriebenen Gruppenbildung. Absonderungsberechtigte Gläubiger können demnach auch in zwei Gruppen abstimmen, sofern sie mit einem Ausfall zu rechnen haben. Die Stimmrechtsabgabe erfolgt mündlich, die Reihenfolge der Abstimmung wird durch das Gericht vorgegeben. Ein Widerruf nach mündlicher Stimmabgabe ist nicht möglich.1) Schriftliche Stimmabgaben werden entweder vor oder nach der Stimmabgabe der anwesenden Berechtigten verlesen. Eine Änderung des schriftlich abgegeben Votums ist nach Verlesung nicht mehr möglich.2) Im Protokoll der Gläubigerversammlung sind gemäß § 4 i. V. m. §§ 159, 160 ZPO das Gesamtergebnis, die Resultate der Abstimmung innerhalb der einzelnen Gruppen und im Hinblick auf § 244 auch die Abgabe der einzelnen Stimmen mit der jeweiligen Stimmrechtshöhe festzuhalten.
1
_____________ 1) 2)
Braun-Braun/Frank, InsO, § 243 Rz. 4; Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 243 Rz. 6; a. A. aber wohl: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 243 Rz. 6. Hintzen in: MünchKomm-InsO, § 243 Rz. 4.
§ 244 Erforderliche Mehrheiten (1) Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist erforderlich, daß in jeder Gruppe 1.
die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt und
2.
die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt.
(2) 1Gläubiger, denen ein Recht gemeinschaftlich zusteht oder deren Rechte bis zum Eintritt des Eröffnungsgrunds ein einheitliches Recht gebildet haben, werden bei der Abstimmung als ein Gläubiger gerechnet. 2Entsprechendes gilt, wenn an einem Recht ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch besteht. (3) Für die am Schuldner beteiligten Personen gilt Absatz 1 Nummer 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Summe der Ansprüche die Summe der Beteiligungen tritt. Für die Annahme des Plans ist erforderlich, dass jede gebildete Gruppe dem Plan zustimmt. Die Zustimmung einer Gruppe ist erteilt, wenn die Stimmen- und Summenmehrheit erzielt wird. Enthaltungen werden nicht berücksichtigt.1) Er_____________ 1)
Begr. zu § 289 RegE/§ 244 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 208, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 484.
Kebekus/Wehler
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1
§ 245
Obstruktionsverbot
hebt ein Gläubiger mehrere Forderungen, ist er nur mit einer Stimme zu werten, die Forderungsteilbeträge sind zu addieren. Gläubiger mit Stimmrechten in mehreren Gruppen können unterschiedlich abstimmen.2) 2
Steht Gläubigern ein Recht gemeinschaftlich zu,3) sind sie mit nur einer Kopfstimme zu berücksichtigen. Erfolgt ein uneinheitliches Votum ist dies als Stimmenthaltung zu werten.4)
3
Wird für die am Schuldner beteiligten Personen eine eigene Gruppe gebildet, so liegt die Zustimmung ihrer Gruppe vor, wenn die Summe der Beteiligungen der zustimmenden Anteilsinhaber mehr als die Hälfte der Summe der Beteiligungen der abstimmenden Anteilsinhaber beträgt. Eine Kopfmehrheit nach Absatz 1 Nr. 1 ist hier nicht erforderlich. Dabei setzen sich die Wertungen des jeweiligen Gesellschaftsrechts durch, wonach regelmäßig für Beschlüsse die Mehrheit des Kapitals entscheidet.5) _____________ 2) 3)
4) 5)
Nerlich/Römermann-Braun, InsO, § 244 Rz. 6. Z. B.: Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB, Gesamthandsgläubiger gemäß § 432 BGB, GbR gemäß § 705 BGB, Erbengemeinschaft gemäß § 2032 BGB und Gütergemeinschaft gemäß § 1416 BGB. Breutigam/Blersch/Goetsch-Breutigam, InsR, Stand: 5/2009, § 244 InsO Rz. 13. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff.
§ 245 Obstruktionsverbot (1) Auch wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht worden sind, gilt die Zustimmung einer Abstimmungsgruppe als erteilt, wenn 1.
die Angehörigen dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden,
2.
die Angehörigen dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, und
3.
die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat.
(2) Für eine Gruppe der Gläubiger liegt eine angemessene Beteiligung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 vor, wenn nach dem Plan 1.
kein anderer Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen,
2.
weder ein Gläubiger, der ohne einen Plan mit Nachrang gegenüber den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, noch der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person einen wirtschaftlichen Wert erhält und
3.
kein Gläubiger, der ohne einen Plan gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, bessergestellt wird als diese Gläubiger.
(3) Für eine Gruppe der Anteilsinhaber liegt eine angemessene Beteiligung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 vor, wenn nach dem Plan 1228
Kebekus/Wehler
§ 245
Obstruktionsverbot
1.
kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, und
2.
kein Anteilsinhaber, der ohne einen Plan den Anteilsinhabern der Gruppe gleichgestellt wäre, bessergestellt wird als diese.
Literatur: Lang/Muschalle, Suhrkamp-Verlag – Rechtsmissbräuchlichkeit eines rechtmäßig eingeleiteten Insolvenzverfahrens?, NZI 2013, 953; Smid, Die „cram down power“ des deutschen Insolvenzgerichts, InVO 2000, 1. Übersicht I.
Grundsatz ............................................. 1
I.
Grundsatz
II. Voraussetzungen der Zustimmungsfiktion ........................... 2
Die Regelung verfolgt das Ziel, das Vetorecht einzelner Gruppen gegen den Insolvenzplan unter bestimmten Bedingungen einzuschränken. Soweit die Voraussetzungen vorliegen, erfolgt dies durch eine Zustimmungsfiktion, die sodann die Blockade einer Gruppe gegen den Plan aufhebt. Ein Rechtsmittel dagegen ist lediglich i. R. des § 253 möglich.1) Vorbild dieser Bestimmung ist die „cram-down“Regelung im US-amerikanischen Recht (11 USC § 1129 (b) (1)). Ist durch den Planersteller im Insolvenzplan hingegen nur eine einzige Gruppe gebildet worden, scheidet die Anwendung des § 245 aus.2) Die Voraussetzungen der Zustimmungsfiktion müssen kumulativ vorliegen.3)
1
II. Voraussetzungen der Zustimmungsfiktion Gemäß Absatz 1 Nr. 3 hat zumindest die Mehrheit der abstimmenden Gruppen, nicht der einzelnen Beteiligten, dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zuzustimmen. Ist dies nicht der Fall, scheidet die Anwendung der Vorschrift grundsätzlich aus.
2
Weitere Voraussetzung ist, dass die Beteiligten der Gruppe, deren Zustimmung ersetzt werden soll, voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als im Falle der Regelinsolvenzabwicklung (Abs. 1 Nr. 1). Das Insolvenzgericht hat bei seiner Entscheidung somit eine Prognose anzustellen. Hierbei dürfte es in der Regel ausreichen, dass das Insolvenzgericht als Entscheidungsgrundlage die Angaben im Insolvenzplan sowie etwaige ergänzende Informationen im Erörterungstermin heranzieht und im Verhältnis zu einer Regelinsolvenz bewertet.4) Sollten z. B. nach dem Insolvenzplan Zahlungen an die Gläubiger erst später als im Falle der Regelabwicklung erfolgen, so sind die Leistungen aus dem Plan mit einem entsprechenden Risikozuschlag auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Auskehrung der Erlöse aus der Regelabwicklung abzuzinsen.5) Liegen dem Gericht zum Zeitpunkt der Ent-
3
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Braun-Braun/Frank, InsO, § 245 Rz. 26. AG Duisburg, Beschl. v. 15.8.2001 – 43 IN 40/00, NZI 2001, 605. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 245 Rz. 4; OLG Köln, Beschl. v. 5.1.2001 – 2 W 228/00, ZInsO 2002, 330 = NZI 2001, 660. Braun-Braun/Frank, InsO, § 245 Rz. 4; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 245 Rz. 12; LG Traunstein, Beschl. v. 27.8.1999 – 4 T 2966/99, ZInsO 1999, 577, 580 = NZI 1999, 461. Kübler/Prütting/Bork-Pleister, InsO, § 245 Rz. 31; hierauf näher eingehend Drukarczyk in: MünchKomm-InsO, § 245 Rz. 59 ff; a. A.: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 245 Rz. 19 ff.
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1229
§ 246
Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger
scheidung konkrete Hinweise auf die Möglichkeit einer übertragenden Sanierung mit einer Gesamtveräußerung des Anlage- und Umlaufvermögens des Schuldners vor, so sind hierfür dann die potentiellen Veräußerungserlöse heranzuziehen.6) Liegen derartige Informationen nicht vor, sind für den Ansatz der Regelabwicklung Zerschlagungs- und Liquidationswerte maßgebend. Bei der Bewertung kommt es allein auf die wirtschaftliche Position der Beteiligten an.7) Sofern sich der Planersteller nicht sicher sein kann, die Zustimmung sämtlicher Gruppen zu erreichen, ist es auf jeden Fall erforderlich, eine Alternativberechnung für den Fall der Regelabwicklung unter Einbeziehung der einzelnen Gruppen spätestens für den Erörterungs- und Abstimmungstermin vorzubereiten.8) 4
Weitere Voraussetzung ist schließlich, dass die Gläubiger der opponierenden Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (Abs. 1 Nr. 2). Diese Voraussetzung wird in Absatz 2 für die Gläubiger legal definiert. Die Weiterführung des Unternehmens bedeutet nicht zwangsläufig, dass dem Schuldner i. S. des Absatzes 2 Nr. 2 ein wirtschaftlicher Wert zugewendet werde. Dies ist nur dann der Fall, wenn auch ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, das Unternehmen an Stelle des Schuldners fortzuführen.9) Im Rahmen der Bewertung, ob eineSchlechterstellung vorliegt, sind Absonderungsrechte als aliud nicht in einem Rangverhältnis zu Insolvenzforderungen zu qualifizieren.10)
5
Bilden die am Schuldner beteiligten Personen ebenso wie die Gläubiger Abstimmungsgruppen, besteht gemäß Absatz 3 ebenfalls die Möglichkeit zur Zustimmungsfiktion. Deren Innenverhältnis regelt § 238a für das Abstimmungsverhalten über den Insolvenzplan abschließend.11) _____________ 6) 7) 8) 9) 10)
Braun-Braun/Frank, InsO, § 245 Rz. 3; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 245 Rz. 14. LG Traunstein, Beschl. v. 27.8.1999 – 4 T 2966/99, ZInsO 1999, 577, 581 = NZI 1999, 461. Braun-Braun/Frank, InsO, § 245 Rz. 18. LG Mühlhausen, Beschl. v. 17.9.2007 – 2 T 190/06, NZI 2007, 724. LG Traunstein, Beschl. v. 27.8.1999 – 4 T 2966/99, ZInsO 1999, 577, 581 = NZI 1999, 461; Braun-Braun/Frank, InsO, § 245 Rz. 9; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 245 Rz. 24; a. A.: Smid, InVO 2000, 1, 8. 11) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.10.2013 – 5 U 145/13, ZIP 2013, 2018 = ZInsO 2013, 2112, dazu EWiR 2013, 753 (Bähr/Schwartz); vgl. auch etwa Lang/Muschalle, NZI 2013, 953 ff.
§ 246 Zustimmung nachrangiger Insolvenzgläubiger Für die Annahme des Insolvenzplans durch die nachrangigen Insolvenzgläubiger gelten ergänzend folgende Bestimmungen: 1.
Die Zustimmung der Gruppen mit einem Rang hinter § 39 Abs. 1 Nr. 3 gilt als erteilt, wenn kein Insolvenzgläubiger durch den Plan besser gestellt wird als die Gläubiger dieser Gruppen.
2.
Beteiligt sich kein Gläubiger einer Gruppe an der Abstimmung, so gilt die Zustimmung der Gruppe als erteilt.
1230
Kebekus/Wehler
§ 247
Zustimmung des Schuldners
Die Vorschrift wird in der Regel keine große praktische Relevanz entfalten, da vermutlich die weit überwiegende Zahl der Planersteller von der Fiktionswirkung des § 225 Gebrauch machen werden, der von einem vollständigen Erlass dieser Forderungen ausgeht, sofern im Plan keine abweichende Regelung getroffen wird. Nur für den Fall einer derartigen abweichenden Vereinbarung gelten die vorliegenden Bestimmungen, die nochmals eine Erleichterung hinsichtlich der Abstimmung darstellen.
1
Nach Neufassung der Vorschrift, aufgrund der aus redaktionellen Gründen gestrichenen früheren Fassung von Nummer 1,1) fingiert diese nun die Zustimmung der nachrangigen Insolvenzgläubiger gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4, 5 und Abs. 2, wenn diese nicht schlechter als die übrigen Insolvenzgläubiger behandelt werden. Dies gilt auch dann, wenn diese Gruppe mehrheitlich gegen den Plan oder gar nicht abstimmt. Gläubiger von Geldstrafen etc. gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 haben gemäß § 237 Abs. 2 kein Stimmrecht, da § 225 Abs. 3 ihre Benachteiligung ausschließt.2)
2
_____________ 1) 2)
Vgl. dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Braun-Braun/Frank, InsO, § 246 Rz. 5.
§ 246a Zustimmung der Anteilsinhaber Beteiligt sich keines der Mitglieder einer Gruppe der Anteilsinhaber an der Abstimmung, so gilt die Zustimmung der Gruppe als erteilt. Das Interesse der Anteilsinhaber an einer Abstimmung dürfte häufig gering sein. Es sind vielmehr regelmäßig Konstellationen wahrscheinlich, in denen die Anteilsrechte durch die Insolvenz entwertet sind und auch der Plan keine Zuwendungen an diese Beteiligtengruppe vorsieht. Dann wird jedoch entsprechend der Regelung in § 246 Nr. 2 erforderlich, deren Zustimmung zu fingieren, wenn sich diese nicht an dem Verfahren beteiligen.
1
§ 247 Zustimmung des Schuldners (1) Die Zustimmung des Schuldners zum Plan gilt als erteilt, wenn der Schuldner dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich widerspricht. (2) Ein Widerspruch ist im Rahmen des Absatzes 1 unbeachtlich, wenn 1.
der Schuldner durch den Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und
2.
kein Gläubiger einen wirtschaftlichen Wert erhält, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt.
Die Zustimmung des Schuldners zum Insolvenzplan ist grundsätzlich erforderlich. Sie gilt als erteilt, wenn nicht der Schuldner spätestens im Abstimmungstermin Kebekus/Wehler
1231
1
§ 248
Gerichtliche Bestätigung
widerspricht. Die frühere Möglichkeit, den Widerspruch zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erheben, wurde wie in § 214 gestrichen. Selbst im Falle des Widerspruchs ist dieser unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Widerspricht der Schuldner einem von ihm selbst vorgelegten Plan, so ist dieser Widerspruch ebenfalls ohne Bedeutung (venire contra factum proprium).1) Widerspricht der Schuldner einem Verwalterplan, hat das Gericht eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der zu befürchteten Schlechterstellung im Vergleich zur Regelabwicklung vorzunehmen.2) Anders als bei der Bewertung gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 reicht in diesem Fall schon eine rechtliche und nicht nur wirtschaftliche Schlechterstellung aus.3) _____________ 1) 2)
3)
Sinz in: MünchKomm-InsO, § 247 Rz. 25; Braun-Braun/Frank, InsO, § 247 Rz. 5. Str., wie hier: Braun-Braun/Frank, InsO, § 247 Rz. 3; a. A.: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 247 Rz. 5, wonach eine Prognoseentscheidung nicht erforderlich sei, da die Schlechterstellung ohne weiteres erkennbar sei. Str., wie hier: Braun-Braun/Frank, InsO, § 247 Rz. 2; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 247 Rz. 5; zu weitgehend allerdings Sinz in: MünchKomm-InsO, § 247 Rz. 32, wonach schon die Interessen des Schuldners für den Erhalt des Unternehmens beachtlich sind; zur a. A. vgl. etwa: A. Schmidt-Thies, InsO, § 247 Rz. 7.
§ 248 Gerichtliche Bestätigung (1) Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten (§§ 244 bis 246a) und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. (2) Das Gericht soll vor der Entscheidung über die Bestätigung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, und den Schuldner hören. 1
Nach Annahme durch die Beteiligten und der Zustimmung des Schuldners ist der Plan vom Insolvenzgericht durch Beschluss zu bestätigen. Im Rahmen der Entscheidung ist das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 244 – 246a sowie der Zustimmung des Schuldners durch das Gericht zu prüfen.1) Gründe für die Versagung der Bestätigung sind in den §§ 249 – 251 abschließend geregelt. Mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses werden etwaige Willens- und Verfahrensmängel geheilt.2)
2
Vor der Entscheidung durch das Insolvenzgericht sollen der Insolvenzverwalter, der Gläubigerausschuss, falls ein solcher besteht, und der Schuldner gehört werden. Da den betroffenen Beteiligten bereits nach § 232 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, ist die erneute Anhörung fakultativ. Sie ist nur dann geboten und zwingend, wenn sich nach der Vorprüfung Änderungen des Plans ergeben haben _____________ 1) 2)
Begr. RA z. § 295 RegE/§ 248 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 184, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 493. Braun-Braun/Frank, InsO, § 248 Rz. 4; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 248 Rz. 3.
1232
Kebekus/Wehler
§ 249
Bedingter Plan
sollten.3) Die Anhörung kann auch durch die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme erfolgen.4) _____________ 3) 4)
Str., so wie hier: Sinz in: MünchKomm- InsO, § 248 Rz. 13; für eine zwingende Anhörung gemäß Absatz 2: Wimmer-Jaffe, FK-InsO, § 248 Rz. 10. LG Traunstein, Beschl. v. 27.8.1999 – 4 T 2966/99, ZInsO 1999, 577, 582 = NZI 1999, 461.
§ 248a Gerichtliche Bestätigung einer Planberichtigung (1) Eine Berichtigung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nach § 221 Satz 2 bedarf der Bestätigung durch das Insolvenzgericht. (2) Das Gericht soll vor der Entscheidung über die Bestätigung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss, wenn ein solcher bestellt ist, die Gläubiger und die Anteilsinhaber, sofern ihre Rechte betroffen sind, sowie den Schuldner hören. (3) Die Bestätigung ist auf Antrag zu versagen, wenn ein Beteiligter durch die mit der Berichtigung einhergehende Planänderung voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er nach den mit dem Plan beabsichtigten Wirkungen stünde. (4) 1Gegen den Beschluss, durch den die Berichtigung bestätigt oder versagt wird, steht den in Absatz 2 genannten Gläubigern und Anteilsinhabern sowie dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. 2§ 253 Absatz 4 gilt entsprechend. Eine Korrektur des Planinhaltes gemäß § 221 Satz 2 durch den Insolvenzverwalter bedarf wiederum gerichtlicher Kontrolle, um sicherzustellen, dass die Grenzen der Befugnisse des Insolvenzverwalters eingehalten werden. Deshalb muss das Gericht auch die vom Verwalter beabsichtigte Berichtigung nach Anhörung der von den Änderungen Betroffenen bestätigen.1) Dabei ist die Bestätigung entsprechend § 251 Abs. 1 Nr. 2 zu versagen, wenn die Berichtigung einen in den Plan einbezogenen Gläubiger oder Anteilsinhaber voraussichtlich schlechterstellt, als er nach dem ursprünglich vorgelegtem Plan stünde. Im Interesse einer zügigen Umsetzung des Insolvenzplans unterliegt die Beschwerde dem Verfahren nach § 253 Abs. 4. _____________ 1)
Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48 f.
§ 249 Bedingter Plan 1
Ist im Insolvenzplan vorgesehen, daß vor der Bestätigung bestimmte Leistungen erbracht oder andere Maßnahmen verwirklicht werden sollen, so darf der Plan nur bestätigt werden, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. 2Die Bestätigung ist von Amts wegen zu versagen, wenn die Voraussetzungen auch nach Ablauf einer angemessenen, vom Insolvenzgericht gesetzten Frist nicht erfüllt sind.
Kebekus/Wehler
1233
1
§ 250
Verstoß gegen Verfahrensvorschriften
1
Sind im Insolvenzplan Bedingungen genannt, so kann das Insolvenzgericht den Plan nach § 248 erst bestätigen, wenn die dargestellten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Vorschrift ist von zentraler Bedeutung für Planersteller, da sie die Möglichkeit bietet, bestimmte Bedingungen (z. B. Darlehensgewährung), die zum Erreichen des Planziels von grundsätzlicher Bedeutung sind, aber in der Planerstellungsphase nicht abschließend behandelt werden konnten, in die Plangestaltung mit aufzunehmen.
2
Das früher in diesem Zusammenhang im Falle der Fortsetzung des schuldnerischen Unternehmens diskutierte, gesellschaftsrechtliche Erfordernis eines Fortsetzungsbeschlusses außerhalb des Insolvenzplans ist nunmehr über § 225a Abs. 3 gesetzlich gelöst.
§ 250 Verstoß gegen Verfahrensvorschriften Die Bestätigung ist von Amts wegen zu versagen, 1.
wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über die Annahme durch die Beteiligten und die Zustimmung des Schuldners in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind und der Mangel nicht behoben werden kann oder
2.
wenn die Annahme des Plans unlauter, insbesondere durch Begünstigung eines Beteiligten, herbeigeführt worden ist.
Literatur: Frind, Die Grenze zwischen Gestaltung und Manipulation im Insolvenzplanverfahren, NZI 2007, 374.
1
Die Vorschrift benennt die Gründe, die zu einerVersagung der Bestätigung des Insolvenzplans durch das Gericht führen können.1) Die entsprechende Prüfung hat das Gericht von Amts wegen durchzuführen. Die Versagung ist allerdings nur dann auszusprechen, wenn ein wesentlicher Mangel vorliegt. Von einem solchen ist auszugehen, wenn der festgestellte Mangel einen Einfluss auf die Annahme des Plans gehabt haben könnte.2) Der Mangel ist als behebbar anzusehen, wenn hierfür kein Verfahrensabschnitt wiederholt werden muss.3) In diesem Fall ist durch das Insolvenzgericht eine angemessene Frist zur Abhilfe zu setzen.
2
Ein weiterer Versagungsgrund liegt vor, wenn die Annahme des Plans unlauter, insbesondere durch Begünstigung eines Gläubigers erreicht wurde. Diese Regelung bezieht sich auf § 226 Abs. 3, der insbesondere das Verbot von Sonderabreden formuliert. Auch hier ist allerdings durch das Gericht die Kausalität gesondert zu prüfen. Nur wenn das unlautere Verhalten kausal für die Annahme des Plans war, kann es zu einer Versagung kommen. _____________ 1) 2)
3)
Vgl. hierzu Frind, NZI 2007, 374. BGH, Beschl. v. 13.10.2011 – IX ZB 37/08, ZIP 2012, 187 = ZInsO 2010, 85, dazu EWiR 2012, 215 (Rendels/Körner); Frind, NZI 2007, 374; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 250 Rz. 5; Kübler/Prütting/Bork-Pleister, InsO, § 250 Rz. 10; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenzen, S. 486, 487. Sinz in: MünchKomm-InsO, § 250 Rz. 17; Flessner in: HK-InsO, § 250 Rz. 5.
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Kebekus/Wehler
§ 251
Minderheitenschutz
§ 251 Minderheitenschutz (1) Auf Antrag eines Gläubigers oder, wenn der Schuldner keine natürliche Person ist, einer am Schuldner beteiligten Person ist die Bestätigung des Insolvenzplans zu versagen, wenn 1.
der Antragsteller dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat und
2.
der Antragsteller durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird, als er ohne einen Plan stünde.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller spätestens im Abstimmungstermin glaubhaft macht, dass er durch den Plan voraussichtlich schlechtergestellt wird. (3) 1Der Antrag ist abzuweisen, wenn im gestaltenden Teil des Plans Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist. 2Ob der Beteiligte einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb des Insolvenzverfahrens zu klären. Literatur: Braun/Heinrich, Auf dem Weg zu einer (neuen) Insolvenzplankultur in Deutschland – Ein Beitrag zu dem Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2011, 505; Thorwart/Schauer, § 251 InsO – effektiver Minderheitenschutz oder unüberwindliche Hürde?, NZI 2011, 574.
Nur diejenigen Beteiligten, deren Rechte durch den Plan tangiert werden, sind i. S. der Vorschrift antragsbefugt. Die Anrufung anderer Gerichte ist diesen Beteiligten verwehrt.1) Dies gilt in der Regel nicht für Aussonderungsberechtigte und Masseschuldengläubiger.2) Hinsichtlich der Anteilsinhaber geht es dabei um den Liquidationswert ihrer Rechtsstellung. Die Neufassung des Absatzes 1 Nr. 1 sieht abweichend von der bisherigen Fassung vor, dass der Widerspruch des Antragstellers nur noch schriftlich oder zum gerichtlichen Terminsprotokoll des Abstimmungstermins erklärt werden kann.
1
Für einen zulässigen Antrag ist es weder erforderlich, dass der antragstellende Gläubiger über den Insolvenzplan abgestimmt hat, noch dass er im Abstimmungstermin anwesend war. Es ist Aufgabe des Antragstellers, die Tatsachen, aus denen er seine Schlechterstellung herleitet, i. S. des § 294 ZPO glaubhaft zu machen.3)
2
Der Antrag ist begründet, wenn der Beteiligte nach dem Plan voraussichtlich schlechtergestellt werden würde als im Falle der Regelabwicklung. Die Schlechterstellung muss wahrscheinlicher sein als die Nichtschlechterstellung.4) Von Bedeutung ist, dass diese Prüfung ausschließlich auf der Basis der vom Antragsteller
3
_____________ 1)
2) 3) 4)
Vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 17.10.2013 – 2 BvR 1978/13, ZIP 2013, 2163 = ZInsO 2013, 2261; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.10.2013 – 5 U 145/13, ZIP 2013, 2018 = ZInsO 2013, 2112, dazu EWiR 2013, 753 (Bähr/Schwartz). Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 251 Rz. 10. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 251 Rz. 15; Flessner in: HK-InsO, § 251 Rz. 5. BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 10/06, ZInsO 2007, 442 = NZI 2007, 522.
Kebekus/Wehler
1235
§ 252
Bekanntgabe der Entscheidung
glaubhaft zu machenden Tatsachen geprüft wird.5) Daher ist hier substantiierter Vortrag erforderlich, um (zeit)aufwendige Ermittlungen durch das Gericht zu vermeiden.6) Etwaige Beweisschwierigkeiten gehen allein zulasten des Antragstellers.7) Mit diesem glaubhaft gemachten Vortrag hat das Gericht sich dann allerdings hinreichend bei seiner Entscheidungsfindung zu befassen.8) Der Einwand eines Gläubigers, erfolgreich einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen zu können, ist zu berücksichtigen.9) 4
Gemäß Absatz 3 kann in einem Plan dafür Vorsorge getroffen werden, dass eine Minderheit von Gläubigern bzw. Anteilsinhabern eine Schlechterstellung durch den Plan geltend macht. Sieht der Plan vor, dass ein Gläubiger oder Anteilsinhaber für eine nachgewiesene Schlechterstellung eine finanzielle Kompensation erhält, entfällt diese und damit der Versagensgrund. Die Finanzierung des Ausgleichs muss durch eine Rücklage, eine Bankbürgschaft oder in ähnlicher Weise – ggf. durch Mittel Dritter – gesichert sein.10) Die konkrete Ausgestaltung des – außerhalb des Insolvenzverfahrens vor den ordentlichen Gerichten auszutragen – Rechtsstreits bleibt das Gesetzt schuldig.11) Damit hierdurch die Planbestätigung und die Aufhebung des Planverfahrens nicht verzögert wird, muss das Gericht vor der Bestätigung des Plans also nur prüfen, ob die bereitgestellten Mittel für die Beteiligten ausreichend sind, um eine Schlechterstellung des widersprechenden Beteiligten durch den Plan auszugleichen. Bei der Gestaltung des Plans gilt es, mit diesem Instrumentarium rechtssichere Gestaltungen zu finden, ohne Begehrlichkeiten zu wecken, die entsprechende Anträge provozieren. Zudem ist zu regeln, was mit nicht in Anspruch genommenen Mitteln geschehen soll. _____________ 5) Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 251 Rz. 16; BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 204/05, ZIP 2007, 923 = ZVI 2007, 258. 6) BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 124/09, ZIP 2010, 292 = NZI 2010, 226. 7) Sinz in: MünchKomm-InsO, § 251 Rz. 31. 8) Vgl. BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 250/11, WM 2012, 1640. 9) AG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.2008 – 503 IN 221/02, ZInsO 2008, 463. 10) Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff; Braun/Heinrich, NZI 2011, 505, 509. 11) Vgl. dazu auch Braun/Heinrich, NZI 2011, 505, 509, die auch Ausschlussfristen für zulässig halten.
§ 252 Bekanntgabe der Entscheidung (1) Der Beschluß, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder seine Bestätigung versagt wird, ist im Abstimmungstermin oder in einem alsbald zu bestimmenden besonderen Termin zu verkünden. § 74 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. (2) 1Wird der Plan bestätigt, so ist den Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und den absonderungsberechtigten Gläubigern unter Hinweis auf die Bestätigung ein Abdruck des Plans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts zu übersenden. 2Sind die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen, so sind auch diesen die Unterlagen zu übersenden; dies gilt nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre. 3Börsennotierte Gesellschaften haben eine Zusam1236
Kebekus/Wehler
§ 253
Rechtsmittel
menfassung des wesentlichen Inhalts des Plans über ihre Internetseite zugänglich zu machen. Die Bestätigung oder Ablehnung des Plans erfolgt durch Beschluss des Insolvenzgerichts, der entweder im Abstimmungstermin oder in einem gesonderten Termin mündlich bekannt gegeben wird (§ 4 i. V. m. § 329 ZPO). Der Planersteller wird in der Regel eine Verkündung im Abstimmungstermin bevorzugen, da dadurch ein zeitlicher Beschleunigungseffekt im Hinblick auf die Rechtswirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses erreicht wird. Wird der gesonderte Termin zur Bekanntgabe dennoch nach dem Abstimmungstermin bestimmt, ist § 74 Abs. 2 Satz 1 zu beachten.1)
1
Gemäß Absatz 2 ist der Plan nach Bestätigung den absonderungsberechtigten Gläubigern und Insolvenzgläubigern als Abdruck oder in Form einer Zusammenfassung zuzusenden. Hierbei handelt es sich nicht um eine Zustellung i. S. des § 8 Abs. 2 Satz 2, sodass die Übersendung nicht dem Insolvenzverwalter übertragen werden kann, sondern um eine Aufgabe des Insolvenzgerichts.2)
2
Werden die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen, erstreckt sich die Bekanntmachung auch auf diese. Dies gilt jedoch nicht für Aktionäre oder Kommanditaktionäre, da diese durch die öffentliche Bekanntmachung des Erörterungs- und Abstimmungstermins bzw. des gesonderten Verkündungstermins im Falle des Absatzes 1 informiert sind und sich durch Akteneinsicht auch bzgl. des Beschlusses, durch den der Plan bestätigt wird, und vom Inhalt des Plans selbst Kenntnis verschaffen können.3)
3
_____________ 1) 2) 3)
Flessner in: HK-InsO, § 252 Rz. 2. Sinz in: MünchKomm-InsO, § 252 Rz. 22; Kübler/Prütting/Bork-Pleister, InsO, § 252 Rz. 12. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff.
§ 253 Rechtsmittel (1) Gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder durch den die Bestätigung versagt wird, steht den Gläubigern, dem Schuldner und, wenn dieser keine natürliche Person ist, den am Schuldner beteiligten Personen die sofortige Beschwerde zu. (2) Die sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer 1.
dem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat,
2.
gegen den Plan gestimmt hat und
3.
glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechtergestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 251 Absatz 3 genannten Mitteln ausgeglichen werden kann. Kebekus/Wehler
1237
§ 253
Rechtsmittel
(3) Absatz 2 Nummer 1 und 2 gilt nur, wenn in der öffentlichen Bekanntmachung des Termins (§ 235 Absatz 2) und in den Ladungen zum Termin (§ 235 Absatz 3) auf die Notwendigkeit des Widerspruchs und der Ablehnung des Plans besonders hingewiesen wurde. (4) 1Auf Antrag des Insolvenzverwalters weist das Landgericht die Beschwerde unverzüglich zurück, wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans vorrangig erscheint, weil die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Beschwerdeführer überwiegen; ein Abhilfeverfahren nach § 572 Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung findet nicht statt. 2Dies gilt nicht, wenn ein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt. 3Weist das Gericht die Beschwerde nach Satz 1 zurück, ist dem Beschwerdeführer aus der Masse der Schaden zu ersetzen, der ihm durch den Planvollzug entsteht; die Rückgängigmachung der Wirkungen des Insolvenzplans kann nicht als Schadensersatz verlangt werden. 4Für Klagen, mit denen Schadensersatzansprüche nach Satz 3 geltend gemacht werden, ist das Landgericht ausschließlich zuständig, das die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat. Literatur: Fischer, das neue Rechtsmittelverfahren gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt wird, NZI 2013, 513; Madaus, Die Rechtsbehelfe gegen die Planbestätigung nach dem ESUG, NZI 2012, 597. Übersicht I. Beschwerdebefugnis ............................ 1 II. Zulässigkeitsschranken ....................... 2
I. 1
III. Vollzugsanordnung nach Interessenabwägung ............................ 4
Beschwerdebefugnis
Der Bestätigungs- oder Ablehnungsbeschluss kann vom Schuldner oder von den Gläubigern, auch den nicht stimmberechtigten1) sowie den Anteilsinhabern mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden.2) Der Insolvenzverwalter hat dagegen kein Beschwerderecht gegen die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans.3) Es handelt sich bei der Frist um eine Notfrist von zwei Wochen gemäß § 4 i. V. m. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO, beginnend mit Verkündung des Beschlusses (§ 6 Abs. 2). Dies gilt auch, wenn hierüber nach Verkündung des Beschlusses durch das Gericht falsch belehrt wurde.4) Rechtsmittel sind beim Insolvenzgericht einzulegen und entwickeln mit Hinblick auf § 254 aufschiebende Wirkung.5) Die sofortige Beschwerde kann ausschließlich auf etwaige Verletzungen über die Bestätigung des Insolvenzplans gemäß _____________ 1) 2)
3) 4) 5)
Flessner in: HK-InsO, § 253 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Pleister, InsO, § 253 Rz. 8; zur Beschwerde eines Insolvenzgläubigers gegen den vom Schuldner vorgelegten Plan vgl. AG Mühldorf, Beschl. v. 13.1.2000 – 1 IN 26/99, ZInsO 2000, 112; zum Gegenstandswert: OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2008 – 13 W 1209/07, ZIP 2008, 1351. BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 230/07, ZIP 2009, 480 = ZInsO 2009, 478, dazu EWiR 2009, 251 (Landry). Vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2003 – IX ZB 36/03, ZIP 2003, 2382 = ZVI 2003, 664. Flessner in: HK-InsO, § 253 Rz. 9; Braun-Braun/Frank, InsO, § 253 Rz. 6; Sinz in: MünchKomm-InsO, § 253 Rz. 37.
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Kebekus/Wehler
§ 253
Rechtsmittel
§§ 248 – 252 gestützt werden.6) Gegen einen etwaigen Abhilfebeschluss durch das Insolvenzgericht ist wiederum die sofortige Beschwerde statthaft.7) II. Zulässigkeitsschranken Der neu eingeführte Absatz 2 verschärft die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, um das Störpotential einzelner Beschwerdeberechtigter zu reduzieren.8) Der Suspensiveffekt einer Beschwerde bleibt jedoch erhalten.9) Für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Gläubigers genügt somit nicht mehr, dass der Gläubiger geltend macht, durch den Insolvenzplan in seinen Rechten beeinträchtigt zu werden. Vielmehr ist nun sogar die Glaubhaftmachung einer Beschwer in Form einer wesentlichen Schlechterstellung durch den Plan – regelmäßig gegenüber einem durchgeführten Regelinsolvenzverfahren ohne Planwirkungen – erforderlich.10) Wesentlich soll die Schlechterstellung in diesem Sinne jedenfalls dann nicht sein, wenn die Abweichung von dem Wert, den der Gläubiger voraussichtlich bei einer Verwertung ohne Insolvenzplan erhalten hätte, unter 10 % liegt. Durch die Einbeziehung einer Regelung i. S. von § 251 Abs. 3 in die Zulässigkeitsprüfung wird ein ergänzendes Instrument geschaffen, um opponierende Beteiligte bei angemessener wirtschaftlicher Beteiligung daran zu hindern, die Planbestätigung im Ergebnis zu verhindern.
2
Schließlich sind für eine zulässige Beschwerde zudem zwingend zuvor die weiteren in Absatz 2 genannten Möglichkeiten gegen den Plan zu opponieren innerhalb des Verfahrens auszuschöpfen. Absatz 2 Nr. 2 erfasst dabei in erweiternder Auslegung auch Fälle, in denen ein Stimmrecht versagt wurde, um diesem Kreis von Beteiligten eine Rechtsschutzmöglichkeit zu erhalten.11) Absatz 3 setzt stets voraus, dass dem Kreis der betroffenen Personen die Notwendigkeit der Mitwirkung während des Verfahrens für die Geltendmachung ihrer Rechte nach § 253 überhaupt bekannt gemacht wird. Ergänzend wird unter Hinweis auf die Gesetzessystematik über den Wortlaut hinaus zudem eine Beschwer nur bei einem vorgeschalteten erfolglosen Antrag nach § 251 angenommen.12)
3
III. Vollzugsanordnung nach Interessenabwägung Um einen beschleunigten Planvollzug auch in Fällen erwirken zu können, bei denen keine finanzielle Kompensation erfolgen kann, wird mit Absatz 4 die Möglichkeit geschaffen, dass die Beschwerde auf Antrag des Insolvenzverwalters zurückgewiesen wird, sofern das Vollzugsinteresse der Beteiligten das Aufschubinteresse des Beschwerdeführers überwiegt. Eine weitere Beschleunigung wird durch Ausschluss der Abhilfebefugnis des Insolvenzgerichts erreicht. Die Regelung folgt dem Vorbild des _____________ 6) LG Berlin, Beschl. v. 8.2.2005 – 86 T 5/05, ZInsO 2005, 609, dazu EWiR 2005, 575 (Bähr/Landry). 7) Sinz in: MünchKomm-InsO, § 253 Rz. 27. 8) Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. 9) Kritisch dazu etwa: Madaus, NZI, 597, 599 f. 10) Anders noch BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = NZI 2010, 734, dazu EWiR 2010, 681 (Huber) zur früheren Gesetzesfassung. 11) Fischer, NZI 2013, 513, 514. 12) So etwa Braun-Braun/Frank, InsO, § 253 Rz. 3; Fischer, NZI 2013, 513, 515; s. a. LG Berlin, Beschl. v. 24.2.2014 – 5 T 107/14, ZIP 2014, 893, n. rkr.
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4
§ 254
Allgemeine Wirkungen des Plans
aktienrechtlichen Freigabeverfahrens (§ 246a AktG). Hier werden Praxis und Rechtsprechung gefordert, geeignete Kriterien für die Abwägung von Vollzugs- und Aufschubinteresse zu entwickeln. Bei schweren Rechtsverstößen hat die Abwägung allerdings stets zugunsten des Beschwerdeführers auszufallen (Absatz 4 Satz 2). Andernfalls soll ein Schadensersatzanspruch (Absatz 4 Satz 3) die Nachteile des Beschwerdeführers kompensieren. Für dessen Geltendmachung kann der Insolvenzplan ggf. eine angemessene Frist ab Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses vorsehen.13) Bereits aufgrund der Eilbedürftigkeit des Verfahrens nach Absatz 4 wird mit guten Gründen die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) zu verneinen sein.14) Da die Rückgängigmachung der Wirkungen des Insolvenzplans nicht begehrt werden kann, ist dessen Umsetzung sichergestellt, was erklärtes Ziel der Reform in Ansehung obstruierender Gläubiger ist.15) _____________ 13) Fischer, NZI 2013, 513, 520 f. 14) So auch Fischer, NZI 2013, 513, 520; a. A. Burmeister/Schmitdt-Horn in: Kübler, HRI, § 42 Rz. 188 ff; LG Berlin, Beschl. v. 14.4.2014 – 51 T 107/14, n. rkr. 15) Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48 f.
Dritter Abschnitt Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung § 254 Allgemeine Wirkungen des Plans (1) 1Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein. (2) 1Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger an Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, oder aus einer Vormerkung, die sich auf solche Gegenstände bezieht, werden durch den Plan nicht berührt. 2Der Schuldner wird jedoch durch den Plan gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber dem Gläubiger. (3) Ist ein Gläubiger weitergehend befriedigt worden, als er nach dem Plan zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten. (4) Werden Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt, kann der Schuldner nach der gerichtlichen Bestätigung keine Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan gegen die bisherigen Gläubiger geltend machen. Literatur: Meyer/Degener, Debt-Equity-Swap nach dem RegE-ESUG, BB 2011, 846. Übersicht I. Wirkungen des Plans ........................... 1 II. Steuerrecht ............................................ 7
I. 1
1. 2.
Sanierungsgewinn .................................. 7 Haftungsbescheid ................................ 13
Wirkungen des Plans
Die Vorschrift regelt, wann und gegenüber wem die Regelungen des gestaltenden Teils Wirksamkeit entfalten. Zeitlich tritt die Gestaltungswirkung mit Rechtskraft 1240
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§ 254
Allgemeine Wirkungen des Plans
aktienrechtlichen Freigabeverfahrens (§ 246a AktG). Hier werden Praxis und Rechtsprechung gefordert, geeignete Kriterien für die Abwägung von Vollzugs- und Aufschubinteresse zu entwickeln. Bei schweren Rechtsverstößen hat die Abwägung allerdings stets zugunsten des Beschwerdeführers auszufallen (Absatz 4 Satz 2). Andernfalls soll ein Schadensersatzanspruch (Absatz 4 Satz 3) die Nachteile des Beschwerdeführers kompensieren. Für dessen Geltendmachung kann der Insolvenzplan ggf. eine angemessene Frist ab Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses vorsehen.13) Bereits aufgrund der Eilbedürftigkeit des Verfahrens nach Absatz 4 wird mit guten Gründen die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) zu verneinen sein.14) Da die Rückgängigmachung der Wirkungen des Insolvenzplans nicht begehrt werden kann, ist dessen Umsetzung sichergestellt, was erklärtes Ziel der Reform in Ansehung obstruierender Gläubiger ist.15) _____________ 13) Fischer, NZI 2013, 513, 520 f. 14) So auch Fischer, NZI 2013, 513, 520; a. A. Burmeister/Schmitdt-Horn in: Kübler, HRI, § 42 Rz. 188 ff; LG Berlin, Beschl. v. 14.4.2014 – 51 T 107/14, n. rkr. 15) Begr. des RA z. ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 48 f.
Dritter Abschnitt Wirkungen des bestätigten Plans. Überwachung der Planerfüllung § 254 Allgemeine Wirkungen des Plans (1) 1Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein. (2) 1Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger an Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, oder aus einer Vormerkung, die sich auf solche Gegenstände bezieht, werden durch den Plan nicht berührt. 2Der Schuldner wird jedoch durch den Plan gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber dem Gläubiger. (3) Ist ein Gläubiger weitergehend befriedigt worden, als er nach dem Plan zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten. (4) Werden Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt, kann der Schuldner nach der gerichtlichen Bestätigung keine Ansprüche wegen einer Überbewertung der Forderungen im Plan gegen die bisherigen Gläubiger geltend machen. Literatur: Meyer/Degener, Debt-Equity-Swap nach dem RegE-ESUG, BB 2011, 846. Übersicht I. Wirkungen des Plans ........................... 1 II. Steuerrecht ............................................ 7
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Sanierungsgewinn .................................. 7 Haftungsbescheid ................................ 13
Wirkungen des Plans
Die Vorschrift regelt, wann und gegenüber wem die Regelungen des gestaltenden Teils Wirksamkeit entfalten. Zeitlich tritt die Gestaltungswirkung mit Rechtskraft 1240
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§ 254
Allgemeine Wirkungen des Plans
der Planbestätigung ein, also entweder mit Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist oder mit rechtskräftiger Beschwerdeentscheidung. Eine durch § 94 gesicherte Aufrechnungsbefugnis des Gläubigers wird durch den Insolvenzplan nicht beseitigt.1) Die Wirkungen des Plans gelten dann gegenüber allen Planbeteiligten, in der Regel also gegenüber, neben den ggf. beteiligten Anteilsinhabern, den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern. Keine Wirkung entfalten sie gegenüber den aussonderungsberechtigten Gläubigern und den Masseschuldengläubigern, etwaigen Neugläubigern und Dritten.2) Auch der Insolvenzverwalter gehört nicht zum Kreis der Planbeteiligten.3)
2
Absatz 2 Satz 1 regelt, dass Insolvenzgläubiger in der Durchsetzung etwaiger Ansprüche gegen Dritte, die für die Verbindlichkeiten des Schuldners gebürgt haben oder sonst haften, durch den Plan nicht gehindert werden. Die mit einem Insolvenzplan bewirkte (teilweise) Befreiung des Schuldners von Steuerschuld führt nicht zu einem Erlöschen der Steuerforderung i. S. des § 47 AO. Sie berührt nicht den Bestand der Forderungen als solchen, sondern nur deren Durchsetzbarkeit. Sie ist kein „Erlass“ und steht deshalb der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners nicht entgegen.4) Auch etwaig gewährte Sicherheiten an schuldnerfremden Gegenständen können die Insolvenzgläubiger in voller Höhe unabhängig vom Plan weiterhin beanspruchen. Ein Forderungserlass gegen den Schuldner verändert diese Haftungssituation nicht. Die Akzessorietät ist insoweit aufgehoben. Dies gilt nicht für die persönliche Haftung der Gesellschafter gemäß § 227 Abs. 2. Abweichungen von der Vorschrift des Absatzes 2 Satz 1 sind im Plan ohne Zustimmung des betroffenen Gläubigers und unter Beachtung des § 226 nicht möglich.5)
3
Nach Absatz 2 Satz 2 werden dagegen Rückgriffsansprüche der nach Absatz 2 Satz 1 beanspruchten Bürgen, Mitschuldner oder Sicherungsgeber gegen den Schuldner auf die Höhe reduziert, die der Primärforderung der Insolvenzgläubiger gegen den Schuldner im Insolvenzplan entspricht.
4
Ein Gläubiger, der i. R. seiner ursprünglichen Forderung gegen den Schuldner befriedigt wird und hierdurch mehr erhält, als ihm nach dem Plan zustehen würde, hat den Mehrbetrag nicht zurückzugewähren. Von einem Kondiktionsanspruch wurde abgesehen, da die Forderung in ihrer ursprünglichen Höhe gegen den Schuldner in Form einer erfüllbaren, allerdings nicht durchsetzbaren Naturalobligation fortbesteht. Diese stellt den Rechtsgrund für die über den Plan hinaus erfolgte Überzahlung dar, die allerdings nicht die Ursprungsgesamtforderung übersteigen darf.
5
Um Planungssicherheit für die Gläubiger herbeizuführen, die i. R. des Planverfahrens Forderungen gegen den Schuldner im Wege der Sacheinlage einbringen und damit
6
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
BGH, Urt. v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08, ZIP 2011, 1271 = NZI 2011, 538. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 254 Rz. 13; Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 254 Rz. 8. BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 106/06, ZIP 2007, 784 = ZInsO 2007, 436. BFH, Beschl. v. 15.5.2013 – VII R 2/12, ZIP 2013, 1732 = ZInsO 2013, 1901, dazu EWiR 2013, 691 (Hiebert). OLG Dresden, Urt. v. 18.12.2012 – 13 U 1032/12, ZIP 2013, 1341 = ZInsO 2013, 139; vgl. auch Huber in: MünchKomm-InsO, § 254 Rz. 30.
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§ 254
Allgemeine Wirkungen des Plans
Anteilsinhaber werden, wird eine spätere Nachschusspflicht nach den Grundsätzen der Differenzhaftung ausgeschlossen. Durch den Ausschluss ist sichergestellt, dass der Schuldner oder – in einer weiteren Folgeinsolvenz – dessen Insolvenzverwalter später nicht geltend machen kann, dass die eingebrachte Forderung im Plan überbewertet war. Allerdings wird der Schutz der Neugläubiger des vermeintlich sanierten Schuldners hierdurch in Frage gestellt, da diese im Vertrauen auf eine hinreichende Kapitalausstattung mit dem Schuldner kontrahieren ohne in das vorausgegangene Insolvenzverfahren eingebunden gewesen zu sein.6) Der Insolvenzverwalter soll einer denkbaren Haftung nach § 60 wegen einer Falschbewertung von Ansprüchen dadurch begegnen können, dass er nach Maßgabe des einschlägigen Gesellschaftsrechts Sachverständigengutachten über den Wert der Ansprüche einholt.7) Paul
II. Steuerrecht Literatur: Becker, Die ertragsteuerliche Behandlung des Sanierungsgewinns, ZVI 2003, 320; Fest, Plädoyer für ein effektives Verfahren über den Gewerbesteuererlass im RegE-ESUG, NZI 2011, 345; Georg, Insolvenzplanverfahren, Erste Erfahrungen, ZInsO 2000, 93; Heinrich, Insolvenzplan „reloaded“ – Zu den Änderungen im Insolvenzplanverfahren durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, NZI 2012, 235; Maus, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen als Problem in der Unternehmensinsolvenz, NZI 2000, 449; Maus, Die Besteuerung des Sanierungsgewinns – ein Problem für die Sanierungspraxis, die Insolvenzgerichte und die Insolvenzverwalter, ZIP 2002, 589; Schmittmann, Umsatzsteuer aus Einzug von Altforderungen nach Insolvenzeröffnung, ZIP 2011, 1125; Strüber/v. Donat, Die ertragsteuerliche Freistellung von Sanierungsgewinnen durch das BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BB 2003, 2036.
1. 7
Sanierungsgewinn
Wird der Schuldner durch den Insolvenzplan von Verbindlichkeiten befreit, erhöht sich sein Betriebsvermögen, wodurch es zu einem sog. Sanierungsgewinn kommen kann. § 3 Nr. 66 EStG a. F. sah für Sanierungsgewinne eine Steuerbefreiung vor. Nach der Aufhebung der Vorschrift im Jahre 1997 sind Sanierungsgewinne als Betriebseinnahmen grundsätzlich steuerpflichtig.8) Sie werden in den meisten Fällen auch nicht durch Verlustvorträge bzw. Verlustrückträge egalisiert, da der Gesetzgeber entsprechende Beschränkungen statuiert hat. Die zu Masseverbindlichkeiten9) führende Besteuerung des Sanierungsgewinns bindet in der Sanierungsphase Liquidität und kann deshalb eine Restrukturierung gefährden. Trotz der wiederholt aus der Praxis geäußerten Kritik an dieser Rechtslage hat dieser Zustand bis heute keine gesetzliche Änderung erfahren.10) Allerdings hat das BMF durch Schreiben vom 27.3.2003 der Finanzverwaltung vorgegeben, wann ein Sanierungsgewinn vorliegt und wie er zu behandeln ist.11)
_____________ 6) 7) 8) 9) 10) 11)
Meyer/Degener, BB 2011, 846. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Zur Geschichte der Vorschrift: Maus, NZI 2000, 449. Kübler/Prütting/Bork-Olbing, InsO, InsSteuerR II. A. Rz. 22. Vgl. nur Heinrich, NZI 2012, 235. BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl. I 2003, 240 = ZIP 2003, 690; dazu Becker, ZVI 2003, 320; Strüber/v. Donat, BB 2003, 2036.
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§ 254
Allgemeine Wirkungen des Plans
Ob der Sanierungserlass mangels ausreichender Rechtsgrundlage gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, ist noch nicht abschließend geklärt. Der X. Senat des Bundesfinanzhofs hat das in einem obiter dictum verneint;12) der VIII. und der I. Senat haben die Frage ausdrücklich offengelassen.13) In jedem Fall sind Billigkeitsmaßnahmen nach den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 auf unternehmensbezogene Sanierungen beschränkt. Eine Anwendung auf unternehmerbezogene Sanierungen ist damit nicht möglich.14) Das bedeutet bspw., dass ein durch Gläubigerverzichte bei einer GbR entstehender Sanierungsgewinn nicht bei der Einkommensteuerveranlagung der Gesellschafter unter Hinweis auf das BMF-Schreiben zu erlassen ist.
8
Als Sanierungsgewinn sieht das BMF-Schreiben eine Erhöhung des Betriebsvermögens an, die durch den ganzen oder teilweisen Erlass von Schulden mit dem Zweck der Sanierung entsteht.
9
Die auf den mit Rechtskraft des Beschlusses über die Planbestätigung (§ 248)15) entstehenden Sanierungsgewinn entfallende Steuer ist auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses zunächst unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit zu stunden. Zu diesem Zweck sind die Besteuerungsgrundlagen in der Weise zu ermitteln, dass Verluste/negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen für die Anwendung des Sanierungserlasses im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden. Die Verluste/negativen Einkünfte sind damit insoweit aufgebraucht und gehen deshalb nicht in den festzustellenden verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 EStG) oder den festzustellenden verrechenbaren Verlust (§ 15a Abs. 4 und 5 EStG) ein. Nach abschließender Prüfung und nach Feststellung der endgültigen auf den verbleibenden zu versteuernden Sanierungsgewinn entfallenden Steuern, sind die Steuer sowie etwaige hierauf entfallende Stundungszinsen nach § 227 AO zu erlassen.16) Zu beachten ist, dass diese Ermessensreduzierung auf null nach dem Wortlaut des BMF-Schreibens erst für den Erlass der Steuern, nicht jedoch schon für deren Stundung gelten soll. Für die Ermittlung des Sanierungsgewinns ist das Betriebsfinanzamt zuständig.17)
10
Das BMF-Schreiben ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Ver-
11
_____________ 12) BFH, Urt. v. 14.7.2010 – X R 34/08, ZIP 2010, 1807 = NZI 2011, 37, dazu EWiR 2010, 807 (Lohmann); ebenso jüngst: FG Sachsen, Urt. v. 24.3.2013 – 1 K 759/12, ZIP 2013, 2274 = ZInsO 2013, 2331. 13) BFH, Beschl. v. 28.2.2012 – VIII R 2/08, ZIP 2012, 989 = ZInsO 2012, 993, dazu EWiR 2012, 335 (Krumm); BFH, Urt. v. 25.4.2012 – I R 24/11, ZIP 2012, 1571 = ZInsO 2012, 1578. 14) BFH, Urt. v. 14.7.2010 – X R 34/08, ZIP 2010, 1807 = NZI 2011, 37, dazu EWiR 2010, 807 (Lohmann). 15) Ebenso: Kübler/Prütting/Bork-Olbing, InsO, InsSteuerR II. A. Rz. 22; a. A. Maus, ZIP 2002, 589 – Planbestätigungsbeschluss ohne Rücksicht auf dessen Rechtskraft; Georg, ZInsO 2000, 93 – Planerfüllung. 16) BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl. I 2003, 240 = ZIP 2003, 690. 17) BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl. I 2003, 240 = ZIP 2003, 690.
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§ 254a
Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans
waltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i. S. des § 184 Abs. 2 AO. Stattdessen beinhaltet es (nur) eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Der Sanierungserlass kann damit keine Zuständigkeit des Finanzamtes zur abweichenden Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages aus sachlichen Billigkeitsgründen (§ 163 Satz 1 AO) begründen. Hierfür bleiben vielmehr die Gemeinden/ Städte zuständig.18) Sie haben allein i. R. ihres Ermessens über die gewerbesteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen zu entscheiden.19) Hierin liegt in der Praxis ein erhebliches Problem, da die Gemeinden/Städte nicht an die Vorgaben des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 gebunden sind und deshalb häufig Individualabsprachen – bei überregional agierenden Unternehmen – mit einer Vielzahl von Kommunen20) erforderlich sind. Aus diesem Grund wird immer wieder zu Recht eine gesetzgeberische Lösung gefordert.21) 12
Ebenfalls noch nicht geklärt ist, ob es sich bei der durch den Sanierungserlass gewährten Steuerstundung oder den Steuererlass um mit dem EU-Beihilferecht vereinbare Maßnahmen handelt. Bedenken bestehen, weil beide Tatbestände den Steuerpflichtigen begünstigen und deshalb an den europarechtlichen Vorgaben zu messen sind.22) 2.
13
Haftungsbescheid
Wird der Schuldner durch einen Insolvenzplan von seinen Steuerschulden zumindest teilweise befreit, erlöschen die Schulden nicht i. S. von § 47 i. V. m. §§ 163, 227 AO. Sie sind lediglich in ihrer Durchsetzbarkeit gehindert. Infolge dessen kann die Finanzverwaltung einen Haftungsschuldner weiterhin nach § 191 AO in Anspruch nehmen. Das folgt letztlich auch aus § 254 Abs. 2 Satz 1, wonach die Rechte gegen Mitschuldner (dazu gehören auch Haftungsschuldner) von dem Insolvenzplan unberührt bleiben.23) _____________ 18) BFH, Urt. v. 25.4.2012 – I R 24/11, ZIP 2012, 1571 = ZInsO 2012, 1578. 19) VG Gelsenkirchen, Urt. v. 2.5.2013 – 5 K 5900/12, ZIP 2013, 1876 = BeckRS 2013, 51044. 20) Fest, NZI 2011, 345. 21) Heinrich, NZI 2012, 235; Schmittmann, ZIP 2011, 1125. 22) Fest, NZI 2011, 345. 23) BFH, Beschl. v. 15.5.2013 – VII R 2/12, ZIP 2013, 1732 = ZInsO 2013, 1901, dazu EWiR 2013, 691 (Hiebert); vgl. auch zur Vorinstanz: FG Saarbrücken, Urt. v. 23.11.2011 – 2 K 1683/09, ZIP 2012, 1191 = ZInsO 2012, 1435, dazu EWiR 2012, 427 (Paul).
§ 254a Rechte an Gegenständen. Sonstige Wirkungen des Plans Kebekus/Wehler
(1) Wenn Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben oder Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abgetreten werden sollen, gelten die in den Insolvenzplan aufgenommenen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. (2) 1Wenn die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen sind (§ 225a), gelten die in den Plan aufge1244
Kebekus/Wehler
§ 254b
Wirkung für alle Beteiligten
nommenen Beschlüsse der Anteilsinhaber oder sonstigen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. 2Gesellschaftsrechtlich erforderliche Ladungen, Bekanntmachungen und sonstige Maßnahmen zur Vorbereitung von Beschlüssen der Anteilsinhaber gelten als in der vorgeschriebenen Form bewirkt. 3Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, die erforderlichen Anmeldungen beim jeweiligen Registergericht vorzunehmen. (3) Entsprechendes gilt für die in den Plan aufgenommenen Verpflichtungserklärungen, die einer Maßnahme nach Absatz 1 oder 2 zugrunde liegen. Willenserklärungen gelten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. Eine zusätzliche notarielle Beurkundung oder Beglaubigung der Willenserklärungen ist wegen der gerichtlichen Bestätigung des Plans nicht erforderlich.1)
1
Nach Absatz 2 ersetzt der Plan auch die Gesellschafterbeschlüsse und Erklärungen zur Übertragung von Anteilen oder zur Entgegennahme von Sacheinlagen, die für die enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen notwendig sind. Alle für die beabsichtigte Maßnahme erforderlichen Formvorschriften gelten als gewahrt, Bekanntmachungen als bewirkt.2)
2
Nicht durch den Plan ersetzt werden nachfolgende konstituierende Publizitätsakte wie die Eintragung in das jeweilige Register.3) Die im Insolvenzplan gefassten Beschlüsse bzw. sonstigen Willenserklärungen müssen nach Maßgabe der einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen eingetragen werden, um Wirksamkeit zu erlangen, dem Registergericht kommt jedoch im Wesentlichen nur noch eine beurkundende Funktion zu.4) Zur Beschleunigung und Vereinfachung wird der Insolvenzverwalter ermächtigt, die Anmeldungen an Stelle der Organe zu veranlassen. Dieser sollte von dieser Berechtigung Gebrauch machen, wenn die Organe des Schuldners nicht unverzüglich tätig werden.
3
Absatz 3 erweitert den Anwendungsbereich auf Verpflichtungserklärungen, die aufgrund von Regelungen nach Absatz 1 und Absatz 2 in den Plan aufgenommen werden. Diese gelten mit der Rechtskraft des Plans ebenfalls als in der vorgeschriebenen Form abgegeben.
4
_____________ 1) 2) 3) 4)
Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Vgl. z. B. § 183 Abs. 1 Satz 2, § 186 Abs. 4 Satz 1 AktG. Braun-Braun/Frank, InsO, § 254a Rz. 5. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff.
§ 254b Wirkung für alle Beteiligten Die §§ 254 und 254a gelten auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, und für Beteiligte, die dem Insolvenzplan widersprochen haben. Literatur: Küpper/Heinze, Die Forderungsnachmeldung von Insolvenzgläubigern i. S. d. § 38 InsO beim bestätigten und durchgeführten Planverfahren – Problem gelöst durch das ESUG?, ZInsO 2013, 471; Otte/Wiester, Nachmeldungen im Planverfahren, NZI
Kebekus/Wehler
1245
§ 255
Wiederauflebensklausel
2005, 70; Prahl, Zur Wirkung des Insolvenzplans gegen „Nachzügler“ bei beiderseits nicht erfülltem Vertrag nach Aufhebung des Verfahrens (§ 258 Abs. 1 InsO), ZInsO 2007, 318.
1
Die Regelung ist von grundlegender Bedeutung, postuliert sie doch die Bindungswirkung der Planregelungen auch gegenüber desinteressierten, unbekannten oder denjenigen Insolvenzgläubigern, die dem Plan widersprochen haben. Hierdurch wird für den Planersteller und den Schuldner die notwendige Rechtssicherheit erreicht.
2
Diese Gläubiger werden mit ihren Forderungen den Beschränkungen unterworfen, die der Plan für vergleichbare Ansprüche vorsieht. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich nach der Bestätigung des Plans Gläubiger melden, mit deren Forderungen – auch in der durch den Plan reduzierten Höhe – bei der Gestaltung des Plans nicht zu rechnen war.1) Ein praktisches Problem ergibt sich aus der Gefährdung der Planziele durch diese Nachzügler,2) deren ggf. unbekannte bzw. nicht bedachten Ansprüche wirtschaftlich vom Planersteller gar nicht oder zumindest quantitativ unzureichend einkalkuliert sind.
3
Ob insoweit Ausschlussklauseln zulässig sind, wurde bereits zur früheren Rechtslage unterschiedlich beurteilt.3) Für die nunmehrige Fassung des Gesetzes ist der Streit trotz des vermeintlich klaren Wortlauts der Vorschrift nicht beendet.4) So wird eine mögliche Lösung vereinzelt weiterhin in der Bildung einer entsprechenden Auffanggruppe gesehen.5) Bis zu einer abschließenden Klärung ist die Verwendung von Präklusionsklauseln daher mit großen Risiken verbunden und scheint dem gesetzgeberischen Willlen zu widersprechen.6) Die wesentliche gesetzgeberische Maßnahme zum Schutz der im Plan ausgestalteten Sanierung stellen die Regelungen in §§ 259a und 259b dar. _____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6)
OLG Celle, Urt. v. 14.7.2011 – 13 U 26/11, ZIP 2011, 1577 = NZI 2011, 690, dazu EWiR 2011, 717 (Freudenberg). Vgl. dazu Prahl, ZInsO 2007, 318. Die Zulässigkeit bejahend: Otte/Wiester, NZI 2005, 70 ff; a. A.: Huber in: MünchKommInsO, § 254 Rz. 23; vgl. bzgl. bestrittener Forderungen auch BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 65/10, ZIP 2010, 1499 = ZInsO 2010, 1448, dazu EWiR 2010, 681 (Huber). So offengelassen zum neuen Recht in BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 907/11, ZIP 2013, 2268, dazu EWiR 2012, 783 (Rendels). Braun-Braun/Frank, InsO, § 254b Rz. 2. Vgl. A. Schmidt-Thies, InsO, § 254b Rz. 6; zum Ganzen auch: Küpper/Heinze, ZInsO 2013, 471 ff m. w. N.
§ 255 Wiederauflebensklausel (1) 1Sind auf Grund des gestaltenden Teils des Insolvenzplans Forderungen von Insolvenzgläubigern gestundet oder teilweise erlassen worden, so wird die Stundung oder der Erlaß für den Gläubiger hinfällig, gegenüber dem der Schuldner mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät. 2Ein erheblicher Rückstand ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit nicht bezahlt hat, obwohl der Gläubiger ihn schriftlich gemahnt und ihm dabei eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat. 1246
Kebekus/Wehler
§ 255
Wiederauflebensklausel
(2) Wird vor vollständiger Erfüllung des Plans über das Vermögen des Schuldners ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, so ist die Stundung oder der Erlaß für alle Insolvenzgläubiger hinfällig. (3) Im Plan kann etwas anderes vorgesehen werden. Jedoch kann von Absatz 1 nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden. Literatur: Schiessler, Der Insolvenzplan, 1997. Übersicht I. Grundsatz ............................................. 1 II. Wiederaufleben nach Absatz 2 ........... 2
I.
III. Wiederaufleben sämtlicher Forderungen ......................................... 3
Grundsatz
Die Vorschrift ist von zentraler Bedeutung für die dem Plan zustimmenden Gläubiger, da sie regelt, welche Rückfallpositionen den Gläubigern zustehen, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt. Der Geltungsbereich erfasst insofern konsequenterweise auch nur die Gläubigeransprüche, die durch den gestaltenden Teil des Insolvenzplans tangiert werden. Es ist kein Anwendungsfall des § 255, wenn nicht der Schuldner, sondern bspw. eine Übernahmegesellschaft oder andere Dritte mit Befriedigungsverpflichtungen in Verzug geraten.
1
II. Wiederaufleben nach Absatz 2 Gerät der Schuldner mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber einem einzelnen Schuldner in Verzug und leistet auch trotz Mahnung des Gläubigers mit einer mindestens zweiwöchigen Nachfrist nicht, so wird die Stundung oder der Erlass hinfällig, sodass der Schuldner wieder zur vollständigen Bedienung der Gläubigerforderung verpflichtet ist. Bedient der Schuldner parallel die übrigen Insolvenzgläubiger plangerecht, so bleiben die Stundungs- und Erlasswirkungen gegenüber diesen Gläubigern erhalten. Die Durchsetzbarkeit nicht festgestellter Forderungen setzt jedoch deren vorherige rechtskräftige Feststellung voraus – dies auch bei „Nachzüglern“ in Form nicht zur Insolvenztabelle angemeldeter Forderungen.1)
2
III. Wiederaufleben sämtlicher Forderungen Gemäß Absatz 2 ist die Stundung oder der Erlass für sämtliche Insolvenzgläubiger hinfällig, wenn vor vollständiger Erfüllung des Plans ein weiteres Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Dies gilt nicht für Forderungen, die vollständig erlassen wurden. Diese leben nicht wieder auf.2) Dingliche Rechte sind ebenfalls nicht erfasst.3) In diesem Zusammenhang ist die Sonderregelung in § 9 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG zu beachten. Die Durchführung eines Insolvenzplans mit Planüberwachung rechtfertigt nicht die Annahme, Zahlungsfähigkeit sei wiederherge-
_____________ 1) 2) 3)
BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 907/11, ZIP 2013, 2268, dazu EWiR 2012, 783 (Rendels). Str.: für Anwendbarkeit auch auf vollständig erlassene Forderungen: Schiessler, S. 197; so wie hier: Huber in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 33; Braun-Braun/Frank, InsO, § 255 Rz. 8 f; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 255 Rz. 20. Braun-Braun/Frank, InsO, § 255 Rz. 9.
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3
§ 256
Streitige Forderungen. Ausfallforderungen
stellt. Im Falle eines weiteren Insolvenzverfahrens während der Planüberwachung kann deswegen ein erneuter Anspruch auf Insolvenzgeld ausgeschlossen sein.4) 4
Abweichungen von den Regelungen der Absätze 1 und 2 sind möglich.5) Es kann allerdings nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden. _____________ 4) 5)
BSG, Urt. v. 29.5.2008 – B 11a AL 57/06, ZIP 2008, 1989 = ZInsO 2008, 1325, dazu EWiR 2009, 217 (Grüter). Vgl. zu den einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten Huber in: MünchKomm-InsO, § 255 Rz. 39 ff.
§ 256 Streitige Forderungen. Ausfallforderungen (1) 1Ist eine Forderung im Prüfungstermin bestritten worden oder steht die Höhe der Ausfallforderung eines absonderungsberechtigten Gläubigers noch nicht fest, so ist ein Rückstand mit der Erfüllung des Insolvenzplans im Sinne des § 255 Abs. 1 nicht anzunehmen, wenn der Schuldner die Forderung bis zur endgültigen Feststellung ihrer Höhe in dem Ausmaß berücksichtigt, das der Entscheidung des Insolvenzgerichts über das Stimmrecht des Gläubigers bei der Abstimmung über den Plan entspricht. 2Ist keine Entscheidung über das Stimmrecht getroffen worden, so hat das Gericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers nachträglich festzustellen, in welchem Ausmaß der Schuldner vorläufig die Forderung zu berücksichtigen hat. (2) 1Ergibt die endgültige Feststellung, daß der Schuldner zuwenig gezahlt hat, so hat er das Fehlende nachzuzahlen. 2Ein erheblicher Rückstand mit der Erfüllung des Plans ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner das Fehlende nicht nachzahlt, obwohl der Gläubiger ihn schriftlich gemahnt und ihm dabei eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat. (3) Ergibt die endgültige Feststellung, daß der Schuldner zuviel gezahlt hat, so kann er den Mehrbetrag nur insoweit zurückfordern, als dieser auch den nicht fälligen Teil der Forderung übersteigt, die dem Gläubiger nach dem Insolvenzplan zusteht. 1
Die Vorschrift ergänzt § 255 hinsichtlich der Frage, wann von einem Befriedigungsrückstand des Schuldners hinsichtlich streitiger Forderungen und Ausfallforderungen auszugehen ist. Eine Forderung gilt als bestritten, wenn sie nicht nach § 178 Abs. 1 festgestellt ist. Ist der Tatbestand des § 189 Abs. 3 erfüllt, sind derartige Forderungen auch nicht i. R. des § 256 zu berücksichtigen.1) Darüber hinaus gilt die Vorschrift für Ausfallforderungen der absonderungsberechtigten Gläubiger, deren Höhe noch nicht endgültig feststeht. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Verwertung des mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstandes noch nicht erfolgt ist. Beteiligt sich der Gläubiger nicht am Insolvenzverfahren, ist der Schuldner _____________ 1)
Str., so wie hier: Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 256 Rz. 3; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 256 Rz. 2; dagegen: Braun-Braun/Frank, InsO, § 256 Rz. 3.
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Kebekus/Wehler
§ 257
Vollstreckung aus dem Plan
nicht gehalten, durch Herbeiführen einer Entscheidung nach Absatz 1 Satz 2 ein Wideraufleben der Forderung zu verhindern. Vielmehr lebt eine nicht festgestellte und nicht nach Maßgabe des Insolvenzplans erfüllte Forderung nicht dadurch wieder auf, dass der Schuldner eine solche Feststellung nicht herbeiführt.2) In diesen Fällen ist zugunsten des Schuldners nicht von einem Rückstand i. S. des § 255 auszugehen, wenn er die entsprechende Forderung des Gläubigers in der Höhe bedient, die das Insolvenzgericht im Erörterungs- und Abstimmungstermin als Stimmrecht festgelegt hat. Eine solche Entscheidung des Gerichts erfolgt auf der Basis von § 237 Abs. 1 Satz 1, § 77 Abs. 2 bzw. § 37 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 77 Abs. 3 Nr. 2. Eine Einigung nach § 77 Abs. 2 Satz 1 ist hierunter nicht zu verstehen, da sie keine gerichtliche Entscheidung darstellt.3) Entsprechend Absatz 2 hat der Schuldner nach endgültiger Feststellung der Forderungshöhe einen etwaig zu wenig gezahlten Betrag nachzuleisten. Ergibt sich hingegen nach endgültiger Feststellung, dass durch den Schuldner zu viel geleistet wurde, kann er den zu viel gezahlten Betrag gemäß Absatz 3 zurückfordern. Es handelt sich hierbei um eine lex specialis zu § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.4) Der Anspruch ist der Höhe nach begrenzt auf den zu viel geleisteten Betrag, der den Gesamtbetrag übersteigt, den der Schuldner nach dem Plan insgesamt an den Gläubiger zu leisten hätte. _____________ 2) 3)
4)
BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 206/11, ZIP 2012, 1359 = ZInsO 2012, 1321, dazu EWiR 2012, 533 (Rendels/Körner); Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 256 Rz. 4. Str., so wie hier: BGH, Urt. v. 7.12.1995 – IX ZR 250/94, ZIP 1996, 183 = NJW 1996, 1058, dazu EWiR 1996, 229 (Mohrbutter); Braun-Braun/Frank, InsO, § 256 Rz. 6; Kübler/ Prütting/Bork-Otte, InsO, § 256 Rz. 6; a. A.: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 256 Rz. 7; Flessner in: HK-InsO, § 256 Rz. 5. Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 256 Rz. 13.
§ 257 Vollstreckung aus dem Plan (1) 1Aus dem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle können die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. 2Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. § 202 gilt entsprechend. (2) Gleiches gilt für die Zwangsvollstreckung gegen einen Dritten, der durch eine dem Insolvenzgericht eingereichte schriftliche Erklärung für die Erfüllung des Plans neben dem Schuldner ohne Vorbehalt der Einrede der Vorausklage Verpflichtungen übernommen hat. (3) Macht ein Gläubiger die Rechte geltend, die ihm im Falle eines erheblichen Rückstands des Schuldners mit der Erfüllung des Plans zustehen, so hat er zur Erteilung der Vollstreckungsklausel für diese Rechte und zur Durchführung der Vollstreckung die Mahnung und den Ablauf der Nachfrist glaubhaft zu machen, jedoch keinen weiteren Beweis für den Rückstand des Schuldners zu führen. Kebekus/Wehler
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§ 258
Aufhebung des Insolvenzverfahrens
1
Die Norm regelt die Zwangsvollstreckung von Insolvenzplanforderungen. Voraussetzung ist ein rechtskräftig bestätigter Insolvenzplan (§§ 248, 252). Zusätzlich muss die Forderung, die vollstreckt werden soll, gemäß § 178 Abs. 2 in die Insolvenztabelle eingetragen und festgestellt worden sein. Ein etwaiger Gläubigeroder Schuldnerwiderspruch muss beseitigt sein. Dies kann entweder durch Rücknahme des Widersprechenden oder durch rechtskräftige Entscheidung i. R. einer Feststellungsklage erfolgen.
2
Der Vollstreckungstitel besteht aus dem rechtskräftigen Insolvenzplan – dem die Forderung betreffenden gestaltenden Teil des Plans sowie Bestätigungsbeschluss mit Rechtskraftbescheinigung – und dem entsprechenden Tabellenauszug. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach § 4 InsO, §§ 724 – 793 ZPO. Gemäß § 724 ZPO ist der Tabellenauszug mit einerVollstreckungsklausel zu versehen.1) Die in Absatz 1 Satz 3 geregelte ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts versteht sich als lex specialis zu § 764 ZPO.2) Die funktionale Zuständigkeit hierfür ist beim Rechtspfleger verblieben (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG).
3
Die Zwangsvollstreckung ist auch gegen sog. Plangaranten möglich, wenn sich deren Verpflichtung ohne Vorbehalt der Vorausklage und schriftlich erklärt aus dem Insolvenzplan ergibt.3) Die Vollstreckung findet nach den allgemeinen Vorschriften statt. Die Vollstreckungsklausel ist in diesem Fall auf der Verpflichtungserklärung des Plangaranten anzubringen.4)
4
Absatz 3 regelt schließlich die Vollstreckung durch Gläubiger, deren Forderungen in ihrer ursprünglichen Höhe nach den §§ 255, 256 wiederaufgelebt sind. In diesem Fall muss der Gläubiger glaubhaft machen, dass er den Schuldner schriftlich gemahnt hat und die gesetzte Nachfrist abgelaufen ist. Er hat nicht nachzuweisen, dass sich der Schuldner tatsächlich im Rückstand befindet. Dieser Einwand kann nach § 732 Abs. 1 ZPO oder i. R. des Klageverfahrens gemäß § 768 ZPO erhoben werden.5) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Ausführl. hierzu Huber in: MünchKomm-InsO, § 257 Rz. 27 ff. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 257 Rz. 16; Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 257 Rz. 17. Näher hierzu: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 257 Rz. 21 ff. Str., so wie hier: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 257 Rz. 27; a. A.: Huber in: MünchKommInsO, § 257 Rz. 53. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 257 Rz. 28.
§ 258 Aufhebung des Insolvenzverfahrens (1) Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist und der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) 1Vor der Aufhebung hat der Verwalter die unstreitigen fälligen Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen oder nicht fälligen Sicherheit zu
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§ 258
Aufhebung des Insolvenzverfahrens
leisten. 2Für die nicht fälligen Masseansprüche kann auch ein Finanzplan vorgelegt werden, aus dem sich ergibt, dass ihre Erfüllung gewährleistet ist. (3) 1Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. 2Der Schuldner, der Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses sind vorab über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung (§ 9 Abs. 1 Satz 3) zu unterrichten. 3§ 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans ist das Insolvenzverfahren durch Beschluss aufzuheben. Zuvor ist der Vergütungsbeschluss (§§ 63, 64) zu bewirken.1) Die Aufhebung hat zum Schutz des Schuldners möglichst bald zu erfolgen.2) Aufgrund der in § 217 vorgesehenen Möglichkeit, den Verfahrensablauf im Plan abweichend zu regeln, gilt dies nur in den Fällen, in welchen hiervon kein Gebrauch gemacht wird. Die bislang umstrittene Frage der Notwendigkeit3) einer vorherigen Schlussrechnung ist durch § 66 Abs. 1 Satz 2 nunmehr für die Praxis lösbar.
1
Vor Bestätigung hat der Insolvenzverwalter die unstreitigen Masseschuldenansprüche zu erfüllen und für streitige oder noch nicht fällige Masseansprüche ggf. Sicherheit gemäß §§ 232 ff BGB zu leisten. Auch die Bildung einer Rückstellung durch Einbehalt bei der Verteilung wird für ausreichend erachtet.4) Sicherheit ist dabei für jeden Massegläubiger gesondert zu leisten, damit eine klare Zuordnung der Sicherheiten gewährleistet ist. Verletzt der Verwalter diese Pflicht, haftet er möglicherweise gemäß § 60 persönlich. Die frühere Formulierung des Absatzes 2 konnte so verstanden werden, dass der Insolvenzverwalter nach der Bestätigung eines Insolvenzplans noch vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens alle unstreitigen Masseansprüche zu erfüllen hat, auch die noch nicht fälligen. Nunmehr reicht es im Falle der noch nicht fälligen Masseansprüche hingegen sogar aus, dass die Begleichung der Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Fälligwerdens durch eine belastbare Liquiditätsrechnung gesichert ist. Dies muss auch für die streitigen, jedoch noch nicht fälligen Masseansprüche gelten.5)
2
Insolvenzplanverfahren sind nunmehr auch bei Masseunzulänglichkeit i. S. des § 209 ausdrücklich möglich. Im Falle des § 210a gilt § 258 Abs. 2 nicht für die (Alt)Massegläubiger mit dem Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3, da diese an die Stelle der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger treten.
3
Der formelle Ablauf der Aufhebung ist in Absatz 3 geregelt. Ein Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss ist nicht gegeben.
4
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Huber in: MünchKomm-InsO, § 258 Rz. 16. A. Schmidt-Thies, InsO, § 258 Rz 19; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 258 Rz. 3; Braun-Braun/ Frank, InsO, § 258 Rz. 10. Eine solche wird überwiegend gefordert, vgl.: Braun-Braun/Frank, InsO, § 258 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 259 Rz. 2; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 258 Rz. 9. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 258 Rz. 7. So auch: A. Schmidt-Thies, InsO, § 258 Rz. 13.
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§ 259
Wirkungen der Aufhebung
§ 259 Wirkungen der Aufhebung (1) 1Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlöschen die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. 2Der Schuldner erhält das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. (2) Die Vorschriften über die Überwachung der Planerfüllung bleiben unberührt. (3) 1Einen anhängigen Rechtsstreit, der die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, kann der Verwalter auch nach der Aufhebung des Verfahrens fortführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist. 2In diesem Fall wird der Rechtsstreit für Rechnung des Schuldners geführt, wenn im Plan keine abweichende Regelung getroffen wird. Literatur: Heers, Setz die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters gemäß § 259 III InsO Rechtshängigkeit einer Anfechtungsklage voraus?, ZInsO 2011, 953; Smid, Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters wegen massezugehöriger Ansprüche nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, ZInsO 2010, 641.
1
Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens treten die in dieser Vorschrift genannten Wirkungen ein, sofern nicht eine Planüberwachung vorgesehen ist. Die Regelung wirkt ex nunc und entfaltet somit keine Rückwirkung.1) Daher kann ein schuldnerisches Unternehmen auch nicht ohne entsprechenden Gesellschafterbeschluss quasi automatisch wieder zu einer werbenden Gesellschaft mutieren.2) Hierzu kann aber von § 225a Abs. 3 Gebrauch gemacht werden.
2
Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner Anspruch auf Herausgabe der Masse, aber auch der Geschäftsbücher und sonstiger Unterlagen, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters endet.3) Zahlungen eines Drittschuldners an den vormaligen Insolvenzverwalter haben daher keine schuldbefreiende Wirkung, wenn der Schuldner keine Einziehungsermächtigung erteilt hat.4) Weiterhin erlangt der Schuldner die Prozessführungsbefugnis zurück,5) allerdings nicht für Anfechtungsprozesse, die nur der Insolvenzverwalter kraft Amtes führen kann. Hierfür bedarf es dann einer Ermächtigung im gestaltenden Teil des Insolvenzplans, wobei die Formulierung „§ 259 Abs. 3 InsO findet Anwendung“ in der Regel ausreichen wird.6) Es handelt sich dann um eine gewillkürte Prozessstandschaft, die in der Tatsacheninstanz offenzulegen ist.7) Auch können nur bereits rechtshängige Prozesse fortgeführt werden, weshalb es der Klagezustellung vor Aufhebung bedarf.8) Weitere Prozesse sind ohne Weiteres nicht anhängig zu _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Kübler/Prütting/Bork-Otte, InsO, § 259 Rz. 7; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 259 Rz. 7. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 259 Rz. 9. OLG Celle, Beschl. v. 20.11.2006 – 4 U 166/06, ZIP 2006, 2394 = ZVI 2007, 321, dazu EWiR 2007, 87 (Bähr/Landry); Huber in: MünchKomm-InsO, § 259 Rz. 13 ff. BGH, Urt. v. 12.5.2011 – IX ZR 133/10, ZIP 2011, 1220 = NZI 2011, 586, dazu EWiR 2011, 529 (Römermann). Vgl. dazu: Smid, ZInsO 2010, 641. S. hierzu BGH, Urt. v. 6.10.2005 – IX ZR 36/02, ZIP 2006, 39 = ZInsO 2006, 38. BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 26/07, ZIP 2008, 2094 = ZInsO 2008, 1017. BGH, Urt. v. 11.4.2013 – IX ZR 122/12, ZIP 2013, 998 = ZInsO 2013, 985, dazu EWiR 2013, 557 (Ruhe-Schweigel).
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§§ 259a, 259b
Vollstreckungsschutz/Besondere Verjährungsfrist
machen. Der Insolvenzplan kann die Befugnis des Insolvenzverwalters, bereits anhängige Anfechtungsklagen fortzuführen, dabei auf bestimmte Verfahren beschränken.9) Falls der Insolvenzverwalter auch noch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine Masseforderung durchsetzen soll, so kann ihm gemäß § 228 im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Forderung (aufschiebend bedingt) abgetreten werden.10) _____________ 9) BGH, Beschl. v. 7.3.2013 – IX ZR 222/12, ZIP 2013, 738 = ZInsO 2013, 721. 10) Vgl. BGH, Urt. v. 7.1.2008 – II ZR 283/06, ZIP 2008, 546 = ZInsO 2009, 963.
§§ 259a, 259b § 259a Vollstreckungsschutz (1) 1Gefährden nach der Aufhebung des Verfahrens Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bis zum Abstimmungstermin nicht angemeldet haben, die Durchführung des Insolvenzplans, kann das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben oder längstens für drei Jahre untersagen. 2Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Schuldner die tatsächlichen Behauptungen, die die Gefährdung begründen, glaubhaft macht. (2) Ist die Gefährdung glaubhaft gemacht, kann das Gericht die Zwangsvollstreckung auch einstweilen einstellen. (3) Das Gericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn ab, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.
§ 259b Besondere Verjährungsfrist (1) Die Forderung eines Insolvenzgläubigers, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden ist, verjährt in einem Jahr. (2) Die Verjährungsfrist beginnt, wenn die Forderung fällig und der Beschluss rechtskräftig ist, durch den der Insolvenzplan bestätigt wurde. (3) Die Absätze 1 und 2 sind nur anzuwenden, wenn dadurch die Verjährung einer Forderung früher vollendet wird als bei Anwendung der ansonsten geltenden Verjährungsvorschriften. (4) 1Die Verjährung einer Forderung eines Insolvenzgläubigers ist gehemmt, solange wegen Vollstreckungsschutzes nach § 259a nicht vollstreckt werden darf. 2 Die Hemmung endet drei Monate nach Beendigung des Vollstreckungsschutzes. Literatur: Rugullis, Neue Gesetze schaffen neue Probleme – zur Auslegung der besonderen Verjährungsfrist des § 259b InsO, NZI 2012, 825. Übersicht I. Sinn und Zweck der Vorschriften ..... 1 II. Vollstreckungsschutz (§ 259a) ............ 2
III. Verjährung (§ 259b) ............................. 6
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§§ 259a, 259b I. 1
Vollstreckungsschutz/Besondere Verjährungsfrist
Sinn und Zweck der Vorschriften
Forderungen von Gläubigern, die am Insolvenzplanverfahren nicht teilgenommen haben, können auch noch nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden. Solche Ansprüche können im Einzelfall, abhängig von der Höhe der Forderung, die dem Plan zugrunde liegende Kalkulation nachhaltig aus dem Gleichgewicht bringen. Dies soll durch die Kombination von Vollstreckungsschutz und verkürzter Verjährung vermieden werden. II. Vollstreckungsschutz (§ 259a)
2
§ 259a beinhaltet die Wertung, dass die Durchführung des Insolvenzplans Vorrang vor dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung seiner Forderung hat, wenn er sich am vorausgegangenen Verfahren nicht beteiligt hat.
3
Die Gefährdung kann insbesondere darin bestehen, dass dem Unternehmen zur Fortsetzung seiner Tätigkeit benötigte Finanzmittel oder Gegenstände entzogen werden. Der Antrag des Schuldners kann nur Erfolg haben, wenn die begründete Aussicht besteht, dass er die nachträglich geltend gemachten Forderungen – jedenfalls nach Erfüllung des Insolvenzplans – wird bezahlen können.1) Damit wird jedoch gerade bei entsprechend hohen Forderungen die Gefährdung des Plans nicht beseitigt werden können. Unberührt von der Vorschrift bleiben die Rechte des Schuldners nach § 765a ZPO.
4
Für eine lediglich einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 259a Abs. 2 ist auch i. R. der Begründetheit eine Glaubhaftmachung der die Gefährdung begründenden Tatsachen ausreichend.
5
§ 259a Abs. 3 ermöglicht dem Insolvenzgericht entsprechend § 765a Abs. 4 ZPO, einen Beschluss nach § 259a Abs. 1 auf Antrag einer Partei aufzuheben oder abzuändern, wenn dies aufgrund einer Änderung der tatsächlichen Umstände geboten ist. Der Beschluss des Insolvenzgerichts, der funktionell gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG dem Richter obliegt, ist gemäß § 6 nicht rechtsmittelfähig. III. Verjährung (§ 259b)
6
Ansprüche, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind, verjähren nach § 259b Abs. 1 in einem Jahr. Die Verjährungsfrist läuft nach § 259b Abs. 2 von der Rechtskraft des Beschlusses an, mit dem der Plan bestätigt worden ist. Jedoch beginnt die Verjährungsfrist nicht vor der Fälligkeit der Forderung.
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Die besondere Verjährungsfrist führt zeitnah zu Rechtssicherheit für den Schuldner darüber, ob es noch mit weiteren Forderungen aus der Zeit vor dem Insolvenzplanverfahren konfrontiert wird. Die verkürzte Verjährungsfrist gilt ausnahmslos für alle Ansprüche, so etwa auch für titulierte Forderungen i. S. des § 197 Abs. 1 BGB.2) Bei einer neuerlichen Insolvenz dürfte die Vorschrift jedoch teleologisch zu reduzieren sein, um keine Benachteiligung gegenüber Gläubigern, denen die Wirkungen des § 255 zugutekommen, zu bewirken.3) _____________ 1) 2) 3)
Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Begr. RegE, BT-Drucks. 127/11, S. 21 ff. Vgl. dazu Rugullis, NZI 2012, 825, 827 f.
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§ 260
Überwachung der Planerfüllung
§ 259b Abs. 3 stellt klar, dass die Regelungen des § 259b Abs. 1 nur dann eingreifen, wenn hierdurch im Ergebnis ein früherer Eintritt der Verjährung herbeigeführt wird.
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Schließlich wird durch § 259b Abs. 4 sichergestellt, dass ein Anspruch nicht verjährt, während der Gläubiger aufgrund einer Anordnung nach § 259a keine Möglichkeit hat, seinen Anspruch durchzusetzen. Für den Fall, dass die Hemmung durch eine Vollstreckungsschutzanordnung kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist eintreten würde, ordnet § 259b Abs. 4 Satz 2 in Anlehnung an § 204 Abs. 2 BGB daher an, dass diese erst drei Monate nach der Beendigung des nach § 259a gewährten Vollstreckungsschutzes endet.
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§ 260 Überwachung der Planerfüllung (1) Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, daß die Erfüllung des Plans überwacht wird. (2) Im Falle des Absatzes 1 wird nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens überwacht, ob die Ansprüche erfüllt werden, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil gegen den Schuldner zustehen. (3) Wenn dies im gestaltenden Teil vorgesehen ist, erstreckt sich die Überwachung auf die Erfüllung der Ansprüche, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil gegen eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit zustehen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründet worden ist, um das Unternehmen oder einen Betrieb des Schuldners zu übernehmen und weiterzuführen (Übernahmegesellschaft). Die Vorschrift stellt zunächst klar, dass einePlanüberwachung im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen werden muss. Ist dies nicht der Fall, findet keine Planüberwachung statt. Ist eine Planüberwachung gewünscht, gelten die §§ 260 ff, von denen im Insolvenzplan zugunsten des Schuldners, nicht allerdings zu seinem Nachteil abgewichen werden kann, es sei denn, dies erfolgt mit seiner expliziten Zustimmung.1) Für die Planüberwachung ist selbst kein gesonderter Beschluss des Insolvenzgerichts notwendig, sie tritt unmittelbar mit Verfahrensaufhebung ein.2)
1
Die Planüberwachung beschränkt sich zunächst darauf, zu prüfen, ob die Ansprüche, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil zustehen, erfüllt werden. Gemäß Absatz 3 kann zusätzlich vorgesehen werden, dass sich die Überwachung auch auf eine sog. Übernahmegesellschaft erstreckt, sofern diese Gesellschaft Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern übernommen hat und erst nach Insolvenzeröffnung zur Fortsetzung des Geschäftsbetriebs des Schuldners gegründet wurde. Ob die Übernahme lediglich eines Betriebsteiles diese Voraussetzungen erfüllt, er-
2
_____________ 1)
2)
Zur Verlängerung des Überwachungszeitraumes mit Zustimmung des Schuldners vgl. AG Duisburg, Beschl. v. 1.4.2003 – 62 IN 187/02, NZI 2003, 447; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 260 Rz. 9; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 260 Rz. 13. Braun-Braun/Frank, InsO, § 260 Rz. 3; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 260 Rz. 14.
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§ 261
Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters
scheint nicht zwingend.3) Die Übernahme und Fortführung des schuldnerischen Betriebes muss hingegen nicht ausschließlicher Gesellschaftszweck sein.4) _____________ 3) 4)
So aber: Braun-Braun/Frank, InsO, § 260 Rz. 7; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 260 Rz. 17. Braun-Braun/Frank, InsO, § 260 Rz. 7; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 260 Rz. 16.
§ 261 Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters (1) 1Die Überwachung ist Aufgabe des Insolvenzverwalters. 2Die Ämter des Verwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses und die Aufsicht des Insolvenzgerichts bestehen insoweit fort. 3§ 22 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) 1Während der Zeit der Überwachung hat der Verwalter dem Gläubigerausschuß, wenn ein solcher bestellt ist, und dem Gericht jährlich über den jeweiligen Stand und die weiteren Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans zu berichten. 2Unberührt bleibt das Recht des Gläubigerausschusses und des Gerichts, jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Zwischenbericht zu verlangen. 1
Ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die Überwachung vorgesehen, so handelt es sich hierbei, wie § 261 klarstellt, um eineAufgabe des Insolvenzverwalters. Parallel bleiben auch etwaige Mitglieder des Gläubigerausschusses und auch die Aufsicht des Insolvenzgerichts, beschränkt auf den Inhalt der Planüberwachung, im Amt.1) Der Verwalter hat etwaige Erfüllungshandlungen des Schuldners bzw. einer Übernahmegesellschaft selbst zu überprüfen. Er hat dem Gläubigerausschuss, sofern existent, und dem Insolvenzgericht jährlich unaufgefordert und schriftlich zu berichten. Darüber hinaus hat er dem Gläubigerausschuss und dem Gericht auch bei einzelnen Fragestellungen zur Verfügung zu stehen. _____________ 1)
Stephan in: MünchKomm-InsO, § 261 Rz. 4.
§ 262 Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters 1
Stellt der Insolvenzverwalter fest, daß Ansprüche, deren Erfüllung überwacht wird, nicht erfüllt werden oder nicht erfüllt werden können, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuß und dem Insolvenzgericht anzuzeigen. 2Ist ein Gläubigerausschuß nicht bestellt, so hat der Verwalter an dessen Stelle alle Gläubiger zu unterrichten, denen nach dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans Ansprüche gegen den Schuldner oder die Übernahmegesellschaft zustehen. 1
Der Verwalter hat dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht unverzüglich die Nichterfüllung oder voraussichtliche Nichterfüllbarkeit der Gläubigeransprüche anzeigen. Die voraussichtliche Nichterfüllbarkeit der Ansprüche ist durch
1256
Kebekus/Wehler
§ 264
Kreditrahmen
den Insolvenzverwalter sorgfältig zu prüfen. Sie muss hinreichend wahrscheinlich sein und sich aus klaren und eindeutigen Feststellungen ergeben.1) Wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist, sind die Gläubiger direkt zu unterrichten, die nach dem gestaltenden Teil Ansprüche erheben können. Ist die entsprechende Anzeige erfolgt, können diese Gläubiger die Zwangsvollstreckung gemäß § 257 betreiben oder das Wiederaufleben ihrer ursprünglichen Forderungen gemäß § 255 geltend machen. Auch ein Antrag auf Eröffnung eines erneuten Insolvenzverfahrens oder eine einvernehmliche Regelung mit dem Schuldner bzw. der Übernahmegesellschaft sind möglich.2) Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht kann die Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den Gläubigern nach § 60 auslösen. Es ist deshalb sinnvoll, im Plan konkret auszuführen, unter welchen Umständen eine Anzeigepflicht des Insolvenzverwalters bestehen soll.3)
2
_____________ 1) 2) 3)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 262 Rz. 3, 4; Kübler/Prütting/Bork-Pleister, InsO, § 262 Rz. 10. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 262 Rz. 9; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 262 Rz. 5. So auch Braun-Braun/Frank, InsO, § 262 Rz. 6; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 262 Rz. 6.
§ 263 Zustimmungsbedürftige Geschäfte 1 Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, daß bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners oder der Übernahmegesellschaft während der Zeit der Überwachung nur wirksam sind, wenn der Insolvenzverwalter ihnen zustimmt. 2§ 81 Abs. 1 und § 82 gelten entsprechend.
Die Planüberwachung kann durch einen weiteren Zustimmungsvorbehalt nach § 263 verschärft werden. Wichtig ist hierfür, dass im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die einem Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfenden Rechtsgeschäfte eindeutig bezeichnet werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut „bestimmte Rechtsgeschäfte“. Ist die Bezeichnung unzureichend, gilt § 259 Abs. 1 Satz 2, sodass der Schuldner allein die Verfügungsberechtigung zurückerhält.
1
Die Zustimmung des Verwalters richtet sich nach den §§ 182 ff BGB und kann entweder im Voraus als Einwilligung (§ 183 Satz 1 BGB) oder nachträglich als Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) erteilt werden. Die Form der Zustimmung richtet sich im Hinblick auf § 182 Abs. 2 BGB nach derjenigen des zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfts. Liegt keine Zustimmung des Insolvenzverwalters vor, ist das Rechtsgeschäft absolut unwirksam. Aufgrund des Verweises auf §§ 81, 82 ist etwaiger guter Glaube des Vertragspartners bei fehlender Zustimmung nur i. R. dieser Regelungen zu bewerten.
2
§ 264 Kreditrahmen (1) 1Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, daß die Insolvenzgläubiger nachrangig sind gegenüber Gläubigern mit Forderungen Kebekus/Wehler
1257
§ 264
Kreditrahmen
aus Darlehen und sonstigen Krediten, die der Schuldner oder die Übernahmegesellschaft während der Zeit der Überwachung aufnimmt oder die ein Massegläubiger in die Zeit der Überwachung hinein stehen läßt. 2In diesem Fall ist zugleich ein Gesamtbetrag für derartige Kredite festzulegen (Kreditrahmen). 3 Dieser darf den Wert der Vermögensgegenstände nicht übersteigen, die in der Vermögensübersicht des Plans (§ 229 Satz 1) aufgeführt sind. (2) Der Nachrang der Insolvenzgläubiger gemäß Absatz 1 besteht nur gegenüber Gläubigern, mit denen vereinbart wird, daß und in welcher Höhe der von ihnen gewährte Kredit nach Hauptforderung, Zinsen und Kosten innerhalb des Kreditrahmens liegt, und gegenüber denen der Insolvenzverwalter diese Vereinbarung schriftlich bestätigt. (3) § 39 Abs. 1 Nr. 5 bleibt unberührt. 1
Die Vorschrift ermöglicht die Privilegierung von Stundungen der Massegläubiger in der Überwachungsphase sowie von Neukrediten, die nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens dem Schuldner oder der Übernahmegesellschaft gewährt werden. Diese Regelung gilt grundsätzlich auch für Kredite i. S. des § 55 Abs. 2 und Darlehen, die nach Verfahrenseröffnung, aber vor Aufhebung des Verfahrens dem Insolvenzverwalter gewährt worden sind bzw. gemäß § 103 wegen des Erfüllungsverlangens des Verwalters zur Auszahlung gelangten (Altkredite) und gleichzeitig vom Darlehensgeber in der Überwachungsphase stehengelassen werden.1) Nicht privilegiert sind hingegen Eigenkapitalzuführungen, eigenkapitalersetzende Darlehen sowie Nutzungsüberlassungen.
2
Die Privilegierung erfolgt, indem im gestaltenden Teil des Plans ein Rangrücktritt der Insolvenzgläubiger mit ihren Ansprüchen gegenüber den Forderungen aus solchen Neukrediten/Altkrediten bzw. den gestundeten Ansprüchen der Massegläubiger erklärt wird. Die vorrangigen Kredite müssen ausreichend bestimmt werden, wobei gemäß Absatz 1 Satz 2 mindestens der Gesamtbetrag solcher Ansprüche fixiert sein muss. Dieser darf nach Absatz 1 Satz 3 den Betrag der in der Vermögensübersicht aufgeführten Vermögenswerte nicht überschreiten. Bei Überschreitung kann der Insolvenzplan durch das Gericht gemäß § 250 Nr. 1 wegen inhaltlicher Fehlerhaftigkeit nicht bestätigt werden. Wird der Plan dennoch durch das Gericht bestätigt, besteht – sofern nicht eine entsprechende Ergänzung des Plans vorgenommen wird – kein privilegierter Kreditrahmen.2)
3
Weitere Voraussetzung ist eine Vereinbarung zwischen Kreditgeber und dem Schuldner bzw. der Übernahmegesellschaft, die die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt. In einem späteren Insolvenzverfahren kann die Privilegierung nicht durch die Insolvenzanfechtung angegriffen werden.3) _____________ 1) 2)
3)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 264 Rz. 11. Str., so Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 264 Rz. 15; für eine Privilegierung bis zur Obergrenze in diesem Fall: Drukarczyk in: MünchKomm-InsO, § 264 Rz. 7; ebenso Kübler/Prütting/ Bork-Pleister, InsO, § 264 Rz. 14. Braun-Braun/Frank, InsO, § 264 Rz. 11.
1258
Kebekus/Wehler
§ 267
Bekanntmachung der Überwachung
§ 265 Nachrang von Neugläubigern 1 Gegenüber den Gläubigern mit Forderungen aus Krediten, die nach Maßgabe des § 264 aufgenommen oder stehen gelassen werden, sind nachrangig auch die Gläubiger mit sonstigen vertraglichen Ansprüchen, die während der Zeit der Überwachung begründet werden. 2Als solche Ansprüche gelten auch die Ansprüche aus einem vor der Überwachung vertraglich begründeten Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Gläubiger nach Beginn der Überwachung kündigen konnte.
Die Vorschrift ergänzt § 264. Sie bestimmt, dass vertraglich begründete Verbindlichkeiten aus der Zeit der Überwachung gegenüber den privilegierten Ansprüchen des § 264 ohne entsprechende Vereinbarung nachrangig sind. Dies gilt nicht für Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen aus der Zeit der Überwachungsphase. Darüber hinaus sind auch nachrangig die vor Aufhebung des Verfahrens vertraglich begründeten Dauerschuldverhältnisse für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Gläubiger nach Beginn der Überwachungsphase hätte kündigen können. Die bis zu diesem Termin entstandenen Verbindlichkeiten sind nicht nachrangig.
1
§ 266 Berücksichtigung des Nachrangs (1) Der Nachrang der Insolvenzgläubiger und der in § 265 bezeichneten Gläubiger wird nur in einem Insolvenzverfahren berücksichtigt, das vor der Aufhebung der Überwachung eröffnet wird. (2) In diesem neuen Insolvenzverfahren gehen diese Gläubiger den übrigen nachrangigen Gläubigern im Range vor. Die Vorschrift bestimmt, dass die Privilegierungen nach §§ 264, 265 nur gelten, wenn vor Aufhebung der Überwachung ein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet wird. Für die Dauer der Überwachung gilt § 268. So beträgt die Überwachungsphase nach § 268 Abs. 1 Nr. 2 höchstens drei Jahre. Unter den Voraussetzungen des § 268 Abs. 1 Nr. 1 kann die Überwachungsphase auch verkürzt werden, sofern die Erfüllung der Gläubigeransprüche bereits erfolgt oder gesichert ist. Gemäß Absatz 2 sind die privilegierten Gläubiger der §§ 264, 265 und ggf. auch Neugläubiger des § 265 vorrangig zu bedienen.
§ 267 Bekanntmachung der Überwachung (1) Wird die Erfüllung des Insolvenzplans überwacht, so ist dies zusammen mit dem Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekanntzumachen. (2) Ebenso ist bekanntzumachen: 1.
im Falle des § 260 Abs. 3 die Erstreckung der Überwachung auf die Übernahmegesellschaft; Kebekus/Wehler
1259
1
§ 268
Aufhebung der Überwachung
2.
im Falle des § 263, welche Rechtsgeschäfte an die Zustimmung des Insolvenzverwalters gebunden werden;
3.
im Falle des § 264, in welcher Höhe ein Kreditrahmen vorgesehen ist.
(3) 1§ 31 gilt entsprechend. 1Soweit im Falle des § 263 das Recht zur Verfügung über ein Grundstück, ein eingetragenes Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder ein Recht an einem solchen Recht beschränkt wird, gelten die §§ 32 und 33 entsprechend. 1
Aufgrund der erheblichen Auswirkungen der Überwachung für den Schuldner bzw. die Übernahmegesellschaft und auch die Gläubiger ist die Planüberwachung zur Sicherheit des Rechtsverkehrs zusammen mit der Verfahrensaufhebung bekannt zu machen. In dieser Bekanntmachung ist die konkrete Ausgestaltung der Überwachung zu veröffentlichen. Die entsprechenden öffentlichen Register sind zu unterrichten.
§ 268 Aufhebung der Überwachung (1) Das Insolvenzgericht beschließt die Aufhebung der Überwachung, 1.
wenn die Ansprüche, deren Erfüllung überwacht wird, erfüllt sind oder die Erfüllung dieser Ansprüche gewährleistet ist oder
2.
wenn seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens drei Jahre verstrichen sind und kein Antrag auf Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens vorliegt.
(2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen. § 267 Abs. 3 gilt entsprechend. 1
Die Aufhebung der Überwachung erfolgt durch Beschluss, der nicht angegriffen werden kann (§ 6). Für die Aufhebung der Überwachung haben die Voraussetzungen aus Nummer 1 und 2 vorzuliegen. Die Erfüllung hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht in Form eines schriftlichen Schlussberichtes mitzuteilen,1) allerdings ermöglicht § 66 Abs. 1 Satz 2 nunmehr jedoch abweichende Planregelungen.
2
Die Gewährleistung der Erfüllung der Ansprüche gemäß Absatz 1 Nr. 1 kann bspw. durch Hinterlegung, Bürgschaft oder sonstige Sicherungen erfolgen.
3
Mit der Aufhebung der Überwachung erlangt der Schuldner bzw. die Übernahmegesellschaft ex nunc die volle Verfügungsberechtigung zurück und unterliegt sodann keinen insolvenzrechtlichen Einschränkungen mehr. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. Gleichfalls hat die Löschung, sofern erforderlich, in den entsprechenden Registern zu erfolgen.
_____________ 1)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 268 Rz. 3.
1260
Kebekus/Wehler
§ 269
Kosten der Überwachung
§ 269 Kosten der Überwachung 1 Die Kosten der Überwachung trägt der Schuldner. 2Im Falle des § 260 Abs. 3 trägt die Übernahmegesellschaft die durch ihre Überwachung entstehenden Kosten.
Die Kosten der Überwachung trägt der Schuldner bzw. im Falle des § 260 Abs. 3 die Übernahmegesellschaft. Hierdurch kann ggf. durch entsprechende Vereinbarung der Beteiligten abgewichen werden.1) Überwachungskosten sind die in der Überwachungsphase angefallene Vergütung des Insolvenzverwalters, eines etwaigen Gläubigerausschusses sowie die Gerichtskosten, Veröffentlichungskosten und sonstigen Auslagen. Die Kosten werden durch Beschluss gemäß §§ 64, 73 unter der Voraussetzung des § 6 Abs. 2 InsVV festgesetzt, der nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO einen Vollstreckungstitel darstellt. Der Anspruch sollte noch vor Aufhebung der Überwachung beglichen sein, da danach keine weitere insolvenzrechtliche Durchsetzung mehr besteht.2)
_____________ 1) 2)
Braun-Braun/Frank, InsO, § 269 Rz. 1; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 269 Rz. 10. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 269 Rz. 11.
Kebekus/Wehler
1261
1
Siebter Teil Eigenverwaltung § 270 Voraussetzungen Graf-Schlicker
(1) 1Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. 2Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist. 3Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden. ) (2) Die Anordnung setzt voraus, 1.
dass sie vom Schuldner beantragt worden ist und
2.
dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.
(3) 1Vor der Entscheidung über den Antrag ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. 2Wird der Antrag von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, so gilt die Anordnung nicht als nachteilig für die Gläubiger. (4) Wird der Antrag abgelehnt, so ist die Ablehnung schriftlich zu begründen; § 27 Absatz 2 Nummer 4 gilt entsprechend.
)
)
Absatz 1 Satz 3 angefügt durch Art. 1 Nr. 18 Buchst. a des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
) Absatz 4 Halbs. 2 geändert durch Art. 1 Nr. 18 Buchst. b des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete dieser Passus: „(4) …; § 27 Absatz 2 Nummer 5 gilt entsprechend.“
Literatur: Bales, Insolvenzplan und Eigenverwaltung – Chancen für einen Neustart im Rahmen der Sanierung und Insolvenz, NZI 2008, 216; Brinkmann/Zipperer, Die Eigenverwaltung nach dem ESUG aus Sicht von Wissenschaft und Praxis, ZIP 2011, 1337; Ehricke, Zur gemeinschaftlichen Sanierung insolventer Unternehmen eines Konzerns, ZInsO 2002, 393; Eidenmüller, Leveraged Buyouts und die Effizienz des deutschen Restrukturierungsrechts, ZIP 2007, 1729; Eidenmüller, Die Eigenverwaltung im System des Restrukturierungsrechts, ZHR 175 (2011), 11; Förster, Klartext: Von Böcken und Gärtnern, ZInsO 1999, 153; Friedhoff, Sanierung einer Firma durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, ZIP 2002, 497; Frind, Wann ist (ein Ratschlag zur) Eigenverwaltung gerechtfertigt?, DB 2014, 165; Frind, Neue Gefahren für die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, ZInsO 2002, 745; Frind, Die Praxis fragt, „ESUG“ antwortet nicht, ZInsO 2011, 2249; Graf-Schlicker, Die Entwicklung des ESUG und die Fortentwicklung des Insolvenzrechts, ZInsO 2013, 1765; Graf-Schlicker, Der Einfluss des ESUG auf die Tätigkeit der Insolvenzgerichte, WPg Sonderheft 2011, S5; Graf-Schlicker, Gefährdet die Eigenverwaltung die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters?, in: Festschrift für Hans-
Graf-Schlicker
1263
§ 270
Voraussetzungen
Peter Kirchhof, 2003, S. 135; Haarmeyer, Missbrauch der Eigenverwaltung? – Nicht der Gesetzgeber, sondern Gerichte, Verwalter und Berater sind gefordert, ZInsO 2013, 2345; Hofmann, Die Eigenverwaltung insolventer Kapitalgesellschaften im Konflikt zwischen Gesetzeszweck und Insolvenzpraxis, ZIP 2007, 260; Hölzle, Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren nach ESUG – Herausforderungen für die Praxis, ZIP 2012, 158; Hügel, Die Eigenverwaltung als Modell zur Erhöhung der Insolvenzmasse, 2007; Huntemann/ Dietrich, Eigenverwaltung und Sanierungsplan – der verkannte Sanierungsweg, ZInsO 2001, 13; Jaffé, Die Eigenverwaltung im System des Restrukturierungsrechts, ZHR 175 (2011), 38; Janca, Endlich Rechtsanwalt bleiben?, ZInsO 2005, 242; Köchling, Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung?, ZInsO 2003, 53; Körner, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz als bestes Abwicklungsverfahren?, NZI 2007, 270; Kranzusch, Die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren – Anwendung und Hindernisse, ZInsO 2008, 1346; Mai, Therapieempfehlung: Insolvenzplan – Ein Praxisbericht aus der Arztinsolvenz, ZInsO 2008, 414; Nöll, Masseschuldbegründung durch den Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO – Schutzschirm zum Nulltarif?, ZInsO 2013, 745; Pape, Entwicklungstendenzen bei der Eigenverwaltung, ZIP 2013, 2285; Pape, Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, ZAP 2012, Fach 14, S. 629; Pape, Die Eigenverwaltung des Schuldners nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 895; Piepenburg, Faktisches Konzerninsolvenzrecht am Beispiel Babcock Borsig, NZI 2004, 231; Prütting/Huhn, Kollision von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung?, ZIP 2002, 777; Ringstmeier/Homann, Nebeneinander von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung, NZI 2002, 406; Rattunde, Sanierung von Großunternehmen durch Insolvenzpläne – Der Fall Herlitz, ZIP 2003, 596; Rattunde, Sanierung durch Insolvenz – Strukturen, Möglichkeiten und Erfahrungen der Sanierung mit dem Insolvenzverfahren oder während des Insolvenzverfahrens, ZIP 2003, 2103; Rieß, Die Insolvenz des Freiberuflers, ZVI 2004, 221; Runkel, Der Freiberufler in der Insolvenz, ZVI 2007, 45; Runkel/Schulte, Sanierung eines kommunalen Krankenhauses durch Eigenverwaltung und Insolvenzplan, ZIP 2008, 852; Smid, Zum Beweisverfahren im Eröffnungsverfahren der §§ 270a, 270b InsO und im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren, ZInsO 2013, 209; Spies, Insolvenzplan und Eigenverwaltung, ZInsO 2005, 1254; Uhlenbruck, Chancen und Risiken eines plangesteuerten Insolvenzverfahrens als Eigenverwaltung, in: Festschrift für Friedrich Wilhelm Metzeler, 2003, S. 90; Uhlenbruck, Gefährdet die Eigenverwaltung insolventer Unternehmen die richterliche Unabhängigkeit?, NJW 2002, 3219; Vallender, Eigenverwaltung im Spannungsfeld zwischen Schuldner- und Gläubigerautonomie, WM 1998, 2129; Vallender, Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen [ESUG] – Das reformierte Plan- und Eigenverwaltungsverfahren, MDR 2012, 125; Wuschek, Eigenverwaltung gewinnt an Bedeutung, ZInsO 2012, 110. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung ...... 6 1. Antrag des Schuldners .......................... 6 2. Keine Nachteile für Gläubiger ........... 10 III. Entscheidung über den Eigenverwaltungsantrag ............................. 17 IV. Rechtswirkungen der Anordnung .... 23 V. Unterbrechung anhängiger Rechtsstreite ....................................... 25
I. 1
VI. (Vorläufige) Eigenverwaltung im Steuerrecht .......................................... 27 1. Allgemeines ......................................... 27 2. Anwendung des § 55 Abs. 4 auf die vorläufige Eigenverwaltung ................ 28 3. Beendigung der Organschaft bei (vorläufiger) Eigenverwaltung ............ 29 4. Umsatzsteuer bei der Verwertung von Absonderungsgegenständen ........ 30
Normzweck und -inhalt
Das Institut der Eigenverwaltung wurde im deutschen Recht erstmals in der InsO verankert. Es orientiert sich an den Regelungen des amerikanischen Insolvenzrechts 1264
Graf-Schlicker
§ 270
Voraussetzungen
über den debtor in possession1) und greift Elemente des Vergleichsverfahrens auf.2) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse selbst zu verwalten. Damit soll die Nutzung von Kenntnissen und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung ermöglicht werden, Einarbeitungszeit vermieden, Kosten gespart3) und ein Anreiz für den Schuldner geschaffen werden, rechtzeitig einen Antrag zu stellen.4) Die Regelungen über die Eigenverwaltung sind im Zusammenhang mit dem Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18) und der Möglichkeit, schon bei der Antragstellung einen Insolvenzplan vorzulegen (§ 218 Abs. 1 Satz 2), zu sehen.5) Die anfänglich massive Kritik6) an dieser Möglichkeit, dem Schuldner im Insolvenzverfahren grundsätzlich seine Handlungsbefugnis zu lassen, ist immer mehr verebbt. Erfolgreiche Sanierungen i. R. spektakulärer Großverfahren,7) aber auch bei Freiberuflern8) haben dazu beigetragen, die Vorteile der Eigenverwaltung in der Literatur herauszustellen.9) Dennoch ist dieses Instrument der InsO als wirksames Mittel zur Bewältigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten von der Praxis10) nur _____________ 1) Zu den grundlegenden Unterschieden der beiden Rechtsinstitute, vgl. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, vor § 270 Rz. 11; Landfermann in: HK-InsO, Vorbem. zu §§ 270 – 285, Rz. 2, 3. 2) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 222, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 518. 3) Als Vergütung erhält der Sachwalter in der Regel 60 % der Insolvenzverwaltervergütung (§ 274 Abs. 1, § 54 Nr. 2, §§ 63 – 65 InsO, § 12 InsVV). Darüber hinaus entfallen für die gesicherten Gläubiger die Kostenpauschalen bei der Verwertung. 4) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 518. 5) Landfermann in: HK-InsO, Vorbem. zu §§ 270 – 285 Rz. 16. 6) Hauptargument ist, der Bock dürfe nicht zum Gärtner gemacht werden, vgl. z. B. Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13, 15; Frind, ZInsO 2002, 745, 752; Förster, ZInsO 1999, 153. Pape in: Kölner Schrift, S. 895. 7) Babcock Borsig AG: AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636; vgl. dazu auch Piepenburg, NZI 2004, 231; Herlitz: vgl. dazu Rattunde, ZIP 2003, 596; Kirch Media GmbH & Co. KGaA: vgl. dazu Gottwald, NZI Heft 8/2002, S. V; Ihr Platz: vgl. dazu ZInsO 19/2007, S. V; BetaDigital/Lloyd Wert Bremerhaven: vgl. dazu Körner, NZI 2007, 270 ff; Sinn-Leffers: vgl. dazu Kranzusch, ZInsO 2008, 1346; Kübler/Prütting/ Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 36 ff. 8) Kranzusch, ZInsO 2008, 1346, 1350; vgl. auch Mai, ZInsO 2008, 414; Rieß, ZVI 2004, 221. 9) Bales, NZI 2008, 216; Blank, ZInsO 2008, 412; Friedhoff, ZIP 2002, 497; Huntemann/ Dietrich, ZInsO 2001, 13; Körner, NZI 2007, 270; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 20 – 21a; Landfermann in: HK-InsO, Vorbem. zu §§ 270–285 Rz. 12, 13; Piepenburg, NZI 2004, 231; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106; Spies, ZInsO 2005, 1254, 1256; Uhlenbruck, GmbHR, 2005, 817; diff. Hofmann, ZIP 2007, 260. 10) AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636; AG Köln, Beschl. v. 17.9.1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646; AG Lübeck, Beschl. v. 4.2.2000 – 53 b IN 19/00, DZWIR 2000, 482; AG Darmstadt, Beschl. v. 20.2.1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494; LG Potsdam, Beschl. v. 16.5.2001 – 5 T 239/00, ZIP 2001 1689; LG Cottbus, Beschl. v. 17.7.2001 – 7 T 421/00, ZIP 2001, 2188; LG Mönchengladbach, Beschl. v. 30.12.2002 – 5 T 439/02, ZIP 2003, 728, dazu EWiR 2003, 483 (Bärenz); vgl. auch die Sachverhalte, die den drei nachfolgend aufgeführten Entscheidungen des BGH zugrunde liegen: BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 10/05, ZIP 2007, 448; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 85/05, ZIP 2007, 394; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438, dazu EWiR 2007, 209 (Flitsch).
Graf-Schlicker
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2
§ 270
Voraussetzungen
sehr zurückhaltend genutzt worden.11) Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen12) (ESUG) sollen Hürden für die Anordnung der Eigenverwaltung abgebaut werden,13) um durch den Kontrollerhalt bei einem insolventen Unternehmen einen Anreiz für eine frühzeitige Insolvenzantragstellung14) zu setzen und damit eine entscheidende Weiche für eine erfolgreiche Sanierung zu stellen.15) Die Anordnung der Eigenverwaltung ist allerdings nicht als Regelfall für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens konzipiert.16) 3
Bisher konnte die Eigenverwaltung nur angeordnet werden, wenn sie nicht zur Verzögerung des Verfahrens und zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führte; wurde das Insolvenzverfahren durch einen Gläubiger eingeleitet, musste dieser der Anordnung zustimmen. Das ESUG verzichtet auf dieses Zustimmungserfordernis, senkt die materiellen Anordnungsvoraussetzungen maßvoll ab17) und ermöglicht die frühzeitige Einbindung der Gläubiger über einen vorläufigen Gläubigerausschuss. Seit dem 1.3.2012, dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, kann der Antrag des Schuldners nur mit schriftlicher Begründung im Eröffnungsbeschluss (Abs. 4) zurückgewiesen werden, wenn Nachteile für die Gläubiger konkret zu erwarten sind. Ein einstimmiges Votum des nach den §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses, dem Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist – ausgenommen die Beteiligung hat offensichtlich schädliche Auswirkungen auf das Schuldnervermögen – fingiert das Fehlen von Nachteilen.
4
Der bisherige Absatz 3 ist inhaltlich in § 270c eingestellt worden. Die bislang gesetzlich nicht geregelte, in der Literatur umstrittene Frage,18) ob und in welchem Umfang die gesellschaftlichen Weisungsbefugnisse und Kontrollrechte bei der Anordnung der Eigenverwaltung bestehen bleiben, ist nunmehr durch § 276a geklärt.
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Im Verbraucherinsolvenzverfahren finden die Vorschriften über die Eigenverwaltung keine Anwendung (§ 312 Abs. 3 für Verfahren, die bis zum 30.6.2014 bean-
_____________ 11) Der Anteil der angeordneten Eigenverwaltungen lag bis 2010 insgesamt unter 1 % der gesamten Unternehmensinsolvenzverfahren, vgl. dazu Kranzusch, ZInsO 2008, 1346; Landfermann in: HK-InsO, Vorbem. zu §§ 270 – 285 Rz. 14 und Brinkmann/Zipperer, ZIP 2011, 1337 Fn. 2. 12) BGBl. I 2011, 2582. 13) Graf-Schlicker, WPg Sonderheft 2011, S 5. 14) Ein Insolvenzantrag wird durchschnittlich erst zehn Monate nach Eintritt der materiellen Insolvenz gestellt, Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 17. 15) Brinkmann/Zipperer, ZIP 2011, 1337, 1340 und Jaffé, ZHR 175 (2011), 38, 45 sehen hierin den entscheidenden Vorteil eines eigenverwalteten Insolvenzverfahrens. 16) AG Hamburg, Beschl. v. 18.12.2013 – 67c IN 410/13, ZIP 2014, 390; Graf-Schlicker, ZInsO 2013, 1765, 1767; Nöll, ZInsO 2013, 745, 749; Haarmeyer, ZInsO 2013, 2345; Vallender, MDR 2012, 125, 127; Frind, DB 2014, 165; a. A. noch Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260; Hölzle, ZIP 2012, 158, 159. Auch in der Praxis wird dies nicht so gehandhabt. Das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass seit Inkrafttreten des ESUG die Eigenverwaltung in etwa 1,5 % der eröffneten Verfahren angeordnet worden ist. Vgl. dazu auch Pape, ZIP 2013, 2285, 2286; INDat-Report 6/2013, Sonderdruck ESUG-Verfahren Teil 3. 17) So BT-Drucks. 17/5712, S. 19. 18) S. dazu § 276a Rz. 1.
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Voraussetzungen
tragt werden, ab 1.7.2014 ist diese Regelung in § 270 Abs. 1 Satz 3 eingestellt).19) Da eine entsprechende gesetzliche Bestimmung für die weiteren besonderen Arten des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 315 ff (Insolvenz über den Nachlass, Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft und gemeinschaftlich verwaltetes Gesamtgut einer Gütergemeinschaft) nicht besteht, ist in diesen Fällen die Eigenverwaltung grundsätzlich möglich.20) II. Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung 1.
Antrag des Schuldners
Die Anordnung der Eigenverwaltung setzt einen entsprechenden Antrag des Schuldners sowie einen Insolvenzeröffnungsantrag (Abs. 1 i. V. m. § 13 Abs. 1) entweder vom Schuldner oder einem Gläubiger voraus. Der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung ist Prozesshandlung,21) er darf also nicht an eine Bedingung geknüpft werden.22)
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Bei Gesellschaften und juristischen Personen sind für die Frage der Antragsbefugnis des Schuldners die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregelungen maßgebend, jeder Vertretungsberechtigte kann also den Antrag stellen.23) Die Vorschrift des § 15, wonach – unabhängig von der Ausgestaltung der Vertretungsbefugnis innerhalb des Vertretungsorgans oder der Gesellschaft – auch der Antrag auf Insolvenzeröffnung von jedem Mitglied des Vertretungsorgans oder jedem vertretungsberechtigten Gesellschafter gestellt werden kann, ist auf den Antrag auf Eigenverwaltung nicht analog anzuwenden, weil kein vergleichbarer Lebenssachverhalt vorliegt.24) Anders als im Falle der Eigenverwaltung, bei der das Ziel des Insolvenzverfahrens nur bei gemeinsamer Bereitschaft der Gesamtvertretungsberechtigten zur weiteren Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht erreicht werden kann, beruht das Antragsrecht nach § 15 auf der persönlichen Haftung jedes Einzelnen wegen Insolvenzverschleppung.
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Auch im Sekundärinsolvenzverfahren nach Art. 27 EuInsVO ist der Schuldner berechtigt, die Anordnung der Eigenverwaltung zu beantragen, jedoch darf der Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens wegen der Selbständigkeit der Verfahren und der unterschiedlichen Interessen der Verwalter nicht zum Sachwalter des Sekundärverfahrens bestellt werden.25)
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_____________ 19) Art. 1 Nr. 18 und Nr. 38 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379. 20) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270 Rz. 34; Landfermann in: HK-InsO, Vorbem. zu §§ 270 – 285 Rz. 9. 21) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270 Rz. 43. 22) Vgl. dazu BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 10/05, ZIP 2007, 448 – in diesem Fall war die Vorschusszahlung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Anordnung der Eigenverwaltung geknüpft worden. 23) Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 17 – 49; Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 9; GottwaldHaas/Kahlert, InsR-Hdb., § 87 Rz. 9; a. A. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rz. 18; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 84. 24) Ebenso Gottwald-Haas/Kahlert, InsR-Hdb., § 87 Rz. 9; Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 37 – 40; Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 9. 25) AG Köln, Beschl. v. 23.1.2004 – 71 IN 1/04, ZIP 2004, 471, 473, dazu EWiR 2004, 601 (Blenske), m. Anm. Sabel, NZI 2004, 126, 128; Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 27 EuInsVO Rz. 12.
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Der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung kann, muss aber nicht mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden. Er hat jedoch – wie Absatz 1 verdeutlicht – spätestens bis zur rechtskräftigen26) Entscheidung über den Eröffnungsantrag vorzuliegen. Die Auffassung, der Antrag könne in der Beschwerdeinstanz nicht mehr gestellt werden, widerspricht den allgemeinen Prozessregeln im Beschwerdeverfahren, wonach Änderungen und Erweiterungen des Antrags auch in diesem Verfahrensstadium noch möglich sind.27) Entsprechend kann der Antrag auch bis zu diesem Zeitpunkt zurückgenommen werden.28) 2.
Keine Nachteile für Gläubiger
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In Anlehnung an die Regelung des § 331 Abs. 2 Nr. 3 im RegE der InsO29) sieht der neue Absatz 2 als weitere Anordnungsvoraussetzung für die Eigenverwaltung lediglich vor, dass keine Umstände bekannt sein dürfen, die nachteilige Auswirkungen auf die Gläubigerinteressen erwarten lassen. Die Formulierung verdeutlicht, dass Unklarheiten über mögliche Nachteile für die Gläubiger zu deren Lasten gehen;30) ein eingesetzter vorläufiger Gläubigerausschuss (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a) kann i. R. der Anhörung zu dem Eigenverwaltungsantrag (Abs. 3) dem Insolvenzgericht seine Bedenken unterbreiten.
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Fraglich ist, inwieweit der Richter das Vorliegen von Nachteilen für die Gläubiger von Amts wegen zu ermitteln hat, denn in der Begründung zum RegE der InsO heißt es ausdrücklich, das Insolvenzgericht habe keine besonderen Nachforschungen anzustellen.31) Weder dem Wortlaut der mit dem ESUG eingeführten Regelung noch der Gesetzesbegründung dazu lässt sich entnehmen, dass eine Ausnahme von dem grundsätzlich bei einem zulässigen Eröffnungsantrags anzuwendenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5) gemacht werden soll.32) Die Norm ist vielmehr gegenüber der früheren Rechtslage als eine Art „Umkehr der Beweislast“ zugunsten des Schuldners zu verstehen. Sind i. R. des erforderlichen Abwägungsprozesses über die Vor- und Nachteile33) der beantragten Eigenverwaltung nachteilige Auswirkungen
_____________ 26) A. A. Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 7; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 75. 27) Zöller-Heßler, ZPO, § 571 Rz. 3. 28) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rz. 18. 29) BT-Drucks. 12/2443, S. 61. 30) BT-Drucks. 17/5712, S. 38. 31) Begr. z. § 331 RegE/§ 270 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 519. 32) So i. E. auch Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260; vgl. auch Brinkmann/Zipperer, ZIP 2011, 1337, 1341; Hölzle, ZIP 2012, 158, 160, die sich mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht näher auseinandersetzen, aber eine Sachverständigenbeauftragung zu eventuellen Nachteilen der Gläubiger ablehnen. 33) Vgl. insoweit Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 14; Hölzle, ZIP 2012, 158, 160.
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Voraussetzungen
auf das Vermögen der Gläubiger nicht konkret feststellbar,34) so geht dies zu deren Lasten und nicht mehr – wie nach der bisherigen Regelung in Absatz 2 Nr. 3 a. F. – zulasten des Schuldners.35) Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Amtsermittlungsgrundsatzes bei der Feststellung von Nachteilen für die Gläubiger bedeutet aber nicht, dass in jedem Fall ein Sachverständiger beauftragt werden muss.36) Es ist primäre Aufgabe des Gerichts, die Informationsverpflichtung des Schuldners nach §§ 20 Satz 2, 97 ff, 101 zu nutzen und die Gläubiger zumindest über einen eingesetzten Gläubigerausschuss nach Absatz 3 zu beteiligten. Unterstützt dieser einstimmig den Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung, ist kein Raum mehr für eine Amtsermittlung des Gerichts. Vielmehr hat es bei seiner Entscheidung als Fakt zugrunde zu legen, dass die Anordnung für die Gläubiger nicht nachteilig ist. Die Regelung des § 270 Abs. 3 Satz 2 stellt eine unwiderlegbare Vermutung dar.37) Nachteile für die Gläubiger sind – sofern kein Fall des Absatzes 3 Satz 2 vorliegt – in der Regel anzunehmen,38) wenn der Schuldner wegen der Begehung von Vermögens-, Urkunds- oder Bankrottdelikten verurteilt worden ist oder gegen ihn insoweit ermittelt wird,39) er seinen Mitwirkungspflichten im Eröffnungsverfahren nicht nachkommt,40) der Verdacht besteht, dass der Schuldner im Vorfeld der Insolvenz vorsätzlich gläubigerschädigende Handlungen vorgenommen hat, er versucht, sich Haftungsansprüchen zu entziehen,41) die Gefahr besteht, dass der Schuldner sich und/oder einzelnen Gläubigern ungerechtfertigte Vorteile verschafft,42) zwischen mehreren alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern Uneinigkeit über das weitere Schicksal des Unternehmens herrscht,43) das schuldnerische Unternehmen keine _____________ 34) Bloße Mutmaßungen hinsichtlich der Nachteile reichen nicht aus, so auch Kübler/ Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 98; so aber AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, dazu EWiR 2013, 157 (Rendels/Körner). Auch allgemeine Äußerungen zum Anforderungsprofil des eigenverwaltenden Schuldners reichen nicht, so aber AG Hamburg, Beschl. v. 19.12.2013 – 67c IN 501/13, ZIP 2014, 487, das Kenntnis zum Führen von Tabelle und Massenverzeichnissen, zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger und zur regelgerechten Begründung von Masseverbindlichkeiten fordert; zu Recht krit. Möhlenkamp, BB 2014, 150 (Urteilsanm.). 35) So auch die Begr. z. RegE des ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 38. 36) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 117; Smid, ZInsO 2013, 209; a. A. Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260. 37) Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 20; Smid, ZInsO 2013, 209, 210. 38) Vgl. auch Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 104, 118; Wimmer-Foltis, FKInsO, § 270 Rz. 61 ff; Wuschek, ZInsO 2012, 110, 113. 39) AG Hamburg, Beschl. v. 18.12.2013 – 67c IN 410/13, ZIP 2014, 390; UhlenbruckUhlenbruck, InsO, § 270 Rz. 26. 40) Vgl. dazu AG Hamburg, Beschl. v. 15.7.2013 – 67e IN 108/13, ZIP 2013, 1684; kritisch zur konkreten Subsumtion zu Recht EWiR 2013, 591 (Stahlschmidt), ebenso Fuhst, jurisPR-InsR 21/2013 Anm. 2. Nicht ausreichend für eine Ablehnung der Eigenverwaltung ist, dass „indirekte Nachteile für die Gläubiger zu befürchten sind“, so aber AG Potsdam, Beschl. v. 13.12.2012 – 35 IN 748/12, ZIP 2013, 181, dazu EWiR 2013, 157 (Rendels/Körner). 41) AG Köln, Beschl. v. 17.9.1999 – 71 IN 28/99, ZIP 1999, 1646. 42) Graf-Schlicker in: FS Kirchhof, S. 135, 146 ff. 43) AG Mannheim, Beschl. v. 21.2.2014 – 4 IN 115/14, ZIP 2014, 484.
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wirksamen Jahresabschlüsse aufgestellt44) oder Geschäftsabläufe nicht transparent dokumentiert hat. Die Anordnung der Eigenverwaltung stellt auch dann einen Nachteil i. S. des Absatzes 2 Nr. 2 dar, wenn die maßgeblichen Gläubiger sich aus begründeten Erwägungen weigern, der bisherigen Unternehmensführung notwendige Kredite oder Waren für eine Sanierung zur Verfügung zu stellen.45) Das gilt auch, wenn der vorläufige Gläubigerausschuss im Einzelnen darlegt, warum das Vertrauen in den Schuldner erschüttert ist.46) 13
Der Schuldner muss – soweit es sich um eine natürliche Person handelt – selbst die zur Eigenverwaltung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, er kann sich dabei nicht durch einen Dritten vertreten lassen.47) Nicht erforderlich ist allerdings die Kenntnis zum Führen der Tabelle, weil diese Aufgabe vom Sachwalter wahrzunehmen ist (§ 270c Satz 2).48) Bei freiberuflich Tätigen, z. B. Ärzten, Apothekern,49) Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern ist zu beachten, dass die Eigenverwaltung nur möglich ist, wenn ein Widerruf der Zulassung nicht erfolgt.50)
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Sanierungsversuche über einen längeren Zeitraum rechtfertigen nicht per se die Annahme von Nachteilen,51) ebenso wenig die Berufung eines Insolvenzverwalters
_____________ 44) AG Darmstadt, Beschl. v. 20.2.1999 – 9 IN 1/99, ZIP 1999, 1494. 45) AG Köln, Beschl. v. 1.7.2013 – 72 IN 211/13, ZIP 2013, 1390, dazu EWiR 2013, 625 (Leib/Rendels); Cranshaw, jurisPR-InsR 16/2013 Anm. 4. 46) Allgemeine Befürchtungen reichen insoweit nicht aus, so aber wohl AG Köln, Beschl. v. 1.6.2012 – 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788, dazu EWiR 2012, 359 (Hofmann). 47) LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119; Wimmer-Foltis, FKInsO, § 270 Rz. 11. 48) A. A. AG Hamburg, Beschl. v. 19.12.2013 – 67c IN 501/13, ZIP 2014, 487, das Kenntnis zum Führen von Tabelle und Massenverzeichnissen, zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger und zur regelgerechten Begründung von Masseverbindlichkeiten fordert; zu Recht kritisch Möhlenkamp, BB 2014, 150 (Urteilsanm.). 49) Vgl. zur Eigenverwaltung bei einer Apotheke, OVG Berlin, Beschl. v. 18.6.2002 – 5 S 14.02, ZVI 2004, 620. 50) Vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschl. v. 31.8.2005 – 1 BvR 912/04, NJW 2005, 3057, das die Amtsenthebung eines Notars bei Vorlage eines Insolvenzplans für unzulässig erklärt hat. Zur einstweiligen Anordnung des BVerfG in diesem Fall: BVerfG, Beschl. v. 28.4.2004 – 1 BvR 912/04, ZVI 2004, 297, dazu EWiR 2004, 799 (Römermann). Zuvor hat der BGH, Beschl. v. 22.3.2004 – NotZ 23/03, ZIP 2004, 1006, die Amtsenthebung für rechtmäßig erklärt, dazu EWiR 2005, 171 (Runkel). Der BFH, Beschl. v. 24.1.2006 – VII B 141/05, BFH/NV 2006, 983, 985, hat bei einem Steuerberater, der keinen Insolvenzplan vorgelegt hat, die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung bestätigt. Dagegen hat der BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschl. v. 18.10.2004 – AnwZ (B) 43/03, ZVI 2006, 22, den Widerruf einer Anwaltszulassung im Insolvenzfall bei Vorliegen bestimmter Umständen (die Abrechnung der Mandate erfolgt durch den Arbeitgeber und es ist ausgeschlossen, dass der Schuldner mit Mandantengeldern in Berührung kommt) für angestellte Anwälte für unzulässig gehalten. Vgl. zu dieser Entscheidung Janca, ZInsO 2005, 242, 243; vgl. zu dieser Problematik auch Runkel, ZVI 2007, 45, 48. 51) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 109; so aber LG Bonn, Beschl. v. 23.7.2003 – 6 T 135/03, ZIP 2003, 1412, dazu EWiR 2003, 871 (Bork), wohl auch AG Köln, Beschl. v. 1.7.2013 – 72 IN 211/13, ZIP 2013, 1390, dazu EWiR 2013, 625 (Leib/Rendels); Cranshaw, jurisPR-InsR 16/2013 Anm. 4.
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als Sanierungsexperten in den Vorstand des schuldnerischen Unternehmens.52) Vielmehr kann eine solche Maßnahme das Vertrauen der Gläubiger in die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens stärken, wie insbesondere die Beispiele Babcock Borsig AG53) und Kirch Media gezeigt haben. Weder die Unabhängigkeit der Gerichte bei der Auswahl des Insolvenzverwalters54) noch die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters werden dadurch beeinträchtigt.55) Haben einzelne Gläubiger im Hinblick auf einen Eigenverwaltungsantrag schon im Vorfeld des Insolvenzverfahrens i. R. einer Schutzschrift Bedenken gegen die Anordnung der Eigenverwaltung geltend gemacht, so folgt daraus nicht, dass eine Eigenverwaltung nicht angeordnet werden kann.56) Vielmehr hat das Gericht die vorgebrachten Bedenken in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen und zu prüfen, ob sich daraus Nachteile für die gesamte Gläubigerschaft ergeben.
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Die Eigenverwaltung ist auch im Falle der Liquidation möglich, denn der Schuldner erhält gemäß § 282 auch die Verwertungsbefugnis.57)
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III. Entscheidung über den Eigenverwaltungsantrag Das Insolvenzgericht (Richter, § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) hat vor seiner Entscheidung über den Eigenverwaltungsantrag einen nach den §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a eingesetzten Gläubigerausschuss anzuhören, es sei denn, dies führt im konkreten Fall offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage. Ein Verzicht auf die Anhörung ist daher nur zulässig, wenn die schädliche Auswirkung auf das Schuldnervermögen auf der Hand liegt.
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Sowohl über die Anordnung als auch über die Ablehnung hat der Richter im Eröffnungsbeschluss zu entscheiden (Abs. 1, Abs. 4 i. V. m. § 27 Abs. 2 Nr. 5).
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_____________ 52) So aber AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636, 1046; das im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Babcock Borsig AG dennoch die Eigenverwaltung angeordnet hat. Als Grund hat es die faktische Präjudizierung durch das Verhalten des Ministerpräsidenten in den ersten Tagen nach der Stellung des Eröffnungsantrags und das hieran anknüpfende Auftreten des Vorstands der Schuldnerin gegenüber den Arbeitnehmern sowie den bisherigen und künftigen Geschäftspartnern angegeben. Frind, ZInsO 2002, 745, 752 f. 53) Dazu Piepenburg, NZI 2004, 231. 54) Graf-Schlicker in: FS Kirchhof, S. 135, 146 ff. 55) Uhlenbruck, NJW 2002, 3219, 3220 und Uhlenbruck in: FS Metzeler, S. 90; Frind, ZInsO 2002, 745, 752 f. 56) So aber wohl Hölzle, ZIP 2012, 158, 160, unter Hinweis darauf, dass der vorläufige Gläubigerausschuss jederzeit nach § 270b Abs. 3 Nr. 3 ohne Begr. die Aufhebung der Eigenverwaltung beanspruchen könne. Diese Norm gilt jedoch nur für einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Hölzle differenziert darüber hinaus nicht zwischen dem Aufhebungsantrag des vorläufigen Gläubigerausschusses und dem eines einzelnen Gläubigers (§ 270b Abs. 3 Nr. 4). 57) LG Potsdam, Beschl. v. 16.5.2001 – 5 T 239/00, ZIP 2001, 1689; LG Cottbus, Beschl. v. 17.7.2001 – 7 T 421/00, ZIP 2001, 2188; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 49 ff; A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 270 Rz. 5, 6; a. A. AG Lübeck, Beschl. v. 4.2.2000 – 53 b IN 19/00, DZWIR 2000, 482; AG Hamburg, Beschl. v. 18.12.2013 – 67c IN 410/13, ZIP 2014, 390.
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Eine Begründung der Anordnung ist nicht ausdrücklich vorgesehen,58) sie ist jedoch zweckmäßig, weil die Gläubigerversammlung gemäß §§ 271, 272 Abs. 1 Nr. 1, 2 letztendlich über die Eigenverwaltung entscheidet.59) Bei einer ablehnenden Entscheidung dagegen ordnet das Gesetz ausdrücklich eine schriftliche Begründung an, die im Eröffnungsbeschluss zu erfolgen hat. Die Regelung soll sicherstellen, dass die Ablehnung nicht schematisch vorgenommen wird, sondern das Gericht auf die Umstände des konkreten Falles abstellt,60) sodass sie für den Schuldner und die Gläubiger transparent sind. Die Gläubigerversammlung kann unter Berücksichtigung dieser Gründe sodann entscheiden, ob sie mit der Summenmehrheit des § 76 Abs. 2 nachträglich die Eigenverwaltung befürwortet,61) der Schuldner kann die gerichtlichen Gesichtspunkte ebenfalls in seine Entscheidung über die Zustimmung zur beantragten Eigenverwaltung einbeziehen.
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Weder die Anordnung noch die Ablehnung des Antrags des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung ist beschwerdefähig,62) weil die InsO eine sofortige Beschwerde dagegen nicht vorsieht (§ 6 Abs. 1). Der Gesetzgeber hat – um die Justiz durch die InsO nicht übermäßig zu belasten und eine zügige Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten – bewusst die Rechtsmittel gegen insolvenzgerichtliche Beschlüsse begrenzt63) und die endgültige Entscheidung über die Eigenverwaltung der Gläubigerversammlung überlassen (§§ 271, 272 Abs. 1 Nr. 1).64) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass über die Frage der Anordnung oder Ablehnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss entschieden wird, denn das Insolvenzgericht trifft damit eine eigenständige Entscheidung, die lediglich zeitgleich mit dem Eröffnungsbeschluss zu erfolgen hat.65) Eine Anfechtung der Entscheidung über den Eigenverwaltungsantrag ist nach der Reform der ZPO66) auch nicht mehr wegen „greifbarer Gesetzwidrigkeit“ möglich.67)
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_____________ 58) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 164; so aber A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 270 Rz. 48; Vallender, WM 1998, 2129, 2133. 59) Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 20. 60) Pape, ZAP 2012, Fach 14, S. 629, 644. 61) BT-Drucks. 17/5712, S. 39. 62) BT-Drucks. 17/5712, S. 38, 39; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 10/05, ZIP 2007, 448; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 85/05, ZIP 2007, 394 – bei Abweisung mangels Masse; LG Mönchengladbach, Beschl. v. 30.12.2002 – 5 T 439/02, ZIP 2003, 728; AG Köln, Beschl. v. 22.8.2005 – 71 IN 426/05, ZIP 2005, 1975, dazu EWiR 2006, 153 (Bähr/Landry); Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 24; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 173, 174. 63) Begr. z. §§ 4, 6 RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 107 f und S. 110, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 155. 64) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 100, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 123; BT-Drucks. 17/5712, S. 58. 65) BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 10/05, ZIP 2007, 448; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 85/05, ZIP 2007, 394 – bei Abweisung mangels Masse; AG Köln, Beschl. v. 22.8.2005 – 71 IN 426/05, ZIP 2005, 1975; s. dazu die Entscheidung des BVerfG zur Auswahl des Insolvenzverwalters, BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355, 1357; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 117, a. A. Bärenz, EWiR 2003, 483; Smid, WM 1998, 2489, 2509. 66) Gesetz zur Reform des Zivilprozesse (ZPO-RG) v. 27.7.2001, BGBl. I 2001, 1887, 1902 ff. 67) BGH, Beschl. v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, ZVI 2002, 122, dazu EWiR 2002, 835 (Prütting); BGH, Beschl. v. 23.7.2003 – XII ZB 91/03, NJW 2003, 3137; BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, ZIP 2003, 1102; so aber noch Vallender, WM 1998, 2129, 2133 – zur alten Rechtslage vor der ZPO-Reform.
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Graf-Schlicker
§ 270
Voraussetzungen
Das Enumerationsprinzip in § 6 schließt eine sofortige Beschwerde lediglich dann nicht aus, wenn das Gericht eine dem Gesetz fremde, in den grundrechtlich geschützten räumlichen Bereich des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme trifft.68)
22
IV. Rechtswirkungen der Anordnung Während des Insolvenzverfahrens behält der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, insoweit nimmt er die Stellung eines Insolvenzverwalters im Regelverfahren ein.69) Allerdings steht er unter der Aufsicht eines Sachwalters, die dieser gemäß §§ 274 – 285 in einem abgestuften Kontroll- und Mitwirkungssystem auszuüben hat. Grundsätzlich sind die Aufgaben wie folgt verteilt: Der Schuldner führt die laufenden Geschäfte,70) der Sachwalter nimmt diejenigen Aufgaben wahr, die im Interesse der Gläubiger üblicherweise dem Insolvenzverwalter übertragen sind, z. B. die Anfechtung von Rechtshandlungen, die Erfassung und Prüfung von Insolvenzforderungen.71) Diese Grundsätze sind auch maßgebend bei Aufgabenzuweisungen, die nicht ausdrücklich geregelt sind.72)
23
Weisungsbefugnisse und Kontrollrechte der gesellschaftsrechtlichen Organe bestehen in der Eigenverwaltung nicht, wie die Neuregelung des § 276a klarstellt.
24
V. Unterbrechung anhängiger Rechtsstreite Die Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss führt – ebenso wie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Bestellung eines Insolvenzverwalters gemäß § 240 ZPO zur Unterbrechung anhängiger Rechtsstreite.73) Nach der Vorschrift des § 240 ZPO ist maßgebend, ob durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Insolvenzmasse betroffen wird, unerheblich ist dagegen, ob das Verfahren in Eigenverwaltung oder mit einem Insolvenzverwalter durchgeführt wird. Die Unterbrechung ist auch nicht deshalb überflüssig, weil der Schuldner Partei des Rechtsstreits bleibt. Vielmehr ist die Unterbrechung des Rechtsstreits notwendig, weil der Insolvenzschuldner, ebenso wie der Insolvenzverwalter, eine Überlegungsfrist benötigt, um die gesamte Abwicklung des Insolvenzverfahrens ausschließlich
_____________ 68) BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915, dazu EWiR 2004, 499 (Bähr). 69) S. dazu ebenfalls die Ausführungen und Nachweise zu § 270a Rz. 13; Wimmer-Foltis, FKInsO, § 270 Rz. 24; vgl. zu der Differenzierung zwischen dem eigenverwaltenden Schuldner, der über die Insolvenzmasse verfügt, und dem Schuldner, der über sein übriges Vermögen verfügt, auch BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265, dazu EWiR 2014, 17 (Ahrens). 70) Vgl. zur umsatzsteuerlichen Organschaft des Schuldners im Falle der Eigenverwaltung Hessisches FG, Beschl. v. 6.11.2013 – 6 V 2469/12, ZIP 2014, 532, im Anschluss an die Entscheidung des BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773, dazu EWiR 2013, 619 (Onusseit), zur umsatzsteuerlichen Organschaft beim vorläufigen Insolvenzverwalter; vgl. dazu auch die Ausführungen von Paul unter Rz. 29. 71) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270 Rz. 17. 72) Begr. z. § 331 RegE/§ 270 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 520. 73) BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – V ZB 93/06, ZIP 2007, 249, dazu EWiR 2007, 249 (Bähr/ Landry).
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25
§ 270
Voraussetzungen
an den Interessen der Gläubiger auszurichten.74) Auch ausländische Insolvenzverfahren führen zur Unterbrechung nach § 240 ZPO.75) 26
Da der Insolvenzschuldner die Prozessführungsbefugnis behält, ist eine Änderung des Rubrums nicht veranlasst.76) Paul
VI. (Vorläufige) Eigenverwaltung im Steuerrecht Literatur: de Weerth, Umsatzsteuer bei Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände bei Eigenverwaltung, NZI 2013, 922; Hobelsberger, Umsatzsteuerpflicht und -haftung in der vorläufigen Eigenverwaltung, DStR 2013, 2545.
1. 27
2. 28
Allgemeines
Da mit der Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner verbleibt, der Sachwalter also gerade nicht gesetzlicher Vertreter des Schuldners i. S. des §§ 34, 35 AO wird, hat grundsätzlich (weiterhin) der Schuldner seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen.77) Das gilt insbesondere auch für die Steuererklärungspflichten. Hieran ändert es auch nichts, wenn der (vorläufige) Sachwalter die Kassenführung an sich zieht. Es ergibt sich daraus keine Annexkompetenz zur Abgabe von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen, da die Übernahme der Kassenführung lediglich eine interne Maßnahme zwischen Schuldner und Sachwalter darstellt.78) Anwendung des § 55 Abs. 4 auf die vorläufige Eigenverwaltung
Gerichtlich noch ungeklärt ist, ob § 55 Abs. 4 auf ein Verfahren in vorläufiger Eigenverwaltung (§ 270a) mit der Folge anwendbar ist, dass die Steueransprüche mit Verfahrenseröffnung zu Masseverbindlichkeiten erstarken. Der Wortlaut der Vorschrift nährt Zweifel, da im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren gerade kein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt wird und ein etwaiger vorläufiger Sachwalter mit anderen Kompetenzen ausgestattet ist. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm spricht gegen eine analoge Anwendung.79) Um jedoch für die Insolvenzpraxis Rechtssicherheit zu erlangen, wäre ein die Steuerzahlungspflicht im vorläufigen Eigenverfahren regelndes BMF-Schreiben wünschenswert.80)
_____________ 74) BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – V ZB 93/06, ZIP 2007, 249. 75) OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2007 – 16 W 24/07, ZIP 2007, 2287, wonach ein vor einem deutschen Gericht anhängiges Vollstreckbarkeitsverfahren nach Art. 38 ff EuGVVO i. V. m. dem AVAG gemäß § 240 ZPO unterbrochen wird, sofern es sich im Beschwerdeverfahren nach dem AVAG befindet. Ferner BAG, Urt. v. 27.2.2007 – 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047, dazu EWiR 2007, 759 (Mankowski), wonach ein Kündigungsschutzprozess durch einen Antrag des Arbeitgebers nach Chapter 11 des US-Bankruptcy Code unterbrochen ist. 76) BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – V ZB 93/06, ZIP 2007, 249. 77) Kahlert, ZIP 2012, 2089. 78) Tetzlaff in MünchKomm, InsO, § 281 Rz. 17; Kahlert, ZIP 2012, 2089. 79) Hobelsberger, DStR 2013, 2545. 80) Kahlert, ZIP 2012, 2089.
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Paul
§ 270a
Eröffnungsverfahren
3.
Beendigung der Organschaft bei (vorläufiger) Eigenverwaltung
Nachdem der Bundesfinanzhof durch Urteil vom 8.8.2013 entschieden hat, dass schon mit der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters über das Vermögen der Organgesellschaft die umsatzsteuerliche Organschaft endet, stellt sich die Frage, ob auch bei Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung die Organschaft endet. Da der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechungsänderung maßgeblich damit begründete, dass der Organträger seinen Willen bei einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 im Antragsverfahren der Organgesellschaft nicht mehr einseitig durchsetzen kann, wird das im Regelfall auch für die (vorläufige) Eigenverwaltung das Ende der Organschaft bedeuten. Wird nämlich das Recht zur Kassenführung dem (vorläufigen) Sachwalter übertragen, kann der Organträger den Zahlungsverkehr der Organgesellschaft nicht mehr uneingeschränkt steuern. Unabhängig davon ist jeweils zu prüfen, ob nicht bereits das Auswechseln der Geschäftsführung im Vorfeld der geplanten Insolvenz in Eigenverwaltung den Organkreis entfallen lässt.81) 4.
29
Umsatzsteuer bei der Verwertung von Absonderungsgegenständen
Verwertet der Schuldner im eröffneten eigenverwalteten Insolvenzverfahren gemäß § 282 einen mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstand, kommt es – wie im Regelinsolvenzverfahren – zu einem Einfachumsatz, aus dem die Insolvenzmasse die anfallende Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit zu tragen hat. Die Lieferung findet zwischen der Insolvenzmasse und dem Erwerber statt.82) _____________ 81) de Weerth, NZI 2013, 860 (Urteilsanm.). 82) de Weerth, NZI 2013, 922 – dort auch zur Verwertung im Schutzschirmverfahren.
§ 270a Eröffnungsverfahren Graf-Schlicker
(1) 1Ist der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, 1.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder
2.
anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
2 Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind.
(2) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt und die Eigenverwaltung beantragt, sieht das Gericht jedoch die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben an, so hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen. Literatur: Ahrendt/Struck, Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, ZInsO 1999, 450; Brinkmann/Zipperer, Die Eigenverwaltung nach dem ESUG aus Sicht von Wissenschaft und Praxis, ZIP 2011,
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§ 270a
Eröffnungsverfahren
3.
Beendigung der Organschaft bei (vorläufiger) Eigenverwaltung
Nachdem der Bundesfinanzhof durch Urteil vom 8.8.2013 entschieden hat, dass schon mit der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters über das Vermögen der Organgesellschaft die umsatzsteuerliche Organschaft endet, stellt sich die Frage, ob auch bei Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung die Organschaft endet. Da der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechungsänderung maßgeblich damit begründete, dass der Organträger seinen Willen bei einer Anordnung nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 im Antragsverfahren der Organgesellschaft nicht mehr einseitig durchsetzen kann, wird das im Regelfall auch für die (vorläufige) Eigenverwaltung das Ende der Organschaft bedeuten. Wird nämlich das Recht zur Kassenführung dem (vorläufigen) Sachwalter übertragen, kann der Organträger den Zahlungsverkehr der Organgesellschaft nicht mehr uneingeschränkt steuern. Unabhängig davon ist jeweils zu prüfen, ob nicht bereits das Auswechseln der Geschäftsführung im Vorfeld der geplanten Insolvenz in Eigenverwaltung den Organkreis entfallen lässt.81) 4.
29
Umsatzsteuer bei der Verwertung von Absonderungsgegenständen
Verwertet der Schuldner im eröffneten eigenverwalteten Insolvenzverfahren gemäß § 282 einen mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstand, kommt es – wie im Regelinsolvenzverfahren – zu einem Einfachumsatz, aus dem die Insolvenzmasse die anfallende Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit zu tragen hat. Die Lieferung findet zwischen der Insolvenzmasse und dem Erwerber statt.82) _____________ 81) de Weerth, NZI 2013, 860 (Urteilsanm.). 82) de Weerth, NZI 2013, 922 – dort auch zur Verwertung im Schutzschirmverfahren.
§ 270a Eröffnungsverfahren Graf-Schlicker
(1) 1Ist der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, 1.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder
2.
anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
2 Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind.
(2) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt und die Eigenverwaltung beantragt, sieht das Gericht jedoch die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben an, so hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen. Literatur: Ahrendt/Struck, Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, ZInsO 1999, 450; Brinkmann/Zipperer, Die Eigenverwaltung nach dem ESUG aus Sicht von Wissenschaft und Praxis, ZIP 2011,
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§ 270a
Eröffnungsverfahren
1337; Buchalik/Kraus, Endlich Klarheit – Nur der Schuldner darf Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270a InsO begründen!, ZInsO 2012, 2330; Desch, Schutzschirmverfahren nach dem RegE-ESUG in der Praxis, BB 2011, 841; Frind, Wann ist (ein Ratschlag zur) Eigenverwaltung gerechtfertigt?, DB 2014, 165; Frind, Insolvenzgerichtliche Veröffentlichungsnotwendigkeiten bei der vorläufigen Sachwalterschaft, ZIP 2012, 1591; Frind, Die Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eigenverwaltungseröffnungsverfahren, ZInsO 2012, 1099; Frind, Die Praxis fragt, „ESUG“ antwortet nicht, ZInsO 2011, 2249; Fölsing, Die Auswahl des Sachwalters in der Eigenverwaltung, ZInsO 2012, 2272; Geißler, Die Ermächtigung des Schuldners im Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 3 InsO – Systematik und Auswirkungen auf die Insolvenzgeldsicherung, ZInsO 2013, 531; Graf-Schlicker, Die Entwicklung des ESUG und die Fortentwicklung des Insolvenzrechts, ZInsO 2013, 1765; Horstkotte, Öffentliche Bekanntmachung der vorläufigen Sachwalterschaft nach ESUG durch das Insolvenzgericht? ZInsO 2012, 1161; Hölzle, Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren nach ESUG – Herausforderungen für die Praxis, ZIP 2012, 158; Hölzle, Die „erleichterte Sanierung von Unternehmen” in der Nomenklatur der InsO – ein hehres Regelungsziel des RefE-ESUG, NZI 2011, 124; Keller, Bedarf die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO der öffentlichen Bekanntmachung?, ZIP 2012, 1895; Klinck, Die Einzelermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten in den Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren nach §§ 270a und 270b InsO, ZInsO 2014, 365; Klinck, Die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner im Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren, ZIP 2013, 853; Marotzke, Masseschuldbegründungskompetenz des Schuldners im eigenverwalteten Insolvenzeröffnungsverfahren, DB 2013, 1283; Nöll, Masseschuldbegründung durch den Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO – Schutzschirm zum Nulltarif?, ZInsO 2013, 745; Oppermann/Smid, Ermächtigung des Schuldners zur Aufnahme eines Massekredits zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes im Verfahren nach § 270a InsO, ZInsO 2012, 862; Pape, Entwicklungstendenzen bei der Eigenverwaltung, ZIP 2013, 2285; Pape, Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, ZAP 2012, Fach 14, S. 629; Pape, Die Eigenverwaltung des Schuldners nach der Insolvenzordnung, in Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 895; Pleister/Tholen, Zur Befugnis des Schuldners oder des vorläufigen Sachwalters zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren, ZIP 2013, 526; Prütting/Stickelbrock, Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters – aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung – zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625; Seidl, Dailycer: Wer schützt das Insolvenzverfahren vor dem Richter?, ZInsO 2012, 2285; Undritz, Ermächtigung und Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten beim Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung, BB 2012, 1551; Vallender, Die Eigenverwaltung im neuen Gewand, GmbHR 2012, 445. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... II. Bestellung eines vorläufigen Sachwalters ........................................... 1. Fehlende offensichtliche Aussichtslosigkeit der Eigenverwaltung ............. 2. Auswahl des vorläufigen Sachwalters .................................................... 3. Öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters .................................................... III. Wirkungen der Bestellung .................. 1. Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters ............................................
1276
1 4 4 5 8 9 9
2. 3.
Rechtsstellung des Schuldners ............ 13 Begründung von Masseverbindlichkeiten ...................................... 14 a) Rechtliche Grundlage ................. 16 b) Adressat der gerichtlichen Ermächtigung ............................... 19 c) Global- oder/und Einzelermächtigung? ................................. 20 d) Zustimmung des Sachwalters? .... 23 e) Rechtsmittel ................................. 25 4. Insolvenzgeldvorfinanzierung ............ 27 IV. Rücknahmemöglichkeit des Insolvenzantrags ................................ 28
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§ 270a
Eröffnungsverfahren
I.
Normzweck und -inhalt
Spezielle Regelungen für die Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren waren in der InsO bisher nicht enthalten. Gerade in diesem Verfahrensabschnitt werden jedoch Weichen stellende Entscheidungen für die Sanierung eines insolventen Unternehmens getroffen. Absatz 1 soll daher diese gesetzliche Lücke schließen. Die Norm ermöglicht dem Schuldner im Eröffnungsverfahren seine Verfügungsbefugnis unter der Aufsicht eines Sachwalters zu belassen, um zu verhindern, dass durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren konterkariert wird. Durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters in dieser Phase des Verfahrens, die notwendigerweise mit dem Entzug von Rechten des Schuldners verbunden ist, sind unerwünschte Effekte möglich: Zum einen kann der befürchtete Kontrollverlust der Geschäftsleitung den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung negativ beeinflussen, zum anderen kann das Vertrauen der Geschäftspartner in die Geschäftsleitung und die Sanierungskompetenz des Schuldners beeinträchtigt werden.1)
1
Nach Absatz 1 ist das Gericht daher verpflichtet, von umfassenden Verfügungsbeschränkungen des Schuldners abzusehen, sofern sein Antrag auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Anstelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters hat das Gericht einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen, der in erster Linie eine Aufsichtsfunktion gegenüber dem Schuldner hat.
2
Die Regelung in Absatz 2 soll für den Schuldner einen Anreiz zu einer frühzeitigen Insolvenzantragstellung setzen. Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit beantragt und mit einem Eigenverwaltungsantrag verbunden, hat das Gericht dem Schuldner Bedenken gegen eine Anordnung der Eigenverwaltung mitzuteilen, um ihm eine Antragsrücknahme zu ermöglichen.
3
II. Bestellung eines vorläufigen Sachwalters 1.
Fehlende offensichtliche Aussichtslosigkeit der Eigenverwaltung
Voraussetzung für die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters ist zunächst, dass der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen stellt und die Anordnung der Eigenverwaltung beantragt. Die Norm setzt weiter voraus, dass dieser Antrag nicht offensichtlich aussichtslos ist. In diesem Rahmen hat das Gericht – wegen der Eilbedürftigkeit der Maßnahme – die Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 Nr. 2 (vgl. dazu grundsätzlich § 270 Rz. 10) lediglich kursorisch zu prüfen. Liegen Nachteile der Gläubiger bei einer Anordnung der Eigenverwaltung nicht auf der Hand,2) hat das Insolvenzgericht auf die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und sonstige Verfügungsbeschränkungen für den Schuldner zu verzichten. Stattdessen hat es einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen. _____________ 1) 2)
BT-Drucks. 17/5712, S. 39. So auch AG Mannheim, Beschl. v. 21.2.2014 – 4 IN 115/14, ZIP 2014, 484; Pape, ZAP 2012, Fach 14, S. 629, 645 der formuliert, der Antrag dürfe nicht „auf den ersten Blick“ aussichtslos sein. Anders Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260, der die Frage sachverständig klären will.
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4
§ 270a 2.
Eröffnungsverfahren
Auswahl des vorläufigen Sachwalters
5
Für die Auswahl des vorläufigen Sachwalters sind gemäß Absatz 1 Satz 2 und § 274 Abs. 1 die §§ 56, 56a maßgebend. Der vorläufige Sachwalter muss also eine für den konkreten Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige Person sein, die von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig ist.3) Deren Vorschlag zur Person des vorläufigen Sachwalters beeinträchtigt dessen Unabhängigkeit noch nicht, ebenso wenig eine allgemeine Beratung des vorläufigen Sachwalters über die Abwicklung eines Insolvenzverfahrens im Vorfeld des Insolvenzantrags (Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 274 Abs. 1, 56 Abs. 1 Satz 3). Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss nach §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a bestellt, hat das Insolvenzgericht ihn vorher anzuhören. Schlägt dieses Gremium einstimmig eine bestimmte Person, die zur Übernahme des Amtes nicht ungeeignet ist, vor, hat das Gericht diese zum vorläufigen Sachwalter zu bestellen. Sind einstimmig mehrere geeignete Personen benannt, hat das Gericht den vorläufigen Sachwalter aus diesem Kreise auszuwählen. Mehrheitlich gefasste Beschlüsse (§ 72) des vorläufigen Gläubigerausschusses zum Anforderungsprofil oder zu in Betracht kommenden Personen hat das Gericht in seine Auswahlentscheidung einzubeziehen (vgl. im Einzelnen §§ 56, 56a Rz. 47 – 54).
6
Ist die Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses ausnahmsweise wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters unterblieben, kann er gemäß Absatz 1 Satz 2 i. V. m. §§ 274 Abs. 1, 56a Abs. 3 in seiner ersten Sitzung eine andere Person als die bestellte zum vorläufigen Sachwalter wählen. Vor einer Bestellung dieser Person zum vorläufigen Sachwalter obliegt es dem Gericht in analoger Anwendung des § 57 Satz 3 jedoch, zu prüfen, ob sie für die Übernahme des Amtes ungeeignet ist (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen zu §§ 56, 56a Rz. 60). In diesem Fall kann das Insolvenzgericht die Bestellung der vom vorläufigen Gläubigerausschuss bestimmten Person versagen und eine andere Person zum vorläufigen Sachwalter ernennen. Die Gründe für die Abweichung von dem einstimmigen Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses hat der Insolvenzrichter – ohne Namensnennung der vorgeschlagenen Person – im Bestellungsbeschluss darzulegen (Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 274 Abs. 1, 27 Abs. 2 Nr. 5).
7
Ein Rechtsmittel gegen die Versagung der Bestellung ist nicht möglich (§ 6). Wegen des dort festgelegten Enumerationsprinzips kommt eine analoge Anwendung des § 57 Satz 4 schon mangels Regelungslücke nicht in Betracht. 3.
8
Öffentliche Bekanntmachung der Bestellung des vorläufigen Sachwalters
Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung zur Veröffentlichung der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters im eigenverwaltenden Eröffnungsverfahren ist _____________ 3)
AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 1875, hat – insoweit zu Recht – angenommen, dass die Unabhängigkeit des vorgeschlagenen Sachwalters fehlt, wenn zwischen dem Sanierungsberater-Geschäftsführer der eigenverwaltenden Schuldnerin und dem Vorgeschlagenen eine umfangreiche frühere Geschäftsverbindung besteht, sie insbesondere gemeinsam mehrere Unternehmenssanierungen durchgeführt haben, dazu EWiR 2012, 729 (Hofmann) und EWiR 2012, 705 (Schulte-Kaubrügger); Hinkel, jurisPR-HaGesR 11/2012 Anm. 2; abl. Seidl, ZInsO 2012, 2285; vgl. auch Fölsing, ZInsO 2012, 2272.
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Graf-Schlicker
§ 270a
Eröffnungsverfahren
in der InsO nicht vorgesehen. Eine Pflicht zur Veröffentlichung nach § 23 besteht nur, wenn das Gericht dem Schuldner Verfügungsbeschränkungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 auferlegt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt ist. Auf Verfügungsbeschränkungen aber soll das Gericht gemäß § 270a Abs. 1 Satz 1 gerade verzichten. Daraus kann jedoch nicht hergeleitet werden, dass eine Veröffentlichung im Hinblick auf das Recht auf informelle Selbstbestimmung des Schuldners prinzipiell ausgeschlossen ist.4) Das Insolvenzgericht hat gemäß §§ 270a Abs. 1, 270 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 1 Satz 1 (siehe dazu näher Rz. 16) alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um nachteilige Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Dazu gehört – wenn dies angezeigt ist – auch eine Benachrichtigung des Rechtsverkehrs i. R. einer öffentlichen Bekanntmachung nach § 9. Dabei hat das Insolvenzgericht im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen zwischen den Interessen der Gläubiger an einer frühzeitigen Information und dem Interesse des Schuldners auf Achtung seines Persönlichkeitsrechts.5) III. Wirkungen der Bestellung 1.
Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters
Für die Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters gelten gemäß Absatz 2 die Normen betreffend den Sachwalter im eröffneten Verfahren (§§ 274, 275). Ihm obliegen Überwachungs-, Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten, um masseschädigende Handlungen durch den Schuldner in dieser Verfahrensphase zu verhindern. Eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Gericht besteht auch, wenn dem Sachwalter Umstände bekannt werden, die Nachteile der Gläubiger bei einer späteren Anordnung der Eigenverwaltung auslösen.6) Der Sachwalter hat daher laufend die wirtschaftliche Lage und die Geschäftsführung des Schuldners zu überwachen und darauf zu achten, dass dieser nur die Kosten für eine bescheidene Lebensführung der Insolvenzmasse entnimmt (§§ 274 Abs. 2, 278). Dazu hat der Schuldner ihm alle notwendigen Informationen zu erteilen (Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 274 Abs. 2 Satz 2, 22 Abs. 3). Die mögliche zwangsweise Durchsetzung dieser Pflichten dürfte im Eröffnungsverfahren kaum praktisch werden, weil sie die Anordnungsvoraussetzungen für die Eigenverwaltung infrage stellt und Anlass für die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters geben könnte. Jedenfalls löst sie eine Mitteilungspflicht des vorläufigen Sachwalters an einen eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschuss oder die Anmeldegläubiger und absonderungsberechtigten Gläubiger aus, die zu informieren sind, wenn Nachteile für die Masse drohen. Diese Verpflichtung trifft den vorläufigen Sachwalter auch gegenüber dem Insolvenzgericht, damit dieses ggfs. Sicherungsmaßnahmen ergreifen kann (Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1).
9
Will der Schuldner Verbindlichkeiten begründen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, hat der vorläufige Sachwalter dem Rechtsgeschäft vorher
10
_____________ 4) 5)
6)
So aber Horstkotte, ZInsO 2012, 1161; Keller, ZIP 2012, 1895. Im Ergebnis ebenso: AG Göttingen, Beschl. v. 12.11.2012 – 74 IN 160/12, ZIP 2012, 2360; Graf-Schlicker, ZInsO 2013, 1765; für eine uneingeschränkte Veröffentlichung: Frind, ZInsO 2012, 1099, 1106; Frind, ZIP 2012, 1591; Frind, DB 2014, 165, 166. AG Charlottenburg, Beschl. v. 20.6.2013 – 36s IN 2196/13, ZInsO 2013, 2501, mit Anm. Haarmeyer, ZInsO 2013, 2504.
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Eröffnungsverfahren
zuzustimmen, für gewöhnliche Geschäfte hat er ein Widerspruchsrecht (Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 275 Abs. 1). Verstöße gegen diese Regelungen berühren – bis zur Grenze des sittenwidrigen Zusammenwirkens zwischen Schuldner und Vertragspartner – das Außenverhältnis jedoch nicht. Von der Befugnis zur Kassenführung nach Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 275 Abs. 2 sollte der vorläufige Sachwalter mit Augenmaß Gebrauch machen,7) um zu verhindern, dass dadurch nicht berechtigtes Misstrauen in die Geschäftsführungs- und Sanierungsfähigkeit des Schuldners bei den Gläubigern begründet wird. 11
Die Haftung des vorläufigen Sachwalters richtet sich nach Absatz 1 Satz 2 i. V. m. §§ 274 Abs. 1, 60; er hat gegenüber sämtlichen Beteiligten für eine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten, die ihm die InsO auferlegt, einzustehen (§ 60 Abs. 1 Satz 1). Haftungsmaßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften vorläufigen Sachwalters (§ 60 Abs. 1 Satz 2).
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Hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Sachwalters trifft das Gesetz keine eigenständigen Regelungen, sondern verweist gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1 auf die allgemeinen Regelungen der §§ 63 – 65 InsO; §§ 11, 12 InsVV. Der vorläufige Sachwalter kann weder mit dem Sachwalter aus dem eröffneten Verfahren (§ 12 InsVV) noch mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 11 InsVV) gleichgestellt werden. Ansatzpunkt für seine Vergütung ist aber diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters, der in der Regel 25 % der Vergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV erhält (§ 63 Abs. 3).8) Da der Aufgabenbereich des vorläufigen Sachwalters jedoch geringer ist als derjenige des vorläufigen Insolvenzverwalters, kann die Vorschrift nicht entsprechend auf den vorläufigen Sachwalter angewandt werden.9) In Anlehnung an die Regelungen der §§ 12, 11 InsVV sollte die Vergütung für den vorläufigen Sachwalter auf 25 % des Vergütungssatzes des Sachwalters reduziert werden, also 15 % der Vergütung des Insolvenzverwalters betragen.10) Berechnungsgrundlage ist das Vermögen, auf das sich die Tätigkeit des vorläufigen Sachwalters während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erstreckt hat. Individuellen Besonderheiten des Verfahrens kann durch die Gewährung von Zuschlägen Rechnung getragen werden. _____________ 7) I. E. ebenso Pape, ZAP Fach 14, S. 629, 645. 8) Die Vorschrift ist durch Art. 12 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 eingefügt worden, BGBl. I, 2379. Sie ist am Tag nach der Verkündung des Gesetzes am 19.7.2013 in Kraft getreten (Art. 9 des Gesetzes). 9) Vgl. aber AG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2013 – 67g IN 419/12, ZIP 2014, 237, dazu EWiR 2014, 155 (Hofmann) das in Verfahren, die zeitnah nach Eröffnung durch einen Insolvenzplan abgeschlossen werden, insbesondere Schutzschirmverfahren, 60 % der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung für angemessen hält. 10) AG Essen, Beschl. v. 17.1.2014 – 164 IN 135/13, ZIP 2014, 893; AG Köln, Beschl. v. 13.11.2012 – 71 IN 109/12, ZIP 2013, 426; LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13, ZIP 2014, 694; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270a Rz. 32; a. A. AG Göttingen, Beschl. v. 28.11.2012 – 74 IN 160/12, ZIP 2013, 36, das einen Abschlag gegenüber dem endgültigen Sachwalter verneint; ebenso AG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2013 – 67g IN 419/12, ZIP 2014, 237, allerdings zum vorläufigen Sachwalter im „Schutzschirmverfahren“ nach § 270b, weil dieser den Zahlungsverkehr zu überwachen und die Liquiditätsplanung des Schuldners zu überprüfen habe.
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Eröffnungsverfahren
2.
Rechtsstellung des Schuldners
Für das eröffnete Verfahren wird kontrovers diskutiert,11) wie die Rechtsstellung des Schuldners dogmatisch einzuordnen ist. Zum Teil wird angenommen, dass der Schuldner seine privatautonome Rechtsmacht, die er vor Einleitung des Insolvenzverfahrens hatte, mit Einschränkungen behält. Nach zutreffender, mittlerweile h. M., handelt der Schuldner – wie sich aus dem Wortlaut des § 270 Abs. 1 herleiten lässt – nicht mehr kraft eigener Privatautonomie, sondern als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“.12) Diese rechtliche Einordnung gilt allerdings nicht für das Eröffnungsverfahren. Der Schuldner erhält nach § 270 Abs. 1 im Falle der Eigenverwaltung erst mit der Eröffnung des Verfahrens Befugnisse, die dem Insolvenzverwalter in einem Verfahren ohne Eigenverwaltung zustehen (§ 80). Bis zu diesem Zeitpunkt steht ihm die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über sein Vermögen zu, es sei denn, das Gericht beschränkt diese umfassend durch Bestellung eines „starken vorläufigen Insolvenzverwalters“ (§ 22 Abs. 1) oder durch einzelne Maßnahmen für den vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis (§§ 21, 22 Abs. 2). § 270a Abs. 1 Satz 1 regelt explizit, dass das Gericht auf solche Maßnahmen verzichten soll. Dem Schuldner werden durch die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters also keine insolvenzspezifischen Rechte zugewiesen, er behält grundsätzlich seine privatautonome Verfügungsmacht – ggf. determiniert durch einzelne Ermächtigungen des Insolvenzgerichts. Anders als im eröffneten Verfahren handelt er daher nicht als „Amtswalter in eigenen Angelegenheiten“. 3.
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Begründung von Masseverbindlichkeiten
Die Weiterführung eines Unternehmens erfordert regelmäßig das Eingehen neuer Verbindlichkeiten, z. B. zur Abdeckung der gewöhnlichen Betriebskosten (Miete, Strom, Heizung, Wasser, Telekommunikation), aber auch zum Erwerb von Produktionsmitteln. Dafür ist die Bereitschaft der Geschäftspartner erforderlich, trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners Vertragsbeziehungen mit dem Unternehmen einzugehen oder fortzusetzen. Diese Bereitschaft fördert § 55 Abs. 2, der die vom „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter" (§ 22 Abs. 1) im Eröffnungsverfahren begründeten Verbindlichkeiten zu Masseverbindlichkeiten bestimmt,13) die vorweg zu befriedigen sind (§ 53). Für den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 22 Abs. 2) hat die Rechtsprechung14) anerkannt, dass seine Pflichten und damit auch seine Befugnisse15) durch Einzelermächtigung des Insolvenzgerichts gemäß §§ 22 Abs. 2 Satz 1, 21 Abs. 1 Satz 1 bestimmt werden können. Das Insolvenzgericht kann nach dieser Vorschrift _____________ 11) Vgl. dazu Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 27, 28. 12) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 69; Gottwald-Haas, InsR-Hdb., § 89 Rz. 1; Pape in: Kölner Schrift, S. 895 ff Rz. 40. 13) BT-Drucks. 12/2443 zu § 64. 14) Grundlegend BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625, dazu EWiR 2002, 919 (Spliedt); fortgeschrieben mit BGH, Beschl. v. 16.6.2005 – IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04 ZIP 2007, 438, dazu EWiR 2007, 209 (Flitsch). 15) Krit., aber i. E. bejahend zur Anwendung der Norm auf Befugnisse des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters, Prütting/Stickelbrock, ZIP 2002, 1625.
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Eröffnungsverfahren
daher den „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zulasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen,16) um durch eine Sanierung des insolventen Unternehmens die Befriedigungsaussichten für die Gläubiger zu erhöhen. 15
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Schuldner im eigenverwalteten Insolvenzeröffnungsverfahren Verbindlichkeiten begründen kann, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten darstellen, gehört zu den am meisten diskutierten Problemkreisen nach Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG).17) Streitig diskutiert werden in diesem Zusammenhang insbesondere: die grundsätzliche Möglichkeit zur Begründung von Masseverbindlichkeiten i. R. von § 270a,18) die Rechtsgrundlage für die Massebegründungskompetenz, die befugte Person (Schuldner oder Sachwalter), Global- und/oder Einzelermächtigung sowie die Notwendigkeit der Zustimmung des Sachwalters. a) Rechtliche Grundlage
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Im eigenverwalteten Insolvenzeröffnungsverfahren behält der Schuldner grundsätzlich seine privatautonome Verfügungsmacht (siehe dazu im Einzelnen Rz. 13). Spezielle insolvenzrechtliche Befugnisse, also auch die Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten, stehen ihm in diesem Verfahrensabschnitt noch nicht ohne weiteres zu, vielmehr bedarf er hierzu einer gesonderten Ermächtigung durch das Insolvenzgericht.19) Die rechtliche Grundlage für das Gericht, den _____________ 16) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625, dazu EWiR 2002, 919 (Spliedt); BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438, dazu EWiR 2007, 209 (Flitsch); BGH, Urt. v. 15.3.2012 – IX ZR 249/09, ZIP 2012, 737, dazu EWiR 2012, 459 (J. S. Schröder). 17) Grundlegend dazu: Marotzke, DB 2013, 1283; Klinck, ZIP, 853, 859; Klinck, ZInsO 2014, 365; Undritz, BB 2012, 1551 ff, jeweils m. w. N. 18) Ablehnend AG Fulda, Beschl. v. 28.3.2012 – 91 IN 9/12, ZIP 2012, 1471; bestätigt von LG Fulda, Beschl. v. 10.4.2012 – 5 T 65/12, n. v.; Nöll, ZInsO 2013, 745 ff, krit. dazu Pape, ZInsO 2013, 2129, 2134. Dagegen kann aus der Entscheidung des BGH v. 7.2.2013 – IX ZB 43/12, ZIP 2013, 525, dazu EWiR 2013, 253 (Siemon), nicht geschlossen werden, dass die Begründung von Masseverbindlichkeiten i. R. des § 270a nicht zulässig ist. In dem Beschluss, in dem es um die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ging, stellt der BGH lediglich fest, dass eine Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten in § 270a dem Wortlaut nach nicht vorgesehen sei. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die allgemeinen Regelungen nicht zur Anwendung kommen und der BGH eine Einzelermächtigung des Schuldners durch das Insolvenzgericht, Masseverbindlichkeiten zu begründen, für unzulässig hält. So auch Vallender, Anm. zu dieser Entscheidung, NZI 2013, 342; Graf-Schlicker, ZInsO 2013, 1765, 1766; Pape, ZIP 2013, 2285; Klinck, ZIP 2013, 853, 860; a. A. wohl Pleister/Tholen, ZIP 2013, 526; Geißler, ZInsO 2013, 531. 19) Klinck, ZInsO 2014, 365; Marotzke, DB 2013, 1283; Klinck, ZIP 2013, 853, 858 f; a. A. Frind, ZInsO 2012, 1099, 1101 f, der gemäß §§ 270a, 275 den Schuldner als befugt ansieht, Masseverbindlichkeiten zu begründen, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, bei anderen Geschäften hat der Sachwalter zuzustimmen. Auch Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862, sehen §§ 270a, 275 InsO als Rechtsgrundlage für eine Massebegründungskompetenz des Schuldners, die mit Zustimmung des Sachwalters zu erfolgen hat. Das Insolvenzgericht kann dies in einem Beschluss klarstellen. Alternativ schlagen sie vor, dass der vorläufige Sachwalter gemäß §§ 270a, 275, 22 Abs. 2 vom Insolvenzgericht zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt wird.
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§ 270a
Eröffnungsverfahren
eigenverwaltenden Schuldner im Eröffnungsverfahren zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigen zu können, bildet § 21 Abs. 1 Satz 1, der auch im Verfahren nach § 270a Anwendung findet.20) Auf das Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung sind gemäß §§ 270a Abs. 1, 270 Abs. 1 Satz 2 die allgemeinen Vorschriften anwendbar, soweit keine anderweitige Regelung getroffen ist. Zu den allgemeinen Vorschriften zählt – wie sich aus § 270a Abs. 1 herleiten lässt, der die grundsätzliche Anwendung des § 21 in diesem Verfahrensabschnitt unterstellt, jedoch Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ausschließt21) – auch § 21 Abs. 1 Satz 1. Danach ist das Insolvenzgericht befugt, alle Maßnahmen zu treffen, um nachteilige Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Zur Weiterführung des Unternehmens und um eine Grundlage für eine Sanierung zu schaffen, gehört zu diesen Maßnahmen auch die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren.22) Eine anderweitige Regelung i. S. der §§ 270a Abs. 1, 270 Abs. 1 Satz 2 zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Verfahren nach § 270a ist nicht in § 270b Abs. 3 zu sehen. Diese Norm ordnet ausschließlich für das „Schutzschirmverfahren“ an, dass das Insolvenzgericht den Schuldner auf seinen Antrag hin zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen hat. Daraus kann aber keine Sperrwirkung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im eigenverwaltenden Eröffnungsverfahren außerhalb des „Schutzschirmverfahrens“ hergeleitet werden. Vielmehr lässt diese Norm allenfalls den Schluss zu, dass das Insolvenzgericht außerhalb des „Schutzschirmverfahrens“ nicht verpflichtet ist, ohne Ermessensprüfung den Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen.23)
_____________ 20) A. A. Frind, ZInsO 2012, 1099, 1101 f; Frind, DB 2014, 165, 168, allerdings erweiternd mit der Ansicht, dass Insolvenzgericht solle zumindest „deklaratorische“ Beschlüsse zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erlassen; Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862 und Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270a Rz. 27, die in §§ 270a, 275 das originäre Massebegründungsrecht des Schuldners sehen, somit keine Einzelermächtigung für notwendig erachten. 21) Undritz, BB 2012, 1551, 1553. 22) I. E. wie hier: LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453, zust. Buchalik/Kraus, ZInsO 2012, 2330 und Hinkel, jurisPR-HaGesR 2/2013 Anm. 3; AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470, dazu Cranshaw, jurisPRHaGesR 12/2012 Anm. 3; Cranshaw, jurisPR-InsR 6/2013 Anm. 3; AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788, dazu EWiR 2012, 359 (Hofmann) und Smid, jurisPR-InsR 12/2012 Anm. 6; Marotzke, DB 2013, 1283; Klinck, ZIP 2013, 853, 859 f; Klinck, ZInsO 2014, 365 ff; Undritz, BB 2012, 1551, 1552 f; a. A.: AG Montabaur, Beschl. v. 27.12.2012 – 14 IN 282/12, ZIP 2013, 899 (Schuldner ist ohne gerichtliche Ermächtigung befugt, Masseverbindlichkeiten zu begründen, dabei kommt dem Sachwalter eine Überwachungsfunktion zu), abl. dazu Pape, ZIP 2013, 2285, 2292; AG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12, ZIP 2012, 787 (Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nur für vorläufigen Sachwalter), abl. dazu EWiR 2012, 361 (Zipperer); Frind, ZInsO 2012, 1099, 1101 f und Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862 (Rechtsgrundlage §§ 270a, 275). 23) Klinck, ZIP 2013, 853, 859; Hofmann in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 103 f; Undritz, BB 2012, 1551, 1552.
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§ 270a 18
Eröffnungsverfahren
Die Vorschrift des § 270b Abs. 3 ist auch nicht analog auf das Eröffnungsverfahren nach § 270a anzuwenden.24) Schon eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat – wie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist25) – die Frage der Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren gesehen, jedoch nur eine ausdrückliche Regelung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten beim Schutzschirmverfahren für notwendig gehalten.26) Dieses Verfahren weist gegenüber dem „normalen“ Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren eine Reihe von Besonderheiten auf, es wird daher als eine besondere „Spielart des Eröffnungsverfahrens“27) bezeichnet. Deshalb ist auch die für eine analoge Anwendung notwendige vergleichbare Interessenlage nicht gegeben. Im „Schutzschirmverfahren“ wird der vorläufige Sachwalter – sofern er nicht ungeeignet ist – verbindlich vom Schuldner vorgeschlagen, die Befugnisse des Gerichts zur Anordnung vorläufiger Maßnahmen nach § 21 gelten nicht ausnahmslos, sondern sind in § 270b Abs. 2 eingeschränkt und modifiziert worden. Liegen die Voraussetzungen für einen „Schutzschirmantrag“ vor, hat das Gericht diesem Antrag stattzugeben, ein Entscheidungsermessen steht ihm nicht zu.28) Diese Besonderheiten des „Schutzschirmverfahrens“ mit den weitreichenden Befugnissen des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ohne gerichtliches Ermessen sind nur deshalb gerechtfertigt, weil der Schuldner sich zu einem Zeitpunkt unter den Schutz des Insolvenzverfahrens begibt, in dem noch keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt und die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.29)
_____________ 24) A. A. Andres, Anm. zum Urt. des LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453, der § 270b analog anwenden will. Das Vorliegen einer Regelungslücke und die Vergleichbarkeit der Sachverhalte begründet er allerdings nicht näher und geht insbesondere nicht auf den unterschiedlichen Regelungsgehalt der § 270a und § 270b ein. Ebenso Pape, ZIP 2013, 2285, 2292, der die analoge Anwendung des § 270b als den „einzigen Weg“ bezeichnet, um dem Schuldner die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit im Eröffnungsverfahren zu erhalten. 25) BT-Drucks. 17/7511, S. 20, 37. Vgl. zur Regelungsgeschichte des § 270b Abs. 3 auch den Bericht über das 3. Handelsblatt Symposium Insolvenzrecht 2011 in: INDAT-Report Ausgabe 7/2011, S. 37; Marotzke, DB 2013, 1283, 1285 m. w. N. zum „Berliner Trilog“ am 4.5.2011. 26) Zu Recht weist Marotzke, DB 2013, 1283 darauf hin, dass sich die Frage der Massebegründungskompetenz durch den Schuldner nicht erst seit dem ESUG stellt, sondern bereits kurz nach Inkrafttreten der InsO im Sommer 1999 diskutiert und dazu eine Rechtsgrundlage aufgezeigt wurde, vgl. dazu Ahrendt/Stuck, ZInsO 1999, 450 ff; Schlegel, Eigenverwaltung, S. 58; ebenso Klinck, ZIP 2013, 853, 862. 27) So Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 25. 28) BT-Drucks. 17/7511, S. 20, 37; LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13, ZIP 2013, 2116; Marotzke, DB 2013, 1283, 1285, 1286; Klinck, ZInsO 2014, 365 Fn. 5 m. w. N. 29) BT-Drucks. 17/7511, S. 3, 37.
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§ 270a
Eröffnungsverfahren
b) Adressat der gerichtlichen Ermächtigung Das Insolvenzgericht kann die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nur dem Schuldner, nicht dem vorläufigen Sachwalter erteilen.30) Dessen Aufgabenbereich beschränkt sich auf die Aufsicht, die Mitwirkung an Rechtshandlungen und auf Mitteilungspflichten, ein eigenes Verfügungsrecht steht ihm – selbst im eröffneten Verfahren – nicht zu. Der Gesetzgeber wollte den vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren nicht mit mehr Kompetenzen ausstatten als den Sachwalter im eröffneten Verfahren.31)
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c) Global- oder/und Einzelermächtigung? Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 kann das Gericht umfassend alle Maßnahmen treffen, die eine nachteilige Veränderung des schuldnerischen Vermögens verhindern. Ist zur Sicherung diese Vermögens oder zur Aufrecherhaltung des Geschäftsbetriebs im Eröffnungsverfahren die Begründung von Masseverbindlichkeiten erforderlich, weil ansonsten z. B. notwendige Materiallieferungen nicht erfolgen, kann das Insolvenzgericht den Schuldner, sofern er dies beantragt, dazu ermächtigen. Die Norm ist weit gefasst und räumt dem Gericht – bis zur Grenze der Notwendigkeit – grundsätzlich auch die Möglichkeit zu einer Globalermächtigung ein.32)
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Fraglich ist, ob die insoweit einschränkende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Begründung der Masseverbindlichkeit durch den vorläufigen „schwachen“ Verwalter auch in diesem Zusammenhang Beachtung finden sollte. Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 200233) ist eine pauschale gerichtliche Ermächtigung des vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters „mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln“,34) nach § 22 Abs. 2 Satz 1 unzulässig und führt deshalb auch nicht zu der Rechtsfolge des § 55 Abs. 2, also zur Begründung von Masseverbindlichkeiten. Vielmehr hat das Insolvenzgericht in diesem Fall nach §§ 22 Abs. 2 Satz 1, 21 Abs. 1 Satz 1 selbst die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens zu treffen.35) Es ist – zum Schutz der Verfahrensbeteiligten sowie aus Gründen der Rechtsklarheit – allein befugt, den vorläufigen Insolvenzverwalter durch eine inhaltlich bestimmte gerichtliche Anordnung dazu ermächtigen, „einzelne, im Voraus genau
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_____________ 30) LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453, zust. Buchalik/Kraus, ZInsO 2012, 2330 und Hinkel, jurisPR-HaGesR 2/2013 Anm. 3; AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470, dazu EWiR 2012, 495 (Vallender), dazu Cranshaw, jurisPR-HaGesR 12/2012 Anm. 3; Cranshaw, jurisPR-InsR 6/2013 Anm. 3; AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788, dazu EWiR 2012, 359 (Hofmann); Klinck, ZIP 2013, 853, 860; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292; Vallender, GmbHR 2011, 445, 448; a. A. AG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2012 – 67g IN 74/12, ZIP 2012, 787 – Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nur für vorläufigen Sachwalter; abl. dazu EWiR 2012, 361 (Zipperer). 31) BT-Drucks. 17/7511, S. 37. 32) Klinck, ZIP 2013, 853, 860; Marotzke, DB 2013, 1283, 1289; Hofmann in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 103; a. A. wohl Undritz, BB 2013, 1551, 1553. 33) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625. 34) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625. 35) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625.
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§ 270a
Eröffnungsverfahren
festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen“, soweit dies für eine erfolgreiche Verwaltung nötig ist.36) 22
Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht ohne weiteres auf das Verfahren nach § 270a übertragbar. Kernpunkt der Entscheidung ist die Abgrenzung der Befugnisse zwischen dem „starken“ und dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter; in beiden Fällen beschränkt das Gericht – in unterschiedlichem Umfang – die Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Schuldners schon im Eröffnungsverfahren. Im Verfahren nach § 270a aber hat das Gericht dem Schuldner – nachdem geprüft worden ist, ob keine Umstände bekannt sind, die zu Nachteilen für die Gläubiger führen können – gerade die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu belassen. Bei der Masseschuldbegründungskompetenz i. R. des § 270a geht es nicht darum, die Verfügungsmöglichkeiten des Schuldners einzuschränken, sondern ihn bereits in dieser Phase mit besonderen insolvenzrechtlichen Befugnissen auszustatten, um Insolvenzforderungen zu Masseverbindlichkeiten hinaufzustufen. Die Ausstattung mit dieser Befugnis ist nur insoweit zulässig als sie notwendig ist, um eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Das Gericht hat daher genau zu prüfen, welche konkreten Maßnahmen dazu erforderlich sind, also welche Verbindlichkeiten in den Rang der Masseverbindlichkeit erhoben werden müssen, um Nachteile für das schuldnerische Vermögen zu vermeiden. Aus diesem Grundsatz der Erforderlichkeit der Maßnahme ergibt sich bereits, dass das Gericht in der Regel keine Globalermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten aussprechen darf, sondern i. R. seines pflichtgemäßen Ermessens den Schuldner nur ermächtigen kann, bestimmte Verbindlichkeiten oder Arten von Verbindlichkeiten einzugehen, die im eröffneten Verfahren zu Masseverbindlichkeiten werden. Diese Verbindlichkeiten sind aus Gründen der Rechtsklarheit genau zu bezeichnen.37) d) Zustimmung des Sachwalters?
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Die Frage, ob die Begründung von Masseverbindlichkeiten an die Zustimmung des Sachverwalters geknüpft werden kann oder sollte, wird ebenfalls uneinheitlich beantwortet.38) Die Antwort ist zunächst eng verknüpft mit der Ausgestaltung der Ermächtigung des Insolvenzgerichts zur Masseschuldbegründungskompetenz des Schuldners. Ist die Ermächtigung des Gerichts hinreichend konkret, sind also die Verbindlichkeiten in dem Beschluss genau bezeichnet, ist es – selbst unter dem Gesichtspunkt, eine Masseminderung für alle Gläubiger verhindern zu wollen39) – nicht erforderlich, neben einer solchen gerichtlichen Ermächtigung auch noch die _____________ 36) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625. 37) I. E. wie hier: LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453, zust. Buchalik/Kraus, ZInsO 2012, 2330 und Hinkel, jurisPR-HaGesR 2/2013 Anm. 3; AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470, dazu Cranshaw, jurisPRHaGesR 12/2012 Anm. 3; Cranshaw, jurisPR-InsR 6/2013 Anm. 3; AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788, dazu EWiR 2012, 359 (Hofmann) und Smid, jurisPR-InsR 12/2012 Anm. 6; Klinck, ZIP 2013, 853, 859 f; Klinck, ZInsO 2014, 365 ff; Undritz, BB 2013, 1551, 1553. 38) Gegen eine Zustimmung: Undritz, BB 2012, 1551, 1555; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270a Rz. 6. Für eine Zustimmung: Hofmann in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 110, 94; Marotzke, DB 2013, 1283, 1289; Klinck, ZIP 2013, 853, 861. 39) Hofmann in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 110.
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§ 270a
Eröffnungsverfahren
Zustimmung des Sachwalters vorzusehen.40) Eine ausdrückliche Regelung, die eine Zustimmungspflicht des vorläufigen Sachwalters bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner vorsieht, gibt es in der InsO nicht. Aus §§ 270a Abs. 2, 275 kann dies nicht entnommen werden. Die Regelung des § 275 betrifft lediglich das interne Verhältnis zwischen dem eigenverwaltenden Schuldner und dem Sachwalter (vgl. dazu § 275 Rz. 3). Wirksamkeitserfordernis für die Qualifizierung einer Verbindlichkeit als Masseverbindlichkeit kann diese Regelung daher – mangels Drittwirkung – nicht sein.41) Auch aus § 277 lässt sich ein Zustimmungserfordernis nicht herleiten. Diese Norm ist in § 270a für das eigenverwaltende Insolvenzeröffnungsverfahren gerade nicht in Bezug genommen worden. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift ist kein Raum. Unabhängig davon, dass Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke – schon wegen der Möglichkeiten des Insolvenzgerichts bei der konkreten Ausgestaltung der Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten (siehe Rz. 22) – nicht vorliegen,42) kann auch das weitere Erfordernis einer Analogie, die vergleichbare Interessenlage, nicht angenommen werden. § 277 knüpft die Anordnung der Zustimmung des Sachwalters zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ausdrücklich an einen Antrag aus der Gläubigerschaft, im Regelfall der Gläubigerversammlung, im Eilfall eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers. Diese gesetzliche Aufgabenverteilung kann im Wege einer Analogie nicht geändert werden. Auch die Begründung einer persönlichen Haftung des Sachwalters nach § 61 kann wegen der folgenschweren Wirkung ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht erfolgen (siehe dazu auch die Ausführungen zu § 270b Rz. 27). Das Insolvenzgericht sollte aber vor der Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten den vorläufigen Sachwalter anhören, damit er i. R. seiner Pflichtenstellung nach §§ 274, 275 etwaige Bedenken gegen eine solche Ermächtigung äußern kann.
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e) Rechtsmittel Die Ermächtigung des eigenverwaltenden Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren oder die Ablehnung eines solchen Antrags, ist nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar. Rechtsmittel sind nach § 6 nur in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen vorgesehen. § 270a sieht jedoch kein Rechtsmittel vor. Auch aus der Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 2, die eine sofortige Beschwerde gegen die Anordnung einer vorläufigen Sicherungsmaßnahme ermöglicht, lässt sich eine solche Möglichkeit nicht begründen. Bei der Ermächtigung für den Eigenverwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten handelt es nicht um eine Sicherungsmaßnahme i. S. des § 21 Abs. 1. _____________ 40) LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453; so wohl i. E. auch AG München, Beschl. v. 27.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1470; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292 hält es für möglich, die Ermächtigung des Gerichts zur Begründung von Masseverbindlichkeiten an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters zu knüpfen. 41) So auch K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270a Rz. 6; Undritz, BB 2013, 1551, 1554; a. A. AG Köln, Beschl. v. 26.3.2012 – 73 IN 125/12, ZIP 2012, 788. 42) Die fehlende Verweisung auf § 277 in § 270a kann daher auch nicht als Redaktionsversehen betrachtet werden, so aber Marotzke, DB 2013, 1283, 1289.
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§ 270a 26
Eine analoge Anwendung der Vorschrift kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil es an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Das Rechtsmittel wurde eingeführt, damit der Schuldner sich gegen einen Eingriff in seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zur Wehr setzen kann. Weder die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten noch die Verweigerung einer solchen Ermächtigung beeinträchtigen den Schuldner in seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis.43) 4.
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Eröffnungsverfahren
Insolvenzgeldvorfinanzierung
Ein wichtiges Instrument zur Unternehmenssanierung ist im Eröffnungsverfahren die Vorfinanzierung des Insolvenzentgelts. Diese Vorfinanzierung ist gemäß § 170 Abs. 4 SBG III (bis zum 1.4.2012 § 188 Abs. 4 SGB III)44) grundsätzlich auch während der vorläufigen Eigenverwaltung gemäß § 270a mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit möglich.45) Voraussetzung dafür ist, dass der Erhalt eines erheblichen Teils der Arbeitsplätze überwiegend wahrscheinlich ist. Davon ist nach der Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit auszugehen, wenn zu erwarten ist, dass in der Regel zumindest 10 % der Arbeitsplätze erhalten bleiben. Für die erforderliche Prognoseentscheidung kann auch auf ein bereits erstelltes Sanierungskonzept zurückgegriffen werden. Die Zustimmung zur Vorfinanzierung kann rechtswirksam nur gegenüber dem vorfinanzierenden Dritten (das ist in aller Regel die Bank) erfolgen. Stellen andere Personen im Namen des Vorfinanzierenden den Antrag, ist dem Antrag eine entsprechende Vollmacht beizufügen.46) IV. Rücknahmemöglichkeit des Insolvenzantrags
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Die Regelung in Absatz 2 soll dem Schuldner einen Anreiz bieten, schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit den Insolvenzantrag zu stellen. Damit er in dieser frühen Phase der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht den Kontrollverlust über sein Vermögen befürchten muss, ist das Insolvenzgericht verpflichtet, dem Schuldner seine Bedenken gegen die beantragte Eigenverwaltung mitzuteilen47) und ihm Gelegenheit einzuräumen, seinen Eröffnungsantrag zurückzunehmen. Die Hinweispflicht des Gerichts wird lediglich ausgelöst, wenn tatsächlich nur drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, was im Wortlaut des Gesetzes durch die Formulie_____________ 43) Vgl. BGH, Beschl. v. 7.2.2014 – IX ZB 43/12, ZIP 2013, 525, dazu EWiR 2013, 253 (Siemon). 44) Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl. I 2011, 2854, in Kraft getreten am 1.4.2012, wurden u. a. die Vorschriften zum Insolvenzgeld im SGB III im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Mann und Frau sprachlich überarbeitet und in eine neue Paragrafenreihenfolge eingefügt. Das Insolvenzgeld ist nicht mehr in §§ 183 – 189a SGB III, sondern in §§ 165–172 SGB III geregelt. 45) Bundesagentur für Arbeit: Insolvenzgeld – Auswirkungen des ESUG u. a. auf die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld und die Beteiligung der BA an Gläubigerausschüssen – HEGA 03/12 – 08, Geschäftszeichen OS 12 – 71187/71187.1/71188 i. d. F. v. 20.3.2012 zu § 188 Abs. 4 SGB III 3.1., abrufbar unter www.arbeitsagentur.de. 46) Bundesagentur für Arbeit: Insolvenzgeld – Auswirkungen des ESUG u. a. auf die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld und die Beteiligung der BA an Gläubigerausschüssen – HEGA 03/12 – 08, Geschäftszeichen OS 12 – 71187/71187.1/71188 i. d. F. v. 20.3.2012 zu § 188 Abs. 4 SGB III 3.1., abrufbar unter www.arbeitsagentur.de. 47) Dazu gehören auch Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags, AG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2013 – 67e IN 108/13, ZInsO 2013, 1533.
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
rung „bei drohender Zahlungsunfähigkeit“ verdeutlich wird.48) Der Schuldner kann sodann die Entscheidung treffen, ob er ohne Eigenverwaltung ein Insolvenzverfahren durchführen will oder außergerichtlich einen Sanierungsversuch unternimmt.49) Wegen der Schnittmengen zwischen der drohenden Zahlungsunfähigkeit und dem Überschuldungsbegriff wird diese Regelung in erster Linie für natürliche Personen (Einzelkaufleute und freiberufliche Unternehmer), die nach § 15a nicht verpflichtet sind, einen Insolvenzantrag zu stellen, von Bedeutung sein.50) Liegt bei einem Unternehmen auch der Insolvenzgrund der Überschuldung vor, hat ein Hinweis auf die Antragsrücknahme zu unterbleiben.51) _____________ 48) Anders wohl Pape, ZAP 2012, Fach 14, S. 629, 645. 49) Zu dieser Möglichkeit krit.: Hölzle, NZI 2011, 124, 130; Brinkmann/Zipperer, ZIP 2011, 1337, 1343. 50) BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 51) I. E. ebenso Vallender, GmbHR 2012, 445, 448, der eine Beihilfe zur Insolvenzverschleppung sieht.
§ 270b Vorbereitung einer Sanierung (1) 1Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans. 2Die Frist darf höchstens drei Monate betragen. 3Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. (2) 1In dem Beschluss nach Absatz 1 bestellt das Gericht einen vorläufigen Sachwalter nach § 270a Absatz 1, der personenverschieden von dem Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 zu sein hat. 2Das Gericht kann von dem Vorschlag des Schuldners nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist; dies ist vom Gericht zu begründen. 3Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen; es hat Maßnahmen nach § 21 Absatz 2 Nummer 3 anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt. (3) 1Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. 2§ 55 Absatz 2 gilt entsprechend. (4) 1Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 vor Ablauf der Frist auf, wenn 1.
die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist;
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
rung „bei drohender Zahlungsunfähigkeit“ verdeutlich wird.48) Der Schuldner kann sodann die Entscheidung treffen, ob er ohne Eigenverwaltung ein Insolvenzverfahren durchführen will oder außergerichtlich einen Sanierungsversuch unternimmt.49) Wegen der Schnittmengen zwischen der drohenden Zahlungsunfähigkeit und dem Überschuldungsbegriff wird diese Regelung in erster Linie für natürliche Personen (Einzelkaufleute und freiberufliche Unternehmer), die nach § 15a nicht verpflichtet sind, einen Insolvenzantrag zu stellen, von Bedeutung sein.50) Liegt bei einem Unternehmen auch der Insolvenzgrund der Überschuldung vor, hat ein Hinweis auf die Antragsrücknahme zu unterbleiben.51) _____________ 48) Anders wohl Pape, ZAP 2012, Fach 14, S. 629, 645. 49) Zu dieser Möglichkeit krit.: Hölzle, NZI 2011, 124, 130; Brinkmann/Zipperer, ZIP 2011, 1337, 1343. 50) BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 51) I. E. ebenso Vallender, GmbHR 2012, 445, 448, der eine Beihilfe zur Insolvenzverschleppung sieht.
§ 270b Vorbereitung einer Sanierung (1) 1Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans. 2Die Frist darf höchstens drei Monate betragen. 3Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. (2) 1In dem Beschluss nach Absatz 1 bestellt das Gericht einen vorläufigen Sachwalter nach § 270a Absatz 1, der personenverschieden von dem Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 zu sein hat. 2Das Gericht kann von dem Vorschlag des Schuldners nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist; dies ist vom Gericht zu begründen. 3Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen; es hat Maßnahmen nach § 21 Absatz 2 Nummer 3 anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt. (3) 1Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. 2§ 55 Absatz 2 gilt entsprechend. (4) 1Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 vor Ablauf der Frist auf, wenn 1.
die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist;
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
2.
der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder
3.
ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und Umstände bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird; der Antrag ist nur zulässig, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist und die Umstände vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
2 Der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter haben dem Gericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. 3Nach Aufhebung der Anordnung oder nach Ablauf der Frist entscheidet das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Literatur: Beissenhirtz, Plädoyer für ein Gesetz zur vorinsolvenzlichen Sanierung von Unternehmen, ZInsO 2011, 57; Bremen, Das Leitbild des sanierten Unternehmens im Schutzschirmverfahren, NZI 2014, 137; Brinkmann, Der strategische Eigenantrag – Missbrauch oder kunstgerechte Handhabung des Insolvenzverfahrens?; ZIP 2014, 197; Buchalik, Das Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO (inkl. Musteranträge), ZInsO 2012, 349; Dammann, Die Erfolgsrezepte französischer vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren, NZI 2009, 502; Desch, Schutzschirmverfahren nach dem RegE-ESUG in der Praxis, BB 2011, 841; Frind, Wann ist (ein Ratschlag zur) Eigenverwaltung gerechtfertigt? DB 2014, 165; Frind, Der janusköpfige vorläufige Sachwalter?, ZInsO 2013, 2302; Frind, Die Bescheinigung gem. § 270b Abs 1 Satz 3 InsO – Wann darf, soll, muss das Insolvenzgericht sie prüfen?, ZInsO 2012, 1546; Ganter, Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 270b InsO, NZI 2012, 985; Graf-Schlicker, Die Entwicklung des ESUG und die Fortentwicklung des Insolvenzrechts, ZInsO 2013, 1765; Gutmann/Laubereau, Schuldner und Bescheiniger im Schutzschirmverfahren, ZInsO 2012, 1861; Hirte, Anmerkungen zum von § 270b RefE-InsO ESUG vorgeschlagenen „Schutzschirm“, ZInsO 2011, 401; Hofmann, Die Vorschläge des DiskE-ESUG zur Eigenverwaltung und zur Auswahl des Sachwalters – Wege und Irrwege zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen, NZI 2010, 798; Hölzle, Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren nach ESUG – Herausforderungen für die Praxis, ZIP 2012, 158; Kayser, Beraterhaftung für falsche oder unterlassene Auskünfte zur Insolvenzreife, ZIP 2014, 597; Marotzke, Masseschuldbegründungskompetenz des Schuldners im eigenverwalteten Insolvenzeröffnungsverfahren, DB 2013, 1283; Pape, Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, ZAP 2012, Fach 14, S. 629; Rendels, Schutzschirm: Inhalt von Sanierungskonzept und Bescheinigung, INDat-Report 2/2012, S. 54; Schmidt/Linker, Ablauf des sog. Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO, ZIP 2012, 963; Vallender, Das neue Schutzschirmverfahren nach dem ESUG, GmbHR, 2012, 450; Vallender, Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen [ESUG] – Das reformierte Plan- und Eigenverwaltungsverfahren, MDR 2012, 125; Westpfahl/Knapp, Die Sanierung deutscher Gesellschaften über ein englisches Scheme of Arrangement, ZIP 2011, 2033; Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, 2012; Zipperer/Vallender, Die Anforderungen an die Bescheinigung für das Schutzschirmverfahren, NZI 2012, 729. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Voraussetzungen des „Schutzschirmverfahrens“ ................................ 3 1. Antragstellung ....................................... 3 2. Vorlage einer Bescheinigung zum Insolvenzgrund und zur Sanierung ...... 8 a) „Bescheiniger“ ................................ 9 b) Inhalt der Bescheinigung ............. 12 c) Prüfungsmaßstab des Gerichts ... 15
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d) Haftung des „Bescheinigers“ ....... 16 III. Gerichtliche Anordnungen im „Schutzschirmverfahren“ .................. 17 1. Fristbestimmung ................................. 17 2. Bestellung eines vorläufigen Sachwalters .......................................... 18 3. Vorläufige Maßnahmen ...................... 22 4. Begründung von Masseverbindlichkeiten .............................................. 25
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung 5.
Öffentliche Bekanntmachung des „Schutzschirmverfahrens“? ................ IV. Beendigung des „Schutzschirmverfahrens“ .......................................... 1. Ablauf der gerichtlichen Frist ............ 2. Vorzeitige Beendigung des „Schutzschirmverfahrens“ .................. a) Aussichtslosigkeit der Sanierung ......................................
I.
28 29 29 30
b) Antrag des vorläufigen Gläubigerausschusses .............................. 32 c) Antrag eines absonderungsberechtigten- oder Insolvenzgläubigers ...................................... 33 d) Anzeige der Zahlungsunfähigkeit ........................................ 34
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Normzweck und -inhalt
Im Zuge der auch in den europäischen Nachbarstaaten geführten Diskussion um die Verbesserung von Sanierungsmechanismen und der Einführung neuer außergerichtlicher Verfahren, z. B. des englischen Company Volantary Arrangement1) sowie der fränzösischen conciliation oder procedure de sauvegarde,2) hat der deutsche Gesetzgeber sich entschlossen, zunächst3) die Kernanlagen der InsO zur Sanierung eines Unternehmens zu optimieren. Die Regelung des § 270b führt zwei Instrumente aus der InsO zusammen, mit denen bereits der Gesetzgeber der InsO eine frühzeitige Antragstellung und Verbesserung der Sanierungschancen erreichen wollte, die aber bisher ein Schattendasein geführt haben: die Antragstellung bei drohender Zahlungsunfähigkeit und die Durchführung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung.4) Diese beiden Instrumente greift die Vorschrift auf, um dem Schuldner Raum zu geben, schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Aufrechterhaltung seiner Verfügungsmacht unter der Aufsicht einer Person seiner Wahl ein Sanierungskonzept zu erarbeiten, das nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens i. R. eines Insolvenzplans realisiert werden kann. Es handelt sich daher bei diesem „Schutzschirmverfahren“ um eine besondere Ausgestaltung der ersten Phase nach Eingang des Eröffnungsantrags bei Gericht, also um eine spezielle Variante des eigenverwalteten Eröffnungsverfahrens.5)
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Das Verfahren steht nur zur Verfügung, wenn der Schuldner den Eröffnungsantrag bei bestehender drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung stellt und eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Dieses hat er durch eine Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation nachzuweisen. Der Schuldner hat sodann maximal drei Monate Zeit, um unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters, den er auswählen kann, einen Insolvenzplan zu erarbeiten. Das Gericht hat den vorgeschlagenen Sachwalter zu akzeptieren, es sei denn, er ist für die Übernahme dieses Amtes offensichtlich ungeeignet. Sicherungsmaßnahmen
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_____________ 1) 2) 3)
4) 5)
Vgl. dazu Bork, Sanierungsrecht in Deutschland und England, S. 51 ff; Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033. Dammann, NZI 2009, 502; Beissenhirtz, ZInsO 2011, 57, 64 ff. Vgl. dazu die Entschließungsempfehlung des RA d. BT, BT-Drucks. 17/7511, S. 4, 5, die bestimmt, dass i. R. der Evaluierung des ESUG fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes untersucht werden soll, ob sich das Verfahren nach § 270b bewährt hat und sich noch ein Bedürfnis für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren ergibt. Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 80, 81. K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270b Rz. 7; Gutmann/Lauberau, ZInsO 2012, 1861, 1868.
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
kann das Gericht nur im beschränkten Umfang anordnen. Es ist verpflichtet, Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu untersagen oder einstweilen einzustellen, sofern der Schuldner dies beantragt. Mit gerichtlicher Anordnung kann der Schuldner Masseverbindlichkeiten – ebenso wie ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter – begründen. Das Verfahren endet regulär wie ein normales Eröffnungsverfahren, nämlich mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Vorzeitig hebt das Gericht das Verfahren jedoch auf, wenn die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist. Entsprechendes gilt, wenn ein vorläufiger Gläubigerausschuss, sofern ein solcher nicht eingesetzt ist, ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger, die Aufhebung beantragt. Der Antrag der Gläubiger ist nur zulässig, wenn sie glaubhaft machen, dass die Anordnung des „Schutzschirmverfahrens“ zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Über den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit hat der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter das Gericht unverzüglich zu unterrichten, damit dieses seiner Aufsichtspflicht nachkommen kann und ggfs. das Insolvenzverfahren sofort eröffnen kann.6) II. Voraussetzungen des „Schutzschirmverfahrens“ 1.
Antragstellung
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Voraussetzung für die Einleitung des „Schutzschirmverfahrens“ sind drei Anträge: auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auf Anordnung der Eigenverwaltung und auf Bestimmung einer Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans (Zulassung des „Schutzschirms“),7) die miteinander verbunden werden sollten.
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Für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1. Der Schuldner hat seinem schriftlichen Antrag also ein Verzeichnis seiner Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen, in dem Verzeichnis die höchsten Forderungen, die Forderung der Finanzverwaltung, die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung kenntlich zu machen und – da er auch einen Antrag auf Eigenverwaltung zu stellen hat – Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben hat er zu versichern (§ 13 Abs. 1 Satz 5).
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Ferner muss der Schuldner in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegen, dass der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18) und/oder der Überschuldung (§ 19), aber noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Hierzu kann er auch auf die Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 3 verweisen.
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Hinsichtlich der Antragsberechtigung oder Verpflichtung bei juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit gelten die Regelungen der §§ 15,
_____________ 6) 7)
BT-Drucks. 17/7511, S. 37. BT-Drucks. 17/5712, S. 40; Hirte, ZInsO 2011, 401 mit Kritik an diesem aufwändigen Verfahren; Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 26; Vallender, MDR 2012, 125, 128.
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15a; wird der Antrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt, ist § 18 Abs. 3 maßgebend.8) Mit seinem Antrag verbinden sollte der Schuldner auch einen Vorschlag zur Person des vorläufigen Sachwalters (Abs. 2 Satz 1). 2.
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Vorlage einer Bescheinigung zum Insolvenzgrund und zur Sanierung
Den Nachweis, dass drohende Zahlungsunfähigkeit9) oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, hat der Schuldner durch eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation zu erbringen. Aus dieser Bescheinigung hat ebenfalls hervorzugehen, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (Abs. 1 Satz 3).
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a) „Bescheiniger“ Als geeigneten „Bescheiniger“ führt das Gesetz in erster Linie Berufsgruppen an, die mit Insolvenzsachen befasst sind, also Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte. Darüber hinaus kommen auch „Personen mit vergleichbarer Qualifikation“ als Aussteller dieser Bescheinigung in Betracht. Daraus ergibt sich bereits, dass „Bescheiniger“ nur eine natürliche, keine juristische Person sein soll.10) Die offene Formulierung ist bewusst gewählt worden, um auch Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und Personen, die sich in einem dieser Staaten beruflich niedergelassen haben, in den Kreis der „Bescheiniger“ einbeziehen zu können.11) Darunter können aber auch Steuerbevollmächtigte oder verteidigte Buchprüfer fallen, die nach § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes ebenso wie Steuerberater zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind.12) Allein die berufliche Qualifikation reicht jedoch nicht aus, um die in Absatz 1 Satz 3 geforderte Bescheinigung ausstellen zu können. Erforderlich ist vielmehr, dass die Person über Erfahrung in Insolvenzsachen verfügt.13) Der Begriff der Erfahrung impliziert, dass nicht nur gute theoretische, sondern auch vertiefte praktische Kenntnisse14) in der Bearbeitung der zu testierenden Fragestellungen, _____________ 8) Gutmann/Lauberau, ZInsO 2012, 1861, 1863. Vgl. zur Diskussion um eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung des „Schutzschirmverfahrens“ (Fall Suhrkamp), Brinkmann, ZIP 2014, 197 m. umfass. N. zu Rspr. und Literatur. 9) Vgl. zu den Voraussetzungen der drohenden Zahlungsunfähigkeit Ganter, NZI 2012, 985. 10) So auch Vallender/Zipperer, NZI 2012, 729, 730; a. A. Gutmann/Laubereau, ZInsO 2012, 1861, 1868 f. 11) BT-Drucks. 17/5712, S. 40; Wimmer, das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 27. 12) BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 13) Nicht notwendig ist, dass der Aussteller Insolvenzverwalter ist, abzulehnen ist daher die Entscheidung des AG München, Beschl. v. 29.3.2012 – 1507 IN 1125/12, ZIP 2012, 789, dazu EWiR 2012, 465 (Hölzle), dass einem Fachanwalt für Insolvenzrecht die Erfahrung abgesprochen hat, weil er seit fünf Jahren nicht mehr als Insolvenzverwalter bestellt wird. Vgl. auch Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 730. 14) Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 730 haben – ohne starre Grenze – dafür einen vierjährigen Zeitraum angesetzt.
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also auf dem Gebiet der Aufstellung von Überschuldungsbilanzen, Liquiditätsplänen und Sanierungskonzepten vorhanden sein müssen.15) Diese Kenntnisse des „Bescheinigers" hat der antragstellende Schuldner dem Gericht nachzuweisen. 10
Der „Bescheiniger“ darf nicht personenidentisch mit dem vorläufigen Sachwalter sein. Das Gesetz schreibt jedoch nicht vor, dass er – wie der Insolvenzverwalter und vorläufige Sachwalter – unabhängig vom Schuldner und vom Gläubiger sein muss. Für ein solches Anforderungsprofil fehlt bewusst eine gesetzliche Grundlage, weil es aus Kosten-, Effizienz- und Zeitgründen durchaus sinnvoll sein kann, auf die Kompetenz des bisherigen Beraters zurückzugreifen.16) Das Gewicht der gesetzlichen Regelung liegt daher auf der fachlichen Kompetenz des „Bescheinigers“, er muss aufgrund seiner beruflichen Qualifikation und seiner Erfahrung in der Lage sein, die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Schuldners zu eruieren, um die notwendigen Schlüsse für die Bescheinigung daraus zu ziehen. Deshalb kann auch eine Person, die das Unternehmen bereits kennt, aber dessen finanzielle Lage unvoreingenommen beurteilt, die Bescheinigung erteilen.17)
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Seine Eignung zur Ausstellung der Bescheinigung hat der „Bescheiniger“ gegenüber dem Insolvenzgericht nachzuweisen. b) Inhalt der Bescheinigung
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Die Bescheinigung muss mit Gründen versehen sein, denen der Insolvenzrichter nachvollziehbar entnehmen kann, dass das schuldnerische Unternehmen drohend zahlungsunfähig18) oder überschuldet ist, aber nicht zahlungsunfähig, und eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Ein bestimmter Standard, z. B. nach IDW S 6 wurde vom Gesetzgeber bewusst nicht vorgeschrieben, um das „Schutzschirmverfahren“ auch für kleine und mittlere Unternehmen zu öffnen.19) _____________ 15) Buchalik, ZInsO 2012, 349, 351; Hölzle, ZIP 2012, 158, 161; Vallender, GmbHR 2012, 450, 451, so auch der Entwurf IDW Standard: Bescheinigung nach § 270b InsO IDW ES 9, Stand: 21.2.2012, ZInsO 2012, 536, abrufbar ebenfalls unter www.idw.de. 16) Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 730; Vallender, EWiR 2012, 495, zu AG München, Beschl. v. 14.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1308, das mit dem allgemeinen Hinweis auf die Gläubigerinteressen eine neutrale, unabhängige Person fordert. Zuvor ebenso AG München, Beschl. v. 29.3.2012 – 1507 IN 1125/12, ZIP 2012, 789. 17) Ebenso Gutmann/Laubereau, ZInsO 2012, 1861; Schmidt/Linker, ZIP 2012, 963, 964; Hirte, ZInsO 2011, 401, 403 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248, 251, der in einem Anfechtungsfall für ein Sanierungsgutachten zur Widerlegung der Gläubigerbenachteilungsabsicht „auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten –, branchenkundigen Fachmanns“ abstellt, dazu EWiR 1998, 225 (Gerhardt); Pape, ZAP 2012, Fach 14, S. 629, 646; Vallender, GmbHR 2012, 450, 451; Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 730; a. A.: AG München, Beschl. v. 14.6.2012 – 1506 IN 1851/12, ZIP 2012, 1308, dazu EWiR 2012, 495 (Vallender); AG München, Beschl. v. 29.3.2012 – 1507 IN 1125/12, ZIP 2012, 789; Schmittmann, ZInsO 2012, 1921, will die Grundsätze des Selbstprüfungsverbots auf die Bescheinigung anwenden; Hölzle, ZIP 2012, 158, 161, der eine analoge Anwendung der §§ 56, 56a befürwortet, ohne allerdings vertieft auf die Frage einzugehen, ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt; vgl. dazu auch Buchalik, ZInsO 2012, 349, 351 Fn. 20, der ebenfalls eine planwidrige Regelungslücke verneint. 18) Vgl. dazu Ganter, NZI 2012, 985. 19) BT-Drucks. 17/5712, S. 40; Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 26, 27.
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Allerdings reichen bloße Textbausteine, in denen bestimmte Fallkonstellationen angekreuzt oder der Gesetzeswortlaut im Wesentlichen nur wiedergegeben wird, nicht aus, vielmehr hat die Bescheinigung individuell auf die aktuelle finanzielle Situation des Unternehmens einzugehen, sie muss also sehr zeitnah vor der Antragstellung gefertigt worden sein.20) Zur Darlegung der drohenden Zahlungsunfähigkeit sind in der Regel ein Finanzplan (Liquiditätsplan) und eine finanzielle Prognoseplanung vorzulegen, die die nächsten drei Monate umfassen muss.21) Auch für die Frage, ob der Insolvenzgrund der Überschuldung vorliegt, ist ein Finanzplan vorzulegen, der sich mit der Fortführungsprognose auseinander zu setzen hat. Da die Überschuldung nur bei einer negativen Fortführungsprognose zu bejahen ist, andererseits aber die nicht offensichtliche Aussichtslosigkeit Voraussetzung für das „Schutzschirmverfahren“ ist, hat die Bescheinigung auch Aussagen darüber zu enthalten, wie sich die Tatbestandselemente zueinander verhalten.22) Hinsichtlich der erforderlichen Negativbescheinigung, dass eine Zahlungsunfähigkeit nicht vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den „Schutzschirmantrag“ abzustellen, also ein prognostisches Element für diesen Zeitpunkt in die Bescheinigung aufzunehmen.23) Tritt im Laufe des „Schutzschirmverfahrens“ die Zahlungsunfähigkeit ein, hat das Gericht die Aufhebung zu prüfen (Abs. 4). Die Bescheinigung sollte darüber hinaus die Krisenursachen und die geplanten Abhilfemaßnahmen in Grundzügen beschreiben, damit der Insolvenzrichter die notwendige Aussage nachvollziehen kann, ob die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.24) Diese doppelte Negation ist vom Gesetzgeber bewusst gewählt worden, um deutlich zu machen, dass zu diesem Zeitpunkt kein fertiges Sanierungskonzept vorliegen muss.25) Plausibel dargelegt werden muss lediglich, dass die Sanierung, die alle Möglichkeiten der Wiederherstellung der Leistungsfähig_____________ 20) Gutmann/Lauberau, ZInsO 2012, 1861, 1871; Schmidt/Linker, ZIP 2012, 963 fordern drei Tage; nach Vallender/Zipperer, NZI 2012, 729, 735, darf sie in der Regel nicht älter sein als eine Woche. Vgl. auch Rendels, INDat-Report 2/2012, S. 54, 58. 21) Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 731; a. A. Schmidt/Linker, ZIP 2012, 963, 964; die bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit eine Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der berücksichtigungsfähigen Liquidität für ausreichend halten. 22) Zu Recht weisen Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 731, darauf hin, dass dies wohl nur möglich ist, wenn das Unternehmen im Kern überlebensfähig ist, es nur finanz-, aber nicht leistungswirtschaftlich angeschlagen ist. 23) I. E. ebenso K. Schmidt-Undritz, § 270b Rz. 5; a. A. Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 735 – Zeitpunkt der Antragstellung; Frind, ZInsO 2012, 1546 m. w. N.; Bremen, NZI 2014, 137, 139; zur Abgrenzung zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunfähigkeit vgl. Ganter, NZI 2012, 985. 24) So auch Buchalik, ZInsO 2012, 349, 352, der aber insgesamt noch detaillierte Aussagen in der Bescheinigung fordert, z. B. die Identifizierung offensichtlicher Sanierungshemmnisse und ein Leitbild des sanierten Unternehmens. Diese Voraussetzungen lassen sich aber mit der gesetzlichen Regelung, dass eine Sanierungsfähigkeit offensichtlich nicht gegeben sein darf, nicht in Einklang bringen. 25) Ebenso i. E. Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 732, 735; a. A. K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270b Rz. 5, der verlangt, dass das Sanierungskonzept in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt wird und die ernsthafte Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. Schmidt/Linker, ZIP 2012, 963, 964, fordern, dass die wesentlichen Eckpunkte des Sanierungskonzepts nachvollziehbar skizziert werden.
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keit des Schuldners i. R. eines Insolvenzverfahrens umfassen kann,26) nicht von vornherein aussichtslos ist.27) Die Sanierung ist z. B. als offensichtlich aussichtslos zu betrachten, wenn dafür ein schlüssiges Konzept, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, fehlt,28) und dessen Finanzierung nicht erkennbar ist,29) ebenso, wenn keine Chancen für die Vorlage eines Insolvenzplans vorhanden sind.30) 14
Der „Bescheiniger“ darf sich bei seinem Testat nicht auf Angaben des Schuldners verlassen, sondern hat diese zu überprüfen.31) Seinen Prüfungsmaßstab hat er in der Bescheinigung deutlich zu machen.32) c) Prüfungsmaßstab des Gerichts
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Die gesetzlich vorgeschriebene Bescheinigung stellt eine Zulässigkeitsvoraussetzung33) für das Schutzschirmverfahren dar. Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt dafür nicht, er setzt vielmehr erst bei einem zulässigen Antrag ein (siehe auch oben Kexel, § 5 Rz. 2).34) Das Gericht hat also keine eigenen Ermittlungen über die Kenntnisse des „Bescheinigers“ oder den Inhalt der Bescheinigung anzustellen oder einen Sachverständigen mit der Überprüfung zu beauftragen.35) Sind die zu bescheinigenden Voraussetzungen (drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit, angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos) in der Bescheinigung für den Insolvenzrichter nicht nachvollziehbar und plausibel dargelegt worden, so hat er nach einem ergebnislos gebliebenen Hinweis den Antrag auf Zulassung des „Schutzschirmverfahrens“ zurückzuweisen.36) _____________ 26) Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 732. 27) Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 735. 28) Vgl. zu den Anforderungen an ein Sanierungskonzept BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248, 251. 29) Ebenso Entwurf IDW Standard; Bescheinigung nach § 270b (IDW ES 9) zu 3.3 (16), ZInsO 2012, 536, 537. 30) In diesem Sinne auch K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270b Rz. 4. 31) Frind, ZInsO 2012, 1546, 1547; Gutmann/Laubereau, ZInsO 2012, 1861, 1862; a. A. IDW (ES 25), ZInsO 2012, 536, 538. 32) Rendels, INDat-Report 2/2012, S. 54, 59. 33) Hölzle, ZIP 2012, 158, 161. 34) Vgl. BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, ZIP 2007, 1868, dazu EWiR 2008, 111 (Floeth); BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358, dazu EWiR 2003, 589 (Gundlach/ Frenzel); Kirchhof in: HK-InsO, § 5 Rz. 6; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 12a ff; so auch K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270b Rz. 6, 8. 35) I. E. ebenso Rendels, INDat-Report 2/2012, S. 54, 59; Desch, BB 2011, 841, der zu Recht darauf hinweist, dass der Wortlaut des Gesetzes auf das Vorliegen einer Begr. abstellt, um eine zu große Kontrolldichte des Gerichts zu vermeiden; Vallender, GmbHR 2012, 450, 451, der aber wohl bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eine Amtsermittlungsmöglichkeit bejahen will; vgl. auch BT-Drucks. 17/5712, S. 41; a. A. AG Erfurt, Beschl. v. 13.4.2012 – 172 IN 190/12, ZInsO 2012, 944; Buchalik, ZInsO 2012, 349, 350, der eine umfassende Überprüfung vorsieht, Hölzer, ZIP 2012, 158, 163, der für das gesamte „Schutzschirmverfahren“ einen begleitenden Sachverständigen installieren will, ohne aber die rechtlichen Grundlagen für diese Maßnahmen näher zu beleuchten. 36) Schmidt/Linker, ZIP 2012, 963, 964; a. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270b Rz. 23, der keine Verpflichtung, aber die Möglichkeit zur Amtsermittlung bejaht, sich allerdings nicht mit der Zulässigkeitsfrage auseinandersetzt.
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Das gilt auch, wenn die notwendige Qualifikation des „Bescheinigers“ gegenüber dem Insolvenzgericht nicht nachgewiesen wird. d) Haftung des „Bescheinigers“ Der „Bescheiniger“ haftet seinem Auftraggeber, dem Schuldner, zunächst nach vertraglichen Grundsätzen wegen fehlerhafter Aussagen in der Bescheinigung. Die Frage, ob er daneben Dritten haftet, ist in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärt. Eine Haftung z. B. gegenüber Gläubigern kommt nur in Betracht, wenn dem Vertrag mit dem Schuldner drittschützende Wirkung zukommt, also § 311 Abs. 3 Satz 237) oder die Grundsätze des Vertrages zugunsten Dritter Anwendung finden.38) Angesichts der Tatsache, dass die Bescheinigung erkennbar zur Vorlage bei Gericht dient und für die Durchsetzung von Gläubigerforderungen erhebliche Bedeutung hat, könnte eine drittschützende Wirkung im Ansatz begründbar sein.39) Schwierig dürfte es allerdings sein, die Kausalität für eine Haftung nachzuweisen, wenn statt der drohenden Zahlungsunfähigkeit bereits Zahlungsunfähigkeit vorlag, denn der Schuldner hat aufgrund dieser Bescheinigung einen Insolvenzantrag gestellt, sich also unter die Aufsicht des Insolvenzgerichts und eines unabhängigen Sachwalters begeben.40) Anders dürfte es sich verhalten, wenn noch gar keine Zahlungsunfähigkeit vorlag.
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III. Gerichtliche Anordnungen im „Schutzschirmverfahren“ 1.
Fristbestimmung
Liegt die erforderliche Bescheinigung vor und sind die Voraussetzungen für die Durchführung eines eigenverwalteten Eröffnungsverfahrens nach § 270a zu bejahen,41) bestimmt das Gericht eine Frist von maximal drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans. Diese Frist ist – wie schon der Wortlaut deutlich macht – nicht verlängerbar.42) Die Folgerung ergibt sich darüber hinaus aus § 4 InsO, § 224 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO.43) 2.
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Bestellung eines vorläufigen Sachwalters
Gleichzeitig hat das Gericht – ohne Beteiligung der Gläubiger – eine natürliche Person zum vorläufigen Sachwalter zu bestellen, die vom Schuldner vorgeschlagen _____________ 37) Vgl. dazu Emmerich in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 216 und Gottwald in: MünchKommBGB, § 328 Rz. 191. 38) So die Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353, dazu EWiR 2012, 509 (H. P. Westermann) zur Haftung des mit der Überschuldungsprüfung für eine GmbH beauftragten Steuerberaters wegen Aufklärungsversäumnissen gegenüber dem Alleingesellschafter/Geschäftsführer. Vgl. auch Kayser, ZIP 2014, 597. 39) A. A. Gutmann/Laubereau, ZInsO 2012, 1861, 1872; vgl. dazu auch Zipperer/Vallender, NZI 2012, 729, 734. 40) Vgl. dazu auch BT-Drucks. 17/7511, S. 37 zu § 270b Abs. 4. 41) Das „Schutzschirmverfahren“ ist eine besondere Ausgestaltung des Eröffnungsverfahrens i. R. der Eigenverwaltung, so auch K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270b Rz. 7; Gutmann/ Lauberau, ZInsO 2012, 1861, 1868; Bremen, NZI 2014, 137, 138. 42) AG Hamburg, Beschl. v. 15.7.2013 – 67e IN 108/13, ZIP 2013, 1684, dazu EWiR 2013, 591 (Stahlschmidt). 43) So auch Vallender, GmbHR 2012, 450, 452.
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werden kann. Der Schuldner ist bei seinem Vorschlag nicht an die von den Gerichten geführten Listen gebunden, ebenso wenig muss er bei seiner Wahl die Gläubiger einbinden. Da eine Sanierung durch einen Insolvenzplan aber nur gelingen kann, wenn sie von der Gläubigerschaft getragen wird, sollte der Schuldner in seinem eigenen Interesse eine Person vorschlagen, die das Vertrauen zumindest der wesentlichen Gläubiger genießt.44) Das Insolvenzgericht kann die Ernennung der vorgeschlagenen Person zum vorläufigen Sachwalter nur unter zwei Voraussetzungen versagen: sie ist personenidentisch mit dem Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 3 oder offensichtlich nicht zur Übernahme des Amtes geeignet. 19
Damit gelten für die Ernennung eines Sachwalters i. R. des „Schutzschirmverfahrens“ nicht uneingeschränkt die Maßstäbe der §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274, 56, 56a. Zwar muss der Sachwalter nicht nur personenverschieden vom Aussteller der Bescheinigung, sondern sollte auch unabhängig vom Schuldner und Gläubiger sein, wie sich aus der Begründung des RegE ausdrücklich ergibt.45) Für die Geeignetheit gilt aber ein anderer Prüfungsmaßstab des Gerichts als bei den §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 56 Abs. 1, 56a Abs. 2,46) denn die Vorschrift sieht eine Ablehnungsmöglichkeit der vorgeschlagenen Person nur vor, wenn sie „offensichtlich“ ungeeignet ist. Das Gericht hat daher keine umfassenden Prüfungen zu dieser Frage anzustellen, sondern darf die Bestellung des vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalters nur verweigern, wenn die Ungeeignetheit auf der Hand liegt. Der Gesetzgeber hat dem Insolvenzgericht hier bewusst nur eine beschränkte Prüfungsmöglichkeit eingeräumt, um das Vertrauen des Schuldners zu stärken, die Sanierung durch das Insolvenzplanverfahren mit einer für ihn vertrauenswürdigen Personen vorbereiten zu können.47) Dieses Zugeständnis an den Schuldner ist gerechtfertigt, weil er bei einem „Schutzschirmverfahren“ frühzeitig das Insolvenzverfahren eingeleitet hat.48) Die Rechte der Gläubiger werden durch die Möglichkeit der Neuwahl eines vorläufigen Sachwalters gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56a Abs. 3 in der ersten Sitzung des vorläufigen Gläubigerausschusses hinreichend gewahrt.49)
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Lehnt das Insolvenzgericht den vom Schuldner vorgeschlagenen vorläufigen Sachwalter ab, hat es seine Gründe dafür in einem Beschluss darzulegen (Abs. 2 Sätze 1, 2). Eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes reicht dazu nicht aus, vielmehr hat das Gericht unter Berücksichtigung seines Prüfungsmaßstabes zu erläutern, weshalb es zu dem Schluss gekommen, die vorgeschlagene Person sei offensichtlich ungeeignet.50) In diesem Fall hat das Gericht gleichzeitig eine andere Person zu ernennen, für deren Auswahl und Gläubigerbeteiligung die Regelungen _____________ 44) So auch Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 27. 45) BT-Drucks. 17/5712, S. 40; vgl. dazu aber LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13, ZIP 2013, 2116, das den Fall eines vorläufigen Sachwalters behandelt, der für eine Beratung während des Eröffnungsverfahrens erfolgreich ein Beratungshonorar als Masseverbindlichkeit einklagt. Dagegen zu Recht unter Hinweis auf die auch während des Verfahrens notwendige Unabhängigkeit des Sachwalters Frind, ZInsO 2013, 2302. 46) Desch, BB 2011, 841, 842, a. A. Vallender, GmbHR 2012, 450, 452. 47) BT-Drucks. 17/5712, S. 40. 48) BT-Drucks. 17/5712, S. 19. 49) Hirte, ZInsO 2011, 401, 404. 50) BT-Drucks. 17/5712, S. 40.
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Vorbereitung einer Sanierung
in §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56, 56a gelten (s. dazu die Kommentierung zu § 270a Rz. 5). Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht möglich (§ 6), § 21 Abs. 1 Satz 2 ist für diese Entscheidung nicht einschlägig.51) Die Korrektivmöglichkeit liegt beim vorläufigen Gläubigerausschuss (§§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56a Abs. 3). Die Aufgaben des vorläufigen Sachwalters sind gemäß Absatz 2 Satz 1 i. V. m. § 270a Abs. 1 Satz 2 in §§ 274 Abs. 2 und 3, 275 festgelegt. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die Kommentierung zu § 270a Rz. 9 verwiesen. Hat das Gericht den Schuldner auf seinen Antrag ermächtigt, Masseverbindlichkeiten zu begründen (siehe dazu unter Rz. 25), ist die Aufgabe des Sachwalters auf die Überwachung des Schuldners reduziert. Da ein „Schutzschirmverfahren“ nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingeleitet werden kann, ist es gerechtfertigt, die Verfügungsbefugnis des Schuldners im Interesse einer optimalen Sanierung52) möglichst nicht einzuschränken. 3.
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Vorläufige Maßnahmen
Die Befugnis des Insolvenzgerichts, vorläufige Maßnahmen i. S. des § 21 anzuordnen, ist auf die in Absatz 3 Satz 2 aufgeführten Anordnungen beschränkt: Von Amts wegen kann es insbesondere einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, eine vorläufige Postsperre verhängen oder beschließen, dass Gegenstände, an denen ein Aus- oder Absonderungsrecht besteht, nicht verwertet oder eingezogen werden, sondern zur Fortführung des Unternehmens genutzt werden können. Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht von Amts wegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Beantragt der Schuldner die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, hat das Insolvenzgericht diese anzuordnen. Ein Ermessen steht dem Gericht in diesem Fall nicht zu. Zwangsversteigerungen in das unbewegliche Vermögen kann das Insolvenzgericht nach § 30d ZVG auf Antrag des Schuldners einstweilen einstellen. Für Zwangsverwaltungen sind entsprechende gesetzliche Regelungen nicht vorhanden.53) Die Bestellung eines vorläufigen Verwalters und die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots oder Zustimmungsvorbehalts für einen vorläufigen Insolvenzverwalter sind dagegen ausgeschlossen. Das gilt auch für einen Zustimmungsvorbehalt für einzelne Maßnahmen. Eine Anordnung nach der Grundregelung in Absatz 2 Satz 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 wäre mit dem Sinn und Zweck des „Schutzschirmverfahrens“ nicht vereinbar, das die Verfügungsbefugnis des Schuldners gerade erhalten will.54) Die Kontrolle und Überwachung des Schuldners findet durch den vorläufigen Sachwalter nach Maßgabe
_____________ 51) AG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2013 – 67e IN 108/13, NZI 2013, 903; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 270b Rz. 9; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270b Rz. 36. 52) So die Beschussempfehlung und der Bericht des RA des BT, BT-Drucks. 17/7511, S. 3, 37. 53) In der Begr. des RegE wird ausdrücklich klargestellt, dass es bei der jetzigen Rechtslage verbleibt, wonach § 153b ZVG im Eröffnungsverfahren nicht gilt, BT-Drucks. 17/5712, S. 41. 54) Vgl. dazu BT-Drucks. 17/7511, S. 3, 37.
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
des § 274 Abs. 2 und 3 sowie eingeschränkt nach § 275 (s. dazu die Ausführungen unter Rz. 21) statt.55) 23
Gegen die vom Gericht von Amts wegen angeordneten vorläufigen Maßnahmen steht dem Schuldner das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2) zu.
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Ein Moratorium i. S. eines „automatic stay“ wie im US-amerikanischen Chapter 11Verfahren hat der Gesetzgeber bewusst nicht eingeführt.56) Hier hätte die Gefahr bestanden – die auch bei der Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht ausgeschlossen werden kann –, dass Vertragsverhältnisse beendet werden und so dem Schuldner die Grundlage für eine Sanierung entzogen wird. Entscheidend für den Erfolg des „Schutzschirmverfahrens“ wird daher sein, dass der Schuldner die von ihm geplanten Sanierungsmaßnahmen zumindest mit seinen wesentlichen Gläubigern abstimmt, um handlungsfähig zu bleiben.57) Vor diesem Hintergrund hat er auch zu entscheiden, ob er einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung stellt. 4.
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Begründung von Masseverbindlichkeiten
Die Weiterführung und Sanierung eines Unternehmens erfordert regelmäßig die Eingehung neuer Verbindlichkeiten. Dazu sind Gläubiger in einer Krisensituation des Schuldners aber nur bereit, wenn sichergestellt ist, dass sie mit ihrer Forderung im eröffneten Verfahren nicht ausfallen. Insbesondere die Kreditgeber haben in den Gesetzgebungsberatungen deutlich gemacht, dass dies ein Erfolgskriterium für das „Schutzschirmverfahren“ ist.58) Der Gesetzgeber hat deshalb ausdrücklich in Absatz 3 geregelt, dass der Schuldner mit gerichtlicher Anordnung wie ein „starker vorläufiger Verwalter“ Masseverbindlichkeiten durch seine Handlungen begründen kann. Auf Antrag des Schuldners hat diese Anordnung seitens des Gerichts zu ergehen, dem Gericht steht insoweit also kein Ermessen zu.59) Vielmehr ist es ausschließlich Sache des Schuldners, vor einer Antragstellung zu prüfen, ob die Begründung einer Masseverbindlichkeit notwendig und sinnvoll ist.60) Hierbei hat er insbesondere zu beachten, dass durch die Begründung von Masseverbindlichkeiten die Masse der übrigen Gläubiger geschmälert wird und deshalb ein Antrag auf Aufhebung des „Schutzschirmverfahrens“ nach § 270b Abs. 4 ausgelöst werden könnte.
_____________ Ebenso i. E. Desch, BB 2011, 841, 842, 843; krit. dazu Hofmann, NZI 2010, 798, 801. Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 25. Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 25. Vgl. dazu den Bericht über das 3. Handelsblatt Symposium Insolvenzrecht 2011 in: InDATReport 7/2011, S. 37. 59) Die Beschlussempfehlung und der Bericht des RA des BT spricht ausdrücklich von der Verpflichtung des Gerichts, den Schuldner mit dieser Befugnis auszustatten, BT-Drucks. 17/ 7511, S. 3; ebenso Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 28; Buchalik, ZInsO 2012, 349, 354; LG Dresden, Urt. v. 11.9.2013 – 1 O 1168/13, ZIP 2013, 2116; Marotzke, DB 2013, 1283, 1285, 1286; Klinck, ZInsO 2014, 365 Fn. 5 m. w. N.; krit., aber i. E. ebenso Vallender, GmbHR 2012, 450, 453, 454; a. A. Frind, ZInsO 2011, 2249, 2260; Frind, DB 2014, 165, 166. 60) So auch Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 28; Hölzle, ZIP 2012, 158, 162, 163. 55) 56) 57) 58)
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
Der Schuldner sollte daher einen Antrag nur für einzelne Maßnahmen stellen61) und diesen vorher mit dem vorläufigen Sachverwalter und einem bestellten vorläufigen Gläubigerausschuss absprechen.62) Da der Schuldner gemäß Absatz 3 Satz 2 durch die Verweisung auf § 55 Abs. 2 in die Stellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Verfügungsbefugnis einrückt, können seine Handlungen keine anderen Folgen auslösen als diejenigen dieses „starken“ vorläufigen Verwalters. Ansprüche der Bundesagentur für Arbeit auf Zahlung von Insolvenzgeld sind daher Insolvenzforderungen (§ 55 Abs. 3).63)
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Weder für die Haftung des Schuldners noch für diejenige des vorläufigen Sachwalters gilt die Vorschrift des § 61, die eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters zum persönlichen Schadenersatz bei Nichterfüllung der Masseverbindlichkeiten regelt. Hinsichtlich des vorläufigen Sachwalters ist die Anwendung dieser Norm gemäß Absatz 2 Satz 1 i. V. m. §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1 ausdrücklich ausgenommen. Für den Schuldner fehlt eine Verweisungsnorm auf diese Regelung. Sie ist auch nicht analog anwendbar, weil die Haftung in § 61 an die besondere Kompetenz des vom Gericht bestellten Insolvenzverwalters anknüpft.64)
27
5.
Öffentliche Bekanntmachung des „Schutzschirmverfahrens“?
Eine Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung über die Einleitung des „Schutzschirmverfahrens“ und zur Bestellung eines vorläufigen Sachwalters sieht das Gesetz nicht vor.65) Aus § 23 lässt sich eine solche Pflicht nicht herleiten, weil die dort geforderten Verfügungsbeschränkungen im „Schutzschirmverfahren“ gerade unterbleiben sollen.66) Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst auf einen „Veröffentlichungsautomatismus“67) verzichtet, um Raum zu geben, Sanierungsverhandlungen nicht unnötig zu erschweren. Die Veröffentlichung steht also – wie in der Literatur68) auch bei anderen Maßnahmen nach § 21 anerkannt – im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.69) Dabei hat das Gericht im Einzelfall das Interesse des Rechtsverkehrs an der Publizität, das Interesse des Schuldners und der am Verfahren beteiligten Gläubiger an einer optimalen Sanierung70) sowie das informationelle Selbst_____________ 61) Diese Möglichkeit ist in der Begr. der Beschlussempfehlung und des Berichts des RA des BT ausdrücklich vorgesehen, BT-Drucks. 17/7511, S. 37. 62) So aber Andres, Anm. zum Urt. des LG Duisburg, Beschl. v. 29.11.2012 – 7 T 185/12, ZIP 2012, 2453. 63) Ebenso Buchalik, ZInsO 2012, 349, 356. 64) Krit. dazu Marotzke, DB 2013, 1283, 1285 Fn. 28. 65) Buchalik, ZInsO 2012, 349, 354; Desch, BB 2011, 841, 842. 66) BT-Drucks. 17/7511, S. 3, 37. 67) Graf-Schlicker, ZInsO 2013, 1765, 1766. 68) Kirchhof in: HK-InsO, § 23 Rz. 3; A. Schmidt-Schröder, InsO, § 23 Rz. 4; Uhlenbruck, Uhlenbruck, InsO, § 23 Rz. 1; a. A. Haarmeyer in: MünchKomm-InsO, § 23 Rz. 9 ff, der zwar bei allen Sicherungsmaßnahmen für eine Veröffentlichungspflicht plädiert, bei der Einsetzung eines vorläufigen Sachwalters aber von einer Veröffentlichung abzusehen will (Rz. 12). 69) AG Göttingen, Beschl. v. 12.11.2012 – 74 IN 160/12, ZIP 2012, 2360; Graf-Schlicker, ZInsO 2013, 1765, 1766. 70) BT-Drucks. 17/7511, S. 3, 37.
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§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
bestimmungsrecht des Schuldners zu berücksichtigen (siehe auch die Ausführungen zu § 270a Rz. 8).71) IV. Beendigung des „Schutzschirmverfahrens“ 1. 29
2. 30
Ablauf der gerichtlichen Frist
Nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist zur Vorlage des Insolvenzplans hat das Insolvenzgericht nach den allgemeinen Regelungen (§§ 270 ff) über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zu entscheiden. Die Vorschriften über die Auswahl eines Sachwalters – oder, sofern die Anordnungsvoraussetzungen für die Eigenverwaltung nicht vorliegen, für die Auswahl des Insolvenzverwalters – mit den vorgesehenen Gläubigerbeteiligungen gelten gemäß § 274 Abs. 1 entsprechend. Zum Sachwalter oder Insolvenzverwalter ist also nicht zwingend der vom Schuldner vorgeschlagene vorläufige Sachwalter zu ernennen.72) Vorzeitige Beendigung des „Schutzschirmverfahrens“
Vorzeitig ist das „Schutzschirmverfahren“ gemäß Absatz 4 unter drei Voraussetzungen zu beenden: die angestrebte Sanierung ist aussichtslos, der vorläufige Gläubigerausschuss beantragt die Aufhebung dieses Verfahrens, ein Absonderungsberechtigter oder Insolvenzgläubiger macht – sofern ein vorläufiger Gläubigerausschuss nicht bestellt ist – mit seinem Aufhebungsantrag glaubhaft, dass die Anordnung des „Schutzschirmverfahrens“ zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. a) Aussichtslosigkeit der Sanierung
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Die Sanierung ist insbesondere aussichtslos, wenn sich die geplanten Maßnahmen zur Restrukturierung des Unternehmens nicht umsetzen lassen, sei es, weil die eingeplanten finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen oder innerbetrieblich für eine Sanierung notwendige Maßnahmen keine Aussicht auf Realisierung bieten. Dagegen ist eine negative Fortführungsprognose i. R. des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB kein hinreichender Grund, die Sanierungsfähigkeit zu verneinen,73) weil diese Norm lediglich auf eine liquiditätsorientierte Fortführungsprognose abstellt, die Fortführungsprognose nach § 19 aber darüber hinausgeht.74) b) Antrag des vorläufigen Gläubigerausschusses
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Der vorläufige Gläubigerausschuss hat im „Schutzschirmverfahren“ die Interessen der Gläubigerschaft wahrzunehmen. Kommt er zu dem Ergebnis, dass dieses Verfahren für die Gläubiger wegen entstehender Nachteile bei der Gläubigerbefriedigung nicht mehr tragbar ist und beantragt er mit Mehrheit75) (§§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 22a, 72) die Aufhebung des „Schutzschirmverfahrens“, hat das Gericht diesem Antrag zu entsprechen. Eine Prüfung, ob der Antrag berechtigt ist, steht dem Gericht nicht zu, vielmehr hat es antragsgemäß zu entscheiden.76) _____________ 71) 72) 73) 74) 75) 76)
Vallender, GmbHR 2012, 450, 452. BT-Drucks. 17/5712. Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 28. IDW S 6 Nr. 3.6.3., abrufbar unter www.idw.de/idw/download/IDW ES_6. Desch, BB 2011, 841, 844; BT-Drucks. 17/7511, S. 37. Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 29.
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§ 270c
Bestellung des Sachwalters
c) Antrag eines absonderungsberechtigten- oder Insolvenzgläubigers Die Möglichkeit einzelner Gläubiger, für die Beendigung des „Schutzschirmverfahrens“ Sorge zu tragen, ist – im Gegensatz zum vorläufigen Gläubigerausschuss – an gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Der Gläubiger muss glaubhaft machen, dass nach Anordnung des „Schutzschirmverfahrens“ Umstände bekannt geworden sind, die bei Fortführung dieses Verfahrens eine Benachteiligung der Masse erwarten lassen, z. B. durch die Begründung von Masseverbindlichkeiten seitens des Schuldners. Ein Antragsrecht steht diesen einzelnen Gläubigern aber nur zu, wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist.77)
33
d) Anzeige der Zahlungsunfähigkeit Nach dem RegE war der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Beendigungsgrund für das „Schutzschirmverfahren“.78) Während der Beratungen im Bundestag wurden zahlreiche Bedenken gegen diese Norm erhoben, insbesondere wurde die Befürchtung geäußert, die Regelung werde zu einer vorzeitigen Fälligstellung der Forderungen durch die Gläubiger und damit zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners führen, sodass das Verfahren durch einzelne Gläubiger torpediert werden könne.79) Diesen Bedenken hat der Rechtsausschuss des Bundestages Rechnung getragen. Die Anzeige der Zahlungsunfähigkeit löst für das Insolvenzgericht die Verpflichtung aus, zu prüfen, ob das „Schutzschirmverfahren“ fortgesetzt und die Arbeiten an dem Entwurf des Insolvenzplans beendet werden können. Ansonsten hat das Gericht – sofern weitere Ermittlungen notwendig sind – das Verfahren in das Eröffnungsverfahren nach § 270a oder in ein „normales“ Eröffnungsverfahren überzuleiten. Sind weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht veranlasst, kann das Gericht nach den allgemeinen Vorschriften das Insolvenzverfahren eröffnen. Dabei hat es auch über den Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung zu entscheiden.
34
_____________ 77) AG Charlottenburg, Beschl. v. 20.6.2013 – 36s IN 2196/13, ZInsO 2013, 2501. 78) BT-Drucks. 17/5712, S. 12, 41. 79) Desch, BB 2011, 841, 843; Pape, ZAP 2012, Fach 14, S. 629, 646; Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 29.
§ 270c Bestellung des Sachwalters 1 Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird anstelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt. 2Die Forderungen der Insolvenzgläubiger sind beim Sachwalter anzumelden. 3Die §§ 32 und 33 sind nicht anzuwenden.
Übersicht I. Norminhalt ........................................... 1 II. Bestellung eines Sachwalters .............. 2
I.
III. Registereintragungen .......................... 4
Norminhalt
Die Norm entspricht inhaltlich dem § 270 Abs. 3 a. F. Sie bestimmt, dass bei Anordnung der Eigenverwaltung anstelle eines Insolvenzverwalters ein Sachwalter Graf-Schlicker
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§ 270c
Bestellung des Sachwalters
c) Antrag eines absonderungsberechtigten- oder Insolvenzgläubigers Die Möglichkeit einzelner Gläubiger, für die Beendigung des „Schutzschirmverfahrens“ Sorge zu tragen, ist – im Gegensatz zum vorläufigen Gläubigerausschuss – an gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Der Gläubiger muss glaubhaft machen, dass nach Anordnung des „Schutzschirmverfahrens“ Umstände bekannt geworden sind, die bei Fortführung dieses Verfahrens eine Benachteiligung der Masse erwarten lassen, z. B. durch die Begründung von Masseverbindlichkeiten seitens des Schuldners. Ein Antragsrecht steht diesen einzelnen Gläubigern aber nur zu, wenn kein Gläubigerausschuss bestellt ist.77)
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d) Anzeige der Zahlungsunfähigkeit Nach dem RegE war der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Beendigungsgrund für das „Schutzschirmverfahren“.78) Während der Beratungen im Bundestag wurden zahlreiche Bedenken gegen diese Norm erhoben, insbesondere wurde die Befürchtung geäußert, die Regelung werde zu einer vorzeitigen Fälligstellung der Forderungen durch die Gläubiger und damit zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners führen, sodass das Verfahren durch einzelne Gläubiger torpediert werden könne.79) Diesen Bedenken hat der Rechtsausschuss des Bundestages Rechnung getragen. Die Anzeige der Zahlungsunfähigkeit löst für das Insolvenzgericht die Verpflichtung aus, zu prüfen, ob das „Schutzschirmverfahren“ fortgesetzt und die Arbeiten an dem Entwurf des Insolvenzplans beendet werden können. Ansonsten hat das Gericht – sofern weitere Ermittlungen notwendig sind – das Verfahren in das Eröffnungsverfahren nach § 270a oder in ein „normales“ Eröffnungsverfahren überzuleiten. Sind weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht veranlasst, kann das Gericht nach den allgemeinen Vorschriften das Insolvenzverfahren eröffnen. Dabei hat es auch über den Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung zu entscheiden.
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_____________ 77) AG Charlottenburg, Beschl. v. 20.6.2013 – 36s IN 2196/13, ZInsO 2013, 2501. 78) BT-Drucks. 17/5712, S. 12, 41. 79) Desch, BB 2011, 841, 843; Pape, ZAP 2012, Fach 14, S. 629, 646; Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 29.
§ 270c Bestellung des Sachwalters 1 Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird anstelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt. 2Die Forderungen der Insolvenzgläubiger sind beim Sachwalter anzumelden. 3Die §§ 32 und 33 sind nicht anzuwenden.
Übersicht I. Norminhalt ........................................... 1 II. Bestellung eines Sachwalters .............. 2
I.
III. Registereintragungen .......................... 4
Norminhalt
Die Norm entspricht inhaltlich dem § 270 Abs. 3 a. F. Sie bestimmt, dass bei Anordnung der Eigenverwaltung anstelle eines Insolvenzverwalters ein Sachwalter Graf-Schlicker
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1
§ 271
Nachträgliche Anordnung
bestimmt wird, die Forderungsanmeldung dort zu erfolgen hat und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder in das Grundbuch noch in die Register für Schiffe und Luftfahrzeuge einzutragen ist. II. Bestellung eines Sachwalters 2
Ordnet das Insolvenzgericht (Richter, § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) im Eröffnungsbeschluss die Eigenverwaltung an (§ 270 Abs. 1 Satz 1), hat es anstelle eines Insolvenzverwalters einen Sachwalter zu bestellen. Für die Auswahl, die Beteiligung der Gläubigerschaft und die Bestellung des Sachwalters gelten gemäß § 274 Abs. 1 die §§ 56, 56a, 57 entsprechend.
3
Im Eröffnungsbeschluss hat das Insolvenzgericht die Insolvenzgläubiger aufzufordern, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist unter Beachtung des § 174 beim Sachwalter anzumelden und diesem mitzuteilen, ob Sicherungsrechte bestehen (§ 28 Abs. 1 und 2). Eine Aufforderung nach § 28 Abs. 3, nicht mehr an den Schuldner zu leisten, hat nicht zu ergehen, weil dieser sein Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse bei der Anordnung der Eigenverwaltung nicht verliert.1) III. Registereintragungen
4
Der Eröffnungsbeschluss ist im Falle der Eigenverwaltung nicht in das Grundbuch oder das Luftfahrzeug- bzw. Schiffsregister einzutragen (Satz 3 i. V. m. §§ 32, 33), weil dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über die Grundstücke bzw. Gegenstände verbleibt. Wird auf Antrag der Gläubigerversammlung die Zustimmung des Sachwalters bei Verfügungen darüber angeordnet, ist die Eintragung gemäß § 277 Abs. 3 Satz 3 nachzuholen.
5
Dagegen sind – wie die Verordnung zur Anpassung registerrechtlicher Vorschriften klargestellt hat – die Anordnung und Aufhebung der Eigenverwaltung in das Handelsund Genossenschaftsregister einzutragen (§ 19 Abs. 2 Satz 2, § 40 Nr. 5 Abs. 5 Buchst. d, § 43 Nr. 6 Buchst. b, ii HRV, § 21 Abs. 2 Nr. 3 GenRegV). Das gilt ebenso für das Partnerschaftsregister (§ 5 Abs. 4 Nr. 4 PRV). _____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 121; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 60.
§ 271 Nachträgliche Anordnung 1
Beantragt die Gläubigerversammlung mit der in § 76 Absatz 2 genannten Mehrheit und der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger die Eigenverwaltung, so ordnet das Gericht diese an, sofern der Schuldner zustimmt. 2Zum Sachwalter kann der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung .................................. 2 1. Voraussetzungen ................................... 2
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2.
Entscheidung des Insolvenzgerichts ................................................... 3 III. Anfechtung des Beschlusses der Gläubigerversammlung ....................... 5
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§ 271
Nachträgliche Anordnung
bestimmt wird, die Forderungsanmeldung dort zu erfolgen hat und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder in das Grundbuch noch in die Register für Schiffe und Luftfahrzeuge einzutragen ist. II. Bestellung eines Sachwalters 2
Ordnet das Insolvenzgericht (Richter, § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG) im Eröffnungsbeschluss die Eigenverwaltung an (§ 270 Abs. 1 Satz 1), hat es anstelle eines Insolvenzverwalters einen Sachwalter zu bestellen. Für die Auswahl, die Beteiligung der Gläubigerschaft und die Bestellung des Sachwalters gelten gemäß § 274 Abs. 1 die §§ 56, 56a, 57 entsprechend.
3
Im Eröffnungsbeschluss hat das Insolvenzgericht die Insolvenzgläubiger aufzufordern, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist unter Beachtung des § 174 beim Sachwalter anzumelden und diesem mitzuteilen, ob Sicherungsrechte bestehen (§ 28 Abs. 1 und 2). Eine Aufforderung nach § 28 Abs. 3, nicht mehr an den Schuldner zu leisten, hat nicht zu ergehen, weil dieser sein Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse bei der Anordnung der Eigenverwaltung nicht verliert.1) III. Registereintragungen
4
Der Eröffnungsbeschluss ist im Falle der Eigenverwaltung nicht in das Grundbuch oder das Luftfahrzeug- bzw. Schiffsregister einzutragen (Satz 3 i. V. m. §§ 32, 33), weil dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über die Grundstücke bzw. Gegenstände verbleibt. Wird auf Antrag der Gläubigerversammlung die Zustimmung des Sachwalters bei Verfügungen darüber angeordnet, ist die Eintragung gemäß § 277 Abs. 3 Satz 3 nachzuholen.
5
Dagegen sind – wie die Verordnung zur Anpassung registerrechtlicher Vorschriften klargestellt hat – die Anordnung und Aufhebung der Eigenverwaltung in das Handelsund Genossenschaftsregister einzutragen (§ 19 Abs. 2 Satz 2, § 40 Nr. 5 Abs. 5 Buchst. d, § 43 Nr. 6 Buchst. b, ii HRV, § 21 Abs. 2 Nr. 3 GenRegV). Das gilt ebenso für das Partnerschaftsregister (§ 5 Abs. 4 Nr. 4 PRV). _____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 121; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 270 Rz. 60.
§ 271 Nachträgliche Anordnung 1
Beantragt die Gläubigerversammlung mit der in § 76 Absatz 2 genannten Mehrheit und der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger die Eigenverwaltung, so ordnet das Gericht diese an, sofern der Schuldner zustimmt. 2Zum Sachwalter kann der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung .................................. 2 1. Voraussetzungen ................................... 2
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2.
Entscheidung des Insolvenzgerichts ................................................... 3 III. Anfechtung des Beschlusses der Gläubigerversammlung ....................... 5
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§ 271
Nachträgliche Anordnung
I.
Normzweck und -inhalt
Die Norm soll der Gläubigerversammlung als Ausfluss der Gläubigerautonomie die Möglichkeit einräumen, mit Kopf- und Summenmehrheit die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 270 über die Zurückweisung des Eigenverwaltungsantrags zu korrigieren. Nach dem Wortlaut der bisherigen Regelung war eine nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung nur möglich, wenn das Insolvenzgericht den Schuldnerantrag zuvor im Eröffnungsbeschluss abgelehnt hatte. Im Sinne einer in der Literatur vertretenen Auffassung1) stellt die Norm nur noch darauf ab, ob die Gläubigerversammlung die Eigenverwaltung mit Zustimmung des Schuldners beantragt.
1
II. Nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung 1.
Voraussetzungen
Die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung setzt voraus, dass der Antrag in der Gläubigerversammlung von der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger unterstützt wird und die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger mehr als die Summe der Forderungen der abstimmenden Gläubiger beträgt (Kopfund Summenmehrheit). 2.
2
Entscheidung des Insolvenzgerichts
Das Insolvenzgericht – funktionell zuständig ist gemäß § 18 RPflG der Rechtspfleger – hat aufgrund des Antrags der Gläubigerversammlung durch Beschluss die Eigenverwaltung anzuordnen, wenn der Schuldner zustimmt. Eine eigene Prüfungskompetenz steht dem Gericht nicht zu.2) Der Beschluss sollte entsprechend § 27 nach Tag und Stunde datiert werden,3) um Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters oder anderer zu vermeiden. Als Sachwalter kann der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden (Satz 2). Das Insolvenzgericht hat aber vor der Bestellung entsprechend § 56a einen bestellten Gläubigerausschuss zu beteiligen, es sei denn die Gläubigerversammlung hat zur Person des Sachwalters mit Kopf- und Summenmehrheit bereits ein Votum abgegeben.
3
Das Insolvenzgericht hat ferner die Anordnung des offenen Arrestes gemäß § 28 Abs. 3 aufzuheben, die Löschung der Eintragungen nach §§ 32, 33 zu veranlassen und den Beschluss öffentlich bekannt zu machen (§ 273).
4
III. Anfechtung des Beschlusses der Gläubigerversammlung Gegen den Beschluss der Gläubigerversammlung, die Eigenverwaltung zu beantragen, steht absonderungsberechtigten Gläubigern sowie nicht nachrangigen Insol_____________ 1) 2) 3)
Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 271 Rz. 5; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 8 – 14; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 271 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 13; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 19; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 271 Rz. 6. Landfermann in: HK-InsO, § 271 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 15; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 26.
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§ 272
Aufhebung der Anordnung
venzgläubigern, die gegen diesen Beschluss gestimmt haben4) und sich durch ihn unangemessen benachteiligt sehen, die Befugnis zu, gemäß § 78 dessen Aufhebung zu verlangen. Der Antrag ist zwingend in der Gläubigerversammlung zu stellen, in der der Beschluss gefasst worden ist.5) Für die Entscheidung über diesen Antrag, die mit der sofortigen Beschwerde angreifbar ist (§ 78 Abs. 2), hat das Insolvenzgericht (Rechtspfleger, § 18 RPflG) nicht die Kriterien aus § 270 Abs. 2 Nr. 2 zugrunde zu legen,6) weil damit die Entscheidungskompetenz der Gläubigerversammlung, die nicht an sachliche Voraussetzungen geknüpft ist, ausgehöhlt würde. Vielmehr hat das Insolvenzgericht seine Entscheidung an den Voraussetzungen des § 272 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 auszurichten.7) Anders als bei § 272,8) wo die Gläubigerversammlung die Rückkehr zum Regelverfahren unter der Aufsicht eines Insolvenzverwalters beschließt, geht es hier um die Abweichung vom Regelverfahren, die an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Die gerichtliche Überprüfung des Antrags auf nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung, die sich auf die Frage eines erheblichen Nachteils für den rechtsmittelführenden Gläubiger zu konzentrieren hat, ist auch möglich, ohne eine nachträgliche Begründung der Gläubigerversammlung für ihren nicht an Voraussetzungen gebundenen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung fordern zu müssen. Eine Aushöhlung des Rechts der Gläubigerversammlung ist daher nicht zu befürchten. 6
Darüber hinaus kann ein sich durch den Eigenverwaltungsantrag beeinträchtigt fühlender Minderheitsgläubiger einen Antrag nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 stellen. _____________ 4) 5)
Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 18. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 31; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 18. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 33; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 22. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 271 Rz. 10. Hier besteht keine Anfechtungsmöglichkeit, vgl. die Kommentierung zu § 272 Rz. 4; BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 1622, dazu EWiR 2011, 651 (Bähr).
6) 7) 8)
§ 272 Aufhebung der Anordnung (1) Das Insolvenzgericht hebt die Anordnung der Eigenverwaltung auf, 1.
wenn dies von der Gläubigerversammlung mit der in § 76 Absatz 2 genannten Mehrheit und der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger beantragt wird;
2.
wenn dies von einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder von einem Insolvenzgläubiger beantragt wird, die Voraussetzung des § 270 Absatz 2 Nummer 2 weggefallen ist und dem Antragsteller durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen;
3.
wenn dies vom Schuldner beantragt wird. 1
(2) Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn die in Absatz 1 Nummer 2 genannten Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden. 2Vor der Entscheidung
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§ 272
Aufhebung der Anordnung
venzgläubigern, die gegen diesen Beschluss gestimmt haben4) und sich durch ihn unangemessen benachteiligt sehen, die Befugnis zu, gemäß § 78 dessen Aufhebung zu verlangen. Der Antrag ist zwingend in der Gläubigerversammlung zu stellen, in der der Beschluss gefasst worden ist.5) Für die Entscheidung über diesen Antrag, die mit der sofortigen Beschwerde angreifbar ist (§ 78 Abs. 2), hat das Insolvenzgericht (Rechtspfleger, § 18 RPflG) nicht die Kriterien aus § 270 Abs. 2 Nr. 2 zugrunde zu legen,6) weil damit die Entscheidungskompetenz der Gläubigerversammlung, die nicht an sachliche Voraussetzungen geknüpft ist, ausgehöhlt würde. Vielmehr hat das Insolvenzgericht seine Entscheidung an den Voraussetzungen des § 272 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 auszurichten.7) Anders als bei § 272,8) wo die Gläubigerversammlung die Rückkehr zum Regelverfahren unter der Aufsicht eines Insolvenzverwalters beschließt, geht es hier um die Abweichung vom Regelverfahren, die an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Die gerichtliche Überprüfung des Antrags auf nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung, die sich auf die Frage eines erheblichen Nachteils für den rechtsmittelführenden Gläubiger zu konzentrieren hat, ist auch möglich, ohne eine nachträgliche Begründung der Gläubigerversammlung für ihren nicht an Voraussetzungen gebundenen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung fordern zu müssen. Eine Aushöhlung des Rechts der Gläubigerversammlung ist daher nicht zu befürchten. 6
Darüber hinaus kann ein sich durch den Eigenverwaltungsantrag beeinträchtigt fühlender Minderheitsgläubiger einen Antrag nach § 272 Abs. 1 Nr. 2 stellen. _____________ 4) 5)
Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 18. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 31; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 18. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 271 Rz. 33; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 271 Rz. 22. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 271 Rz. 10. Hier besteht keine Anfechtungsmöglichkeit, vgl. die Kommentierung zu § 272 Rz. 4; BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 1622, dazu EWiR 2011, 651 (Bähr).
6) 7) 8)
§ 272 Aufhebung der Anordnung (1) Das Insolvenzgericht hebt die Anordnung der Eigenverwaltung auf, 1.
wenn dies von der Gläubigerversammlung mit der in § 76 Absatz 2 genannten Mehrheit und der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger beantragt wird;
2.
wenn dies von einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder von einem Insolvenzgläubiger beantragt wird, die Voraussetzung des § 270 Absatz 2 Nummer 2 weggefallen ist und dem Antragsteller durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen;
3.
wenn dies vom Schuldner beantragt wird. 1
(2) Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn die in Absatz 1 Nummer 2 genannten Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden. 2Vor der Entscheidung
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§ 272
Aufhebung der Anordnung
über den Antrag ist der Schuldner zu hören. 3Gegen die Entscheidung steht dem Gläubiger und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (3) Zum Insolvenzverwalter kann der bisherige Sachwalter bestellt werden. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Aufhebung der Eigenverwaltung ....... 2 1. Antrag der Gläubigerversammlung ...... 3
I.
2. Antrag einzelner Gläubiger .................. 5 3. Antrag des Schuldners .......................... 7 III. Folgeentscheidungen ........................... 9
Normzweck und -inhalt
Als Ausfluss der Gläubigerautonomie steht der Gläubigerversammlung sowie einzelnen Gläubigern das Recht zu, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen. Außerdem räumt der Gesetzgeber dem Schuldner eine Beendigungsmöglichkeit ein. Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)1) sind die Beendigungsmöglichkeiten der Eigenverwaltung für die Gläubigerschaft erschwert worden, um – nach Prüfung der Gläubigerinteressen durch das Gericht – die Planungssicherheit für das Verfahren zu erhöhen.2)
1
II. Aufhebung der Eigenverwaltung Das Gesetz sieht drei Fallkonstellationen für die Aufhebung der Eigenverwaltung vor. In allen drei Fällen ist ein Aufhebungsantrag erforderlich. Als Konsequenz aus dem Grundsatz der Gläubigerautonomie scheidet eine Aufhebung von Amts wegen aus.3) 1.
2
Antrag der Gläubigerversammlung
Die Gläubigerversammlung kann in jeder ordnungsgemäß einberufenen Versammlung den Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung stellen. Zusätzlich zu der Summenmehrheit ist mit dem ESUG – entsprechend der Regelung in § 57 – für den Antrag das Erfordernis der Kopfmehrheit eingeführt worden, um zu verhindern, dass die Aufhebung der Eigenverwaltung durch wenige Großgläubiger oder eine geschickt agierende Kleingläubigergruppe erfolgen kann.4) Der Aufhebungsantrag ist an keinerlei Voraussetzungen geknüpft. Das Gericht hat ihm ohne Sachprüfung zu entsprechen.
3
Einzelnen Gläubigern steht nicht die Möglichkeit zu, die Aufhebung des Beschlusses nach § 78 zu beantragen.5) Es widerspräche dem Sinn und Zweck der Norm, der Gläubigerversammlung nicht die Letztentscheidung über die Aufhebung der Eigenverwaltung und damit die Rückkehr zum Regelverfahren unter der Aussicht eines Insolvenzverwalters zu überlassen. Sie müsste sich durch das Rechts-
4
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
BGBl. I 2011, 2582. BT-Drucks. 17/5712, S. 42. A. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 272 Rz. 4; A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 272 Rz. 10, 11. BT-Drucks. 17/5712, S. 41. BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 1622, dazu EWiR 2011, 651 (Bähr); Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 272 Rz. 13–15; Wittig/Tetzlaff in: MünchKommInsO, § 272 Rz. 9; a. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 272 Rz. 10; Landfermann in: HKInsO, § 272 Rz. 4.
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§ 272
Aufhebung der Anordnung
mittel eines überstimmten Gläubigers nachträglich gegenüber dem Insolvenzgericht rechtfertigen, obwohl das Gesetz eine Begründung der Entscheidung nicht vorsieht.6) Der Gefahr des Mehrheitsmissbrauchs, die zur Begründung der Rechtsmittelmöglichkeit angeführt wird,7) begegnet die Neuregelung gerade durch die zusätzliche Einführung der Kopfmehrheit für einen Aufhebungsbeschluss der Gläubigerversammlung. 2.
Antrag einzelner Gläubiger
5
Um bei drohenden Gläubigernachteilen i. R. der Eigenverwaltung schnell reagieren zu können,8) räumt das Gesetz absonderungsberechtigten Gläubigern (§§ 49 ff) und Insolvenzgläubigern (§ 38), nicht aber nachrangigen Gläubigern (§ 39)9) die Möglichkeit ein, die Aufhebung der Eigenverwaltung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle10) zu beantragen. Das gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes unabhängig davon, ob eine Gläubigerversammlung hätte einberufen werden können.11) Die Voraussetzungen für einen solchen Antrag sind durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)12) jedoch verschärft worden. Der Antrag des Gläubigers ist nur zulässig, wenn er durch neue Tatsachen mit den Mitteln des § 294 ZPO glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 Nr. 2 entfallen sind und ihm durch die Eigenverwaltung erhebliche Nachteile drohen. Unklarheiten über das Vorliegen dieser Voraussetzungen gehen zulasten des Gläubigers.13) Vor der Entscheidung des Insolvenzgerichts ist der Schuldner anzuhören (Abs. 2 Satz 2, § 10).
6
Im Falle der Ablehnung des Aufhebungsantrages kann der antragstellende Gläubiger, bei Aufhebung der Eigenverwaltung kann der Schuldner sofortige Beschwerde einlegen (Abs. 2 Satz 3). 3.
Antrag des Schuldners
7
Der Schuldner kann in jeder Phase des Insolvenzverfahrens ohne Gründe die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen. Das Insolvenzgericht hat diesem Antrag zu entsprechen. Gegen den Willen des Schuldners ist die Eigenverwaltung nicht möglich.
8
Bei juristischen Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind hinsichtlich der Antragstellung die allgemeinen Vertretungsregelungen maßgebend.14)
_____________ 6) 7) 8) 9) 10) 11)
BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 1622. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 272 Rz. 10. BT-Drucks. 12/2443, S. 224 – zu § 333. A. A Landfermann in: HK-InsO, § 272 Rz. 5. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 14. Landfermann in: HK-InsO, § 272 Rz. 6; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 272 Rz. 19; a. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 272 Rz. 14. 12) BGBl. I 2011, 2582. 13) BT-Drucks. 17/5712, S. 42; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 272 Rz. 7. 14) Landfermann in: HK-InsO, § 272 Rz. 9; a. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 272 Rz. 19.
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§ 274
Rechtsstellung des Sachwalters
III. Folgeentscheidungen Das Insolvenzgericht (Rechtspfleger, § 18 RPflG) hat entsprechend §§ 56, 56a, einen Insolvenzverwalter zu bestellen. Dies kann der bisherige Sachwalter sein.
9
Es hat außerdem die Anordnung gemäß § 28 Abs. 3 zu treffen und die Mitteilungen nach §§ 31 – 33 zu veranlassen. Um Klarheit über die Wirksamkeit von Rechtshandlungen zu erzielen, sollte der Beschluss auch die Stunde seines Erlasses angeben.15)
10
_____________ 15) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 272 Rz. 33.
§ 273 Öffentliche Bekanntmachung Der Beschluss des Insolvenzgerichts, durch den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung angeordnet oder die Anordnung aufgehoben wird, ist öffentlich bekannt zu machen. Die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung oder deren Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen, damit der Geschäftsverkehr Klarheit über die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse im Insolvenzverfahren erlangt.1) Daneben sind auch die mit diesen Entscheidungen verbundenen Anordnungen (z. B. § 28 Abs. 3, Insolvenzverwalter- oder Sachwalterbestellung) zu veröffentlichen.2) Für die Art und Weise der Veröffentlichung ist § 9 maßgebend.
1
Wird die Eigenverwaltung bereits im Eröffnungsbeschluss angeordnet, so erfolgt die Veröffentlichung dieser Anordnung im Zusammenhang mit dem Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 Abs. 1. _____________
2
1) 2)
Begr. z. § 334 RegE/§ 273 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 524. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 273 Rz. 6, 7.
§ 274 Rechtsstellung des Sachwalters (1) Für die Bestellung des Sachwalters, für die Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie für die Haftung und die Vergütung des Sachwalters gelten § 27 Absatz 2 Nummer 4, ) § 54 Nummer 2 und die §§ 56 bis 60, 62 bis 65 entsprechend. (2) 1Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. 2 § 22 Abs. 3 gilt entsprechend. (3) 1Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzu-
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§ 274
Rechtsstellung des Sachwalters
III. Folgeentscheidungen Das Insolvenzgericht (Rechtspfleger, § 18 RPflG) hat entsprechend §§ 56, 56a, einen Insolvenzverwalter zu bestellen. Dies kann der bisherige Sachwalter sein.
9
Es hat außerdem die Anordnung gemäß § 28 Abs. 3 zu treffen und die Mitteilungen nach §§ 31 – 33 zu veranlassen. Um Klarheit über die Wirksamkeit von Rechtshandlungen zu erzielen, sollte der Beschluss auch die Stunde seines Erlasses angeben.15)
10
_____________ 15) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 272 Rz. 33.
§ 273 Öffentliche Bekanntmachung Der Beschluss des Insolvenzgerichts, durch den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung angeordnet oder die Anordnung aufgehoben wird, ist öffentlich bekannt zu machen. Die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung oder deren Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen, damit der Geschäftsverkehr Klarheit über die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse im Insolvenzverfahren erlangt.1) Daneben sind auch die mit diesen Entscheidungen verbundenen Anordnungen (z. B. § 28 Abs. 3, Insolvenzverwalter- oder Sachwalterbestellung) zu veröffentlichen.2) Für die Art und Weise der Veröffentlichung ist § 9 maßgebend.
1
Wird die Eigenverwaltung bereits im Eröffnungsbeschluss angeordnet, so erfolgt die Veröffentlichung dieser Anordnung im Zusammenhang mit dem Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 Abs. 1. _____________
2
1) 2)
Begr. z. § 334 RegE/§ 273 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 524. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 273 Rz. 6, 7.
§ 274 Rechtsstellung des Sachwalters (1) Für die Bestellung des Sachwalters, für die Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie für die Haftung und die Vergütung des Sachwalters gelten § 27 Absatz 2 Nummer 4, ) § 54 Nummer 2 und die §§ 56 bis 60, 62 bis 65 entsprechend. (2) 1Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. 2 § 22 Abs. 3 gilt entsprechend. (3) 1Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzu-
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§ 274
Rechtsstellung des Sachwalters
III. Folgeentscheidungen Das Insolvenzgericht (Rechtspfleger, § 18 RPflG) hat entsprechend §§ 56, 56a, einen Insolvenzverwalter zu bestellen. Dies kann der bisherige Sachwalter sein.
9
Es hat außerdem die Anordnung gemäß § 28 Abs. 3 zu treffen und die Mitteilungen nach §§ 31 – 33 zu veranlassen. Um Klarheit über die Wirksamkeit von Rechtshandlungen zu erzielen, sollte der Beschluss auch die Stunde seines Erlasses angeben.15)
10
_____________ 15) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 272 Rz. 33.
§ 273 Öffentliche Bekanntmachung Der Beschluss des Insolvenzgerichts, durch den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung angeordnet oder die Anordnung aufgehoben wird, ist öffentlich bekannt zu machen. Die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung oder deren Aufhebung sind öffentlich bekannt zu machen, damit der Geschäftsverkehr Klarheit über die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse im Insolvenzverfahren erlangt.1) Daneben sind auch die mit diesen Entscheidungen verbundenen Anordnungen (z. B. § 28 Abs. 3, Insolvenzverwalter- oder Sachwalterbestellung) zu veröffentlichen.2) Für die Art und Weise der Veröffentlichung ist § 9 maßgebend.
1
Wird die Eigenverwaltung bereits im Eröffnungsbeschluss angeordnet, so erfolgt die Veröffentlichung dieser Anordnung im Zusammenhang mit dem Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 Abs. 1. _____________
2
1) 2)
Begr. z. § 334 RegE/§ 273 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 524. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 273 Rz. 6, 7.
§ 274 Rechtsstellung des Sachwalters (1) Für die Bestellung des Sachwalters, für die Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie für die Haftung und die Vergütung des Sachwalters gelten § 27 Absatz 2 Nummer 4, ) § 54 Nummer 2 und die §§ 56 bis 60, 62 bis 65 entsprechend. (2) 1Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. 2 § 22 Abs. 3 gilt entsprechend. (3) 1Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzu-
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§ 274
Rechtsstellung des Sachwalters
zeigen. 2Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, so hat der Sachwalter an dessen Stelle die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, und die absonderungsberechtigten Gläubiger zu unterrichten.
)
Absatz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete dieser Passus: „(1) … gelten § 27 Absatz 2 Nummer 5, ...“
Literatur: Pape, Die Eigenverwaltung des Schuldners nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 895. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Person und Stellung des Sachwalters (Abs. 1) ..................................... 2
I. 1
III. Prüfungs- und Überwachungspflichten (Abs. 2) ................................. 6 IV. Anzeigepflichten (Abs. 3) ................... 7
Normzweck und -inhalt
Die Vorschrift regelt die grundlegende Rechtsstellung des Sachwalters, und zwar einerseits im Verhältnis zum Schuldner, andererseits in Abgrenzung zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters im regulären Insolvenzverfahren.1) II. Person und Stellung des Sachwalters (Abs. 1)
2
Für die Auswahl des Sachwalters gelten §§ 56, 56a, betreffend den Insolvenzverwalter entsprechend. Zum Sachwalter ist daher – unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Beteiligungen der Gläubigerschaft (§ 56a) – eine geeignete, geschäftskundige und von den Gläubigern und den Schuldnern unabhängige2) natürliche Person zu bestellen. Eine Abweichung von einem Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Sachwalters hat das Gericht – wie durch die Verweisung in Absatz 1 auf § 27 Abs. 2 Nr. 4 klargestellt wird – im Eröffnungsbeschluss schriftlich zu begründen. Die erste Gläubigerversammlung3) kann gemäß §§ 274 Abs. 1, 57 mit Kopf- und Summenmehrheit einen anderen als den vom Gericht bestellten Sachwalter wählen. Das Gericht kann die Ernennung dieser Person nur verweigern, wenn sie für die Tätigkeit ungeeignet ist. Gegen den gerichtlichen Versagungsbeschluss steht nur dem einzelnen Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.
3
Der Sachwalter steht ebenso wie der Insolvenzverwalter unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts (§§ 58, 59). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Gericht beim Sachwalter nur zu prüfen hat, ob dieser seine Kontroll- und Mitwirkungsaufgaben ordnungsgemäß erfüllt, denn die Geschäfte führt nicht der Sachwalter, sondern der Schuldner. Eine höhere Kontrolldichte als beim Insolvenzverwalter ist gesetzlich nicht vorgesehen und auch nicht notwendig.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Blersch/Goetsch/Haas-Spliedt, InsO, § 274 Rz. 2. Vgl. dazu AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 1875, dazu EWiR 2012, 705 (Schulte-Kaubrügger). AG Stendal, Beschl. v. 1.10.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 2030. Landfermann in: HK-InsO, § 274 Rz. 4; a. A. Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 679.
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§ 274
Rechtsstellung des Sachwalters
Der Sachwalter haftet für die Erfüllung seiner insolvenzspezifischen Pflichten (§ 60). Eine unmittelbare Haftung wegen der Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten (§ 61) sieht die Vorschrift nicht vor, denn in Absatz 1 wird nicht auf § 61 verwiesen. Masseverbindlichkeiten werden außerdem nicht durch den Sachwalter, sondern den Schuldner begründet (siehe dazu § 270a Rz. 19). Gemäß § 277 Abs. 1 Satz 3 gilt § 61 jedoch entsprechend, wenn der Sachwalter der Begründung einer Masseverbindlichkeit bei Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts zustimmt.
4
Als Vergütung erhält der Sachwalter in der Regel 60 % der Insolvenzverwaltervergütung (Abs. 1 i. V. m. § 54 Nr. 2, §§ 63 – 65 InsO, § 12 InsVV). Zur Vergütung des vorläufigen Sachwalters vgl. § 270a Rz. 12.
5
III. Prüfungs- und Überwachungspflichten (Abs. 2) Als permanente Pflicht5) hat der Sachwalter die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu überprüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners, die dieser gemäß § 278 entnehmen darf, zu überwachen. Dabei hat er sich anhand der Bücher und Geschäftspapiere einen eigenen Überblick über die Vermögenslage, die Fortführungskonzeption sowie die Liquiditätsplanung zu verschaffen (Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 3 Satz 1).6) Den Schuldner treffen entsprechende Mitwirkungspflichten (Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 3 Satz 2, 3), damit der Sachwalter seine Aufgaben wahrnehmen kann.
6
IV. Anzeigepflichten (Abs. 3) Zum Schutz der Gläubiger und um ihnen Reaktionsmöglichkeiten zu geben (§§ 272, 277) hat der Sachwalter bei drohenden Nachteilen im Falle der Fortsetzung der Eigenverwaltung unverzüglich das Insolvenzgericht und den Gläubigerausschuss zu informieren. Ist ein solcher nicht bestellt, hat der Sachwalter die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben und die absonderungsberechtigten Gläubiger zu unterrichten. Dabei können sich allein aufgrund der Vielzahl der Gläubiger erhebliche praktische Probleme ergeben, die dadurch gelöst werden können, dass der Sachwalter analog § 277 Abs. 3 Satz 1 die Anzeige an das Insolvenzgericht öffentlich bekannt macht oder durch das Insolvenzgericht bekannt machen lässt.7) Drohende Nachteile, die eine Unterrichtungspflicht begründen, liegen z. B. vor bei fehlender oder unsachgemäßer Buchführung des Schuldners, zu hohen Entnahmen für seine Lebensführung oder unkooperativem Verhalten.8)
_____________ 5) 6) 7) 8)
Pape in: Kölner Schrift, S. 895 Rz. 24. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 274 Rz. 25. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 274 Rz. 66; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 274 Rz. 22. Landfermann in: HK-InsO, § 274 Rz. 11; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 274 Rz. 35.
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§ 275
Mitwirkung des Sachwalters
§ 275 Mitwirkung des Sachwalters (1) 1Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen. 2Auch Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll er nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht. (2) Der Sachwalter kann vom Schuldner verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Zustimmung zur Begründung von Verbindlichkeiten (Abs. 1) ................. 2
I. 1
III. Übernahme der Kassenverwaltung (Abs. 2) .................................................. 5
Normzweck und -inhalt
Die Vorschrift räumt dem Sachwalter zur Erfüllung seiner Überwachungs- und Mitteilungspflichten sowie zur Verhinderung der Masseaushöhlung abgestufte Mitwirkungsrechte ein. II. Zustimmung zur Begründung von Verbindlichkeiten (Abs. 1)
2
Das Gesetz unterscheidet bei der Begründung neuer Verbindlichkeiten zwischen Rechtshandlungen, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, und solchen, die der Schuldner außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs eingehen will. Für die Abgrenzung sind die Art und der Umfang des bisherigen Schuldnergeschäfts von Bedeutung. Zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören jedenfalls Tagesgeschäfte, die der Erhaltung der Substanz des Unternehmens und der Erzielung von Gewinnen dienen.1) Bei diesen Geschäften steht dem Sachwalter lediglich ein Widerspruchsrecht zu. Nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören dagegen regelmäßig die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken und Kreditaufnahmen.2) Diese Geschäfte soll der Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters vornehmen. Zur Frage der Begründung von Masseverbindlichkeiten und der Zustimmung des Sachwalters vgl. § 270a Rz. 14 ff, 23.
3
Im Außenverhältnis sind die von dem Schuldner vorgenommenen Geschäfte – bis zur Grenze der Nichtigkeit gemäß § 138 BGB wegen eines kollusiven Zusammenwirkens zum Nachteil der Insolvenzmasse zwischen Gläubiger und Schuldner3) – auch dann wirksam, wenn die Zustimmung fehlt oder der Sachwalter Widerspruch eingelegt hat, weil die dem Schuldner gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 eingeräumte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch Absatz 1 nicht beschränkt wird (Argument
_____________ 1) 2) 3)
Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 7; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 3. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 7. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 15; Landfermann in: HK-InsO, § 275 Rz. 5; UhlenbruckUhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 3.
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§ 276
Mitwirkung des Gläubigerausschusses
aus §§ 164, 277).4) Für den Bereich des Arbeitsrechts sieht § 279 Satz 3 allerdings eine gesetzliche Ausnahme vor. Absatz 1 findet keine Anwendung auf Geschäfte, die der Schuldner für seine private Lebensführung eingeht, weil mit § 278 insoweit eine Spezialregelung vorliegt.5)
4
III. Übernahme der Kassenverwaltung (Abs. 2) Der Sachwalter kann sich vorbehalten, selbst Zahlungen entgegenzunehmen oder zu leisten, um rechtswidrigen Geldfluss zu verhindern.6) Die Entscheidung zur Übernahme der Kassenführung, zu der Verpflichtungen oder Verfügungen aller Art gehören,7) hat allein der Sachwalter zu treffen; sie steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen.8) Anlass besteht, wenn der Sachwalter befürchten muss, dass der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, also z. B. Maßnahmen trifft, die die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung in Frage stellen.9)
5
Übernimmt der Sachwalter die Aufgabe der Kassenführung, handelt er insoweit als gesetzlicher Vertreter des Schuldners.10) Da diese Aufgabenübernahme im Außenverhältnis jedoch nicht die Vermögens- und Verfügungsbefugnis des Schuldners beseitigt (oben Rz. 3), sind Zahlungen, die der Schuldner selbst leistet, wirksam, Zahlungen an den Schuldner wirken schuldbefreiend.11)
6
_____________ 4) AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 12; Landfermann in: HK-InsO, § 275 Rz. 5; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 15. 5) Landfermann in: HK-InsO, § 275 Rz. 2; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 7; Wittig/ Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 4. 6) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 16. 7) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 28. 8) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 275 Rz. 24. 9) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 275 Rz. 24; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 7; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 18. 10) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 8. 11) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 19.
§ 276 Mitwirkung des Gläubigerausschusses 1
Der Schuldner hat die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. 2§ 160 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 161 Satz 2 und § 164 gelten entsprechend. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Zustimmung zu Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung .......... 2
III. Vorläufige Untersagung der Rechtshandlung ................................... 8 IV. Anwendbarkeit der §§ 162, 163 ........ 10
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§ 276
Mitwirkung des Gläubigerausschusses
aus §§ 164, 277).4) Für den Bereich des Arbeitsrechts sieht § 279 Satz 3 allerdings eine gesetzliche Ausnahme vor. Absatz 1 findet keine Anwendung auf Geschäfte, die der Schuldner für seine private Lebensführung eingeht, weil mit § 278 insoweit eine Spezialregelung vorliegt.5)
4
III. Übernahme der Kassenverwaltung (Abs. 2) Der Sachwalter kann sich vorbehalten, selbst Zahlungen entgegenzunehmen oder zu leisten, um rechtswidrigen Geldfluss zu verhindern.6) Die Entscheidung zur Übernahme der Kassenführung, zu der Verpflichtungen oder Verfügungen aller Art gehören,7) hat allein der Sachwalter zu treffen; sie steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen.8) Anlass besteht, wenn der Sachwalter befürchten muss, dass der Schuldner seine insolvenzrechtlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt, also z. B. Maßnahmen trifft, die die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung in Frage stellen.9)
5
Übernimmt der Sachwalter die Aufgabe der Kassenführung, handelt er insoweit als gesetzlicher Vertreter des Schuldners.10) Da diese Aufgabenübernahme im Außenverhältnis jedoch nicht die Vermögens- und Verfügungsbefugnis des Schuldners beseitigt (oben Rz. 3), sind Zahlungen, die der Schuldner selbst leistet, wirksam, Zahlungen an den Schuldner wirken schuldbefreiend.11)
6
_____________ 4) AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 12; Landfermann in: HK-InsO, § 275 Rz. 5; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 15. 5) Landfermann in: HK-InsO, § 275 Rz. 2; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 7; Wittig/ Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 275 Rz. 4. 6) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 16. 7) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 28. 8) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 275 Rz. 24. 9) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 275 Rz. 24; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 7; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 18. 10) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 275 Rz. 8. 11) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 275 Rz. 19.
§ 276 Mitwirkung des Gläubigerausschusses 1
Der Schuldner hat die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. 2§ 160 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 161 Satz 2 und § 164 gelten entsprechend. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Zustimmung zu Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung .......... 2
III. Vorläufige Untersagung der Rechtshandlung ................................... 8 IV. Anwendbarkeit der §§ 162, 163 ........ 10
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§ 276 I. 1
Mitwirkung des Gläubigerausschusses
Normzweck und -inhalt
Die Norm stellt klar, dass der Gläubigerausschuss bei der Durchführung eines Insolvenzverfahrens i. R. der Eigenverwaltung genau so einzubinden ist wie bei der Verfahrensabwicklung durch einen Insolvenzverwalter.1) II. Zustimmung zu Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung
2
Der Schuldner, nicht der Sachwalter,2) hat bei Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung, die in § 160 Abs. 2 beispielhaft aufgeführt werden, die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen. Ist ein solcher nicht bestellt, so tritt an seine Stelle die Gläubigerversammlung.
3
Rechtshandlung i. S. der Vorschrift ist jede willentliche Handlung, die eine rechtliche Wirkung auslösen soll. Der Begriff umfasst, wie die Beispielsfälle in § 160 Abs. 2 zeigen, – anders als im BGB3) – auch Rechtsgeschäfte und Prozesshandlungen.
4
Bedeutende Rechtshandlungen sind neben den in § 160 Abs. 2 aufgeführten insbesondere solche, mit denen eine Weiche für das Insolvenzverfahren gestellt wird und nicht nur eine reine Wirtschaftlichkeitskontrolle stattfinden soll.4)
5
Zustimmung bedeutet vorherige Einwilligung (§ 183 BGB), nicht aber rückwirkende Genehmigung (§ 184 BGB). Die anderweitige Auffassung5) ist mit dem Sinn und Zweck der Regelung, eine Gläubigerbeteiligung vor der Entscheidung sicherzustellen, unvereinbar. Für das Zustimmungsverfahren sind die allgemeinen Regelungen (§§ 74 ff) maßgebend.
6
Neben der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung ist die Zustimmung des Sachwalters nicht erforderlich, auch wenn die bedeutsame Rechtshandlung zugleich eine Verbindlichkeit beinhaltet, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehört (§ 275 Satz 1). Als übergeordnetes Entscheidungsgremium macht die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung die Mitwirkung des Sachwalters nach § 275 entbehrlich.6) Die Gegenmeinung, die eine zusätzliche Zustimmung des Sachwalters fordert,7) setzt sich nicht mit der Frage auseinander, welche Folgen divergierende Entscheidungen von Sachwalter und Gläubigergremium haben.
7
Fehlt die erforderliche Zustimmung, so ist die Rechtshandlung des Schuldners dennoch wirksam (Satz 2 i. V. m. § 164). _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6) 7)
Begr. z. § 337 RegE/§ 276 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 527. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276 Rz. 8; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 5. Vgl. dazu BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, WM 1975, 1182. Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 1159. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 276 Rz. 8; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276 Rz. 9, die bei einer nachträglichen Genehmigung nur die Eigenmächtigkeit des schuldnerischen Handelns entfallen lassen wollen. A. A. Landfermann in: HK-InsO, § 276 Rz. 1; Wittig in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 9; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 276 Rz. 3. Landfermann in: HK-InsO, § 276 Rz. 1; Wittig in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 9; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 276 Rz. 3.
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Graf-Schlicker
§ 276a
Mitwirkung der Überwachungsorgane
III. Vorläufige Untersagung der Rechtshandlung Ist ein Gläubigerausschuss bestellt und hat dieser einer Rechtshandlung des Schuldners bereits zugestimmt, so kann – wie die Verweisung auf § 161 Satz 2 zeigt – die in § 75 Abs. 1 Nr. 3 festgelegte Minderheit der Gläubiger beim Insolvenzgericht beantragen, die vom Schuldner beabsichtigte Rechtshandlung vorläufig zu untersagen und eine Gläubigerversammlung zur Entscheidung über die Vornahme der Rechtshandlung einzuberufen. Das Insolvenzgericht hat nach pflichtgemäßem Interesse zu prüfen, ob die im Streit stehende Rechtshandlung dem gemeinsamen Interesse aller Insolvenzgläubiger entspricht.8) Vor der Entscheidung über die vorläufige Untersagung hat es den Sachwalter, der an die Stelle des Insolvenzverwalters aus dem Regelverfahren (§ 161 Satz 2) tritt, anzuhören.9) Aus dem Gesichtspunkt der Gewährung des rechtlichen Gehörs ist auch der Schuldner anzuhören, da er die zustimmungspflichtige Rechtshandlung vornehmen möchte.10) Sinn und Zweck dieser Norm ist es, die Rechte der Gläubigerversammlung im Verhältnis zum Gläubigerausschuss zu stärken.11)
8
Trotz der vorläufigen Untersagung bleibt die Rechtshandlung im Außenverhältnis wirksam (§ 164).12)
9
IV. Anwendbarkeit der §§ 162, 163 Die §§ 162, 163 sind – auch wenn sie in § 276 nicht ausdrücklich genannt sind – ihrem Sinn und Zweck nach, die Entscheidung über die Betriebsveräußerung an Insider oder unter Wert wegen der Missbrauchsgefahr an die Zustimmung der Gläubigerversammlung zu knüpfen, im Eigenverwaltungsverfahren anzuwenden. Der fehlende Verweis in § 276 erklärt sich daraus, dass diese Norm die Mitwirkung des Gläubigerausschusses regelt, während die §§ 162, 163 die Beteiligung der Gläubigerversammlung anordnen.13) _____________ 8) Blersch/Goetsch/Haas-Spliedt, InsO, § 276 Rz. 12; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 14. 9) Begr. z. § 337 RegE/§ 276 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 527. 10) I. E. ebenso: Blersch/Goetsch/Haas-Spliedt, InsO, § 276 Rz. 11; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 15. 11) Begr. z. § 180 RegE/§ 161 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 174, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 385. 12) Landfermann in: HK-InsO, § 276 Rz. 6; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 16. 13) Landfermann in: HK-InsO, § 276 Rz. 7; Nerlich/Römermann-Riggert, InsO, § 276 Rz. 6.
§ 276a Mitwirkung der Überwachungsorgane 1
Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners. 2Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung ist nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt. 3Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Maßnahme nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt. Graf-Schlicker
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§ 276a
Mitwirkung der Überwachungsorgane
III. Vorläufige Untersagung der Rechtshandlung Ist ein Gläubigerausschuss bestellt und hat dieser einer Rechtshandlung des Schuldners bereits zugestimmt, so kann – wie die Verweisung auf § 161 Satz 2 zeigt – die in § 75 Abs. 1 Nr. 3 festgelegte Minderheit der Gläubiger beim Insolvenzgericht beantragen, die vom Schuldner beabsichtigte Rechtshandlung vorläufig zu untersagen und eine Gläubigerversammlung zur Entscheidung über die Vornahme der Rechtshandlung einzuberufen. Das Insolvenzgericht hat nach pflichtgemäßem Interesse zu prüfen, ob die im Streit stehende Rechtshandlung dem gemeinsamen Interesse aller Insolvenzgläubiger entspricht.8) Vor der Entscheidung über die vorläufige Untersagung hat es den Sachwalter, der an die Stelle des Insolvenzverwalters aus dem Regelverfahren (§ 161 Satz 2) tritt, anzuhören.9) Aus dem Gesichtspunkt der Gewährung des rechtlichen Gehörs ist auch der Schuldner anzuhören, da er die zustimmungspflichtige Rechtshandlung vornehmen möchte.10) Sinn und Zweck dieser Norm ist es, die Rechte der Gläubigerversammlung im Verhältnis zum Gläubigerausschuss zu stärken.11)
8
Trotz der vorläufigen Untersagung bleibt die Rechtshandlung im Außenverhältnis wirksam (§ 164).12)
9
IV. Anwendbarkeit der §§ 162, 163 Die §§ 162, 163 sind – auch wenn sie in § 276 nicht ausdrücklich genannt sind – ihrem Sinn und Zweck nach, die Entscheidung über die Betriebsveräußerung an Insider oder unter Wert wegen der Missbrauchsgefahr an die Zustimmung der Gläubigerversammlung zu knüpfen, im Eigenverwaltungsverfahren anzuwenden. Der fehlende Verweis in § 276 erklärt sich daraus, dass diese Norm die Mitwirkung des Gläubigerausschusses regelt, während die §§ 162, 163 die Beteiligung der Gläubigerversammlung anordnen.13) _____________ 8) Blersch/Goetsch/Haas-Spliedt, InsO, § 276 Rz. 12; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 14. 9) Begr. z. § 337 RegE/§ 276 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 224, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 527. 10) I. E. ebenso: Blersch/Goetsch/Haas-Spliedt, InsO, § 276 Rz. 11; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 15. 11) Begr. z. § 180 RegE/§ 161 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 174, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 385. 12) Landfermann in: HK-InsO, § 276 Rz. 6; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 276 Rz. 16. 13) Landfermann in: HK-InsO, § 276 Rz. 7; Nerlich/Römermann-Riggert, InsO, § 276 Rz. 6.
§ 276a Mitwirkung der Überwachungsorgane 1
Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners. 2Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung ist nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt. 3Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Maßnahme nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt. Graf-Schlicker
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§ 276a
Mitwirkung der Überwachungsorgane
Literatur: Graf-Schlicker, Gefährdet die Eigenverwaltung die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters?, in: Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, 2003, S. 135; Klöhn, Kann die Hauptversammlung in der Eigenverwaltung der Aktiengesellschaft nicht den Aufsichtsrat wählen?, DB 2013, 41; Köchling, Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung?, ZInsO 2003, 53; Noack, „Holzmüller“ in der Eigenverwaltung – Zur Stellung von Vorstand und Hauptversammlung im Insolvenzverfahren, ZIP 2002, 1873; Prütting/Huhn, Kollision von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung?, ZIP 2002, 777; Ringstmeier/Homann, Nebeneinander von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung!, NZI 2002, 406; Scheibner, Stellung der Gesellschaftsorgane einer juristischen Person in der Eigenverwaltung nach InsO, DZWIR 2013, 279; K. Schmidt, „Altlasten in der Insolvenz“ – unendliche Geschichte oder ausgeschriebenes Drama?, ZIP 2000, 1913; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht im ESUG-Entwurf, BB 2011, 1603; Smid, Zu einigen Fragen der Eigenverwaltung, DZWIR 2002, 493; Ströhmann/Längsfeld, Die Geschäftsführungsbefugnis in der GmbH im Rahmen der Eigenverwaltung, NZI 2013, 271, Zipperer, Die Einflussnahme der Aufsichtsorgane auf die Geschäftsleitung in der Eigenverwaltung – eine Chimäre vom Gesetzgeber, Trugbild oder Mischwesen?, ZIP 2012, 1492. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Überwachungsorgane in der Eigenverwaltung .................................. 2
I. 1
III. Abberufung und Neubestellung der Geschäftsleitung ............................ 3 IV. Keine Anwendung der Vorschrift auf das Eröffnungsverfahren .............. 4
Normzweck und -inhalt
Die durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)1) eingefügte Vorschrift klärt das bis dahin umstrittene Verhältnis der Eigenverwaltung zu den gesellschaftsrechtlichen Weisungsbefugnissen und Kontrollrechten.2) Im Wesentlichen wurden dazu drei Auffassungen3) vertreten: Die weitestgehende Ansicht wollte die gesellschaftsrechtlichen Bindungen vollständig aufrechterhalten.4) Weiterhin wurde vertreten, die gesellschaftlichen Befugnisse dürften nur insoweit ausgeübt werden, als sie mit dem Insolvenzzweck in Einklang stünden, entgegenstehende Weisungen seien unwirksam. Die Kontrolle der Gesellschaft erfolge nicht über die Hauptversammlung, sondern über den Gläubigerausschuss.5) Schließlich wurde die Auffassung vertreten, gesellschaftsrechtliche Beschränkungen seien für das Geschäftsleitungsorgan nur insoweit bindend, als sie auch einen Insolvenzverwalter treffen würden.6) Von dieser Auffassung hat sich der Gesetzgeber bei der Neuregelung leiten lassen.7) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
7)
BGBl. I 2011 S. 2582. BT-Drucks. 17/5712, S. 42. Vgl. zur früheren Rechtslage auch Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276a Rz. 11 m. w. N. Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406. Noack, ZIP 2002, 1873; Smid, DZWIR 2002, 493, 499. Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 626 ff; Graf-Schlicker in: FS Kirchhof, S. 135, 146 ff; GrafSchlicker-Graf-Schlicker, InsO, 2. Aufl., § 270 Rz. 25; Köchling, ZInsO 2003, 53, 55; Kübler/ Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270 Rz. 48 f; Landfermann in: HK-InsO, § 270 Rz. 25; Wittig/ Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, vor § 270 Rz. 74c; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777. BT-Drucks. 17/5712, S. 42.
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§ 276a
Mitwirkung der Überwachungsorgane
II. Überwachungsorgane in der Eigenverwaltung Die Geschäftsleitung einer insolventen juristischen Person (insbesondere AG, GmbH, KGaA, Verein) oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (insbesondere OHG, KG, BGB-Gesellschaft) unterliegt nach Satz 1 nicht der Kontrolle der Aufsichtsorgane und der Gesellschafterversammlung. Im eigenverwaltenden Insolvenzverfahren wird die Überwachung der wirtschaftlichen Entscheidungen der Geschäftsleitung allein von den insolvenzrechtlichen Organen, also dem Sachwalter, dem Gläubigerausschuss und der Gläubigerversammlung wahrgenommen.8) Diese Lösung aus den gesellschaftlichen Bindungen ist im Insolvenzverfahren gerechtfertigt.9) Dem Schuldner bleibt zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, er handelt jedoch nicht als Privatperson, sondern wird im Insolvenzverfahren mit besonderen Rechten und Pflichten ausgestattet;10) nicht seine Anliegen sind maßgeblich, sondern die Interessen der Gläubigerschaft an einer gleichmäßigen Befriedigung im Insolvenzverfahren.11) Deshalb ist es gerechtfertigt, den Schuldner, der Aufgaben des Insolvenzverwalters übernimmt, hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Bindungen mit dem Insolvenzverwalter, der solchen Beschränkungen nicht unterliegt (§ 80), gleichzustellen.12) Daraus folgt zugleich, dass den Organen solche Kompetenzen bleiben, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (sog. „insolvenzneutraler Schuldnerbereich“).13) Das Recht der Hauptversammlung zur Wahl des Aufsichtsrats bleibt daher bestehen.14) Dementsprechend kann ein Aktionär gemäß § 122 Abs. 1 AktG die Einberufung der Hauptversammlung verlangen.15) Maßnahmen der Organe der juristischen Personen oder der Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die unter Verstoß gegen Satz 1 ergriffen wurden, sind unwirksam, binden demgemäß die Geschäftsführung nicht.16)
2
III. Abberufung und Neubestellung der Geschäftsleitung Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung, z. B. Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern, verbleibt dagegen nach Satz 2 im Zuständigkeitsbereich der Gesellschaftsorgane. Allerdings ist deren Entscheidung _____________ 8) BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 9) So auch Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 23; a. A. K. Schmidt, BB 2011, 1603, 1606. 10) Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 23. 11) Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. 12) Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 23; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 276a Rz. 3; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276a Rz. 24, der meint, aus dem Wortlaut des Gesetzes lasse sich dies nicht herleiten. 13) K. Schmidt-Undritz, InsO, § 276a Rz. 3; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 264 Rz. 79; Jaeger/Henckel/Gerhardt-Windel, InsO, § 80 Rz. 81; Zipperer, ZIP 2012, 1492; a. A. K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916 f. 14) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.4.2013 – I-3 Wx 36/13, ZIP 2013, 1022, dazu EWiR 2013, 559 (Klöhn); Klöhn, DB 2013, 41, 43; Ströhmann/Längsfeld, NZI 2013, 271, 275; K. SchmidtUndritz, InsO, § 276a Rz. 3; a. A. AG Montabaur, Beschl. v. 19.4.2012 – HRB 20744, ZIP 2012, 1307; dazu abl. Scheibner, DZWIR 2013, 279. 15) K. Schmidt-Undritz, InsO, § 276a Rz. 3; a. A. AG Montabaur, Beschl. v. 19.4.2012 – HRB 20744, ZIP 2012, 1307; dazu abl. Scheibner, DZWIR 2013, 279. 16) K. Schmidt-Undritz, InsO, § 276a Rz. 2.
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3
§ 277
Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit
nur wirksam, wenn der Sachwalter zugestimmt hat. Der Sachwalter darf seine Zustimmung aber nur verweigern, wenn die Auswechslung im Bereich der Geschäftsleitung zu Nachteilen für die Gläubigerschaft führt. Das dürfte insbesondere der Fall sein, wenn kein sachlicher Grund für die Auswechslung vorliegt und diese mit erheblichen Kosten für die Masse verbunden ist.17) Der Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters soll einen missbräuchlichen Austausch der Geschäftsleitung verhindern und dessen Unabhängigkeit von den übrigen Gesellschaftsorganen stärken.18) IV. Keine Anwendung der Vorschrift auf das Eröffnungsverfahren 4
Die gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen finden keine Anwendung auf Eröffnungsverfahren nach §§ 270a und 270b. Eine direkte Anwendung sieht die InsO nicht vor. In § 270a ist nur die entsprechende Geltung der §§ 274, 275 angeordnet. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift für das Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung scheidet aus. Eingriffe in Gesellschafterrechte bedürfen schon verfassungsrechtlich einer besonderen Legitimation, die erst durch die Eröffnung eines Insolvenzrechtsverfahrens gegeben wird. Erst zu diesem Zeitpunkt steht fest, dass ein Insolvenzgrund besteht.19) _____________ 17) Vgl. dazu auch die Beispiele bei Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276a Rz. 34 ff. 18) BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 19) Ebenso i. E. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276a Rz. 6; Hofmann in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 33; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 276a Rz. 2; Zipperer, ZIP 2012, 1492.
§ 277 Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit (1) 1Auf Antrag der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht an, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt. 2§ 81 Abs. 1 Satz 2 und 3 und § 82 gelten entsprechend. 3 Stimmt der Sachwalter der Begründung einer Masseverbindlichkeit zu, so gilt § 61 entsprechend. (2) 1Die Anordnung kann auch auf den Antrag eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers ergehen, wenn sie unaufschiebbar erforderlich ist, um Nachteile für die Gläubiger zu vermeiden. 2Der Antrag ist nur zulässig, wenn diese Voraussetzung der Anordnung glaubhaft gemacht wird. (3) 1Die Anordnung ist öffentlich bekannt zu machen. 2§ 31 gilt entsprechend. Soweit das Recht zur Verfügung über ein Grundstück, ein eingetragenes Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder ein Recht an einem solchen Recht beschränkt wird, gelten die §§ 32 und 33 entsprechend. 3
Literatur: Hess-Ruppe, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz einer AG oder einer GmbH, NZI 2002, 577; Kluth, Kabale und Hiebe – Nachgedanken zu einem Vorfall, NZI 2003, 22; Kluth, Eigenverwaltung in der Insolvenz oder ein „Fall mit Sturz“, ZInsO 2002, 1001; Köchling, Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung?, ZInsO 2003, 53; Prütting,
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§ 277
Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit
nur wirksam, wenn der Sachwalter zugestimmt hat. Der Sachwalter darf seine Zustimmung aber nur verweigern, wenn die Auswechslung im Bereich der Geschäftsleitung zu Nachteilen für die Gläubigerschaft führt. Das dürfte insbesondere der Fall sein, wenn kein sachlicher Grund für die Auswechslung vorliegt und diese mit erheblichen Kosten für die Masse verbunden ist.17) Der Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters soll einen missbräuchlichen Austausch der Geschäftsleitung verhindern und dessen Unabhängigkeit von den übrigen Gesellschaftsorganen stärken.18) IV. Keine Anwendung der Vorschrift auf das Eröffnungsverfahren 4
Die gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen finden keine Anwendung auf Eröffnungsverfahren nach §§ 270a und 270b. Eine direkte Anwendung sieht die InsO nicht vor. In § 270a ist nur die entsprechende Geltung der §§ 274, 275 angeordnet. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift für das Eröffnungsverfahren in Eigenverwaltung scheidet aus. Eingriffe in Gesellschafterrechte bedürfen schon verfassungsrechtlich einer besonderen Legitimation, die erst durch die Eröffnung eines Insolvenzrechtsverfahrens gegeben wird. Erst zu diesem Zeitpunkt steht fest, dass ein Insolvenzgrund besteht.19) _____________ 17) Vgl. dazu auch die Beispiele bei Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276a Rz. 34 ff. 18) BT-Drucks. 17/5712, S. 42. 19) Ebenso i. E. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 276a Rz. 6; Hofmann in: Kübler, HRI, § 6 Rz. 33; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 276a Rz. 2; Zipperer, ZIP 2012, 1492.
§ 277 Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit (1) 1Auf Antrag der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht an, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur wirksam sind, wenn der Sachwalter ihnen zustimmt. 2§ 81 Abs. 1 Satz 2 und 3 und § 82 gelten entsprechend. 3 Stimmt der Sachwalter der Begründung einer Masseverbindlichkeit zu, so gilt § 61 entsprechend. (2) 1Die Anordnung kann auch auf den Antrag eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers ergehen, wenn sie unaufschiebbar erforderlich ist, um Nachteile für die Gläubiger zu vermeiden. 2Der Antrag ist nur zulässig, wenn diese Voraussetzung der Anordnung glaubhaft gemacht wird. (3) 1Die Anordnung ist öffentlich bekannt zu machen. 2§ 31 gilt entsprechend. Soweit das Recht zur Verfügung über ein Grundstück, ein eingetragenes Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder ein Recht an einem solchen Recht beschränkt wird, gelten die §§ 32 und 33 entsprechend. 3
Literatur: Hess-Ruppe, Die Eigenverwaltung in der Insolvenz einer AG oder einer GmbH, NZI 2002, 577; Kluth, Kabale und Hiebe – Nachgedanken zu einem Vorfall, NZI 2003, 22; Kluth, Eigenverwaltung in der Insolvenz oder ein „Fall mit Sturz“, ZInsO 2002, 1001; Köchling, Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung?, ZInsO 2003, 53; Prütting,
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§ 277
Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit
Insolvenzabwicklung durch Eigenverwaltung und die Anordnung der Zustimmung des Sachwalters, in: Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, 2003, S. 433. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... II. Voraussetzungen der Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit .......... 1. Antrag der Gläubigerversammlung (Abs. 1) .................................................. 2. Antrag einzelner Gläubiger (Abs. 2) ..................................................
I.
1 2 3 5
III. Anordnung durch das Insolvenzgericht .................................................... 7 IV. Rechtsfolgen der Zustimmungsanordnung ........................................... 10 V. Sachwalterhaftung ............................. 12 VI. Mitteilungs- und Bekanntmachungspflichten ............................ 13
Normzweck und -inhalt
Zum Zwecke des Gläubigerschutzes ermöglicht die Vorschrift, die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Schuldners mit Wirkung gegenüber Dritten dadurch zu beschränken, dass bestimmte Rechtsgeschäfte auf Antrag der Gläubigerversammlung oder in Eilfällen einzelner Gläubiger wirksam lediglich mit Zustimmung des Sachwalters geschlossen werden können. Gutgläubige Dritte werden nur i. R. von § 81 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 82 geschützt. Stimmt der Sachwalter der Begründung von Masseverbindlichkeiten zu, so haftet er entsprechend § 61 persönlich. Wegen der Drittwirkung ist die Anordnung öffentlich bekannt zu machen und in die verschiedenen Register sowie ggf. ins Grundbuch einzutragen.1)
1
II. Voraussetzungen der Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit Der Zustimmungsvorbehalt setzt in der Regel einen Antrag der Gläubigerversammlung voraus. In unaufschiebbaren Fällen kann er auch von einem absonderungsberechtigten Gläubiger oder einem Insolvenzgläubiger beantragt werden. 1.
Antrag der Gläubigerversammlung (Abs. 1)
Das Insolvenzgericht kann die Zustimmungsbedürftigkeit des Sachwalters zu bestimmten Rechtsgeschäften nur auf Antrag, nicht aber – in analoger Anwendung des § 21 Abs. 2 Nr. 2 – von Amts wegen anordnen.2) Die analoge Anwendung dieser Vorschrift würde zunächst voraussetzen, dass § 277 insoweit eine planwidrige Regelungslücke enthält. Das ist bereits nicht der Fall.3) Die Regelungslücke kann nicht damit begründet werden, dass ein Sicherungsbedarf der Gläubiger auch schon vor der Gläubigerversammlung eintreten kann.4) Diesen Fall hat der Gesetzgeber gesehen und dafür in Absatz 2 ausdrücklich die Antragsbefugnis eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers vorgesehen.5) Auch i. R. des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen,6) mit dem umfassende Änderungen des Rechts der Eigenverwaltung vorgenommen _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
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Begr. z. § 338 RegE/§ 277 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 528. So aber AG Duisburg, Besch. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636, allerdings ohne nähere Begr. So aber Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 2; Hess-Ruppe, NZI 2002, 577, 579. So Hess-Ruppe, NZI 2002, 577, 579. Kluth, ZInsO 2002, 1001, 1003; Kluth, NZI 2003, 22. BGBl. I 2011, 2582.
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wurden, hat den Gesetzgeber keinen Regelungsbedarf zu dieser Frage gesehen. § 277 enthält also ein geschlossenes Regelungssystem, das den Grundsatz der Gläubigerautonomie auch bei der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts betont. Darüber hinaus fehlt die für eine Analogie notwendige gleichgelagerte Interessenlage. Die Verfügungsbeschränkungen des Schuldners gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 gelten ausschließlich im Eröffnungsverfahren. Für das eröffnete Verfahren sind die §§ 56, 80 ff maßgebend.7) Eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 Nr. 2 lässt sich auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, der Gesetzgeber habe bei der Rollenverteilung zwischen Gläubigern und Gericht handwerkliche Fehler und Regelungslücken produziert, die von der Rechtsprechung zu korrigieren seien.8) Aufgabe der Rechtsprechung ist es nicht, die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren, es allein den Gläubigern zu überlassen, ob ein Zustimmungsvorbehalt wegen eines eigenmächtigen, gläubigerschädigenden Verhaltens des Schuldners veranlasst werden soll. Für eine solche „Korrektur“ ist ausschließlich der Gesetzgeber zuständig. 4
Der Antrag der Gläubigerversammlung hat sich auf bestimmte Rechtsgeschäfte zu beziehen. Zu den Rechtsgeschäften gehören nicht nur Verträge, sondern auch einseitige Willenserklärungen wie die Kündigung oder die Anfechtung.9) Die Rechtsgeschäfte müssen, um dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu genügen, so konkret benannt werden, dass Dritte zweifelsfrei erkennen können, welche Rechtsgeschäfte unter dem Zustimmungsvorbehalt stehen.10) Die Formulierung aus § 275 Abs. 1, Verfügungen der Schuldnerin, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, seien zustimmungsbedürftig, reicht nicht aus,11) weil anders als in den Fällen des § 275 Abs. 1 ein Rechtsgeschäft, das der Schuldner ohne Zustimmung des Sachwalters vornimmt, absolut unwirksam ist (Abs. 1). Nicht zulässig ist es, für alle Rechtsgeschäfte die Zustimmungsbedürftigkeit anzuordnen. Eine solche Anordnung steht weder im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes (bestimmte Rechtsgeschäfte) noch entspricht sie dem Sinn und Zweck der Eigenverwaltung, dem Schuldner auch in der Insolvenz einen eigenständigen Entscheidungsspielraum zu belassen.12) 2.
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Antrag einzelner Gläubiger (Abs. 2)
In besonders dringenden Fällen, wenn die Maßnahme unaufschiebbar erforderlich ist, um Nachteile für die Gläubiger zu verhindern, können absonderungsberechtigte Gläubiger (§§ 49 – 51) und Insolvenzgläubiger (§ 38) den Antrag stellen, bestimmte Rechtsgeschäfte unter den Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters zu _____________ 7) Prütting in: FS Kirchhof, S. 433, 438. 8) Ebenso K. Schmidt-Undritz, InsO, § 277 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 277 Rz. 12; a. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 2; A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 277 Rz. 2. 9) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 277 Rz. 14; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 5; a. A. A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 277 Rz. 5. 10) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 4; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 2; K. Schmidt-Undritz, InsO, § 277 Rz. 2. 11) So auch Huhn, Eigenverwaltung, S. 260 Rz. 748; Köchling, ZInsO 2003, 53, 54; a. A. AG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2002 – 62 IN 167/02, ZIP 2002, 1636; a. A. A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 277 Rz. 3. 12) I. E. ebenso: Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 753; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 277 Rz. 9; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 5; a. A. A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 277 Rz. 5, unter Berufung auf AG Hamburg, Beschl. v. 5.8.2003 – 67c IN 42/03, n. v.
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§ 277
stellen. Mit dieser Antragsbefugnis soll den Gläubigern ein Instrument an die Hand gegeben werden, zügig auf nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage reagieren zu können und nicht den zeitaufwändigen Weg zur Einberufung einer Gläubigerversammlung beschreiten zu müssen.13) Der antragstellende Gläubiger hat die Eilbedürftigkeit und die drohenden Nachteile glaubhaft zu machen (§ 4 InsO, § 294 ZPO). Eine Gegenglaubhaftmachung des Schuldners ist zulässig.14)
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III. Anordnung durch das Insolvenzgericht Das Insolvenzgericht hat die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit durch Beschluss zu treffen. Die Entscheidung ist gemäß § 6 Abs. 1 nicht rechtsmittelfähig, entscheidet jedoch der Rechtspfleger, ist die Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG zulässig.15) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vor (Antrag der Gläubigerversammlung, begrenzt auf bestimmte Rechtsgeschäfte), steht dem Insolvenzgericht kein Entscheidungsermessen zu.16)
7
Im Falle des Absatzes 2 hat das Insolvenzgericht von Amts wegen festzustellen, ob die Voraussetzungen vorliegen und glaubhaft gemacht worden sind. Zur Verwirklichung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist der Schuldner vor der Entscheidung anzuhören,17) es sei denn, dass der Zweck der Eilanordnung dadurch gefährdet wird. Bei gegensätzlichen Darstellungen von Gläubiger und Schuldner hat das Gericht gemäß § 5 von Amts wegen zu ermitteln, ob die Voraussetzungen für die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts nach Absatz 2 gegeben sind.18)
8
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte das Insolvenzgericht den Beschluss nach Tag und Stunde datieren.19)
9
IV. Rechtsfolgen der Zustimmungsanordnung Die ohne Zustimmung des Sachwalters abgeschlossenen Rechtsgeschäfte des Schuldners sind absolut, also gegenüber jedermann unwirksam (Abs. 1 Satz 1).20) Geschützt wird – bei unterbliebenem Eintrag des Insolvenzvermerks nach §§ 32, 33 – nur der gutgläubige Erwerber dinglicher Rechte an Grundstücken sowie eingetragenen Schiffen, Schiffsbauwerken und Luftfahrzeugen (Abs. 1 Satz 2, § 81 Abs. 1 Satz 2). Ist bereits eine Gegenleistung erbracht worden, so ist sie aus der Masse zurückzugewähren, soweit diese bereichert ist (Abs. 1 Satz 2, § 81 Abs. 1 Satz 3). _____________ 13) BT-Drucks. 12/2443, S. 225 – zu § 338. 14) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 277 Rz. 33, Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 10. 15) K. Schmidt-Undritz, InsO, § 277 Rz. 5. 16) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 277 Rz. 20; Landfermann in: HK-InsO, § 277 Rz. 6. 17) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 16; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 277 Rz. 28; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 10. 18) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 10. 19) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 277 Rz. 23. 20) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 277 Rz. 35; Landfermann in: HK-InsO, § 277 Rz. 9; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 5; a. A. K. Schmidt-Undritz, InsO, § 277 Rz. 5, der annimmt, dass das Rechtsgeschäft bis zur Genehmigungsentscheidung des Sachwalters zunächst schwebend unwirksam ist.
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§ 278 11
Mittel zur Lebensführung des Schuldners
Leistungen an den Schuldner nach Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit sind schuldbefreiend, wenn der Leistende die Anordnung nicht kannte. Vor der öffentlichen Bekanntmachung der Anordnung wird die fehlende Kenntnis vermutet (Abs. 1 Satz 2, § 82). V. Sachwalterhaftung
12
Bei der Frage der Zustimmung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten trifft den Sachwalter eine besondere Prüfungspflicht und Verantwortung.21) Er haftet daher – ebenso wie der Insolvenzverwalter – nach § 61 persönlich dafür, dass die Verbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse erfüllt werden. Für die Erkennbarkeit der Masseunzulänglichkeit (§ 61 Satz 2) ist der Zeitpunkt der Zustimmung maßgeblich.22) Auf das Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren ist diese Vorschrift nicht anwendbar (vgl. dazu die Ausführungen unter § 270a Rz. 24). VI. Mitteilungs- und Bekanntmachungspflichten
13
Da die Zustimmungsanordnung die Verfügungsbefugnis des Schuldners auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten beschränkt, ist es erforderlich, die am Rechtsverkehr Beteiligten darüber zu informieren. Absatz 3 sieht deshalb vor, dass die Anordnung öffentlich bekannt zu machen (§ 9) sowie in das Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister einzutragen (§ 31) ist. Bezieht sich der Zustimmungsvorbehalt auf Verfügungen über Grundstücke, Schiffe, Schiffsbauwerke oder Luftfahrzeuge, ist er gemäß §§ 32, 33 ebenfalls in das Grundbuch bzw. die entsprechenden Register einzutragen.
14
Obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, sollte schon im Hinblick auf die befreiende Leistungserbringung gegenüber dem Schuldner (§ 82) auch eine Zustellung des Beschlusses an den Schuldner erfolgen. Wegen der Auswirkungen der Anordnung auf den Sachwalter ist der Beschluss ebenso an ihn zuzustellen.23) _____________ 21) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 6. 22) Landfermann in: HK-InsO, § 277 Rz. 10; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 13. 23) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 277 Rz. 37; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 277 Rz. 27 – 29; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 11.
§ 278 Mittel zur Lebensführung des Schuldners (1) Der Schuldner ist berechtigt, für sich und die in § 100 Abs. 2 Satz 2 genannten Familienangehörigen aus der Insolvenzmasse die Mittel zu entnehmen, die unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners eine bescheidene Lebensführung gestatten. (2) Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt Absatz 1 entsprechend für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. Literatur: Pape, Die Eigenverwaltung des Schuldners nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 895.
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§ 278 11
Mittel zur Lebensführung des Schuldners
Leistungen an den Schuldner nach Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit sind schuldbefreiend, wenn der Leistende die Anordnung nicht kannte. Vor der öffentlichen Bekanntmachung der Anordnung wird die fehlende Kenntnis vermutet (Abs. 1 Satz 2, § 82). V. Sachwalterhaftung
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Bei der Frage der Zustimmung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten trifft den Sachwalter eine besondere Prüfungspflicht und Verantwortung.21) Er haftet daher – ebenso wie der Insolvenzverwalter – nach § 61 persönlich dafür, dass die Verbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse erfüllt werden. Für die Erkennbarkeit der Masseunzulänglichkeit (§ 61 Satz 2) ist der Zeitpunkt der Zustimmung maßgeblich.22) Auf das Eigenverwaltungs-Eröffnungsverfahren ist diese Vorschrift nicht anwendbar (vgl. dazu die Ausführungen unter § 270a Rz. 24). VI. Mitteilungs- und Bekanntmachungspflichten
13
Da die Zustimmungsanordnung die Verfügungsbefugnis des Schuldners auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten beschränkt, ist es erforderlich, die am Rechtsverkehr Beteiligten darüber zu informieren. Absatz 3 sieht deshalb vor, dass die Anordnung öffentlich bekannt zu machen (§ 9) sowie in das Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister einzutragen (§ 31) ist. Bezieht sich der Zustimmungsvorbehalt auf Verfügungen über Grundstücke, Schiffe, Schiffsbauwerke oder Luftfahrzeuge, ist er gemäß §§ 32, 33 ebenfalls in das Grundbuch bzw. die entsprechenden Register einzutragen.
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Obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, sollte schon im Hinblick auf die befreiende Leistungserbringung gegenüber dem Schuldner (§ 82) auch eine Zustellung des Beschlusses an den Schuldner erfolgen. Wegen der Auswirkungen der Anordnung auf den Sachwalter ist der Beschluss ebenso an ihn zuzustellen.23) _____________ 21) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 6. 22) Landfermann in: HK-InsO, § 277 Rz. 10; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 277 Rz. 13. 23) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 277 Rz. 37; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 277 Rz. 27 – 29; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 277 Rz. 11.
§ 278 Mittel zur Lebensführung des Schuldners (1) Der Schuldner ist berechtigt, für sich und die in § 100 Abs. 2 Satz 2 genannten Familienangehörigen aus der Insolvenzmasse die Mittel zu entnehmen, die unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners eine bescheidene Lebensführung gestatten. (2) Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt Absatz 1 entsprechend für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. Literatur: Pape, Die Eigenverwaltung des Schuldners nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 895.
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§ 278
Mittel zur Lebensführung des Schuldners Übersicht I. Normzweck- und inhalt ...................... 1 II. Umfang und Herkunft der Mittel ..... 2 III. Anspruchsberechtigter Personenkreis ....................................... 5
I.
IV. Verhältnis zur Unterhaltsgewährung nach §§ 100, 101 ............... 8 V. Übermäßige Mittelentnahme ............. 9
Normzweck- und inhalt
Die Norm berechtigt den Schuldner bzw. den vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners für sich und einen näher bestimmten Kreis von Familienangehörigen Mittel zur bescheidenen Lebensführung aus der Insolvenzmasse zu entnehmen. Sie bezweckt, den Unterhalt des eigenverwaltenden Schuldners aufgrund seiner aktiven Mitwirkung im Insolvenzverfahren aufzustocken.
1
II. Umfang und Herkunft der Mittel Der eigenverwaltende Schuldner und seine Familienangehörigen haben unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse einen Anspruch auf Unterhalt für eine bescheidene Lebensführung. Im Gegensatz zu § 100 steht die Unterhaltsgewährung also nicht im Ermessen der Gläubiger. Der Anspruch entsteht mit der Anordnung der Eigenverwaltung und endet mit deren Aufhebung.1)
2
Im Gesetz ist der Begriff der „bescheidenen Lebensführung“ nicht näher definiert. Nach der Gesetzesbegründung soll dies mehr als der „notwendige Unterhalt“ i. S. des § 100 Abs. 2 Satz 1 und des Sozialhilferechts sein.2) Auch das pfändungsfreie Vermögen bildet nicht zwingend die Grenze für die Mittelentnahme.3) Vielmehr sind i. R. der bescheidenen Lebensführung ebenfalls die bisherigen Lebensverhältnisse des Schuldners zu berücksichtigen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Schuldner einen bisherigen üppigen Lebensstil aufrechterhalten kann.4) Die Entnahme hat sich an der Insolvenzsituation zu orientieren und zu beachten, dass den Gläubigern auch unter Berücksichtigung des Arbeitseinsatzes des Schuldners nicht übermäßig Masse entzogen wird.5) Aufgrund der Mitwirkung des Schuldners bei der optimalen Haftungsverwirklichung zugunsten der Gläubiger kann die Mittelentnahme aber höher sein als die Unterhaltsgewährung im Regelinsolvenzverfahren durch die Gläubigerversammlung.6) Sie darf jedoch nicht dazu führen, dass der Schuldner zulasten der Gläubiger Profit erzielen kann.7)
3
_____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6) 7)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 278 Rz. 11; A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 278 Rz. 6 – zum Beginn der Anspruchs. Begr. z. § 339 RegE/§ 278 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 529; Begr. RA z. § 339 RegE/§ 278 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 186, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 529; Landfermann in: HK-InsO, § 278 Rz. 2; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 278 Rz. 3. Begr. z. § 339 RegE/§ 278 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 223, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 529; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 278 Rz. 12. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 278 Rz. 7. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 278 Rz. 12. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 278 Rz. 5; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 278 Rz. 6. Pape in: Kölner Schrift, S. 895 Rz. 44; A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 278 Rz. 3.
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§ 278 4
Mittel zur Lebensführung des Schuldners
Die Entnahmen für den Unterhalt dürfen – anders als in dem Vergleichsverfahren nach früherem Recht (§ 56 VglO) – nicht nur aus Mitteln erfolgen, die im Insolvenzverfahren für die Masse erwirtschaftet worden sind, sondern auch aus liquiden Mitteln, die als Darlehen für die Masse aufgenommen worden sind. Absatz 1 sieht ausdrücklich die Entnahme aus der Insolvenzmasse vor, zu der das gesamte vom Schuldner zu verwaltende Vermögen bei Verfahrenseröffnung sowie der Neuerwerb zählen.8) III. Anspruchsberechtigter Personenkreis
5
Zur Entnahme berechtigt ist der Schuldner als natürliche Person sowie der vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter eines Schuldners, also der Komplementär einer OHG, einer KG oder einer KGaA. Kein Entnahmerecht steht den nicht persönlich haftenden vertretungsberechtigten Organen einer juristischen Person, also z. B. dem Geschäftsführer einer GmbH oder dem Vorstand einer AG zu, weil nur die wirtschaftliche Lage des Komplementärs einer insolventen Gesellschaft regelmäßig mit der eines insolventen Einzelkaufmanns vergleichbar ist. Der Komplementär verliert mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt aus den Mitteln des Unternehmens zu bestreiten und haftet auch mit seinem Privatvermögen. Dagegen bleibt der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft oder des Geschäftsführers einer GmbH zunächst bestehen, das Vermögen dieser Personen wird aufgrund der beschränkten Haftung von der Insolvenz nicht berührt.9)
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Eine Mittelentnahme gemäß § 278 analog kommt auch dann nicht in Betracht, wenn es sich um einen Geschäftsführer-Gesellschafter mit 100 % Anteilsbesitz an der insolventen GmbH handelt oder wenn dieser z. B. rechtsgeschäftlich aus Schuldbeitritt, Bürgschaft oder Garantie haftet. Eine Regelungslücke, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre, liegt insoweit nicht vor. Die Einkommensfrage muss i. R. des Anstellungsvertrages mit den Gläubigern geklärt werden.10) Dafür spricht auch die Neuregelung des § 276a, der den gesellschaftsrechtlichen Organen während der Eigenverwaltung den Einfluss auf die Geschäftsführung versagt.
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Der Schuldner kann aus der Insolvenzmasse nicht nur die Mittel für seinen eigenen Unterhalt, sondern auch für den Unterhalt seiner minderjährigen, unverheirateten Kinder, seines (früheren) Ehegatten, seines (früheren) Lebenspartners oder der Mutter seines nichtehelichen Kindes nach §§ 1615l und 1615n BGB aus Anlass der Geburt oder des Todes des Kindes (Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 2 Satz 2) entnehmen. Eine Mittelentnahme für weitere vom Schuldner unterhaltene Familienangehörige ist unzulässig, die Aufzählung in § 100 Abs. 2 Satz 2 ist abschließend.11) _____________ 8) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 278 Rz. 7, 8; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 278 Rz. 8; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 278 Rz. 9. 9) Begr. z. § 115 RegE/§ 101 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 144, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 288; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 278 Rz. 4, 15. 10) I. E. ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 278 Rz. 12–15; Wittig in: MünchKommInsO, § 278 Rz. 16; A. Schmidt-Fiebig, InsO, § 278 Rz. 8; a. A. AG Duisburg, Beschl. v. 4.10.2005 – 60 IN 136/02, ZIP 2005, 2335, 2336. 11) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 278 Rz. 17.
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§ 279
Gegenseitige Verträge
IV. Verhältnis zur Unterhaltsgewährung nach §§ 100, 101 § 278 schließt die Anwendung der §§ 100, 101 nicht aus. Vielmehr stehen beide Normen nebeneinander, weil § 278 nur den unentziehbaren Mindestanspruch des Schuldners i. R. der Eigenverwaltung regelt, während § 100 Abs. 1 der Gläubigerversammlung generell die Möglichkeit gibt, dem Schuldner auch ohne Anspruch Unterhalt aus der Insolvenzmasse zu gewähren.12)
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V. Übermäßige Mittelentnahme Entnimmt der Schuldner mehr als die ihm zustehenden Mittel, so hat dies keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Vielmehr bleibt es den Gläubigern überlassen, ob und in welcher Weise sie daraus Konsequenzen ziehen. Der Sachwalter hat die Gläubiger gemäß § 274 Abs. 3 zu informieren, sofern er i. R. seiner Verpflichtung zur Überprüfung der Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners (§ 274 Abs. 2 Satz 1) Missverhältnisse feststellt. Er kann sich in einem solchen Fall die Kassenführung nach § 275 Abs. 2 vorbehalten. Den Gläubigern bleibt die Möglichkeit, einen Zustimmungsvorbehalt nach § 277 Abs. 1 und 2 zu erwirken oder die Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272) zu beantragen.13)
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Zahlungen an Dritte, die aus den unzulässigerweise entnommenen Mitteln geleistet werden, sind grundsätzlich wirksam, weil der Schuldner bei der Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen behält.14) _____________
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12) I. E. ebenso Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 278 Rz. 7; Wittig/Tetzlaff in: MünchKommInsO, § 278 Rz. 13. 13) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 278 Rz. 16; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 278 Rz. 15. 14) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 278 Rz. 13; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 278 Rz. 18.
§ 279 Gegenseitige Verträge 1 Die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 bis 128) gelten mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt. 2Der Schuldner soll seine Rechte nach diesen Vorschriften im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. 3Die Rechte nach den §§ 120, 122 und 126 kann er wirksam nur mit Zustimmung des Sachwalters ausüben.
Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Ausübung der Rechte im Einvernehmen mit dem Sachwalter ................. 2
I.
III. Ausübung der Rechte mit Zustimmung des Sachwalters ............. 5
Normzweck und -inhalt
Die Norm stellt klar, dass die im Regelinsolvenzverfahren geltenden Vorschriften über das Wahlrecht des Insolvenzverwalters bei gegenseitigen Verträgen sowie über Graf-Schlicker
1325
1
§ 279
Gegenseitige Verträge
IV. Verhältnis zur Unterhaltsgewährung nach §§ 100, 101 § 278 schließt die Anwendung der §§ 100, 101 nicht aus. Vielmehr stehen beide Normen nebeneinander, weil § 278 nur den unentziehbaren Mindestanspruch des Schuldners i. R. der Eigenverwaltung regelt, während § 100 Abs. 1 der Gläubigerversammlung generell die Möglichkeit gibt, dem Schuldner auch ohne Anspruch Unterhalt aus der Insolvenzmasse zu gewähren.12)
8
V. Übermäßige Mittelentnahme Entnimmt der Schuldner mehr als die ihm zustehenden Mittel, so hat dies keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Vielmehr bleibt es den Gläubigern überlassen, ob und in welcher Weise sie daraus Konsequenzen ziehen. Der Sachwalter hat die Gläubiger gemäß § 274 Abs. 3 zu informieren, sofern er i. R. seiner Verpflichtung zur Überprüfung der Ausgaben für die Lebensführung des Schuldners (§ 274 Abs. 2 Satz 1) Missverhältnisse feststellt. Er kann sich in einem solchen Fall die Kassenführung nach § 275 Abs. 2 vorbehalten. Den Gläubigern bleibt die Möglichkeit, einen Zustimmungsvorbehalt nach § 277 Abs. 1 und 2 zu erwirken oder die Aufhebung der Eigenverwaltung (§ 272) zu beantragen.13)
9
Zahlungen an Dritte, die aus den unzulässigerweise entnommenen Mitteln geleistet werden, sind grundsätzlich wirksam, weil der Schuldner bei der Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen behält.14) _____________
10
12) I. E. ebenso Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 278 Rz. 7; Wittig/Tetzlaff in: MünchKommInsO, § 278 Rz. 13. 13) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 278 Rz. 16; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 278 Rz. 15. 14) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 278 Rz. 13; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 278 Rz. 18.
§ 279 Gegenseitige Verträge 1 Die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 bis 128) gelten mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt. 2Der Schuldner soll seine Rechte nach diesen Vorschriften im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. 3Die Rechte nach den §§ 120, 122 und 126 kann er wirksam nur mit Zustimmung des Sachwalters ausüben.
Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Ausübung der Rechte im Einvernehmen mit dem Sachwalter ................. 2
I.
III. Ausübung der Rechte mit Zustimmung des Sachwalters ............. 5
Normzweck und -inhalt
Die Norm stellt klar, dass die im Regelinsolvenzverfahren geltenden Vorschriften über das Wahlrecht des Insolvenzverwalters bei gegenseitigen Verträgen sowie über Graf-Schlicker
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1
§ 279
Gegenseitige Verträge
das Kündigungsrecht von Miet- und Dienstverhältnissen i. R. der Eigenverwaltung ebenso Anwendung finden wie die arbeitsrechtlichen Vorschriften zum Kündigungsschutz, Sozialplan und zu den Betriebsveränderungen. An die Stelle des Insolvenzverwalters tritt jedoch der Schuldner. Er soll seine Befugnisse grundsätzlich nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen, der Antrag auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung und der Antrag im Beschlussverfahren zum Kündigungsschutz sind aber an die Zustimmung des Sachwalters geknüpft, weil damit in die Rechtsstellung einer Vielzahl von Arbeitnehmern eingegriffen wird.1) II. Ausübung der Rechte im Einvernehmen mit dem Sachwalter 2
Bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens i. R. der Eigenverwaltung gelten für die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Ausübung des Wahl- und Kündigungsrechts die §§ 103 ff. Die Verfahrenseröffnung bewirkt bei noch nicht vollständig erfüllten Verträgen keine materiellrechtliche Umgestaltung der gegenseitigen Verträge, sondern hat wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinreden der Vertragspartner nur zur Folge, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche, soweit es sich um Ansprüche auf Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt, nicht durchsetzen können. Mit der Erfüllungswahl erhalten die Ansprüche die Rechtsqualität von originären Masseverbindlichkeiten bzw. Masseforderungen.2) Entscheidet sich der Schuldner gegen die Erfüllung, so steht dem Vertragspartner gemäß § 103 Abs. 2 wegen seines Nichterfüllungsschadens lediglich eine Insolvenzforderung gemäß § 38 zu. Bei teilbaren Leistungen (§ 105) kann der Schuldner nur für die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch ausstehenden Leistungen Erfüllung verlangen. Die vor der Verfahrenseröffnung entstandenen Gegenansprüche sind sodann Insolvenzforderungen (§ 38), diejenigen nach der Eröffnung Masseforderungen.
3
Richtschnur für die Ausübung der Rechte aus §§ 103 ff darf für den Schuldner allein die optimale Befriedigung der Gläubiger sein, eigene Interessen haben dagegen zurückzutreten. Für die Erfüllung von Verträgen darf sich der Schuldner nur entscheiden, wenn dies vorteilhaft für die Masse ist. Miet- und Pachtverhältnisse (§ 109 Abs. 1) sind zu kündigen, wenn deren Fortsetzung sich nachteilig auf die Gläubigerbefriedigung auswirkt.3)
4
Die Ausübung des Wahl- oder Kündigungsrechts soll nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter erfolgen. Dieser ist also von jeder beabsichtigten Entscheidung zu informieren. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung hat jedoch keine Außenwirkung, die ohne Beteiligung des Sachwalters vorgenommenen Rechtshandlungen sind also wirksam, es sei denn, die Zustimmungsbedürftigkeit nach § 277 ist angeordnet.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Begr. z. § 340 RegE/§ 279 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 530. BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093, dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot). Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 279 Rz. 6; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 279 Rz. 7. Begr. z. § 340 RegE/§ 279 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 530; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 279 Rz. 7; Landfermann in: HK-InsO, § 279 Rz. 3; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 279 Rz. 3.
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Graf-Schlicker
§ 280
Haftung. Insolvenzanfechtung
III. Ausübung der Rechte mit Zustimmung des Sachwalters Arbeitsverträge behalten auch im Insolvenzverfahren ihre Wirksamkeit (§ 108 Abs. 1). Die Arbeitgeberfunktion geht im Regelinsolvenzverfahren auf den Insolvenzverwalter über (§ 80), bei Anordnung der Eigenverwaltung behält sie der Schuldner inne. Er kann daher grundsätzlich von den besonderen arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren Gebrauch machen. Für bestimmte Rechte, durch die ohne Zustimmung des Betriebsrats in die Rechtsstellung einer Vielzahl von Arbeitnehmern eingegriffen werden kann, sieht das Gesetz allerdings die Zustimmung des Sachwalters vor.5) Das gilt für die Kündigung von Betriebsvereinbarungen (§ 120), den Antrag auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung, sofern Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat innerhalb von drei Wochen ergebnislos geblieben sind (§ 122) und den Antrag auf Durchführung des Beschlussverfahrens zum Kündigungsschutz, mit dem der Schuldner seitens des Arbeitsgerichts feststellen lassen kann, dass die von ihm vorgenommene Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist (§ 126).
5
Übt der Schuldner die vorgenannten Rechte ohne Zustimmung des Sachwalters aus, so ist seine Rechtshandlung auch Dritten gegenüber unwirksam. Allerdings ist hinsichtlich der Unwirksamkeit wie folgt zu differenzieren: Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen (§ 120) ist ein einseitiges, bedingungsfeindliches Gestaltungsrecht, das bei Fehlen der Zustimmung nicht schwebend unwirksam, sondern nichtig ist. Dagegen hat die mangelnde Zustimmung zu den Anträgen auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 122, 126 nur prozessuale Auswirkungen. Sie führt zur Unzulässigkeit des Beschlussverfahrens. Die Zustimmung kann aber nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen6) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden.7)
6
_____________ 5) 6) 7)
Begr. z. § 340 RegE/§ 279 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 530. BGH, Urt. v. 8.7.1955 – I ZR 201/53, BGHZ 18, 98; BGH, Urt. v. 8.3.1979 – VII ZR 48/78, NJW 1980, 520. Landfermann in: HK-InsO, § 279 Rz. 4; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 279 Rz. 13, 15, 17; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 279 Rz. 4; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 279 Rz. 15 – 18.
§ 280 Haftung. Insolvenzanfechtung Nur der Sachwalter kann die Haftung nach den §§ 92 und 93 für die Insolvenzmasse geltend machen und Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 anfechten. Übersicht I.
Normzweck und -inhalt ...................... 1
II. Rechte und Pflichten des Sachwalters ........................................... 2
Graf-Schlicker
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§ 280
Haftung. Insolvenzanfechtung
III. Ausübung der Rechte mit Zustimmung des Sachwalters Arbeitsverträge behalten auch im Insolvenzverfahren ihre Wirksamkeit (§ 108 Abs. 1). Die Arbeitgeberfunktion geht im Regelinsolvenzverfahren auf den Insolvenzverwalter über (§ 80), bei Anordnung der Eigenverwaltung behält sie der Schuldner inne. Er kann daher grundsätzlich von den besonderen arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren Gebrauch machen. Für bestimmte Rechte, durch die ohne Zustimmung des Betriebsrats in die Rechtsstellung einer Vielzahl von Arbeitnehmern eingegriffen werden kann, sieht das Gesetz allerdings die Zustimmung des Sachwalters vor.5) Das gilt für die Kündigung von Betriebsvereinbarungen (§ 120), den Antrag auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung, sofern Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat innerhalb von drei Wochen ergebnislos geblieben sind (§ 122) und den Antrag auf Durchführung des Beschlussverfahrens zum Kündigungsschutz, mit dem der Schuldner seitens des Arbeitsgerichts feststellen lassen kann, dass die von ihm vorgenommene Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist (§ 126).
5
Übt der Schuldner die vorgenannten Rechte ohne Zustimmung des Sachwalters aus, so ist seine Rechtshandlung auch Dritten gegenüber unwirksam. Allerdings ist hinsichtlich der Unwirksamkeit wie folgt zu differenzieren: Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen (§ 120) ist ein einseitiges, bedingungsfeindliches Gestaltungsrecht, das bei Fehlen der Zustimmung nicht schwebend unwirksam, sondern nichtig ist. Dagegen hat die mangelnde Zustimmung zu den Anträgen auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 122, 126 nur prozessuale Auswirkungen. Sie führt zur Unzulässigkeit des Beschlussverfahrens. Die Zustimmung kann aber nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen6) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden.7)
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_____________ 5) 6) 7)
Begr. z. § 340 RegE/§ 279 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 530. BGH, Urt. v. 8.7.1955 – I ZR 201/53, BGHZ 18, 98; BGH, Urt. v. 8.3.1979 – VII ZR 48/78, NJW 1980, 520. Landfermann in: HK-InsO, § 279 Rz. 4; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 279 Rz. 13, 15, 17; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 279 Rz. 4; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 279 Rz. 15 – 18.
§ 280 Haftung. Insolvenzanfechtung Nur der Sachwalter kann die Haftung nach den §§ 92 und 93 für die Insolvenzmasse geltend machen und Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 anfechten. Übersicht I.
Normzweck und -inhalt ...................... 1
II. Rechte und Pflichten des Sachwalters ........................................... 2
Graf-Schlicker
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§ 280 I. 1
Haftung. Insolvenzanfechtung
Normzweck und -inhalt
Die Norm durchbricht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der Eigenverwaltung in Fällen, in denen er bei der notwendigen Geltendmachung von Ansprüchen in eine Konfliktlage geraten kann.1) Sie ordnet daher an, dass Gesamtschadensansprüche nach § 92,2) die persönliche Haftung der Gesellschafter nach § 93 sowie die Anfechtung von Rechtshandlungen (§§ 129 – 147) nur vom Sachwalter geltend gemacht werden können. II. Rechte und Pflichten des Sachwalters
2
Der Sachwalter tritt in den vorgenannten Fällen an die Stelle des Insolvenzverwalters, er ist Partei kraft Amtes.3) Seine rechtsgeschäftlichen Erklärungen berechtigen und verpflichten den Schuldner unmittelbar. Prozesse führt er im eigenen Namen, die Rechtswirkungen seiner Handlungen treffen die Masse. Zwangsvollstreckungen aus einer gegen den Sachwalter ergangenen gerichtlichen Entscheidung, z. B. wegen der Kosten des Rechtsstreits, sind nur in die Insolvenzmasse zulässig.4) Eine Titelumschreibung auf den Schuldner ist nicht notwendig.5)
3
Bezüglich der Anfechtung stehen dem Sachwalter die damit verbundenen Befugnisse in vollem Umfang zu. Er ist auch zur Geltendmachung der Rückgewähransprüche berechtigt.6)
4
Im Rahmen seiner Prüfungspflicht gemäß § 274 Abs. 2 hat der Sachwalter sich vor der Geltendmachung der Ansprüche einen umfassenden Überblick über die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu verschaffen.7) Der Schuldner ist zur Mitwirkung verpflichtet (§ 274 Abs. 2, § 22 Abs. 3). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so bleibt dem Sachwalter nur, dies dem Insolvenzgericht und der Gläubigerversammlung anzuzeigen (§ 274 Abs. 1 Satz 3). Konsequenzen daraus können jedoch nur die Gläubiger, nicht aber das Insolvenzgericht8) ziehen (vgl. dazu § 277 Rz. 3).
5
Der Sachwalter haftet bei Wahrnehmung der Aufgaben nach §§ 92, 93, 129 – 147 in gleicher Weise wie der Insolvenzverwalter, weil er hierbei – im Unterschied zu seinen sonstigen Verpflichtungen – in die Stellung des Insolvenzverwalters einrückt. Deshalb kommt insoweit nicht § 274 Abs. 1 zur Anwendung, der eine Haftung des Sachwalters nach § 61 für die Begründung von Masseverbindlichkeiten ausschließt. Vielmehr haftet der Sachwalter gemäß § 270 Abs. 2 Satz 2, §§ 60 – 62 ebenso wie _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Kirchhof in: MünchKomm-InsO, § 280 Rz. 1; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 280 Rz. 2. Vgl. grundlegend zur Gesamtschadensgeltendmachung BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776. Ständige Rspr. zum Insolvenzverwalter vgl. z. B. BGH, Urt. v. 4.6.1996 – IX ZR 261/95, ZIP 1996, 1307 – 1309, dazu EWiR 1996, 797 (Weitzmann). Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 280 Rz. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 280 Rz. 5. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 280 Rz. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 280 Rz. 5. Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 975 – 984. Kirchhof in: MünchKomm-InsO, § 280 Rz. 5. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 280 Rz. 5; a. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 280 Rz. 13, der ein Einschreiten des Insolvenzgerichts von Amts wegen auf Antrag des Sachwalters gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2, § 21 bejaht.
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Graf-Schlicker
§ 281
Unterrichtung der Gläubiger
der Insolvenzverwalter, also auch für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten.9) Dafür spricht im Übrigen die Regelung des § 277 Abs. 1 Satz 3, wonach den Sachwalter bereits die Haftung nach § 61 trifft, wenn er der Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner zustimmt. _____________ 9)
Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 280 Rz. 14; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 280 Rz. 6.
§ 281 Unterrichtung der Gläubiger (1) 1Das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht (§§ 151 bis 153) hat der Schuldner zu erstellen. 2Der Sachwalter hat die Verzeichnisse und die Vermögensübersicht zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind. (2) 1Im Berichtstermin hat der Schuldner den Bericht zu erstatten. 2Der Sachwalter hat zu dem Bericht Stellung zu nehmen. (3) 1Zur Rechnungslegung (§§ 66, 155) ist der Schuldner verpflichtet. 2Für die Schlussrechnung des Schuldners gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend. Literatur: Möhlenkamp, „Strenge Türhüter vor der Eigenverwaltung“, BB 2014, 150. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... II. Aufgaben des Schuldners .................... 1. Aufstellung der Verzeichnisse und der Vermögensübersicht ....................... 2. Berichtspflicht ....................................... 3. Rechnungslegung ..................................
I.
1 2 2 8 9
4.
Niederlegung der Verzeichnisse beim Insolvenzgericht ......................... 10 III. Pflichten des Sachwalters .................. 11 1. Prüfung der Verzeichnisse und der Vermögensübersicht ........................... 11 2. Stellungnahme zum Bericht ................ 12 3. Überprüfung der Schlussrechnung .... 13
Normzweck und -inhalt
Die Vorschrift regelt das Zusammenwirken von Schuldner und Sachwalter bei der Unterrichtung der Gläubiger über die Vermögenslage des Schuldners. Während der Schuldner die Aufgaben zu erledigen hat, die mit der Führung der Geschäfte zusammenhängen, obliegt dem Sachwalter in erster Linie die Kontrolle darüber.1) Der Schuldner ist verpflichtet, die Verzeichnisse zu erstellen, im Berichtstermin über seine wirtschaftliche Lage zu referieren und Rechnung zu legen, dem Sachwalter obliegt es, die vom Schuldner gefertigten Aufstellungen zu überprüfen und zu seinen
_____________ 1)
Begr. z. § 342 RegE/§ 281 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 532. Dieses Anforderungsprofil an den Schuldner berücksichtigt das AG Hamburg, Beschl. v. 19.12.2013 – 67c IN 501/13, ZIP 2014, 487, nicht hinreichend, wenn es Kenntnisse des Schuldners zum Führen von Tabelle und Massenverzeichnissen, zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger und zur regelgerechten Begründung von Masseverbindlichkeiten fordert. Krit. dazu auch Möhlenkamp, BB 2014, 150.
Graf-Schlicker
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1
§ 281
Unterrichtung der Gläubiger
der Insolvenzverwalter, also auch für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten.9) Dafür spricht im Übrigen die Regelung des § 277 Abs. 1 Satz 3, wonach den Sachwalter bereits die Haftung nach § 61 trifft, wenn er der Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner zustimmt. _____________ 9)
Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 280 Rz. 14; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 280 Rz. 6.
§ 281 Unterrichtung der Gläubiger (1) 1Das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht (§§ 151 bis 153) hat der Schuldner zu erstellen. 2Der Sachwalter hat die Verzeichnisse und die Vermögensübersicht zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind. (2) 1Im Berichtstermin hat der Schuldner den Bericht zu erstatten. 2Der Sachwalter hat zu dem Bericht Stellung zu nehmen. (3) 1Zur Rechnungslegung (§§ 66, 155) ist der Schuldner verpflichtet. 2Für die Schlussrechnung des Schuldners gilt Absatz 1 Satz 2 entsprechend. Literatur: Möhlenkamp, „Strenge Türhüter vor der Eigenverwaltung“, BB 2014, 150. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... II. Aufgaben des Schuldners .................... 1. Aufstellung der Verzeichnisse und der Vermögensübersicht ....................... 2. Berichtspflicht ....................................... 3. Rechnungslegung ..................................
I.
1 2 2 8 9
4.
Niederlegung der Verzeichnisse beim Insolvenzgericht ......................... 10 III. Pflichten des Sachwalters .................. 11 1. Prüfung der Verzeichnisse und der Vermögensübersicht ........................... 11 2. Stellungnahme zum Bericht ................ 12 3. Überprüfung der Schlussrechnung .... 13
Normzweck und -inhalt
Die Vorschrift regelt das Zusammenwirken von Schuldner und Sachwalter bei der Unterrichtung der Gläubiger über die Vermögenslage des Schuldners. Während der Schuldner die Aufgaben zu erledigen hat, die mit der Führung der Geschäfte zusammenhängen, obliegt dem Sachwalter in erster Linie die Kontrolle darüber.1) Der Schuldner ist verpflichtet, die Verzeichnisse zu erstellen, im Berichtstermin über seine wirtschaftliche Lage zu referieren und Rechnung zu legen, dem Sachwalter obliegt es, die vom Schuldner gefertigten Aufstellungen zu überprüfen und zu seinen
_____________ 1)
Begr. z. § 342 RegE/§ 281 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 532. Dieses Anforderungsprofil an den Schuldner berücksichtigt das AG Hamburg, Beschl. v. 19.12.2013 – 67c IN 501/13, ZIP 2014, 487, nicht hinreichend, wenn es Kenntnisse des Schuldners zum Führen von Tabelle und Massenverzeichnissen, zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger und zur regelgerechten Begründung von Masseverbindlichkeiten fordert. Krit. dazu auch Möhlenkamp, BB 2014, 150.
Graf-Schlicker
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1
§ 281
Unterrichtung der Gläubiger
Ausführungen im Berichtstermin Stellung zu nehmen. Auf diese Weise soll eine vollständige und korrekte Unterrichtung der Gläubiger erreicht werden.2) II. Aufgaben des Schuldners 1.
Aufstellung der Verzeichnisse und der Vermögensübersicht
2
Zur Vorbereitung des Berichtstermins hat der Schuldner – sofern die Eigenverwaltung zuvor angeordnet wurde – ein Verzeichnis der Massegegenstände (§ 151), ein Gläubigerverzeichnis (§ 152) sowie eine Vermögensübersicht (§ 153) zu fertigen.
3
Für die Massegegenstände, die genau zu bezeichnen sind, hat der Schuldner sowohl die Fortführungs- als auch die Zerschlagungswerte (§ 151 Abs. 2 Satz 2) anzugeben. Die Eigenverwaltung setzt nicht notwendigerweise die Fortführung des Unternehmens voraus. Vielmehr haben die Gläubiger im Berichtstermin darüber zu entscheiden, ob das Unternehmen fortgeführt oder stillgelegt werden soll. Sie benötigen für diese Entscheidung beide Werte. Besonders schwierige Bewertungen können einem Sachverständigen übertragen werden (§ 151 Abs. 2 Satz 3).
4
Das Insolvenzgericht kann den Schuldner auf seinen Antrag von der Aufstellung über die Massegegenstände dispensieren. Der Antrag ist zu begründen. Ist ein Gläubigerausschuss bestellt, so ist dessen Zustimmung erforderlich (§ 151 Abs. 3 Satz 2). Für eine Zustimmung des Sachwalters findet sich dagegen keine gesetzliche Grundlage.3) Im Interesse der Gläubiger sollte das Insolvenzgericht von dieser Möglichkeit bei der Eigenverwaltung nur äußerst zurückhaltend Gebrauch machen.4)
5
Das Gläubigerverzeichnis dient dazu, Belastungen und Verbindlichkeiten des Schuldners möglichst vollständig darzulegen.5) Der Schuldner hat daher in das Verzeichnis alle Gläubiger mit ihrer Anschrift aufzunehmen, die ihm aus seinen Büchern und Geschäftspapieren oder auf sonstige Weise bekannt sind. Ferner hat er den Grund und die Höhe der Forderung anzugeben. Aufzuführen sind auch die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Gegenstand, an dem ein Absonderungsrecht besteht und die Höhe des mutmaßlichen Ausfalls, die nachrangigen Insolvenzgläubiger mit ihren einzelnen Rangklassen, Aufrechnungsmöglichkeiten sowie Masseverbindlichkeiten. Da die Masseverbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Erstellung des Verzeichnisses noch nicht feststehen, sind sie zu schätzen. Dabei ist die alsbaldige Liquidation des Unternehmens zugrunde zu legen.6)
6
Der Schuldner hat die Vermögensübersicht auf der Grundlage des Verzeichnisses der Massegegenstände und des Gläubigerverzeichnisses zu erstellen. Die Gegenstände der Insolvenzmasse und die Verbindlichkeiten sollen ähnlich wie in einer Bi_____________ 2) 3) 4) 5)
6)
Begr. z. § 342 RegE/§ 281 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 225, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 532. So aber Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 281 Rz. 13; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 281 Rz. 2, allerdings ohne nähere Begr. Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 281 Rz. 9. Begr. z. § 171 RegE/§ 152 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 171, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 374; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 281 Rz. 14; Kübler/Prütting/BorkPape, InsO, § 281 Rz. 10. Begr. z. § 171 RegE/§ 152 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 171, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 374.
1330
Graf-Schlicker
§ 281
Unterrichtung der Gläubiger
lanz zusammengefasst und gegenübergestellt werden. Buchwerte dürfen nicht angegeben werden, die Bezugnahme auf eine Handelsbilanz ist daher unzulässig.7) Auf Antrag eines Gläubigers kann das Insolvenzgericht anordnen, dass der Schuldner die Vollständigkeit der Vermögensübersicht eidesstattlich versichert. Nicht antragsbefugt ist der Sachwalter. Er tritt insoweit nicht an die Stelle des Insolvenzverwalters, der gemäß § 153 Abs. 2 Satz 1 antragsberechtigt ist, weil dafür i. R. der Eigenverwaltung eine gesetzliche Grundlage fehlt. Der Gesetzgeber hat auch insoweit der Gläubigerautonomie den Vorrang eingeräumt.8) 2.
Berichtspflicht
Der Bericht des Schuldners soll die wirtschaftliche Lage des Unternehmens analysieren, dazu Stellung beziehen, ob das Unternehmen in Teilen oder ganz erhalten werden kann, ob ein Insolvenzplan in Betracht kommt und welche Auswirkungen die jeweiligen Möglichkeiten auf die Gläubigerbefriedigung haben (§ 156 Abs. 1). 3.
8
Rechnungslegung
Den Schuldner trifft gemäß Absatz 3 Satz 1 – soweit es um die Masse geht – sowohl die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegungspflicht nach § 155 als auch die insolvenzrechtliche Rechnungslegungspflicht (§ 66). Nach § 66 hat der Schuldner zum Schlusstermin vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Schlussrechnung vorzulegen. Die Gläubigerversammlung kann ihm daneben aufgeben, zu bestimmten Zeitpunkten während des Verfahrens Zwischenrechnungen vorzulegen. 4.
7
9
Niederlegung der Verzeichnisse beim Insolvenzgericht
Der Schuldner hat gemäß § 154 das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht eine Woche vor dem Berichtstermin in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsichtnahme der Beteiligten niederzulegen. Zwar verweist Absatz 1 Satz 1 nicht ausdrücklich auf § 154. Jedoch ist eine solche Verweisung in dieser Norm nicht notwendig, weil sie allein die Aufgabenverteilung zwischen dem Schuldner und dem Sachwalter bei der Information der Gläubiger regelt, während § 154 allein eine Verpflichtung des Schuldners festlegt. Die Anwendbarkeit des § 154 ergibt sich aus § 270 Abs. 1 Satz 2.9)
10
III. Pflichten des Sachwalters 1.
Prüfung der Verzeichnisse und der Vermögensübersicht
Der Sachwalter ist verpflichtet, das Verzeichnis über die Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis sowie die Vermögensübersicht zu prüfen und schriftlich zu erklären, ob er dagegen Einwände zu erheben hat. Seine Prüfungspflicht erstreckt sich auf die vollständige Erfassung aller Gegenstände und Forderungen sowie auf die gesetzlich vorgesehene Form der Aufstellung. Bei Zweifeln an der Vollständig_____________ 7) 8) 9)
Begr. z. § 171 RegE/§ 152 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 172, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 374. A. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 281 Rz. 16; Landfermann in: HK-InsO, § 281 Rz. 2; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 281 Rz. 2. I. E. ebenso Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 281 Rz. 5; Landfermann in: HK-InsO, § 281 Rz. 2; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 281 Rz. 18.
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11
§ 281
Unterrichtung der Gläubiger
keit und Richtigkeit der Angaben hat der Sachwalter eigene Nachforschungen anzustellen und ggf. einen Gutachter zu beauftragen.10) Einwände hat er detailliert darzulegen, damit die Gläubiger eine ausreichende Beurteilungsgrundlage haben. 2. 12
Stellungnahme zum Bericht
Die Stellungnahmepflicht zum Bericht des Schuldners dient in erster Linie dazu, die Angaben des Schuldners zu kontrollieren.11) Der Sachwalter hat sich daher im Berichtstermin im Wesentlichen darüber zu erklären, ob die Ausführungen des Schuldners zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, zur Frage der Sanierung oder Liquidierung und zu den Befriedigungsaussichten der Gläubiger vollständig und richtig sind. Ferner hat er sich zu der Einschätzung des Schuldners betreffend den Insolvenzplan zu äußern. 3.
Überprüfung der Schlussrechnung
13
Der Sachwalter hat die Schlussrechnung des Schuldners zu prüfen und in einer schriftlichen Stellungnahme zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind (§ 281 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2). Die Schlussrechnungspflicht ist ausschließlich Sache des Schuldners, nicht des Sachwalters. Soweit dem Sachwalter gemäß § 280 die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zusteht, hat er den Schuldner zu informieren, damit dieser ordnungsgemäß die Schlussrechnung erstellen kann.12)
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Für Zwischenrechnungen gemäß § 66 Abs. 3 besteht keine Prüfungspflicht des Sachwalters.13) Nach § 281 Abs. 1 Satz 2 ist diese Pflicht ausdrücklich auf die Schlussrechnung beschränkt. Es handelt sich dabei auch nicht um ein Redaktionsversehen. Vielmehr entspricht die Regelung einer der Zielsetzungen der Eigenverwaltung, nämlich Kosten zu ersparen. Die Überprüfungstätigkeit des Sachwalters, die einen erheblichen Aufwand für ihn bedeutet, ist daher bewusst auf die Schlussrechnung, mit der abschließend die Masseverwaltung und -verwertung dokumentiert wird, beschränkt worden.
15
Verletzt der Sachwalter die vorgenannten insolvenzrechtlichen Pflichten, so haftet er gemäß § 274 Abs. 1, § 60 persönlich.14)
_____________ 10) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 281 Rz. 18; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 281 Rz. 3. 11) A. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 281 Rz. 25, der eine garantenähnliche Stellung des Sachwalters annimmt. 12) A. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 281 Rz. 31, der eine eigene Pflicht des Sachwalters annimmt. 13) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 281 Rz. 13; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 281 Rz. 30; a. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 281 Rz. 32; Landfermann in: HK-InsO, § 281 Rz. 6. 14) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 281 Rz. 16; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 281 Rz. 17, 29.
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§ 282
Verwertung von Sicherungsgut
§ 282 Verwertung von Sicherungsgut (1) 1Das Recht des Insolvenzverwalters zur Verwertung von Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, steht dem Schuldner zu. 2Kosten der Feststellung der Gegenstände und der Rechte an diesen werden jedoch nicht erhoben. 3Als Kosten der Verwertung können nur die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten und der Umsatzsteuerbetrag angesetzt werden. (2) Der Schuldner soll sein Verwertungsrecht im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Verwertung des Sicherungsguts durch den Schuldner ........................... 3
I.
III. Kosten der Verwertung ....................... 5 IV. Verwertung im Einvernehmen mit dem Sachwalter ............................. 8
Normzweck und -inhalt
Die Norm überträgt das Verwertungsrecht an mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen, das im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter zusteht, auf den Schuldner. Damit soll verhindert werden, dass durch einen ungehinderten Zugriff der absonderungsberechtigten Gläubiger auf ihre Sicherheiten die Sanierung eines Unternehmens unmöglich gemacht wird.1) Anders als im Regelinsolvenzverfahren (§§ 170, 171) sind keine Feststellungskosten für die Masse zu entnehmen, weil der mit der Eigenverwaltung betraute Schuldner in der Regel über die Rechte der Gläubiger an den Gegenständen der Insolvenzmasse hinreichend unterrichtet ist. Die Kosten der Verwertung sind nicht pauschal, sondern nur nach dem erforderlichen Aufwand und dem anfallenden Umsatzsteuerbetrag anzusetzen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass bei der Fortführung eines Unternehmens in Eigenverwaltung regelmäßig keine aufwändigen Verwertungsvorgänge stattfinden, sondern Sicherheiten an Betriebsmitteln zur Fortführung des Unternehmens während des Verfahrens bestehen bleiben und die Veräußerung von belasteten Waren im laufenden Geschäftsbetrieb erfolgt.2)
1
Die Verwertung soll im Einvernehmen mit dem Sachwalter erfolgen.
2
II. Verwertung des Sicherungsguts durch den Schuldner Dem Schuldner wird ein Verwertungsrecht nur an den mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen (§§ 49 – 51) eingeräumt. Steht dem Gläubiger wegen eines Gegenstandes ein Anspruch auf Aussonderung (§ 47) oder Ersatzaussonderung (§ 48) zu, so ist der Schuldner gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 47, 48 zur Herausgabe des Aussonderungsguts oder des an seine Stelle tretenden Ersatzes verpflichtet. Bei einem Aussonderungsrecht aufgrund eines (einfachen) Eigentumsvorbehalts _____________ 1) 2)
Begr. z. § 343 RegE/§ 282 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 226, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 532 f. Begr. z. § 343 RegE/§ 282 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 226, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 532 f; sehr krit. zu dieser Regelung: Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 282 Rz. 4 – 13, 18.
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3
§ 282
Verwertung von Sicherungsgut
können die Gläubiger den Gegenstand allerdings erst nach dem Berichtstermin herausverlangen, es sei denn, es ist eine erhebliche Wertminderung zu erwarten (§ 270 Abs. 1 Satz 2, § 107 Abs. 2).3) 4
Die freihändige Verwertung durch den Schuldner setzt voraus, dass er sich im Besitz der Sache befindet. Andernfalls ist der Gläubiger zur Verwertung berechtigt (§ 270 Abs. 1 Satz 2, § 173 Abs. 1). Mit Absonderungsrechten belastete Forderungen kann der Schuldner gemäß Absatz 1 Satz 1, § 166 Abs. 2 einziehen oder anderweitig verwerten. Zuvor hat er jedoch dem Gläubiger Auskunft über den Zustand der Sache oder über die Forderung zu erteilen und ihn über seine Verwertungsabsicht zu unterrichten (Abs. 1 Satz 1, §§ 167, 168).4) Dem Sicherungsgläubiger steht ein Selbsteintrittsrecht (Abs. 1 Satz 1, §§ 168 Abs. 3, 173), Zinsen im Falle der verzögerten Verwertung (Abs. 1 Satz 1, § 169) sowie ein laufender Zahlungsanspruch bei Entwertung der Sache durch Nutzung (Abs. 1 Satz 1, § 172) zu. Bei unbeweglichen Gegenständen kann der Schuldner beim zuständigen Vollstreckungsgericht einen Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung stellen (Abs. 1 Satz 1, § 165) und die einstweilige Einstellung beantragen (Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 30d, 153b ZVG).5) Betreiben Gläubiger mit Immobiliarsicherheiten die Zwangsvollstreckung (§ 49), kann der Schuldner Vollstreckungsschutz nach § 282 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 30d ff ZVG erhalten.6) III. Kosten der Verwertung
5
Kosten für die Feststellung des Gegenstands und der Rechte an diesem (§ 171 Abs. 1) dürfen bei der Eigenverwaltung nicht erhoben werden, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass der Schuldner regelmäßig selbst weiß, welche Sicherungsrechte bestehen und welchen Gläubigern sie zuzuordnen sind.7) Auch die Feststellungskosten bei der Zwangsversteigerung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ZVG entfallen, weil diese nur erhoben werden dürfen, wenn ein Insolvenzverwalter bestellt ist.
6
Für die Verwertung können nur die konkret angefallenen, erforderlichen Kosten angesetzt werden. Diese umfassen den Zeit- und Arbeitsaufwand des Schuldners bei der Ermittlung von Veräußerungsmöglichkeiten und der Durchführung der Verwertung. Kosten, die bei sachgerechter Verwertung nicht entstanden wären, dürfen daher nicht in Ansatz gebracht werden.8)
7
Der bei der Verwertung anfallende Umsatzsteuerbetrag ist – ebenso wie im Regelinsolvenzverfahren – anzusetzen und zugunsten der Masse aus dem Bruttoerlös zu
_____________ 3) 4)
5) 6) 7) 8)
Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 10. Zum „Gegenstand“ i. S. des § 168 zählen – wie § 166 verdeutlicht – auch Forderungen. So ebenfalls Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 168 Rz. 3; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 168 Rz. 4. Landfermann in: HK-InsO, § 282 Rz. 4; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 17. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 282 Rz. 14. Krit. dazu Landfermann in: HK-InsO, § 282 Rz. 2. Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 24.
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§ 283
Befriedigung der Insolvenzgläubiger
entnehmen oder beim Gläubiger geltend zu machen (Abs. 1 Satz 3, § 170 Abs. 2, § 171 Abs. 2 Satz 3).9) IV. Verwertung im Einvernehmen mit dem Sachwalter Die Herbeiführung des Einvernehmens mit dem Sachwalter ist eine interne Pflicht des Schuldners. Verwertet er ohne das Einvernehmen des Sachwalters, bleibt diese Maßnahme – ebenso wie in den Fällen der §§ 275, 279 – im Außenverhältnis wirksam. Auf Antrag der Gläubigerversammlung kann das Insolvenzgericht gemäß § 277 Abs. 1 anordnen, dass die Verwertungshandlungen der Zustimmung des Sachwalters bedürfen.10) Der Gläubigerversammlung steht jedoch aufgrund der ausdrücklichen anderweitigen Regelung in § 277 Abs. 1 nicht das Recht zu, diese Entscheidung selbst zu treffen.11)
8
_____________ 9) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 282 Rz. 7; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 25; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 282 Rz. 4. 10) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 282 Rz. 1. 11) A. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 282 Rz. 19; unklar Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 282 Rz. 7, der auf den „Beschluss“ der Gläubigerversammlung abstellt. Auch der Antrag nach § 277 muss von der Gläubigerversammlung beschlossen werden (§ 72).
§ 283 Befriedigung der Insolvenzgläubiger (1) 1Bei der Prüfung der Forderungen können außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. 2Eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, gilt nicht als festgestellt. (2) 1Die Verteilungen werden vom Schuldner vorgenommen. 2Der Sachwalter hat die Verteilungsverzeichnisse zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Forderungsanmeldung, -prüfung und -feststellung .................................. 3
I.
III. Verteilungsverfahren ......................... 10
Normzweck und -inhalt
Die Norm räumt in Absatz 1 sowohl dem Sachwalter als auch dem Schuldner in der Eigenverwaltung das dem Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren zustehende Recht ein, angemeldete Forderungen zu bestreiten. Der Widerspruch des Schuldners verhindert – anders als im regulären Verfahren, in dem er nur Bedeutung für die nachinsolvenzrechtliche Vollstreckung hat (§ 178 Rz. 4 f; § 184 Rz. 2 f) – die Feststellung der Forderung. Das gilt auch für den Widerspruch des Sachwalters. Bei der Verteilung der Insolvenzmasse kann die bestrittene Forderung nur dann berücksichtigt werden, wenn der Widerspruch beseitigt ist.
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1
§ 283
Befriedigung der Insolvenzgläubiger
entnehmen oder beim Gläubiger geltend zu machen (Abs. 1 Satz 3, § 170 Abs. 2, § 171 Abs. 2 Satz 3).9) IV. Verwertung im Einvernehmen mit dem Sachwalter Die Herbeiführung des Einvernehmens mit dem Sachwalter ist eine interne Pflicht des Schuldners. Verwertet er ohne das Einvernehmen des Sachwalters, bleibt diese Maßnahme – ebenso wie in den Fällen der §§ 275, 279 – im Außenverhältnis wirksam. Auf Antrag der Gläubigerversammlung kann das Insolvenzgericht gemäß § 277 Abs. 1 anordnen, dass die Verwertungshandlungen der Zustimmung des Sachwalters bedürfen.10) Der Gläubigerversammlung steht jedoch aufgrund der ausdrücklichen anderweitigen Regelung in § 277 Abs. 1 nicht das Recht zu, diese Entscheidung selbst zu treffen.11)
8
_____________ 9) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 282 Rz. 7; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 282 Rz. 25; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 282 Rz. 4. 10) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 282 Rz. 1. 11) A. A. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 282 Rz. 19; unklar Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 282 Rz. 7, der auf den „Beschluss“ der Gläubigerversammlung abstellt. Auch der Antrag nach § 277 muss von der Gläubigerversammlung beschlossen werden (§ 72).
§ 283 Befriedigung der Insolvenzgläubiger (1) 1Bei der Prüfung der Forderungen können außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. 2Eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, gilt nicht als festgestellt. (2) 1Die Verteilungen werden vom Schuldner vorgenommen. 2Der Sachwalter hat die Verteilungsverzeichnisse zu prüfen und jeweils schriftlich zu erklären, ob nach dem Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Forderungsanmeldung, -prüfung und -feststellung .................................. 3
I.
III. Verteilungsverfahren ......................... 10
Normzweck und -inhalt
Die Norm räumt in Absatz 1 sowohl dem Sachwalter als auch dem Schuldner in der Eigenverwaltung das dem Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren zustehende Recht ein, angemeldete Forderungen zu bestreiten. Der Widerspruch des Schuldners verhindert – anders als im regulären Verfahren, in dem er nur Bedeutung für die nachinsolvenzrechtliche Vollstreckung hat (§ 178 Rz. 4 f; § 184 Rz. 2 f) – die Feststellung der Forderung. Das gilt auch für den Widerspruch des Sachwalters. Bei der Verteilung der Insolvenzmasse kann die bestrittene Forderung nur dann berücksichtigt werden, wenn der Widerspruch beseitigt ist.
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§ 283 2
Befriedigung der Insolvenzgläubiger
Absatz 2 regelt die Aufgabenzuweisung an den Schuldner und den Sachwalter bei der Verteilung der Insolvenzmasse. II. Forderungsanmeldung, -prüfung und -feststellung
3
Dem Sachwalter obliegen i. R. der Eigenverwaltung die mit der Tabelle zusammenhängenden Aufgaben, die im Regelinsolvenzverfahren der Insolvenzverwalter zu erfüllen hat (§§ 174 – 186). Dies folgt aus der Verpflichtung der Gläubiger, gemäß § 270c Satz 2 ihre Forderungen beim Sachwalter anzumelden.1) Die angemeldeten Forderungen hat der Sachwalter gemäß § 175 in die Tabelle einzutragen und diese auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts niederzulegen.
4
Im mündlichen oder schriftlichen Prüfungstermin (§§ 176, 177) stehen dem Sachwalter und dem Schuldner nebeneinander das Recht zu, Widerspruch gegen die angemeldete Forderung zu erheben.2) Insoweit ist der Schuldner in der Eigenverwaltung ebenso wie der Insolvenzverwalter im regulären Verfahren Amtswalter.3) Bestreitet er in dieser Funktion eine angemeldete Forderung, hindert dieser Widerspruch – genauso wie im regulären Verfahren ein solcher des Insolvenzverwalters – die Feststellung der Forderung (Abs. 1 Satz 2). Im Regelinsolvenzverfahren dagegen hat der Widerspruch des Schuldners nur zur Folge, dass dem Insolvenzgläubiger gemäß § 201 Abs. 2 kein vollstreckbarer Tabellenauszug erteilt wird; für die Feststellung der Forderung ist das Bestreiten durch den Schuldner dort gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 unbeachtlich, sodass der Gläubiger mit dieser Forderung bei der Verteilung der Insolvenzmasse berücksichtigt wird.4)
5
Teilweise wird dem Schuldner zugestanden, die Wahrnehmung seiner Rechte bei der Einlegung des Widerspruchs zu spalten und einerseits in der Funktion als Eigenverwalter, andererseits als Träger der Insolvenzmasse Widerspruch zu erheben, um die zuvor beschriebenen unterschiedlichen Wirkungen seines Bestreitens herbeizuführen.5) Dagegen spricht jedoch die Regelung in Absatz 1 Satz 2.6) Das gilt aber nicht, wenn Gegenstand der Feststellung nicht der Bestand der Forderung ist, sondern – wie in den Fällen des § 302 – nur das Recht des Gläubigers auf Teilnahme an der insolvenzrechtlichtlichen Verteilung.7) In diesen Fällen kann der Schuldner in seiner Funktion als Amtswalter über die Masse die Forderung als solche anerkennen, hinsichtlich der besonderen Qualifizierung der Forderung nach § 302 aber _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
7)
Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 283 Rz. 15; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 5. Begr. RA z. § 344 RegE/§ 283 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 186, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 534. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 283 Rz. 19; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 8. Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 283 Rz. 21; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 9, 10. Häsemeyer, InsR, Rz. 8.16; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 178 Rz. 30. I. E. ebenso: Landfermann in: HK-InsO, § 283 Rz. 5; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 283 Rz. 3; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 283 Rz. 2. BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265, dazu EWiR 2014, 17 (Ahrens).
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§ 283
Befriedigung der Insolvenzgläubiger
seine Nachhaftung als „persönlicher“ Schuldner durch einen Widerspruch verhindern (vgl. auch die Ausführungen zu § 176 Rz. 20 und § 184 Rz. 5, 6). Hinsichtlich des Widerspruchs des Sachwalters gelten keine Besonderheiten. Er hat – wie der Insolvenzverwalter – jede angemeldete Forderung genau darauf hin zu prüfen, ob Anhaltspunkte für deren fehlende Berechtigung nach Grund, Höhe oder Gläubigerstellung bestehen.
6
Den Widerspruch des Schuldners oder des Sachwalters gegen eine Forderung kann der Anmeldegläubiger gemäß § 179 Abs. 1 nur durch Feststellung entweder im Klagewege (§§ 180 – 183) oder durch die zuständige Verwaltungsbehörde (§ 185) beseitigen. Das Feststellungsverfahren ist gegen den Bestreitenden zu richten.8) § 184 ist nicht anwendbar, weil diese Norm nur für den Schuldner gilt, der nicht als Eigenverwalter tätig ist.9)
7
Liegt für die Forderung bereits ein Titel vor, ist es Sache des Bestreitenden, den Widerspruch auszuräumen (§ 179 Abs. 2). Ist ein Rechtsstreit bereits anhängig, wird dieser auch im Verfahren der Eigenverwaltung gemäß § 240 unterbrochen,10) in diesem Fall ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben (§ 180 Abs. 2).
8
Die Rechtskraft eines Insolvenzfeststellungsurteils erstreckt sich nicht nur auf die Parteien, sondern auch auf die anderen Insolvenzgläubiger, den Schuldner sowie den Sachwalter (Abs. 1 Satz 1, § 270 Abs. 1 Satz 2, § 183 Abs. 1).11)
9
III. Verteilungsverfahren Der Schuldner hat das Verteilungsverzeichnis aufzustellen, es auf der Geschäftsstelle niederzulegen und die Summe der Forderungen sowie den für die Verteilung verfügbaren Betrag aus der Insolvenzmasse öffentlich bekannt zu machen (Abs. 2 Satz 1, § 188). Ferner hat er die Verteilungen vorzunehmen (Abs. 2 Satz 1, § 187 Abs. 3). Auch die Nachtragsverteilung gemäß §§ 203 – 205 fällt in die Zuständigkeit des Schuldners. Seine Beschwerdemöglichkeit in § 204 Abs. 2 bleibt im Verfahren der Eigenverwaltung erhalten, obgleich dem Insolvenzverwalter im regulären Verfahren kein Beschwerderecht zusteht. Dem Schuldner steht dieses Recht aber nicht als Eigenverwalter, sondern in seiner Eigenschaft als Träger der Insolvenzmasse zu.12)
10
Das vom Schuldner aufgestellte Verteilungsverzeichnis hat der Sachwalter sorgfältig zu prüfen, die Ergebnisse schriftlich den Gläubigern mitzuteilen und diese entsprechend § 188 Satz 2 zusammen mit dem Verteilungsverzeichnis auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. Bei
11
_____________ 8) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 16. 9) Landfermann in: HK-InsO, § 283 Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 283 Rz. 22; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 15. 10) BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – V ZB 93/06, ZIP 2007, 249, dazu EWiR 2007, 249 (Bähr/ Landry); Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 283 Rz. 7; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 283 Rz. 4. 11) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 283 Rz. 23; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 18. 12) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 283 Rz. 5; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 20.
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§ 284
Insolvenzplan
Einwendungen kann der Sachwalter aber nicht gemäß § 194 gegen das Verteilungsverzeichnis vorgehen.13) Seine schriftlich fixierten Einwendungen dienen lediglich dazu, die Gläubiger von Bedenken gegen das Verteilungsverzeichnis zu unterrichten. Die InsO räumt dem Sachwalter jedoch nicht die Befugnis ein, rechtliche Schritte gegen das Verteilungsverzeichnis einzuleiten. Vielmehr ist es ausschließlich Sache eines betroffenen Gläubigers, insoweit die Initiative zu ergreifen.14) 12
Gemäß § 277 Abs. 1 kann die Gläubigerversammlung beantragen, die Wirksamkeit der Verteilung von der Zustimmung des Sachwalters abhängig zu machen, denn bei den Auszahlungen seitens des Schuldners handelt es sich um ein Rechtsgeschäft i. S. der Vorschrift.15) _____________ 13) So aber Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 283 Rz. 8. 14) Landfermann in: HK-InsO, § 283 Rz. 7; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 23. 15) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 24.
§ 284 Insolvenzplan (1) 1Ein Auftrag der Gläubigerversammlung zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans ist an den Sachwalter oder an den Schuldner zu richten. 2Wird der Auftrag an den Schuldner gerichtet, so wirkt der Sachwalter beratend mit. (2) Eine Überwachung der Planerfüllung ist Aufgabe des Sachwalters. Literatur: Bales, Insolvenzplan und Eigenverwaltung – Chancen für einen Neustart im Rahmen der Sanierung und Insolvenz, NZI 2008, 216; Blank, Sanierung eines mittelständigen Unternehmens durch Insolvenzplan in Verbindung mit Eigenverwaltung und französischem Sekundärinsolvenzverfahren, ZInsO 2008, 412; Graf/Wunsch, Nochmals: Insolvenzplan und Eigenverwaltung – Ein gangbarer Weg auch in der Insolvenz von Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern?, ZVI 2005, 105; Hölzle, Insolvenzplan auf Initiative des vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren – Oder: Wer erstellt und wer bezahlt den Insolvenzplan im Verfahren nach § 270b InsO?, ZIP 2012, 855; Warrikoff, Chancen und Risiken der Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, KTS 1997, 532. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Planbeauftragung und -erstellung (Abs. 1) .................................................. 4
I. 1
III. Planüberwachung (Abs. 2) .................. 7
Normzweck und -inhalt
Die Regelung zum Insolvenzplan in der Eigenverwaltung unterscheidet sich hinsichtlich der Planbeauftragung und der Planüberwachung vom Regelinsolvenzverfahren. Während im regulären Insolvenzverfahren die Gläubigerversammlung lediglich den Insolvenzverwalter mit der Planausarbeitung beauftragen kann (§ 218 Abs. 2), hat sie im Eigenverwaltungsverfahren die Möglichkeit, den Auftrag alternativ an den Sachwalter oder den Schuldner zu richten, im letzteren Fall wirkt der Sachwalter beratend mit. Eine Überwachung der Planerfüllung ist Aufgabe des 1338
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§ 284
Insolvenzplan
Einwendungen kann der Sachwalter aber nicht gemäß § 194 gegen das Verteilungsverzeichnis vorgehen.13) Seine schriftlich fixierten Einwendungen dienen lediglich dazu, die Gläubiger von Bedenken gegen das Verteilungsverzeichnis zu unterrichten. Die InsO räumt dem Sachwalter jedoch nicht die Befugnis ein, rechtliche Schritte gegen das Verteilungsverzeichnis einzuleiten. Vielmehr ist es ausschließlich Sache eines betroffenen Gläubigers, insoweit die Initiative zu ergreifen.14) 12
Gemäß § 277 Abs. 1 kann die Gläubigerversammlung beantragen, die Wirksamkeit der Verteilung von der Zustimmung des Sachwalters abhängig zu machen, denn bei den Auszahlungen seitens des Schuldners handelt es sich um ein Rechtsgeschäft i. S. der Vorschrift.15) _____________ 13) So aber Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 283 Rz. 8. 14) Landfermann in: HK-InsO, § 283 Rz. 7; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 23. 15) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 283 Rz. 24.
§ 284 Insolvenzplan (1) 1Ein Auftrag der Gläubigerversammlung zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans ist an den Sachwalter oder an den Schuldner zu richten. 2Wird der Auftrag an den Schuldner gerichtet, so wirkt der Sachwalter beratend mit. (2) Eine Überwachung der Planerfüllung ist Aufgabe des Sachwalters. Literatur: Bales, Insolvenzplan und Eigenverwaltung – Chancen für einen Neustart im Rahmen der Sanierung und Insolvenz, NZI 2008, 216; Blank, Sanierung eines mittelständigen Unternehmens durch Insolvenzplan in Verbindung mit Eigenverwaltung und französischem Sekundärinsolvenzverfahren, ZInsO 2008, 412; Graf/Wunsch, Nochmals: Insolvenzplan und Eigenverwaltung – Ein gangbarer Weg auch in der Insolvenz von Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern?, ZVI 2005, 105; Hölzle, Insolvenzplan auf Initiative des vorläufigen Sachwalters im Schutzschirmverfahren – Oder: Wer erstellt und wer bezahlt den Insolvenzplan im Verfahren nach § 270b InsO?, ZIP 2012, 855; Warrikoff, Chancen und Risiken der Eigenverwaltung nach der Insolvenzordnung, KTS 1997, 532. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Planbeauftragung und -erstellung (Abs. 1) .................................................. 4
I. 1
III. Planüberwachung (Abs. 2) .................. 7
Normzweck und -inhalt
Die Regelung zum Insolvenzplan in der Eigenverwaltung unterscheidet sich hinsichtlich der Planbeauftragung und der Planüberwachung vom Regelinsolvenzverfahren. Während im regulären Insolvenzverfahren die Gläubigerversammlung lediglich den Insolvenzverwalter mit der Planausarbeitung beauftragen kann (§ 218 Abs. 2), hat sie im Eigenverwaltungsverfahren die Möglichkeit, den Auftrag alternativ an den Sachwalter oder den Schuldner zu richten, im letzteren Fall wirkt der Sachwalter beratend mit. Eine Überwachung der Planerfüllung ist Aufgabe des 1338
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§ 284
Insolvenzplan
Sachwalters, im Regelinsolvenzplanverfahren ist dafür der Insolvenzverwalter zuständig (§§ 261 ff). Damit hat der Gesetzgeber das grundlegende Prinzip der Eigenverwaltung, die Abwicklung des Verfahrens durch den Schuldner unter der Aufsicht eines Sachwalters, durchbrochen und dem Sachwalter ein eigenes Mittel zur Verfahrensgestaltung eingeräumt. Sinn dieser Regelung soll sein, das Verfahren der Eigenverwaltung flexibler zu gestalten und die Gläubigerautonomie dadurch zu stärken, dass eine vom Schuldner unabhängige Person mit der Insolvenzplanerstellung beauftragt werden kann. Wegen der Vielzahl der widerstreitenden Interessen sieht der Gesetzgeber den Sachwalter in der Regel als geeigneter an, einen Plan auszuarbeiten.1)
2
Die Vorlage eines Insolvenzplans i. R. der Eigenverwaltung kann insbesondere bedeutsam sein für die Frage, ob Freiberufler ihre Zulassung oder Bestellung trotz des Insolvenzverfahrens behalten.2)
3
II. Planbeauftragung und -erstellung (Abs. 1) Im Rahmen der Eigenverwaltung gelten keine gesonderten Regelungen für den Inhalt eines Insolvenzplans. Maßgebend dafür sind § 270 Abs. 1 Satz 2, §§ 217 ff. Der Insolvenzplan ist demnach in einen darstellenden und gestaltenden Teil zu gliedern (§§ 220, 221), der nach der Reform des Insolvenzrechts durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen3) auch die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) ermöglicht (§ 225a). Er bedarf der Annahme durch die Gläubiger und der Bestätigung durch das Insolvenzgericht (§§ 235 ff).
4
Der Schuldner ist auch ohne Auftrag der Gläubigerversammlung befugt, mit der Insolvenzeröffnung oder noch im eröffneten Verfahren einen Insolvenzplan vorzulegen (§ 270 Abs. 1 Satz 2, § 218 Abs. 1).4) Er tritt im Eigenverwaltungsverfahren an die Stelle des Insolvenzverwalters, sodass ihm in dieser Funktion als Partei kraft Amtes, aber auch als gewöhnlicher Schuldner das Initiativrecht zur Planerstellung zusteht. Im System der Eigenverwaltung kommt der Regelung in Absatz 1 Satz 1 hinsichtlich der Beauftragung des Schuldners durch die Gläubigerversammlung nur klarstellende Wirkung zu, weil der Eigenverwalter anstelle des Insolvenzverwalters die Aufgaben wahrnimmt und sich seine Verpflichtung zur _____________
5
1) 2)
3) 4)
Begr. RA z. § 345 RegE/§ 284 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 186, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 535. Vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschl. v. 31.8.2005 – 1 BvR 912/04, NJW 2005, 3057, das die Amtsenthebung eines Notars bei Vorlage eines Insolvenzplans für unzulässig erklärt hat. Zur einstweiligen Anordnung des BVerfG in diesem Fall: BVerfG, Beschl. v. 28.4.2004 – 1 BvR 912/04, ZVI 2004, 297, dazu EWiR 2004, 799 (Römermann); hierzu und zur vorhergehenden Entscheidung des BGH, Beschl. v. 22.3.2004 – NotZ 23/03, ZIP 2004, 1006, dazu EWiR 2005, 171 (Runkel), der die Amtsenthebung für rechtmäßig hält. Der BFH, Beschl. v. 24.1.2006 – VII B 141/05, BFH/NV 2006, 983, 985, hat bei einem Steuerberater, der keinen Insolvenzplan vorgelegt hat, die Rechtmäßigkeit des Widerruf der Zulassung bestätigt; vgl. zu dieser Problematik auch Graf/Wunsch, ZVI 2005, 105. BGBl. I 2011, 2582. Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 284 Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 284 Rz. 11; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 9, 10; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 284 Rz. 2.
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§ 284
Insolvenzplan
Planerstellung bereits aus § 270 Abs. 1 Satz 2, § 218 Abs. 2 herleiten ließe. Demnach kann die Gläubigerversammlung im ersten Berichtstermin (§ 156) oder in einem späteren Termin dem Schuldner auch gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2, § 157 das Ziel des Plans vorgeben.5) Bei der Ausarbeitung des Plans wirken ein bestellter Gläubigerausschuss, der Betriebsrat und der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten (§ 270 Abs. 1 Satz 2, § 218 Abs. 3) sowie der Sachwalter (§ 284 Abs. 1 Satz 2) beratend mit.6) 6
Der Sachwalter hat kein Initiativrecht zur Planerstellung. Nach der Konzeption der Eigenverwaltung hat er grundsätzlich nur eine Überwachungsfunktion. Ein eigenes Recht zur Insolvenzplanerstellung hätte daher einer gesonderten Regelung bedurft, die aber fehlt.7) Ist der Sachwalter durch die Gläubigerversammlung jedoch beauftragt, steht er hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten dem im Regelinsolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalter gleich. Er hat daher ebenfalls bei der Aufstellung des Plans die Mitwirkungsrechte des Gläubigerausschusses, des Betriebsrates, des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten sowie des Schuldners zu beachten (§ 218 Abs. 3).8) III. Planüberwachung (Abs. 2)
7
Die Überwachung des Insolvenzplans wird durch Absatz 2 dem Sachwalter zugewiesen. Insoweit übernimmt er die Aufgabe des Insolvenzverwalters, die diesem gemäß § 261 zufällt. Ebenso wie dem Insolvenzverwalter obliegt dem Sachwalter die Überwachung aber nur, wenn der Insolvenzplan dies gemäß § 260 Abs. 1 vorsieht.9) Dafür spricht schon der Wortlaut des Absatzes 2, der regelt, dass „eine“ Überwachung Aufgabe des Sachwalters ist.10) Die Anordnung der Überwachung ist mit dem Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekannt zu machen (§ 267 Abs. 1).
8
Während der Überwachung bleiben der Sachwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses im Amt, die Aufsicht des Insolvenzgerichts bleibt bestehen (§ 261 Abs. 1 Satz 2). Der Schuldner hat dagegen als Eigenverwalter keine Pflichten mehr wahrzunehmen; diese Funktion endet mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans, denn von diesem Zeitpunkt an wird sein Vermögen aus der Beschlagnahme genommen. Die mit der Überwachung zusammenhängenden Aufgaben hat ausschließlich der Sachwalter wahrzunehmen.11) _____________ 5) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 284 Rz. 2. 6) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 284 Rz. 16; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 15. 7) I. E. ebenso Landfermann in: HK-InsO, § 284 Rz. 3; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 12; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 284 Rz. 3; a. A. Warrikoff, KTS 1997, 532. Abzulehnen ist daher auch, dass der vorläufige Sachwalter vom vorläufigen Gläubigerausschuss mit der Planerstellung beauftragt werden kann, so aber Hölzle, ZIP 2012, 855, 857. 8) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 284 Rz. 14; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 20; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 284 Rz. 3. 9) Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 284 Rz. 18; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 284 Rz. 21; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 27; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 284 Rz. 5. 10) Ebenso Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 284 Rz. 5. 11) Blersch/Goetsch/Haas-Spliedt, InsO, § 284 Rz. 7; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 284 Rz. 18; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 284 Rz. 28.
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§ 285
Masseunzulänglichkeit
§ 285 Masseunzulänglichkeit Masseunzulänglichkeit ist vom Sachwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Anzeige der Masseunzulänglichkeit ........................................... 2 III. Zuständigkeiten ................................... 4
I.
1.
Zuständigkeiten nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit ................... 4 2. Zuständigkeit bei mangelnder Verfahrenskostendeckung .................... 6 IV. Wirkungen der Einstellung ................ 7
Normzweck und -inhalt
Dem Sachwalter wird durch diese Vorschrift die Verpflichtung auferlegt, die Masseunzulänglichkeit i. S. des § 208 dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Diese Regelung entspricht dem Grundkonzept der Eigenverwaltung, wonach der Sachwalter den Schuldner zu überwachen und die für Gläubiger nachteiligen Entwicklungen mitzuteilen hat (§ 274 Abs. 3). Die Norm soll sicherstellen, dass das Insolvenzgericht zuverlässig von der Masseunzulänglichkeit Kenntnis erhält und der Eingriff in die Rechte der Altmassegläubiger, der mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit verbunden ist, nicht allein vom Willen des Schuldners abhängig gemacht wird.1)
1
II. Anzeige der Masseunzulänglichkeit Der Sachwalter hat das Insolvenzgericht gemäß §§ 285, 208 zu unterrichten, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Eine Mitteilungspflicht besteht auch bereits dann, wenn die Masse voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die bestehenden sonstigen Masseverbindlichkeiten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen, denn nach § 208 umfasst die Anzeige der Masseunzulänglichkeit beide Fälle.2) Der Sachwalter haftet für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser insolvenzspezifischen Pflicht gemäß § 274 Abs. 1, §§ 285, 60 persönlich.
2
Dagegen ist der Schuldner nicht berechtigt, diese Aufgabe wahrzunehmen.3) Hierfür spricht schon die Entstehungsgeschichte des § 285. Während noch im RegE eine Anzeigepflicht für den Schuldner und den Sachwalter vorgesehen war,4) hat der Rechtsausschuss des Bundestages die Feststellung der Masseunzulänglichkeit durch das Insolvenzgericht gestrichen und als Folge den Sachwalter als An-
3
_____________ 1) 2) 3)
4)
Landfermann in: HK-InsO, § 285 Rz. 1; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 1; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 285 Rz. 1. Landfermann in: HK-InsO, § 285 Rz. 2; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 5. I. E. ebenso: Blersch/Goetsch/Haas-Spliedt, InsO, § 285 Rz. 2; Landfermann in: HKInsO, § 285 Rz. 1; Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 877 – 881; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 285 Rz. 1; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 8; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 285 Rz. 1. Begr. z. § 346 RegE/§ 285 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 63, 226, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 535.
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§ 285
Masseunzulänglichkeit
zeigepflichtigen bestimmt.5) Auf diese Weise sollen insbesondere die sog. Altmassegläubiger, die bei einer Anzeige der Masseunzulänglichkeit im Rang zurückgesetzt und mit einem Vollstreckungsverbot belegt werden, vor einer nicht korrekten Anzeige geschützt werden.6) III. Zuständigkeiten 1.
Zuständigkeiten nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit
4
Für die Folgen der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelten im Eigenverwaltungsverfahren keine besonderen Regelungen, maßgebend sind daher gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 insoweit die Vorschriften aus dem regulären Verfahren (§§ 208 – 211, 215). Die Zuständigkeitsverteilung ergibt sich nach dem allgemeinen Kompetenzverteilungsgrundsatz in der Eigenverwaltung. Der Schuldner ist daher nach § 208 Abs. 3 i. R. seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verpflichtet, das massearme Verfahren abzuwickeln, die Massegläubiger nach der Rangordnung des § 209 zu befriedigen,7) die Nachtragsverteilung vorzunehmen (§ 211 Abs. 3 Satz 2)8) und über seine Tätigkeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 211 Abs. 2 gesondert Rechnung zu legen.9) Etwas anderes ergibt sich für die Rechnungslegung auch nicht aus der fehlenden Verweisung auf § 211 Abs. 2 in § 281 Abs. 3 Satz 1, weil insoweit die allgemeine Verweisungsnorm des § 270 Abs. 1 Satz 1 maßgebend ist.10)
5
Der Sachwalter hat gemäß § 274 Abs. 2 diese Tätigkeiten des Schuldners zu überwachen. Ihm steht darüber hinaus ein Antragsrecht für die Nachtragsverteilung gemäß § 211 Abs. 3 Satz 1 zu, weil die dafür vorausgesetzte Ermittlung von Gegenständen nicht die Abwicklung des Verfahrens betrifft, sondern Ausfluss der Überwachungspflicht im Anschluss an das Verfahren ist.11) 2.
6
Zuständigkeit bei mangelnder Verfahrenskostendeckung
Für die mangelnde Verfahrenskostendeckung fehlt – anders als bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit – eine ausdrückliche Regelung zur Kompetenzverteilung. Ursache dafür dürfte sein, dass auch im Regelinsolvenzverfahren im Falle der Masselosigkeit eine Anzeigepflicht nicht vorgesehen ist. Das Gericht hat das Verfahren von Amts wegen einzustellen, wenn es Kenntnis davon erlangt, das nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt sind. Der Schuldner ist gemäß § 207 Abs. 3 Satz 2 verpflichtet, die weitere Verwertung der Masse einzustellen. Demgemäß hat er durch Unterrichtung des Insolvenzgerichts über die fehlende Masse_____________ 5) Begr. RA z. § 346 RegE/§ 285 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 186, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 535. 6) Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 8. 7) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 285 Rz. 21; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 16. 8) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 285 Rz. 29. 9) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 285 Rz. 21. 10) I. E. ebenso: Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 17. 11) I. E. ebenso: Huhn, Eigenverwaltung, Rz. 883; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 285 Rz. 29; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 16.
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§ 285
Masseunzulänglichkeit
kostendeckung auf die sofortige Einstellung des Verfahrens hinzuwirken.12) Der Sachwalter ist gemäß § 274 Abs. 3 verpflichtet, das Insolvenzgericht zu informieren, wenn Nachteile für die Gläubiger bei der Fortsetzung der Eigenverwaltung zu befürchten sind. In diesem Rahmen trifft ihn auch die Pflicht, dem Insolvenzgericht die mangelnde Verfahrenskostendeckung anzuzeigen.13) IV. Wirkungen der Einstellung Aufgrund der mangelnden Verfahrenskostendeckung sowie Verteilung der Insolvenzmasse nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren einzustellen (§ 207 Abs. 1 Satz 1, § 211 Abs. 1). Mit der Einstellung erhält der Schuldner das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 215 Abs. 2). Da die Verfügungsbefugnis in der Eigenverwaltung beim Schuldner verbleibt, hat diese Norm zur Folge, dass eine nach § 277 Abs. 1 angeordnete Zustimmungsbedürftigkeit für bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners entfällt.14)
7
Die Insolvenzgläubiger können nach der Einstellung des Verfahrens in das schuldnerische Vermögen vollstrecken (§ 215 Abs. 2 Satz 2, §§ 201, 202). Vollstreckungstitel ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 der Auszug aus der Tabelle.
8
Ist das Verfahren wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt worden, kann bei einer natürlichen Person, die Restschuldbefreiung beantragt hat, das Restschuldbefreiungsverfahren durchgeführt werden (§ 289).
9
_____________ 12) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 285 Rz. 18; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 20. 13) I. E. ebenso: Huhn, Eigenverwaltung, S. 302 – 303, Rz. 877 – 880; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 21; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 285 Rz. 5, wohl auch Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 285 Rz. 19. 14) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 285 Rz. 31; Wittig/Tetzlaff in: MünchKomm-InsO, § 285 Rz. 23; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 285 Rz. 4.
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Achter Teil Restschuldbefreiung § 286 Grundsatz Kexel
Ist der Schuldner eine natürliche Person, so wird er nach Maßgabe der §§ 287 bis 303 von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Insolvenzverfahren .............................. 3 III. Natürliche Person ................................ 5
I.
IV. Befreiung von Verbindlichkeiten ...... 6 V. Verfahren (§§ 287 ff) ........................... 7
Normzweck
Die Norm konkretisiert das in § 1 genannte Verfahrensziel der Entschuldung des redlichen Schuldners. Zudem stellt sie klar, dass die Befreiung von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten materiell-rechtliche Folge des nachfolgend geregelten Verfahrens ist. Weil dort Voraussetzungen und Einwendungen klar und abschließend normiert sind, kann auch davon gesprochen werden, dass § 286 die Restschuldbefreiung als subjektives Recht des Schuldners etabliert.1)
1
Neben der implizit getroffenen Bestimmung, dass ein Insolvenzverfahren Voraussetzung der Entschuldung ist, besteht der konkrete Regelungsgehalt weiter darin, dass der persönliche Anwendungsbereich des Restschuldbefreiungsverfahrens sowie die Reichweite der Befreiung eingegrenzt werden. Von den Regelungen der §§ 287 ff nicht umfasst ist die Möglichkeit einer „Restschuldbefreiung“ im Insolvenzplanverfahren, vgl. § 227 Abs. 1.
2
II. Insolvenzverfahren Schon aus dem Wortlaut des § 286 folgt, dass die Restschuldbefreiung ein Insolvenzverfahren voraussetzt; die Abweisung eines Insolvenzantrags mangels Masse schließt also zugleich die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung aus.2) Um völlig mittellosen Personen dennoch die Möglichkeit der Entschuldung zu eröffnen, sind die Regelungen der §§ 4a ff über die Stundung eingefügt worden; der vorherige Rechtszustand hätte nur über die analoge Anwendung der Prozesskostenhilferegeln diese Chancengleichheit erreichen können. Nach Eröffnung kann die Massearmut gemäß § 289 Abs. 3, §§ 209, 211 einer Restschuldbefreiung nicht mehr im Weg stehen.
_____________ 1) 2)
Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 286 Rz. 4. OLG Köln, Beschl. v. 23.2.2000 – 2 W 21/00, ZIP 2000, 548, 549 = NZI 2000, 217, dazu EWiR 2000, 501 (Wenzel).
Kexel
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3
§ 286 4
Grundsatz
Es kommt für die Restschuldbefreiung nicht darauf an, ob die Insolvenzgläubiger überhaupt auch nur teilweise befriedigt werden;3) das Verfahrensziel der Entschuldung kann also – nach Einführung der Stundung – auch ohne jeglichen finanziellen Beitrag des Schuldners erreicht werden. III. Natürliche Person
5
Nur die natürliche Person kann in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen; für juristische Personen verbleibt es bei der aus den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen resultierenden Auflösung und der nachfolgenden Löschung im Handelsregister.4) Dabei kann die Restschuldbefreiung nur der natürlichen Person gewährt werden, die selbst die Voraussetzungen der §§ 287 ff erfüllt. Ohne Insolvenzverfahren über das jeweils eigene Vermögen werden also etwa persönliche haftende Gesellschafter, Ehepartner oder auch ganz allgemein Mitglieder des Familien- und Haushaltsverbunds von Insolvenzanträgen über das Vermögen der Gesellschaft, des Ehepartners oder Verwandter nicht erfasst.5) IV. Befreiung von Verbindlichkeiten
6
§ 286 bestimmt den Gegenstand der Restschuldbefreiung:6) die nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern. Das sind nach der Legaldefinition des § 38 die persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben; die Restschuldbefreiung müssen sie auch dann gegen sich gelten lassen, wenn sie nicht am Verfahren teilnehmen.7) V. Verfahren (§§ 287 ff)
7
§ 286 ist lex generalis zu § 304; unmittelbare Anwendung finden die §§ 286 ff also nur auf die nicht dem § 304 unterfallenden natürlichen Personen. Das formalisierte Verfahren wird nur auf Antrag gemäß § 287 durchgeführt; eine Zwangsentschuldung findet nicht statt.8) Das Restschuldbefreiungsverfahren ist ein eigenständiger Verfahrensabschnitt, für den auch gesondert über die Kostenstundung nach den §§ 4a ff entschieden wird.9)
_____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8)
9)
BGH, Beschl. v. 18.9.2001 – IX ZB 51/00, ZIP 2002, 365 m. w. N. = NZI 2001, 646; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 286 Rz. 5. Vgl. näher Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 286 Rz. 43. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 286 Rz. 65 f m. w. N. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 286 Rz. 5. Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rz. 18 m. w. N. Im Einzelfall kann es aber eine rechtliche Verpflichtung geben, mit der Einleitung der Verbraucherinsolvenz auch die Restschuldbefreiung zu beantragen; so – für den Schuldner des Kindesunterhalts – BGH, Urt. v. 23.2.2005 – XII ZR 114/03, ZVI 2005, 188, 191 = NZI 2005, 342; nicht aber für Ehegattenunterhalt: BGH, Urt. v. 12.12.2007 – XII ZR 23/06, ZVI 2008, 52 ff = NZI 2008, 193. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 286 Rz. 61.
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§ 287
Antrag des Schuldners
§ 287 Antrag des Schuldners (1) 1Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. 2 Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. 3Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. 4Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern. ) (2) Dem Antrag ist die Erklärung beizufügen, daß der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt.
) (3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.
) (4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.
)
)
Absatz 1 Sätze 3 und 4 eingefügt durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. a des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
) Klammerzusatz in Absatz 2 Satz 1 eingefügt durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. b, aa des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Absatz 2 Satz 2 gestrichen durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. b, bb des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Satz 2: „(2) … 2Hatte der Schuldner diese Forderungen bereits vorher an einen Dritten abgetreten oder verpfändet, so ist in der Erklärung darauf hinzuweisen.“
) Absatz 3 ersetzt, Absatz 4 neu eingefügt durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. c des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 3: „(3) Vereinbarungen, die eine Abtretung der Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge ausschließen, von einer Bedingung abhängig machen oder sonst einschränken, sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 Satz 1 vereiteln oder beeinträchtigen würden.“
Literatur: Frind, Ein schlankes neues Privatinsolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1455; I. Pape/ G. Pape, Entwicklung der Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren in den Jahren 2009 – 2011, ZInsO 2012, 1; G. Pape, Sperrwirkung gescheiterter Restschuldbefreiungsversuche im Insolvenzverfahren über das Vermögen Natürlicher Personen, in: Festschrift für Hans Gerhard Ganter, 2010, S. 315; Schmerbach, „Versagungsgründe außer Rand und Band“, NZI 2009, 677; Sternal, „Die Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren im Jahr 2009“, NZI 2010, 457.
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1347
§ 287
Antrag des Schuldners Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Antrag, Antragsfrist, Hinweispflichten ................................................ 2 III. Sonderfall: Erneuter Restschuldbefreiungsantrag .................................. 4 1. Rechtslage für alle vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren ........... 4 2. Rechtslage seit dem 1.7.2014 .............. 12
I. 1
IV. 1. 2. 3. 4. V. VI.
Abtretungserklärung ......................... 17 Abgabepflicht, Frist, Form ................. 18 Gegenstand der Abtretung ................. 22 Pfändungsschutz ................................. 27 Dauer der Abtretung ........................... 30 Abtretungsverbote ............................. 33 Anhörung der Gläubiger .................. 34
Normzweck
§ 287 regelt die zentrale Voraussetzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, nämlich das Antragserfordernis nebst einer Fristbestimmung. Absatz 2 verlangt zudem die Abtretung der pfändbaren Bezüge. Diese Anordnung soll den nicht zu Einschränkungen bereiten Schuldner vom Antrag abhalten1) und damit das Gericht vor leichtfertigen Anträgen schützen.2) Die Abtretung selbst sichert auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens einen wesentlichen Teil des schuldnerischen Neuerwerbs und soll damit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger zugutekommen.3) Absatz 3 schließlich schützt diesen Versuch der Haftungsverwirklichung durch die Unwirksamkeitserklärung entgegenstehender Abreden. Der mit Wirkung vom 1.7.2014 angefügte Absatz 4 statuiert im Interesse eines möglichst breiten Erkenntnisgewinns4) die Verpflichtung des Gerichts, sämtliche am Verfahren teilnehmenden Gläubiger bis zum Schlusstermin zu hören. II. Antrag, Antragsfrist, Hinweispflichten
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Der Schuldner selbst muss einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen; nicht möglich ist die Antragstellung durch einen Gläubiger.5) Der Antrag ist als Prozesshandlung grundsätzlich bedingungsfeindlich; jedenfalls unzulässig ist es, den mit dem Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung verbundenen Restschuldbefreiungsantrag lediglich hilfsweise für den Fall zu stellen, dass das Insolvenzgericht den Antrag eines Gläubigers für zulässig und begründet hält.6) Er ist schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zu erklären;7) im Verbraucherinsolvenzverfahren herrscht dabei Vordruckzwang (§ 305 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 VbrInsVV). Er soll schon mit dem Antrag des Schuldners auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden, anderenfalls innerhalb der Frist des Absatzes 1 Satz 2, also zwei Wochen nach dem notwendigen _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
OLG Köln, Beschl. v. 4.10.2000 – 2 W 198/00, ZInsO 2000, 608, 609 = NJW-RR 2001, 416, 418, dazu EWiR 2001, 127 (Pape). Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 189, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 539; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 3. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 15 m. w. N. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36. BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, ZVI 2004, 492 = NZI 2004, 593, dazu EWiR 2005, 481 (Pape); Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 6. BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 = ZVI 2010, 300, dazu EWiR 2010, 493 (Stahlschmidt). Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 10 m. w. N.; ebenso § 287 Abs. 1 Satz 2 a. F.
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§ 287
Antrag des Schuldners
Hinweis des Gerichts auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung gemäß § 20 Abs. 2. Ein danach gestellter Antrag ist regelmäßig unzulässig.8) Die Frist beginnt aber nicht zu laufen, wenn der Hinweis des Gerichts unvollständig oder unrichtig ist; außerdem – trotz Hinweises – dann nicht, wenn noch kein eigener Insolvenzantrag des Schuldners vorliegt.9) Aus der Fürsorgepflicht des Gerichts folgt insofern, dass auch auf das Erfordernis des Eigenantrages hinzuweisen ist,10) hier gilt nicht die Frist des Absatzes 1 Satz 2, sondern eine durch den Richter gesondert gesetzte, angemessene Frist, die regelmäßig bis zu vier Wochen betragen sollte.11) Die Nichteinhaltung dieser – richterlichen – Frist allein führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit des erst nach ihrem Ablauf gestellten Eigen- und Restschuldbefreiungsantrages. Solange das Gericht das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet hat, bleibt auch ein Eigenantrag des Schuldners noch zulässig und damit die Chance auf Restschuldbefreiung erhalten.12) Entspricht das Gericht schon der ihm obliegenden „doppelten Hinweispflicht“ samt Fristsetzung nicht, kommt ausnahmsweise trotz bereits auf den Gläubigerantrag hin erfolgter Verfahrenseröffnung sogar ein „isolierter“ Restschuldbefreiungsantrag in Betracht.13)
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III. Sonderfall: Erneuter Restschuldbefreiungsantrag 1.
Rechtslage für alle vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren
Für alle vor dem 1.7.2014 beantragten (Insolvenz-)Verfahren war (und ist) es nach dem reinen Wortlaut des bis dahin geltenden Gesetzes einem Schuldner grundsätzlich unbenommen, nach dem Scheitern eines früheren Restschuldbefreiungsverfahrens einen neuen Versuch zu unternehmen. Allein § 290 Abs. 1 Nr. 3 a. F. bestimmt für den Fall der früheren Erteilung oder der Versagung wegen der Verletzung von Obliegenheiten des § 295 oder des Vorliegens einer Insolvenzstraftat eine Sperrfrist von zehn Jahren. Mit der Überlegung, dass durch die Befugnis zu einer uneingeschränkten Antragswiederholung die Rechtskraft einer die Restschuldbefreiung aus anderen Gründen versagenden Entscheidung, etwa aus den in § 290 Abs. 1 aufgeführten, völlig zur Disposition des Schuldners gestellt würde, wenn dieser nach Belieben immer neue Verfahren einleiten könnte, und ein auch in diesen Fällen als „unredlich“ anzusehender Schuldner dadurch in den Stand gesetzt würde, im Anschluss an die zu Recht ergangene Versagung der Restschuldbefreiung durch eine Anpassung der tatsächlichen Grundlagen nachträglich doch eine _____________ 8) BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 263/05, ZVI 2006, 406 f = NZI 2006, 601. 9) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, ZVI 2004, 492, 493 = NZI 2004, 593; BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 186/05, ZVI 2006, 67 f = NZI 2006, 181; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 4, Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 13. 10) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220 f = NJW 2005, 1433, dazu EWiR 2005, 311 (Smode); BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 202/07, ZInsO 2009, 1171 f = ZVI 2009, 368; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 16. 11) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220 f = NJW 2005, 1433; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 202/07, ZInsO 2009, 1171 f = ZVI 2009, 368. 12) BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2008, 1976 f = ZInsO 2008, 924, dazu EWiR 2008, 155 (Sailer); BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 1/08, ZInsO 2008, 1138 f; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 202/07, ZInsO 2009, 1171 f = ZVI 2009, 368. 13) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220 f = NJW 2005, 1433.
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§ 287
Antrag des Schuldners
Restschuldbefreiung zu erwirken,14) hat die höchstrichterliche Rechtsprechung indes eine Regelungslücke identifiziert und diese seit Mitte 2009 mit einer gleich doppelten Analogie zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 auszufüllen versucht. Erneute Anträge innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Scheitern eines früheren Restschuldbefreiungsverfahrens werden danach durchweg als bereits unzulässig angesehen, praktisch unabhängig davon, welcher Versagungsgrund seinerzeit einschlägig war15) – und bei Versagungsgründen allein macht diese Betrachtung nicht halt, auch Fristenverstöße u. Ä. werden einbezogen (siehe unten Rz. 9 f). 5
Diese Rechtsprechung sieht sich zu Recht mancher Kritik ausgesetzt.16) Angesichts der grundsätzlich abschließend ausgestalteten Aufzählung der Versagungsgründe in § 290 Abs. 117) und gerade auch der expliziten Regelung in § 290 Abs. 1 Nr. 318) erscheint bereits die Annahme einer Planwidrigkeit der vom Bundesgerichtshof festgestellten Regelungslücke19) als Voraussetzung einer Analogie schon „mutig“; der unterstützenden Bezugnahme der initialen Entscheidung20) zu dieser Rechtsprechungsserie auf den in einem damaligen Gesetzentwurf zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers21) ist spätestens mit der Aufgabe dieses Gesetzgebungsverfahrens vollkommen der Boden entzogen worden;22) auch eine vergleichbare Interessenlage kann der nachfolgend dargestellten Kasuistik nicht ohne weiteres entnommen werden.23) Indes – dass diese Rechtsprechung grundsätzlich materiell befriedigendere Ergebnisse als der bloße Gesetzeswortlaut zeitigt24) und – jedenfalls überwiegend – mit dem grundsätzlichen Ziel der Insolvenzordnung, der Restschuldbefreiung nur für den redlichen Schuldner, in Einklang steht, soll auch hier nicht in Frage gestellt werden. Die Praxis kann die mittlerweile verfestigte Rechtsprechung jedenfalls für all die Verfahren, die bis zum 1.7.2014 beantragt wurden, nicht außer Acht lassen.
_____________ 14) BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422 = ZInsO 2009, 1777, dazu EWiR 2009, 681 (Hackländer). 15) Eine zusätzliche Sperrfrist soll nur dann nicht in Betracht kommen, wenn der Versagungsgrund selbst bereits eine Sperrfrist von drei oder mehr Jahren kennt, BGH, Beschl. v. 22.11.2012 – IX ZB 194/11, ZVI 2013, 23 ff. 16) AG Göttingen, Beschl. v. 1.3.2010 – 74 IK 47/10, ZVI 2010, 184 f = NZI 2010, 447; Schmerbach, NZI 2009, 677; Sternal, NZI 2010, 457; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 37 ff m. zahlr. w. N. 17) So noch ganz ausdrücklich BGH, Beschl. v. 22.5.2003 – IX ZB 456/02, ZVI 2003, 421, 422 = NJW 2003, 2457; BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 227/04, ZVI 2006, 596 f; BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 52/07, ZVI 2008, 179 = NZI 2008, 318. 18) Krit. insbesondere auch unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte dieser Norm ausführl. Schmerbach, NZI 2009, 677, 678 f. 19) Schon gegen die Annahme selbst einer solchen Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 37 ff. 20) BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422 = ZInsO 2009, 1777. 21) RegE eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen v. 22.8.2007, S. 68 f. 22) Vgl. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 38. 23) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 38. 24) Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 14 mit Verweis auf die umfassende Verteidigung der BGH-Rspr. von G. Pape in: FS Ganter, S. 315 ff.
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Antrag des Schuldners
Danach gilt Folgendes: In fast allen Fällen25) der Versagung im Schlusstermin nach § 290 Abs. 1 ist davon auszugehen, dass der Schuldner einen Folgeantrag erst wieder nach Ablauf von drei Jahren, beginnend ab der Rechtskraft der Entscheidung über den erfolgreichen Versagungsantrag stellen kann.26) Eine zusätzliche Sperrfrist soll nur dann nicht in Betracht kommen, wenn der Versagungsgrund selbst bereits eine Sperrfrist von 3 oder mehr Jahren kennt.27)
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Die dreijährige Sperrfrist trifft auch den Schuldner, dem in einem früheren Verfahren die Verfahrenskostenstundung wegen des Vorliegens eines zweifelfrei erfüllten Versagungsgrundes rechtskräftig versagt wurde und dessen Anträge daher gar nicht erst zu einer Eröffnung des Verfahrens geführt haben;28) das Gleiche gilt im Falle einer früheren Aufhebung der Stundung, die eine Einstellung nach § 207 zur Folge hatte.29)
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Die Rücknahme eines Restschuldbefreiungsantrags nach Verwirkung eines Versagungstatbestandes oder der Versagung der Kostenstundung und eine damit einhergehende Vermeidung der beiden zuvor dargestellten Konstellationen kann dem Schuldner die Sperrfrist ebenfalls nicht ersparen.30)
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Auch die Verwerfung eines Restschuldbefreiungsantrags in einem früheren Verfahren als unzulässig soll die Sperrfrist in Gang setzen,31) ebenso, wenn sich der Schuldner trotz ordnungsgemäßen Hinweises des Gerichts (siehe oben unter Rz. 2.) einem Gläubigerantrag nicht mit Eigen- und Restschuldbefreiungsantrag anschließt32) oder seinem eigenen Eröffnungsantrag keinen Restschuldbefreiungsantrag folgen lässt.33) Die Anwendung der Sperrfrist begegnet bei diesen Konstellationen allerdings erheblichen Bedenken; hier kann nicht mehr ohne weiteres von einem unredlichen oder nachlässigen Schuldner ausgegangen werden.34)
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_____________ 25) I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 14. 26) Ausdrücklich zu § 290 Abs. 1 Nr. 4: BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – IX ZB 257/09, ZVI 2010, 145 f = NZI 2010, 407; zu Nr. 5: BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422 = ZInsO 2009, 1777; zu Nr. 6: BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 45/09, ZVI 2010, 100 f = NZI 2010, 263. 27) So ausdrückl. für den Fall des § 290 Abs. 1 Nr. 2: BGH, Beschl. v. 22.11.2012 – IX ZB 194/11, ZVI 2013, 23 ff. 28) BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZA 40/09, ZInsO 2010, 491 f; BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 45/09, ZVI 2010, 100 f = NZI 2010, 263; BGH, Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZA 39/09, ZInsO 2011, 587; BGH, Beschl. v. 9.3.2010 – IX ZA 7/10, ZInsO 2010, 783 f = NZI 2010, 445. 29) AG Flensburg, Beschl. v. 26.7.2011 – 56 IN 201/11, juris; I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 15; vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZA 10/09, NZI 2009, 615. 30) BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 221/09, ZVI 2011, 291 ff = ZInsO 2011, 1127 – Antragsrücknahme; BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZB 114/11, ZInsO 2011, 2198 = NZI 2011, 948 – Stundungsversagung. 31) I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 14 mit Verweis auf BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140 f = NZI 2010, 153 – der Beschl. verhält sich indes dazu nicht ausdrücklich. 32) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195 – die Sperrfrist beginnt dann mit der Entscheidung über den Gläubigerantrag zu laufen. 33) I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 1, 14. 34) Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 14 a. E.; auch AG Hamburg, Beschl. v. 9.9.2011 – 68g IK 683/11, ZInsO 2011, 2048.
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Antrag des Schuldners
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Dies gilt auch für die Fälle einer früheren Versagung wegen der fehlenden Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders nach § 29835) und einer Antragswiederholung nach Auslösung der Rücknahmefiktion.36) Nach der deutlichen Tendenz des Bundesgerichtshofes, insbesondere auch die Belastung der Gerichte und Landeskassen als Kriterium für den Ausschluss einer zeitnahen erneuten Antragstellung in den Blick zu nehmen,37) ist aber auch hier bei einer höchstrichterlichen Befassung zu erwarten (befürchten), dass die Sperrfrist Anwendung finden soll.38)
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Nach Ablauf der Sperrfrist von drei Jahren (und nach Aufhebung eines ggf. eröffneten Insolvenzverfahrens)39) ist der Weg für einen neuen Antrag des Schuldners aber voraussetzungslos wieder frei; früher aufgestellte Prämissen, dass etwa ein neuer Gläubiger hinzugekommen sein müsse40) oder der Schuldner in der Zwischenzeit neues verteilbares Vermögen erworben habe, sind – zu Recht – ausdrücklich aufgegeben worden.41) 2.
Rechtslage seit dem 1.7.2014
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Für alle ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Verfahren stellt sich die Rechtslage indes anders dar. Im seither geltenden § 287a sind ausdrücklich die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen ein (erneuter) Restschuldbefreiungsantrag unzulässig ist. Die darin angeordnete Prüfung des Gerichts von Amts wegen hat sich also nunmehr ausschließlich auf die gesetzlich geregelten Tatbestände zu erstrecken, für die – gestuft nach ihrem „Unrechtsgehalt“ – unterschiedliche Sperrfristen für einen erneuten Antrag gelten:
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Eine zehnjährige Sperrfrist ist gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 vorgesehen, wenn dem Schuldner vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag bereits Restschuldbefreiung innerhalb dieses Zeitraums erteilt wurde. Fünf Jahre beträgt die Sperrfrist gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 297 wegen einer Verurteilung _____________ 35) Gegen die Sperrfrist in diesem Fall mit gutem Grund LG Kiel, Beschl. v. 26.8.2010 – 13 T 109/10, ZVI 2011, 234; AG Göttingen, Beschl. v. 19.4.2011 – 74 IK 88/11, ZVI 2011, 391 – a. A. AG Lübeck, Beschl. v. 14.12.2010 – 53a IK 479/10, ZInsO 2011, 495 und LG Lübeck, 14.3.2010 – 7 T 595/10, ZVI 2011, 213 = ZInsO 2011, 1029. 36) Ebenfalls überzeugend gegen eine Sperrfrist in diesem Fall AG Hamburg, Beschl. v. 9.9.2011 – 68g IK 683/11, ZInsO 2011, 2048; LG Frankenthal, Beschl. v. 12.11.2012 – 1 T 139/12, ZVI 2012, 451 f; LG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.2013 – 25 T 130/13, ZVI 2013, 142 f. 37) Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195; auch schon BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422 = ZInsO 2009, 1777. 38) Hierzu tendierend I. Pape/G. Pape, ZInsO 2012, 15. 39) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195; vgl. auch grds. zur Unzulässigkeit eines zweiten Eröffnungsantrages während eines laufenden Verfahrens BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – IX ZB 189/03, ZVI 2004, 518 = ZInsO 2004, 739, dazu EWiR 2004, 987 (Hölzle); BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2008, 1976 = ZInsO 2008, 924. 40) So noch BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 263/05, ZVI 2006, 406 f = NZI 2006, 601. 41) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140 = NZI 2010, 153; BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, ZVI 2010, 101 f = NZI 2010, 195.
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Antrag des Schuldners
nach §§ 283 – 283c StGB zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist versagt wurde. Eine Sperrfrist von drei Jahren für einen wiederholten Restschuldbefreiungsantrag hat der Gesetzgeber in § 287a Abs. 2 Nr. 2 vorgesehen, wenn dem Schuldner in einem früheren Verfahren die Restschuldbefreiung versagt worden ist, weil er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 5), er unzutreffende Angaben in den vorzulegenden Unterlagen gemacht (§ 290 Abs. 1 Nr. 6) oder Obliegenheiten nach § 290 Abs. 1 Nr. 7, § 296 Abs. 1 nicht beachtet hat. Das gilt auch, wenn die Restschuldbefreiung erst nach dem Schlusstermin oder nach der Einstellung mangels Masseunzulänglichkeit (§ 211) wegen der in §§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 aufgeführten Gründen versagt wurde (§ 287a Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2).
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Für weitere Fälle hat der Gesetzgeber Sperrfristen bei wiederholten Restschuldund Stundungsanträgen ausdrücklich ausgeschlossen und insoweit bewusst die ihm bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht kodifiziert, weil er keinen vergleichbaren Unrechtsgehalt mit den in § 287a Abs. 2 Nr. 2 aufgeführten Versagungsgründen gesehen hat.42) Das gilt für die Nichtzahlung der Mindestvergütung für den Treuhänder,43) weil es insoweit „bereits an einem im ersten Verfahren gestellten Versagungsantrag eines Gläubigers und an der Feststellung, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde“,44) fehlt. Ebenso gilt das in den Fällen eines als unzulässig abgelehnten Restschuldbefreiungsantrages45) oder eines trotz Hinweises des Gerichts unterlassenen Eigenantrags des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Gläubigerantrags.46) In diesen Fällen liegt zwar ein nachlässiges Verhalten des Schuldners vor, daraus muss jedoch nicht auf ein unredliches Verhalten geschlossen werden.47) Grund für die Sperrfristenregelung ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein durch das Gericht auf den Versagungsantrag eines Gläubigers festgestelltes Fehlverhalten des Schuldners.48) Deshalb ist die Sperrfristenregelung auch nicht auf den Fall ausgedehnt worden, in dem „eine Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil nach Feststellung des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 zweifelsfrei gegeben ist.“49) Für den Fall des Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 hat der Gesetzgeber ebenfalls bewusst keine Sperrfristenregelung vorgesehen. Die Frist für die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners bei der Begründung unangemessener Verbindlichkeiten oder der Verschwendung von Vermögen, wo-
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_____________ 42) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 43) Anders – schon unter Bezugnahme auf den seinerzeit vorliegenden, allerdings noch nicht realisierten Gesetzesentwurf – BGH, Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZB 51/12, NZI 2013, 846; die Gesetzesbegründung ist dabei aber offenbar nicht vollständig berücksichtigt worden. 44) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 45) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140. 46) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, NZI 2010, 195. 47) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 48) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 49) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.
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Antrag des Schuldners
durch er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte von einem auf drei Jahre angehoben worden. Angesichts dieser Anhebung hätte sich eine unverhältnismäßig lange Sperrfrist ergeben. Das gilt ebenso für die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 2.50) 16
Um den Gerichten die Entscheidungsfindung i. R. der Eingangsentscheidung über die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung zu erleichtern,51) hat der Schuldner korrespondierend zu dieser Rechtslage seit dem 1.7.2014 seinem Antrag auf Restschuldbefreiung auch gemäß Absatz 2 Satz 3 eine Erklärung zu eben dem Vorliegen der in § 287a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 genannten Umstände beizufügen. Absatz 2 Satz 4 verlangt von ihm zudem die ausdrückliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben und warnt ihn damit davor, dass er anderenfalls den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 verwirklicht. IV. Abtretungserklärung
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Mit der Abtretung der pfändbaren Bezüge soll die Arbeitskraft des Schuldners für die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung nutzbar gemacht werden. Die Rechtsnatur der dazu in Absatz 2 verlangten Abtretungserklärung ist streitig; nach einer Ansicht ist sie Grundlage eines zivilrechtlichen Abtretungsvertrages,52) nach a. A. ist sie Prozesshandlung, die die weitere Übertragung der Forderung durch das Gericht kraft Hoheitsakts ermöglicht.53) Die Auswirkungen des Meinungsstreits sind zwar für die rechtliche Einordnung der Verfahrensschritte im Restschuldbefreiungsverfahren von erheblicher Bedeutung,54) die Auswirkungen in der Praxis jedoch – soweit ersichtlich – nicht spürbar.55) 1.
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Abgabepflicht, Frist, Form
Zusammen mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung56) muss der Schuldner die Erklärung abgeben, seine Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis oder ähnliche Forderungen an den – zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestimmten – Treuhänder abzutreten. Auf dieses Erfordernis ist der Schuldner ggf. analog Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 20 Abs. 2 hinzuweisen; erst nach Ablauf der entsprechenden Zwei-WochenFrist nach einer vollständigen und zutreffenden gerichtlichen Belehrung kann _____________ 50) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 51) RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 34. 52) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.1.2002 – 3 W 235/01, ZVI 2002, 128, 129 = NZI 2002, 670; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 38a; Landfermann in: HK-InsO, § 287 Rz. 24; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 16 m. w. N. 53) BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 117/04, ZVI 2006, 404, 405 = ZIP 2006, 1651 – „vorrangig Prozesshandlung“; AG Hamburg, Beschl. v. 13.8.2001 – 68b IK 1/99, ZInsO 2001, 768, 769; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 287 Rz. 34; ausführl. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 43 ff m. w. N. 54) Vgl. anschaulich Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 48 ff. 55) Eine Ausnahme – Möglichkeit der amtswegigen Abänderung der im Beschluss zur Ankündigung der Restschuldbefreiung angegebenen Laufzeit der Abtretungserklärung – zeigt BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 117/04, ZVI 2006, 404, 405 = ZIP 2006, 1651. 56) OLG Celle, Beschl. v. 4.2.2002 – 2 W 5/02, ZVI 2002, 29, 30 = NZI 2002, 323; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 20.
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§ 287
Antrag des Schuldners
der Antrag auf Restschuldbefreiung als unzulässig abgelehnt werden.57) Absatz 1 Satz 2 ist insofern indes nicht im Verbraucherinsolvenzverfahren anwendbar; geht es um die Vervollständigung des Antrags auf Restschuldbefreiung – hier durch Vorlage der Abtretungserklärung –, enthält § 305 Abs. 3 die vorgehende, weil spezielle Regelung.58) Die Abtretungserklärung muss jeder Schuldner abgeben, unabhängig davon, ob er selbständig tätig, abhängig oder gar nicht beschäftigt ist.59)
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Die Form der Abtretungserklärung folgt der des Antrags auf Restschuldbefreiung selbst (oben Rz. 2). Eine bestimmte Formulierung ist nicht vorgeschrieben; die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts muss stets genügen. Gegebenenfalls ist die Erklärung im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers auszulegen,60) auf verbleibende Unklarheiten hinzuweisen.61) Da es sich nicht um eine höchstpersönliche Erklärung handelt, kann sie auch von einem Vertreter, etwa dem Verfahrensbevollmächtigten, abgegeben werden.62)
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In vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren hat der Schuldner gemäß dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Absatz 2 Satz 2 mit der Erklärung zusätzlich auf bereits an Dritte abgetretene oder verpfändete Forderungen i. S. des Absatzes 2 Satz 1 (wegen der sich aus dem bis zum 30.6.2014 geltenden § 114 ergebenden Einschränkungen) hinzuweisen. Gibt der Schuldner hier vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unzutreffende Erklärung ab, verwirklicht er den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5.63)
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2.
Gegenstand der Abtretung
Der Schuldner tritt – für die Laufzeit der Erklärung – sämtliche pfändbaren Forderungen auf „Bezüge aus einem Dienstverhältnis“ ab. Hierzu gehört grundsätzlich jede Art von Arbeitseinkommen i. S. des § 850 ZPO,64) auch etwa Naturalleistungen wie die Überlassung eines Dienstwagens.65) Was als Arbeitseinkommen gepfändet werden kann, ist wegen des grundsätzlichen Gleichlaufs der Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Abtretung, Pfändung und Verpfändung66) prinzipiell auch abzutreten.67) Insbesondere unterliegen also der Abtretung Arbeits- und Dienstlöhne, _____________ 57) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 20. 58) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 112/08, ZVI 2009, 87, 88 = NZI 2009, 120; LG Celle, Beschl. v. 4.2.2002 – 2 W 5/02, ZVI 2002, 29, 30 = NZI 2002, 323; a. A. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.1.2002 – 3 W 235/01, ZVI 2002, 128, 129 = NZI 2002, 670. 59) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 15. 60) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 55; so i. E. auch BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 117/04, ZVI 2006, 404, 405 = ZIP 2006, 1651. 61) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 24. 62) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.1.2002 – 3 W 235/01, ZVI 2002, 128, 129 = NZI 2002, 670. 63) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 137, § 290 Rz. 56 m. w. N. 64) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 22; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 61. 65) BGH, Beschl. v. 18.10.2012 – IX ZB 61/10, ZVI 2013, 74 f. 66) BGH, Urt. v. 25.10.1984 – IX ZR 110/83, NJW 1985, 976, 977 = ZIP 1984, 1501. 67) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 61.
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Antrag des Schuldners
Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen (§ 850 Abs. 2 ZPO), aber auch Ruhegelder und ähnliche nach dem Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte.68) Im – gesetzlich unterstützten – Interesse der Gläubiger ist der Begriff der Bezüge weit zu verstehen; hierunter können zumeist regelmäßige Zahlungen verstanden werden, die in einem Zusammenhang mit einer Arbeitstätigkeit des Schuldners stehen.69) So ist auch das Arbeitsentgelt des Strafgefangenen zu den Bezügen zu zählen.70) 23
Nicht erfasst werden aber Steuererstattungsansprüche des Schuldners, weil diese zwar den Ursprung noch im Arbeitsverhältnis haben, zuletzt aber öffentlich-rechtlicher Natur sind.71) Entsprechend werden auch von Dritten gezahlte Zuwendungen, wie etwa die von der Gewerkschaft gezahlte Arbeitskampfunterstützung, nicht unter die Abtretungserklärung fallen.72) Weiter sind nicht abtretbar, obgleich zumeist als Bestandteil des Arbeitseinkommens angesehen, Kindergeld und vermögenswirksame Leistungen.73)
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Nach vorzugswürdiger Ansicht zählen auch Einkünfte eines Selbstständigen nicht zu den abtretbaren „Bezügen“.74) Vielmehr gilt für diese § 295 Abs. 2, wonach der selbständig Tätige Zahlungen an den Treuhänder zu leisten hat, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Würden die Einkünfte unter die Abtretungserklärung fallen, könnte der Schuldner dieser Abführungspflicht gar nicht gerecht werden.75)
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„An deren Stelle tretende Bezüge“ sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers Renten und die sonstigen laufenden Geldleistungen der Sozialversicherungsträger sowie der Bundesagentur für Arbeit im Fall des Ruhestands, der Erwerbsunfähigkeit oder der Arbeitslosigkeit.76) Zur Frage der Abtretbarkeit solcher Forderungen wird im Regelfall § 54 SGB I zu beachten sein.77) _____________ 68) § 850 Abs. 2 ZPO; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 29; Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 287 Rz. 22. 69) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 23. 70) Begr. RegE z. § 92/§ 81 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 136, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 260 f; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 68. 71) BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340 = ZVI 2006, 58, 59, dazu EWiR 2006, 245 (Beck); BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 438 = NJW 2005, 2988, 2989 m. w. N.; BFH, Urt. v. 21.11.2006 – VII R 66/05, HFR 2007, 631 ff; BFH, Urt. v. 21.11.2006 – VII R 1/06, ZVI 2007, 137 f = ZIP 2007, 347. 72) A. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 64; vgl. aber BFH, Urt. v. 24.10.1990 – X R 161/88, NJW 1991, 1007 = BB 1991, 117. 73) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 67 m. w. N. 74) BGH, Beschl. v. 15.10.2009 – IX ZR 234/08, ZVI 2010, 28 = NZI 2010, 72; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 23; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 24 m. w. N.; Wimmer-Ahrens, FKInsO, § 287 Rz. 72 m. w. N. 75) Vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101. 76) Begr. RegE z. § 92/§ 81 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 136, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 260 f. 77) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 97 ff.
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§ 287
Antrag des Schuldners
Sonstiges Vermögen, das der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode erwirbt – etwa durch Erbschaft, Schenkung, Lottogewinn – wird von der Abtretung nicht erfasst.78) Dies soll nicht bedeuten, dass es den Gläubigern nicht zur Befriedigung dienen kann.79) 3.
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Pfändungsschutz
Die Abtretung erfasst nur den pfändbaren Teil der Bezüge. Die Pfändbarkeit in der Wohlverhaltensperiode bestimmt sich, wie die Verweisung in § 292 Abs. 1 Satz 3 klarstellt,80) nach den in § 36 Abs. 1 Satz 2 erwähnten allgemeinen Vorschriften der §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c und 851d ZPO (vgl. näher oben § 36 Rz. 16 ff). Darüber hinaus ist § 54 SGB I für die abtretbaren Sozialleistungen zu beachten.81)
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Die Antragsberechtigung richtet sich nach den Bestimmungen der jeweiligen Norm; dort normierte Antragsrechte von Gläubigern werden – ausschließlich – vom Treuhänder ausgeübt (§ 36 Abs. 4 Satz 2), solche des Schuldners kann ausschließlich dieser selbst wahrnehmen, nachdem er mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungsbefugnis über sein Vermögen wiedererlangt hat.
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Zuständig für gerichtliche Entscheidungen nach den §§ 850 ff ZPO ist gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3, § 36 Abs. 4 Satz 1 das Insolvenzgericht. Für die Anfechtung solcher Entscheidungen ist der allgemeine vollstreckungsrechtliche Rechtsmittelzug eröffnet.82) Häufig wird also die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO in Betracht kommen, sobald der Entscheidungscharakter zu bejahen ist;83) anderenfalls die Erinnerung nach § 766 ZPO. § 6 findet insoweit keine Anwendung.
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4.
Dauer der Abtretung
Die Abtretung gilt nach Absatz 2 Satz 1 für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diese „Abtretungsfrist“, wie sie nun seit dem 1.7.2014 auch legaldefiniert ist, berechnet sich nach § 4 i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB; sie endet also an dem Tag des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Eröffnungsbeschluss erlassen (nicht: rechtskräftig) wurde.84) Mit dem Ende dieser Frist endet auch die Wohlverhaltensperiode, und das Gericht hat gemäß § 300 über die Erteilung der Restschuldbefreiung zu entscheiden. Durch das Abstellen auf den Eröffnungszeitpunkt ist die Wohlverhaltensperiode, die ja erst mit der Ankündigung der Restschuldbe_____________ 78) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 25. 79) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 26; vgl. auch § 295 Abs. 1 Nr. 2 für die Erbschaft. 80) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 56. 81) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 32. 82) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379 = ZVI 2004, 625, dazu EWiR 2004, 1003 (Hintzen); BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732 = ZVI 2004, 197, dazu EWiR 2004, 1231 (Lüke/Ellke). 83) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379 = ZVI 2004, 625; LG Bochum, Beschl. v. 16.9.2005 – 10 T 108/04, n. v. 84) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 37; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 123.
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§ 287
Antrag des Schuldners
freiung und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, also später beginnt, um die Dauer des Insolvenzverfahrens kürzer als die Abtretungsfrist. Im Einzelfall kann die Abtretungsfrist also sogar vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens enden, vgl. hierzu unten zu § 300 Rz. 3 ff. 31
Vor Ablauf von sechs Jahren endet die Frist in den Fällen des § 299, also einer Versagung der Restschuldbefreiung nach den §§ 296 – 298, oder einer vorzeitigen Beendigung aus anderem Grund, etwa durch die Befriedigung sämtlicher teilnehmender Gläubiger und der Berichtigung sämtlicher Kosten;85) in ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Verfahren zusätzlich auch in allen Fällen einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2. Denkbar ist zudem eine Verfahrensbeendigung durch Rücknahme des Schuldnerantrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung; die Rücknahme bewirkt dann zugleich den Widerruf der Abtretungserklärung.86)
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Vor Inkrafttreten des InsOÄndG betrug die Laufzeit nach § 287 Abs. 2 a. F. sieben Jahre ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Diese Frist galt grundsätzlich gemäß Art. 103a EGInsO unverändert für alle vor dem 1.12.2001 eröffneten Verfahren;87) nur ausnahmsweise bestimmte der mit Wirkung vom 1.7.2007 aufgehobene Art. 107 EGInsO a. F. eine Verkürzung der Laufzeit auf fünf Jahre, wenn der Schuldner bereits vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähig war. Art. 107 EGInsO fand aber keine Anwendung mehr auf Verfahren, die nach dem Inkrafttreten des InsOÄndG am 1.12.2001 eröffnet worden sind.88) Nach jüngster – und zu begrüßender – höchstrichterlicher Rechtsprechung muss aber Art. 103a EGInsO verfassungskonform einschränkend dahin ausgelegt werden, dass auch in sämtlichen Altverfahren fortan zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung, gleichviel, ob die Wohlverhaltensperiode bereits begonnen hat oder nicht, gemäß § 300 die Restschuldbefreiung zu erteilen ist, sollte sie dem Schuldner nicht nach § 290 bzw. §§ 295 zu versagen sein.89) V. Abtretungsverbote
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Nach Absatz 3 sind Vereinbarungen, insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung vereiteln oder beeinträchtigen; hierunter fallen solche, die die Abtretung der in Absatz 2 genannten Forderungen ausschließen, von einer Bedingung abhängig machen oder sonst einschränken,90) etwa Abtretungsverbote, Anzeige- oder Zustimmungsvorbehalte.91) Die so bestimmte relative Unwirksamkeit führt dazu, _____________ 85) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399; BGH, Beschl. v. 8.11.2007 – IX ZB 115/04, juris. 86) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 51. 87) BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 72/06, ZVI 2007, 621 f = NZI 2008, 49. 88) BGH, Beschl. v. 21.5.2004 – IX ZB 274/03, ZVI 2004, 355, 357 = NZI 2004, 452 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZA 14/06, ZVI 2006, 466; zum alten Meinungsstand vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 41. 89) BGH, Beschl. v. 18.7.2013 – IX ZB 11/13, ZVI 2013, 450 = ZInsO 2013, 849. 90) So bestimmte es noch ausdrücklich der bis zum 1.7.2014 geltende Gesetzeswortlaut. 91) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 30; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 139.
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§ 287a
Entscheidung des Insolvenzgerichts
dass sich die jeweiligen Drittschuldner im Verhältnis zum Schuldner und zum Treuhänder nicht auf die Vereinbarungen berufen können.92) VI. Anhörung der Gläubiger Der mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffene Absatz 4 verpflichtet das Gericht, die Gläubiger anzuhören. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll dies unabhängig von der ggf. bereits zuvor getroffenen Eingangsentscheidung auch noch zur Zulässigkeit des Antrags des Schuldners auf Restschuldbefreiung geschehen,93) wobei sich der Sinn dieser dann nachträglichen Anhörung kaum erschließt – hat der Schuldner insofern falsche Angaben zu den „Unzulässigkeitsgründen“ des § 287a Abs. 2 Satz 1 gemacht, würde dies von dem Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 n. F. erfasst und insofern ohnehin nur auf Antrag eines Gläubigers zu berücksichtigen sein.
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Es sind jedoch nur die Insolvenzgläubiger anzuhören, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben, da nur diese einen zulässigen Versagungsantrag stellen können.94) Im Gegensatz zu der – weiterhin für vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren geltenden – früheren Rechtslage, wie sie § 289 Abs. 1 Satz 1 a. F. bestimmte, hat diese Anhörung nicht erst im Schlusstermin zu erfolgen, sondern ist auch früher möglich; dies soll den Gläubigern zugutekommen, die nunmehr also auch im Falle der Durchführung des mündlichen Verfahrens jederzeit ihre Versagungsanträge auch schriftlich stellen können und dafür nicht mehr persönlich den Schlusstermin wahrnehmen müssen.95)
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_____________ 92) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 57; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 31; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 140; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 287 Rz. 66. 93) RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 35. 94) BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/05, ZVI 2007, 327; BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZB 257/08, ZVI 2010, 30 = ZInsO 2009, 2162. 95) RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 35 f; krit. zu dem insofern zu befürchtenden „Antragsstau“, da erst nach dem Schlusstermin entschieden werden kann, etwa Frind, ZInsO 2012, 1455, 1459.
§ 287a ) Entscheidung des Insolvenzgerichts (1) 1Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig, so stellt das Insolvenzgericht durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 nicht vorliegen. 2Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. 3Gegen den Beschluss steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) 1Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist unzulässig, wenn 1.
dem Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder wenn ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor Kexel
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§ 287a
Entscheidung des Insolvenzgerichts
dass sich die jeweiligen Drittschuldner im Verhältnis zum Schuldner und zum Treuhänder nicht auf die Vereinbarungen berufen können.92) VI. Anhörung der Gläubiger Der mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffene Absatz 4 verpflichtet das Gericht, die Gläubiger anzuhören. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll dies unabhängig von der ggf. bereits zuvor getroffenen Eingangsentscheidung auch noch zur Zulässigkeit des Antrags des Schuldners auf Restschuldbefreiung geschehen,93) wobei sich der Sinn dieser dann nachträglichen Anhörung kaum erschließt – hat der Schuldner insofern falsche Angaben zu den „Unzulässigkeitsgründen“ des § 287a Abs. 2 Satz 1 gemacht, würde dies von dem Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 n. F. erfasst und insofern ohnehin nur auf Antrag eines Gläubigers zu berücksichtigen sein.
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Es sind jedoch nur die Insolvenzgläubiger anzuhören, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben, da nur diese einen zulässigen Versagungsantrag stellen können.94) Im Gegensatz zu der – weiterhin für vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren geltenden – früheren Rechtslage, wie sie § 289 Abs. 1 Satz 1 a. F. bestimmte, hat diese Anhörung nicht erst im Schlusstermin zu erfolgen, sondern ist auch früher möglich; dies soll den Gläubigern zugutekommen, die nunmehr also auch im Falle der Durchführung des mündlichen Verfahrens jederzeit ihre Versagungsanträge auch schriftlich stellen können und dafür nicht mehr persönlich den Schlusstermin wahrnehmen müssen.95)
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_____________ 92) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 57; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 287 Rz. 31; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 287 Rz. 140; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 287 Rz. 66. 93) RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 35. 94) BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/05, ZVI 2007, 327; BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZB 257/08, ZVI 2010, 30 = ZInsO 2009, 2162. 95) RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 35 f; krit. zu dem insofern zu befürchtenden „Antragsstau“, da erst nach dem Schlusstermin entschieden werden kann, etwa Frind, ZInsO 2012, 1455, 1459.
§ 287a ) Entscheidung des Insolvenzgerichts (1) 1Ist der Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig, so stellt das Insolvenzgericht durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 nicht vorliegen. 2Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. 3Gegen den Beschluss steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) 1Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist unzulässig, wenn 1.
dem Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder wenn ihm die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor Kexel
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§ 287a
Entscheidung des Insolvenzgerichts
dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag nach § 297 versagt worden ist oder 2.
dem Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung nach § 290 Absatz 1 Nummer 5, 6 oder 7 oder nach § 296 versagt worden ist; dies gilt auch im Fall des § 297a, wenn die nachträgliche Versagung auf Gründe nach § 290 Absatz 1 Nummer 5, 6 oder 7 gestützt worden ist.
2 In diesen Fällen hat das Gericht dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen.
)
§ 287a eingefügt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
Literatur: Frind, Ein schlankes neues Privatinsolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1455. Übersicht I. II. 1. 2.
Normzweck ........................................... Eingangsentscheidung (Abs. 1) .......... Anhörung .............................................. Entscheidung .........................................
I.
Normzweck
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3. Rechtsmittel ........................................... 8 III. Erneuter Restschuldbefreiungsantrag (Abs. 2) .......................................... 9
1
Mit der zum 1.7.2014 in Kraft tretenden (und auch erst für alle ab einschließlich diesem Datum beantragten Insolvenzverfahren geltenden) Regelung wird das Verfahren zur Restschuldbefreiung gerade in Ansehung der insgesamt beabsichtigten Verkürzung und zur Steigerung der Effektivität1) in einem wesentlichen Punkt umgestaltet. Mit der in Absatz 1 eingeführten „Eingangsentscheidung“ soll frühzeitig Rechtsklarheit hergestellt und Aufwand und Kosten überflüssiger Insolvenzverfahren vermieden werden.2) Das Insolvenzgericht soll nunmehr schon mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Amts wegen darüber befinden, ob der Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens eine bereits in einem innerhalb eines relevanten Zeitraums vor der Antragstellung erfolgte Erteilung oder Versagung einer Restschuldbefreiung entgegensteht. Nach der alten Rechtslage war dies erstmals nach dem Schlusstermin, also mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens, i. R. der – nunmehr weggefallenen – Entscheidung über die „Ankündigung“ der Restschuldbefreiung möglich, was ggf. zur Folge hatte, dass der Schuldner das gesamte Insolvenzverfahren durchlaufen musste, obgleich keine Aussicht bestand, das angestrebte Ziel der Entschuldung zu erreichen.
2
Mit der Regelung in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 wird entsprechend der früher in § 290 Abs. 1 Satz 3 niedergelegte und nur auf entsprechenden Gläubigerantrag zu berücksichtigende „Versagungsgrund“ der vorangegangenen Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in eine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung transferiert. Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 schafft eine weitere Sperre gegenüber _____________ 1) 2)
RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 23. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36.
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einem missbräuchlich wiederholten Restschuldbefreiungsverfahren;3) hiermit hat der Gesetzgeber insbesondere auch die Gelegenheit ergriffen, diesen nach bisheriger Rechtslage durch immer weiter ausuferndes Richterrecht geprägten Bereich rechtsklar und verbindlich zu regeln. Die unterschiedlichen Sperrfristen sollen zudem nach dem Unwertgehalt der ihnen zugrunde liegenden Pflicht- und Obliegenheitsverletzungen harmonisiert werden.4) II. Eingangsentscheidung (Abs. 1) Die in Absatz 1 angeordnete Entscheidung des Gerichts ersetzt partiell die nach der bis zum 30.6.2014 – und damit weiterhin für alle noch vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren – geltenden Rechtslage in §§ 289, 291 a. F. vorgesehene Entscheidung über die „Ankündigung“ der Restschuldbefreiung. Während Letztere erst nach dem Schlusstermin ergeht und als solche bereits – zwingend in diesem Termin zu stellende – Versagungsanträge zu berücksichtigen hat, setzt die – in Ansehung der Regelung in Absatz 2 Satz 2 – schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu treffende Entscheidung nach Absatz 1 eine reine Zulässigkeitsprüfung voraus. Dies führt zu einem in aller Regel schlankeren Verfahren: 1.
Anhörung
Im Gegensatz zu der in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren noch zu treffenden Ankündigungsentscheidung (und hier dem § 289 Abs. 1 a. F.) sind weder Gläubiger noch (vorläufiger) Verwalter vor der Entscheidung nach Absatz 1 zwingend zu hören. Die amtswegige Prüfung der in Absatz 2 aufgeführten Ausschlussgründe betrifft allein die Sphäre des Schuldners; dieser hat zuvor bereits mit der von § 287 Abs. 1 Satz 3 von ihm verlangten Erklärung genau hierzu Stellung nehmen können und zudem die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärung versichern müssen, § 287 Abs. 1 Satz 4. Die Anhörung der Gläubiger ist zu diesem frühen Zeitpunkt entbehrlich; zum einen wird häufig noch nicht einmal die Gläubigereigenschaft feststehen, zum anderen werden durch die Eingangsentscheidung spätere Einwendungen der Gläubiger nicht präkludiert.5) Ihnen bleibt es unbenommen, Versagungsgründe nach § 290 Abs. 1 n. F. und damit insbesondere auch eine Falschauskunft des Schuldners nach § 287 Abs. 1 Satz 3 zu den „Unzulässigkeitsgründen“ des Absatzes 2 Satz 1 als Verstoß gegen die Mitteilungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 bis zum Schlusstermin und nach Maßgabe des § 297a sogar darüber hinaus geltend machen. 2.
4
Entscheidung
Das Gericht entscheidet über den Antrag des Schuldners gemäß Absatz 1 durch Beschluss; im Regelfall wird es dies im Eröffnungsbeschluss selbst tun können. Ist der Restschuldbefreiungsantrag zulässig, spricht es mit dem Eröffnungsbeschluss zugleich aus, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten des § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen einer Versagung _____________ 3) 4) 5)
3
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36.
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nicht vorliegen.6) Für die Entscheidung ist der Richter zuständig, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG n. F. nimmt sie ausdrücklich von der Zuständigkeit des Rechtspflegers aus. 6
Hält das Gericht hingegen den Restschuldbefreiungsantrag aus den in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 genannten Gründen für unzulässig, hat es den Schuldner gemäß Absatz 2 Satz 2 darauf hinzuweisen, noch bevor es auch über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet; aus der ratio des § 287a, dem Schuldner (und dem Gericht) ein ggf. aufwändiges Insolvenzverfahren zu ersparen, wenn er sein Ziel der Entschuldung so ohnehin nicht erreichen kann, folgt notwendigerweise, dass ihm zuvor Gelegenheit zu geben ist, seinen Eröffnungsantrag zurückzunehmen. Zugleich kann ihn das Gericht auf die Unzulässigkeit des Restschuldbefreiungsantrags hinweisen und somit Gelegenheit geben, auch seinen Antrag auf Restschuldbefreiung zurückzunehmen. Dies ist zulässig, weil die Entscheidung nach Absatz 1 für ein späteres Restschuldbefreiungsverfahren keine Sperrfrist auslöst.7)
7
Der Beschluss ist gemäß Absatz 1 Satz 2 zwingend öffentlich bekannt zu machen; hierdurch werden die Gläubiger hinreichend informiert, dass der Schuldner Restschuldbefreiung beantragt hat. 3.
8
Rechtsmittel
Absatz 1 Satz 3 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung i. S. des § 6 Abs. 1. Verwirft das Gericht den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung als unzulässig, so kann der Schuldner die sofortige Beschwerde einlegen. Gläubigern wird keine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt; dies ist – wie schon ihre vorhergehende Anhörung – auch nicht erforderlich, soweit ihnen weiterhin, bis zum Schlusstermin und gemäß § 297a sogar darüber hinaus die Möglichkeit offensteht, eine unrichtige oder unvollständige Erklärung des Schuldners zu den Gründen des Absatzes 2 Satz 1 als Versagungsgrund über § 290 Abs. 1 Nr. 6 geltend zu machen. III. Erneuter Restschuldbefreiungsantrag (Abs. 2)
9
Im Rahmen der Eingangsentscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht von Amts wegen die in Absatz 2 abschließend aufgeführten Ausschlussgründe zu prüfen, bei deren Vorliegen der Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners bereits zu diesem frühen Zeitpunkt als unzulässig zu verwerfen ist. Da der Schuldner gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 bereits mit seinem Antrag die Erklärung über Vorliegen oder Nichtvorliegen eben jener Gründe abzugeben hat und zugleich ausdrücklich noch dessen Richtigkeit und Vollständigkeit zu versichern hat, zudem § 303a künftig eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (und Übermittlung an das zentrale Vollstreckungsgericht) bei Versagung und Widerruf der Restschuldbefreiung vorsieht, sollte sich der Aufwand für diese Prüfung in Grenzen halten8) – erst recht, weil der Schuldner bei einer auch nur grob fahrlässig unrichtigen oder unvollständigen Er_____________ 6)
7) 8)
Die entsprechende Formulierung in Absatz 1 ist lediglich als Vorgabe des „Beschlusstenors“ zu verstehen, nicht etwa als zusätzlich prognostisch zu prüfende weitere Voraussetzung; so aber seinerzeit noch Frind, ZInsO 2012, 1455, 1458. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 37 f. So auch Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 23: „geringer Arbeitsaufwand“; a. A. Frind, ZInsO 2012, 1455, 1458.
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klärung höchste Gefahr läuft, dass ihm die Restschuldbefreiung im weiteren Verfahren (und darüber hinaus) versagt werden dürfte. Absatz 2 Nr. 1 greift den bis dato in § 290 Abs. 1 Nr. 3 a. F. geregelten Versagungsgrund auf, der einer Restschuldbefreiung entgegenstehen sollte, wenn dem Schuldner bereits in einem früheren Verfahren Restschuldbefreiung erteilt oder ihm diese wegen einer Insolvenzstraftat versagt worden ist. Auch im nun neuen Gewand einer Zulässigkeitsvoraussetzung soll mit der Regelung dem Missbrauch eines Restschuldbefreiungsverfahrens entgegengewirkt werden; so soll im Falle einer Erteilung der Restschuldbefreiung innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor der erneuten Antragstellung verhindert werden, dass ein Schuldner, der damit bereits einmal diese Rechtswohltat entgegengenommen hat, dieselbe abermals zur Verminderung seiner – in der Zwischenzeit abermals aufgebauten – Schuldenlast einsetzt.9) Unzulässig ist der – erneute – Restschuldbefreiungsantrag auch dann, wenn erst nach der Antragstellung die Restschuldbefreiung in jenem anderen Verfahren erteilt wird; da die Eingangsentscheidung nach Absatz 1 indes im Regelfall bereits sehr kurz nach Antragstellung zu treffen ist, verbleibt für diese Variante ein nur geringer praktischer Anwendungsbereich.
10
Vom Gesetz nicht erfasst bleiben damit jene Fälle, in denen dem Schuldner tatsächlich in einem noch laufenden anderen Verfahren – eine solche Konstellation ist etwa bei der „Freigabe“ einer selbstständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 in jenem älteren Verfahren denkbar – erst nach der Eingangsentscheidung die Restschuldbefreiung erteilt wird. Das Gericht kann hier nicht nachträglich die getroffene Zulässigkeitsentscheidung in Frage stellen; auch andere Möglichkeiten, etwa eines Versagungsantrages, sieht das Gesetz nicht (mehr)10) vor. Da für eine Ungleichbehandlung des Falls der „zufällig“ erst nach der Eingangsentscheidung erteilten Restschuldbefreiung zu jenem, wo diese Entscheidung noch vor der Eingangsentscheidung fällt, keinerlei sachliche Gründe erkennbar sind, im Gegenteil von einem Bedürfnis auszugehen ist, diese Konstellationen gleichzubehandeln, auf der anderen Seite dieses Problem im gesamten Gesetzgebungsprozess nicht mit einem Wort angesprochen wurde, dürfte hier von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen sein, die im Wege einer Analogie geschlossen werden könnte. Einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt hierfür zu finden, ist indes schwierig. Eine Vergleichbarkeit der Sachlage dürfte am ehesten mit der weiteren Alternative der Nummer 1, nämlich der vorangegangenen Versagung wegen einer Insolvenzstraftat gegeben sein (vgl. nachstehend); hier besteht für die Gläubiger in Form des § 290 Abs. 1 Nr. 1 n. F. auch nach der Eingangsentscheidung noch die Möglichkeit der Geltendmachung über einen Versagungsantrag. Entsprechend sollte eine analoge Anwendung jener Vorschrift zu überdenken sein.
11
Ist dem Schuldner die Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren wegen einer Insolvenzstraftat gemäß § 297 versagt worden, beträgt die „Sperrfrist“ für einen neuen, zulässigen Antrag im Gegensatz zu der alten Regelung nur noch fünf Jahre. Der Gesetzgeber hält diese gegenüber der für den Fall der vorangegangenen
12
_____________ 9) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36. 10) Vgl. noch § 290 Abs. 1 Nr. 3 a. F., der diesen Fall mitumfasste.
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Erteilung der Restschuldbefreiung kürzere Frist deshalb für angemessen, weil der Schuldner in diesen Fällen eben noch keine Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang erhalten hat.11) Auch für diese Variante ist der Antrag ebenfalls unzulässig, wenn die Versagung noch nach Antragstellung erfolgt; anders als bei der vorangegangenen Erteilung der Restschuldbefreiung besteht aber gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 n. F. – der ebenfalls die Fünf-Jahres-Frist aufweist – für den Gläubiger im Falle einer entsprechenden Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat diesbezüglich auch nach der für den Schuldner positiven Eingangsentscheidung noch die Möglichkeit, einen Versagungsantrag zu stellen. 13
Auch Absatz 2 Nr. 2 ist als Sperre gegen missbräuchlich wiederholte Restschuldbefreiungsverfahren konstruiert. Den hier enumerativ (und damit abschließend, siehe unten Rz. 16 f) aufgeführten Tatbeständen ist gemein, dass der Schuldner für die in dem vorangegangenen Verfahren erfolgte Versagung der Restschuldbefreiung ausschließlich selbst verantwortlich ist und das Verhalten bzw. Unterlassen seinen Gläubigern gegenüber als „unredlich“ bewertet werden kann; auch die Gerichte sollen in diesem Fall vor der erneuten, erheblich belastenden Befassung zumindest für einen gewissen Zeitraum geschützt werden.12)
14
Insoweit hat der Gesetzgeber eine Sperrfrist von drei Jahren für einen wiederholten Restschuldbefreiungsantrag als ausreichend angesehen. Im Einzelnen gilt diese Sperrfrist, vor deren Ablauf der erneute Antrag nach Absatz 1 unzulässig ist, wenn dem Schuldner in einem früheren Verfahren die Restschuldbefreiung versagt worden ist, –
weil er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt (§ 290 Abs. 1 Nr. 5),
–
er unzutreffende Angaben in den vorzulegenden Unterlagen gemacht hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 6),
–
seiner Erwerbsobliegenheit gemäß §§ 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7 nicht nachgekommen ist oder
–
Obliegenheiten gemäß §§ 295, 296 verletzt hat.
15
Das gilt nach Absatz 2 Nr. 2 Halbs. 2 auch, wenn die Restschuldbefreiung erst nach dem Schlusstermin oder nach der Einstellung mangels Masseunzulänglichkeit (§ 211) wegen der in §§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 aufgeführten Gründen versagt wurde (§ 287a).
16
Für weitere Fälle hat der Gesetzgeber Sperrfristen bei wiederholten Restschuldund Stundungsanträgen ausdrücklich ausgeschlossen und insoweit bewusst die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht kodifiziert, weil er keinen vergleichbaren Unrechtsgehalt mit den in Absatz 2 Nr. 2 aufgeführten Versagungsgründen gesehen hat.13) Das gilt für die Nichtzahlung der Mindestvergütung für
_____________ 11) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36. 12) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 36. 13) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.
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Erwerbsobliegenheit des Schuldners
den Treuhänder,14) weil es insoweit „bereits an einem im ersten Verfahren gestellten Versagungsantrag eines Gläubigers und an der Feststellung, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde“,15) fehlt. Ebenso gilt das in den Fällen eines als unzulässig abgelehnten Restschuldbefreiungsantrages16) oder eines trotz Hinweises des Gerichts unterlassenen Eigenantrags des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Gläubigerantrags.17) In diesen Fällen liegt zwar ein nachlässiges Verhalten des Schuldners vor, daraus muss jedoch nicht auf ein unredliches Verhalten geschlossen werden.18) Grund für die Sperrfristenregelung ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein durch das Gericht auf den Versagungsantrag eines Gläubigers festgestelltes Fehlverhalten des Schuldners.19) Deshalb ist die Sperrfristenregelung auch nicht auf den Fall ausgedehnt worden, in dem „eine Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil nach Feststellung des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 zweifelsfrei gegeben ist.“20) Für den Fall des Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 hat der Gesetzgeber ebenfalls bewusst keine Sperrfristenregelung vorgesehen. Die Frist für die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners bei der Begründung unangemessener Verbindlichkeiten oder der Verschwendung von Vermögen, wodurch er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte von einem auf drei Jahre angehoben worden. Angesichts dieser Anhebung hätte sich eine unverhältnismäßig lange Sperrfrist ergeben. Das gilt ebenso für die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2.21) _____________ 14) Anders – schon unter Bezugnahme auf den seinerzeit vorliegenden, allerdings noch nicht realisierten Gesetzesentwurf – BGH, Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZB 51/12, NZI 2013, 846; die Entwurfsbegründung ist dabei aber offenbar nicht vollständig berücksichtigt worden. 15) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 16) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140. 17) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, NZI 2010, 195. 18) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 19) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 20) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 21) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.
§ 287b ) Erwerbsobliegenheit des Schuldners Ab Beginn der Abtretungsfrist bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens obliegt es dem Schuldner, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.
)
§ 287b eingefügt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
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Erwerbsobliegenheit des Schuldners
den Treuhänder,14) weil es insoweit „bereits an einem im ersten Verfahren gestellten Versagungsantrag eines Gläubigers und an der Feststellung, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde“,15) fehlt. Ebenso gilt das in den Fällen eines als unzulässig abgelehnten Restschuldbefreiungsantrages16) oder eines trotz Hinweises des Gerichts unterlassenen Eigenantrags des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Gläubigerantrags.17) In diesen Fällen liegt zwar ein nachlässiges Verhalten des Schuldners vor, daraus muss jedoch nicht auf ein unredliches Verhalten geschlossen werden.18) Grund für die Sperrfristenregelung ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein durch das Gericht auf den Versagungsantrag eines Gläubigers festgestelltes Fehlverhalten des Schuldners.19) Deshalb ist die Sperrfristenregelung auch nicht auf den Fall ausgedehnt worden, in dem „eine Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil nach Feststellung des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 zweifelsfrei gegeben ist.“20) Für den Fall des Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 hat der Gesetzgeber ebenfalls bewusst keine Sperrfristenregelung vorgesehen. Die Frist für die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners bei der Begründung unangemessener Verbindlichkeiten oder der Verschwendung von Vermögen, wodurch er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte von einem auf drei Jahre angehoben worden. Angesichts dieser Anhebung hätte sich eine unverhältnismäßig lange Sperrfrist ergeben. Das gilt ebenso für die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2.21) _____________ 14) Anders – schon unter Bezugnahme auf den seinerzeit vorliegenden, allerdings noch nicht realisierten Gesetzesentwurf – BGH, Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZB 51/12, NZI 2013, 846; die Entwurfsbegründung ist dabei aber offenbar nicht vollständig berücksichtigt worden. 15) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 16) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140. 17) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, NZI 2010, 195. 18) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 19) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 20) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 21) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.
§ 287b ) Erwerbsobliegenheit des Schuldners Ab Beginn der Abtretungsfrist bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens obliegt es dem Schuldner, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.
)
§ 287b eingefügt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
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Erwerbsobliegenheit des Schuldners Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Angemessene Erwerbstätigkeit .......... 2 1. Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit .................................... 3
I. 1
2. 3.
Bemühen des Schuldners ...................... 6 Zumutbarkeit ......................................... 7
Normzweck
Mit der zum 1.7.2014 in Kraft getretenen Regelung wird die nach bis dahin geltender Rechtslage gemäß § 295 erst nach rechtskräftiger Ankündigung der Restschuldbefreiung einsetzende Erwerbsobliegenheit des Schuldners vorverlagert. In allen ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren trifft diese den Schuldner nun bereits mit dem Beginn der Abtretungsfrist, gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 also mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zur besseren Vereinbarkeit mit dem Grundsatz, dass nur der redliche Schuldner die Restschuldbefreiung erhält, soll sich so die Länge des Insolvenzverfahrens nicht mehr zugunsten des untätigen Schuldners und zulasten der Gläubiger auswirken.1) Dies ist umso wichtiger vor dem Hintergrund, dass für ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragte Insolvenzverfahren die Möglichkeit erheblicher Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens geschaffen worden ist und so in manchen Fällen gar kein relevanter Zeitraum entsprechenden Schuldnerbemühens mehr „übrigbliebe“. Zugleich wird der Gleichlauf mit dem Fall, dass dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet werden, hergestellt – hier war der Schuldner schon nach bisheriger Rechtslage gemäß § 4c Nr. 4 ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend verpflichtet. II. Angemessene Erwerbstätigkeit
2
Weil mit der Neuschaffung des § 287b keine inhaltliche Neudefinition der schon nach bisheriger Rechtslage existierenden Erwerbsobliegenheit beabsichtigt war und insofern auch der schon bisher in § 295 zu findende Wortlaut unverändert übernommen wurde, können die hierzu mittlerweile von Rechtsprechung und Literatur entwickelten und nachfolgend dargestellten Grundsätze unverändert herangezogen werden. 1.
3
Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit
Die Angemessenheit einer vom Schuldner ausgeübten Erwerbstätigkeit sollte in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung beurteilt werden; der Schuldner ist also gehalten, das nach seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten höchstmögliche Einkommen zu erzielen.2) Ist er in einer festen Anstellung, die seiner Ausbildung und seinem Werdegang entspricht, dürfte der Obliegenheit regelmäßig Genüge getan sein;3) ein Wechsel des Arbeitsplatzes mit der Eingehung eines höheren oder ungewissen Kündigungsrisikos kann nicht verlangt werden.4) Ist er nur teilzeitbeschäftigt, muss er sich selbstverständlich um _____________ 1) 2) 3) 4)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 43. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 4. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 5. Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 295 Rz. 17.
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Erwerbsobliegenheit des Schuldners
eine angemessene Vollzeitbeschäftigung bemühen.5) Seinen Verdienst darf der Schuldner nicht durch zurechenbare Handlungen beeinträchtigen; so sind Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber zur Verschleierung von Gehalt6) oder der Verlagerung von Gehalt in andere Vorteile bzw. in eine spätere Zeit – nach Ende der Wohlverhaltensperiode7) – ebenso unzulässig wie die Wahl einer für die Gläubiger ungünstigen Steuerklasse ohne hinreichenden sachlichen Grund.8) Zur Frage der Angemessenheit kann auf die von der Rechtsprechung zu der Regelung in § 1574 BGB entwickelten Kriterien ergänzend zurückgegriffen werden, soweit sie nicht auf ehe- oder unterhaltsbedingten Besonderheiten beruhen.9) So kann dem Schuldner im Einzelfall auch die Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit zu Zwecken der Aus- oder Fortbildung, ggf. auch Umschulung, obliegen.10) Dabei ist jedoch angesichts der begrenzten Dauer der Abtretungsfrist sehr genau zu prüfen, ob dies den Gläubigern insgesamt zugutekommt; die Aufnahme eines Studiums wird so kaum in Betracht kommen.11)
4
Straf- oder sonstige Haft steht einer Schuldbefreiung nicht entgegen.12) Der Schuldner hat dann die gesetzlich eingeräumten Beschäftigungsmöglichkeiten im Vollzug wahrzunehmen, um der Erwerbsobliegenheit zu entsprechen. Die Ansprüche des Strafgefangenen auf Eigengeld sind in vollem Umfang pfändbar,13) sodass auch dem Zweck der Gläubigerbefriedigung entsprochen werden kann.14) Ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit liegt selbst dann nicht ohne weiteres vor, wenn der zuvor in einem Arbeitsverhältnis stehende Schuldner während der Abtretungsfrist eine Straftat begeht und deshalb in Haft kommt;15) sein „Verschulden“ an dem Verlust des Arbeitsplatzes allein ist keine Kategorie der Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit i. S. des Absatzes 1 Nr. 1.16) Lediglich die Begehung einer Insolvenzstraftat führt nach § 297 sicher zur Versagung der Restschuldbefreiung. Anderes _____________
5
5) 6) 7) 8)
9) 10) 11) 12)
13) 14) 15)
16)
BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – IX ZB 242/06, ZInsO 2010, 393 = NZI 2010, 228. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 295 Rz. 11 f; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 6. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 6. BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 2/07, ZInsO 2009, 734 = NZI 2009, 326; AG Duisburg, Beschl. v. 29.1.2002 – 62 IN 53/00, ZVI 2002, 163, 164 = NZI 2002, 328; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 6. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 16 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 5; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 6. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 295 Rz. 15. BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 148/09, ZVI 2010, 482 = NZI 2010, 911; LG Koblenz, Beschl. v. 2.7.2008 – 2 T 444/08, ZVI 2008, 473 f; Zimmermann, VuR 2009, 150 (Urteilsanm.); Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 18; vgl. grds. auch Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 136; a. A. LG Hannover, Beschl. v. 12.2.2002 – 20 T 2225/01, ZVI 2002, 449 f, dazu EWiR 2002, 191 f (Kothe). BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IXa ZB 287/03, ZVI 2004, 735 ff = NJW 2004, 3714. LG Koblenz, Beschl. v. 2.7.2008 – 2 T 444/08, ZVI 2008, 473 f; Zimmermann, VuR 2009, 150 (Urteilsanm.). BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 148/09, ZVI 2010, 482 = NZI 2010, 911; WimmerAhrens, FK-InsO, § 295 Rz. 18; a. A. AG Dresden, Beschl. v. 30.5.2008 – 559 (532) IK 153/05, ZVI 2008, 310 ff; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 8, die dies uneingeschränkt nur für vor der Ankündigung der Restschuldbefreiung begangene Straftaten gelten lassen. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 18.
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§ 287b
Erwerbsobliegenheit des Schuldners
kann – und muss – dann gelten, wenn der Schuldner die Straftat gerade begeht, um durch die – dann also erhoffte – Sanktionierung seine Erwerbstätigkeit zu verlieren und dadurch die Gläubigerbefriedigung zu beeinträchtigen.17) Nur unter solchen Umständen – Finalzusammenhang des Schuldnerhandelns mit der Beeinträchtigung der Gläubiger – kann daher auch eine auf eigenes Fehlverhalten des Schuldners zurückgehende Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit darstellen.18) 2. 6
Bemühen des Schuldners
Ist oder wird der Schuldner erwerbslos, so verlangt ihm § 287b erhebliche Anstrengungen ab, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden. Welchen Umfang die Bemühungen des Schuldners im Einzelnen aufweisen müssen, um eine hinreichende Arbeitsplatzsuche belegen zu können, lässt sich nicht allgemein gültig klären, sondern ist unter Berücksichtigung branchenbezogener, regionaler und individueller Umstände einzelfallbezogen zu beurteilen.19) Die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen an Beschäftigungssuche und Zumutbarkeit der Beschäftigung allein kann so allenfalls ein Indiz dafür sein, dass der Schuldner auch seine Obliegenheiten den Gläubigern gegenüber erfüllt,20) sie wird aber häufig nicht ausreichen. Im Regelfall wird der Schuldner bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet sein und laufend Kontakt zu den für ihn zuständigen Mitarbeitern halten müssen, weiterhin sich selbst aktiv und ernsthaft – etwa durch stetige Lektüre einschlägiger Stellenanzeigen und durch entsprechende Bewerbungen – um eine Arbeitsstelle bemühen.21) Als ungefähre Richtgröße können zwei bis drei Bewerbungen in der Woche gelten, sofern entsprechende Stellen angeboten werden.22) Er darf nicht einfach auf die Suche verzichten, nur weil er keine Erfolgsaussichten sieht.23) Ist der Schuldner jedoch aufgrund seiner Ausbildung, seiner Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, seines Lebensalters oder seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage, eine Tätigkeit zu finden, mit der er einen angemessenen Verdienst erzielt, kann er nicht auf dann nur bloß theoretische, tatsächlich aber unrealistische Möglichkeiten, einen angemessenen Arbeitsplatz zu erlangen, verwiesen werden.24) _____________ 17) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 24 – mit überzeugender Parallelziehung zu unterhaltsrechtlichen Maßstäben: BGH, Urt. v. 12.5.1993 – XII ZR 24/92, NJW 1993, 1974 ff = MDR 1993, 982; a. A. AG Dresden, Beschl. v. 30.5.2008 – 559 (532) IK 153/05, ZVI 2008, 310 ff, das bloße Fahrlässigkeit i. S. von Vorhersehbar- und Vermeidbarkeit genügen lässt. 18) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 24 m. w. N.; a. A. AG Holzminden, Beschl. v. 8.2.2006 – 10 IK 96/02, ZVI 2006, 289 ff. 19) BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – IX ZB 267/08, NZI 2010, 693; BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff = NZI 2011, 596. 20) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 10; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 295 Rz. 25; grds. auch noch Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 5. 21) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff m. w. N. = NZI 2011, 596; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 34; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 5. 22) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff m. w. N. = NZI 2011, 596; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 34. 23) LG Kiel, Beschl. v. 15.7.2002 – 13 T 178/01, ZVI 2002, 474 f. 24) BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153 f; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 133/07, NZI 2009, 482 f = ZVI 2009, 388, dazu EWiR 2009, 581 (Knof).
1368
Kexel
§ 288
Bestimmung des Treuhänders
3.
Zumutbarkeit
Bei der Arbeitssuche verstößt der Schuldner gegen seine Obliegenheiten, wenn er eine zumutbare Beschäftigung ablehnt. Auch zum Begriff der Zumutbarkeit können Anleihen bei den sozialrechtlichen/sozialversicherungsrechtlichen Regelungen (vgl. etwa § 121 SGB III, § 10 SGB II) gemacht werden; erfüllt der Schuldner diese nicht, wird im Regelfall zugleich eine Obliegenheitsverletzung vorliegen.25) Im Interesse der Gläubigerbefriedigung wird so grundsätzlich vom Schuldner auch verlangt werden müssen, notfalls eine Leiharbeiter-, sogar eine Aushilfstätigkeit auszuüben.26) Die Ablehnung einer Tätigkeit, die dem Schuldner nur ein Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen bescheren würde, kann aber im Ergebnis kaum zu einer Versagung führen,27) schon weil § 296 auch die Schlechterstellung der Gläubiger zur weiteren Voraussetzung hat.
7
Nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls kann die Aufnahme einer vollen oder auch nur teilweisen Erwerbstätigkeit aber gänzlich unzumutbar sein. Als Beispiele zu nennen sind Alter, Krankheit,28) höchstpersönliche Pflege- oder Erziehungsaufgaben, z. B. die einer Mutter von Kleinkindern.29) In letzteren Fällen können die familienrechtlichen Maßstäbe des § 1570 BGB zur Beurteilung herangezogen werden.30) _____________
8
25) Kübler/Prütting-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 8; diff. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 40. 26) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 555 f; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 5. 27) A. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 7. 28) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 42; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 6. 29) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 555 f. 30) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 139/07, ZVI 2010, 110 f = NZI 2010, 114 – zur Kinderbetreuung.
§ 288 Bestimmung des Treuhänders 1
Der Schuldner und die Gläubiger können dem Insolvenzgericht als Treuhänder eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete natürliche Person vorschlagen. 2 Wenn noch keine Entscheidung über die Restschuldbefreiung ergangen ist, bestimmt das Gericht zusammen mit der Entscheidung, mit der es die Aufhebung oder die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit beschließt, den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung (§ 287 Absatz 2) übergehen. )
)
§ 288 Satz 2 eingefügt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Treuhänder ........................................... 2
III. Bestimmung des Treuhänders ............ 3
Kexel
1369
§ 288
Bestimmung des Treuhänders
3.
Zumutbarkeit
Bei der Arbeitssuche verstößt der Schuldner gegen seine Obliegenheiten, wenn er eine zumutbare Beschäftigung ablehnt. Auch zum Begriff der Zumutbarkeit können Anleihen bei den sozialrechtlichen/sozialversicherungsrechtlichen Regelungen (vgl. etwa § 121 SGB III, § 10 SGB II) gemacht werden; erfüllt der Schuldner diese nicht, wird im Regelfall zugleich eine Obliegenheitsverletzung vorliegen.25) Im Interesse der Gläubigerbefriedigung wird so grundsätzlich vom Schuldner auch verlangt werden müssen, notfalls eine Leiharbeiter-, sogar eine Aushilfstätigkeit auszuüben.26) Die Ablehnung einer Tätigkeit, die dem Schuldner nur ein Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen bescheren würde, kann aber im Ergebnis kaum zu einer Versagung führen,27) schon weil § 296 auch die Schlechterstellung der Gläubiger zur weiteren Voraussetzung hat.
7
Nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls kann die Aufnahme einer vollen oder auch nur teilweisen Erwerbstätigkeit aber gänzlich unzumutbar sein. Als Beispiele zu nennen sind Alter, Krankheit,28) höchstpersönliche Pflege- oder Erziehungsaufgaben, z. B. die einer Mutter von Kleinkindern.29) In letzteren Fällen können die familienrechtlichen Maßstäbe des § 1570 BGB zur Beurteilung herangezogen werden.30) _____________
8
25) Kübler/Prütting-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 8; diff. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 40. 26) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 555 f; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 5. 27) A. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 7. 28) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 42; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 6. 29) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 555 f. 30) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 139/07, ZVI 2010, 110 f = NZI 2010, 114 – zur Kinderbetreuung.
§ 288 Bestimmung des Treuhänders 1
Der Schuldner und die Gläubiger können dem Insolvenzgericht als Treuhänder eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete natürliche Person vorschlagen. 2 Wenn noch keine Entscheidung über die Restschuldbefreiung ergangen ist, bestimmt das Gericht zusammen mit der Entscheidung, mit der es die Aufhebung oder die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit beschließt, den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung (§ 287 Absatz 2) übergehen. )
)
§ 288 Satz 2 eingefügt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Treuhänder ........................................... 2
III. Bestimmung des Treuhänders ............ 3
Kexel
1369
§ 288 I. 1
Bestimmung des Treuhänders
Normzweck
Das Vorschlagsrecht für Schuldner und Gläubiger wurde mit dem Ziel, die Verfahrenskosten niedrig zu halten, ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen; dem Gericht sollen so auch Personen bekannt werden, die das Amt des Treuhänders unentgeltlich auszuüben bereit sind.1) Die in Satz 2 vorgesehene Bestimmung des Treuhänders schafft Klarheit über den Adressaten der Abtretungserklärung nach § 287 und bestimmt die Person, auf die das Gericht die Ansprüche weiterleitet (vgl. zum diesbezüglichen Theorienstreit § 287 Rz. 17). II. Treuhänder
2
Aus § 288 kann herausgelesen werden, dass der Gesetzgeber als Treuhänder nur eine natürliche Person in Betracht zieht; die Bestellung einer juristischen Person dürfte damit ausgeschlossen sein.2) Das – formfreie3) – Vorschlagsrecht für Gläubiger und Schuldner hat zunächst die Qualität einer bloßen Anregung.4) Das Gericht entscheidet bei der Auswahl des Treuhänders grundsätzlich nach freiem Ermessen5) unter Berücksichtigung insbesondere der Eignung für die anstehenden Verwaltungsund Unterstützungsaufgaben sowie möglicher Interessenkollisionen,6) aber selbstverständlich auch einer möglichen Kostenreduzierung durch vorgeschlagene Personen.7) Die Ordnungsmäßigkeit der Bestellung des Treuhänders ist unabhängig von einer vorherigen Beteiligung nach § 288;8) einem entsprechenden Beteiligungswunsch wird das Gericht nur entsprechen, wenn das Verfahren keine Verzögerung erleidet.9) III. Bestimmung des Treuhänders
3
Satz 2 ist mit Wirkung vom 1.7.2014 neu hinzugekommen und entspricht im Kern dem bisherigen und zu diesem Datum aufgehobenen § 291 Abs. 2. In allen noch vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren erfolgt die Bestimmung des Treuhänders nach letzterem noch gemeinsam mit der Entscheidung, mit der dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt wird; da das neue Recht eine solche gesonderte Entscheidung nicht mehr vorsieht, hat das Gericht in allen ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren zugleich mit der Entscheidung _____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 187, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 542. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 288 Rz. 7; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 288 Rz. 7; Landfermann in: HK-InsO, § 291 Rz. 8; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 288 Rz. 2: „ultima ratio“. Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 288 Rz. 7. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 288 Rz. 3; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 288 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 288 Rz. 3; Landfermann in: HK-InsO, § 288 Rz. 2; eingeschränkt Wimmer-Grote, FK-InsO, § 288 Rz. 14. Vgl. etwa die Beispiele bei Wimmer-Grote, FK-InsO, § 288 Rz. 10; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 288 Rz. 2 a. E. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 288 Rz. 6. Landfermann in: HK-InsO, § 288 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 288 Rz. 3; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 288 Rz. 10. Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 288 Rz. 10; Landfermann in: HK-InsO, § 288 Rz. 3.
1370
Kexel
§ 289
Einstellung des Insolvenzverfahrens
über die Beendigung des Insolvenzverfahrens – in Form entweder der Aufhebung oder der Einstellung gemäß § 211 – auch die Person des Treuhänders zu bestimmen, die den Schuldner auf dem Weg zur Restschuldbefreiung begleitet (was impliziert, dass diese Bestimmung natürlich obsolet ist, wenn die Restschuldbefreiung bereits vorher erteilt oder versagt wurde.) Die Entscheidung über die Person des Treuhänders trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.10) Eine besondere Qualifikation des Treuhänders wird nicht verlangt.11) Nach Satz 1 gemachte Vorschläge wird das Gericht angemessen zu berücksichtigen haben. Als Treuhänder kann auch der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden; dies ist jedoch nicht zwingend.12) § 288 sieht keine isolierte Anfechtung der Bestimmung des Treuhänders vor. So hat in Ansehung des § 6 weder der Treuhänder selbst ein Rechtsmittel gegen seine Benennung noch kann die Bestimmung des Treuhänders von Schuldner oder Gläubigern isoliert angefochten werden.
4
_____________ 10) Vgl. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 291 Rz. 7. 11) Gegenäußerung z. Stellungnahme des BR z. RegE § 235 ff, BT-Drucks. 12/2443, S. 266, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 538. 12) BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – IX ZB 60/03, ZVI 2004, 57 = NZI 2004, 156; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 2.
§ 289 ) Einstellung des Insolvenzverfahrens Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.
)
§ 289 ersetzt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Zur Fassung und Anwendung der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung siehe nachfolgend die weiterhin abgedruckte Kommentierung zu § 289 a. F. Übersicht
I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Einzelheiten .......................................... 2
Die Norm bestimmt, dass eine Restschuldbefreiung im Falle der vorzeitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens nur bei einer Einstellung nach § 211 in Betracht kommt; nur so kann sichergestellt werden, dass neben einem Teil des künftigen auch das gegenwärtige Vermögen des Schuldners zur Gläubigerbefriedigung herangezogen werden kann.1) Zudem schafft das bis zur Verteilung durchgeführte Insol-
_____________ 1)
Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 3; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 289 Rz. 31; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 5.
Kexel
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1
§ 289
Einstellung des Insolvenzverfahrens
über die Beendigung des Insolvenzverfahrens – in Form entweder der Aufhebung oder der Einstellung gemäß § 211 – auch die Person des Treuhänders zu bestimmen, die den Schuldner auf dem Weg zur Restschuldbefreiung begleitet (was impliziert, dass diese Bestimmung natürlich obsolet ist, wenn die Restschuldbefreiung bereits vorher erteilt oder versagt wurde.) Die Entscheidung über die Person des Treuhänders trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.10) Eine besondere Qualifikation des Treuhänders wird nicht verlangt.11) Nach Satz 1 gemachte Vorschläge wird das Gericht angemessen zu berücksichtigen haben. Als Treuhänder kann auch der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden; dies ist jedoch nicht zwingend.12) § 288 sieht keine isolierte Anfechtung der Bestimmung des Treuhänders vor. So hat in Ansehung des § 6 weder der Treuhänder selbst ein Rechtsmittel gegen seine Benennung noch kann die Bestimmung des Treuhänders von Schuldner oder Gläubigern isoliert angefochten werden.
4
_____________ 10) Vgl. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 291 Rz. 7. 11) Gegenäußerung z. Stellungnahme des BR z. RegE § 235 ff, BT-Drucks. 12/2443, S. 266, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 538. 12) BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – IX ZB 60/03, ZVI 2004, 57 = NZI 2004, 156; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 2.
§ 289 ) Einstellung des Insolvenzverfahrens Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt.
)
§ 289 ersetzt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Zur Fassung und Anwendung der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung siehe nachfolgend die weiterhin abgedruckte Kommentierung zu § 289 a. F. Übersicht
I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Einzelheiten .......................................... 2
Die Norm bestimmt, dass eine Restschuldbefreiung im Falle der vorzeitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens nur bei einer Einstellung nach § 211 in Betracht kommt; nur so kann sichergestellt werden, dass neben einem Teil des künftigen auch das gegenwärtige Vermögen des Schuldners zur Gläubigerbefriedigung herangezogen werden kann.1) Zudem schafft das bis zur Verteilung durchgeführte Insol-
_____________ 1)
Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 3; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 289 Rz. 31; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 5.
Kexel
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1
§ 289 a. F.
Entscheidung des Insolvenzgerichts
venzverfahren einen geordneten Überblick über die Verbindlichkeiten des Schuldners und damit die Grundlage für die Verteilungstätigkeit des Treuhänders.2) II. Einzelheiten 2
§ 289 eröffnet die Möglichkeit der Restschuldbefreiung auch im Falle der Masseunzulänglichkeit, also dem Fall, dass zwar die Verfahrenskosten gedeckt sind und das Insolvenzverfahren eröffnet ist, aber die Masse nicht ausreichen wird, um die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Verwalter gemäß § 208 und der nach § 209 durchgeführten Verteilung spricht das Gericht die Einstellung nach § 211 aus und bestimmt zugleich die Person des Treuhänders gemäß § 288. Die Verpflichtung zur Anhörung der Gläubiger sieht bereits § 287 Abs. 4 vor; einen Versagungsantrag nach § 290 hat ein Gläubiger gemäß § 290 Abs. 2 bis zur Einstellungsentscheidung schriftlich zu stellen. _____________ 2)
Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 3 m. w. N.; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 5.
§ 289 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 289 ) Entscheidung des Insolvenzgerichts (1) 1Die Insolvenzgläubiger und der Insolvenzverwalter sind im Schlußtermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören. 2Das Insolvenzgericht entscheidet über den Antrag des Schuldners durch Beschluß. (2) 1Gegen den Beschluß steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der im Schlußtermin die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. 2Das Insolvenzverfahren wird erst nach Rechtskraft des Beschlusses aufgehoben. 3Der rechtskräftige Beschluß ist zusammen mit dem Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekanntzumachen. (3) 1Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt. 2Absatz 2 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Aufhebung des Verfahrens die Einstellung tritt.
)
§ 289 a. F. aufgehoben durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014; in alter Fassung weiter anzuwenden auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.7.2014 beantragt worden sind, Art. 103h EGInsO.
I. II. 1. 2. 3.
Normzweck ............................................ Verfahren ............................................... Anhörung ................................................ Entscheidung .......................................... Rechtsmittel ............................................
Übersicht
1372
1 3 3 7 8
4. Aufhebung, Bekanntmachung .............. 10 III. Verfahren bei Masseunzulänglichkeit .......................................... 11 IV. Kosten ................................................... 12
Kexel
§ 289 a. F.
Entscheidung des Insolvenzgerichts
venzverfahren einen geordneten Überblick über die Verbindlichkeiten des Schuldners und damit die Grundlage für die Verteilungstätigkeit des Treuhänders.2) II. Einzelheiten 2
§ 289 eröffnet die Möglichkeit der Restschuldbefreiung auch im Falle der Masseunzulänglichkeit, also dem Fall, dass zwar die Verfahrenskosten gedeckt sind und das Insolvenzverfahren eröffnet ist, aber die Masse nicht ausreichen wird, um die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Verwalter gemäß § 208 und der nach § 209 durchgeführten Verteilung spricht das Gericht die Einstellung nach § 211 aus und bestimmt zugleich die Person des Treuhänders gemäß § 288. Die Verpflichtung zur Anhörung der Gläubiger sieht bereits § 287 Abs. 4 vor; einen Versagungsantrag nach § 290 hat ein Gläubiger gemäß § 290 Abs. 2 bis zur Einstellungsentscheidung schriftlich zu stellen. _____________ 2)
Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 3 m. w. N.; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 5.
§ 289 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 289 ) Entscheidung des Insolvenzgerichts (1) 1Die Insolvenzgläubiger und der Insolvenzverwalter sind im Schlußtermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören. 2Das Insolvenzgericht entscheidet über den Antrag des Schuldners durch Beschluß. (2) 1Gegen den Beschluß steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der im Schlußtermin die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. 2Das Insolvenzverfahren wird erst nach Rechtskraft des Beschlusses aufgehoben. 3Der rechtskräftige Beschluß ist zusammen mit dem Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekanntzumachen. (3) 1Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens kann Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse nach § 209 verteilt worden ist und die Einstellung nach § 211 erfolgt. 2Absatz 2 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Aufhebung des Verfahrens die Einstellung tritt.
)
§ 289 a. F. aufgehoben durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014; in alter Fassung weiter anzuwenden auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.7.2014 beantragt worden sind, Art. 103h EGInsO.
I. II. 1. 2. 3.
Normzweck ............................................ Verfahren ............................................... Anhörung ................................................ Entscheidung .......................................... Rechtsmittel ............................................
Übersicht
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1 3 3 7 8
4. Aufhebung, Bekanntmachung .............. 10 III. Verfahren bei Masseunzulänglichkeit .......................................... 11 IV. Kosten ................................................... 12
Kexel
§ 289 a. F.
Entscheidung des Insolvenzgerichts
I.
Normzweck
Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung der vor Beendigung des Insolvenzverfahrens zu treffenden Entscheidung des Gerichts darüber, ob dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 291 angekündigt wird oder ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt gemäß § 290 versagt wird, sehen Absatz 1 und Absatz 2 eine Anhörung von Gläubigern und Verwalter, die Möglichkeit der Anfechtung und die öffentliche Bekanntmachung vor.
1
Absatz 3 bestimmt, dass eine Restschuldbefreiung im Falle der vorzeitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens nur bei einer Einstellung nach § 211 in Betracht kommt; nur so kann sichergestellt werden, dass neben einem Teil des künftigen auch das gegenwärtige Vermögen des Schuldners zur Gläubigerbefriedigung herangezogen werden kann.1) Zudem schafft das bis zur Verteilung durchgeführte Insolvenzverfahren einen geordneten Überblick über die Verbindlichkeiten des Schuldners und damit die Grundlage für die Verteilungstätigkeit des Treuhänders.2)
2
II. Verfahren 1.
Anhörung
Nach Absatz 1 Satz 1 sind im Schlusstermin (§ 197) die Gläubiger – grundsätzlich nur die, die ihre Forderungen angemeldet haben3) – und der Verwalter zu dem Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu hören: der Verwalter (bzw. der Treuhänder im vereinfachten Verfahren, § 313 Abs. 1 Satz 1), weil er das Verhalten und die Verhältnisses des Schuldners am besten kennen sollte;4) die Gläubiger, weil nur von ihnen – ggf. noch auf Grundlage der vom Verwalter mitgeteilten Informationen – und nur im Schlusstermin5) ein Versagungsantrag nach § 290 gestellt werden kann und sie im Falle der Restschuldbefreiung regelmäßig eines Teils ihrer Forderungen verlustig gehen. Der Termin nach § 197 wird gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 öffentlich bekannt gemacht, sodass die wichtigste Voraussetzung einer Gewährung des rechtlichen Gehörs bereits erfüllt ist.6)
3
Vor einer den Schuldner belastenden Entscheidung, die auf der Grundlage der im Termin gewonnenen Erkenntnisse bzw. Anträge ergeht, muss auch dieser gehört werden; dies ergibt sich nicht aus Absatz 1, aber schon aus Art. 103 Abs. 1 GG.7)
4
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 3; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 289 Rz. 31; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 5. Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 3 m. w. N.; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 5. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 4. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 189, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 543; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 1 m. w. N. BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 171 = NJW 2003, 2167, 2168 m. w. N., dazu EWiR 2003, 593 (Tetzlaff). Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 4. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 289 Rz. 17; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 4 m. w. N.
Kexel
1373
§ 289 a. F.
Entscheidung des Insolvenzgerichts
5
Bei einer Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 211 kann kein Schlusstermin durchgeführt werden; stattdessen ist zum Zwecke der Anhörung eine gesonderte Gläubigerversammlung einzuberufen.8)
6
Die von § 289 geforderte Anhörung kann ausnahmsweise schriftlich erfolgen, wenn das Gericht zuvor ausdrücklich – wie nach Inkrafttreten der Änderungen des InsOVereinfG nun auch im Regelinsolvenzverfahren unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 möglich – das schriftliche Verfahren angeordnet hat.9) 2.
7
3. 8
Entscheidung
Das Gericht entscheidet über den Antrag des Schuldners durch Beschluss (Abs. 1 Satz 2). Hat ein Gläubiger im Schlusstermin einen Versagungsantrag gestellt, so ist zugleich über diesen zu entscheiden;10) in diesem Fall ist gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG der Richter zur Entscheidung nach § 289 berufen. Hält er den Gläubigerantrag für zulässig und begründet, so wird der Antrag des Schuldners abgelehnt und die Restschuldbefreiung versagt; bei unbegründetem Versagungsantrag wird dieser zurückgewiesen und dem Schuldner gemäß § 291 die Restschuldbefreiung angekündigt. Wird kein Versagungsantrag gestellt, so ist grundsätzlich der Rechtspfleger für die Entscheidung zuständig;11) er wird entweder einen unzulässigen Antrag des Schuldners als unzulässig verwerfen12) oder – bei zulässigem Antrag – gemäß § 291 die Restschuldbefreiung ankündigen, soweit sich nicht der Richter nach § 18 Abs. 2 RPflG die Entscheidung vorbehalten hat oder an sich zieht. Eine Versagung der Restschuldbefreiung setzt immer den Antrag (mindestens) eines Gläubigers voraus; sie kann nicht von Amts wegen erfolgen.13) Rechtsmittel
Absatz 2 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung i. S. des § 6 Abs. 1. Versagt das Gericht die Restschuldbefreiung, so kann der Schuldner die sofortige Beschwerde einlegen. Gleiches gilt, wenn sein Antrag als unzulässig verworfen wird.14) Der Schuldner ist auch beschwert, wenn das Gericht in der Entscheidung nach § 291 eine längere Laufzeit der Abtretungserklärung als gesetzlich vorgesehen bestimmt, etwa die Abkürzung nach Art. 107 EGInsO a. F. abgelehnt hat;15) im Einzelfall ist auch eine Beschwer des Schuldners denkbar, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits alle
_____________ 8) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 289 Rz. 26; Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 10; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 289 Rz. 34; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 5 m. w. N. 9) Noch zu § 312 Abs. 2 a. F.: BGH, Beschl. v. 9.3.2006 – IX ZB 17/05, NZI 2006, 481 f; BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 171 = NJW 2003, 2167, 2169. 10) LG Göttingen, Beschl. v. 18.3.2002 – 10 T 18/02, ZInsO 2002, 682, 683 = Rpfleger 2002, 478; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 8. 11) A. A. offenbar Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 2. 12) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 3a m. w. N. 13) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 173 = NJW 2003, 2167, 2169; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 289 Rz. 3; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 8. 14) Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 6; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 289 Rz. 35. 15) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 22
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§ 289 a. F.
Entscheidung des Insolvenzgerichts
Gläubiger befriedigt und die Massekosten berichtigt sind, sodass bereits die Restschuldbefreiung ausgesprochen werden müsste.16) Gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung steht jedem Gläubiger, dessen Versagungsantrag als unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurde, die sofortige Beschwerde zu. Eine Beschwer des Gläubigers kommt auch dann in Betracht, wenn das Gericht die Altfallregelung des Art. 107 EGInsO trotz seiner Entgegnungen angewendet hat.17) 4.
9
Aufhebung, Bekanntmachung
Gemäß Absatz 2 Satz 2 wird das Insolvenzverfahren erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Ankündigung bzw. Versagung der Restschuldbefreiung aufgehoben. Die öffentliche Bekanntmachung nach Absatz 2 Satz 3 ermöglicht allen Gläubigern die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
10
III. Verfahren bei Masseunzulänglichkeit Absatz 3 eröffnet die Möglichkeit der Restschuldbefreiung auch im Falle der Masseunzulänglichkeit, also dem Fall, dass zwar die Verfahrenskosten gedeckt sind und das Insolvenzverfahren eröffnet ist, aber die Masse nicht ausreichen wird, um die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Verwalter gemäß § 208 und der nach § 209 durchgeführten Verteilung entscheidet das Gericht über den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners, bevor die Einstellung nach § 211 ausgesprochen wird (Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2). Mangels Schlusstermin im Falle der Einstellung verweist Absatz 3 nicht auf Absatz 1; die gleichwohl erforderliche Anhörung jedenfalls der Gläubiger und ggf. des Schuldners erfolgt i. R. einer gesondert einberufenen Gläubigerversammlung (vgl. auch oben Rz. 5).18) Auch diese Entscheidung erfolgt durch Beschluss, der anfechtbar ist (vgl. oben Rz. 8). Nach Rechtskraft des Beschlusses wird das Verfahren nach § 211 eingestellt; beides wird gemäß Absatz 3 Satz 2 i. V. m. Absatz 2 Satz 3 öffentlich bekannt gemacht.
11
IV. Kosten Das dargestellte Verfahren über den bloßen Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners verursacht neben den allgemeinen Gebühren für das Insolvenzverfahren weder zusätzliche Gerichts- noch Anwaltsgebühren;19) der Schuldner hat allerdings die gerichtlichen Auslagen gemäß Nr. 9004 GKG-KV zu tragen.
12
Wird ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt, erhält der Rechtsanwalt die Hälfte einer vollen Gebühr (Nr. 3321 RVG-VV). Der Gegenstandswert der Gebühr ist gemäß § 28 Abs. 3, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen aufgrund des wirtschaftlichen Interesses zu bestimmen. Liegen keine besonderen Umstände
13
_____________ 16) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 22; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399. 17) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 23. 18) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 289 Rz. 25; Landfermann in: HK-InsO, § 289 Rz. 10; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 289 Rz. 34; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 5. 19) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 26.
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
vor, sollte mangels greifbarer Schätzungsgrundlagen für die Werthaltigkeit der Forderung(en) auf den „Regelstreitwert“ zurückgegriffen werden.20) 14
Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über die Versagung entsteht im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung eine Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2361 GKG-KV; im Verfahren über die ggf. zugelassene Rechtsbeschwerde eine solche nach Nr. 2364 GKG-KV. Für den Anwalt entsteht für das Beschwerdeverfahren erneut eine halbe Gebühr (Nr. 3500 und 3513 RVG-VV). _____________ 20) OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZVI 2002, 36, 37; LG Bochum, Beschl. v. 11.3.2004 – 10 T 39/03, n. v.; a. A. – hälftiger Forderungswert – noch LG Bochum, Beschl. v. 4.5.2001 – 7a T 98/01, ZInsO 2001, 564, 566; LG Göttingen, Beschl. v. 21.1.2005 – 10 T 14/05, ZInsO 2005, 154, 155 = NZI 2005, 346.
§ 290 Versagung der Restschuldbefreiung (1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn 1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(aufgehoben)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
vor, sollte mangels greifbarer Schätzungsgrundlagen für die Werthaltigkeit der Forderung(en) auf den „Regelstreitwert“ zurückgegriffen werden.20) 14
Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über die Versagung entsteht im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung eine Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2361 GKG-KV; im Verfahren über die ggf. zugelassene Rechtsbeschwerde eine solche nach Nr. 2364 GKG-KV. Für den Anwalt entsteht für das Beschwerdeverfahren erneut eine halbe Gebühr (Nr. 3500 und 3513 RVG-VV). _____________ 20) OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZVI 2002, 36, 37; LG Bochum, Beschl. v. 11.3.2004 – 10 T 39/03, n. v.; a. A. – hälftiger Forderungswert – noch LG Bochum, Beschl. v. 4.5.2001 – 7a T 98/01, ZInsO 2001, 564, 566; LG Göttingen, Beschl. v. 21.1.2005 – 10 T 14/05, ZInsO 2005, 154, 155 = NZI 2005, 346.
§ 290 Versagung der Restschuldbefreiung (1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn 1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(aufgehoben)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. )
(2) 1Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. 2Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.
) (3) 1Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. 2Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.
)
)
Absatz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 22 Buchst. a, aa bis gg des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Im Einzelnen: Satzteil vor Nummer 1 neugefasst durch Art. 1 Nr. 22 Buchst. a, aa. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete dieser Satzteil: „In dem Beschluß ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlußtermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn …“ Nummer 1 neugefasst durch Art. 1 Nr. 22 Buchst. a, bb. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Nummer 1: „1. der Schuldner wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig verurteilt worden ist,“ Nummer 3 aufgehoben durch Art. 1 Nr. 22 Buchst. a, cc. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Nummer 3: „3. in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt oder nach § 296 oder § 297 versagt worden ist,“ Nummern 4 bis 6 geändert, Nummer 7 eingefügt durch Art. 1 Nr. 22 Buchst. a, dd bis gg In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lauteten Nummern 4 bis 6: „4. der Schuldner im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat, ... 5. der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat oder 6. der Schuldner in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.“
) Absatz 2 ersetzt durch Absätze 2 und 3 durch Art. 1Nr. 22 Buchst. b des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 2: „(2) Der Antrag des Gläubigers ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird.“
Literatur: Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, Insolvenzrechtsreform 2. Stufe – die geplanten Änderungen in der Insolvenz natürlicher Personen, ZIP 2012, 558.
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Versagungsgründe ............................... 2 1. Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (Abs. 1 Nr. 1) ................... 3 2. Unrichtige oder unvollständige Angaben (Abs. 1 Nr. 2) ........................ 5 3. Frühere Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung (Abs. 1 Nr. 3 a. F.) .............................. 12 4. Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung (Abs. 1 Nr. 4) ................ 13 a) Verschwendung ............................ 14
I. 1
b) Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ..................... 17 5. Verletzung von Auskunftsoder Mitwirkungspflichten (Abs. 1 Nr. 5) ...................................... 18 6. Unzutreffende Angaben in Verbraucher- oder Kleininsolvenzverfahren (Abs. 1 Nr. 6) ............. 21 III. Versagungsantrag ............................... 23 IV. Verfahren ............................................ 27 1. Anhörung ............................................. 29 2. Entscheidung ....................................... 31 V. Rechtsmittel und Kosten .................. 34
Normzweck
Die Vorschrift konkretisiert – neben § 295 und § 297 – den Begriff der Redlichkeit des Schuldners, welche nach der gesetzlichen Zielsetzung Voraussetzung der Restschuldbefreiung ist. Absatz 1 normiert sowohl vorinsolvenzliche Verantwortlichkeiten, aber auch Anforderungen an das verfahrensrechtliche Verhalten des Schuldners. Diese sind bewusst abschließend ausgestaltet, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden (vgl. aber oben § 287 Rz. 4 ff; ferner unten Rz. 12 zu Abs. 1 Nr. 3 a. F.). Den Gläubigern wird die Möglichkeit eingeräumt, die Restschuldbefreiung des Schuldners schon frühzeitig, zu verhindern, wenn den durchweg in ihrem Interesse liegenden Anforderungen des Absatzes 1 nicht entsprochen wird. Absatz 1 Halbs. 1 und Absatz 2 bestimmen hierzu bestimmte Verfahrensvoraussetzungen, Absatz 3 sieht die Möglichkeit der Anfechtung und die öffentliche Bekanntmachung vor. II. Versagungsgründe
2
In Absatz 1 sind die Tatbestände, die bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Verfahrens zur Versagung der Restschuldbefreiung führen (und in vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren schon die „Ankündigung“ hindern) können, abschließend aufgezählt.1) Auf andere, von den angeführten Tatbeständen nicht erfasste Umstände, kann im Interesse der Rechtssicherheit eine Versagung nicht gestützt werden,2) mögen sie auch im Einzelfall in gleichem oder gar höherem Maße unredlich erscheinen.3) Eine Ausnahme mag im Hinblick auf die infolge der _____________ 1)
2) 3)
BGH, Beschl. v. 22.5.2003 – IX ZB 456/02, ZVI 2003, 421, 422 = NJW 2003, 2457; BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 227/04, ZVI 2006, 596 f; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 3; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 1; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 5; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 2. OLG Köln, Beschl. v. 14.2.2001 – 2 W 249/00, ZIP 2001, 466, 467 = NZI 2001, 205; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 5. BGH, Beschl. v. 22.5.2003 – IX ZB 456/02, ZVI 2003, 421, 422 = NJW 2003, 2457; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 3. Für die bis zum 1.7.2014 geltende Rechtslage hatte der BGH aber im Wege der Rechtsfortbildung die in Abs. 1 Nr. 3 a. F. geregelte Sperre für wiederholte Anträge auf zahlreiche weitere Umstände ausgedehnt, vgl. ausführlich oben § 287 Rz. 4 ff; diese Fallgestaltungen sind in allen ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren an dieser Stelle nicht mehr zu beachten, weil sie vom Gesetzgeber im neugeschaffenen § 287a bereits als Zulässigkeitsvoraussetzung bzw. -hindernis berücksichtigt wurden.
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
„Transferierung“ des ehemaligen Versagungsgrundes in Absatz 1 Nr. 3 zu einem Zulässigkeitshindernis gemäß § 287a Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 entstandene Gesetzeslücke für den Fall gelten, dass dem Schuldner erst nach der Eingangsentscheidung des § 287a in einem anderen Verfahren noch die Restschuldbefreiung erteilt wird; hier kann eine analoge Anwendung von Absatz 1 Nr. 1 erwogen werden (vgl. näher hierzu oben § 287a Rz. 11). Weil die Versagungstatbestände Ausdruck des Grundsatzes sind, dass nur dem redlichen Schuldner die Gelegenheit zur Restschuldbefreiung gegeben werden soll, können Versagungsgründe aber auch nur in seiner Person entstehen; eine Versagung allein wegen des Fehlverhaltens einer grundsätzlich geeigneten Hilfsperson kommt nicht in Betracht.4) 1.
Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (Abs. 1 Nr. 1)
Zum Schlusstermin5) muss eine rechtskräftige Verurteilung wegen der Begehung einer der Straftaten nach den §§ 283–283c StGB vorliegen. Der Versuch reicht aus.6) Ein Zusammenhang der begangenen Straftat mit dem aktuellen Insolvenzverfahren ist nicht notwendig.7) Dabei setzt eine Versagung nach Nummer 1 in allen ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren voraus, dass diese rechtskräftige Verurteilung in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung erfolgt ist und sie eine Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten aussprach; nach Ansicht des Gesetzgebers vergleichsweise „unbedeutende“ Straftaten sollen damit die Restschuldbefreiung nicht mehr hindern können.8) Diese „Wesentlichkeitsschwelle“ muss die jeweilige Einzelstrafe überwinden; eine Überschreitung allein wegen einer Gesamtstrafenbildung mit anderen Delikten kann nach der ratio dieser Vorschrift nicht als Versagungsgrund ausreichen.9)
3
In allen noch vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren gab der Wortlaut von Nummer 1 diese Einschränkungen in Form einer notwendigen „Strafhöhe“ nicht her (zum Wortlaut des Abs. 1 Nr. 1 a. F. siehe oben); die h. M. nahm eine solche immerhin aber in zeitlicher Hinsicht an, wonach eine Versagung nach Ablauf der für das Zentralregister maßgeblichen Tilgungsfristen des § 46 BZRG nicht mehr möglich sein soll.10) Dabei ist allein die für die jeweilige Insolvenzstraftat maßgebliche Tilgungsfrist maßgeblich; evtl. Folgeeintragungen im Zentralregister und eine infolgedessen hinausgeschobene Tilgungsreife, etwa auch aufgrund einer Ge-
4
_____________ 4) BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZB 250/08, ZVI 2011, 209 ff = NZI 2011, 254; beachte aber etwa BGH, Beschl. v. 11.5.2010 – IX ZB 167/09, ZVI 2010, 345 ff = NZI 2010, 655 – grobe Fahrlässigkeit bei ungeprüftem Unterschreiben des vom Verfahrensbevollmächtigten unrichtig ausgefüllten Formulars. 5) Ausdrücklich BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 94/12, ZVI 2013, 284 f. 6) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 13. 7) BGH, Beschl. v. 18.12.2002 – IX ZB 121/02, ZVI 2003, 34, 35 = NZI 2003, 163, dazu EWiR 2003, 287 (Gundlach/Schirrmeister). 8) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 39. 9) Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 563. 10) BGH, Beschl. v. 18.12.2002 – IX ZB 121/02, ZVI 2003, 34, 36 = NZI 2003, 163; WimmerAhrens, FK-InsO, § 290 Rz. 17; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 3; a. A. Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 15.
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
samtstrafenbildung, haben außer Betracht zu bleiben.11) Um eine Versagung auszuschließen, muss die Tilgungsreife aber bereits im Zeitpunkt des Eröffnungsantrages vorgelegen haben.12) 2.
Unrichtige oder unvollständige Angaben (Abs. 1 Nr. 2)
5
Der Schuldner muss mindestens grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige, schriftliche Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht haben, um einen Kredit oder öffentliche Mittel zu erhalten bzw. Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.
6
Unrichtig ist eine Angabe, wenn sie von der Wirklichkeit abweicht; unvollständig sind die (richtigen) Angaben, wenn sie in einer den Anschein der Vollständigkeit erweckenden Erklärung enthalten sind, durch das Weglassen weiterer wesentlicher Tatsachen aber ein falsches Gesamtbild vermitteln.13) Das bloße Unterlassen der Abgabe einer Erklärung als solches genügt nicht.14)
7
Die Angaben müssen schriftlich gemacht worden sein. Dafür soll es auch genügen, wenn der Schuldner die Angaben von einem Dritten hat machen lassen und sie mit seinem Wissen und seiner Billigung an die empfangende Stelle weitergeleitet wurden.15) Absatz 1 Nr. 2 ist jedenfalls erfüllt, wenn der Schuldner Aufzeichnungen des Gläubigers (oder eines sonstigen Dritten) anschließend unterschreibt.16) Ansonsten bedarf es aber für die Erfüllung der „Schriftlichkeit“ grundsätzlich nicht der Unterschrift des Schuldners.17)
8
Die unzutreffenden Angaben müssen nicht tatsächlich zum Erfolg, also etwa zu einer Kreditgewährung oder einer Steuerverkürzung geführt haben;18) ausreichend, aber auch erforderlich ist so schon der bloße Versuch des Schuldners, mit den unzutreffenden Angaben finanzielle Leistungen zu erhalten oder zu vermeiden.19)
_____________ 11) BGH, Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZB 180/09, ZVI 2010, 280 = NZI 2010, 349; BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 180/10, NZI 2011, 424; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 3. 12) BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – IX ZB 113/11, ZVI 2012, 202. 13) OLG Köln, Beschl. v. 14.2.2001 – 2 W 249/00, ZIP 2001, 466, 467 = NZI 2001, 205; LG Potsdam, Beschl. v. 29.4.2005 – 5 T 90/04, ZInsO 2005, 664. 14) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 23 m. w. N. 15) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 540 = ZInsO 2003, 941, 943; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 24; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 21; krit. – mit gewichtigen Argumenten – Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 7. 16) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 17/08, juris; BGH, Beschl. v. 9.3.2006 – IX ZB 19/05, ZVI 2007, 206 ff = NZI 2006, 414; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 6. 17) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 21; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 24; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rz. 33. 18) BGH, Beschl. v. 20.12.2007 – IX ZB 189/06, ZVI 2008, 83 f = NZI 2008, 195; BGH, Beschl. v. 12.11.2009 – IX ZB 98/09, juris; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 40; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 27; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 8. 19) Erforderlich ist insoweit ein „finales Handeln zur Verwirklichung der Zielsetzung“: BGH, Beschl. v. 20.12.2007 – IX ZB 189/06, ZVI 2008, 83 f = NZI 2008, 195; BGH, Beschl. v. 12.11.2009 – IX ZB 98/09, juris; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 26.
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
Insofern schließt selbst eine anschließende Berichtigung noch vor dem Schlusstermin die Anwendung von Absatz 1 Nr. 2 nicht ohne weiteres aus.20) Der Begriff des Kredits in Absatz 1 Nr. 2 ist dabei weit auszulegen; hierunter fällt jede Form eines Darlehens, eines Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen Finanzierungshilfe.21) Als klassisches Beispiel für eine Leistung an öffentliche Kassen kann etwa die Steuerzahlung genannt werden.22)
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Der Schuldner muss die unzutreffenden Angaben in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder danach, d. h. bis zum Schlusstermin,23) gemacht haben. Abzustellen ist auf den Zugang der Erklärung beim Empfänger, nicht darauf, wann die Leistungen erbracht werden.24) Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner zur Richtigstellung auch innerhalb des DreiJahres-Zeitraums gesetzlich verpflichtet war.25)
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Stets ist das Verschulden Voraussetzung für das Vorliegen dieses Versagungsgrundes; es muss mindestens den Grad grober Fahrlässigkeit erreichen. Der Maßstab ist individuell zu bestimmen; es sind also auch die intellektuellen Fähigkeiten und die konkreten Umstände zu berücksichtigen.26)
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3.
Frühere Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung (Abs. 1 Nr. 3 a. F.)
Mit dem noch in allen vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren zur Anwendung kommenden Absatz 1 Nr. 3 a. F. (zum Wortlaut des Abs. 1 Nr. 3 a. F. siehe oben) soll dem Missbrauch von Restschuldbefreiungsverfahren vorgebeugt werden;27) danach ist ein Versagungsgrund auf Antrag des Gläubigers zu bejahen, wenn dem Schuldner innerhalb der Sperrfrist von zehn Jahren bereits einmal die Schuldbefreiung erteilt wurde oder er sie durch eigenes Verhalten verwirkt hat. Auch Absatz 1 Nr. 3 ist grundsätzlich als abschließende Regelung ausgestaltet;28) weder eine Schuldenbefreiung oder deren Scheitern aufgrund vergleichbarer Sachverhalte, also auch etwa eines Schuldenbereinigungsplans,29) noch andere als in
_____________ 20) BGH, Beschl. v. 24.4.2008 – IX ZB 115/06, ZInsO 2008, 753. 21) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 27; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rz. 34. 22) Ganz allg. M., vgl. BGH, Beschl. v. 13.1.2011 – IX ZB 199/09, ZVI 2011, 103 f m. w. N = NZI 2011, 149. 23) BGH, Beschl. v. 1.12.2011 – IX ZB 260/10, ZVI 2012, 78 = WM 2012, 182; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 42; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rz. 39; WimmerAhrens, FK-InsO, § 290 Rz. 27; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 10 – bis zur Verfahrenseröffnung. 24) Vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2003 – IX ZB 456/02, ZVI 2003, 421, 422 = NJW 2003, 2457; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 27. 25) BGH, Beschl. v. 22.5.2003 – IX ZB 456/02, ZVI 2003, 421, 422 = NJW 2003, 2457. 26) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 28 m. w. N. 27) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 190, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 545 f. 28) AG Göttingen, Beschl. v. 1.11.2005 – 71 IN 79/05, ZVI 2005, 614. 29) AG Göttingen, Beschl. v. 1.11.2005 – 71 IN 79/05, ZVI 2005, 614, 615; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 41 m. w. N.
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
den §§ 296, 297 genannte Versagungsgründe, so etwa die Versagung nach § 29830) oder auch die vorweggenommene Versagung aufgrund des § 290,31) sollten so dem neuen Restschuldbefreiungsverfahren entgegenstehen. Davon indes hat sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weit entfernt. Mit der Überlegung, dass durch die Befugnis zu einer uneingeschränkten Antragswiederholung die Rechtskraft einer die Restschuldbefreiung aus anderen Gründen versagenden Entscheidung, etwa aus den in § 290 Abs. 1 aufgeführten, völlig zur Disposition des Schuldners gestellt würde, wenn dieser nach Belieben immer neue Verfahren einleiten könnte, und ein auch in diesen Fällen als „unredlich“ anzusehender Schuldner dadurch in den Stand gesetzt würde, im Anschluss an die zu Recht ergangene Versagung der Restschuldbefreiung durch eine Anpassung der tatsächlichen Grundlagen nachträglich doch eine Restschuldbefreiung zu erwirken,32) hat der IX. Senat eine Regelungslücke identifiziert und diese seit Mitte 2009 mit einer gleich doppelten Analogie zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 auszufüllen versucht. Erneute Anträge innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Scheitern eines früheren Restschuldbefreiungsverfahrens werden danach durchweg als bereits unzulässig angesehen, praktisch unabhängig davon, welcher Versagungsgrund seinerzeit einschlägig war – und bei Versagungsgründen allein macht diese Betrachtung nicht halt, auch Fristenverstöße u. Ä. im Erstverfahren werden einbezogen. Eine zusätzliche Sperrfrist soll nur dann nicht in Betracht kommen, wenn der Versagungsgrund selbst bereits eine Sperrfrist von 3 oder mehr Jahren kennt.33) Zu Gesamtüberblick und Kritik vgl. oben ausführlich unter § 287 Rz. 4 ff. Angesichts des klaren Wortlauts kommt grundsätzlich aber eine einschränkende Auslegung, etwa bei fehlendem oder geringem Verschulden oder sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalls, nach wie vor nicht in Betracht.34) 4. 13
Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung (Abs. 1 Nr. 4)
Absatz 1 Nr. 4 soll die bewusste Schädigung der Gläubiger durch Verhaltensweisen des Schuldners im Vorfeld eines vielleicht bereits absehbaren Insolvenzverfahrens sanktionieren. Für Absatz 1 Nr. 4 muss das Verhalten des Schuldners kausal zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Gläubiger führen; eine potentielle Gefährdung reicht ebenso wenig aus wie Formalverstöße, die keine wesentlichen materiellen Auswirkungen haben.35) Die Bestimmung der Wesentlichkeitsgrenze ist dabei Frage des Einzelfalls.36) Die Verstöße müssen, soweit das zugrunde liegende Insolvenzverfahren vor dem 1.7.2014 beantragt wurde, innerhalb eines Jahres (zum _____________ 30) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 31; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rz. 47. 31) So noch BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 52/07, ZVI 2008, 179, 180 = NZI 2008, 318. 32) BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422 = ZInsO 2009, 1777. 33) So ausdrückl. für den Fall des § 290 Abs. 1 Nr. 2: BGH, Beschl. v. 22.11.2012 – IX ZB 194/11, ZVI 2013, 23 ff. 34) BGH, Beschl. v. 11.5.2010 – IX ZB 167/09, ZVI 2010, 345 = NZI 2010, 655; UhlenbruckVallender, InsO, § 290 Rz. 49; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 36; dies aber erwägend Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 12. 35) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 42. 36) BGH, Beschl. v. 9.12.2004 – IX ZB 132/04, ZVI 2005, 643, 644 = ZInsO 2005, 146.
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§ 290
Versagung der Restschuldbefreiung
Wortlaut von Abs. 1 Nr. 4 a. F. siehe oben), für alle nach diesem Zeitpunkt beantragten Verfahren innerhalb dreier Jahre vor der Eröffnungsantragstellung – ggf. auch danach37) – begangen worden sein; den Schuldner muss zudem der Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit treffen.38) a) Verschwendung Der Schuldner begründet „unangemessene Verbindlichkeiten“ oder „verschwendet Vermögen“, wenn er außerhalb des Rahmens wirtschaftlich sinnvollen und nachvollziehbaren Handelns Werte verbraucht oder Ausgaben tätigt.39) Objektiv sind die Aufwendungen an dem bisher üblichen Lebenszuschnitt des Schuldners und den Bedürfnissen, die sich aus seiner Berufstätigkeit ergeben, zu messen;40) in subjektiver Hinsicht ist allerdings auch auf den Horizont des Schuldners unter Berücksichtigung seiner individuellen Umstände41) zum Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeiten abzustellen.
14
Absatz 1 Nr. 4 unterfallen jedenfalls Luxusaufwendungen;42) hier kommt besonderer Aufwand durch Spiel, Wette, Differenzgeschäfte oder – im Einzelfall – das Verschenken von Vermögensgegenständen ohne nachvollziehbaren Anlass in Betracht.43) Auch die bloße Fortsetzung eines bis dahin geübten luxuriösen Lebensstils kann den Tatbestand des Absatz 1 Nr. 4 erfüllen,44) ebenso die Veräußerung von Waren erheblich unter dem Einkaufs-, Gestehungs- oder Marktpreis oder die Erbringung von Leistungen weit unter Wert, jeweils ohne zwingenden wirtschaftlichen Grund.45) Schließlich kann auch die Vernichtung von Vermögenswerten eine „Verschwendung“ sein.46)
15
_____________ 37) Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 21 – zwischen Antrag und Eröffnung; AG Göttingen, Beschl. v. 29.9.2004 – 74 IK 227/03, ZVI 2004, 628, 629 – zu Verstößen nach Eröffnung. 38) Die sich aber lediglich auf die Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger beziehen müssen, nicht etwa auf ein Tatbestandsmerkmal der „Verschwendung“ oder „Verzögerung“, vgl. BGH, Beschl. v. 30.6.2011 – IX ZB 169/10, ZVI 2011, 428 = NZI 2011, 641. 39) BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 141/08, ZInsO 2009, 732 ff = ZVI 2009, 307; BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 24/06, ZVI 2006, 511 = ZInsO 2006, 1103; LG Mainz, Beschl. v. 23.4.2003 – 8 T 79/03, ZVI 2003, 362, 363; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 60. 40) Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 18 m. w. N. 41) Kübler/Prütting-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 39. 42) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 190, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 545 f. 43) BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 141/08, ZInsO 2009, 732 ff = ZVI 2009, 307; AG Göttingen, Beschl. v. 29.9.2004 – 74 IK 227/03, ZVI 2004, 628, 629; hierunter kann auch die Belastung eines Grundstückes mit einer Fremdgrundschuld, die keine Forderung sichert, subsummiert werden, BGH, Beschl. v. 30.6.2011 – IX ZB 169/10, ZVI 2011, 428 = NZI 2011, 641. 44) BGH, Beschl. v. 9.12.2004 – IX ZB 132/04, ZVI 2005, 643, 644 = ZInsO 2005, 146. 45) BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 141/08, ZInsO 2009, 732 ff = ZVI 2009, 307; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 46; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 60. 46) BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZB 199/08, ZInsO 2009, 1506 f = ZVI 2009, 453.
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§ 290 16
Versagung der Restschuldbefreiung
Eine Versagung kommt aber immer dann nicht in Betracht, wenn der Schuldner Aufwendungen aus seinem unpfändbaren Einkommen bestreitet.47) Die Ausschlagung einer Erbschaft ist dem Schuldner als höchstpersönliches Recht vorbehalten und kann keine Versagung begründen.48) Die Erfüllung von Verbindlichkeiten allein, etwa die Befriedigung einzelner Gläubiger nach Zahlungsunfähigkeit, kann ohne Hinzutreten besonderer Unwertmerkmale ebenfalls nicht ausreichen.49) b) Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
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Absatz 1 Nr. 4 statuiert keine Insolvenzantragspflicht für natürliche Personen,50) sondern meint die Fälle, in denen der Schuldner, etwa durch Täuschung über seine Vermögensverhältnisse, die Stellung von Insolvenzanträgen anderer hinauszögert.51) Voraussetzung ist immer ein aktives Handeln des Schuldners.52) 5.
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Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten (Abs. 1 Nr. 5)
Der Schuldner muss in der Insolvenzordnung geregelte Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, also insbesondere solche aus § 97,53) verletzen. Sie beziehen sich auf alle das Verfahren betreffende Verhältnisse, insbesondere alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Umstände, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können.54) Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden. Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage, offenlegen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen.55) Nicht hierzu zählen anderweitig gegenüber Verfahrensbeteiligten begründete Pflichten des Schuldners, so etwa Vereinbarungen mit Verwalter56) oder Treuhänder.57) Klassisches Beispiel für das Vorliegen von Absatz 1 Nr. 5 dürfte das Verschweigen oder Verheimlichen _____________ 47) Vgl. AG Göttingen, Beschl. v. 29.9.2004 – 74 IK 227/03, ZVI 2004, 628, 629; AG Bonn, Beschl. v. 18.10.2001 – 97 IK 53/99, ZVI 2002, 134, 135. 48) LG Mainz, Beschl. v. 23.4.2003 – 8 T 79/03, ZVI 2003, 362; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 19. 49) BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 141/08, ZInsO 2009, 732 ff = ZVI 2009, 307. 50) BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – IX ZB 209/11, ZInsO 2012, 597 ff; AG Göttingen, Beschl. v. 13.8.2005 – 74 IN 41/04, ZVI 2005, 504 = NZI 2006, 116; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 20; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 47. 51) Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 190, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 545 f. 52) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rz. 57; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 20; offenlassend BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – IX ZB 209/11, ZInsO 2012, 597 ff. 53) Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 22. 54) BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – IX ZB 3/10, WuM 2011, 321; BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZB 126/08, ZVI 2010, 281 = NZI 2010, 264. 55) BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZB 126/08, ZVI 2010, 281 = NZI 2010, 264; BGH, Beschl. v. 15.4.2010 – IX ZB 175/09, ZIP 2010, 1042 = NZI 2010, 530 – Nichtanzeige des Erwerbs von Geschäftsanteilen an einer GmbH; BGH, Beschl. v. 13.1.2011 – IX ZB 163/10, ZInsO 2011, 396; BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZB 70/10, ZInsO 2012, 751 f – auch solche Umstände, die eine Insolvenzanfechtung begründen können. 56) AG Regensburg, Beschl. v. 6.7.2004 – 2 IN 337/02, ZVI 2004, 423, 424. 57) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 173 = NJW 2003, 2167.
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Versagung der Restschuldbefreiung
von Vermögenswerten oder Einkommen sein,58) fehlende Information über die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit,59) ebenso auch Behinderungen von Verwalter und Treuhänder bei deren ordnungsgemäßer Verwaltung,60) etwa durch die Nichtangabe der für die Durchsetzung des Insolvenzbeschlags erforderlichen Daten über Person des Drittschuldners und Forderungshöhe,61) Verschweigen von Umständen, die eine Insolvenzanfechtung begründen können,62) aber auch das Unterlassen der Abführung pfändbarer Einkommensteile an den Verwalter63) oder bloße Barentnahmen ohne Zustimmung und Information des Verwalters.64) Schon bis zur klarstellenden Streichung65) der noch bis zum 1.7.2014 in Nummer 5 enthaltenen Worte „während des Insolvenzverfahrens“ bestand Einigkeit, dass von der Regelung nicht nur die Pflichten während des eigentlichen Insolvenzverfahrens, sondern auch die bis zur Verfahrenseröffnung bestehenden Pflichten des Schuldners erfasst sind.66) Hier ist insbesondere die bereits mit Einreichung eines zulässigen Antrags einsetzende umfassende Auskunftspflicht gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 zu beachten.67) Unrichtige Angaben i. R. des formularmäßigen Eröffnungsantrages erfüllen ohne weiteres den Versagungstatbestand.68) Nicht ausreichend ist jedoch die bloß nicht hinreichende Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse im Stundungsverfahren.69) Die Nichterfüllung einer gerichtlichen Anordnung kann nur bei deren Rechtmäßigkeit nach der InsO schaden.70)
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Die Pflichtenverstöße müssen mindestens grob fahrlässig sein;71) hierbei sind grundsätzlich hohe Anforderungen an die Sorgfalt des Schuldners zu stellen, der die Restschuldbefreiung erlangen will.72) Zu weit geht es aber, eine Verletzung der
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_____________ 58) Etwa BGH, Beschl. v. 21.7.2005 – IX ZB 179/04, ZVI 2005, 551; BGH, Beschl. v. 3.3.2005 – IX ZB 277/03, ZVI 2005, 276; BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 142/11, ZInsO 2011, 1223. 59) BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZB 257/08, ZVI 2010, 30 = ZInsO 2009, 2162. 60) Vgl. etwa LG Mönchengladbach, Beschl. v. 22.10.2004 – 5 T 236/04, ZVI 2005, 142, 143 = NZI 2005, 173. 61) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 85/08, ZInsO 2009, 734 f = ZIP 2009, 976, dazu EWiR 2009, 391 (Deckenbrock/Fleckner) – für Patientendaten eines Psychiaters. 62) BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZB 126/08, ZVI 2010, 281 = NZI 2010, 264; BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 16/10, NZI 2010, 999. 63) BGH, Beschl. v. 31.7.2013 – IX ZA 37/12, ZVI 2013, 491 f. 64) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 94/09, ZInsO 2011, 1412. 65) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 40. 66) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124 m. w. N. = NZI 2005, 232, dazu EWiR 2005, 397 (Pape); BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 159/06, juris. 67) BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 212/07, ZVI 2009, 38 ff. 68) BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 174/08, ZVI 2011, 263 f = NZI 2011, 330, dazu EWiR 2011, 435 (Rußwurm). 69) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = NZI 2005, 232. 70) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 173 = NJW 2003, 2167. 71) Vgl. zum Begriff etwa BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 218/04, ZVI 2006, 259 = WM 2006, 1438 m. w. N.; BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZB 37/06, ZVI 2008, 395 f = NZI 2008, 506. 72) LG Mönchengladbach, Beschl. v. 10.7.2003 – 5 T 270/03, ZVI 2003, 675, 676; LG Göttingen, Beschl. v. 4.6.2002 – 10 T 38/02, ZVI 2002, 383, 384 = NZI 2002, 564; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 43.
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Auskunftspflicht im Zweifel immer mindestens als grob fahrlässig zu gewichten; dies kann aber dann gelten, wenn bei allgemeiner Fragestellung wesentliche Vermögensveränderungen mitzuteilen sind oder wenn das Auskunftsverlangen durch eine gezielte Fragestellung in einer Weise konkretisiert ist, die bei dem Schuldner keine Unklarheit über die von ihm zu erteilenden Angaben aufkommen lassen kann.73) Die Pflichtenverstöße müssen nicht zu einer Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen führen,74) sondern lediglich ihrer Art nach geeignet sein, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden;75) in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes müssen sie zudem eine gewisse Erheblichkeit aufweisen.76) Im Einzelfall kann die Versagung wegen Verletzung der Auskunftspflicht auch unverhältnismäßig sein, wenn der Schuldner die gebotene Auskunft von sich aus nachgeholt hat, bevor der Sachverhalt aufgedeckt und ein hierauf gestützter Versagungsantrag gestellt worden ist.77) 6. 21
Unzutreffende Angaben in Verbraucher- oder Kleininsolvenzverfahren (Abs. 1 Nr. 6)
Absatz 1 Nr. 6 ergänzt die Regelung der Nummer 5 für die Verbraucherinsolvenz; unrichtige oder unvollständige – notwendig schriftliche78) – Angaben (oben Rz. 5 ff) in den gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 vorzulegenden Verzeichnissen (nicht der Vermögensübersicht79)) werden wie die Verletzung der Auskunftspflichten in Absatz 1 Nr. 5 sanktioniert. Mit Wirkung vom 1.7.2014 neu aufgenommen wurde die erst für ab einschließlich diesem Datum beantragte Insolvenzverfahren eingeführte Erklärungspflicht des Schuldners zu dem Vorliegen von Zulässigkeitshindernissen gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2; auch hier kann vom die Restschuldbefreiung anstrebenden Schuldner erwartet werden, dass er diese Verpflichtung genau erfüllt.80) In beiden Fällen ist eine Gläubigerbeeinträchtigung nicht erforderlich,81) wieder muss den Schuldner mindestens der Vorwurf grober Fahrlässigkeit treffen. Für einen großzügigeren Maßstab bei den Sorgfaltsanforderungen gibt es keinen Grund;82) auch hier kommt aber der Erheblichkeit des Pflichtenverstoßes die Funktion eines Korrektivs zur Vermeidung überharter Konsequenzen zu. Ganz unwesentliche _____________ 73) BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – IX ZB 212/08, ZInsO 2009, 786 f = ZIP 2009, 1683. 74) BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 73/08, ZVI 2009, 168 ff = NZI 2009, 253; BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 171 m. w. N = NJW 2003, 2167. 75) BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 73/08, ZVI 2009, 168 ff = NZI 2009, 253. 76) Vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 171 = NJW 2003, 2167; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 73/08, ZVI 2009, 168 ff = NZI 2009, 253; BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 284/08, ZVI 2009, 467 = NZI 2009, 777; BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 142/11, ZInsO 2011, 1223; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rz. 72; vgl. auch AG Göttingen, Beschl. v. 5.8.2005 – 74 IN 162/04, ZVI 2005, 557, 558. 77) BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – IX ZB 63/09, ZIP 2011, 133 f = ZVI 2011, 232 f. 78) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 78. 79) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 68 m. w. N. 80) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 40. 81) BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZB 174/03, ZVI 2004, 490, 491 = NZI 2004, 633; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 73/08, ZVI 2009, 168 ff = NZI 2009, 253; BGH, Beschl. v. 2.7.2009 – IX ZB 63/08, NZI 2009, 562 f = ZVI 2009, 510; BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 80/09, ZInsO 2011, 835; BGH, Beschl. v. 28.6.2012 – IX ZB 259/11, ZInsO 2013, 99 f; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 72 m. w. N. 82) LG Göttingen, Beschl. v. 4.6.2002 – 10 T 38/02, ZVI 2002, 383, 384 NZI 2002, 564.
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Verstöße rechtfertigen die Versagung nicht;83) die Frage, wo die Wesentlichkeitsgrenze verläuft, wird regelmäßig nur anhand der Umstände des Einzelfalls zu beantworten sein.84) Soweit der Schuldner falsche Angaben noch im Eröffnungsverfahren korrekt ergänzt oder berichtigt hat, kann dies ebenfalls eine Versagung ausschließen.85)
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III. Versagungsantrag Die Versagung der Restschuldbefreiung setzt zwingend den Antrag eines Insolvenzgläubigers voraus; es ist nur derjenige Gläubiger zur Antragstellung berechtigt, der seine Forderung zur Tabelle angemeldet hat.86) Das kann auch der absonderungsberechtigte Gläubiger sein, der seine Forderung für den Ausfall zur Tabelle angemeldet hat.87) Nicht erforderlich ist, dass die Forderung nach Prüfung noch an der Schlussverteilung teilnimmt,88) unschädlich ist auch der spätere – nicht auf einer Befriedigung durch den Schuldner beruhende – Entfall der materiell-rechtlichen Gläubigerstellung.89)
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In noch vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren muss der Antrag im Schlusstermin gestellt werden (Abs. 1 a. F. [siehe oben]); das bereits vor dem Termin bekundete Begehren der Versagung ist nur als Ankündigung eines Antrags zu betrachten.90) In ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Verfahren kann der Antrag hingegen bis zum Schlusstermin (schriftlich) gestellt werden, Absatz 2 Satz 1. Die Antragstellung kann nicht von anderen Fristen, etwa der Kenntniserlangung vom Versagungsgrund durch den Gläubiger, abhängig gemacht werden.91) Erst nach dem Termin
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_____________ 83) BGH, Beschl. v. 9.12.2004 – IX ZB 132/04, ZVI 2005, 643 = ZInsO 2005, 146; BGH, Beschl. v. 2.7.2009 – IX ZB 63/08, NZI 2009, 562 f = ZVI 2009, 510; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 72. 84) BGH, Beschl. v. 9.12.2004 – IX ZB 132/04, ZVI 2005, 643 = ZInsO 2005, 146; etwas konkreter Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 72, der für eine Wertgrenze bei etwa 500 € plädiert. 85) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 260/03, ZVI 2005, 641 = NZI 2005, 461; vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 284/08, ZVI 2009, 467 = NZI 2009, 777; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 34. 86) BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/05, ZVI 2007, 327 = ZInsO 2007, 446; AG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2005 – 68g IK 46/04, ZInsO 2005, 1060; AG Hamburg, Beschl. v. 16.3.2004 – 68b IK 44/02, ZVI 2004, 260; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 290 Rz. 14; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 37; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 79; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 3 m. w. N. 87) Dazu und zur Frage, inwieweit dann der Ausfall ggf. glaubhaft gemacht werden muss, näher BGH, Beschl. v.11.10.2012 – IX ZB 230/09, ZVI 2012, 469 f, dazu EWiR 2013, 21 (Budnik). 88) BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZB 257/08, ZVI 2010, 30 = ZInsO 2009, 2162. 89) BGH, Beschl. v. 10.8.2010 – IX ZB 127/10, ZInsO 2010, 1660 f = NZI 2010, 865; zuvor LG Göttingen, 18.9.2007 – 10 T 117/07, NZI 2007, 734. 90) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 171 = NJW 2003, 2167, 2168 m. w. N., dazu EWiR 2003, 593 (Tetzlaff); BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 284/08, ZVI 2009, 467 = NZI 2009, 777; BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 229/10, ZInsO 2011, 1126. 91) BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – IX ZB 228/08, NZI 2011, 193.
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gestellte Anträge sind unzulässig,92) selbst wenn das zur Begründung des späteren Antrags herangezogene Fehlverhalten erst dann bekannt geworden ist.93) Auch ein späteres Nachschieben von Gründen ist unzulässig.94) In vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren tritt bei einer bevorstehenden Einstellung nach § 211 die gesondert einzuberufende Gläubigerversammlung an die Stelle des Schlusstermins, bei angeordnetem schriftlichen Verfahren Beginn und Ablauf der gesetzten Frist.95) 25
Der Antrag ist gemäß Absatz 2 nur zulässig, wenn der Gläubiger auch einen Versagungsgrund des Absatzes 1 glaubhaft macht. Eine Behauptung ist glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft; spricht bei umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls mehr für die Erfüllung des Versagungsgrundes als dagegen, ist die Glaubhaftmachung gelungen.96) Dazu kann sich der Gläubiger grundsätzlich aller Beweismittel bedienen, etwa Urkunden oder der eidesstattlichen Versicherung; sie müssen jedoch – in allen vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren – grundsätzlich auch im Schlusstermin präsent sein.97) Eine spätere Glaubhaftmachung, auch im Beschwerdeverfahren, ist nicht mehr ausreichend;98) das Gericht kann und hat aber unstreitige Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, selbst, wenn diese erst im Beschwerdeverfahren erkannt werden;99) dabei ist nach Beendigung des Schlusstermins – entsprechend dem Verbot des Nachschiebens von Versagungsgründen und Glaubhaftmachung – auch ein erstmaliges Bestreiten des Versagungsgrundes durch den Schuldner nach diesem Termin nicht mehr zu beachten.100) Die Zurückweisung von nach dem Schlusstermin gehaltenem Vortrag des Schuldners setzt jedoch _____________ 92) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 226/06, VuR 2010, 187; BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 53/08, WM 2008, 2301, 2302 = ZInsO 2008, 1272; BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 187/03, ZVI 2007, 574 = NZI 2008, 48; BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 103/05, NZI 2006, 538 f; LG Hof, Beschl. v. 11.9.2003 – 22 T 109/03, ZVI 2003, 545; Landfermann in: HK-InsO, § 290 Rz. 36; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 86. 93) BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 187/03, ZVI 2007, 574 = NZI 2008, 48; BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 103/05, NZI 2006, 538 f. 94) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 226/06, VuR 2010, 187; BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 53/08, WM 2008, 2301, 2302 = ZInsO 2008, 1272; BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 187/03, ZVI 2007, 574 f = NZI 2008, 48; BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 227/04, ZVI 2006, 596 f; auch solcher von anderen Versagungsantragstellern vorgebrachter und zuvor nicht zu eigen gemachter Gründe: BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 158/08, ZVI 2009, 167 f = NZI 2009, 327. 95) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 53/08, ZInsO 2008, 1272 = WM 2008, 2301; BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 284/08, ZVI 2009, 467 = NZI 2009, 777; BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 229/10, ZInsO 2011, 1126. 96) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 539 = ZInsO 2003, 941, 942. 97) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 5. 98) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 539 = ZInsO 2003, 941, 942; BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 227/04, ZVI 2006, 596; BGH, Beschl. v. 14.5.2009 – IX ZB 33/07, ZInsO 2009, 1317 = NZI 2009, 523; BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – IX ZB 78/09, ZVI 2010, 203 f; AG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2005 – 68g IK 46/04, ZInsO 2005, 1060; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rz. 11. 99) BGH, Beschl. v. 29.9.2005 – IX ZB 178/02, ZVI 2005, 614; BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 227/04, ZVI 2006, 596. 100) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 185/08, ZVI 2009, 308 = NZI 2009, 256.
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voraus, dass dieser rechtzeitig vor dem Termin in geeigneter Weise darauf hingewiesen wird, dass noch Versagungsanträge gestellt werden können und er in der Regel nur noch in dem Termin Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesen Anträgen erhält.101) Eine Anberaumung des Schlusstermins durch das Insolvenzgericht mit der bloßen Wiedergabe des Wortlauts des § 289 Abs. 1 Satz 1 genügt diesen Anforderungen nicht.102) Der antragstellende Gläubiger als (insoweit alleiniger) Herr des Verfahrens kann den Versagungsantrag bis zur Rechtskraft eines gerichtlichen Beschlusses über die Versagung der Restschuldbefreiung zurücknehmen,103) sodass der Beschluss analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos wird.
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IV. Verfahren Das Verfahren im Einzelnen richtet sich in allen noch vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren nach §§ 289, 291 a. F.; auf die entsprechende Darstellung dort wird verwiesen.
27
In allen ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren richtet sich das Verfahren nach den Absätzen 2 und 3 und stellt sich wie folgt dar:
28
1.
Anhörung
In ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren sind nach § 287 Abs. 4 die Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben, bis zum Schlusstermin zu dem Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu hören, weil nur von ihnen ein Versagungsantrag nach § 290 gestellt werden kann und sie im Falle der Restschuldbefreiung regelmäßig eines Teils ihrer Forderungen verlustig gehen. Nicht gehört werden müssen sie jedoch noch einmal explizit zu einem Versagungsantrag eines Gläubigers; hier ist keine weitere Sachaufklärung zu erwarten und ihr Rechtskreis grundsätzlich nicht nachteilig betroffen.
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Vor einer den Schuldner belastenden Entscheidung über den Versagungsantrag nach § 290 muss aber dieser gehört werden; dies ergibt sich nicht aus § 290, aber schon aus Art. 103 Abs. 1 GG.104)
30
2.
Entscheidung
Das Gericht entscheidet über den Antrag des Gläubigers durch Beschluss (Abs. 1), und zwar nach dem Schlusstermin bzw. nach der Einstellung im Falle des § 211. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG ist der Richter zu dieser Entscheidung berufen.
_____________ 101) BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – IX ZB 133/10, NZI 2011, 861; BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZB 237/09, ZInsO 2011, 837 = WM 2011, 839. 102) BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZB 237/09, ZInsO 2011, 837 = WM 2011, 839. 103) BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 269/09, ZVI 2010, 400 = NZI 2010, 780; LG Dresden, Beschl. v. 22.1.2007 – 5 T 32/07, ZInsO 2007, 557 f; zu § 298: LG Krefeld, Beschl. v. 15.12.2007 – 6 T 253/07, ZVI 2008, 86 = NZI 2008, 447; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 9. 104) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 289 Rz. 17; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 289 Rz. 4 m. w. N.
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Liegt ein zulässiger Versagungsantrag vor, setzt die Amtsermittlungspflicht des Gerichts ein und es ermittelt so, ob der glaubhaft gemachte Versagungsgrund tatsächlich – zu seiner vollen Überzeugung, § 286 ZPO – besteht.105) Auch vor der Erhebung angebotenen Zeugenbeweises darf es dabei nicht „zurückschrecken“, selbst bei ggf. widersprüchlichem Vortrag.106) Alle anderen Versagungsgründe bleiben bei dieser amtswegigen Prüfung außer Betracht.107) Die materielle Feststellungslast trägt hier immer der Gläubiger;108) verbleiben nach Ausschöpfung der gemäß § 5 gebotenen Maßnahmen Zweifel am Vorliegen des geltend gemachten Versagungstatbestandes, ist der Antrag des Gläubigers zurückzuweisen.109)
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Hält das Gericht hingegen den Gläubigerantrag für zulässig und begründet, so wird die Restschuldbefreiung versagt. V. Rechtsmittel und Kosten
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Absatz 3 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung i. S. des § 6 Abs. 1. Versagt das Gericht die Restschuldbefreiung, so kann der Schuldner die sofortige Beschwerde einlegen. Wird der Versagungsantrag des Gläubigers zurückgewiesen, steht ihm – und zwar nur ihm, nicht etwa den weiteren Gläubigern – die sofortige Beschwerde zu.
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Kosten und Gebühren entsprechen dem Grunde nach jenen in allen noch vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren; es wird insoweit auf die Anmerkungen zu § 289 a. F. verwiesen. _____________ 105) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 539 = ZInsO 2003, 941, 942; BGH, Beschl. v. 21.7.2005 – IX ZB 80/04, ZVI 2005, 503 f = NZI 2005, 687; BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 170/11, ZVI 2013, 282 = ZInsO 2013, 1095; Landfermann in: HKInsO, § 291 Rz. 38; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 4. 106) BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 170/11, ZVI 2013, 282 = ZInsO 2013, 1095. 107) St. Rspr., zuletzt BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 158/08, ZVI 2009, 167 f = NZI 2009, 327; Landfermann in: HK-InsO, § 291 Rz. 38; a. A. noch Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 290 Rz. 8. 108) BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258 ff = WM 2006, 1438. 109) BGH, Beschl. v. 21.7.2005 – IX ZB 80/04, ZVI 2005, 503 f = NZI 2005, 687.
§ 291 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 291 ) Ankündigung der Restschuldbefreiung (1) Sind die Voraussetzungen des § 290 nicht gegeben, so stellt das Gericht in dem Beschluß fest, daß der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 oder § 298 nicht vorliegen. (2) Im gleichen Beschluß bestimmt das Gericht den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2) übergehen.
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Liegt ein zulässiger Versagungsantrag vor, setzt die Amtsermittlungspflicht des Gerichts ein und es ermittelt so, ob der glaubhaft gemachte Versagungsgrund tatsächlich – zu seiner vollen Überzeugung, § 286 ZPO – besteht.105) Auch vor der Erhebung angebotenen Zeugenbeweises darf es dabei nicht „zurückschrecken“, selbst bei ggf. widersprüchlichem Vortrag.106) Alle anderen Versagungsgründe bleiben bei dieser amtswegigen Prüfung außer Betracht.107) Die materielle Feststellungslast trägt hier immer der Gläubiger;108) verbleiben nach Ausschöpfung der gemäß § 5 gebotenen Maßnahmen Zweifel am Vorliegen des geltend gemachten Versagungstatbestandes, ist der Antrag des Gläubigers zurückzuweisen.109)
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Hält das Gericht hingegen den Gläubigerantrag für zulässig und begründet, so wird die Restschuldbefreiung versagt. V. Rechtsmittel und Kosten
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Absatz 3 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung i. S. des § 6 Abs. 1. Versagt das Gericht die Restschuldbefreiung, so kann der Schuldner die sofortige Beschwerde einlegen. Wird der Versagungsantrag des Gläubigers zurückgewiesen, steht ihm – und zwar nur ihm, nicht etwa den weiteren Gläubigern – die sofortige Beschwerde zu.
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Kosten und Gebühren entsprechen dem Grunde nach jenen in allen noch vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren; es wird insoweit auf die Anmerkungen zu § 289 a. F. verwiesen. _____________ 105) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 539 = ZInsO 2003, 941, 942; BGH, Beschl. v. 21.7.2005 – IX ZB 80/04, ZVI 2005, 503 f = NZI 2005, 687; BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 170/11, ZVI 2013, 282 = ZInsO 2013, 1095; Landfermann in: HKInsO, § 291 Rz. 38; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 4. 106) BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 170/11, ZVI 2013, 282 = ZInsO 2013, 1095. 107) St. Rspr., zuletzt BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 158/08, ZVI 2009, 167 f = NZI 2009, 327; Landfermann in: HK-InsO, § 291 Rz. 38; a. A. noch Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 290 Rz. 8. 108) BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258 ff = WM 2006, 1438. 109) BGH, Beschl. v. 21.7.2005 – IX ZB 80/04, ZVI 2005, 503 f = NZI 2005, 687.
§ 291 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 291 ) Ankündigung der Restschuldbefreiung (1) Sind die Voraussetzungen des § 290 nicht gegeben, so stellt das Gericht in dem Beschluß fest, daß der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 oder § 298 nicht vorliegen. (2) Im gleichen Beschluß bestimmt das Gericht den Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2) übergehen.
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§ 291 a. F.
Ankündigung der Restschuldbefreiung
)
§ 291 aufgehoben durch Art. 1 Nr. 23 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014; in alter Fassung weiter anzuwenden auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.7.2014 beantragt worden sind, Art. 103h EGInsO. Übersicht
I. Normzweck ............................................ 1 II. Ankündigung der Restschuldbefreiung ................................................ 2
I.
III. Bestimmung des Treuhänders ............... 4 IV. Rechtsmittel ........................................... 6
Normzweck
Die Vorschrift bestimmt den Inhalt des nach § 289 Abs. 1 ergehenden Beschlusses für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 290 nicht vorliegen, also entweder kein Versagungsantrag gestellt wurde oder Versagungsanträge keinen Erfolg hatten. Mit der zwingenden Vorgabe für den Beschlussinhalt in Absatz 1 wird sichergestellt, dass Schuldner und Gläubiger wissen, woran sie sind.1) Die Bestimmung des Treuhänders schafft Klarheit über den Adressaten der Abtretungserklärung nach § 287 und bestimmt die Person, auf die das Gericht die Ansprüche weiterleitet (vgl. zum Theorienstreit § 287 Rz. 17).
1
II. Ankündigung der Restschuldbefreiung Die Ankündigung der Restschuldbefreiung ist obligatorisch, wenn die Voraussetzungen des § 290 nicht vorliegen; das Gericht hat kein Ermessen.2) Der Beschluss über die Ankündigung schließt von nun an die Versagung aufgrund eines vorangegangenen Verhaltens des Schuldners gemäß § 290 aus3) und markiert den Beginn der Wohlverhaltensperiode.4) Durch die nach Rechtskraft des Beschlusses erfolgende Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlangt der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück. Grundsätzlich erst ab diesem Zeitpunkt können die Vermögensverhältnisse des Schuldners wieder als geordnet angesehen werden.5)
2
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der Beschluss grundsätzlich keine Aussage zur Laufzeit der Abtretungserklärung enthalten, auch wenn dies im Interesse der Rechtsklarheit wünschenswert ist.6) Eine Verpflichtung des Insolvenzgerichts zur Festlegung der Laufzeit im Beschluss ist hingegen anzunehmen, wenn nach Art. 107 EGInsO noch eine auf fünf Jahre verkürzte Laufzeit in Betracht kommt; ebenso für den Fall
3
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6)
Landfermann in: HK-InsO, § 291 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 1. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 191, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 549. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 1a. BGH, Beschl. v. 21.3.2011 – AnwZ (B) 37/10, NZI 2011, 464; BGH, Beschl. v. 31.5.2010 – AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380; BGH, Beschl. v. 16.4.2007 – AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619 ff; BGH, Beschl. v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04, ZVI 2005, 324 ff = NZI 2005, 274, jeweils zur Frage der Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2008 – 20 K 976/07 – Architekt, juris. BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 72/06, ZVI 2007, 621 f = NZI 2008, 49; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 117/04, ZIP 2006, 1651, 1652 = ZVI 2006, 404.
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§ 292
Rechtsstellung des Treuhänders
eines vor dem 1.1.2001 eröffneten Verfahrens, um über die (Nicht-)Geltung der Regelung des § 287 Abs. 2 n. F. Klarheit zu schaffen.7) III. Bestimmung des Treuhänders 4
Das Gericht trifft die Entscheidung über die Person des Treuhänders nach pflichtgemäßem Ermessen.8) Eine besondere Qualifikation des Treuhänders wird nicht verlangt.9) Nach § 288 gemachte Vorschläge wird das Gericht angemessen zu berücksichtigen haben. Als Treuhänder kann auch der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden; dies ist jedoch nicht zwingend.10)
5
Ist ein vereinfachtes Insolvenzverfahren vorausgegangen, soll grundsätzlich der bereits im Eröffnungsbeschluss benannte Treuhänder sein Amt weiterführen.11) Davon ist auch ohne weiteres auszugehen, wenn der Eröffnungsbeschluss insoweit keine Einschränkungen enthält;12) aus Klarstellungsgründen sollte aber eine – erneute – ausdrückliche Benennung erfolgen.13) Bestimmt das Gericht in dem Beschluss nach § 291 dennoch eine andere Person,14) so liegt darin zugleich die Entlassung des zuvor bestellten Treuhänders; diesem steht hiergegen gemäß § 59 Abs. 2 die sofortige Beschwerde zu.15) IV. Rechtsmittel
6
Über den gerade dargestellten Sonderfall hinaus kann der Beschluss nur nach Maßgabe des § 289 angefochten werden; der Treuhänder hat kein Rechtsmittel gegen seine Benennung. Ebenso kann die Bestimmung des Treuhänders auch von Schuldner oder Gläubigern nicht isoliert angefochten werden (§ 289 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 6). _____________ 7) BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 72/06, ZVI 2007, 621 f = NZI 2008, 49. 8) Vgl. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 291 Rz. 7. 9) Gegenäußerung z. Stellungnahme des BR z. RegE § 235 ff, BT-Drucks. 12/2443, S. 266, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 538. 10) BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – IX ZB 60/03, ZVI 2004, 57 = NZI 2004, 156; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 2. 11) BGH, Beschl. v. 17.6.2004 – IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZVI 2004, 129. 12) BGH, Beschl. v. 17.6.2004 – IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZVI 2004, 129; BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – IX ZB 15/11, ZInsO 2012, 455. 13) So auch Landfermann in: HK-InsO, § 291 Rz. 9. 14) Dies dürfte ihm offenstehen: Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 291 Rz. 8; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 3; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 291 Rz. 11a; AG Göttingen, Beschl. v. 20.7.2006 – 74 IK 211/04, ZVI 2006, 523 = Rpfleger 2006, 666. 15) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 237/06, ZVI 2008, 35 = NZI 2008, 114; BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – IX ZB 15/11, ZInsO 2012, 455.
§ 292 Rechtsstellung des Treuhänders (1) 1Der Treuhänder hat den zur Zahlung der Bezüge Verpflichteten über die Abtretung zu unterrichten. 2Er hat die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter von seinem Vermögen getrennt zu halten und einmal jährlich auf Grund des Schlußverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger zu verteilen, sofern die nach § 4a gestundeten Verfahrens1392
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§ 292
Rechtsstellung des Treuhänders
eines vor dem 1.1.2001 eröffneten Verfahrens, um über die (Nicht-)Geltung der Regelung des § 287 Abs. 2 n. F. Klarheit zu schaffen.7) III. Bestimmung des Treuhänders 4
Das Gericht trifft die Entscheidung über die Person des Treuhänders nach pflichtgemäßem Ermessen.8) Eine besondere Qualifikation des Treuhänders wird nicht verlangt.9) Nach § 288 gemachte Vorschläge wird das Gericht angemessen zu berücksichtigen haben. Als Treuhänder kann auch der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden; dies ist jedoch nicht zwingend.10)
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Ist ein vereinfachtes Insolvenzverfahren vorausgegangen, soll grundsätzlich der bereits im Eröffnungsbeschluss benannte Treuhänder sein Amt weiterführen.11) Davon ist auch ohne weiteres auszugehen, wenn der Eröffnungsbeschluss insoweit keine Einschränkungen enthält;12) aus Klarstellungsgründen sollte aber eine – erneute – ausdrückliche Benennung erfolgen.13) Bestimmt das Gericht in dem Beschluss nach § 291 dennoch eine andere Person,14) so liegt darin zugleich die Entlassung des zuvor bestellten Treuhänders; diesem steht hiergegen gemäß § 59 Abs. 2 die sofortige Beschwerde zu.15) IV. Rechtsmittel
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Über den gerade dargestellten Sonderfall hinaus kann der Beschluss nur nach Maßgabe des § 289 angefochten werden; der Treuhänder hat kein Rechtsmittel gegen seine Benennung. Ebenso kann die Bestimmung des Treuhänders auch von Schuldner oder Gläubigern nicht isoliert angefochten werden (§ 289 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 6). _____________ 7) BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 72/06, ZVI 2007, 621 f = NZI 2008, 49. 8) Vgl. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 291 Rz. 7. 9) Gegenäußerung z. Stellungnahme des BR z. RegE § 235 ff, BT-Drucks. 12/2443, S. 266, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 538. 10) BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – IX ZB 60/03, ZVI 2004, 57 = NZI 2004, 156; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 2. 11) BGH, Beschl. v. 17.6.2004 – IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZVI 2004, 129. 12) BGH, Beschl. v. 17.6.2004 – IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZVI 2004, 129; BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – IX ZB 15/11, ZInsO 2012, 455. 13) So auch Landfermann in: HK-InsO, § 291 Rz. 9. 14) Dies dürfte ihm offenstehen: Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 291 Rz. 8; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 291 Rz. 3; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 291 Rz. 11a; AG Göttingen, Beschl. v. 20.7.2006 – 74 IK 211/04, ZVI 2006, 523 = Rpfleger 2006, 666. 15) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 237/06, ZVI 2008, 35 = NZI 2008, 114; BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – IX ZB 15/11, ZInsO 2012, 455.
§ 292 Rechtsstellung des Treuhänders (1) 1Der Treuhänder hat den zur Zahlung der Bezüge Verpflichteten über die Abtretung zu unterrichten. 2Er hat die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter von seinem Vermögen getrennt zu halten und einmal jährlich auf Grund des Schlußverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger zu verteilen, sofern die nach § 4a gestundeten Verfahrens1392
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Rechtsstellung des Treuhänders
kosten abzüglich der Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts berichtigt sind. 3§ 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 gilt entsprechend. 4Der Treuhänder kann die Verteilung längstens bis zum Ende der Abtretungsfrist aussetzen, wenn dies angesichts der Geringfügigkeit der zu verteilenden Beträge angemessen erscheint; er hat dies dem Gericht einmal jährlich unter Angabe der Höhe der erlangten Beträge mitzuteilen. ) (2) 1Die Gläubigerversammlung kann dem Treuhänder zusätzlich die Aufgabe übertragen, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen. 2 In diesem Fall hat der Treuhänder die Gläubiger unverzüglich zu benachrichtigen, wenn er einen Verstoß gegen diese Obliegenheiten feststellt. 3Der Treuhänder ist nur zur Überwachung verpflichtet, soweit die ihm dafür zustehende zusätzliche Vergütung gedeckt ist oder vorgeschossen wird. (3) 1Der Treuhänder hat bei der Beendigung seines Amtes dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen. 2Die §§ 58 und 59 gelten entsprechend, § 59 jedoch mit der Maßgabe, daß die Entlassung von jedem Insolvenzgläubiger beantragt werden kann und daß die sofortige Beschwerde jedem Insolvenzgläubiger zusteht.
)
Absatz 1 Sätze 4 und 5 ersetzt durch Satz 4 durch Art. 1 Nr. 24 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1 Sätze 4 und 5: „… 4Von den Beträgen, die er durch die Abtretung erlangt, und den sonstigen Leistungen hat er an den Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zehn vom Hundert und nach Ablauf von fünf Jahren seit der Aufhebung fünfzehn vom Hundert abzuführen. 5Sind die nach § 4a gestundeten Verfahrenskosten noch nicht berichtigt, werden Gelder an den Schuldner nur abgeführt, sofern sein Einkommen nicht den sich nach § 115 Abs. 1 der Zivilprozessordnung errechnenden Betrag übersteigt.“ Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Verteilung (Abs. 1) .............................. 2 III. Überwachung des Schuldners (Abs. 2) .................................................. 9
I.
IV. Rechnungslegung und Aufsicht des Gerichts (Abs. 3) .......................... 12
Normzweck
§ 292 definiert weniger die Rechtsstellung, sondern eher Aufgaben und Pflichten des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren. Die Regelung in Absatz 1 für die Verteilung eingehender Beträge soll ein möglichst einfaches und damit kostengünstiges Verfahren sicherstellen. Zugleich werden wichtige Elemente wie in Absatz 1 Satz 2 die vorrangige Begleichung der gestundeten Beträge und in Satz 4 die Möglichkeit der Aussetzung der Verteilung bei Geringfügigkeit geregelt. In Absatz 2 wird den Gläubigern die Möglichkeit eingeräumt, den Treuhänder zusätzlich mit der – aufwendigeren – Überwachung des Schuldners zu betrauen. Absatz 3 soll die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung des Treuhänders durch die Verpflichtung zur Rechnungslegung und die Unterstellung unter die Aufsicht des Gerichts (§§ 58, 59) gewährleisten.
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Rechtsstellung des Treuhänders
II. Verteilung (Abs. 1) 2
Nach Satz 1 trifft den Treuhänder zunächst die Verpflichtung, den Entgeltschuldner, also etwa den Arbeitgeber oder Sozialleistungsträger, über die Abtretung nach § 287 Abs. 2 zu informieren. Dies kann durch Übersendung einer Kopie der Abtretungserklärung und des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung geschehen. Dem Treuhänder als eine Art Amtswalter über Sondervermögen des Schuldners1) kommt in diesem Zusammenhang auch die weitergehende Aufgabe zu, den Eingang und die Höhe der abgeführten Beträge zu überwachen.2) Man wird von ihm als Verfügungsbefugtem über die abgetretenen Forderungen auch fordern müssen, diese einzutreiben, ggf. auch gerichtliche Schritte zur Realisierung durchzuführen.3) Sieht der Treuhänder (gesetzeswidrig) von der Offenlegung der Abtretung gegenüber dem Arbeitgeber ab, hat er die vom Schuldner monatlich abzuführenden Beträge anhand der jeweils zu aktualisierenden Angaben des Schuldners nach Maßgabe der §§ 850 ff ZPO eigenverantwortlich zu ermitteln und vom Schuldner einzufordern.4)
3
Die erlangten Gelder hat er nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes von seinem Vermögen getrennt zu halten, damit z. B. auch in einer möglichen Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder selbst den Insolvenzgläubigern – jedem einzelnen von ihnen – die Drittwiderspruchsklage auf einfachem Wege eröffnet wird.5)
4
Die Verteilung dieser Gelder findet grundsätzlich einmal jährlich statt. Grundlage für die quotenmäßig erfolgende Verteilung ist das Schlussverzeichnis, sodass nur diejenigen Gläubiger berücksichtigt werden, die auch ihre Forderung angemeldet haben.6) Der Treuhänder ist diesbezüglich auch befugt, ggf. bei Einwendungen gegen dort aufgenommene Forderungen eine Verteilungsabwehrklage entsprechend § 767 ZPO zu erheben.7) Ein Lohnabtretungsgläubiger wird so aber nur insoweit berücksichtigt, als er mit seiner Forderung ausfällt oder auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat; es bietet sich für ihn an, den Ausfall mit Blick auf den Zeitraum nach § 114 Abs. 1 zu schätzen und insoweit auf abgesonderte Befriedigung nach § 190 Abs. 1 Satz 1 zu verzichten, um an den Verteilungen im Restschuldbefreiungsverfahren teilnehmen zu können.8)
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Eine Ausschüttung erfolgt allerdings erst dann, wenn sämtliche gestundete Verfahrenskosten berichtigt sind. Insoweit setzt sich das Vorwegbefriedigungsrecht der _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Vgl. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 7. Nicht aber zugunsten des Schuldners: OLG Celle, Urt. v. 2.10.2007 – 16 U 29/07, NZI 2008, 52 f. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 3; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 7; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 3. BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 40/10, ZVI 2011, 344 = NZI 2011, 451. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 191, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 550 f. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 191, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 550 f; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 6. BGH, Beschl. v. 29.3.2012 – IX ZR 116/11, ZIP 2012, 1087 ff, dazu EWiR 2012, 493 (Eckardt). Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 9b; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 16.
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Rechtsstellung des Treuhänders
Massegläubiger aus § 53 fort.9) Hieraus folgt die Aufgabe des Treuhänders, zunächst für die Rückführung dieser Beträge zu sorgen. Nur die Kosten der Beiordnung eines Rechtsanwalts sind nicht vorrangig; der Gesetzgeber sieht diese Leistung als originäre Fürsorgeaufgabe des Staates an, die die Gläubiger nicht belasten soll.10) Ist das zugrunde liegende Insolvenzverfahren ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragt worden, besteht nach Maßgabe des seither geltenden Satzes 4 für den Treuhänder die Möglichkeit, bei nur geringfügigen Abführungsbeträgen von der jährlichen Verteilung Abstand zu nehmen und die Verteilung auszusetzen. Bei dieser jährlich neu vorzunehmenden Entscheidung hat er einerseits den Aufwand für die Auskehrung an die Gläubiger und andererseits deren Interesse an einer zeitnahen Befriedigung gegeneinander abzuwägen; spätestens zum Ende der Abtretungsfrist muss dann aber ausgekehrt werden. Satz 4 bestimmt zugleich, dass der Treuhänder die Aussetzung der Verteilung dem Gericht mitzuteilen hat; dies und die ebenfalls geforderte Angabe, welche Gelder er in dem betreffenden Jahr erlangt hat, sollen dem Gericht grundsätzlich die Aufsicht ermöglichen, wobei es die Entscheidung nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, allenfalls auf rechtsmissbräuchliches Handeln hin überprüft.
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In vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren finden weiterhin die Sätze 4 und 5 a. F. des Absatzes 1 und der darin noch vorgesehene „Motivationsrabatt“ für den Schuldner Anwendung (zum Wortlaut der Sätze 4 und 5 a. F. siehe oben). Danach ist nach Ablauf von vier Jahren seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bei der Verteilung zu beachten, dass der Schuldner zunächst 10 % der vom Treuhänder erlangten Beträge, nach Ablauf von fünf Jahren 15 % erhält. Der Anteil bezieht sich auf alle dem Treuhänder zugeflossenen Leistungen, also etwa auch die Hälfte einer Erbschaft oder die Zahlungen aus selbständiger Tätigkeit des Schuldners.11) Treuhänder- bzw. Verfahrenskosten sind dabei nicht vorweg abzuziehen,12) da sonst der Gesetzgeber Absatz 1 Satz 4 anders gefasst und Absatz 1 Satz 5 keine Berechtigung mehr hätte. Der „Rabattanteil“ kann lediglich dadurch gemindert sein, dass die gestundeten Verfahrenskosten noch nicht zurückgeführt sind; das Einkommen des Schuldners soll in diesem Fall nicht dasjenige übersteigen, was ihm auch im Falle der Beendigung der Restschuldbefreiung in Ansehung der dann in Raten zurückzuführenden Stundungsbeträge verbliebe,13) nämlich die Freibeträge nach § 115 Abs. 1 ZPO.
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Mit der Verweisung auf § 36 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 hat sich der Gesetzgeber für die Möglichkeit der individuellen Anpassung der dem Schuldner zustehenden Beträge nach den dort erwähnten Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO entschieden. Für
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_____________ 9) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 9d; Begr. RegE InsoÄndG, BT-Drucks. 14/ 5680, S. 28. 10) Vgl. Begr. RegE InsoÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 29. 11) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 9g; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 19. 12) Wie hier Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 19; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 15; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 292 Rz. 47; a. A. Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 292 Rz. 37; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 9 f. 13) So der Wille des Gesetzgebers: Begr. RegE InsoÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 29.
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Rechtsstellung des Treuhänders
die Entscheidung über Anträge auf Erweiterung oder Einschränkung der Pfändbarkeit ist das Insolvenzgericht zuständig (§ 36 Abs. 4 Satz 1). Antragsberechtigt ist statt der Gläubiger der Treuhänder (§ 36 Abs. 4 Satz 2 analog), daneben der Schuldner selbst, etwa für eine Erhöhung nach § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO. Die Entscheidung des Gerichts ist rechtsmittelfähig; wie immer, wenn – wie in diesen Fällen – das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet, richtet sich auch der Instanzenzug nach den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, hier also etwa den §§ 766 oder 793 ZPO.14) III. Überwachung des Schuldners (Abs. 2) 9
Der Treuhänder darf die Insolvenzgläubiger jederzeit von ihm bekannt gewordenen Umständen unterrichten, welche die Versagung der Restschuldbefreiung begründen können.15) Er ist aber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schuldner zu überwachen; auch ist er außerhalb seines Berichts im Prüfungstermin nicht dem Gericht gegenüber auskunftspflichtig.16) Er kann allerdings nach Absatz 2 von der Gläubigerversammlung mit dieser Aufgabe betraut werden. Denkbar ist insoweit, den Überwachungsauftrag, der ja – weil eine Gläubigerversammlung nur während des Insolvenzverfahrens nach §§ 74 ff einberufen werden kann17) – noch vor dem Restschuldbefreiungsverfahren erteilt werden muss, unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts möglicher künftiger Ereignisse, etwa den Arbeitsplatzverlust des Schuldners, zu stellen.18)
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Den einmal erteilten Auftrag muss der Treuhänder annehmen.19) Wenn die ihm dafür zustehende zusätzliche Vergütung nicht gesichert ist bzw. vorgeschossen wird, ruht der Überwachungsauftrag, bis wieder Geld zur Verfügung steht.20) Der Gläubigervorschuss ist bei der Verteilung nach Absatz 1 vorrangig zu berichtigen.21)
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Die Überwachung bezieht sich auf die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners gemäß § 295; stellt der Treuhänder Verstöße fest, so hat er sie den Gläubigern unverzüglich mitzuteilen, damit diese über die Stellung eines Versagungsantrags nach § 296 entscheiden können. Der Umfang und die Intensität der Überwachung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls22) und wird auch durch die dem Treuhänder dafür zustehende Vergütung bestimmt. Jedenfalls bei entspre_____________ 14) BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 220/04, KTS 2007, 353; BGH, Beschl. v. 9.3.2006 – IX ZB 119/04, ZVI 2006, 461 – beide ausdrückl. für Treuhänderantrag; BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZVI 2004, 625, 626 = ZIP 2004, 1379, dazu EWiR 2004, 1003 (Hintzen); BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732 = ZVI 2004, 197, dazu EWiR 2004, 1231 (Lüke/Ellke); nun auch Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 11. 15) BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 84/09, ZVI 2010, 356 = NZI 2010, 781. 16) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 10. 17) Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 24 m. w. N. 18) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 12; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 18. 19) Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 25. 20) Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 25. 21) Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 25; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 13a. 22) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 10.
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Kexel
§ 293
Vergütung des Treuhänders
chenden Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen sollte der Treuhänder die ihm ohne Schwierigkeiten zugänglichen Informationsquellen ausschöpfen.23) IV. Rechnungslegung und Aufsicht des Gerichts (Abs. 3) Nach Abschluss seiner Tätigkeit muss der Treuhänder dem Insolvenzgericht gegenüber Rechnung legen. Das Gericht stellt seinerseits sicher, dass die Gläubiger Einsicht nehmen können.24) Während der gesamten Amtszeit steht der Treuhänder unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts gemäß Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 58, das Gericht kann also jederzeit Auskünfte oder Berichte verlangen und die Pflichten des Treuhänders mit Zwangsmitteln nach § 58 Abs. 2 durchsetzen. Der Treuhänder kann zudem aus wichtigem Grund entlassen werden (Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 59 Abs. 1 Satz 1). Das entsprechende Antrags- und ggf. Beschwerderecht ist mangels Gläubigerversammlung auf den einzelnen Insolvenzgläubiger übertragen (Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2). Weil der Aufsicht des Gerichts auch Elemente des Schuldnerschutzes innewohnen,25) wird das Gericht auch formlose Hinweise des Schuldners auf mögliche Verfehlungen des Treuhänders beachten und auch diesbezüglich seine Aufsichtsbefugnisse wahrnehmen.26)
12
Die Haftung des Treuhänders wegen Pflichtverletzungen sowohl hinsichtlich seiner Aufgaben nach Absatz 1 als auch derer nach Absatz 2 richtet sich nicht nach § 60, für den es an einer entsprechenden Verweisung fehlt. Auch eine analoge Anwendung kommt mangels unbewusster Regelungslücke nicht in Betracht.27) Die Haftung kann vielmehr allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entnommen werden,28) wobei einem unentgeltlich tätigen Treuhänder im Hinblick auf die Aufgaben nach Absatz 1 eine Haftungserleichterung i. S. der §§ 521, 599 BGB zugutekommen sollte.29)
13
_____________ Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 292 Rz. 52; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 19. Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 21. So auch Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 35. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 35; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 22. OLG Celle, Urt. v. 2.10.2007 – 16 U 29/07, NZI 2008, 52 f; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 36; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 16 jeweils m. w. N.; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 23. 28) Vgl. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 38 ff; OLG Celle, Urt. v. 2.10.2007 – 16 U 29/07, NZI 2008, 52 f, das § 280 BGB in Betracht zieht. 29) So auch Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 40 m. w. N.; a. A. etwa Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 17. 23) 24) 25) 26) 27)
§ 293 Vergütung des Treuhänders (1) 1Der Treuhänder hat Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Dabei ist dem Zeitaufwand des Treuhänders und dem Umfang seiner Tätigkeit Rechnung zu tragen. (2) § 63 Abs. 2 sowie die §§ 64 und 65 gelten entsprechend.
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§ 293
Vergütung des Treuhänders
chenden Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen sollte der Treuhänder die ihm ohne Schwierigkeiten zugänglichen Informationsquellen ausschöpfen.23) IV. Rechnungslegung und Aufsicht des Gerichts (Abs. 3) Nach Abschluss seiner Tätigkeit muss der Treuhänder dem Insolvenzgericht gegenüber Rechnung legen. Das Gericht stellt seinerseits sicher, dass die Gläubiger Einsicht nehmen können.24) Während der gesamten Amtszeit steht der Treuhänder unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts gemäß Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 58, das Gericht kann also jederzeit Auskünfte oder Berichte verlangen und die Pflichten des Treuhänders mit Zwangsmitteln nach § 58 Abs. 2 durchsetzen. Der Treuhänder kann zudem aus wichtigem Grund entlassen werden (Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 59 Abs. 1 Satz 1). Das entsprechende Antrags- und ggf. Beschwerderecht ist mangels Gläubigerversammlung auf den einzelnen Insolvenzgläubiger übertragen (Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2). Weil der Aufsicht des Gerichts auch Elemente des Schuldnerschutzes innewohnen,25) wird das Gericht auch formlose Hinweise des Schuldners auf mögliche Verfehlungen des Treuhänders beachten und auch diesbezüglich seine Aufsichtsbefugnisse wahrnehmen.26)
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Die Haftung des Treuhänders wegen Pflichtverletzungen sowohl hinsichtlich seiner Aufgaben nach Absatz 1 als auch derer nach Absatz 2 richtet sich nicht nach § 60, für den es an einer entsprechenden Verweisung fehlt. Auch eine analoge Anwendung kommt mangels unbewusster Regelungslücke nicht in Betracht.27) Die Haftung kann vielmehr allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entnommen werden,28) wobei einem unentgeltlich tätigen Treuhänder im Hinblick auf die Aufgaben nach Absatz 1 eine Haftungserleichterung i. S. der §§ 521, 599 BGB zugutekommen sollte.29)
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_____________ Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 292 Rz. 52; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 19. Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 21. So auch Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 35. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 35; Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 22. OLG Celle, Urt. v. 2.10.2007 – 16 U 29/07, NZI 2008, 52 f; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 36; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 16 jeweils m. w. N.; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 292 Rz. 23. 28) Vgl. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 38 ff; OLG Celle, Urt. v. 2.10.2007 – 16 U 29/07, NZI 2008, 52 f, das § 280 BGB in Betracht zieht. 29) So auch Wimmer-Grote, FK-InsO, § 292 Rz. 40 m. w. N.; a. A. etwa Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 292 Rz. 17. 23) 24) 25) 26) 27)
§ 293 Vergütung des Treuhänders (1) 1Der Treuhänder hat Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Dabei ist dem Zeitaufwand des Treuhänders und dem Umfang seiner Tätigkeit Rechnung zu tragen. (2) § 63 Abs. 2 sowie die §§ 64 und 65 gelten entsprechend.
Kexel
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§ 294
Gleichbehandlung der Gläubiger
1
Die Vorschrift stellt klar, dass dem Treuhänder Vergütung und Aufwendungsersatz zustehen, deren Angemessenheit Absatz 1 Satz 2 sicherstellen soll. Mit der Verweisung auf § 63 Abs. 2 bis § 65 werden die Behandlung der Treuhändervergütung bei der Stundung, das Verfahren bei der Vergütungsfestsetzung und eine entsprechende Verordnungsermächtigung geregelt.
2
Von letzterer hat das Bundesministerium der Justiz Gebrauch gemacht; die Vergütung des Treuhänders ist nun in §§ 14–16 InsVV geregelt. Durch eine degressive Staffelvergütung nach § 14 Abs. 2 InsVV und der gleichzeitigen Bestimmung einer Mindestvergütung1) in § 14 Abs. 3 InsVV soll den Anforderungen des Absatzes 1 Satz 2 Genüge getan werden. § 15 InsVV gibt Anhaltspunkte für die zusätzliche Vergütung der zusätzlich nach § 292 Abs. 2 übertragenen Überwachungsaufgabe, deren Stundensatz nach § 16 Abs. 1 InsVV vom Gericht festgesetzt wird. § 16 Abs. 2 InsVV ermöglicht dem Treuhänder die teil- und vorschussweise Entnahme seiner Vergütung.
3
Nach § 19 InsVV ist für vor dem 1.1.2004 eröffnete Insolvenzverfahren die alte, bis zum 7.10.2004 geltende Fassung der InsVV anzuwenden. Nach richtiger Ansicht bezieht sich dies jedoch nur auf die Vergütung des Treuhänders im Insolvenzverfahren; für den Treuhänder in der Restschuldbefreiungsphase nach § 292 gilt also die neue Fassung der InsVV für sämtliche Tätigkeiten nach deren Inkrafttreten, unabhängig vom Bestellungszeitpunkt.2)
4
Durch die Verweisung auf § 63 Satz 2 erhält der Treuhänder im Falle der Stundung einen Sekundäranspruch gegen die Staatskasse; auch in Bezug auf diesen steht ihm ein Vorschussanspruch zu.3)
5
Ganz unstreitig bleibt es dem Treuhänder unbenommen, auf eine Vergütung zu verzichten.4) _____________ 1)
2) 3) 4)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerregelung zur Mindestvergütung vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2005 – 1 BvR 700/05, ZVI 2005, 558 ff = ZIP 2005, 1694; BGH, Beschl. v. 20.1.2005 – IX ZB 134/04, ZIP 2005, 447 = ZVI 2005, 146, dazu EWiR 2005, 609 (Rendels); BGH, Beschl. v. 15.1.2004 – IX ZB 46/03, ZIP 2004, 424 = ZVI 2004, 132. LG Memmingen, Beschl. v. 2.10.2008 – 4 T 1336/08, ZInsO 2009, 302 f m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 293 Rz. 6 m. w. N.; vgl. § 16 Abs. 2 Satz 3 InsVV. Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 188, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 553; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 293 Rz. 1; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 293 Rz. 1.
§ 294 Gleichbehandlung der Gläubiger (1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig. ) (2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.
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Kexel
§ 294
Gleichbehandlung der Gläubiger
1
Die Vorschrift stellt klar, dass dem Treuhänder Vergütung und Aufwendungsersatz zustehen, deren Angemessenheit Absatz 1 Satz 2 sicherstellen soll. Mit der Verweisung auf § 63 Abs. 2 bis § 65 werden die Behandlung der Treuhändervergütung bei der Stundung, das Verfahren bei der Vergütungsfestsetzung und eine entsprechende Verordnungsermächtigung geregelt.
2
Von letzterer hat das Bundesministerium der Justiz Gebrauch gemacht; die Vergütung des Treuhänders ist nun in §§ 14–16 InsVV geregelt. Durch eine degressive Staffelvergütung nach § 14 Abs. 2 InsVV und der gleichzeitigen Bestimmung einer Mindestvergütung1) in § 14 Abs. 3 InsVV soll den Anforderungen des Absatzes 1 Satz 2 Genüge getan werden. § 15 InsVV gibt Anhaltspunkte für die zusätzliche Vergütung der zusätzlich nach § 292 Abs. 2 übertragenen Überwachungsaufgabe, deren Stundensatz nach § 16 Abs. 1 InsVV vom Gericht festgesetzt wird. § 16 Abs. 2 InsVV ermöglicht dem Treuhänder die teil- und vorschussweise Entnahme seiner Vergütung.
3
Nach § 19 InsVV ist für vor dem 1.1.2004 eröffnete Insolvenzverfahren die alte, bis zum 7.10.2004 geltende Fassung der InsVV anzuwenden. Nach richtiger Ansicht bezieht sich dies jedoch nur auf die Vergütung des Treuhänders im Insolvenzverfahren; für den Treuhänder in der Restschuldbefreiungsphase nach § 292 gilt also die neue Fassung der InsVV für sämtliche Tätigkeiten nach deren Inkrafttreten, unabhängig vom Bestellungszeitpunkt.2)
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Durch die Verweisung auf § 63 Satz 2 erhält der Treuhänder im Falle der Stundung einen Sekundäranspruch gegen die Staatskasse; auch in Bezug auf diesen steht ihm ein Vorschussanspruch zu.3)
5
Ganz unstreitig bleibt es dem Treuhänder unbenommen, auf eine Vergütung zu verzichten.4) _____________ 1)
2) 3) 4)
Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorgängerregelung zur Mindestvergütung vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2005 – 1 BvR 700/05, ZVI 2005, 558 ff = ZIP 2005, 1694; BGH, Beschl. v. 20.1.2005 – IX ZB 134/04, ZIP 2005, 447 = ZVI 2005, 146, dazu EWiR 2005, 609 (Rendels); BGH, Beschl. v. 15.1.2004 – IX ZB 46/03, ZIP 2004, 424 = ZVI 2004, 132. LG Memmingen, Beschl. v. 2.10.2008 – 4 T 1336/08, ZInsO 2009, 302 f m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 293 Rz. 6 m. w. N.; vgl. § 16 Abs. 2 Satz 3 InsVV. Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 188, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 553; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 293 Rz. 1; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 293 Rz. 1.
§ 294 Gleichbehandlung der Gläubiger (1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig. ) (2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.
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§ 294
Gleichbehandlung der Gläubiger
(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.
)
)
Absatz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 25 Buchst. a des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1: „(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind während der Laufzeit der Abtretungserklärung nicht zulässig.“
) Absatz 3 geändert durch Art. 1 Nr. 25 Buchst. b des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1: „(3) Gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfaßt werden, kann der Verpflichtete eine Forderung gegen den Schuldner nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach § 114 Abs. 2 zur Aufrechnung berechtigt wäre.“ Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Vollstreckungsverbot (Abs. 1) ............ 2 III. Kein Sonderabkommen (Abs. 2) ........ 3
I.
IV. Aufrechnungsverbot (Abs. 3) ............. 5 V. Steuerrecht (Aufrechnung) ................ 6
Normzweck
Die Vorschrift soll die Gleichbehandlung der Gläubiger auch in der Restschuldbefreiungsphase sicherstellen; Vereinbarungen, die Einzelne bevorzugen, sind nach Absatz 2 nichtig. Absatz 1 führt das Vollstreckungsverbot des § 89 aus dem Insolvenzverfahren weiter, Absatz 3 schränkt die Aufrechnungsmöglichkeiten ein.
1
II. Vollstreckungsverbot (Abs. 1) Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung von Insolvenzgläubigern in das – gesamte – Vermögen des Schuldners sind unzulässig. Absatz 1 gilt für alle Insolvenzgläubiger i. S. des § 38, auch wenn sie ihre Forderungen nicht zur Tabelle angemeldet haben;1) ob der Schuldner entgegen § 305 Abs. 1 Nr. 3 die titulierte Insolvenzforderung nicht angegeben hat, spielt ebenso wenig eine Rolle2) wie die Frage, ob ihre Forderung von § 302 erfasst wird.3) Absatz 1 gilt hingegen nicht für Massegläubiger4) und für Neugläubiger, ebenso wenig für aussonderungsberechtigte Gläubiger; auch für die absonderungsberechtigten Gläubiger bleibt die abgesonderte Befriedigung möglich.5) Das Verbot gilt über den Wortlaut hinaus bis zur – rechtskräftigen – Erteilung der Restschuldbefreiung oder ihrer Versagung.6) Es ist vom Vollstreckungsorgan von Amts wegen zu beachten.7) Nicht dem Verbot des _____________ 1)
2) 3) 4) 5) 6) 7)
BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 288/03, ZVI 2006, 403 f = NZI 2006, 602; vorgehend LG Erfurt, Beschl. v. 23.7.2003 – 2 T 185/03, ZVI 2004, 549; Kübler/Prütting/BorkWenzel. InsO, § 294 Rz. 2c m. w. N. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 288/03, ZVI 2006, 403 f = NZI 2006, 602. BGH, Beschl. v. 28.6.2012 – IX ZB 313/11, ZVI 2012, 345. BGH, Urt. v. 28.6.2007 – IX ZR 73/06, NZI 2007, 670 f = WM 2007, 1844. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 2; Landfermann in: HK-InsO, § 294 Rz. 7; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 294 Rz. 21. Landfermann in: HK-InsO, § 294 Rz. 8.
Kexel
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§ 294
Gleichbehandlung der Gläubiger
Absatzes 1 unterfällt hingegen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Titels als bloß vorbereitender Maßnahme;8) erst recht hat das Vollstreckungsverbot keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer Klageerhebung.9) III. Kein Sonderabkommen (Abs. 2) 3
Abkommen, mit denen einzelnen Insolvenzgläubigern Sondervorteile zukämen, sind nach Absatz 2 nichtig. Dabei ist der Begriff des „Abkommens“ weit zu verstehen; er umfasst Verträge, Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte, aber auch einseitige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die Vermögensverschiebungen bewirken.10) Ein Sondervorteil wird dem Gläubiger verschafft, wenn er vom Schuldner etwas erhält, was dieser gemäß § 295 an den Treuhänder abführen müsste;11) keine Rolle spielt, ob der Sondervorteil erheblich ist oder nicht.12) Der Schuldner ist dagegen nicht gehindert, einzelnen Gläubigern etwas aus seinem freien Vermögen zukommen zu lassen.13) Das unzulässige Abkommen kann auch zwischen Dritten und dem einzelnen Insolvenzgläubiger geschlossen worden sein; hier ist ein Sondervorteil des Gläubigers sicher dann zu bejahen, wenn er Leistungen aus Mitteln erhalten soll, die sonst dem Treuhänder zukämen.14)
4
Streitig ist, ob auch etwa die Bestellung von Kreditsicherheiten durch Dritte die Rechtsfolge des Absatzes 2 auslöst.15) Sind sie geeignet, das Verhalten des Insolvenzgläubigers zum Nachteil der anderen Gläubiger bzw. der Haftungsmasse zu beeinflussen, muss diese Frage wohl bejaht werden. Für die Beurteilung kann auch der Zeitpunkt der Bestellung eine wichtige Rolle spielen. Grundsätzlich aber ist die Nichtigkeitsfolge des Absatzes 2 unabhängig vom Zeitpunkt des Abkommens; auch vor Insolvenz geschlossene Vereinbarungen können der Regelung unterfallen.16) Nach richtiger Ansicht ist dann aber zumindest eine finale Beziehung zu einem geplanten Restschuldbefreiungsverfahren zu fordern, um nicht etwa vorinsolvenzliche Einigungsbemühungen mit dem Risiko der Nichtigkeit zu belasten.17) IV. Aufrechnungsverbot (Abs. 3)
5
Absatz 3 verbietet die Aufrechnung des zur Zahlung der abgetretenen Bezüge Verpflichteten. Eine Aufrechnung gegen andere Forderungen des Schuldners, die erst während der Wohlverhaltensperiode begründet werden, bleibt für alle Insol_____________ 8) LG Göttingen, Beschl. v. 22.9.2005 – 10 T 89/05, ZVI 2005, 554 = ZInsO 2005, 1113. 9) BGH, Beschl. v. 18.11.2010 – IX ZR 67/10, ZVI 2011, 93 = WM 2011, 131. 10) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 294 Rz. 22; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 5; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 294 Rz. 27; a. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 294 Rz. 30; Landfermann in: HK-InsO, § 294 Rz. 13. 11) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 5. 12) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 294 Rz. 23. 13) Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 294 Rz. 32; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 5; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 294 Rz. 30. 14) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 6. 15) Grundsätzlich bejahend Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 294 Rz. 34; a. A. Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 6. 16) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 294 Rz. 25; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 6; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 294 Rz. 32. 17) So Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 294 Rz. 32.
1400
Kexel
§ 295
Obliegenheiten des Schuldners
venzgläubiger möglich.18) In vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren ist nach der dafür fortgeltenden alten Fassung von Absatz 3 (siehe oben), das Aufrechnungsverbot noch im Hinblick auf den für diese Alt-Verfahren weiterhin geltenden § 114 eingeschränkt; soweit § 114 Abs. 2 a. F. den Gläubiger zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren berechtigte, ist er dies entsprechend auch – wie die ebenfalls bis zum 1.7.2014 geltende Fassung von Absatz 1 formulierte – „während der Laufzeit der Abtretungserklärung.“ Absatz 3 a. F. lässt sich nicht als eine die Aufrechnung in bestimmten Fällen gestattende Ausnahmevorschrift zu einem ansonsten nach § 294 Abs. 1 InsO i. V. m. § 394 Satz 1 BGB geltenden Aufrechnungsausschluss interpretieren; ein solcher existiert nicht.19) Ebenso wenig kann ein solches allgemeines Aufrechnungsverbot aus dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung hergeleitet werden.20) V. Steuerrecht (Aufrechnung) Da das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 nur während des Insolvenzverfahrens gilt, kann in der Restschuldbefreiungsphase das Finanzamt gegenüber Steuererstattungen des Schuldners mit Insolvenzforderungen aufrechnen.21) Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs gilt das auch noch in der Zeit zwischen dem Ende der Wohlverhaltensperiode und der Erteilung der Restschuldbefreiung.22) Diese Rechtslage kann zu einer erheblichen finanziellen Belastung des selbständigen Schuldners führen, der er nur mit Erlassanträgen (§ 227 AO) entgegen wirken kann. _____________ 18) Landfermann in: HK-InsO, § 294 Rz. 17. 19) BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 438 = NJW 2005, 2988; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 7. 20) BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 440 = NJW 2005, 2988; LG Koblenz, Beschl. v. 13.6.2000 – 2 T 162/00, ZInsO 2000, 507, 508; Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 294 Rz. 7; a. A. AG Wittlich, Beschl. v. 4.4.2003 – 7b IK 50/02, ZVI 2003, 428; für eine differenzierte Betrachtung Landfermann in: HK-InsO, § 294 Rz. 18 ff. 21) BFH, Urt. v. 21.11.2006 – VII R 1/06, ZVI 2007, 107 = BB 2007, 202. 22) BFH, Beschl. v. 7.1.2010 – VII B 118/09, BFH/NV 2010, 950 = BeckRS 2010, 25016006.
§ 295 Obliegenheiten des Schuldners Kexel
(1) Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist ) 1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf VerKexel
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§4
Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
§4 Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung Kexel
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Anwendbare Vorschriften der ZPO ....................................................... III. Sonderbestimmungen ......................... IV. Prozesskostenhilfe ............................... 1. Antrag eines Insolvenzgläubigers ........
I.
1 2 3 4 4
2. 3. V. VI.
Antrag des Insolvenzverwalters ........... 5 Antrag des Schuldners .......................... 6 Anwendbarkeit weiterer Gesetze ....... 8 Auskunfts- und Vorlageverlangen des Finanzamtes (§§ 93, 97 AO) ......... 9
Normzweck
Die InsO verzichtet auf ein eigenständiges, umfassendes Verfahrensrecht. § 4 erklärt die Vorschriften der ZPO für entsprechend anwendbar, soweit nicht einzelne Bestimmungen entgegenstehen. An zahlreichen Stellen finden sich in der Insolvenzordnung jedoch bereits spezielle Verweisungen auf Regeln der ZPO,1) sodass § 4 auch als Auffangtatbestand angesehen werden kann.
1
II. Anwendbare Vorschriften der ZPO Die Anwendbarkeit einzelner Normen der ZPO kann schon im Hinblick auf die weitreichenden Unterschiede zwischen Insolvenz- und Erkenntnisverfahren nur eine entsprechende bzw. sinngemäße sein. Grundsätzlich können auch nur die Normen herangezogen werden, die dem besonderen Charakter des Insolvenzverfahrens nicht zuwiderlaufen.2) So sind etwa Vorschriften des 8. Buches der ZPO größtenteils unanwendbar, weil das Insolvenzverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren in einem Gegensatz zur Einzelvollstreckung nach den §§ 703 ff ZPO steht.3) Als prinzipiell anwendbare Regelungen können angesehen werden:4) –
Vorschriften über den allgemeinen Gerichtsstand (§§ 13 ff ZPO, vgl. oben § 3 Rz. 9),
–
Bestimmung des zuständigen Gerichts (§§ 36, 37 ZPO; vgl. oben zu § 3 Rz. 15 f),
–
Ablehnung und Ausschließung von Gerichtspersonen (§§ 41 – 49 ZPO),5)
_____________ 1)
2) 3)
4) 5)
§§ 8 Abs. 1 Satz 2, 26 Abs. 2 Satz 2, 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2, 64 Abs. 3 Satz 2, 85 Abs. 1 Satz 2, 98 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 148 Abs. 2 Satz 2, 186 Abs. 1 Satz 2, 308 Abs. 1 Satz 2. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 4 Rz. 2 m. w. N. BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZB 77/08, ZIP 2008, 2441, 2442 = ZVI 2009, 74, dazu EWiR 2009, 223 (S. Schmidt) – dort aber ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 765a ZPO als „Generalklausel“ des Schuldnerschutzes im Ausnahmefall bejahend. Vgl. detailliert Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 4 Rz. 3 ff. BGH, Beschl. v. 15.7.2004 – IX ZB 280/03, ZVI 2004, 753; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, ZIP 2007, 548 f = ZInsO 2007, 326, dazu EWiR 2007, 341 (Römermann) – nicht des Verwalters.
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Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
–
Partei- und Prozessfähigkeit, Vertretung (§§ 50 ff,6) 80 ff ZPO,7)),
–
Verfahrenskosten (§§ 91 ff ZPO, soweit eine kontradiktorische Verfahrenssituation gegeben ist),8)
–
Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff ZPO; unten Rz. 4),
–
Prozessleitung (§§ 136–144 ZPO),
–
Protokollierung (§§ 156–165 ZPO),
–
Zustellungen (§§ 166 ff ZPO, mit den Modifikationen der §§ 8 und 9 InsO),
–
Fristen, Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis (§§ 217, 222, 224 Abs. 2, 225 ZPO),9)
–
Verweisung bei Unzuständigkeit (§ 281 ZPO;10) vgl. oben § 3 Rz. 15 f),
–
Beweiswürdigung, Glaubhaftmachung (§§ 286,11) 287,12) 291, 294 ZPO),13)
–
Akteneinsicht (§ 299 ZPO),14)
–
Berichtigung (§§ 319 f ZPO),15)
–
Rechtskraftwirkung (§§ 322 ff ZPO),16)
–
Beweisaufnahme (§§ 355 ff ZPO),
–
sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde (§§ 567 ff ZPO, vgl. zu § 6 Rz. 2 ff),
–
Wiederaufnahme (§§ 578 ff ZPO, soweit ein urteilsvertretender Beschluss erging).17)
_____________ 6) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.10.2000 – 3 W 171/00, ZIP 2000, 2172 = ZInsO 2001, 88, dazu EWiR 2001, 233 (Paulus). 7) KG, Beschl. v. 18.2.1965 – 1 W 49/65, KTS 1965, 171 (KO). 8) Vgl. insbesondere zur Erledigungserklärung BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91 f = ZVI 2005, 125; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 194/04, – juris; BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 131/07, ZIP 2008, 2285 = ZInsO 2008, 1206. 9) Vgl. BGH, Beschl. v. 17.6.2010 – IX ZB 37/10, ZInsO 2010, 1499. 10) Aber nicht mehr nach rechtskräftiger Eröffnung, OLG Celle, Beschl. v. 7.5.2007 – 4 AR 27/07, ZIP 2007, 1922 f = NZI 2007, 465, dazu EWiR 2008, 143 (Schmerbach) m. w. N. 11) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, NJW 2003, 3558 ff = ZVI 2003, 538, 541. 12) BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – IX ZB 284/03, ZIP 2005, 1281 ff = ZVI 2005, 442. 13) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, NJW 2003, 3558 ff = ZVI 2003, 538, 541; BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 159/06, – juris. 14) Zur grundsätzlichen Annahme eines rechtlichen Interesses bei Akteneinsicht durch einen Gläubiger vgl. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IV AR(VZ) 1/06, WM 2006, 1435, 1436 f = ZIP 2006, 1154, dazu EWiR 2006, 447 (Pape). 15) LG Deggendorf, Beschl. v. 20.2.2002 – 1 T 20/02, ZInsO 2002, 336, 337 – Eröffnungsbeschluss; LG Göttingen, Beschl. v. 23.1.2003 – 10 T 7/03, ZVI 2003, 227 = ZInsO 2003, 815 – Insolvenztabelle. 16) Vgl. BGH, Beschl. v. 5.8.2002 – IX ZB 51/02, ZIP 2002, 1695 = ZInsO 2002, 818; zur KO: BGH, Urt. v. 17.10.1985 – III ZR 105/84, ZIP 1986, 319, 323 = WM 1986, 331, dazu EWIR 1986, 295 (Eickmann). 17) BGH, Beschl. v. 2.2.2006 – IX ZB 279/04, ZIP 2006, 587 f = ZVI 2006, 117.
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Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung
III. Sonderbestimmungen Abweichende bzw. vorrangige Regelungen finden sich insbesondere in den §§ 3, 4a – 4d, 5, 8, 9, 10.
3
IV. Prozesskostenhilfe 1.
Antrag eines Insolvenzgläubigers
Im Rahmen des Insolvenzantrags eines Gläubigers sind die Regeln über die Prozesskostenhilfe anwendbar.18) 2.
Antrag des Insolvenzverwalters
Der Insolvenzverwalter kann gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Prozesskostenhilfe für Masseansprüche beantragen,19) ebenso für seine eigenen Vergütungsansprüche.20) Dies ist allerdings letztlich keine Frage des Insolvenzverfahrens bzw. der InsO, sondern des ordentlichen, streitigen Verfahrens. 3.
4
5
Antrag des Schuldners
Für ab dem 1.12.2001 eröffnete Verfahren ist die Anwendung der Regeln über die Prozesskostenhilfe durch die mit dem InsOÄndG 2001 eingeführten, speziellen Regelungen über die Stundung der §§ 4a – 4d grundsätzlich ausgeschlossen. Diese erfassen jedoch nicht die Rechtsmittelinstanzen – hier kann der Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff ZPO beantragen und erhält diese abhängig von den Erfolgsaussichten des jeweils eingelegten Rechtsmittels.21)
6
Für die vor diesem Zeitpunkt eröffneten Verfahren bleibt umstritten, ob dem Schuldner Prozesskostenhilfe gewährt werden kann.22) Soweit dies noch praxisrelevant wird, sollte die in einem „obiter dictum“ des Bundesgerichtshofs getroffene Feststellung Beachtung finden, dass der Gesetzgeber vor dem InsOÄndG 2001 von einer Bereitstellung öffentlicher Mittel bewusst abgesehen habe.23)
7
V. Anwendbarkeit weiterer Gesetze Dass § 4 nur auf die ZPO verweist, schließt die ergänzende Anwendung weiterer verfahrensspezifischer Regelungen nicht aus; diese – etwa solche des GVG – werden von der InsO vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt.24) Auch sie sind _____________ 18) BVerfG, Beschl. v. 27.10.1988 – 1 BvR 1340/88, ZIP 1989, 719, dazu EWiR 1989, 515 (Pape); BGH, Urt. v. 27.9.1990 – IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490 = NJW 1991, 40, dazu EWiR 1990, 1243 (Merz). 19) OLG Köln, Beschl. 6.4.1998 – 1 W 22/98, NZI 1999, 80 = Rpfleger 1998, 439, dazu EWiR 1998, 765 (Hess). 20) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.6.1997 – 21 W 30/97, ZIP 1997, 1600, dazu EWiR 1997, 859 (Grub). 21) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910, 2911 = ZVI 2003, 405; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574; zum Meinungsstand vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 74 ff m. w. N. 22) Vgl. zum Meinungsstand m. w. N.: Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 4 Rz. 13 ff. 23) BGH, Beschl. v. 16.3.2000 – IX ZB 2/00, ZIP 2000, 755 = ZInsO 2000, 280. 24) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 4 Rz. 3.
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aber nur insoweit anwendbar, als sie einschlägige und mit dem Insolvenzverfahren vereinbare Bestimmungen enthalten. Zu u. a. hieraus abgeleiteten wesentlichen Verfahrensgrundsätzen vgl. nachfolgend die Kommentierung zu § 5. VI. Auskunfts- und Vorlageverlangen des Finanzamtes (§§ 93, 97 AO) Paul
Literatur: Paul, Kostenerstattungspflicht des Finanzamtes bei Auskunfts- und Vorlageverlangen (§§ 93, 97 AO), ZInsO 2007, 80.
9
Neben dem allgemeinen Akteneinsichtsrecht der Gläubiger (§ 299 ZPO) stehen der Finanzverwaltung weitergehende Sonderrechte zu. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben die Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde von den Beteiligten und anderen Personen die Vorlage von Urkunden in Form von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren etc. verlangen.
10
Der Insolvenzverwalter sieht sich einem Auskunfts- und/oder Vorlageverlangen insbesondere dann gegenüber, wenn die Finanzverwaltung die Voraussetzungen eines Haftungsbescheids gegen den Geschäftsführer prüft. Dann erhält er meist ein „kombiniertes“ Auskunfts- und Vorlageverlangen, das vom „isolierten“ Vorlageersuchen deshalb abzugrenzen ist, weil der Betroffene nur dann, wenn (auch) Auskunft durch die Finanzverwaltung begehrt wird, Anspruch auf eine Entschädigung nach dem JVEG hat.25) Von einem „isolierten“ Vorlageersuchen ist auszugehen, wenn der in Anspruch Genommene keinerlei eigenes Wissen – als Vorfrage zur Vorlage von Urkunden – abrufen muss. Das Finanzamt ist also gehalten, die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig zu benennen, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der Unterlagen beschränkt.26)
11
Ob sich die Finanzverwaltung der Beweismittel der §§ 93 ff AO bedient, steht in deren Ermessen (§ 92 AO). Deshalb hat die Finanzbehörde immer zu prüfen, ob die Sachverhaltsaufklärung statt durch „Dritte“ (also den Insolvenzverwalter) nicht durch die „Beteiligten“ (also den Geschäftsführer) erfolgen kann (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Wendet der Geschäftsführer gegenüber einem Auskunftsverlangen des Finanzamtes mangelnden Besitz an den Geschäftsunterlagen ein, ist das nur dann relevant, wenn der Insolvenzverwalter es dem Geschäftsführer nicht ermöglicht, Einsicht in die Geschäftspapiere zu nehmen. Räumt der Verwalter diese Möglichkeit ein, ist seine Heranziehung zur Auskunftserteilung durch das Finanzamt ermessensfehlerhaft.27)
_____________ 25) BFH, Urt. v. 8.8.2006 – VII R 29/05, ZIP 2007, 69 = BB 2006, 2624, dazu EWiR 2007, 1 (Vortmann); Paul, ZInsO 2007, 80. 26) BFH, Urt. v. 8.8.2006 – VII R 29/05, ZIP 2007, 69 = BB 2006, 2624. 27) FG Brandenburg, Urt. v. 12.5.2004 – 1 K 2447/01, ZIP 2005, 41 = EFG 2005, 838.
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§ 295
Obliegenheiten des Schuldners
venzgläubiger möglich.18) In vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren ist nach der dafür fortgeltenden alten Fassung von Absatz 3 (siehe oben), das Aufrechnungsverbot noch im Hinblick auf den für diese Alt-Verfahren weiterhin geltenden § 114 eingeschränkt; soweit § 114 Abs. 2 a. F. den Gläubiger zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren berechtigte, ist er dies entsprechend auch – wie die ebenfalls bis zum 1.7.2014 geltende Fassung von Absatz 1 formulierte – „während der Laufzeit der Abtretungserklärung.“ Absatz 3 a. F. lässt sich nicht als eine die Aufrechnung in bestimmten Fällen gestattende Ausnahmevorschrift zu einem ansonsten nach § 294 Abs. 1 InsO i. V. m. § 394 Satz 1 BGB geltenden Aufrechnungsausschluss interpretieren; ein solcher existiert nicht.19) Ebenso wenig kann ein solches allgemeines Aufrechnungsverbot aus dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung hergeleitet werden.20) V. Steuerrecht (Aufrechnung) Da das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 nur während des Insolvenzverfahrens gilt, kann in der Restschuldbefreiungsphase das Finanzamt gegenüber Steuererstattungen des Schuldners mit Insolvenzforderungen aufrechnen.21) Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs gilt das auch noch in der Zeit zwischen dem Ende der Wohlverhaltensperiode und der Erteilung der Restschuldbefreiung.22) Diese Rechtslage kann zu einer erheblichen finanziellen Belastung des selbständigen Schuldners führen, der er nur mit Erlassanträgen (§ 227 AO) entgegen wirken kann. _____________ 18) Landfermann in: HK-InsO, § 294 Rz. 17. 19) BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 438 = NJW 2005, 2988; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 294 Rz. 7. 20) BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 440 = NJW 2005, 2988; LG Koblenz, Beschl. v. 13.6.2000 – 2 T 162/00, ZInsO 2000, 507, 508; Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 294 Rz. 7; a. A. AG Wittlich, Beschl. v. 4.4.2003 – 7b IK 50/02, ZVI 2003, 428; für eine differenzierte Betrachtung Landfermann in: HK-InsO, § 294 Rz. 18 ff. 21) BFH, Urt. v. 21.11.2006 – VII R 1/06, ZVI 2007, 107 = BB 2007, 202. 22) BFH, Beschl. v. 7.1.2010 – VII B 118/09, BFH/NV 2010, 950 = BeckRS 2010, 25016006.
§ 295 Obliegenheiten des Schuldners Kexel
(1) Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist ) 1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf VerKexel
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§ 295
Obliegenheiten des Schuldners
langen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen; 4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen.
(2) Soweit der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.
)
Absatz 1, Satzteil 1 vor Nummer 1 geändert durch Art. 1 Nr. 26 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1: „(1) Dem Schuldner obliegt es, während der Laufzeit der Abtretungserklärung …“ Übersicht
I. Normzweck ........................................... II. Angemessene Erwerbstätigkeit (Abs. 1 Nr. 1) ........................................ III. Erbschaft (Abs. 1 Nr. 2) ....................... IV. Redliche Mitwirkung (Abs. 1 Nr. 3) .....................................................
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V. Verbot von Sondervorteilen (Abs. 1 Nr. 4) ...................................... 13 VI. Zahlungspflicht bei selbständiger Tätigkeit (Abs. 2) ............................... 15
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Normzweck
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Die Vorschrift konkretisiert den Begriff der Redlichkeit des Schuldners für die Zeit der Wohlverhaltensperiode und legt fest, welche Anforderungen an den Schuldner gestellt werden, der die Restschuldbefreiung erlangen will – er muss sich nach Kräften bemühen, seine Gläubiger so weit wie möglich zu befriedigen.1) Absatz 2 stellt zudem nochmals klar, dass der Schuldner grundsätzlich frei in seiner Entscheidung ist, eine abhängige oder eine selbständige Beschäftigung auszuüben oder auch zu wählen.2)
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Gemäß Absatz 1 treffen die aufgeführten Obliegenheiten den Schuldner von der Beendigung (also Aufhebung oder Einstellung gemäß § 211) des Insolvenzverfahrens an bis zum Ende der Abtretungsfrist. Die Rechtslage hat sich insofern durch die Neufassung des Absatzes 1 nicht geändert; trotz des noch in der alten, vor dem 1.7.2014 geltenden Fassung enthaltenen Wortlauts „während der Laufzeit der Abtretungserklärung“ – die ja gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt – gilt § 295 auch in den vor diesem Datum beantragten Verfahren erst ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung.3) Die Norm ist also die Ergänzung zu § 290, der die Anforderungen an den Schuldner vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens konkretisiert.4) Dafür muss der Schuldner aber auch Kenntnis von diesen Umständen, also _____________ 1) 2) 3)
4)
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 555 f. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 72. So BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 ff = ZVI 2010, 425 ff; BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZB 249/07, ZVI 2009, 170 f = NZI 2009, 191; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZR 133/06, FamRZ 2007, 557; zuvor BGH, Beschl. v. 29.6.2004 – IX ZB 90/03, ZVI 2004, 419, 420 = NZI 2004, 635; LG Göttingen, Beschl. v. 24.8.2004 – 10 T 94/04, ZVI 2005, 48 = NZI 2004, 678; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 12; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 45; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 3 f. Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 1.
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§ 295
Obliegenheiten des Schuldners
Kenntnis vom Aufhebungsbeschluss und – in den vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren – auch vom Ankündigungsbeschluss erhalten haben.5) Verletzungen der Obliegenheiten können im Verfahren nach § 296 geltend gemacht werden.
3
II. Angemessene Erwerbstätigkeit (Abs. 1 Nr. 1) Die Formulierung in Absatz 1 Nr. 1 entspricht exakt der des mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffenen § 287b; die dortigen Ausführungen zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit, zum Bemühen und zur Zumutbarkeit gelten uneingeschränkt auch an dieser Stelle, so dass entsprechend auf diese verwiesen wird.
4
III. Erbschaft (Abs. 1 Nr. 2) Was genau als „von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht“ erworben gilt, kann unter Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur zu dem insoweit gleichlautenden § 1374 Abs. 2 BGB bestimmt werden; sicher fallen neben der Erbschaft als solcher auch Vermächtnisse, Pflichtteile und die vorweggenommene Übertragung von Erbschaftsgegenständen darunter.6) Nicht erfasst ist der Zugewinnausgleich im Falle des Todes des Ehegatten.7) Der Schuldner hat infolge eines solchen – nach der Ankündigung der Restschuldbefreiung eintretenden8) – Vermögenserwerbs die Hälfte des Wertes an den Treuhänder und damit zur Verteilung an die Gläubiger herauszugeben, im Regelfall durch Zahlung eines Geldbetrages.9) Setzt die Erfüllung der Obliegenheit die „Versilberung“ des Nachlasses voraus, ist dem Schuldner vor der Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung Gelegenheit zu geben, diese zu betreiben und im Falle ausreichender Bemühungen seinerseits ggf. abzuwarten.10)
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Die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses stellt aber keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners gemäß Absatz 1 Nr. 2 (oder eine Vermögensverschwendung i. S. des § 290 Abs. 1 Nr. 4) dar,11) da es sich um ein höchstpersönliches Recht handelt, das auch nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Sie rechtfertigt die Versagung der Restschuldbefreiung selbst dann nicht, wenn sie in Gläubigerbenachteiligungsabsicht durchgeführt wurde.12) Genauso wenig kann dem Schuldner abverlangt werden, einen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.13)
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_____________ 5) BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – IX ZB 78/09, ZVI 2010, 203 f. 6) Kübler/Prütting-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 19a. 7) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 48; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 19a; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 17. 8) BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZR 133/06, FamRZ 2007, 557. 9) BGH, Beschl. v. 10.1.2013 – IX ZB 163/11, ZVI 2013, 114 ff; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 16 m. w. N. 10) BGH, Beschl. v. 10.1.2013 – IX ZB 163/11, ZVI 2013, 114 ff. 11) BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, NZI 2009, 563 ff = ZInsO 2009, 1461; BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 168/09, NZI 2011, 329 f = NJW 2011, 2291. 12) LG Mainz, Beschl. v. 23.4.2003 – 8 T 79/03, ZVI 2003, 362. 13) BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, NZI 2009, 563 ff = ZInsO 2009, 1461; BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 168/09, NZI 2011, 329 f = NJW 2011, 2291; LG Tübingen, Beschl. v. 18.7.2008 – 5 T 20/08, ZVI 2008, 450 ff.
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§ 295 7
Obliegenheiten des Schuldners
Nicht unter Absatz 1 Nr. 2 fällt der Erwerb sonstigen Vermögens, etwa durch Schenkung oder Lotteriegewinn.14) IV. Redliche Mitwirkung (Abs. 1 Nr. 3)
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Der Schuldner hat durch Mitteilung des Wohnsitzwechsels von sich aus sicherzustellen, dass er für Gericht und Treuhänder jederzeit erreichbar ist.15) Die Anzeige hat unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, zu erfolgen (vgl. § 121 BGB).16) Teilweise auch dem gleichen Zweck kann die Verpflichtung zur Anzeige eines Wechsels der Beschäftigungsstelle dienen; hier steht aber die damit sicher häufig einhergehende Änderung der Bezüge im Vordergrund. Auch diese Anzeige muss unverzüglich erfolgen; eine um zehn Monate verspätete Anzeige begründet eine Verletzung selbst in außergewöhnlicheren Situationen.17)
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Die zur Gläubigerbefriedigung vorgesehenen Mittel, also von der Abtretungserklärung erfasste Bezüge und möglicher Vermögenszufluss i. S. von Absatz 1 Nr. 2 darf der Schuldner nicht verheimlichen, wobei nach richtiger Auffassung in einem bloßen Verschweigen nur dann ein „Verheimlichen“ liegen kann, wenn eine entsprechende Auskunftspflicht,18) eine Rechtspflicht zum Handeln – zur Offenbarung des Vermögensgegenstandes also – besteht.19) Vermögen nach Absatz 1 Nr. 2 hat der Schuldner aber ohnehin bereits von sich aus herauszugeben, die Bezüge wird ein gewissenhafter Treuhänder regelmäßig von sich aus abfragen.
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Auf Verlangen von Gericht oder Treuhänder hat der Schuldner Rechenschaft über die Erfüllung der ihm nach Absatz 1 Nr. 1 obliegenden Verpflichtungen zur angemessenen Erwerbstätigkeit und seiner entsprechenden Bemühungen abzulegen sowie seine Bezüge und sein Vermögen mitzuteilen. Die – unverzüglich zu erteilende20) – Auskunft auf Verlangen von Gericht oder Treuhänder auch substantiiert werden, also etwa durch Vorlage von Arbeitsverträgen,21) Lohnabrechnungen, Bewerbungsschreiben etc.22) Besondere Erfordernisse an diese Auskunftsbegehren sind nicht _____________ 14) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 48 m. w. N. – mit zutreffendem Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 20. 15) BGH, Beschl. v. 8.6.2010 – IX ZB 153/09, ZVI 2010, 315 ff = NZI 2010, 654 – „Wohnsitz“ meint die konkrete Anschrift, unter der sich der Schuldner tatsächlich aufhält und per Post oder persönlich erreichbar ist; BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZB 272/11, ZVI 2013, 279 ff. 16) BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 46/09, NZI 2010, 489; BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZB 272/11, ZVI 2013, 279 ff – etwa binnen zwei Wochen. 17) AG Mannheim, Beschl. v. 27.7.2005 – IN 113/02, ZVI 2005, 383. 18) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 57; AG Neubrandenburg, Beschl. v. 4.9.2006 – 9 IN 148/03, NZI 2006, 647 f; a. A. AG Göttingen, Beschl. v. 6.12.2007 – 74 IK 333/04, ZInsO 2008, 49 ff, dazu EWiR 2008, 117 f (Marotzke); Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 20; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 295 Rz. 48. 19) BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 249/08, NZI 2010, 26 ff = WM 2009, 2324; BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 168/09, NZI 2011, 329 f = NJW 2011, 2291. 20) BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZB 183/07, ZVI 2009, 41 = NZI 2008, 623; vgl. aber auch BGH, Beschl. v. 5.11.2009 – IX ZB 119/09, NZI 2010, 489 f – Verspätung um sieben Wochen stellt noch keine Beeinträchtigung der Gläubiger dar. 21) Vgl. AG München, Beschl. v. 6.6.2003 – 1503 IK 468/99, ZVI 2003, 366. 22) Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 22; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 295 Rz. 90; einschränkend Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 59.
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§ 295
Obliegenheiten des Schuldners
zu stellen; sie müssen von Gericht oder Treuhänder nicht begründet werden.23) Keinesfalls ist der Schuldner aber von sich aus verpflichtet, etwa auf eine Erhöhung des ausgezahlten Nettolohns oder eigene Einkünfte einer unterhaltsberechtigten Person hinzuweisen,24) erst recht nicht über konkrete etwaige Gewinne aus seiner selbstständigen Tätigkeit; jedenfalls im letzteren Fall könnte der Schuldner ein darauf gerichtetes Auskunftsverlangen sogar folgenlos ignorieren.25) Nicht erfasst von Absatz 1 Nr. 3 sind Auskünfte gegenüber anderen Beteiligten; so genügen weder das Unterlassen der Erfüllung sozialrechtlicher Mitteilungspflichten noch der Auskunftserteilung an Gläubiger den Voraussetzungen einer Obliegenheitsverletzung.26)
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Eine Obliegenheitsverletzung im dargestellten Sinne kann jedoch im Ausnahmefall geheilt werden, wenn der Schuldner die gebotene Anzeige nachholt und den fehlenden Betrag einzahlt, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt worden ist.27)
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V. Verbot von Sondervorteilen (Abs. 1 Nr. 4) Absatz 1 Nr. 4 enthält im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung das Gebot, nur an den Treuhänder zu leisten, und das Verbot, einzelnen Gläubigern einen Sondervorteil zu verschaffen. Es geht allein um Leistungen auf Insolvenzforderungen; der Schuldner kann sanktionslos neue Gläubiger aus seinem freien Vermögen befriedigen. Aber auch aus dem freien Vermögen erbrachte Leistungen an Insolvenzgläubiger auf Insolvenzforderungen sollten bei der Zugrundelegung des gleichen Begriffsverständnisses wie in § 294 Abs. 2 (§ 294 Rz. 3 f) nicht als Sondervorteil gelten und somit nicht gegen Absatz 1 Nr. 4 verstoßen.28) Ebenfalls soll kein Verstoß vorliegen, wenn der Schuldner zwar pfändbare Einkommensbestandteile vereinbarungswidrig nicht an den Treuhänder abführt, dieser seinerseits aber entgegen des gesetzlichen Leitbilds die Abtretung gegenüber dem Arbeitgeber des Schuldners nicht offengelegt hat.29)
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Die Restschuldbefreiung soll wegen Gewährung von Sondervorteilen nach Absatz 1 Nr. 4 zu versagen sein, wenn der Schuldner ohne Wissen des Treuhänders pfändbares Einkommen an die Staatsanwaltschaft zur Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gezahlt hat.30)
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_____________ 23) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 25; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 59. 24) BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 249/08, NZI 2010, 26 ff = WM 2009, 2324 ff. 25) BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – IX ZB 165/11, ZVI 2013, 286 ff. 26) AG Leipzig, Beschl. v. 12.10.2004 – 94 IN 1357/01, ZVI 2004, 758. 27) BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – IX ZB 99/09, ZVI 2011, 190 f = WM 2011, 416; BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZB 183/07, ZVI 2009, 41 = NZI 2008, 623; BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 9/09, juris; BGH, Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZB 211/09, ZVI 2010, 317 ff = NZI 2010, 350. 28) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 66; a. A. offenbar Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 24, der aber jedenfalls i. E. auch keine Versagung sieht. 29) LG Duisburg, Beschl. v. 19.12.2012 – 7 T 175/12, VuR 2013, 308 ff; AG Göttingen, Beschl. v. 2.6.2012 – 74 IK 285/06, ZInsO 2009, 1606. 30) AG Mannheim, Beschl. v. 27.7.2005 – IN 113/02, ZVI 2005, 383, 384.
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§ 295
Obliegenheiten des Schuldners
VI. Zahlungspflicht bei selbständiger Tätigkeit (Abs. 2) 15
Ist der Schuldner selbständig tätig, geht seine Abtretungserklärung ins Leere (§ 287 Rz. 24); hierfür schafft Absatz 2 einen Ausgleich und verpflichtet den Schuldner i. R. einer Obliegenheit, Zahlungen zur Befriedigung der Gläubiger an den Treuhänder zu leisten. Dabei werden diese unabhängig vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg31) des Schuldners bemessen; sie sind in der Höhe zu leisten, wie sie den Gläubigern im Falle einer angemessenen abhängigen Tätigkeit zugeflossen wären.32) Die Angemessenheit bestimmt sich nach den gleichen Kriterien wie in Absatz 1; hier wie dort müsste dem Schuldner diese Tätigkeit auch möglich sein,33) woran es bei konkret schlechter Arbeitsmarktlage fehlen kann.34)
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Gleiches gilt im Falle einer nur teilweisen selbständigen Erwerbstätigkeit, die neben einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird. Hier muss der Schuldner grundsätzlich die dem Treuhänder aufgrund der Abtretung zufließenden Einkünfte um den Betrag aufstocken, der den Gläubigern zugeflossen wäre, wenn er anstelle der selbständigen Tätigkeit auch insoweit abhängig beschäftigt gewesen wäre.35)
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Erwirtschaftet der Schuldner i. R. seiner (zusätzlichen oder alleinigen) selbständigen Tätigkeit höhere Beträge, als sie sich aus der dargestellten fiktiven Berechnung ergeben, ergibt sich daraus allein keine weitergehende Herausgabepflicht.36)
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Gelingt es dem Schuldner hingegen nicht, die nach der Fiktion geschuldeten Beträge zu erwirtschaften, kann dies zur Versagung der Restschuldbefreiung führen, wenn ihn zugleich ein Verschulden trifft. Erkennt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase, dass er mit der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht genug erwirtschaftet, um seine Gläubiger so zu stellen, als übe er eine entsprechende – und ihm grundsätzlich mögliche37) – abhängige Tätigkeit aus, braucht er zwar seine selbständige Tätigkeit nicht sofort aufzugeben. Er muss sich dann aber – ebenso wie ein beschäftigungsloser Schuldner – gemäß Absatz 1 Nr. 1 nachweisbar um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften.38) _____________ 31) BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZVI 2006, 257, 258 = NZI 2006, 413; BGH, Beschl. v. 19.5.2011– IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff m. w. N. = NZI 2011, 596; WimmerAhrens, FK-InsO, § 295 Rz. 78. 32) Hier mögen etwa auch allgemein geltende Tarifordnungen wie BAT oder TV-L eine verlässliche Grundlage bieten, so AG Göttingen, Beschl. v. 2.3.2009 – 74 IN 137/02, ZVI 2009, 428 = NZI 2009, 334; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 133/07, NZI 2009, 482 f = ZVI 2009, 388. 33) BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZVI 2006, 257, 258 = NZI 2006, 413; BGH, Beschl. v. 19.5.2011– IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff m. w. N = NZI 2011, 596. 34) Vgl. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZVI 2006, 257, 258 = NZI 2006, 413; BGH, Beschl. v. 19.5.2011- IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff m. w. N = NZI 2011, 596. 35) BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZVI 2006, 257, 258 = NZI 2006, 413; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 10. 36) Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 13; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 78. 37) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff = NZI 2011, 596; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 133/07, NZI 2009, 482 f = ZVI 2009, 388. 38) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305 ff = NZI 2011, 596; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 133/07, NZI 2009, 482 f = ZVI 2009, 388; AG Neu-Ulm, Beschl. v. 19.2.2002 – IK 317/03, ZVI 2004, 131, 132; AG München, Beschl. v. 5.4.2005 – 1502 IK 58/01, ZVI 2005, 384, 385; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 13.
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§ 296
Verstoß gegen Obliegenheiten
Welche Zahlungen i. R. des Absatzes 2 „geschuldet“, also konkret zu leisten sind, ist gerichtlich erst im Versagungsverfahren zu klären.39) Dem insoweit bestehenden Risiko des selbständig tätigen Schuldners sollte dieser mit frühzeitigen Vereinbarungen mit den Gläubigern, ggf. auch mit dem Treuhänder, zu begegnen versuchen; zahlt er aufgrund solch einer Vereinbarung objektiv zu wenig, wird ihm jedenfalls kein für die Versagung notwendiger Verschuldensvorwurf gemacht werden können.40) Er kann sich aber grundsätzlich nicht damit entlasten, weder Treuhänder noch Insolvenzgericht hätten ihn auf die Pflicht zur Abführung höherer Beträge hingewiesen.41) Weil der selbstständig tätige Schuldner die Gläubiger gemäß Absatz 2 gerade so stellen soll, als wenn er ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausübte, sind von ihm grundsätzlich auch laufende Zahlungen, im Regelfall zumindest eine jährliche Zahlung zu verlangen.42) Der in der Vorauflage auch hier noch vertretenen Meinung, es könne auch ausreichen, dass der Schuldner den gesamten von ihm nach Absatz 2 „erwarteten“ Betrag in einer Einmalzahlung zum Ende der „Wohlverhaltensperiode“ leistet43) hat der Bundesgerichtshof eine (überzeugende) Absage erteilt.44) _____________ 39) BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – IX ZB 98/11, ZVI 2013, 162 ff; AG München, Beschl. v. 5.4.2005 – 1502 IK 58/01, ZVI 2005, 384, 385; in die Richtung auch BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 119/12, ZVI 2014, 68 = ZInsO 2014, 47 f, der regelmäßig erst am Ende der Treuhandphase die sichere Feststellung eines Verstoßes ermöglicht sieht; UhlenbruckVallender, InsO, § 295 Rz. 70; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 17a; a. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 82, der hier die Möglichkeit einer Zwischenfeststellungsklage nach § 4 InsO i. V. m. § 256 Abs. 2 ZPO sieht. 40) Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 40/10, ZVI 2011, 344 f = NZI 2011, 451, für den Fall, dass der Schuldner die vom Treuhänder fehlerhaft zu gering berechneten Beträge abführt. 41) BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – IX ZB 98/11, ZVI 2013, 162 ff. 42) BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZVI 2012, 386 ff. 43) Vgl. etwa AG Göttingen, Beschl. v. 2.3.2009 – 74 IN 137/02, ZVI 2009, 428 = NZI 2009, 334; AG Mannheim, Beschl. v. 26.5.2008 – IN 291/01, juris; Ehricke in: MünchKommInsO, § 295 Rz. 108; skeptisch Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 79 m. w. N. 44) BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZVI 2012, 386 ff.
§ 296 Verstoß gegen Obliegenheiten (1) 1Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. 2Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. 3Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.*) (2) 1Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. 2Der Schuldner hat über die Erfüllung Kexel
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§ 296
Verstoß gegen Obliegenheiten
Welche Zahlungen i. R. des Absatzes 2 „geschuldet“, also konkret zu leisten sind, ist gerichtlich erst im Versagungsverfahren zu klären.39) Dem insoweit bestehenden Risiko des selbständig tätigen Schuldners sollte dieser mit frühzeitigen Vereinbarungen mit den Gläubigern, ggf. auch mit dem Treuhänder, zu begegnen versuchen; zahlt er aufgrund solch einer Vereinbarung objektiv zu wenig, wird ihm jedenfalls kein für die Versagung notwendiger Verschuldensvorwurf gemacht werden können.40) Er kann sich aber grundsätzlich nicht damit entlasten, weder Treuhänder noch Insolvenzgericht hätten ihn auf die Pflicht zur Abführung höherer Beträge hingewiesen.41) Weil der selbstständig tätige Schuldner die Gläubiger gemäß Absatz 2 gerade so stellen soll, als wenn er ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausübte, sind von ihm grundsätzlich auch laufende Zahlungen, im Regelfall zumindest eine jährliche Zahlung zu verlangen.42) Der in der Vorauflage auch hier noch vertretenen Meinung, es könne auch ausreichen, dass der Schuldner den gesamten von ihm nach Absatz 2 „erwarteten“ Betrag in einer Einmalzahlung zum Ende der „Wohlverhaltensperiode“ leistet43) hat der Bundesgerichtshof eine (überzeugende) Absage erteilt.44) _____________ 39) BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – IX ZB 98/11, ZVI 2013, 162 ff; AG München, Beschl. v. 5.4.2005 – 1502 IK 58/01, ZVI 2005, 384, 385; in die Richtung auch BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 119/12, ZVI 2014, 68 = ZInsO 2014, 47 f, der regelmäßig erst am Ende der Treuhandphase die sichere Feststellung eines Verstoßes ermöglicht sieht; UhlenbruckVallender, InsO, § 295 Rz. 70; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 295 Rz. 17a; a. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 82, der hier die Möglichkeit einer Zwischenfeststellungsklage nach § 4 InsO i. V. m. § 256 Abs. 2 ZPO sieht. 40) Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 40/10, ZVI 2011, 344 f = NZI 2011, 451, für den Fall, dass der Schuldner die vom Treuhänder fehlerhaft zu gering berechneten Beträge abführt. 41) BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – IX ZB 98/11, ZVI 2013, 162 ff. 42) BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZVI 2012, 386 ff. 43) Vgl. etwa AG Göttingen, Beschl. v. 2.3.2009 – 74 IN 137/02, ZVI 2009, 428 = NZI 2009, 334; AG Mannheim, Beschl. v. 26.5.2008 – IN 291/01, juris; Ehricke in: MünchKommInsO, § 295 Rz. 108; skeptisch Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 79 m. w. N. 44) BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZVI 2012, 386 ff.
§ 296 Verstoß gegen Obliegenheiten (1) 1Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. 2Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. 3Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.*) (2) 1Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. 2Der Schuldner hat über die Erfüllung Kexel
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Verstoß gegen Obliegenheiten
seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt zu versichern. 3Gibt er die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ab oder erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, so ist die Restschuldbefreiung zu versagen. (3) 1Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. 2Die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen.
)
Absatz 1 Satz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1 Satz 1: „(1) 1Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. …“ Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Voraussetzungen der Versagung der Restschuldbefreiung ..................... 2 1. Materielle Voraussetzungen ................. 2 2. Formelle Voraussetzungen ................... 5 III. Verfahren und Entscheidung ............. 9 1. Zuständigkeit ......................................... 9
I. 1
2. 3.
Anhörung, Amtsermittlung ............... 10 Verfahrensobliegenheiten des Schuldners ............................................ 11 4. Entscheidung ....................................... 13 IV. Rechtsmittel ....................................... 15 V. Kosten .................................................. 16
Normzweck
Die Vorschrift knüpft an § 295 an und bestimmt, dass die Verletzung der Obliegenheiten durch den Schuldner als Konsequenz die Versagung der Restschuldbefreiung mit sich bringen kann. In Absatz 1 werden sowohl formelle als auch materielle Voraussetzungen der Versagung geregelt. In Absatz 2 werden neben Verfahrensregeln noch zusätzliche, verfahrensspezifische Obliegenheiten normiert, deren Verletzung obligatorisch zur Versagung führt. Absatz 3 trifft die in Ansehung des § 6 notwendige ausdrückliche Bestimmung zur Anfechtbarkeit einer entsprechenden Entscheidung des Gerichts. II. Voraussetzungen der Versagung der Restschuldbefreiung 1.
2
Materielle Voraussetzungen
Der Schuldner muss zunächst eine der in § 295 normierten Obliegenheiten verletzt haben, und zwar gemäß Absatz 1 in dem Zeitraum von der Beendigung (also Aufhebung oder Einstellung gemäß § 211) des Insolvenzverfahrens an bis zum Ende der Abtretungsfrist. Die Rechtslage hat sich insofern durch die Neufassung des Absatzes 1 nicht geändert; trotz des noch in der alten, vor dem 1.7.2014 geltenden Fassung enthaltenen Wortlauts „während der Laufzeit der Abtretungserklärung“ – die ja gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt – treffen den Schuldner die Obliegenheiten des § 295 auch 1408
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in den bis zu diesem Datum beantragten Verfahren erst ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens (und der in den „Altverfahren“ noch vorgesehenen Ankündigung der Restschuldbefreiung).1) Diese Verletzung muss kausal2) zu einer Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger geführt haben. Ob dieser Zusammenhang vorliegt, kann nur durch einen wirtschaftlichen Vergleich der – hypothetischen – Gläubigersituation nach mit Obliegenheitsverletzung durchgeführtem Restschuldbefreiungsverfahren mit der im Falle eines ordnungsgemäß durchgeführten Verfahrens ermittelt werden;3) nicht zum Vergleich herangezogen werden darf die Situation, wie sie sich nach einer Versagung der Rechtschuldbefreiung – mit unbeschränkter Vermögenshaftung des Schuldners – darstellen würde.4) Dazu muss also i. R. einer Vergleichsrechnung die Vermögensdifferenz zwischen der Tilgung der Verbindlichkeiten mit und ohne Obliegenheitsverletzung ermittelt werden. Nach Abzug aller vorrangig zu befriedigenden Verbindlichkeiten muss eine pfändbare Summe verbleiben und dieser an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Betrag durch die Obliegenheitsverletzung verkürzt worden sein.5) Eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen ist nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass aufgrund einer Obliegenheitsverletzung nicht zur Masse gelangte Vermögenswerte bzw. Bezüge zunächst auf offene Verfahrenskosten angerechnet werden müssten.6) Auch wenn es sich – wie der Vergleich zu der Formulierung in § 303 Abs. 1 zeigt – nicht um eine erhebliche Beeinträchtigung handeln muss, so muss doch die Schlechterstellung der Insolvenzgläubiger konkret messbar sein; eine bloße Gefährdung der Befriedigungsaussichten reicht nicht aus.7) Darüber hinaus dürften aber selbst konkret messbare Beeinträchtigungen nicht zu einer Versagung führen, wenn sie bei der Gesamtbetrachtung ganz unwesentlich erscheinen.8) _____________ 1)
2)
3) 4) 5) 6)
7)
8)
So BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 ff = ZVI 2010, 425 ff; BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZB 249/07, ZVI 2009, 170 f = NZI 2009, 191; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZR 133/06, FamRZ 2007, 557; zuvor BGH, Beschl. v. 29.6.2004 – IX ZB 90/03, ZVI 2004, 419, 420 = NZI 2004, 635; LG Göttingen, Beschl. v. 24.8.2004 – 10 T 94/04, ZVI 2005, 48 = NZI 2004, 678; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 295 Rz. 12; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 287 Rz. 45; Landfermann in: HK-InsO, § 295 Rz. 3 f. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZVI 2006, 257, 258 = NZI 2006, 413; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 91/06, VuR 2008, 434; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 296 Rz. 5. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 296 Rz. 5; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 14. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 14. BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 148/09, ZVI 2010, 482 f = NZI 2010, 911; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101. BGH, Beschl. v. 14.4.2011 – IX ZA 51/10, ZVI 2011, 343 = NZI 2011, 639; BGH, Beschl. v. 21.6.2012 – IX ZB 265/11, ZVI 2013, 78 f; LG Göttingen, Beschl. v. 11.8.2008 – 10 T 80/08, NZI 2008, 625 f. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZVI 2006, 257, 258 = NZI 2006, 413; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 91/06, VuR 2008, 434; BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 148/09, ZVI 2010, 482 f = NZI 2010, 911; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101; zuvor schon AG Regensburg, Beschl. v. 20.4.2004 – 2 IN 217/02, ZVI 2004, 499, 500 f; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 296 Rz. 14. Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 188, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 558; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 18.
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Ist danach eine relevante Verletzung zu bejahen, führt diese dennoch nicht zu einer Versagung, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. Insoweit bürdet Absatz 1 jedoch dem Schuldner die Beweislast auf; bleibt die Frage des Verschuldens offen, geht dies zu seinen Lasten.9) Einfaches Verschulden, einfache Fahrlässigkeit reicht bereits; die in der Literatur streitige Frage, ob der Verschuldensmaßstab dem § 276 BGB i. S. einer Vorwerfbarkeit zu entnehmen ist10) oder ob es sich um ein an den Maßstab des § 254 Abs. 1 BGB angelehntes „Verschulden gegen sich selbst“11) handelt, wird so kaum praktische Bedeutung erlangen.
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Das Gericht sollte sich der Schwierigkeiten, die die angeordnete Beweislastumkehr für den Schuldner mit sich bringen kann, bewusst sein. Übergroße Härten können schon vermieden werden, stellt man an den Entlastungsbeweis wie in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB „keine allzu hohen Anforderungen“;12) im Übrigen verbleibt die Möglichkeit, i. R. des auch im Schuldbefreiungsverfahren fortgeltenden Amtsermittlungsgrundsatzes13) solchen Härten entgegenzuwirken.14) 2.
Formelle Voraussetzungen
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Den erheblichen Anforderungen, die § 295 und § 296 Abs. 1 an das Verhalten des Schuldners stellen, stehen ebenfalls nicht unerhebliche formelle Hürden auf Seiten der Insolvenzgläubiger gegenüber. So kann die Verletzung von Obliegenheiten des Schuldners nur auf Antrag zu einer Versagung führen.15) Der Antrag kann nur von einem bereits am Insolvenzverfahren teilnehmenden Insolvenzgläubiger gestellt werden; anderen Gläubigern ist es verwehrt, Verfahrensrechte in der Wohlverhaltensphase wahrzunehmen.16)
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Der – den Anforderungen an bestimmende Schriftsätze entsprechende17) – Antrag ist ferner gemäß Absatz 1 Satz 2 binnen einer Frist von einem Jahr nach dem Zeitpunkt einzulegen, in dem dem antragstellenden Gläubiger die Obliegenheitsverletzung bekannt geworden ist. Dabei ist auf die positive Kenntnis von den zugrunde liegenden Tatsachen abzustellen; eine zutreffende rechtliche Bewertung ist nicht erforderlich, um die Frist in Gang zu setzen.18) Es erfolgt keine kollektive Wissens_____________ 9) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 193, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 557. 10) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 296 Rz. 4; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 296 Rz. 25. 11) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 296 Rz. 16; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 10 m. w. N. 12) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 11 m. w. N. 13) Dazu Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 33 m. w. N. 14) Landfermann in: HK-InsO, § 296 Rz. 4. 15) Keinesfalls von Amts wegen, vgl. nur zuletzt BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 215/11, ZInsO 2012, 1580 f m. w. N. 16) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322 = NZI 2005, 399; BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 16/08, ZVI 2009, 389 = ZInsO 2009, 52; unzutreffend a. A. für den Fall, dass der Schuldner den Gläubiger nicht im Vermögensverzeichnis angegeben habe: AG Leipzig, Beschl. v. 16.2.2007 – 92 IN 1879/01, ZVI 2007, 143 ff; AG Leipzig, Beschl. v. 16.2.2007 – 402 IK 2200/03, ZVI 2007, 138 ff. 17) AG Köln, Beschl. v. 21.8.2008 – 71 IK 135/07, NZI 2008, 627 f – fehlende Unterschrift. 18) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 26.
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zurechnung innerhalb des Gläubigerkreises dergestalt, dass die Kenntniserlangung nur irgendeines Gläubigers entscheidend ist;19) allein die Kenntnis des Antragstellers ist maßgeblich. Selbstverständlich aber erfolgt die Zurechnung der Kenntnis eines Wissensvertreters,20) was häufig in größeren Organisationen, etwa Banken oder Versicherungen, der Fall sein dürfte.21) Im Falle des § 295 Abs. 2 beginnt die Jahresfrist grundsätzlich erst mit Abschluss der Treuhandperiode zu laufen, auch weil erst dann sicher festgestellt werden kann, ob ein Obliegenheitsverstoß vorliegt.22) Schließlich muss der Gläubiger mit seinem Antrag gemäß Absatz 1 Satz 3 sämtliche zuvor genannten Voraussetzungen glaubhaft machen23) (zum Begriff vgl. § 290 Rz. 25). Im Einzelnen sind dies die Obliegenheitsverletzung, die daraus folgende Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung und die Einhaltung der Jahresfrist. Das Verschulden des Schuldners muss im Hinblick auf die ausdrückliche andere Beweislastverteilung hingegen nicht glaubhaft gemacht werden,24) häufig wird das Vorliegen des objektiven Tatbestandes einer Obliegenheitsverletzung ohnehin ein solches indizieren.
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Wird der Antrag ohne hinreichende Glaubhaftmachung oder erst nach Ablauf der Jahresfrist gestellt, ist er bereits unzulässig, und das Gericht tritt nicht mehr in das Prüfungsverfahren ein.
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III. Verfahren und Entscheidung 1.
Zuständigkeit
Zuständig für das Verfahren ist das Insolvenzgericht, die Entscheidung über den Versagungsantrag ist dem Richter zugewiesen (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG). 2.
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Anhörung, Amtsermittlung
Für das Verfahren nach zulässigem Antrag25) gilt Absatz 2, wonach das Gericht zwingend die Beteiligten – Treuhänder, Gläubiger, Schuldner – zu hören hat. Die Anhörung kann mündlich wie schriftlich erfolgen; häufig wird sich die Durchfüh_____________ 19) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 296 Rz. 2a; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 28. 20) Definition: „jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie ggfs. weiterzuleiten“, Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 27. 21) Vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138 ff = ZVI 206, 111, dazu EWiR 2006, 213 (Flitsch/Schellenberger). 22) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 119/12, ZVI 2014, 68 = ZInsO 2014, 47 f. 23) BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZVI 2006, 257, 258 = NZI 2006, 413; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 91/06, VuR 2008, 434; BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 148/09, ZVI 2010, 482 f = NZI 2010, 911; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101. 24) BGH, Beschl. v. 24.9.2009 – IX ZB 288/08, ZVI 2009, 509 f = WM 2009, 2180; AG Duisburg, Beschl. v. 29.1.2002 – 62 IN 53/00, ZVI 2002, 163, 164 = NZI 2002, 328; AG Göttingen, Beschl. v. 9.3.2009 – 74 IK 222/03, ZVI 2009, 264 = NZI 2009, 397; Landfermann in: HK-InsO, § 296 Rz. 7; a. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 32. 25) Und erst dann, vgl. nur zuletzt BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 215/11, ZInsO 2012, 1580 f.
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rung eines Anhörungstermins empfehlen, in dem das Gericht auch durch unmittelbare Ausübung seines Hinweis- und Fragerechts am zügigsten eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts erreichen kann.26) In diesem Verfahrensstadium besteht auch wieder die uneingeschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts.27) Sie hat sich jedoch auf den glaubhaft gemachten Versagungsgrund zu beschränken und darf nicht von Amts wegen auf andere Versagungstatbestände ausgeweitet werden.28) Vgl. auch dazu § 290 Rz. 25 ff; die dortigen Ausführungen gelten entsprechend. 3.
Verfahrensobliegenheiten des Schuldners
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Zur Erleichterung der Sachaufklärung ordnet Absatz 2 Satz 2 eine umfassende Auskunftspflicht des Schuldners an und bestimmt sogar dessen Verpflichtung, auf Antrag eines Gläubigers die erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern. Auskunft hat der Schuldner aber lediglich über die Erfüllung seiner Obliegenheiten zu erteilen; gehen die Fragen des Gerichts über den sich aus §§ 295, 296 Abs. 2 ergebenden Rahmen hinaus, stellt die Nichtbeantwortung der Fragen keine Verletzung der Verfahrensobliegenheiten dar.29) Um die Durchführung eines Anhörungstermins zu sichern, wird dem Schuldner insofern auch eine Erscheinenspflicht auferlegt.
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Kommt der Schuldner diesen Pflichten – innerhalb ordnungsgemäß gesetzter Fristen bzw. auf eine ordnungsgemäße Ladung – nicht nach und kann er dies nicht hinreichend entschuldigen, so hat das Gericht die Restschuldbefreiung von Amts wegen zu versagen (Abs. 2 Satz 3). Auf eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger kommt es hier – anders als bei Absatz 1 – nicht an.30) Auch soll die Zulässigkeit des Gläubigerantrages keine für eine diesbezügliche Versagung notwendige Voraussetzung sein; es reicht die bloße Statthaftigkeit eines aber auch vorliegenden Antrages.31) Eine Nachholung der Mitwirkung, etwa im Beschwerdeverfahren, kommt nicht in Betracht.32) Wegen dieser zwingenden, harten Rechtsfolge ist der Schuldner vom Gericht auch unmissverständlich auf diese aufmerksam zu machen, wenn er zur Mitwirkung aufgefordert wird.33) Eine allzu _____________ 26) So auch Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 40. 27) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 541 = ZInsO 2003, 941; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 91/06, VuR 2008, 434, Wimmer-Ahrens, FK- InsO, § 296 Rz. 33; Landfermann in: HK-InsO, § 296 Rz. 8. 28) BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – IX ZB 88/06, NZI 2007, 297 = WM 2007, 661; BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 187/03, ZVI 2007, 574 f = NZI 2008, 48; zuvor schon – zu § 290 – BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 541 = ZInsO 2003, 941; Landfermann in: HK-InsO, § 296 Rz. 8; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 296 Rz. 4; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 296 Rz. 48; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 21; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 296 Rz. 7. 29) BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – IX ZB 165/11, ZVI 2013, 286 ff. 30) BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZB 169/08, ZInsO 2009, 2162. 31) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 274/10, ZVI 2011, 389 ff = NZI 2011, 640; weitergehend – jeweils gar keinen Antrag voraussetzend – AG Mannheim, Beschl. v. 29.4.2010 – IK 323/04, ZVI 2010, 320 = NZI 2010, 490; AG Hamburg, 19.2.2010 – 67g IN 127/06, ZVI 2010, 242 = NZI 2010, 446. 32) BGH, Beschl. v. 14.5.2009 – IX ZB 116/08, NZI 2009, 481 f = ZVI 2009, 386. 33) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 67/09, ZInsO 2010, 391 f – „in der Regel“; BGH, Beschl. v. 14.5.2009 – IX ZB 116/08, NZI 2009, 481 f = ZVI 2009, 386, der dies aber bei „Selbstverständlichkeiten“ für verzichtbar hält.
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§ 296
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formale Betrachtungsweise ist bei der Entscheidung nach Satz 3 aber auch zu vermeiden.34) Zweifeln an dem Vorliegen der schuldhaften Obliegenheitsverletzung muss das Gericht von Amts wegen nachgehen;35) Unklarheiten darüber, ob den Schuldner bei der Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten ein Verschulden trifft, gehen – anders als nach Absatz 1 – nicht zulasten des Schuldners.36) 4.
Entscheidung
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Der unzulässige Versagungsantrag wird verworfen. Ist das Gericht nach einem zulässigen Antrag vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 überzeugt, so wird in dem Beschluss die Versagung der Restschuldbefreiung ausgesprochen; Gleiches gilt, wenn der Schuldner die Verfahrensobliegenheiten nach Absatz 2 Satz 2 verletzt. Verbleiben Zweifel, obwohl die nach § 5 Abs. 1 gebotenen Maßnahmen ausgeschöpft sind, ist der Versagungsantrag unter Berücksichtigung der den Gläubiger treffenden Feststellungslast als unbegründet zurückzuweisen.37)
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Die Entscheidung ist im Hinblick auf die durch Absatz 3 eröffnete sofortige Beschwerde den unterliegenden Parteien förmlich zuzustellen. Wird die Restschuldbefreiung versagt, so ordnet Absatz 3 Satz 2 die öffentliche Bekanntmachung an.
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IV. Rechtsmittel Absatz 3 Satz 1 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der – für die Beteiligten regelmäßig bedeutsamen – Entscheidung über den Versagungsantrag i. S. des § 6. Für den Fall der Zurückweisung oder Verwerfung steht (nur) dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu, für den Fall der Versagung dem Schuldner. Im Falle des Absatz 1 wird dem antragstellenden Gläubiger als (insoweit alleinigem) Herren des Verfahrens das Recht einzuräumen sein, den Versagungsantrag auch noch bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurücknehmen,38) sodass dieser analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos wird.
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V. Kosten Für den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 werden Gerichtskosten nach Nr. 2350 GKG-KV pauschal erhoben. Kostenschuldner ist nach § 23 Abs. 2 GKG der antragstellende Gläubiger; ob durch diese nicht allzu hohe Kostenhürde (ab dem 1.7.2014: 35 €) tatsächlich gewährleistet werden kann, „dass _____________ 34) Vgl. etwa AG Duisburg, Beschl. v. 18.8.2011 – 62 IK 235/04, ZVI 2011, 430 f = NZI 2011, 816, das zutr. eine Auskunft an den Treuhänder statt an das Gericht für ausreichend erachtet, wenn der Zweck der Auskunftsanforderung dadurch ebenso gut erfüllt wird. 35) BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 156/04, NZI 2007, 534 f. 36) BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 156/04, NZI 2007, 534 f; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 296 Rz. 41 f. 37) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538, 540 = ZInsO 2003, 941, 943; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 33. 38) So zu § 290: LG Dresden, Beschl. v. 22.1.2007 – 5 T 32/07, ZInsO 2007, 557 f; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 290 Rz. 5; zu § 298: LG Krefeld, Beschl. v. 15.12.2007 – 6 T 253/07, ZVI 2008, 86 = NZI 2008, 447; zu § 296 unklar: Stephan in: MünchKommInsO, § 290 Rz. 6 – „bis zu dem Beschluss“.
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§ 297
Insolvenzstraftaten
der Gläubiger nur in aussichtsreichen Fällen den Antrag stellt“,39) erscheint fraglich. Ggf. sind Kosten der Veröffentlichung gemäß Absatz 3 Satz 2 nach Nr. 9004 GKGKV zu ersetzen. 17
Für das Versagungsverfahren erhält der Rechtsanwalt die Hälfte einer vollen Gebühr (Nr. 3321 RVG-VV). Der Gegenstandswert der Gebühr ist gemäß § 28 Abs. 3, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen aufgrund des wirtschaftlichen Interesses zu bestimmen. Liegen keine besonderen Umstände vor, sollte mangels greifbarer Schätzungsgrundlagen für die Werthaltigkeit der Forderung(en) auf den „Regelstreitwert“ zurückgegriffen und der Gegenstandswert mit 4 000 € bemessen werden.40)
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Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über den Versagungsantrag entsteht im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung eine Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2361 GKG-KV, 60 €; im Verfahren über eine ggf. zugelassene Rechtsbeschwerde eine solche nach Nr. 2364 GKG-KV, 120 €. Für den Anwalt entsteht für das Beschwerdeverfahren erneut eine halbe Gebühr (Nr. 3500 und 3513 RVG-VV). _____________ 39) So Begr. RegE EGInsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 72 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 839. 40) OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZVI 2002, 36, 37; LG Bochum, Beschl. v. 11.3.2004 – 10 T 39/03, n. v.; a. A. – hälftiger Forderungswert – noch LG Bochum, Beschl. v. 4.5.2001 – 7a T 98/01, ZInsO 2001, 564, 566; LG Göttingen, Beschl. v. 21.1.2005 – 10 T 14/05, ZInsO 2005, 154, 155 = NZI 2005, 346.
§ 297 Insolvenzstraftaten (1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfristwegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wird. ) (2) § 296 Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 3 gilt entsprechend.
)
Absatz 1 neugefasst durch Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1: „(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlußtermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder während der Laufzeit der Abtretungserklärung wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig verurteilt wird.“ Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Voraussetzungen der Versagung nach Abs. 1 ............................................ 2
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III. Verfahren, Beschwerdemöglichkeit ........................................... 4 IV. Rechtsmittel und Kosten .................... 7
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§ 297
Insolvenzstraftaten
der Gläubiger nur in aussichtsreichen Fällen den Antrag stellt“,39) erscheint fraglich. Ggf. sind Kosten der Veröffentlichung gemäß Absatz 3 Satz 2 nach Nr. 9004 GKGKV zu ersetzen. 17
Für das Versagungsverfahren erhält der Rechtsanwalt die Hälfte einer vollen Gebühr (Nr. 3321 RVG-VV). Der Gegenstandswert der Gebühr ist gemäß § 28 Abs. 3, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen aufgrund des wirtschaftlichen Interesses zu bestimmen. Liegen keine besonderen Umstände vor, sollte mangels greifbarer Schätzungsgrundlagen für die Werthaltigkeit der Forderung(en) auf den „Regelstreitwert“ zurückgegriffen und der Gegenstandswert mit 4 000 € bemessen werden.40)
18
Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über den Versagungsantrag entsteht im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung eine Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2361 GKG-KV, 60 €; im Verfahren über eine ggf. zugelassene Rechtsbeschwerde eine solche nach Nr. 2364 GKG-KV, 120 €. Für den Anwalt entsteht für das Beschwerdeverfahren erneut eine halbe Gebühr (Nr. 3500 und 3513 RVG-VV). _____________ 39) So Begr. RegE EGInsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 72 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 839. 40) OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZVI 2002, 36, 37; LG Bochum, Beschl. v. 11.3.2004 – 10 T 39/03, n. v.; a. A. – hälftiger Forderungswert – noch LG Bochum, Beschl. v. 4.5.2001 – 7a T 98/01, ZInsO 2001, 564, 566; LG Göttingen, Beschl. v. 21.1.2005 – 10 T 14/05, ZInsO 2005, 154, 155 = NZI 2005, 346.
§ 297 Insolvenzstraftaten (1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfristwegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wird. ) (2) § 296 Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 3 gilt entsprechend.
)
Absatz 1 neugefasst durch Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1: „(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlußtermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder während der Laufzeit der Abtretungserklärung wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig verurteilt wird.“ Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Voraussetzungen der Versagung nach Abs. 1 ............................................ 2
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III. Verfahren, Beschwerdemöglichkeit ........................................... 4 IV. Rechtsmittel und Kosten .................... 7
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§ 297
Insolvenzstraftaten
I.
Normzweck
§ 297 ergänzt § 290 Abs. 1 Nr. 1, nach der die rechtskräftige Verurteilung des Schuldners wegen einer Insolvenzstraftat bis zum Schlusstermin zur Versagung der Rechtschuldbefreiung führt. Sie ermöglicht es den Insolvenzgläubigern, die Versagung auch wegen einer rechtskräftigen Verurteilung zu einem späteren Zeitpunkt zu erreichen. In Absatz 2 werden die Zulässigkeitsanforderungen an den Antrag des Gläubigers aus § 296 übertragen, ebenso wie die notwendige Beschwerdemöglichkeit.
1
II. Voraussetzungen der Versagung nach Abs. 1 Die Verurteilung des Schuldners wegen der Begehung einer Straftat nach den §§ 283 – 283c StGB muss nach dem Schlusstermin und vor dem Ende der Abtretungsfrist bzw. der Laufzeit der Abtretungserklärung ergehen – nach Sinn und Zweck der Regelung ist diese Voraussetzung aber auch als erfüllt anzusehen, wenn eine vor dem Schlusstermin erfolgte Verurteilung erst in dem genannten Zeitraum rechtskräftig wird. Verurteilungen, die erst nach dem Ende der Abtretungsfrist – bzw. in vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren noch gemäß des bis dahin geltenden Wortlauts: „der Laufzeit der Abtretungserklärung“ – rechtskräftig werden, können angesichts des in beiden Fällen eindeutigen Wortlauts nicht mehr berücksichtigt werden;1) eine Aussetzung eines im Hinblick darauf eingeleiteten Versagungsverfahrens über diesen Zeitpunkt hinaus ist aber auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht zu ziehen.2) In einschließlich ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren besteht insofern allerdings nun die Widerrufsmöglichkeit nach § 303 n. F. Soweit Absatz 1 noch ausdrücklich zwei Zeiträume benennt – zwischen Schlusstermin und Aufhebung oder Zeitraum zwischen der Beendigung des Verfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist bzw. nach alter Fassung „während der Laufzeit der Abtretungserklärung“ – führt dies nicht zu differenzierten Konsequenzen.
2
Im Übrigen gelten die gleichen Anforderungen wie zu § 290 Abs. 1 Nr. 1 – die Verurteilung wegen eines Versuchs der Begehung der benannten Straftatbestände reicht aus,3) ein Zusammenhang der begangenen Straftat mit dem aktuellen Insolvenzverfahren ist nicht notwendig.4) Dabei setzt eine Versagung nach § 297 ebenso wie § 290 Abs. 1 Nr. 1 in allen ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren voraus, dass diese rechtskräftige Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten erfolgt; nach Ansicht des Gesetzgebers vergleichsweise „unbedeutende“ Straftaten sollen damit die Restschuldbefreiung nicht mehr hindern können.5) Für alle vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren gilt diese Einschränkung noch nicht (zum Wortlaut des Absatzes 1 a. F. siehe oben).
3
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 94/12, ZVI 2013, 284 ff. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 297 Rz. 7; a. A. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 297 Rz. 5; Landfermann in: HK-InsO, § 297 Rz. 5. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 297 Rz. 8; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 290 Rz. 13. Zu § 290: BGH, Beschl. v. 18.12.2002 – IX ZB 121/02, ZVI 2003, 34, 35 = NZI 2003, 163, dazu EWiR 2003, 287 (Gundlach/Schirrmeister). Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 39, 43.
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§ 297a
Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe
III. Verfahren, Beschwerdemöglichkeit 4
Wie in § 296 muss ein Antrag eines Insolvenzgläubigers vorliegen; für diesen gelten die gleichen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie für einen Antrag nach § 296 Abs. 1, wie die Verweisung in Absatz 2 auf § 296 Abs. 1 Satz 2 und 3 bestimmt. Der Antrag muss also innerhalb eines Jahres gestellt werden, nachdem die Verurteilung dem Gläubiger bekannt geworden ist; diese Voraussetzung und die Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung nach dem Schlusstermin ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Nicht verwiesen wird auf § 296 Abs. 1 Satz 1, sodass eine Beeinträchtigung der Gläubiger nicht vonnöten ist.6)
5
Für das Verfahren gelten keine Besonderheiten; insbesondere erscheint, wie schon die fehlende Verweisung auf § 296 Abs. 2 zeigt, eine Anhörung im Falle des § 297 ebenso wenig erforderlich wie Auskünfte des Schuldners.7) Der Nachweis des Versagungsgrundes ergibt sich aus dem – in der Regel vom Gericht beigezogenen – Urteil, ohne dass hier Raum für Auslegungen oder Diskussionen bestehen dürfte.
6
Für das Verfahren im Übrigen und die – dem Richter vorbehaltene, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG – Entscheidung des Gerichts gilt dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 9 ff). Die Entscheidung ist auch hier öffentlich bekannt zu machen (Abs. 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 Satz 2). IV. Rechtsmittel und Kosten
7
Die Verweisung in Absatz 2 auf § 296 Abs. 3 ermöglicht dem antragstellenden Gläubiger ebenso wie dem Schuldner, die sofortige Beschwerde gegen sie beschwerende Entscheidungen einzulegen.
8
Für die Kosten gilt dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 16 ff). _____________ 6) 7)
Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 297 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 297 Rz. 2; Landfermann in: HK-InsO, § 297 Rz. 4; Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 188, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 560; a. A. – zumindest für eine schriftliche Anhörung des Schuldners – WimmerAhrens, FK-InsO, § 297 Rz. 11; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 297 Rz. 17.
§ 297a ) Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe (1) 1Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn sich nach dem Schlusstermin oder im Falle des § 211 nach der Einstellung herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Absatz 1 vorgelegen hat. 2Der Antrag kann nur binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Versagungsgrund dem Gläubiger bekannt geworden ist. 3Er ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 vorliegen und dass der Gläubiger bis zu dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt keine Kenntnis von ihnen hatte. (2) § 296 Absatz 3 gilt entsprechend.
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§ 297a
Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe
III. Verfahren, Beschwerdemöglichkeit 4
Wie in § 296 muss ein Antrag eines Insolvenzgläubigers vorliegen; für diesen gelten die gleichen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie für einen Antrag nach § 296 Abs. 1, wie die Verweisung in Absatz 2 auf § 296 Abs. 1 Satz 2 und 3 bestimmt. Der Antrag muss also innerhalb eines Jahres gestellt werden, nachdem die Verurteilung dem Gläubiger bekannt geworden ist; diese Voraussetzung und die Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung nach dem Schlusstermin ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Nicht verwiesen wird auf § 296 Abs. 1 Satz 1, sodass eine Beeinträchtigung der Gläubiger nicht vonnöten ist.6)
5
Für das Verfahren gelten keine Besonderheiten; insbesondere erscheint, wie schon die fehlende Verweisung auf § 296 Abs. 2 zeigt, eine Anhörung im Falle des § 297 ebenso wenig erforderlich wie Auskünfte des Schuldners.7) Der Nachweis des Versagungsgrundes ergibt sich aus dem – in der Regel vom Gericht beigezogenen – Urteil, ohne dass hier Raum für Auslegungen oder Diskussionen bestehen dürfte.
6
Für das Verfahren im Übrigen und die – dem Richter vorbehaltene, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG – Entscheidung des Gerichts gilt dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 9 ff). Die Entscheidung ist auch hier öffentlich bekannt zu machen (Abs. 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 Satz 2). IV. Rechtsmittel und Kosten
7
Die Verweisung in Absatz 2 auf § 296 Abs. 3 ermöglicht dem antragstellenden Gläubiger ebenso wie dem Schuldner, die sofortige Beschwerde gegen sie beschwerende Entscheidungen einzulegen.
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Für die Kosten gilt dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 16 ff). _____________ 6) 7)
Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 297 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 297 Rz. 2; Landfermann in: HK-InsO, § 297 Rz. 4; Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 188, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 560; a. A. – zumindest für eine schriftliche Anhörung des Schuldners – WimmerAhrens, FK-InsO, § 297 Rz. 11; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 297 Rz. 17.
§ 297a ) Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe (1) 1Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn sich nach dem Schlusstermin oder im Falle des § 211 nach der Einstellung herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Absatz 1 vorgelegen hat. 2Der Antrag kann nur binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Versagungsgrund dem Gläubiger bekannt geworden ist. 3Er ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 vorliegen und dass der Gläubiger bis zu dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt keine Kenntnis von ihnen hatte. (2) § 296 Absatz 3 gilt entsprechend.
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§ 297a
Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe
)
§ 297a eingefügt durch Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
I. II. 1. 2. III.
Normzweck ........................................... 1 Voraussetzungen der Versagung ........ 2 Materielle Voraussetzungen ................. 2 Formelle Voraussetzungen ................... 4 Verfahren .............................................. 8
I.
Normzweck
Übersicht 1. 2. 3. IV.
Zuständigkeit ......................................... 8 Anhörung ............................................... 9 Entscheidung ....................................... 10 Rechtsmittel und Kosten .................. 12
Die zum 1.7.2014 in Kraft getretene (und auch erst für alle ab einschließlich diesem Datum beantragten Insolvenzverfahren geltenden) Norm soll die Versagung der Restschuldbefreiung auch dann noch ermöglichen, wenn den Gläubigern Versagungsgründe des § 290 Absatz 1 erst nach dem Schlusstermin bekannt geworden sind. Damit wird eine als solche empfundene Gerechtigkeitslücke geschlossen, dass nämlich in diesen Fällen ein tatsächlich nicht „redlicher“ Schuldner dennoch mit der Restschuldbefreiung belohnt wird. Die Gläubigerposition wird gestärkt, womit die Akzeptanz des Restschuldbefreiungsverfahrens erhöht werden soll. Absatz 1 Satz 2 begrenzt die Überlegungsfrist des Gläubigers nach dem Bekanntwerden des Versagungsgrundes, Satz 3 normiert verfahrensrechtliche Voraussetzungen. Absatz 3 eröffnet schließlich mit der Verweisung auf § 296 Abs. 3 angesichts der Bedeutung der Versagungsentscheidung das notwendige Rechtsmittel und regelt deren öffentliche Bekanntmachung.
1
II. Voraussetzungen der Versagung 1.
Materielle Voraussetzungen
Nach Absatz 1 ist notwendige Voraussetzung der nachträglichen Versagung, dass der Tatbestand – mindestens – eines der Versagungsgründe des § 290 erfüllt ist. Auch für den Anwendungsbereich des § 297a gilt insofern, dass diese Gründe als abschließend zu betrachten sind; auch hier können nicht andere Umstände zur Begründung einer Versagung führen, selbst wenn sie im Einzelfall noch im gleichen oder gar höheren Maße den Schuldner als unredlich erscheinen lassen. Auf der anderen Seite reicht das tatbestandliche Vorliegen dann aber auch als Grund aus; § 297a fordert – anders als §§ 295, 296 – keine hinzukommende Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung. So führt also etwa die – entsprechend § 297a nachträglich entdeckte – Verheimlichung des Vermögens auf den entsprechenden Antrag hin zwingend zur Versagung, selbst wenn das nachträglich entdeckte Vermögen den Gläubigern i. R. der Nachtragsverteilung doch noch zugutekommt.1)
2
Weitere Voraussetzung der Versagung ist, dass sich das Vorliegen des betreffenden Versagungsgrundes nach dem Schlusstermin – oder im Falle des § 211 nach der Einstellung – herausstellt. Soweit diese Formulierung den Anschein erweckt, es ginge bei dem „Herausstellen“ um einen objektivierbaren Umstand, kommt es – im Gleichlauf zu § 303 Abs. 1, der das gleiche Wort benutzt – tatsächlich doch auf die
3
_____________ 1)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 44.
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§ 297a
Nachträglich bekannt gewordene Versagungsgründe
(subjektive) Kenntnis des antragstellenden Gläubigers an. Dies zeigen zum einen die Sätze 2 und 3 („dem Gläubiger bekannt geworden“ und „der Gläubiger … keine Kenntnis von ihnen hatte“) wie auch die Gesetzesbegründung, die ebenfalls ausschließlich auf das „Bekanntwerden“ bei den Gläubigern abstellt.2) Nachträglich stellt sich das Vorliegen eines Versagungsgrundes also heraus, wenn es dem antragstellenden Gläubiger erst nach dem Schlusstermin – oder im Falle des § 211 nach der Einstellung – bekannt wird. Dabei kann auch bei § 297a nur auf die positive Kenntnis von den zugrunde liegenden Tatsachen abzustellen sein; eine zutreffende rechtliche Bewertung ist nicht erforderlich. Auch hier erfolgt die Zurechnung der Kenntnis eines Wissensvertreters,3) was häufig in größeren Organisationen, etwa Banken oder Versicherungen, der Fall sein dürfte. 2.
Formelle Voraussetzungen
4
Die „nachträgliche“ Versagung ist nach Absatz 1 Satz 2 nur auf Antrag möglich. Dieser kann nur von einem bereits am Insolvenzverfahren teilnehmenden Insolvenzgläubiger gestellt werden; anderen Gläubigern ist es bereits verwehrt, Verfahrensrechte in der Wohlverhaltensphase wahrzunehmen,4) was für die Antragsbefugnis bezüglich der nachträglichen Versagung zwanglos ebenso gilt.
5
Der Antrag ist gemäß Absatz 2 Satz 2 binnen einer Frist von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt zu stellen, zu dem der Versagungsgrund dem antragstellenden Gläubiger bekannt geworden ist. Die in dieser Länge vom Gesetzgeber für ausreichend gehaltene „Überlegungsfrist“ berechnet sich nach § 4 InsO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 ff BGB. Eine Wiedereinsetzung bei Versäumung kommt auch hier nicht in Betracht. Werden dem Gläubiger noch weitere Versagungsgründe bekannt, so gilt für jeden einzelnen die individuell vom jeweiligen Zeitpunkt des Bekanntwerdens zu berechnende Frist nach Satz 2. Von der Bestimmung einer „absoluten“ Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Versagungsgründen hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen; der „unredliche“ Schuldner soll durch eine solche nicht ungerechtfertigt geschützt werden.5)
6
Zulässig ist der Antrag gemäß Absatz 1 Satz 3 nur dann, wenn der Gläubiger die genannten Voraussetzungen glaubhaft macht. Im Einzelnen sind dies also das Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1, das nachträgliche „Herausstellen“, also der Umstand, dass er bis zum jeweils nach Absatz 1 Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt, also bis zum Schlusstermin oder im Falle des § 211 nach der Einstellung, keine Kenntnis davon hatte, sowie die Einhaltung der in Satz 2 bestimmten Frist.
7
Wird der Antrag ohne hinreichende Glaubhaftmachung (oder eben erst nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist des Satzes 2) gestellt, ist er bereits unzulässig, und das Gericht tritt nicht mehr in das weitere Prüfungsverfahren ein. _____________ 2) 3) 4) 5)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 44. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 27. BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399; vgl. auch schon § 287 Abs. 4. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 44.
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Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders
§ 298
III. Verfahren 1.
Zuständigkeit
Die Entscheidung über den Versagungsantrag trifft der Richter, mit Wirkung vom 1.7.2014 enthält die entsprechende Aufzählung der dem Richter vorbehaltenen Geschäfte in § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG auch die Entscheidung nach § 297a. 2.
Anhörung
Auch wenn § 297a ausdrücklich keine Anhörung des Schuldners vorschreibt, wird das Gericht diese vor einer belastenden Entscheidung durchzuführen haben; im Gegensatz zu § 297, der ebenfalls keine Anhörung vorsieht, besteht sowohl im Hinblick auf das Vorliegen der Versagungsgründe wie auch die für den Zeitpunkt des Beginns der Sechs-Monats-Frist relevanten, tatsächlichen Umstände das dringende und aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Gebot des rechtlichen Gehörs. Die Anhörung kann mündlich wie schriftlich erfolgen; die Insolvenzgläubiger müssen nicht mit einbezogen werden. 3.
8
9
Entscheidung
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Ist das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 überzeugt, so wird in dem Beschluss die Versagung der Restschuldbefreiung ausgesprochen.
10
Die Entscheidung ist im Hinblick auf die durch Absatz 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 eröffnete sofortige Beschwerde der unterliegenden Partei förmlich zuzustellen. Wird die Restschuldbefreiung versagt, so ist über die Verweisung auch die öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben.
11
IV. Rechtsmittel und Kosten Absatz 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung auch über den Versagungsantrag nach § 297a. Für den Fall der Zurückweisung steht dem Gläubiger die sofortige Beschwerde zu, für den Fall der Versagung dem Schuldner. Der Gläubiger als (alleiniger) Herr des Verfahrens kann den Versagungsantrag auch noch bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurücknehmen, sodass dieser analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos wird.
12
Für die Kosten gilt auch hier dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 16 ff).
13
§ 298 Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (1) 1Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag des Treuhänders, wenn die an diesen abgeführten Beträge für das vorangegangene Jahr seiner Tätigkeit die Mindestvergütung nicht decken und der Schuldner den fehlenden Betrag nicht einzahlt, obwohl ihn der Treuhänder schriftlich zur Zahlung binnen einer Frist von mindestens zwei Wochen aufgefordert und ihn dabei auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung hingewiesen hat. 2Dies gilt nicht, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 4a gestundet wurden. Kexel
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Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders
§ 298
III. Verfahren 1.
Zuständigkeit
Die Entscheidung über den Versagungsantrag trifft der Richter, mit Wirkung vom 1.7.2014 enthält die entsprechende Aufzählung der dem Richter vorbehaltenen Geschäfte in § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG auch die Entscheidung nach § 297a. 2.
Anhörung
Auch wenn § 297a ausdrücklich keine Anhörung des Schuldners vorschreibt, wird das Gericht diese vor einer belastenden Entscheidung durchzuführen haben; im Gegensatz zu § 297, der ebenfalls keine Anhörung vorsieht, besteht sowohl im Hinblick auf das Vorliegen der Versagungsgründe wie auch die für den Zeitpunkt des Beginns der Sechs-Monats-Frist relevanten, tatsächlichen Umstände das dringende und aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Gebot des rechtlichen Gehörs. Die Anhörung kann mündlich wie schriftlich erfolgen; die Insolvenzgläubiger müssen nicht mit einbezogen werden. 3.
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9
Entscheidung
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Ist das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 überzeugt, so wird in dem Beschluss die Versagung der Restschuldbefreiung ausgesprochen.
10
Die Entscheidung ist im Hinblick auf die durch Absatz 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 eröffnete sofortige Beschwerde der unterliegenden Partei förmlich zuzustellen. Wird die Restschuldbefreiung versagt, so ist über die Verweisung auch die öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben.
11
IV. Rechtsmittel und Kosten Absatz 2 i. V. m. § 296 Abs. 3 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung auch über den Versagungsantrag nach § 297a. Für den Fall der Zurückweisung steht dem Gläubiger die sofortige Beschwerde zu, für den Fall der Versagung dem Schuldner. Der Gläubiger als (alleiniger) Herr des Verfahrens kann den Versagungsantrag auch noch bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurücknehmen, sodass dieser analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos wird.
12
Für die Kosten gilt auch hier dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 16 ff).
13
§ 298 Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders (1) 1Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag des Treuhänders, wenn die an diesen abgeführten Beträge für das vorangegangene Jahr seiner Tätigkeit die Mindestvergütung nicht decken und der Schuldner den fehlenden Betrag nicht einzahlt, obwohl ihn der Treuhänder schriftlich zur Zahlung binnen einer Frist von mindestens zwei Wochen aufgefordert und ihn dabei auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung hingewiesen hat. 2Dies gilt nicht, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 4a gestundet wurden. Kexel
1419
§ 298
Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders
(2) 1Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. 2Die Versagung unterbleibt, wenn der Schuldner binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch das Gericht den fehlenden Betrag einzahlt oder ihm dieser entsprechend § 4a gestundet wird. (3) § 296 Abs. 3 gilt entsprechend. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Voraussetzungen .................................. 2 1. Fehlende Deckung der Mindestvergütung ................................. 2 2. Keine Einzahlung trotz Aufforderung ......................................... 3 3. Keine Stundung ..................................... 4
I. 1
4. III. 1. 2. 3. IV.
Antrag .................................................... 5 Verfahren .............................................. 6 Zuständigkeit ......................................... 6 Anhörung, Aufforderung ..................... 7 Entscheidung ......................................... 8 Rechtsmittel und Kosten .................. 10
Normzweck
Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der vom Gericht bestellte Treuhänder jedenfalls die ihm zustehende Mindestvergütung erhält; dafür sollten dem Schuldner ggf. Zahlungen aus seinem unpfändbaren Vermögen zuzumuten sein.1) Im Hinblick auf die dem Schuldner eingeräumte Nachzahlungsgelegenheit und die Möglichkeit der – auch während des Verfahrens nach § 298 noch zu beantragenden – Kostenstundung in nach dem 30.11.2001 eröffneten Verfahren dürfte eine Versagung nach § 298 aber kaum einmal praktisch werden.2) II. Voraussetzungen 1.
2
2. 3
Fehlende Deckung der Mindestvergütung
Diese wird erst dann nach Absatz 1 versagungsrelevant, wenn sie sich auf ein gesamtes Jahr der Treuhändertätigkeit bezieht. Das Jahr ist hierbei kein Kalenderjahr und kein beliebiger Zwölf-Monats-Zeitraum, sondern jeweils eine Jahresfrist vom Beginn der Treuhändertätigkeit an.3) Gedeckt sein muss nur die Mindestvergütung; auf die Deckung weiterer Auslagen oder einer Überwachungsvergütung nach § 292 Abs. 2 kommt es nicht an.4) Keine Einzahlung trotz Aufforderung
Eine Versagung nach Absatz 1 setzt weiter voraus, dass der Treuhänder den Schuldner von sich aus erfolglos aufgefordert hat, den an der Mindestvergütung für das vorangegangene Jahr fehlenden Betrag binnen einer – in seinem Ermessen liegenden5) – Frist, die aber mindestens zwei Wochen lang sein muss, einzuzahlen. Mit der – schriftlichen – Aufforderung muss er, um das Erfordernis aus Absatz 1 zu erfüllen, _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 193, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 560; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 298 Rz. 1; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 1. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 2, 5 – 6. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 298 Rz. 1; Landfermann in: HK-InsO, § 298 Rz. 3; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 9. Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 298 Rz. 14; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 298 Rz. 2. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 11.
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Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders
§ 298
den Schuldner auch auf die drohende Versagung der Restschuldbefreiung hingewiesen haben.6) Mangels ausdrücklicher Anordnung im Gesetz wird vom Treuhänder nicht zu verlangen sein, den Schuldner auch auf die Möglichkeit der Kostenstundung hinzuweisen;7) er wird es in der Praxis aber bereits aus Eigeninteresse tun. 3.
Keine Stundung
Ausgehend vom Normzweck kommt eine Versagung nicht in Betracht, wenn dem Schuldner die Kosten des Restschuldbefreiungsverfahrens gestundet sind oder gestundet werden; in diesem Fall ist die Vergütung des Treuhänders durch den ihm über § 293 Abs. 2, § 63 Abs. 2 zustehenden Sekundäranspruch gegen die Staatskasse gesichert (§ 4a Rz. 42). 4.
4
Antrag
Die Versagung nach § 298 setzt einen Antrag des Treuhänders voraus. Weil eine dem § 297 Abs. 2 entsprechende Verweisung auf § 296 Abs. 1 Satz 3 fehlt, bedarf es keiner Glaubhaftmachung;8) auch gibt es keine Ausschlussfrist i. S. des § 296 Abs. 2. Nach dem Wortlaut des Absatzes 1 kann aber nur die fehlende Deckung für das „vorangegangene“ Jahr geltend gemacht werden, wodurch eine mittelbare zeitliche Begrenzung für die Antragstellung geschaffen ist.9)
5
III. Verfahren 1.
Zuständigkeit
Die Entscheidung über den Versagungsantrag des Treuhänders kann der Rechtspfleger treffen; die Aufzählung der dem Richter vorbehaltenen Geschäfte in § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG erwähnt § 298 nicht. 2.
6
Anhörung, Aufforderung
Für das Verfahren nach Antragstellung gilt Absatz 2, nach dessen Satz 1 das Gericht den Schuldner zu hören hat. Die Anhörung kann mündlich wie schriftlich erfolgen. Die Insolvenzgläubiger müssen nicht mit einbezogen werden.10) Wie sich aus Absatz 2 Satz 2 ergibt, hat das Gericht den Schuldner – zweckmäßigerweise i. R. der Anhörung – nochmals zur Zahlung des fehlenden Betrages aufzufordern. Aus der dem Gericht weiterhin obliegenden Fürsorge folgt die Verpflichtung, den Schuldner dabei erneut auf die drohende Versagung aufmerksam zu machen und ihn insbesondere auf die Möglichkeit der Stundung hinzuweisen.11) Zur Zahlung _____________ 6) Der Hinweis kann auch nicht durch einen späteren gerichtlichen Hinweis im Versagungsverfahren ersetzt werden, BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 43/07, ZVI 2010, 204 = NZI 2010, 28. 7) So aber Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 11; offenlassend BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 155/09, ZVI 2010, 109 = NZI 2010, 265. 8) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 155/09, ZVI 2010, 109 = NZI 2010, 265; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 298 Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 298 Rz. 3. 9) Landfermann in: HK-InsO, § 298 Rz. 3; i. E. ebenso Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 298 Rz. 3. 10) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 298 Rz. 2; Landfermann in: HK-InsO, § 298 Rz. 4. 11) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 298 Rz. 3; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 14.
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§ 299
Vorzeitige Beendigung
ist dem Schuldner eine starre Frist von zwei Wochen12) zu setzen, die im Falle der schriftlichen Aufforderung mit deren Zustellung in Lauf gesetzt wird. 3.
Entscheidung
8
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Ist das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 überzeugt, so wird in dem Beschluss die Versagung der Restschuldbefreiung ausgesprochen. Der Schuldner kann diese Entscheidung abwenden, wenn er innerhalb der gesetzten Zwei-Wochen-Frist den fehlenden Betrag einzahlt; auch schon die Stellung13) eines vollständigen und begründeten Stundungsantrags innerhalb der Frist hindert die Versagung.
9
Die Entscheidung ist im Hinblick auf die durch Absatz 3 i. V. m. § 296 Abs. 3 eröffnete sofortige Beschwerde der unterliegenden Partei förmlich zuzustellen. Wird die Restschuldbefreiung versagt, so ist über die Verweisung auch die öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben. IV. Rechtsmittel und Kosten
10
Absatz 3 i. V. m. § 296 Abs. 3 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung auch über den Versagungsantrag nach § 298. Für den Fall der Zurückweisung steht dem Treuhänder die sofortige Beschwerde zu, für den Fall der Versagung dem Schuldner. Der Treuhänder als (alleiniger) Herr des Verfahrens kann den Versagungsantrag auch noch bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurücknehmen,14) sodass dieser analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos wird.
11
Die Entscheidung über den Antrag nach § 298 ergeht gerichtsgebührenfrei.15) Für die Vergütung eines Rechtsanwalts gilt dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 17 f), unabhängig davon, ob er Treuhänder oder Schuldner vertritt.16) _____________ 12) Keine Notfrist, sodass grundsätzlich weder Wiedereinsetzung noch Verlängerung in Betracht kommen, vgl. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 13. 13) Insoweit kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Stundungsentscheidung durch das Gericht an, vgl. auch Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 14. 14) LG Krefeld, Beschl. v. 15.12.2007 – 6 T 253/07, ZVI 2008, 86 = NZI 2008, 447; LG Dresden, Beschl. v. 22.1.2007 – 5 T 32/07, ZInsO 2007, 557 f – zu § 290; Landfermann in: HK-InsO, § 298 Rz. 3; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 298 Rz. 7; wohl auch WimmerAhrens, FK-InsO, § 298 Rz. 15 – „bis zur gerichtlichen Entscheidung“. 15) Nr. 2350 GKG-KV verweist nicht auf § 298 InsO; i. E. auch Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 298 Rz. 24. 16) 0,5 Gebühr gemäß Nr. 3321 RVG-VV, vgl. auch Hartmann, KostG, VV Nr. 3321 Rz. 1.
§ 299 ) Vorzeitige Beendigung Wird die Restschuldbefreiung nach den §§ 296, 297, 297a oder 298 versagt, so enden die Abtretungsfrist, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger mit der Rechtskraft der Entscheidung.
)
§ 299 geändert durch Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1:
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§ 299
Vorzeitige Beendigung
ist dem Schuldner eine starre Frist von zwei Wochen12) zu setzen, die im Falle der schriftlichen Aufforderung mit deren Zustellung in Lauf gesetzt wird. 3.
Entscheidung
8
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Ist das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 überzeugt, so wird in dem Beschluss die Versagung der Restschuldbefreiung ausgesprochen. Der Schuldner kann diese Entscheidung abwenden, wenn er innerhalb der gesetzten Zwei-Wochen-Frist den fehlenden Betrag einzahlt; auch schon die Stellung13) eines vollständigen und begründeten Stundungsantrags innerhalb der Frist hindert die Versagung.
9
Die Entscheidung ist im Hinblick auf die durch Absatz 3 i. V. m. § 296 Abs. 3 eröffnete sofortige Beschwerde der unterliegenden Partei förmlich zuzustellen. Wird die Restschuldbefreiung versagt, so ist über die Verweisung auch die öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben. IV. Rechtsmittel und Kosten
10
Absatz 3 i. V. m. § 296 Abs. 3 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung auch über den Versagungsantrag nach § 298. Für den Fall der Zurückweisung steht dem Treuhänder die sofortige Beschwerde zu, für den Fall der Versagung dem Schuldner. Der Treuhänder als (alleiniger) Herr des Verfahrens kann den Versagungsantrag auch noch bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurücknehmen,14) sodass dieser analog § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos wird.
11
Die Entscheidung über den Antrag nach § 298 ergeht gerichtsgebührenfrei.15) Für die Vergütung eines Rechtsanwalts gilt dasselbe wie im Falle des § 296 (§ 296 Rz. 17 f), unabhängig davon, ob er Treuhänder oder Schuldner vertritt.16) _____________ 12) Keine Notfrist, sodass grundsätzlich weder Wiedereinsetzung noch Verlängerung in Betracht kommen, vgl. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 13. 13) Insoweit kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Stundungsentscheidung durch das Gericht an, vgl. auch Wimmer-Grote, FK-InsO, § 298 Rz. 14. 14) LG Krefeld, Beschl. v. 15.12.2007 – 6 T 253/07, ZVI 2008, 86 = NZI 2008, 447; LG Dresden, Beschl. v. 22.1.2007 – 5 T 32/07, ZInsO 2007, 557 f – zu § 290; Landfermann in: HK-InsO, § 298 Rz. 3; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 298 Rz. 7; wohl auch WimmerAhrens, FK-InsO, § 298 Rz. 15 – „bis zur gerichtlichen Entscheidung“. 15) Nr. 2350 GKG-KV verweist nicht auf § 298 InsO; i. E. auch Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 298 Rz. 24. 16) 0,5 Gebühr gemäß Nr. 3321 RVG-VV, vgl. auch Hartmann, KostG, VV Nr. 3321 Rz. 1.
§ 299 ) Vorzeitige Beendigung Wird die Restschuldbefreiung nach den §§ 296, 297, 297a oder 298 versagt, so enden die Abtretungsfrist, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger mit der Rechtskraft der Entscheidung.
)
§ 299 geändert durch Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1:
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§ 299
Vorzeitige Beendigung
„Wird die Restschuldbefreiung nach § 296, 297 oder 298 versagt, so enden die Laufzeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger mit der Rechtskraft der Entscheidung.“ Übersicht I. II. 1. 2. 3.
I.
Normzweck ........................................... Wirkungen der Versagung .................. Ende der Abtretungsfrist ...................... Ende des Treuhänderamtes .................. Ende der Beschränkung der Gläubigerrechte .....................................
1 2 3 4 5
III. Weitere Möglichkeiten einer „vorzeitigen Beendigung“ ................... 7 1. Beendigung ohne Restschuldbefreiung ................................................ 7 2. Beendigung mit Restschuldbefreiung ................................................ 8
Normzweck
Die Vorschrift bestimmt Wirkungen einer – vorzeitigen – Versagung nach den §§ 296, 297, 297a oder 298. Darin beschränkt sich auch ihr Regelungsbereich; weder sind damit die Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens abschließend aufgezählt1) (unten Rz. 7 f), noch können die angeordneten Rechtsfolgen für andere Formen der vorzeitigen Beendigung als verbindlich gelten.2)
1
II. Wirkungen der Versagung Die genannten Wirkungen treten jeweils mit der Rechtskraft des Versagungsbeschlusses ein,3) ohne dass es dafür einer weiteren gerichtlichen Anordnung bedürfte.4) Kommt es bereits zu einer Versagung zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl. §§ 297, 297a), geht die Anordnung der Beendigung des Treuhänderamtes und der Beschränkung der Gläubigerrechte ins Leere. 1.
Ende der Abtretungsfrist
Die Abtretungsfrist gemäß § 287 Abs. 2 – oder entsprechend in den vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren noch die sog. „Laufzeit der Abtretungserklärung“ – endet und die Abtretungserklärung verliert folgerichtig ihre Wirksamkeit, ist doch der zugrunde liegende Zweck unerreichbar geworden. Im praktischen Ergebnis kommt es auch hier nicht darauf an, ob die Abtretungserklärung als Prozess- oder rein materiell-rechtliche Erklärung angesehen wird. Der Schuldner kann fortan wieder frei über die entsprechenden Forderungen verfügen. 2.
3
Ende des Treuhänderamtes
Das Amt des – nach §§ 288, 292 im Restschuldbefreiungsverfahren tätigen – Treuhänders endet; ihn treffen damit grundsätzlich nicht mehr die Verpflichtungen nach § 292. Selbstverständlich bleibt er zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Treuhandverhältnisses verpflichtet; hierzu gehört die Auskehrung möglicherweise noch zu verteilender Beträge an die Gläubiger ebenso wie die abschließende Rech-
_____________ 1) 2) 3) 4)
2
BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 299 Rz. 1; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 1. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 15.
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§ 299
Vorzeitige Beendigung
nungslegung nach § 292 Abs. 1 Satz 3.5) Man wird ihm auch die Verpflichtung auferlegen müssen, dem Drittschuldner das Ende der Abtretung anzuzeigen.6) 3.
Ende der Beschränkung der Gläubigerrechte
5
Mit der Versagung der Restschuldbefreiung können die Insolvenzgläubiger – ebenso wie im Falle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ohne anschließende Restschuldbefreiungsphase nach § 201 Abs. 1 – ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. Die Vollstreckungsmöglichkeit aus der Tabelle richtet sich ebenfalls nach § 201, dort Absatz 2.7)
6
Für noch vor dem 1.7.2014 beantragte Insolvenzverfahren bleiben die Wirkungen der für diese Verfahren noch geltenden8) Absätze 1 und 3 des § 114 unberührt; diese Regelungen knüpfen lediglich an die Verfahrenseröffnung an, unabhängig davon, ob sich ein Restschuldbefreiungsverfahren anschließt oder nicht, also auch unabhängig von der vorzeitigen Beendigung eines solchen.9) Die Laufzeit der vorinsolvenzlich erfolgten Abtretungen und Verpfändungen bleibt auf die angeordneten zwei Jahre beschränkt, ebenso leben nach § 114 Abs. 3 unwirksame Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht wieder auf.10) III. Weitere Möglichkeiten einer „vorzeitigen Beendigung“ 1.
7
Beendigung ohne Restschuldbefreiung
Außer den in § 299 aufgezählten Versagungsvarianten der §§ 296–298 sind weitere Fallgruppen anerkannt, in denen es zu einer vorzeitigen Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens kommen kann. Hierzu zählen die Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags durch den Schuldner, eine entsprechende Erledigungserklärung oder auch der Tod des Schuldners.11) In all diesen Fällen findet § 299 entsprechende Anwendung; eine Restschuldbefreiung scheidet aus.12) Das Gericht spricht die Wirkungen des § 299 in diesen Fällen durch Beschluss aus.13) _____________ 5) Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 299 Rz. 8; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 1; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 18. 6) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 18. 7) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 19. 8) § 114 wurde m. W. v. 1.7.2014 aufgehoben durch Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379. 9) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 299 Rz. 2. 10) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 299 Rz. 2; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 20; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 2; a. A. betreffend § 114 Abs. 1 wohl UhlenbruckVallender, InsO, § 299 Rz. 7. 11) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 299 Rz. 3; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 299 Rz. 16 ff. 12) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 299 Rz. 3; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 299 Rz. 16; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 3; nur für den Fall des Todes des Schuldners a. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 10; sicher zu weitgehend AG Leipzig, Beschl. v. 26.4.2013 – 406 IK 189/07, FamRZ 2014, 337, zuvor AG Duisburg, Beschl. v. 25.5.2009 – 62 IK 59/00, ZInsO 2009, 2353, die jedenfalls für den Tod des Schuldners nach Ablauf der Wohlverhaltensphase von einer Vererblichkeit des Rechts auf Restschuldbefreiung ausgehen. 13) Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 3; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 14.
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§ 300
Entscheidung über die Restschuldbefreiung
2.
Beendigung mit Restschuldbefreiung
Möglichkeiten einer vorzeitigen Beendigung mit vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung sieht § 300 Abs. 1 Satz 2 vor. Bereits vor dieser m. W. v. 1.7.2014 in Kraft getretenen (und gemäß Art. 103h EGInsO auch erst für alle ab einschließlich diesem Datum beantragten Insolvenzverfahren geltenden) Regelung war eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung in solchen Fällen anerkannt, in denen Interessen der am Insolvenzverfahren teilnehmenden Gläubiger nicht entgegenstehen und die weitere Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens zu einer reinen Formalie würde. Diese Fallgruppen sind also auch weiter in vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren zu berücksichtigen; zu den weiteren Einzelheiten auch hierzu vgl. die Anmerkungen unten zu § 300 Rz. 8 ff.
§ 300 ) Entscheidung über die Restschuldbefreiung 1
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners durch Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn die Abtretungsfrist ohne vorzeitige Beendigung verstrichen ist. 2Hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt, entscheidet das Gericht auf seinen Antrag, wenn 1.
im Verfahren kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat,
2.
drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht, oder
3.
fünf Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind.
3
Satz 1 gilt entsprechend. 4Eine Forderung wird bei der Ermittlung des Prozentsatzes nach Satz 2 Nummer 2 berücksichtigt, wenn sie in das Schlussverzeichnis aufgenommen wurde. 5Fehlt ein Schlussverzeichnis, so wird eine Forderung berücksichtigt, die als festgestellt gilt oder deren Gläubiger entsprechend § 189 Absatz 1 Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen hat. (2) 1In den Fällen von Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 ist der Antrag nur zulässig, wenn Angaben gemacht werden über die Herkunft der Mittel, die an den Treuhänder geflossen sind und die über die Beträge hinausgehen, die von der Abtretungserklärung erfasst sind. 2Der Schuldner hat zu erklären, dass die Angaben nach Satz 1 richtig und vollständig sind. 3Das Vorliegen der Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 3 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. (3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen. Kexel
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§ 300
Entscheidung über die Restschuldbefreiung
2.
Beendigung mit Restschuldbefreiung
Möglichkeiten einer vorzeitigen Beendigung mit vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung sieht § 300 Abs. 1 Satz 2 vor. Bereits vor dieser m. W. v. 1.7.2014 in Kraft getretenen (und gemäß Art. 103h EGInsO auch erst für alle ab einschließlich diesem Datum beantragten Insolvenzverfahren geltenden) Regelung war eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung in solchen Fällen anerkannt, in denen Interessen der am Insolvenzverfahren teilnehmenden Gläubiger nicht entgegenstehen und die weitere Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens zu einer reinen Formalie würde. Diese Fallgruppen sind also auch weiter in vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren zu berücksichtigen; zu den weiteren Einzelheiten auch hierzu vgl. die Anmerkungen unten zu § 300 Rz. 8 ff.
§ 300 ) Entscheidung über die Restschuldbefreiung 1
(1) Das Insolvenzgericht entscheidet nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners durch Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn die Abtretungsfrist ohne vorzeitige Beendigung verstrichen ist. 2Hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt, entscheidet das Gericht auf seinen Antrag, wenn 1.
im Verfahren kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet hat oder wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt sind und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat,
2.
drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht, oder
3.
fünf Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind.
3
Satz 1 gilt entsprechend. 4Eine Forderung wird bei der Ermittlung des Prozentsatzes nach Satz 2 Nummer 2 berücksichtigt, wenn sie in das Schlussverzeichnis aufgenommen wurde. 5Fehlt ein Schlussverzeichnis, so wird eine Forderung berücksichtigt, die als festgestellt gilt oder deren Gläubiger entsprechend § 189 Absatz 1 Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen hat. (2) 1In den Fällen von Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 ist der Antrag nur zulässig, wenn Angaben gemacht werden über die Herkunft der Mittel, die an den Treuhänder geflossen sind und die über die Beträge hinausgehen, die von der Abtretungserklärung erfasst sind. 2Der Schuldner hat zu erklären, dass die Angaben nach Satz 1 richtig und vollständig sind. 3Das Vorliegen der Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 3 ist vom Schuldner glaubhaft zu machen. (3) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 290 Absatz 1, des § 296 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3, des § 297 oder des § 297a vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen. Kexel
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§ 300
Entscheidung über die Restschuldbefreiung
(4) 1Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen. 2Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt oder der das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Absatz 1 Satz 2 geltend gemacht hat, die sofortige Beschwerde zu. 3Wird Restschuldbefreiung nach Absatz 1 Satz 2 erteilt, gelten die §§ 299 und 300a entsprechend.
)
§ 300 ersetzt durch Art. 1 Nr. 30 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 300: „(1) Ist die Laufzeit der Abtretungserklärung ohne eine vorzeitige Beendigung verstrichen, so entscheidet das Insolvenzgericht nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Treuhänders und des Schuldners durch Beschluß über die Erteilung der Restschuldbefreiung. (2) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 oder 2 Satz 3 oder des § 297 vorliegen, oder auf Antrag des Treuhänders, wenn die Voraussetzungen des § 298 vorliegen. (3) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen. Gegen den Beschluß steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der bei der Anhörung nach Absatz 1 die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu.“
Literatur: Frind, Neue Möglichkeiten zur schnelleren Erlangung der Restschuldbefreiung, BB 2013, 1674; v. Gleichenstein, 6 Jahre und kein Ende? Restschuldbefreiung und Wegfall des Insolvenzbeschlags am Neuerwerb nach Ablauf des Abtretungszeitraums im laufenden Insolvenzverfahren, ZVI 2009, 93; Heinze, Restschuldbefreiung im laufenden Insolvenzverfahren?, ZVI 2008, 416; Henning, Aktuelles zu den Insolvenzverfahren natürlicher Personen 2007, ZInsO 2007, 1253; Kobialka/Schmittmann, Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens, ZInsO 2009, 653; Köchling, Der Gesetzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, ZInsO 2013, 316. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Voraussetzungen der Erteilung der Restschuldbefreiung ..................... 1. Ende der Abtretungsfrist (Abs. 1 Satz 1) .................................................... 2. Antrag auf vorzeitige Erteilung (Abs. 1 Satz 2) ....................................... a) Materielle Voraussetzungen ..........
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aa) Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ..................... 9 bb) Mindestbefriedigungsquote (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) .................... 14 cc) Vorzeitige Erteilung nach fünf Jahren (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) ........ 17 b) Formelle Voraussetzungen .......... 18 III. Verfahren und Entscheidung ........... 21 IV. Wirkungen .......................................... 29
Normzweck
Im Interesse der Rechtssicherheit1) und -klarheit2) ordnet die Vorschrift an, dass die Erteilung der Restschuldbefreiung durch Gerichtsbeschluss festgestellt werden muss, und zwar nach Anhörung der Beteiligten (Abs. 1) und – auf Antrag – auch zur Überprüfung etwaiger Versagungsgründe (Abs. 3). Absatz 4 sieht wegen der Bedeutung der Sache die öffentliche Bekanntmachung und – eingeschränkt – die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde vor. Die m. W. v. 1.7.2014 – und auch erst für ab einschließlich diesem Zeitpunkt an beantragte Verfahren – geltenden gänzlich neuen Absatz 1 Sätze 2 bis 5, Absatz 2 regeln die Möglichkeiten und materielle wie formelle Voraussetzungen für die Erteilung einer vorzeitigen Restschuldbefrei_____________ 1) 2)
Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 300 Rz. 1. Landfermann in: HK-InsO, § 300 Rz. 1.
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ung, also einer Restschuldbefreiung vor dem regulären Ende der Abtretungsfrist und damit einer frühzeitigen „zweiten Chance“ für den Schuldner.3) Damit soll zum Einen bereits einer vor der Gesetzesänderung erkannten – und von der Rechtsprechung auch schon entsprechend behandelten, vgl. unten Rz. 8 – Unverhältnismäßigkeit der Durchführung des gesamten Restschuldbefreiungsverfahrens begegnet werden, wenn entweder keine Forderungen angemeldet wurden oder die Gläubiger sämtlich befriedigt sind;4) zum anderen soll mit Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und der Möglichkeit, bei einer Rückzahlung von 35 % der angemeldeten Forderungen die Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren zu erhalten, ein starker Anreiz für eine möglichst frühe Antragstellung als auch für intensive Anstrengungen des Schuldners zu einer für die Gläubiger relevanten Befriedigung gesetzt werden.5) Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 schließlich, soll auch den Schuldner, der die Mindestbefriedigungsquote nicht erreicht, noch zu intensivem Bemühen wenigstens um die Begleichung der Verfahrenskosten motivieren.6) II. Voraussetzungen der Erteilung der Restschuldbefreiung 1.
Ende der Abtretungsfrist (Abs. 1 Satz 1)
Der „Normalfall“ der Erteilung der Restschuldbefreiung setzt voraus, dass die Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 (früher: „Laufzeit der Abtretungserklärung“) ohne vorzeitige Beendigung (vgl. § 299) verstrichen ist.
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Ebenso wird im Regelfall vor dem von Absatz 1 vorausgesetzten Ende der Abtretungsfrist das Insolvenzverfahren aufgehoben worden sein.7) Wegen der vom Eröffnungszeitpunkt an „fixen“ Laufzeit der Abtretungserklärung in Verfahren, die nach dem 30.11.2001 eröffnet wurden, kann es in Einzelfällen dazu kommen, dass das Insolvenzverfahren zu diesem Zeitpunkt noch läuft und ein Beschluss nach § 291 a. F. noch nicht ergangen ist.
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Der eindeutige Wortlaut auch schon des § 300 Abs. 1 a. F. und die der mit der Novelle vom 1.12.2001 erfolgten Entkopplung der Laufzeit von Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren zugrunde liegende gesetzgeberische Wertung und Absicht gebieten auch in diesem Fall, dass zwingend die Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung zu erfolgen hat.8) Mit der Festlegung des _____________
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3) 4) 5) 6) 7) 8)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45 unter ausdrückl. Bezugnahme auf den Koalitionsvertrag v. 26.10.2009. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 44 f. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45: „... auf beide Aspekte soll … Einfluss genommen werden“. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 46. Und – in vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren – auch die Restschuldbefreiung nach § 291 a. F. „angekündigt“. Soweit ganz h. M.: BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68 ff = ZInsO 201, 102, dazu EWiR 2010, 221 (Wallner); BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 196/09, NZI 2010, 577 ff = ZInsO 2010, 1011; LG Hannover, Beschl. v. 12.12.2008 – 20 T 153/08, ZInsO 2009, 207 f; LG Dresden, Beschl. v. 11.6.2008 – 5 T 507/08, ZVI 2008, 305 f = NZI 2008, 508; AG Göttingen, Beschl. v. 2.9.2009 – 74 IN 34/03, ZVI 2010, 33 ff = NZI 2009, 779; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 300 Rz. 10; v. Gleichenstein, ZVI 2009, 93 ff; Henning, ZInsO 2007, 1253 ff; Kobialka/Schmittmann, ZInsO 2009, 653 f; a. A. AG Alzey, Beschl. v. 12.5.2009 – 1 IN 125/02, NZI 2009, 567 f; Heinze, ZVI 2008, 416 ff.
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Beginns der Laufzeit der Abtretungserklärung auf den Eröffnungszeitpunkt sollte sichergestellt werden, dass sich die – von mannigfachen außerhalb der Sphäre des Schuldners liegenden Umständen abhängige – Dauer des Insolvenzverfahrens nicht mehr zum Nachteil des Schuldners auswirken solle.9) Dem Schuldner wird damit Sicherheit und Klarheit über den Zeitpunkt verschafft, zu dem ihm der neue, schuldenfreie Start ermöglicht werden soll. 5
Dieser Argumentation hat sich auch der Gesetzgeber der neuerlichen Reform der Insolvenzordnung mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 angeschlossen. So erkennt bereits der neugeschaffene § 300a zwanglos die Möglichkeit eines fortlaufenden Insolvenzverfahrens trotz Erteilung der Restschuldbefreiung; die gesetzgeberische Wertung ist auch den Materialien eindeutig zu entnehmen, nach denen „klarzustellen ist, dass das Insolvenzgericht nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist auch dann über die Erteilung der Restschuldbefreiung zu entscheiden hat, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben ist“.10)
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Zudem ist nach jüngster – und zu begrüßender – höchstrichterlicher Rechtsprechung auch in sämtlichen Altverfahren fortan zwölf Jahre nach Insolvenzeröffnung, gleichviel, ob die Wohlverhaltensperiode bereits begonnen hat oder nicht, über die Restschuldbefreiung des Schuldners zu entscheiden.11)
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Die rechtzeitige Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung zu diesem Zeitpunkt oder eben nach Ende der Abtretungsfrist ist in jedem Falle von Amts wegen anzubahnen.12) 2.
Antrag auf vorzeitige Erteilung (Abs. 1 Satz 2)
a) Materielle Voraussetzungen 8
Bereits vor den m. W. v. 1.7.2014 geschaffenen Möglichkeiten der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung in Absatz 1 Satz 2 war in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass in bestimmten Fällen, bei denen Gläubigerinteressen nicht (mehr) berührt sein konnten, auf Antrag des Schuldners auch eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgen konnte. Zu diesen Fallgestaltungen, die nun im Wesentlichen in Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 kodifiziert sind, hat der Gesetzgeber in Nummer 2 und 3 weitere Möglichkeiten der Verkürzung eingefügt, die unmittelbar von Seiten des Schuldners selbst zu erfüllen sind und diesen so im Interesse besserer und schnellerer Gläubigerbefriedigung zu erhöhten Anstrengungen motivieren soll. _____________ 9) BT-Drucks. 14/6468, S. 2, 18. Der Umstand, dass der Gesetzgeber hier – zu optimistisch – an Verfahrensdauern von in „Einzelfällen“ über zwei Jahren gedacht hat, führt nur zu einem „Erst-recht-Schluss“ bei noch längeren Laufzeiten des Insolvenzverfahrens. 10) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 44. 11) BGH, Beschl. v. 18.7.2013 – IX ZB 11/13, ZVI 2013, 450 = ZInsO 2013, 849, der zutreffenderweise § 103a EGInsO für diese Fälle verfassungskonform einschränkend auslegt. 12) Vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68 ff = ZInsO 201, 102; BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 196/09, NZI 2010, 577 ff = ZInsO 2010, 1011.
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aa) Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 regelt die vorzeitige Beendigung mit vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung in solchen Fällen, in denen keine Gläubigerinteressen entgegenstehen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm ausweislich der Gesetzesbegründung13) uneingeschränkt die bisher schon geltende Rechtsprechung nachgezeichnet, so dass sich bis auf den nunmehr im Gesetz niedergelegten Anknüpfungspunkt keinerlei Unterschiede zwischen der Rechtslage bei vor und nach dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren ergeben.
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Die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung kommt danach in zwei Fällen in Betracht:
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–
Zum Schlusstermin sind keine Forderungen angemeldet, weder von Insolvenzgläubigern noch von Absonderungsberechtigten,14) (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1).
–
Die (angemeldeten) Forderungen der Gläubiger sind befriedigt (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2). Bereits in vor der Gesetzesänderung zum 1.7.2014 beantragten Verfahren waren damit die Fälle erfasst, dass der Schuldner (oder ein Dritter!) sämtliche angemeldeten Forderungen begleicht15) oder auch es zu einer vergleichsweisen Einigung mit sämtlichen teilnehmenden Gläubigern kommt.16)
Da den Gläubigern in der Wohlverhaltensperiode nach dem Schlusstermin keine Verfahrensrechte zustehen, sie also bereits nicht antragsbefugt sind,17) ist bei der Betrachtung der einzelnen Fallgruppen jeweils nur auf die am Insolvenzverfahren teilnehmenden Gläubiger abzustellen. Auch der Absonderungsberechtigte, der die Anmeldung seiner persönlichen Forderung bzw. den Ausfall versäumt hat, bleibt außen vor.18)
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All diesen Fallgestaltungen ist gemein, dass die weitere Durchführung des der Haftungsverwirklichung dienenden19) Restschuldbefreiungsverfahrens mit der Abführung der Beträge an den Treuhänder, die später ohnehin zurückzuzahlen sind, sinnentleert wäre; dem Schuldner würde die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit in dieser
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_____________ 13) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 44 f. 14) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322 = NZI 2005, 399; BGH, Beschl. v. 8.11.2007 – IX ZB 115/04, juris. 15) Auch eine kreditfinanzierte Ablösung ist möglich, soweit durch einen Neugläubiger: BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 219/10, ZInsO 2011, 2100 f = ZVI 2011, 465; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 7; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 13; a. A. AG Köln, Beschl. v. 28.1.2002 – 71 IK 1/00, ZVI 2002, 223 = NZI 2002, 218; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 299 Rz. 13. 16) BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 219/10, ZVI 2011, 465 = ZInsO 2011, 2100; LG Bochum, Beschl. v. 28.6.2006 – 10 T 107/04, n. v.; LG Berlin, Beschl. v. 19.1.2009 – 86 T 24/09, ZInsO 2009, 443 f; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 4. 17) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399; zuvor schon LG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.6.2003 – 2-09 T 309/03, ZVI 2003, 426 = Rpfleger 2003, 681; AG Bremen, Beschl. v. 4.11.2003 – 40 IK 261/01, ZVI 2003, 609, 610; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 296 Rz. 4; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 5. 18) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399. 19) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 13.
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Zeit ohne triftigen Grund genommen.20) Das heißt aber auch, dass grundsätzlich sogar die bloße Ablösung der Forderungen der Insolvenzgläubiger durch einen Neugläubiger einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens nicht im Wege steht.21) 13
Bedingung der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung – auch dies durch das zum 1.7.2014 in Kraft getretene Recht lediglich der schon zuvor von Literatur und Rechtsprechung geforderten Mindestbedingung nachgezeichnet – ist gemäß Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 aber in jedem dieser Fälle, dass sowohl die, ggf. gestundeten, Verfahrenskosten als auch die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§§ 54, 55) vollständig erfüllt sind.22) Genügen muss hier aber, dass die Masse des laufenden Insolvenzverfahrens zur Befriedigung dieser Forderungen ausreichend ist, insbesondere kann nur der Insolvenzverwalter die Masseverbindlichkeiten „berichtigen“, §§ 80, 53.23) bb) Mindestbefriedigungsquote (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2)
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Um eine zuvor bereits langjährig diskutierte politische Forderung zu erfüllen, dem Schuldner zügiger eine „zweite Chance“ zu ermöglichen, sieht die in allen ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Verfahren Anwendung findende Regelung in Nummer 2 die Möglichkeit einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung bereits nach dem Ablauf von drei Jahren vor. Da das Insolvenzverfahren immer noch auch der Befriedigung der Gläubiger dienen soll und diese von einer raschen Restschuldbefreiung für den Schuldner nicht unerheblich betroffen sind, kann das nicht zum „Nulltarif“ für den Schuldner zu haben sein; er soll ebenfalls einen „beträchtlichen Beitrag zum Schuldenabbau“24) leisten, indem er den Gläubigern einen merkbaren Anteil ihrer Forderungen zurückzahlt. Sah der ursprüngliche Gesetzentwurf hier noch eine Mindestbefriedigungsquote von 25 % als gerechten Interessenausgleich an, wurde diese im politischen Willensbildungsprozess schließlich auf 35 % angehoben; angesichts des Umstandes, dass der „gemeine Schuldner“ nun erst einmal bei Insolvenzeröffnung in der Regel eher „nichts“ mehr und auch keine blendenden Aussichten auf Besserung hat, erscheint die Kritik an dieser Höhe und die Zweifel, ob angesichts dessen die Verkürzung auf drei Jahre tatsächlich in relevanter Zahl von Fällen erreicht werden kann,25) verständlich.26) Indes mag sie dennoch in geeigneten Fällen den Schuldner – wie beabsichtigt – sowohl zu eben jenen besonderen Anstrengungen als auch zu einer zeitigeren Antragstellung bewegen können. Dabei _____________ 20) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399; BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 219/10, ZVI 2011, 465 = ZInsO 2011, 2100. 21) BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 219/10, ZVI 2011, 465 = ZInsO 2011, 2100. 22) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45; zuvor schon BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399; BGH, Beschl. v. 8.11.2007 – IX ZB 115/04, juris; BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 219/10, ZVI 2011, 465 = ZInsO 2011, 2100; LG Bochum, Beschl. v. 28.6.2006 – 10 T 107/04, n. v.; Landfermann in: HK-InsO, § 299 Rz. 6. 23) Frind, BB 2013, 1674, 1676: Die Glaubhaftmachung kann der Schuldner etwa mit einem entsprechenden Bericht oder einer Bescheinigung des Insolvenzverwalters erreichen. 24) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45. 25) Vgl. statt vieler Frind, BB 2013, 1674, 1676 m. w. N.; eine noch höhere Quote hingegen forderte etwa Köchling, ZInsO 2013, 316, 321. 26) Dies nachvollziehend, hat der Gesetzgeber hierfür schließlich auch ausdrücklich eine Evaluation nach Ablauf von drei Jahren vorgesehen, vgl. Art. 107 EGInsO.
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erscheint durchaus möglich, dass öfter als bisher etwa auch Verwandte27) oder sonstige dem Schuldner „wohlgesonnene“ Dritte zur Unterstützung des Schuldners gewonnen werden könnten; die hierin liegende „Missbrauchsgefahr“28) ist bei einer Quote von 35 %, die in einem Insolvenz- bzw. Restschuldbefreiungsverfahren anderweitig kaum jemals erreicht werden kann, aus Gläubigersicht sicher zu verschmerzen. Dabei bezieht sich die Quote i. H. von 35 % gemäß Absatz 1 Satz 4 auf die Summe aller Forderungen, die in das Schlussverzeichnis aufgenommen wurden. Liegt ein Schlussverzeichnis nicht vor – also in den Fällen, in denen das Insolvenzverfahren noch läuft –, ist das Verteilungsverzeichnis nach § 188 maßgeblich;29) es werden damit gemäß Absatz 1 Satz 5 alle bis zum Ablauf der drei Jahre festgestellten Forderungen berücksichtigt sowie – im Falle ihres Bestreitens – solche, bezüglich derer die Gläubiger Feststellungsklage erhoben oder ein entsprechendes früher anhängiges Verfahren aufgenommen haben. Da es sich bei der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 189 offenkundig um eine Rechtsgrundverweisung handelt,30) kommt es in diesen Fällen auch auf den von § 189 Abs. 1 geforderten entsprechenden Nachweis an. Bestrittene Forderungen sind des Weiteren selbstverständlich auch dann schon zu berücksichtigen, soweit im Prüfungstermin für sie ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil vorlag.31)
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Wie in Absatz 1 Satz 2 Halbs. 1 ausdrücklich bestimmt, hat der Schuldner auch für die vorzeitige Erteilung nach Nummer 2 vorab die Verfahrenskosten zu berichtigen. Weil Nummer 2 ausdrücklich die Befriedigung der Insolvenzgläubiger i. H. von 35 % fordert, muss der Schuldner zudem ebenfalls die sonstigen Masseverbindlichkeiten vollständig berichtigen. Dies folgt schon aus § 53: vor der (auch nur anteiligen) Bedienung der Insolvenzforderungen sind die Massegläubiger an der Reihe. Nach dem Willen des Gesetzgebers gilt dies auch in Fällen einer „Direktzahlung aus Drittmitteln“, also wenn etwa Verwandte des Schuldners einspringen; für eine Differenzierung zu dem Fall, dass dem Schuldner selbst das Geld zugewendet wird, damit in die Insolvenzmasse fällt und also die Vorwegbefriedigung der Masseverbindlichkeiten auslösen würde, besteht in der Tat kein sachlicher Grund.32)
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cc) Vorzeitige Erteilung nach fünf Jahren (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) In ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Verfahren soll auch der Schuldner, der die Mindestbefriedigungsquote nach drei Jahren verfehlt, noch eine Möglichkeit zu einer – im Umfang geringeren – Abkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und damit einer früheren „zweiten Chance“ haben, soweit er innerhalb von fünf Jahren wenigstens die Verfahrenskosten begleicht. Ein nicht unbeachtlicher Hintergrund dieser Regelung ist sicher die erhoffte Entlastung der Länderhaushalte durch eine vorzeitige Rückzahlung der im Regelanwendungsfall insoweit zumeist _____________ 27) 28) 29) 30) 31) 32)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45 Diese sieht etwa Köchling, ZInsO 2013, 316, 318 f. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45. So ausdrückl. auch Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45 a. E. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 45. Ebenso Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 46.
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gestundeten Verfahrenskosten33) – hier wird insbesondere auch der Verwaltungsaufwand im Hinblick auf die sich sonst an die Restschuldbefreiung anschließende maximal vierjährige Rückzahlungsfrist für die gestundeten Beträge eingespart. Genau sich diese vier Jahre zu ersparen, kann auf der anderen Seite auch noch einen erheblichen Anreiz für den Schuldner darstellen, das Verfahren entsprechend abzukürzen.34) Bei der Berechnung der Verfahrenskosten ergeben sich im Falle der Nummer 3 keine Besonderheiten; anders als in den Fällen der Nummer 1 und 2 wird vom Schuldner hier ausdrücklich auch nicht die Begleichung der Masseverbindlichkeiten gefordert. b) Formelle Voraussetzungen 18
Der Schuldner muss grundsätzlich die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nach Absatz 1 Satz 2 beantragen.35)
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Begehrt er die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 nach drei Jahren wegen Erreichens der Mindestbefriedigungsquote von 35 % und werden dafür Mittel eingesetzt, die über die von der Abtretungserklärung erfassten Beträge hinausgehen, ist der Antrag gemäß Absatz 2 Satz 1 nur zulässig, wenn der Schuldner zusätzlich Angaben über die Herkunft dieser „überschießenden“ Mittel macht und zugleich gemäß Absatz 2 Satz 2 erklärt, dass diese Angaben richtig und vollständig sind. Im Falle eines noch laufenden Insolvenzverfahrens wird ihm diese Herkunftserklärung indes nicht abzuverlangen sein, diese Ermittlung dürfte dann (noch) dem Insolvenzverwalter obliegen.36) Was aus einer falschen Herkunftserklärung folgt, hat der Gesetzgeber nicht geregelt; am naheliegendsten scheint eine Subsumtion der Erklärungspflicht unter die „Mitwirkungs- und Auskunftspflichten“, womit eine – ggf. nachträgliche – Versagung auf der Grundlage der §§ 290 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 297a auf Antrag eines Gläubigers in Betracht käme.37)
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Der Schuldner ist für das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen, also die vollständige Berichtigung der Kosten und die jeweils geforderte Tilgung weiterer Verbindlichkeiten, darlegungs- und beweispflichtig.38) Gemäß Absatz 2 Satz 3 kann er den Beweis aber bereits durch einfache Glaubhaftmachung dieser Voraussetzungen führen; genügen kann insoweit etwa schon eine Bezugnahme auf eine die Begleichung der Verbindlichkeiten ausweisende Abrechnung des Treuhänders39) oder eben
_____________ 33) So ausdrückl. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 46. 34) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 46. 35) In allen vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren gilt die Antragspflicht „analog § 299“. Ist das Gericht bereits mit einer Entscheidung befasst, etwa mit der über die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 289, wird ein solcher Antrag aber als bereits in dem ursprünglichen Restschuldbefreiungsantrag nach § 287 Abs. 1 enthalten anzusehen und damit zu berücksichtigen sein: BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322 ff = NZI 2005, 399; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 299 Rz. 13 a. E. 36) Frind, BB 2013, 1674, 1677. 37) So auch Frind, BB 2013, 1674, 1677, der dort auch in Fn. 37 über eine Widerrufsmöglichkeit analog § 303 nachdenkt. 38) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 46. 39) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399.
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Berichte und Bescheinigungen des Insolvenzverwalters, dass die Masse zur Begleichung jener Verbindlichkeiten ausreicht.40) III. Verfahren und Entscheidung Ist die Abtretungsfrist verstrichen oder hat der Schuldner einen Antrag auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt, ist das Gericht zur Entscheidung berufen.
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In beiden Fällen führt es gemäß Absatz 1 Satz 1 (im Falle eines Schuldnerantrages i. V. m. Absatz 1 Satz 3) von Amts wegen eine Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Schuldners und des Treuhänders bzw. – bei noch laufendem Insolvenzverfahren – des Insolvenzverwalters durch; sie kann schriftlich erfolgen,41) etwa auch in der Form, dass in einem im Internet zu veröffentlichenden Beschluss eine Frist bestimmt wird, innerhalb derer die Gläubiger Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen können.42)
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Im Rahmen des Absatzes 343) haben die Gläubiger und der Treuhänder grundsätzlich letztmalig die Gelegenheit, einen Versagungsantrag nach den §§ 296 – 298 zu stellen. Das passt natürlich nicht für den Fall, in denen das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist, da die Obliegenheiten nach § 290 den Schuldner noch nicht haben treffen können; stattdessen sind die für diese Situation passenden Anforderungen des § 290 heranzuziehen, auf deren Basis die Gläubiger Versagungsanträge stellen können.44) Werden entsprechende Versagungsanträge gestellt, so gelten die Ausführungen zum Verfahren und den materiellen wie formellen Voraussetzungen bei den jeweiligen Normen entsprechend.
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Im Falle des Antrages auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung steht den Insolvenzgläubigern die Möglichkeit offen, das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der vorzeitigen Restschuldbefreiung geltend zu machen; von dieser Geltendmachung hängt schließlich ab, ob sie nach einer für den Schuldner positiven Entscheidung noch die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde haben, wie sich aus Absatz 4 Satz 1 ergibt.
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_____________ 40) Vgl. Frind, BB 2013, 1674, 1675, der auch eine Anregung beim Insolvenzgericht zur amtswegigen Anforderung eines solchen Berichts empfiehlt, da dem Schuldner die letztendliche Darlegung mangels aktueller Tabelle nicht eigenständig möglich sein dürfte. 41) Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 189, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 563; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 300 Rz. 16. 42) BGH, Beschl. v. 18.10.2012 – IX ZB 131/10, WM 2012, 2250 f; gegen die Versäumung jener Frist kommt ausnahmsweise auch eine Wiedereinsetzung eines Gläubigers in Betracht, vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 229/11, ZIP 2014, 86 ff = ZVI 2014, 32, dazu EWiR 2014, 89 (Vallender). 43) In vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren: Abs. 2 a. F. 44) So schon die Rechtslage auch in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren: BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68 ff = ZInsO 201, 102; BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 196/09, NZI 2010, 577 ff = ZInsO 2010, 1011; LG Hannover, Beschl. v. 12.12.2008 – 20 T 153/08, ZInsO 2009, 207 f; LG Dresden, Beschl. v. 11.6.2008 – 5 T 507/08, ZVI 2008, 305 f = NZI 2008, 508; AG Göttingen, Beschl. v. 2.9.2009 – 74 IN 34/03, ZVI 2010, 33 ff = NZI 2009, 779; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 300 Rz. 10; v. Gleichenstein, ZVI 2009, 93 ff; Henning, ZInsO 2007, 1253 ff; Kobialka/Schmittmann, ZInsO 2009, 653 f.
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§ 300
Entscheidung über die Restschuldbefreiung
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Wird kein Versagungsantrag gestellt und auch das Vorliegen der Voraussetzungen der vorzeitigen Erteilung nicht in Frage gestellt, spricht das Gericht die – ggf. vorzeitige – Erteilung der Restschuldbefreiung durch Beschluss aus.
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Hierfür ist, soweit der Richter das Verfahren nicht an sich gezogen hat, grundsätzlich der Rechtspfleger zur Entscheidung berufen; dem Richter per se vorbehalten sind nur die Fälle, in denen über den Versagungsantrag eines Insolvenzgläubigers zu entscheiden ist. (vgl. § 3 Nr. 2 Buchst. e i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG).
27
Der Beschluss des Gerichts ist – im Falle der Versagung wie auch der Erteilung der Restschuldbefreiung – öffentlich bekannt zu machen, Absatz 4.45) Eine Veröffentlichungspflicht im Bundesanzeiger gibt es nicht mehr, auch nicht mehr für vor dem 30.11.2001 eröffnete Insolvenzverfahren (vgl. § 9 Abs. 1, Art. 103c EGInsO i. d. F. des Gesetzes v. 12.12.2007, BGBl. I 2007, 2840.)
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Gläubiger und Schuldner haben nach Absatz 4 Satz 246) gegen die sie beschwerende Entscheidung – der Gläubiger nur dann, wenn er selbst den Versagungsantrag gestellt oder das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der vorzeitigen Erteilung geltend gemacht hat47) – die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde.48) Eine Abweichung von den Regelungen der §§ 296 – 298 gibt es hier lediglich im Hinblick auf den Treuhänder, dem nach Ablauf der Abtretungsfrist keine Beschwerdemöglichkeit gegen die Ablehnung eines von ihm gestellten Versagungsantrags mehr eingeräumt wird. Kosten entstehen nur im Falle gestellter Versagungsanträge, vgl. oben § 296 Rz. 16. IV. Wirkungen
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Bereits ohne gerichtliche Entscheidung endet mit dem Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung bzw. der Abtretungsfrist auch das Amt des Treuhänders; den Schuldner treffen fortan nicht mehr die Obliegenheiten aus § 295.49) Nach dem Wortlaut des § 294 würde auch die Beschränkung der Gläubigerrechte enden; entsprechend der Zielsetzung des Gesetzgebers müssen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 300 aber weiterhin ausgeschlossen sein. Erst nach rechtskräftiger Versagung lebt das freie Nachforderungsrecht der Gläubiger wieder auf.50) Die Geltendmachung festgestellter Forderungen erfolgt wie in § 201 Abs. 2 bestimmt.
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Im Falle der Erteilung der Restschuldbefreiung gilt § 301. _____________ 45) In vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren: Abs. 3 Satz 1 a. F. 46) In vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren: Abs. 3 Satz 2 a. F. 47) Nur ausnahmsweise kommt auch eine Wiedereinsetzung eines Gläubigers in eine ggf. gesetzte Frist zur Stellungnahme zum Antrag des Schuldners in Betracht, vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 229/11, ZIP 2014, 86 ff = ZVI 2014, 32. 48) Auch gegen die Entscheidung über die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung in vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren muss wegen der Bedeutung der Sache die sofortige Beschwerde möglich sein (entsprechend § 300 Abs. 3, § 289 Abs. 2 Satz 1, im Falle der Entscheidung bereits im Schlusstermin.). 49) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 300 Rz. 2; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 300 Rz. 21. 50) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 300 Rz. 2; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 300 Rz. 21.
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Kexel
§ 300a
Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren
Beschließt das Gericht die vorzeitige Restschuldbefreiung nach Absatz 1 Satz 2, gelten nach Absatz 4 Satz 3 die §§ 299 und 300a51) entsprechend, insbesondere endet also auch die Abtretungsfrist; die Wirkung auch der vorzeitigen Restschuldbefreiung ergibt sich ohne Einschränkung aus § 301.
31
_____________ 51) In allen vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren sind die in § 300a angeordneten Rechtsfolgen ebenfalls entsprechend zu beachten, da sie bereits vor Inkrafttreten dieser Norm durch die höchstrichterliche Rspr. entwickelt wurden, vgl. Näheres bei den Anmerkungen zu § 300a.
§ 300a ) Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren (1) 1Wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt, gehört das Vermögen, das der Schuldner nach Ende der Abtretungsfrist oder nach Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Absatz 1 Satz 2 erwirbt, nicht mehr zur Insolvenzmasse. 2Satz 1 gilt nicht für Vermögensbestandteile, die auf Grund einer Anfechtung des Insolvenzverwalters zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden oder die auf Grund eines vom Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreits oder auf Grund Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters zur Insolvenzmasse gehören. (2) 1Bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung hat der Verwalter den Neuerwerb, der dem Schuldner zusteht, treuhänderisch zu vereinnahmen und zu verwalten. 2Nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung findet die Vorschrift des § 89 keine Anwendung. 3Der Insolvenzverwalter hat bei Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung dem Schuldner den Neuerwerb herauszugeben und über die Verwaltung des Neuerwerbs Rechnung zu legen. (3) 1Der Insolvenzverwalter hat für seine Tätigkeit nach Absatz 2, sofern Restschuldbefreiung rechtskräftig erteilt wird, gegenüber dem Schuldner Anspruch auf Vergütung und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2§ 293 gilt entsprechend.
)
§ 300a eingefügt durch Art. 1 Nr. 30 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Insolvenzfreier Neuerwerb (Abs. 1) .................................................. 3
I.
III. Vereinnahmung und Verwaltung (Abs. 2) .................................................. 8 IV. Vergütung des Insolvenzverwalters (Abs. 3) ............................. 10
Normzweck
Der der Einführung der InsO ebenso wie der anschließenden Änderungen fortlaufend zugrunde liegende Wille des Gesetzgebers zur Ermöglichung des „fresh start“ erfordert es, dem Schuldner dann dafür auch die notwendigen Mittel zu belassen. Die mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffene Vorschrift betrifft diesbezüglich ausschließlich die Fallgestaltung, dass dem Schuldner bereits während des laufenden Kexel
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§ 300a
Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren
Beschließt das Gericht die vorzeitige Restschuldbefreiung nach Absatz 1 Satz 2, gelten nach Absatz 4 Satz 3 die §§ 299 und 300a51) entsprechend, insbesondere endet also auch die Abtretungsfrist; die Wirkung auch der vorzeitigen Restschuldbefreiung ergibt sich ohne Einschränkung aus § 301.
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_____________ 51) In allen vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren sind die in § 300a angeordneten Rechtsfolgen ebenfalls entsprechend zu beachten, da sie bereits vor Inkrafttreten dieser Norm durch die höchstrichterliche Rspr. entwickelt wurden, vgl. Näheres bei den Anmerkungen zu § 300a.
§ 300a ) Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren (1) 1Wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt, gehört das Vermögen, das der Schuldner nach Ende der Abtretungsfrist oder nach Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Absatz 1 Satz 2 erwirbt, nicht mehr zur Insolvenzmasse. 2Satz 1 gilt nicht für Vermögensbestandteile, die auf Grund einer Anfechtung des Insolvenzverwalters zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden oder die auf Grund eines vom Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreits oder auf Grund Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters zur Insolvenzmasse gehören. (2) 1Bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung hat der Verwalter den Neuerwerb, der dem Schuldner zusteht, treuhänderisch zu vereinnahmen und zu verwalten. 2Nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung findet die Vorschrift des § 89 keine Anwendung. 3Der Insolvenzverwalter hat bei Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung dem Schuldner den Neuerwerb herauszugeben und über die Verwaltung des Neuerwerbs Rechnung zu legen. (3) 1Der Insolvenzverwalter hat für seine Tätigkeit nach Absatz 2, sofern Restschuldbefreiung rechtskräftig erteilt wird, gegenüber dem Schuldner Anspruch auf Vergütung und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2§ 293 gilt entsprechend.
)
§ 300a eingefügt durch Art. 1 Nr. 30 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Insolvenzfreier Neuerwerb (Abs. 1) .................................................. 3
I.
III. Vereinnahmung und Verwaltung (Abs. 2) .................................................. 8 IV. Vergütung des Insolvenzverwalters (Abs. 3) ............................. 10
Normzweck
Der der Einführung der InsO ebenso wie der anschließenden Änderungen fortlaufend zugrunde liegende Wille des Gesetzgebers zur Ermöglichung des „fresh start“ erfordert es, dem Schuldner dann dafür auch die notwendigen Mittel zu belassen. Die mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffene Vorschrift betrifft diesbezüglich ausschließlich die Fallgestaltung, dass dem Schuldner bereits während des laufenden Kexel
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§ 300a
Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren
Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erteilt wurde. Dem Schuldner soll hier nach dem Willen des Gesetzgebers kein Nachteil dadurch entstehen, dass das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, vielmehr soll sein Vertrauen in einen wirtschaftlichen Neustart nach Erlangung der Restschuldbefreiung gestärkt werden.1) 2
Absatz 1 regelt dabei die Zuordnung des nach dem Ende der Abtretungsfrist bzw. nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen einer vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung erworbenen Vermögens entweder noch zur Insolvenzmasse oder zu insolvenzfreiem (Neu-)Vermögen des Schuldners. Absatz 2 Sätze 1 und 3 verpflichten den Insolvenzverwalter zur treuhänderischen Vereinnahmung, Verwaltung und schließlich Herausgabe und Rechnungslegung betreffend den Neuerwerb. Absatz 2 Satz 2 eröffnet Gläubigern die Vollstreckung in das „neue“ insolvenzfreie Vermögen nach rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung. Absatz 3 bestimmt schließlich, dass und wie die treuhänderische Verwaltung des Neuerwerbs durch den Insolvenzverwalter vergütet wird. II. Insolvenzfreier Neuerwerb (Abs. 1)
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Absatz 1 sieht für den Fall der Erteilung der Restschuldbefreiung bei noch laufendem Insolvenzverfahren – diese Konstellation ist insbesondere in ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren zu erwarten, für die die Möglichkeiten der vorzeitigen Restschuldbefreiung in § 300 Abs. 1 Satz 2 geschaffen wurden, aber grundsätzlich auch weiter bei regulärer Restschuldbefreiungsdauer möglich – eine weitgehende Insolvenzfreiheit des schuldnerischen Neuerwerbs nach Ende der Abtretungsfrist bzw. nach dem Vorliegen der Voraussetzungen der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung vor. Damit lehnt sich die Regelung sehr stark an eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs an, der über die seinerzeit nicht geregelte und in Rechtsprechung und Literatur sehr umstrittene Frage zu entscheiden hatte.2) Anknüpfend an den Regelungszweck des § 287 Abs. 2 soll danach der Masse die Abtretung bzw. der Neuerwerb nach Ablauf der Abtretungsfrist nicht mehr zugutekommen, wenn Restschuldbefreiung erteilt wird; entsprechendes gilt bei vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung ab Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen.
4
Weil dem – redlichen – Schuldner kein Nachteil dadurch entstehen soll, dass das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, erstreckt sich die Insolvenzfreiheit nicht nur auf die bisher der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 unterfallenden Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge, sondern nach Absatz 1 Satz 1 grundsätzlich auf das gesamte Vermögen, das der Schuldner nach dem Ende der Abtretungsfrist erwirbt, also etwa Erbschaften, Schenkungen, Lottogewinne – schlicht alles, was anderenfalls gemäß § 35 Abs. 1 Alt. 2 als vom Schuldner „erlangt“ der Insolvenzmasse zufließen würde. Ausgenommen sind allein Vermögenszuflüsse der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art: Beruhen sie auf vom Insolvenzverwalter geführten Anfechtungsprozessen oder resultieren aus anderen bereits eingeklagten, massebefangenen _____________ 1) 2)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 46. BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68 ff = ZInsO 2010, 102 m. w. N.
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Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren
§ 300a
Forderungen sowie auf sonstigen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters, „gehören“ sie zur Insolvenzmasse. Vor dem Hintergrund, dass diese praktisch sämtlich auf Tätigkeiten des – aus der Masse vergüteten – Insolvenzverwalters im weiteren Sinne zurückgehen, erschien es dem Gesetzgeber unbillig, sie nunmehr dem Schuldner zukommen zu lassen, nur weil der Anfechtungs- oder ein anderer Prozess oder eine andere Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters erst nach Ablauf der Abtretungsfrist abgeschlossen werden kann.3) Daraus ergibt sich zugleich eine weitere „ungeschriebene“ Voraussetzung für die weitere Zuordnung dieser Vermögensbestandteile zur Insolvenzmasse – die zugrunde liegenden Prozesse und Verwertungshandlungen müssen sämtlich vor der Erteilung der Restschuldbefreiung, präziser noch vor dem jeweils für die Zuordnung nach Absatz 1 maßgeblichen Zeitpunkt anhängig gemacht oder eingeleitet worden sein.4) Die grundlegende Voraussetzung der „endgültigen“ Zuordnung des Neuerwerbs in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners (oder eben der Insolvenzmasse nach Absatz 1 Satz 2) ist die rechtskräftige Erteilung der Restschuldbefreiung, gleichviel, ob sie „regulär“ nach dem Ende der sechs Jahre oder vorzeitig aus den Gründen des § 300 Abs. 1 Satz 2 erfolgt. Davon zu unterscheiden ist der Zeitpunkt, ab wann der Zufluss als solcher Neuerwerb betrachtet werden muss. Dies ist konsequenterweise nicht das Datum jener Entscheidung bzw. deren Rechtskraft, weil dieses wiederum von Umständen abhängt, die der Schuldner nicht beeinflussen kann und die von Fall zu Fall (sehr) verschieden lange Zeit benötigen.5)
5
Im Fall der Restschuldbefreiung nach dem Ende der nicht abgekürzten Abtretungsfrist (§ 300 Abs. 1 Satz 1) kommt es daher auf den Zeitpunkt an, zu dem die Abtretungsfrist endet; jeglicher Neuerwerb nach diesem einfach festzustellenden Stichtag unterfällt der von § 300a vorgenommenen Zuordnung in Schuldnervermögen oder Masse. Etwas problematischer ist die Feststellung des Stichtages in den Fällen der vorzeitigen Erteilung, den Absatz 1 mit „nach Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Absatz 1 Satz 2“ definiert. Könnte in den Fällen des § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 – bei Befriedigung bzw. Begleichung der jeweils geforderten Quote und/oder Verbindlichkeiten – noch auf den Ablauf der maßgeblichen Frist – also drei bzw. fünf Jahre – abgestellt werden, müsste im Falle von Nummer 1 individuell der Zeitpunkt ermittelt werden, wann entweder sämtliche Gläubiger befriedigt wurden oder zu dem sicher festgestellt werden kann, dass keine Anmeldungen vorliegen (wobei hier auch überlegt werden könnte, dass dann diese Voraussetzung ja schon von Beginn an vorlag). In allen Fällen ist aber als weitere Voraussetzung, die i. S. von Absatz 1 Satz 1 vorliegen muss, immer der Antrag des Schuldners zu fordern; dies schon deshalb, damit der Insolvenzverwalter überhaupt wissen kann, dass die (ggf. vorsorgliche) treuhänderische Verwaltung gemäß _____________
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3) 4) 5)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 47. So auch ausdrückl. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 47: „… oder aus anderen bereits eingeklagten, massebefangenen Forderungen …“. So schon die Vorauflage [3. Aufl.] zu § 300 Rz. 12 unter Bezugnahme auf BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68 ff = ZInsO 201, 102; BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 196/09, NZI 2010, 577 ff = ZInsO 2010, 1011; seinerzeit noch a. A. LG Hannover, Beschl. v. 12.12.2008 – 20 T 153/08, ZInsO 2009, 207 f; ebenso Wilhelm, ZInsO 2009, 208 (Urteilsanm.); Kobialka/Schmittmann, ZInsO 2009, 653 f.
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§ 300a
Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren
Absatz 2 beginnt. Somit wird das (Eingangs-)Datum des Antrags auf vorzeitige Erteilung, den der Schuldner in der Regel erst bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen stellen wird, in fast allen Fällen auch der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Zuordnung nach § 300a sein, jedenfalls immer der frühestmögliche.6) 7
Die Differenzierung der Zuordnung neuer Vermögenszuflüsse in Absatz 1 stellt – wie auch etwa die Regelung zum „neuen“ Widerrufsgrund in § 303 Abs. 1 Nr. 3 – zudem klar, dass unabhängig von der Erteilung der Restschuldbefreiung das zugrunde liegende Insolvenzverfahren weiter durchgeführt wird und durchzuführen ist. So bleibt der Insolvenzbeschlag des bis zum jeweils maßgeblichen Zeitpunkt der Masse zugeflossenen Vermögens erhalten. Insoweit kann auch nicht etwa das Insolvenzverfahren wegen Wegfall des Eröffnungsgrundes gemäß § 212 eingestellt werden, weil etwa die bisherigen Insolvenzforderungen durch die Erteilung der Restschuldbefreiung zu unvollkommenen Verbindlichkeiten geworden wären.7) III. Vereinnahmung und Verwaltung (Abs. 2)
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Aus der Abhängigkeit der Zuordnung des Neuerwerbs gemäß Absatz 1 von der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung folgt, dass der Insolvenzverwalter – bzw. der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren – verpflichtet sein muss, den Neuerwerb des Schuldners vom nach Absatz 1 Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt an treuhänderisch zu vereinnahmen und zu verwalten. Kommt es zur Erteilung der Restschuldbefreiung, hat er diesen an den Schuldner auszukehren; wird die Restschuldbefreiung versagt, fällt der Neuerwerb weiter in die Insolvenzmasse.8) Absatz 2 Satz 1 bestimmt insofern die Dauer der treuhänderischen Vereinnahmung und Verwaltung des nicht dem Absatz 1 Satz 2 unterfallenden Neuerwerbs durch den Insolvenzverwalter bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung; Absatz 2 Satz 3 spricht die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Herausgabe des verwalteten Neuerwerbs bei der rechtskräftigen Erteilung aus und erlegt diesem auf, dem Schuldner Rechnung über seine Verwaltungstätigkeit zu legen. Nach diesem Zeitpunkt kann und wird der Schuldner den Neuerwerb wieder selbst vereinnahmen.
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Da der Neuerwerb nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegt und auch nicht mehr für die Insolvenzgläubiger gesichert werden muss, ordnet Absatz 2 Satz 2 an, dass – nach der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung – diesbezüglich auch die Vollstreckungsbeschränkungen des § 89 nicht mehr greifen. Damit kommt auch § 89 Abs. 2 nicht mehr zur Anwendung, was bedeutet, dass nach der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung sowohl die Neugläubiger als auch die Insolvenzgläubiger mit den nach § 302 ausgenommenen Forderungen in das insolvenzfreie Vermögen und somit auch in den Neuerwerb vollstrecken können, also auch in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuld_____________ 6) 7) 8)
A. A. Frind, BB 2013, 1674, 1679, der den Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung für maßgeblich hält. BGH, Beschl. v. 23.1.2014 – IX ZB 33/13, WM 2014, 359 f m. w. N. So schon zur Rechtslage vor dem 1.7.2014: BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 196/09, NZI 2010, 577 ff = ZInsO 2010, 1011; BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68 ff = ZInsO 201, 102.
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§ 301
Wirkung der Restschuldbefreiung
ners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dies ist deswegen gerechtfertigt, weil diese auch nicht mehr für die Insolvenzgläubiger gesichert werden müssen bzw. auch – weil nunmehr endgültig dem Schuldnervermögen zugeordnet – nicht mehr gesichert werden können.9) IV. Vergütung des Insolvenzverwalters (Abs. 3) Absatz 3 regelt den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters für die ihm gemäß Absatz 2 Satz 1 auferlegte treuhänderische Vereinnahmung und Verwaltung des Neuerwerbs. Durch die Verweisung auf § 293 in Absatz 3 Satz 2 ist deutlich gemacht, dass sich dessen Höhe wie bei dem Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren nach dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit richten soll. Über die Verweisung gilt auch § 293 Abs. 2, der wiederum auf § 64 verweist, so dass die Vergütung schließlich vom Insolvenzgericht auf der Grundlage von § 14 InsVV festzusetzen ist. Auf die entsprechende Kommentierung der entsprechenden Normen kann vollumfänglich verwiesen werden.10) _____________ 9) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 47. 10) Soweit die Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 47, davon spricht, dass § 14 Abs. 3 InsVV nicht entsprechend anwendbar sein soll, hat dies im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden, so dass grundsätzlich auch eine Mindestvergütung gemäß § 14 Abs. 3 InsVV in Betracht kommt.
§ 301 Wirkung der Restschuldbefreiung (1) 1Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. 2Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. (2) 1Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. 2Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern. (3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten. Literatur: Prütting/Stickelbrock, Ist die Restschuldbefreiung verfassungswidrig?, ZVI 2002, 305. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Betroffene Gläubiger (Abs. 1) ............ 2 III. Fortbestand der Sicherungsrechte (Abs. 2) .................................................. 6
IV. „Unvollkommene Verbindlichkeit“ (Abs. 3) .................................. 8 V. Steuerrecht (Sanierungsgewinn) ...... 13
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Wirkung der Restschuldbefreiung
ners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Dies ist deswegen gerechtfertigt, weil diese auch nicht mehr für die Insolvenzgläubiger gesichert werden müssen bzw. auch – weil nunmehr endgültig dem Schuldnervermögen zugeordnet – nicht mehr gesichert werden können.9) IV. Vergütung des Insolvenzverwalters (Abs. 3) Absatz 3 regelt den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters für die ihm gemäß Absatz 2 Satz 1 auferlegte treuhänderische Vereinnahmung und Verwaltung des Neuerwerbs. Durch die Verweisung auf § 293 in Absatz 3 Satz 2 ist deutlich gemacht, dass sich dessen Höhe wie bei dem Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren nach dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit richten soll. Über die Verweisung gilt auch § 293 Abs. 2, der wiederum auf § 64 verweist, so dass die Vergütung schließlich vom Insolvenzgericht auf der Grundlage von § 14 InsVV festzusetzen ist. Auf die entsprechende Kommentierung der entsprechenden Normen kann vollumfänglich verwiesen werden.10) _____________ 9) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 47. 10) Soweit die Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 47, davon spricht, dass § 14 Abs. 3 InsVV nicht entsprechend anwendbar sein soll, hat dies im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden, so dass grundsätzlich auch eine Mindestvergütung gemäß § 14 Abs. 3 InsVV in Betracht kommt.
§ 301 Wirkung der Restschuldbefreiung (1) 1Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. 2Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. (2) 1Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. 2Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern. (3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten. Literatur: Prütting/Stickelbrock, Ist die Restschuldbefreiung verfassungswidrig?, ZVI 2002, 305. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Betroffene Gläubiger (Abs. 1) ............ 2 III. Fortbestand der Sicherungsrechte (Abs. 2) .................................................. 6
IV. „Unvollkommene Verbindlichkeit“ (Abs. 3) .................................. 8 V. Steuerrecht (Sanierungsgewinn) ...... 13
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§ 301 I. 1
Wirkung der Restschuldbefreiung
Normzweck
Die Vorschrift bestimmt die Reichweite der vom Gericht beschlossenen Restschuldbefreiung. Absatz 1 erstreckt ihre Wirkungen auf alle, auch die nicht am Verfahren teilnehmenden Insolvenzgläubiger, nach Absatz 2 können die Gläubiger auf persönliche oder dingliche Sicherheiten nach wie vor zugreifen. Absatz 3 begründet die Umwandlung der Restschuld zur „unvollkommenen Verbindlichkeit“,1) die noch kondiktionsfest erfüllt, aber nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden kann. II. Betroffene Gläubiger (Abs. 1)
2
Um den vom Gesetzgeber beabsichtigten „wirtschaftlichen Neuanfang“ zu ermöglichen, bedarf es der in Absatz 1 angeordneten Erstreckung der Restschuldbefreiung auf alle Insolvenzgläubiger i. S. des § 38, also aller persönlichen Gläubiger des Schuldners, die zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten; auch jener, die nicht am Verfahren teilgenommen und ihre Forderung nicht angemeldet haben, wie Absatz 1 Satz 2 bestimmt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Anmeldung entschuldbar nicht oder auch nur verspätet erfolgte.2) Auch wenn der Gläubiger gar keine Kenntnis von der Eröffnung erlangt hat, bleibt es bei der umfassenden Wirkung; die Forderung ist nicht mehr durchsetzbar.
3
Das Ergebnis ist verfassungsrechtlich haltbar,3) besteht doch ohnehin infolge der Bekanntmachungsvorschriften für alle die Möglichkeit, die Kenntnis über die Insolvenzeröffnung betreffend des „eigenen“ Schuldners zu erlangen.4) Die Forderung muss so auch nicht im Wege einer Art „nachträglicher Anmeldung“ analog § 177 zu einer anteilsmäßigen Befriedigung gebracht werden.5) In der Wohlverhaltensphase – und erst recht danach – können Anmeldung und Prüfung einer Forderung nicht mehr erfolgen.6)
4
Die Restschuldbefreiung erstreckt sich auch auf die während der Wohlverhaltensperiode aufgelaufenen Zinsen, auch wenn § 39 Abs. 1 Nr. 1 nicht unmittelbar gilt.7)
_____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6) 7)
Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 1; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 8 ff; Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 1. BGH, Urt. v. 16.12.2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244 = WM 2011, 271; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 2; Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 6; bei Nichtanmeldung kann sich die Restschuldbefreiung sogar auf einen – dem Grunde nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen – prozessualen Kostenerstattungsanspruch erstrecken, auch wenn die Kostengrundentscheidung erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung ergangen ist, OLG Nürnberg, Beschl. v.21.6.2012 – 12 W 1132/12, ZInsO 2012, 1626 ff; OLG Köln, Beschl. v. 2.4.2012 – 17 W 189/11, ZVI 2013, 50 f. Vgl. hierzu Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 3, ausführl. § 286 Rz. 6 ff; a. A. Prütting/ Stickelbrock, ZVI 2002, 305, 307. Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 6 a. E. So aber Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 2a. Ausdrückl. BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399. Statt – soweit ersichtlich – aller: Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 4 m. w. N.
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§ 301
Wirkung der Restschuldbefreiung
Nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden all die Forderungen, die keine Insolvenzforderungen sind. Hierzu zählen etwa Masseforderungen;8) Unterhaltsforderungen, soweit sie erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind (und nicht dem § 40 unterfallen),9) sowie Forderungen, die erst nach Eröffnung begründet wurden („Neugläubiger“).10) Rechte, die keine Vermögensansprüche darstellen und daher auch nicht angemeldet werden können, können ebenfalls nicht der Restschuldbefreiung unterliegen.11) Schließlich sind Aussonderungsberechtigte keine Insolvenzgläubiger (§ 47), auf die sich die Restschuldbefreiung auswirken könnte.
5
III. Fortbestand der Sicherungsrechte (Abs. 2) Von der Umwandlung der der Restschuldbefreiung unterliegenden Hauptforderung in eine unvollkommene Verbindlichkeit bleiben die in Absatz 2 aufgeführten Rechte unberührt. Der Gläubiger behält seine Ansprüche gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners, ebenso die Rechte aus dinglicher Sicherung. So können auch die im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht gewährenden Rechte etwa aus Sicherungsübereignungen, Grundschuldbestellung etc. nach Erteilung der Restschuldbefreiung in vollem Umfang realisiert werden.12)
6
Der im Falle der Inanspruchnahme bestehende Rückgriffsanspruch der „Sicherungsgeber“ gegen den Schuldner wiederum unterfällt – im Hinblick auf die beabsichtigte Möglichkeit des wirtschaftlichen Neuanfangs notwendigerweise – der Restschuldbefreiung. Nutznießer der Schuldbefreiung kann somit immer nur der Schuldner sein; die Regelung in Absatz 2 versperrt auch mithaftenden Familienangehörigen den Weg dazu, wenn sie nicht selbst ein entsprechendes Verfahren durchlaufen.13) Eventuelle Unbilligkeiten sind nicht vom Insolvenzrecht zu lösen, sondern ggf. – Stichwort „Angehörigenbürgschaft“ – über § 138 BGB.14)
7
IV. „Unvollkommene Verbindlichkeit“ (Abs. 3) Absatz 3 bestimmt die Wirkung der Restschuldbefreiung auf die von ihr erfassten Forderungen in Anlehnung an die Wirkungen eines Vergleichs oder Zwangsvergleichs nach altem Recht auf den erlassenen Teil der Vergleichsforderungen (vgl. § 82 VglO, § 193 KO); wie diese bleiben sie erfüllbar, aber nicht erzwingbar.15)
8
Die Forderung ist damit nicht erloschen; Absatz 3 steht auch einer Neubegründungsvereinbarung nicht entgegen. Ein nach Erteilung der Restschuldbefreiung _____________
9
8) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 3; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 7; jedenfalls für den Fall vorangegangener Einstellung nach § 211: Landfermann in: HKInsO, § 301 Rz. 11. 9) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 3; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 5. 10) Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 4; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 7. 11) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 7; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 8. 12) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 6; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 18. 13) Dies hat der Gesetzgeber bewusst entschieden; vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 194, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 564 – gegen die Forderung des BR, BT-Drucks. 12/2443, S. 258, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 564 f. 14) Zutreffend Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 16. 15) BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06, ZVI 2009, 40 f = NZI 2008, 737; Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 1; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 8; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 1.
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§ 301
Wirkung der Restschuldbefreiung
angesichts der Forderung abgegebenes abstraktes Schuldanerkenntnis oder auch eines Schuldversprechens nach §§ 780, 781 BGB vermag die Klagbar- und Vollstreckbarkeit wieder herzustellen.16) Vor der Erteilung der Restschuldbefreiung scheitert solches am Verbot des Sonderabkommens (§ 294 Abs. 2). 10
Noch umstritten ist, auf welchem Wege der Schuldner sich gegen eine Vollstreckung trotz Restschuldbefreiung wehren kann. Teilweise wird vertreten, die Erteilung der Restschuldbefreiung sei als eine vollstreckungshindernde Entscheidung i. S. des § 775 Nr. 1 ZPO anzusehen, sodass eine ggf. dennoch eingeleitete Zwangsvollstreckung einzustellen wäre.17) Hier stünden dem Schuldner vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe wie etwa die Erinnerung nach § 766 ZPO offen.18) Nach richtiger Auffassung ist indes angesichts des abschließenden Charakters der Aufzählung in § 775 Nr. 1 ZPO für eine entsprechende Anwendung auf den Restschuldbefreiungsbeschluss kein Raum.19) Die durch die Restschuldbefreiung bewirkte „Umgestaltung“ der Forderungen in eine unvollkommene Verbindlichkeit begründet vielmehr einen materiell-rechtlichen Einwand, sodass sich der Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung aus einem bereits u. U. vor dem Insolvenzverfahren erwirkten Titel – oder auch aus dem vollstreckbaren Tabellenauszug20) – nur mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO wehren kann.21)
11
Die Erteilung der Restschuldbefreiung hindert ferner die Aufrechnung gegen neu entstehende Hauptforderungen, weil die Insolvenzforderung nicht mehr durchsetzbar ist.22) Anderes soll gelten, wenn bereits vor dem Insolvenzverfahren die Aufrechnungslage bestand (§ 94 ZPO) oder gemäß § 95 entstanden ist,23) wobei dies kaum einmal in diesem späten Stadium praktisch werden wird.
12
Eine Nachtragsverteilung für die Fälle des § 203 Abs. 1, insbesondere der nachträglichen Ermittlung von Massegegenständen, wird auch durch die Erteilung der Restschuldbefreiung und § 301 InsO nicht ausgeschlossen.24)
_____________ 16) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 11 – mit dem zutreffenden Hinweis, dass insoweit aber ggf. die Formvorschriften einer schenkungsweisen Hingabe zu beachten sind; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 301 Rz. 1a; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 301 Rz. 23; a. A. Döbereiner, Restschuldbefreiung, S. 239. 17) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 12; grundsätzlich auch noch Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 301 Rz. 34; Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 3. 18) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 12. 19) BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06, ZVI 2009, 40 f = NZI 2008, 737; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 301 Rz. 20. 20) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 301 Rz. 20. 21) BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 205/06, ZVI 2009, 40 f = NZI 2008, 737; Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 3; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 301 Rz. 20; i. E. so auch Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 301 Rz. 34; nun auch Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 12. 22) § 387 BGB; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 301 Rz. 11; Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 3; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 301 Rz. 18. 23) Vgl. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 10. 24) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 286 Rz. 81; Landfermann in: HK-InsO, § 301 Rz. 7; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 13.
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§ 302
Ausgenommene Forderungen
V. Steuerrecht (Sanierungsgewinn) Literatur: Dahms, Anmerkung zum Schreiben des BMF v. 22.12.2009, ZInsO 2010, 223.
Durch die Erteilung der Restschuldbefreiung kann bei vormals selbständigen Schuldnern ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn entstehen. Dessen Besteuerung steht allerdings im Widerspruch zu den Zielen der InsO, weshalb durch BMF-Schreiben vom 22.12.200925) die entsprechende Anwendung des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen26) angeordnet wurde. Danach ist die aufgrund der Restschuldbefreiung entstehende Steuer gegen den Schuldner auf seinen Antrag nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses (§ 227 AO) zu stunden. Damit ist die über Jahre bestehende Rechtsunsicherheit, wie der durch die Restschuldbefreiung entstehende Sanierungsgewinn ertragsteuerlich zu behandeln ist, beseitigt. Offen ist demgegenüber noch die gewerbesteuerliche Handhabung des Sanierungsgewinns durch die Gemeinden.27) _____________ 25) BMF v. 22.12.2009 – IV CV 6 – S 2140/07/10001-0, ZIP 2010, 104. 26) BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, ZIP 2003, 690. 27) Dahms, ZInsO 2010, 223.
§ 302 Ausgenommene Forderungen Kexel
Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;*)
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.
)
§ 302 Nr. 1 geändert durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 302 Nr. 1: „1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 angemeldet hatte;“
Literatur: Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, „Insolvenzrechtsreform 2. Stufe – die geplanten Änderungen in der Insolvenz natürlicher Personen“, ZIP 2012, 558.
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§ 302
Ausgenommene Forderungen
V. Steuerrecht (Sanierungsgewinn) Literatur: Dahms, Anmerkung zum Schreiben des BMF v. 22.12.2009, ZInsO 2010, 223.
Durch die Erteilung der Restschuldbefreiung kann bei vormals selbständigen Schuldnern ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn entstehen. Dessen Besteuerung steht allerdings im Widerspruch zu den Zielen der InsO, weshalb durch BMF-Schreiben vom 22.12.200925) die entsprechende Anwendung des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen26) angeordnet wurde. Danach ist die aufgrund der Restschuldbefreiung entstehende Steuer gegen den Schuldner auf seinen Antrag nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses (§ 227 AO) zu stunden. Damit ist die über Jahre bestehende Rechtsunsicherheit, wie der durch die Restschuldbefreiung entstehende Sanierungsgewinn ertragsteuerlich zu behandeln ist, beseitigt. Offen ist demgegenüber noch die gewerbesteuerliche Handhabung des Sanierungsgewinns durch die Gemeinden.27) _____________ 25) BMF v. 22.12.2009 – IV CV 6 – S 2140/07/10001-0, ZIP 2010, 104. 26) BMF v. 27.3.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, ZIP 2003, 690. 27) Dahms, ZInsO 2010, 223.
§ 302 Ausgenommene Forderungen Kexel
Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;*)
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.
)
§ 302 Nr. 1 geändert durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 302 Nr. 1: „1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 angemeldet hatte;“
Literatur: Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, „Insolvenzrechtsreform 2. Stufe – die geplanten Änderungen in der Insolvenz natürlicher Personen“, ZIP 2012, 558.
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§ 302
Ausgenommene Forderungen Übersicht
I. Normzweck ........................................... II. Rechtsfolge ........................................... III. Verbindlichkeiten aus vorangegangenem gläubigerschädigenden Tun ........................................................ 1. Verbindlichkeiten aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (Nr. 1 Alt. 1) ......................................... 2. Verbindlichkeiten aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem Unterhalt (Nr. 1 Alt. 2) ........................
I. 1
1 2 4 5
3.
Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis (Nr. 1 Alt. 3) ....................................... 10 4. Anmeldung zur Tabelle ...................... 13 IV. Geldstrafen und die diesen gleichgestellten Verbindlichkeiten (Nr. 2) ...................................... 15 V. Darlehen zur Aufbringung der Verfahrenskosten (Nr. 3) .................. 16
7
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Normzweck
Die Vorschrift bestimmt drei Gruppen von Forderungen, für die ungeachtet der Restschuldbefreiung die Nachhaftung des Schuldners bestehen bleibt; der Bestand und die Durchsetzbarkeit jener Forderungen werden vom Gesetzgeber als in solchem Maße besonders schutzwürdig erachtet, dass sich der Schuldner ihnen nicht entziehen können soll.1) II. Rechtsfolge
2
§ 302 begründet erst ab rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung eine Sonderstellung der in Nummern 1 – 3 genannten Forderungen; erst jetzt können die begünstigten Gläubiger ihre Forderungen unbeschränkt geltend machen und in das Vermögen des Schuldners vollstrecken.2) Für das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt werden die ausgenommenen Forderungen als gewöhnliche Insolvenzforderung behandelt3) (die in Nummer 2 genannten also als nachrangige Forderung, § 39 Abs. 1 Nr. 3).
3
Die Vollstreckung wird regelmäßig aus der Eintragung in der Tabelle erfolgen. Wie bei nicht privilegierten Forderungen ist die Zwangsvollstreckung erst ab Rechtskraft der Erteilung möglich (vgl. auch oben zu § 294 Rz. 2),4) was indes die vorherige Erteilung eines vollstreckbaren Tabellenauszugs nicht hindert.5) III. Verbindlichkeiten aus vorangegangenem gläubigerschädigenden Tun
4
Nummer 1, die, in der alten – und für alle noch vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren geltenden – Fassung (siehe oben), lediglich Verbindlichkeiten aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung von der Restschuldbefreiung ausnahm (unten Rz. 5 f), wurde mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte um zwei weitere Ausnahmen _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 194, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 566. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 35; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 35; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 4. Landfermann in: HK-InsO, § 302 Rz. 17; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 4. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 301 Rz. 36. LG Göttingen, Beschl. v. 22.9.2005 – 10 T 89/05, ZVI 2005, 554, 555 = ZInsO 2005, 1113, 1114; Landfermann in: HK-InsO, § 302 Rz. 18; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 36.
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Kexel
§ 302
Ausgenommene Forderungen
ergänzt. In allen ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren werden zusätzlich –
Forderungen aus rückständigem gesetzlichen und vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem Unterhalt (unten Rz. 7 f) ebenso wie
–
Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis, in deren Zusammenhang der Schuldner wegen einer Steuerstraftat verurteilt wurde (unten Rz. 10 f),
nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Allen der in Nummer 1 aufgeführten Ausnahmen ist gemein, dass sie nur dann greifen, wenn der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes gemäß § 174 Abs. 2 angemeldet hat (unten Rz. 13). 1.
Verbindlichkeiten aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (Nr. 1 Alt. 1)
Der Schuldner muss eine unerlaubte Handlung i. S. des §§ 823 ff BGB verwirklicht haben. Besondere Bedeutung hat § 823 Abs. 2 BGB, aufgrund dessen vielfach die Verletzung von Schutzgesetzen, so insbesondere von Straftatbeständen, die Ausnahme von der Restschuldbefreiung begründen kann. Dabei muss der Schuldner zunächst den Tatbestand vorsätzlich verwirklicht haben; Fahrlässigkeit, auch grobe, reicht angesichts des ausdrücklichen Wortlauts nicht aus. Mit Blick auf den Ausnahmecharakter der Nummer 1 und der zugrunde liegenden Billigkeitserwägung – der Schuldner soll nicht von Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger befreit werden, den er vorsätzlich geschädigt hat – muss sich der Vorsatz auch auf die Schadensfolge beziehen.6) So reicht etwa die Verwirklichung einer „VorsatzFahrlässigkeitskombination“, wie sie bei Straßenverkehrsdelikten anzutreffen ist, nicht aus; die strafrechtliche Einordnung als Vorsatztat nach § 11 Abs. 2 StGB kann auf § 302 nicht übertragen werden. Der unerlaubten Handlung selbst muss vielmehr eine spezifische Schädigungstendenz innewohnen, um die Ausnahme aus der Restschuldbefreiung begründen zu können.7) Dies trifft indes auf die im Insolvenzumfeld häufig zu erwartenden Straftaten etwa der Unterhaltspflichtverletzung (§ 170 StGB)8), des Eingehungsbetruges (§ 263 StGB), der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB) oder auch die nicht rechtzeitige Anmeldung des Insolvenzverfahrens als Verstoß gegen § 64 Abs. 1 GmbHG9) ohne weiteres zu, hier wird die Schädigung sämtlich mindestens billigend in Kauf genommen.10)
5
Schließlich muss die Forderung des Gläubigers aus der unerlaubten Handlung resultieren; ein bloßer Zusammenhang, wie etwa des Steuernachzahlungsanspruchs mit dem Verstoß gegen § 370 AO, reicht für die Verwirklichung der 1. Alternative
6
_____________ 6) BGH, Urt. 21.6.2007 – IX ZR 29/06, ZVI 2008, 269 f = NJW 2007, 2854 f; WimmerAhrens, FK-InsO, § 302 Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 1a. 7) BGH, Urt. 21.6.2007 – IX ZR 29/06, ZVI 2008, 269 ff = NJW 2007, 2854 f. 8) BGH, Beschl. v. 11.5.2010 – IX ZB 163/09, ZVI 2010, 299 = NZI 2010, 615 – auch zugunsten des Trägers der Unterhaltsvorschusskasse. Für alle ab dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren reicht bereits die vorsätzliche pflichtwidrige Nichtgewährung des Unterhalts als solche aus, vgl. nachstehend Rz. 7 f. 9) Ausdrückl. hierzu BGH, Urt. 21.6.2007 – IX ZR 29/06, ZVI 2008, 269 ff = NJW 2007, 2854 f. 10) BGH, Urt. 21.6.2007 – IX ZR 29/06, ZVI 2008, 269 ff = NJW 2007, 2854 ff.
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§ 302
Ausgenommene Forderungen
nicht aus.11) Vielmehr bestimmt sich der Kreis der von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen allein danach, welche Rechtsfolgen das materielle Schuldrecht an die unerlaubte Handlung knüpft. So sind prozessuale Kostenerstattungsansprüche (etwa ein solcher des Staates auf Ersatz der Verfahrenskosten gemäß § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO12) oder der eines Nebenklägers auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen im Strafprozess13) nicht als solche von Nummer 1 erfasst, sondern nur dann, wenn zugleich ein materiell-rechtlicher deliktischer Erstattungsanspruch besteht.14) Ein solcher besteht aber für Nebenkosten wie Zinsen auf die – deliktische – Hauptforderung, die ohne weiteres ebenfalls von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind.15) Dies gilt selbst dann, wenn sie mangels Aufforderung zur Anmeldung nachrangiger Forderungen nicht mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind.16) 2.
Verbindlichkeiten aus vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem Unterhalt (Nr. 1 Alt. 2)
7
Diese mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffene – und damit auch erst für alle ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren geltende – Alternative bestimmt, dass auch Verbindlichkeiten aus rückständigem Unterhalt, der auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und vom Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt worden ist, von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind. Anders als die strafrechtlich gemäß § 170 StGB bewehrte Unterhaltspflichtverletzung (und damit schon nach altem Recht nach ganz h. M. eine „Verbindlichkeit aus unerlaubter Handlung“ über § 823 Abs. 2 BGB auslösende) setzt diese Fallgruppe also nicht voraus, dass der Unterhaltsberechtigte durch die Pflichtverletzung in seinem Lebensbedarf gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre.
8
Aus dem Begriff der „vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit“ ergibt sich, dass also folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen: –
die Verbindlichkeit muss aus einer gesetzlichen Unterhaltspflicht herrühren,
–
der Unterhaltsberechtigte muss bedürftig sein,
–
der Unterhaltsschuldner muss leistungsfähig sein und
_____________ 11) Weil die Schuld aufgrund der Verwirklichung des Steuertatbestandes, nicht aus der Hinterziehung entsteht; BFH, Urt. v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZVI 2008, 497 ff = NJW 2008, 3807 f; zuvor schon BFH, Urt. v. 24.10.1996 – VII R 113/94, NJW 1997, 1725, 1726 = BB 1997, 671 – § 370 AO kein Schutzgesetz; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 2a; Landfermann in: HK-InsO, § 302 Rz. 8. Auf die so empfundene Gerechtigkeitslücke hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 reagiert und entsprechende Verbindlichkeiten ausdrücklich in Nr. 1 aufgenommen, vgl. nachstehend Rz. 10 f. 12) Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.11.2010 – VI ZR 17/10, ZInsO 2011, 430 = NZI 2011, 64. 13) BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 151/10, ZIP 2011, 1633 = ZVI 2011, 334. 14) BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 151/10, ZIP 2011, 1633 = ZVI 2011, 334. 15) BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 67/10, ZVI 2011, 93 = WM 2011, 131; BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 247/09, ZIP 2011, 37 = ZInsO 2011, 41, dazu EWiR 2010, 261 (Riedemann). 16) BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 67/10, ZVI 2011, 93 = WM 2011, 131.
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§ 302
Ausgenommene Forderungen
trotzdem die Unterhaltsschuld vorsätzlich, bedingter Vorsatz reicht auch hier und wird in dieser Konstellation in aller Regel zu bejahen sein, nicht oder nicht in dem ihm möglichen Umfang beglichen haben. Anwendungsfall der Nummer 2 werden nicht nur originäre Ansprüche der Unterhaltsberechtigten selbst sein, sondern auch Rückgriffsansprüche der Unterhaltsvorschussstellen.17) Dies lässt der Gesetzeswortlaut nicht nur zu („Verbindlichkeiten aus.“), sondern ist vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so gewollt, verteidigt doch die Entwurfsbegründung diese Regelung gegen den Vorwurf, sie komme in erster Linie den Unterhaltsvorschussstellen und nicht den Unterhaltsberechtigten zugute, insbesondere mit dem Argument, dass mit „der Durchsetzung des Rückgriffs … positiv auf das künftige Verhalten des Unterhaltsschuldners eingewirkt“ werde.18) 3.
9
Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis (Nr. 1 Alt. 3)
Die mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffene – und damit auch erst für alle ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren geltende – 3. Möglichkeit des Ausschlusses von der Restschuldbefreiung gemäß Nummer 1 beseitigt die insbesondere aus Sicht des Fiskus (und damit aber auch der Allgemeinheit) unbefriedigende Rechtslage, dass Steuerstraftäter sich ggf. über den Weg der Restschuldbefreiung der sie treffenden Nachzahlungspflicht doch noch entziehen können. Weil diese Nachzahlungspflicht aufgrund der Verwirklichung des Steuertatbestandes, nicht aus der Hinterziehung entsteht, konnte sie bisher nicht über den Tatbestand der „Verbindlichkeit aus unerlaubter Handlung“ von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden.19) Mit der neuen Regelung werden die „im Zusammenhang“ mit Steuerstraftaten bestehenden Verbindlichkeiten – diese Begriffswahl verzichtet also auf die bei der unerlaubten Handlung noch vorausgesetzte „unmittelbare“ Herleitung der entsprechenden Steuerschuld aus der Straftat selbst – dem unbegrenzten Nachforderungsrecht des Fiskus unterworfen.
10
Die – in praktisch allen Fällen dieses „Zusammenhangs“ als Nachzahlungspflicht bzw. auch in Form von „Hinterziehungszinsen“ in Erscheinung tretenden – Verbindlichkeiten können jedoch nur ausgenommen werden, wenn der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Dabei spielt es keine Rolle, wann diese Verurteilung erfolgt.20)
11
Weiterhin von der Restschuldbefreiung erfasst bleiben so „gewöhnliche“ Steuerschulden oder auch andere Forderungen der Steuerbehörden, wie etwa Zwangsgelder;21) ein der Verwirklichung eines Steuerstraftatbestandes vergleichbarer Unrechtsgehalt wird hier in aller Regel dem Verhalten des Schuldners nicht anzulasten sein.
12
_____________ 17) Krit. hierzu Laroche/Pruskowski/Schöttler/Siebert/Vallender, ZIP 2012, 558, 561. 18) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 48. 19) BFH, Urt. v. 19.8.2008 – VII R 6/07, ZVI 2008, 497 ff = NJW 2008, 3807 f; zuvor schon BFH, Urt. v. 24.10.1996 – VII R 113/94, NJW 1997, 1725, 1726 = BB 1997, 671 – § 370 AO kein Schutzgesetz; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 2a; Landfermann in: HK-InsO, § 302 Rz. 8. 20) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 49. 21) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 49.
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§ 302 4. 13
14
Ausgenommene Forderungen
Anmeldung zur Tabelle
Wegen des durch das InsOÄndG 2001 eingefügten Halbsatzes in Nummer 1 bedarf es in den Verfahren, die nach dem 30.11.2001 eröffnet wurden, zur Privilegierung nach § 302 zusätzlich, dass der Gläubiger die Forderung unter Angabe des jeweiligen Rechtsgrundes angemeldet hat. Er muss nach § 174 Abs. 2 die Tatsachen angegeben haben, aus denen sich nach seiner Einschätzung die vorsätzliche Begehung der unerlaubten Handlung, die vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder der Zusammenhang der Verbindlichkeit mit einer rechtskräftigen Verurteilung des Schuldners wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO ergibt, sodass der Schuldner die Möglichkeit zum Widerspruch hat. Unterlässt der Gläubiger die Anmeldung oder auch nur die Angabe der entsprechenden Tatsachen, so wird die Forderung in vollem Umfang von der Restschuldbefreiung erfasst, und er kann sie nicht mehr gegen den Schuldner durchsetzen oder vollstrecken.22) Ist das Unterlassen der Anmeldung auf ein bewusstes Verschweigen seitens des Schuldners zurückzuführen, kann dies ggf. eine eigenständige, neue Forderung des Gläubigers begründen, die aber im „normalen“, streitigen Erkenntnisverfahren verfolgt werden muss.23) Eine Nachmeldung des jeweils privilegierenden Grundes ist nach Ablauf der Abtretungsfrist, sei es auch noch vor der Entscheidung über die Restschuldbefreiung, nicht mehr zulässig.24) Wird die Forderung ordnungs- und fristgemäß angemeldet (§ 174 Rz. 10 ff) und widerspricht der Schuldner nicht, so erstreckt sich die Rechtskraft der Tabelleneintragung auf den jeweils einschlägigen Rechtsgrund,25) und die Forderung bleibt von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Den Widerspruch des Schuldners, der die Vollstreckung aus der Tabelle hindern würde (§ 201 Abs. 2 Satz 1), kann der Gläubiger mit der Feststellungsklage nach § 184 Abs. 1 zu beseitigen versuchen und so die Vollstreckbarkeit nach § 201 Abs. 2 Satz 2 wiederherstellen. Ist der Gläubiger im Besitz eines anderweitigen Titels, hat in der Regel aber der Schuldner seinen Widerspruch zu verfolgen, § 184 Abs. 2. IV. Geldstrafen und die diesen gleichgestellten Verbindlichkeiten (Nr. 2)
15
Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind nach Nummer 2 Geldstrafen und sämtliche26) in § 39 Abs. 1 Nr. 3 aufgezählten Verbindlichkeiten des Schuldners. Im Einzelnen sind dies also Geldbußen, Ordnungs- und Zwangsgelder sowie Zahlungsverpflichtungen als Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit; hierzu zählen etwa durch Bewährungsauflagen27) oder i. R. des § 153a StPO28) an _____________ 22) BGH, Urt. v. 16.12.2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244 = WM 2011, 271; Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 29 f; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 1b; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 25 f. 23) BGH, Beschl. v. 6.11.2008 – IX ZB 34/08, NZI 2009, 66. 24) BGH, Urt. v. 7.5.2013 – IX ZR 151/12, ZIP 2013, 1677 ff, dazu EWiR 2013, 623 (Laroche). 25) Vgl. zur unerlaubten Handlung Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 1b. 26) LG München II, Beschl. v. 4.7.2001 – 7 T 2729/01, ZVI 2002, 10, 11 = ZInsO 2001, 720, 721; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 2b; ausführl. Wimmer-Ahrens, FKInsO, § 302 Rz. 28. 27) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 28. 28) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 26.
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§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
geordnete Zahlungen ebenso wie die Einziehung von Wertersatz nach § 74c StGB,29) § 25 OWiG oder die Abführung des Mehrerlöses nach § 8 WiStG.30) Nicht von Nummer 2 umfasst sind etwa Säumniszuschläge nach § 240 AO, Steueransprüche aus § 14 UStG oder Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV.31) Ebenso wenig sind rein prozessuale Kostenerstattungsansprüche, etwa ein Anspruch des Staates auf Ersatz der Kosten des Strafverfahrens gemäß § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO oder auch des Nebenklägers auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen gemäß § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO von der Restschuldbefreiung ausgenommen.32) V. Darlehen zur Aufbringung der Verfahrenskosten (Nr. 3) Die Vorschrift ist eng auszulegen; nur zinslose und ausschließlich zur Begleichung der Verfahrenskosten zweckgebundene Darlehen werden von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Entsprechend der Zielsetzung des Gesetzgebers, unseriösen Geschäftemachern kein neues Betätigungsfeld zu eröffnen,33) ist auch ein solches Darlehen nicht „zinslos“, bei welchem vom Darlehensnehmer Bearbeitungs- oder Vermittlungsgebühren verlangt werden.34)
16
Auch Nummer 3 findet Anwendung nur auf nach dem 30.11.2001 eröffnete Verfahren, Art. 103a EGInsO.
17
_____________ Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 39 Rz. 19; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 28. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 28. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 2b. BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 151/10, ZIP 2011, 1633 = ZVI 2011, 334; vgl. auch oben zu § 302 Rz. 10 f. 33) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 29; Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 29 ff. 34) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 30; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 302 Rz. 26; Landfermann in: HK-InsO, § 302 Rz. 16; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 31.
29) 30) 31) 32)
§ 303 Widerruf der Restschuldbefreiung (1) Auf Antrag eines Insolvenzgläubigers widerruft das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn 1.
sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat,
2.
sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner während der Abtretungsfrist nach Maßgabe von § 297 Absatz 1 verurteilt worden ist, oder wenn der Schuldner erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen einer bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen Straftat nach Maßgabe von § 297 Absatz 1 verurteilt wird oder
3.
der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz während des Insolvenzverfahrens obliegen. ) Kexel
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§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
geordnete Zahlungen ebenso wie die Einziehung von Wertersatz nach § 74c StGB,29) § 25 OWiG oder die Abführung des Mehrerlöses nach § 8 WiStG.30) Nicht von Nummer 2 umfasst sind etwa Säumniszuschläge nach § 240 AO, Steueransprüche aus § 14 UStG oder Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV.31) Ebenso wenig sind rein prozessuale Kostenerstattungsansprüche, etwa ein Anspruch des Staates auf Ersatz der Kosten des Strafverfahrens gemäß § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO oder auch des Nebenklägers auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen gemäß § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO von der Restschuldbefreiung ausgenommen.32) V. Darlehen zur Aufbringung der Verfahrenskosten (Nr. 3) Die Vorschrift ist eng auszulegen; nur zinslose und ausschließlich zur Begleichung der Verfahrenskosten zweckgebundene Darlehen werden von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Entsprechend der Zielsetzung des Gesetzgebers, unseriösen Geschäftemachern kein neues Betätigungsfeld zu eröffnen,33) ist auch ein solches Darlehen nicht „zinslos“, bei welchem vom Darlehensnehmer Bearbeitungs- oder Vermittlungsgebühren verlangt werden.34)
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Auch Nummer 3 findet Anwendung nur auf nach dem 30.11.2001 eröffnete Verfahren, Art. 103a EGInsO.
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_____________ Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 39 Rz. 19; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 28. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 28. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 302 Rz. 2b. BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 151/10, ZIP 2011, 1633 = ZVI 2011, 334; vgl. auch oben zu § 302 Rz. 10 f. 33) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 29; Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 29 ff. 34) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 302 Rz. 30; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 302 Rz. 26; Landfermann in: HK-InsO, § 302 Rz. 16; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 302 Rz. 31.
29) 30) 31) 32)
§ 303 Widerruf der Restschuldbefreiung (1) Auf Antrag eines Insolvenzgläubigers widerruft das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn 1.
sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat,
2.
sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner während der Abtretungsfrist nach Maßgabe von § 297 Absatz 1 verurteilt worden ist, oder wenn der Schuldner erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen einer bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen Straftat nach Maßgabe von § 297 Absatz 1 verurteilt wird oder
3.
der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz während des Insolvenzverfahrens obliegen. ) Kexel
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§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
(2) 1Der Antrag des Gläubigers ist nur zulässig, wenn er innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung gestellt wird; ein Widerruf nach Absatz 1 Nummer 3 kann bis zu sechs Monate nach rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens beantragt werden. 2Der Gläubiger hat die Voraussetzungen des Widerrufsgrundes glaubhaft zu machen. 3 In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 hat der Gläubiger zudem glaubhaft zu machen, dass er bis zur Rechtskraft der Entscheidung keine Kenntnis vom Widerrufsgrund hatte. ) (3) 1Vor der Entscheidung sind der Schuldner und in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 3 auch der Treuhänder oder Insolvenzverwalter zu hören. 2Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. 3Die Entscheidung, durch welche die Restschuldbefreiung widerrufen wird, ist öffentlich bekanntzumachen.
)
)
Absätze 1 und 2 neugefasst durch Art. 1 Nr. 32 Buchst. a) des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lauteten Absätze 1 und 2: „(1) Auf Antrag eines Insolvenzgläubigers widerruft das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung, wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat. (2) Der Antrag des Gläubigers ist nur zulässig, wenn er innerhalb eines Jahres nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung gestellt wird und wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und daß der Gläubiger bis zur Rechtskraft der Entscheidung keine Kenntnis von ihnen hatte.“
) Absatz 3 Satz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 32 Buchst. b) des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 3 Satz 1. „(3) 1Vor der Entscheidung sind der Schuldner und der Treuhänder zu hören. ...“ Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Voraussetzungen des Widerrufs ......... 2 1. Materielle Voraussetzungen ................. 3 a) Widerruf wegen Obliegenheitsverletzung (Abs. 1 Nr. 1) ...... 3 b) Widerruf wegen einer Insolvenzstraftat (Abs. 1 Nr. 2) ............ 8 c) Widerruf wegen Pflichtverletzung im weiteren Insolvenzverfahren (Abs. 1 Nr. 3) .............. 12
I. 1
2. III. 1. 2. 3. IV. V. VI.
Formelle Voraussetzungen ................. 14 Verfahren und Entscheidung ........... 18 Zuständigkeit ....................................... 18 Anhörung, Amtsermittlung ............... 19 Entscheidung ....................................... 20 Wirkungen des Widerrufs ................. 23 Rechtsmittel ....................................... 24 Kosten .................................................. 25
Normzweck
Die Vorschrift bestimmt Voraussetzungen des Widerrufs der bereits rechtskräftig erteilten Restschuldbefreiung und regelt das entsprechende Verfahren. Sie soll erhöhte Gewähr dafür leisten, dass wirklich nur der redliche Schuldner die Restschuldbefreiung erlangt und darauf vertrauen kann. Dies kann nur gelingen, wenn der Schuldner auch nachträglich noch zur Rechenschaft gezogen werden kann: entweder für (besonders) unredliches Tun vor der Erteilung der Restschuldbefrei-
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§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
ung, wovon der Gläubiger nun erst Kenntnis erhält, oder für nachträgliches unredliches Handeln, soweit das Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben war. § 303 vervollständigt somit den gesetzlichen Versuch des Ausgleichs der Interessen der Gläubiger und des Schuldners in Ansehung des einschneidenden Umstandes der Restschuldbefreiung.1) Mit dem Widerruf wird die Rechtskraft des Erteilungsbeschlusses durchbrochen;2) die Vorschrift muss so als Ausnahme angesehen werden, über die hinaus es keine anderweitigen Korrekturmöglichkeiten mehr gibt.3) II. Voraussetzungen des Widerrufs Schon in der bis zum 1.7.2014 geltenden Fassung des Gesetzes (siehe oben) kam ein Widerruf in Betracht, wenn der Schuldner die ihm nach § 295 während der „Wohlverhaltensperiode“ obliegenden Pflichten in besonders schwerem Maße verletzt hatte und der Gläubiger erst nachträglich davon Kenntnis erhielt. Mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte hat der Gesetzgeber noch zwei weitere Möglichkeiten des Widerrufs geschaffen – zum einen bei dem Fall der entweder unbekannt gebliebenen oder auch erst nachträglich erfolgenden Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, zum anderen für den Fall der Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten in einem fortlaufenden Insolvenzverfahren. 1.
2
Materielle Voraussetzungen
a) Widerruf wegen Obliegenheitsverletzung (Abs. 1 Nr. 1) Der Schuldner muss eine seiner Obliegenheiten – hier kommen nur die aus § 295 in Betracht4) – vorsätzlich verletzt haben. Der Vorsatz – er bestimmt sich nach allgemeinen Regeln, es kann so auch dolus eventualis genügen – muss sich nur auf die Verletzung, nicht auf die Folgen, hier die Beeinträchtigung der Gläubiger, beziehen.5)
3
Die Verletzung muss weiter zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger geführt haben. Ob der notwendige kausale Zusammenhang vorliegt, kann – wie bei § 296 – nur durch einen wirtschaftlichen Vergleich der Gläubigersituation nach mit Obliegenheitsverletzung durchgeführtem Restschuldbefreiungsverfahren mit der Lage im Falle eines ordnungsgemäß durchgeführten Verfahrens ermittelt werden;6) nicht zum Vergleich herangezogen werden darf die Situation,
4
_____________ 1) 2) 3)
4)
5)
6)
Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 1; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 303 Rz. 1; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 1, 4. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 4; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 3, der im Falle einer schwerwiegenden vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Berufung des Schuldners auf die Restschuldbefreiung den Arglisteinwand entgegenhalten will. AG Göttingen, Beschl. v. 8.1.2010 – 74 IN 247/02, ZVI 2010, 283; Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 303 Rz. 1a; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 8; Landfermann in: HK-InsO Rz. 2; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 303 Rz. 2. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 303 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 2; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 303 Rz. 16; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 9. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 10.
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§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
wie sie sich nach einer Versagung der Rechtschuldbefreiung – mit unbeschränkter Vermögenshaftung des Schuldners – darstellen würde.7) 5
Ob die so ermittelte Beeinträchtigung erheblich ist, muss immer Frage des Einzelfalls bleiben;8) betrachtet werden kann hierfür etwa die relative Verkürzung der Befriedigungsquote9) oder die Verminderung der Gesamtsumme der Zahlungen10) ebenso wie die Bedeutung der Verbindlichkeit für die Insolvenzgläubiger.11) Feste Wertgrenzen für die Bestimmung der Erheblichkeit sind vor dem Hintergrund der höchst verschiedenen Erscheinungsformen einer Insolvenz und ihrer Beteiligten abzulehnen;12) dies schließt es nicht aus, solchen Grenzen indizielle Bedeutung beizumessen.13)
6
Weitere Voraussetzung eines Widerrufs nach Nummer 1 ist schließlich, dass sich die Obliegenheitsverletzung nachträglich herausstellt. Auch wenn die Formulierung in Absatz 1 damit von dem „Herausstellen“ als einem objektivierbaren Umstand auszugehen scheint, wird in Ansehung des Wortlauts in Absatz 2 („… dass der Gläubiger … keine Kenntnis von ihnen hatte.“) doch – ebenso wie bei der Jahresfrist gemäß § 296 Abs. 1 Satz 2 – allein auf den Kenntnisstand des antragstellenden Gläubigers abzustellen sein.14)
7
Nachträglich stellt sich die – nur während der Laufzeit der Abtretungserklärung mögliche, also immer vor der Abschlussentscheidung erfolgte – Obliegenheitsverletzung also heraus, wenn sie dem antragstellenden Gläubiger erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung nach § 300 bekannt wird.15) Die Kenntnis muss sich auf die vorsätzliche Verletzung und die erhebliche Beeinträchtigung beziehen. Dabei ist auf die positive Kenntnis von den zugrunde liegenden Tatsachen abzustellen; eine zutreffende rechtliche Bewertung ist nicht erforderlich. Auch hier erfolgt die Zurechnung der Kenntnis eines Wissensvertreters,16) was häufig in größeren Organisationen, etwa Banken oder Versicherungen, der Fall sein dürfte.
_____________ 7) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 10. 8) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 2; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 303 Rz. 15; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 10; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 303 Rz. 5. 9) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 2. 10) Landfermann in: HK-InsO, § 303 Rz. 2. 11) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 10. 12) I. E. ebenso Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 10. 13) So etwa Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 2 – Zurückbleiben der erreichten Quote um 5 % hinter der erreichbaren. 14) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 1b; Landfermann in: HK-InsO, § 303 Rz. 3; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 303 Rz. 14; a. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 12, der nach dem Schutzweck der verletzten Obliegenheit differenzieren und so bei geschützten kollektiven Interessen auch eine kollektive Wissenszurechnung vornehmen will. 15) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 303 Rz. 1b; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 11; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 303 Rz. 13. 16) Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 296 Rz. 27.
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§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
b) Widerruf wegen einer Insolvenzstraftat (Abs. 1 Nr. 2) Die mit Wirkung vom 1.7.2014 neugeschaffene und damit auch erst in ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren Anwendung findende Möglichkeit weist gleich zwei Alternativen auf:
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Die 1. Alternative ermöglicht den Widerruf, wenn bei Erteilung der Restschuldbefreiung eine während der Laufzeit der Abtretungserklärung ergangene Verurteilung wegen einer der in § 297 genannten Straftaten – und zwar, so der ausdrückliche Wortlaut, nach Maßgabe des § 297 – unbekannt geblieben ist. Es muss sich also um eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten handeln,17) die während der Abtretungsfrist erging und die sich erst nachträglich herausstellt. Wie bei Alternative 1 setzt der Widerruf hier also voraus, dass die Verurteilung dem antragstellenden Gläubiger erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung nach § 300 bekannt wird; die diesbezüglichen Anmerkungen oben bei § 300 Rz. 2 f gelten entsprechend.
9
Die 2. Alternative von Absatz 1 Nr. 2 nimmt Rücksicht auf den Umstand, dass strafrechtliche Ermittlungen in Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund häufig schwierig und vor allem zeitaufwändig sind,18) und ermöglicht daher den Widerruf auch in Fällen, wenn die rechtskräftige Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, wiederum nach Maßgabe des § 297, erst nach der Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgt. Als weitere Voraussetzung zu der rechtskräftigen Verurteilung zu den in § 297 genannten „Mindeststrafen“ tritt hinzu, dass die Straftat bis zum Ende der Abtretungsfrist begangen worden sein muss. Somit scheiden erst nach dem Ende der Abtretungsfrist begangene Straftaten aus; auf der anderen Seite ist nicht gefordert, dass die Straftat während der Abtretungsfrist begangen wurde, sie kann auch weiter zurückliegen. Wie schon bei § 290 Abs. 1 Nr. 1 und § 297 muss sie auch nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen Insolvenzverfahren stehen.
10
Beide Alternativen der Nummer 2 setzen – anders als der Widerruf wegen einer Obliegenheitsverletzung – nicht voraus, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die begangene Straftat beeinträchtigt wurde. Wie ebenfalls schon in den (Versagungs-) Fällen der §§ 290 Abs. 1 Nr. 1 und 297 muss die Straftat, wegen der die Verurteilung erfolgt ist, auch nicht im Zusammenhang mit dem aktuellen Insolvenzverfahren stehen.
11
c) Widerruf wegen Pflichtverletzung im weiteren Insolvenzverfahren (Abs. 1 Nr. 3) Die mit Wirkung vom 1.7.2014 in Kraft getretene und damit auch erst in ab einschließlich dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren Anwendung findende Regelung in Nummer 3 ist für den Fall geschaffen, dass dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wurde, obgleich das Insolvenzverfahren noch andauert (Fälle des _____________ 17) Zu den Einzelheiten wird auf die Anmerkungen oben zu § 297 vollumfänglich verwiesen. 18) Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 49.
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12
§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
§ 300 Abs. 1 Satz 2).19) Verletzt der Schuldner nach der Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren, kann dies nicht mehr in Form der Versagung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 sanktioniert werden. Um ihn gleichwohl weiter zur pflichtgemäßen Mitwirkung anzuhalten, sieht Nummer 3 also bei Verstoß den Widerruf der Restschuldbefreiung vor. Wie bei § 290 Abs. 1 Nr. 5 muss der Schuldner die ihm gesetzlich auferlegten Auskunftsoder Mitwirkungspflichten im Insolvenzverfahren vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt haben, insoweit gilt das zu den Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 als Versagungsgrund ausgeführte uneingeschränkt auch für den Widerrufsgrund der Nummer 3. 13
Im Unterschied zu den beiden anderen Widerrufsgründen hat Nummer 3 keine „Rückwirkung“ in dem Sinne inne, dass auch Pflichtverletzungen sanktioniert werden könnten, die sich erst nach der Erteilung der Restschuldbefreiung „herausstellen“; die Verletzung muss ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts (und auch dem Sinn und Zweck dieser Pflichten„fortschreibung“) nach der Erteilung der Restschuldbefreiung begangen worden sein. 2.
Formelle Voraussetzungen
14
Ein Widerruf der Erteilung der Restschuldbefreiung ist bei allen Alternativen des Absatzes 1 nur auf Antrag möglich. Der Antrag kann – wie bei § 296 – nur von einem bereits am Insolvenzverfahren teilnehmenden Insolvenzgläubiger gestellt werden; anderen Gläubigern ist es bereits verwehrt, Verfahrensrechte in der Wohlverhaltensphase wahrzunehmen,20) dies muss für die Antragsbefugnis beim Widerruf „erst recht“ gelten.
15
Der Antrag ist gemäß Absatz 2 Satz 1 binnen einer Frist von einem Jahr nach der Rechtskraft der Entscheidung nach § 300 zu stellen. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist; eine Wiedereinsetzung bei Versäumung ist ebenso ausgeschlossen wie das „Nachschieben“ weiterer Widerrufsgründe nach Ablauf der Frist.21) Die Frist berechnet sich nach § 4 InsO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 ff BGB.
16
Der Gläubiger muss mit seinem Antrag gemäß Absatz 2 Satz 222) die genannten Voraussetzungen glaubhaft machen. Im Einzelnen sind dies –
bei dem Widerrufsgrund gemäß Absatz 1 Nr. 1 die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung, die daraus folgende erhebliche Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung und gemäß Absatz 2 Satz 323) der Umstand, dass er bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung keine Kenntnis davon hatte;
–
bei dem Widerrufsgrund gemäß Absatz 1 Nr. 2 Alt. 1 die Verurteilung während der Abtretungsfrist und, soweit diese Alternative ebenfalls ausdrücklich das „nachträgliche Herausstellen“ zur Voraussetzung hat, auch ohne entsprechende An-
_____________ 19) 20) 21) 22) 23)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 49. BGH, Beschl. v. 17.3.2005, IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324 = NZI 2005, 399. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 16. Bei vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren: Absatz 2 Halbs. 2 a. F. Bei vor dem 1.7.2014 beantragten Insolvenzverfahren: Absatz 2 Halbs. 2 a. F.
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§ 303
Widerruf der Restschuldbefreiung
ordnung in Absatz 2 Satz 3 den Umstand, dass er bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung keine Kenntnis davon hatte. Diese Voraussetzung entspricht den grundlegenden Prinzipien, unter denen Rechtskraft überhaupt angetastet werden kann; –
–
bei dem Widerrufsgrund gemäß Absatz 1 Nr. 2 Alt. 2 die Verurteilung nach Erteilung der Restschuldbefreiung wegen einer bis zum Ende der Abtretungsfrist begangenen Tat (hier dürfte der präzise Hinweis auf das Urteil selbst in der Regel ausreichend sein); bei dem Widerrufsgrund gemäß Absatz 1 Nr. 3 die Verletzung der betreffenden Pflicht und die Umstände, die das mindestens grob fahrlässige Verschulden des Schuldners belegen.
Wird der Antrag ohne hinreichende Glaubhaftmachung oder erst nach Ablauf der Jahresfrist bzw. im Falle der Nummer 3 der Sechs-Monats-Frist gestellt, ist er bereits unzulässig, und das Gericht tritt nicht mehr in das Prüfungsverfahren ein.
17
III. Verfahren und Entscheidung 1.
Zuständigkeit
Zuständig für das Verfahren ist das Insolvenzgericht; die Entscheidung über den Widerrufsantrag ist dem Richter zugewiesen (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG). 2.
Anhörung, Amtsermittlung
Für das Verfahren nach zulässigem Antrag gilt Absatz 3, wonach das Gericht zwingend den Schuldner und in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und Nr. 3 den Treuhänder bzw. Insolvenzverwalter, nicht aber die Gläubiger zu hören hat. Die Anhörung kann mündlich wie schriftlich erfolgen; ggf. wird sich auch hier die Durchführung eines Anhörungstermins empfehlen. In diesem Verfahrensstadium besteht – wie in der entsprechenden Phase der Versagungsverfahren – die Amtsermittlungspflicht des Gerichts, die sich aber allein auf den glaubhaft gemachten Widerrufsgrund zu beschränken hat und nicht von Amts wegen auf andere Versagungs- oder gar Widerrufstatbestände ausgeweitet werden darf (vgl. auch oben § 290 Rz. 25 f m. w. N.). 3.
18
19
Entscheidung
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Der unzulässige Widerrufsantrag wird verworfen. Ist das Gericht nach einem zulässigen Antrag vom Vorliegen der Voraussetzungen überzeugt, so wird in dem Beschluss der Widerruf der Restschuldbefreiung ausgesprochen. Verbleiben Zweifel, ist der Widerrufsantrag unter Berücksichtigung der den Gläubiger treffenden Feststellungslast als unbegründet zurückzuweisen (vgl. auch oben § 290 Rz. 25 f m. w. N.).
20
Zugleich mit dem Widerruf spricht das Gericht die Versagung der Restschuldbefreiung aus, um das Restschuldbefreiungsverfahren erkennbar zu beenden.24)
21
Die Entscheidung ist im Hinblick auf die durch Absatz 3 Satz 2 eröffnete sofortige Beschwerde den unterliegenden Parteien förmlich zuzustellen. Wird die Restschuld_____________
22
24) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 303 Rz. 30; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 21; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 303 Rz. 5.
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§ 303a
Eintragung in das Schuldnerverzeichnis
befreiung widerrufen, so ordnet Absatz 3 Satz 3 die öffentliche Bekanntmachung an (§ 9). IV. Wirkungen des Widerrufs 23
Ist der Widerruf rechtskräftig, sind die Gläubiger zur freien Nachforderung berechtigt; der Widerruf wirkt nicht nur für den Antragsteller, sondern für alle Insolvenzgläubiger.25) V. Rechtsmittel
24
Absatz 3 Satz 2 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung über den Versagungsantrag i. S. des § 6. Für den Fall der Zurückweisung oder Verwerfung steht (nur) dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu, für den Fall des Widerrufs dem Schuldner. VI. Kosten
25
Für den Antrag auf Widerruf der Restschuldbefreiung nach § 303 werden Gerichtskosten nach Nr. 2350 GKG-KV pauschal erhoben (ab 1.7.2014: 35 €). Kostenschuldner ist nach § 23 Abs. 2 GKG der antragstellende Gläubiger. Ggf. sind Kosten der Veröffentlichung gemäß § 303 Abs. 3 Satz 3 nach Nr. 9004 GKG-KV zu ersetzen.
26
Der im Widerrufsverfahren tätig werdende Rechtsanwalt erhält die Hälfte einer vollen Gebühr (Nr. 3321 RVG-VV). Der Gegenstandswert der Gebühr ist gemäß den § 28 Abs. 3, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen aufgrund des wirtschaftlichen Interesses zu bestimmen. Liegen keine besonderen Umstände vor, sollte mangels greifbarer Schätzungsgrundlagen für die Werthaltigkeit der Forderung(en) auf den „Regelstreitwert“ zurückgegriffen und der Gegenstandswert mit 5 000 € bemessen werden.26)
27
Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über den Widerrufsantrag entsteht im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung eine Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2361 GKG-KV (60 €); im Verfahren über eine ggf. zugelassene Rechtsbeschwerde eine solche nach Nr. 2364 GKG-KV(120 €). Für den Anwalt entsteht für das Beschwerdeverfahren erneut eine halbe Gebühr (Nr. 3500 und 3513 RVG-VV). _____________ 25) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 303 Rz. 35; Landfermann in: HK-InsO, § 303 Rz. 5; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 21. 26) OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZVI 2002, 36, 37; LG Bochum, Beschl. v. 11.3.2004 – 10 T 39/03, n. v.; a. A. – hälftiger Forderungswert – noch LG Bochum, Beschl. v. 4.5.2001 – 7a T 98/01, ZInsO 2001, 564, 566; LG Göttingen, Beschl. v. 21.1.2005 – 10 T 14/05, ZInsO 2005, 154, 155 = NZI 2005, 346.
§ 303a ) Eintragung in das Schuldnerverzeichnis 1
Das Insolvenzgericht ordnet die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b der Zivilprozessordnung an. Eingetragen werden Schuldner, 1.
denen die Restschuldbefreiung nach den §§ 290, 296, 297 oder 297a oder auf Antrag eines Insolvenzgläubigers nach § 300 Absatz 2 versagt worden ist,
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§ 303a
Eintragung in das Schuldnerverzeichnis
befreiung widerrufen, so ordnet Absatz 3 Satz 3 die öffentliche Bekanntmachung an (§ 9). IV. Wirkungen des Widerrufs 23
Ist der Widerruf rechtskräftig, sind die Gläubiger zur freien Nachforderung berechtigt; der Widerruf wirkt nicht nur für den Antragsteller, sondern für alle Insolvenzgläubiger.25) V. Rechtsmittel
24
Absatz 3 Satz 2 bestimmt die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung über den Versagungsantrag i. S. des § 6. Für den Fall der Zurückweisung oder Verwerfung steht (nur) dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu, für den Fall des Widerrufs dem Schuldner. VI. Kosten
25
Für den Antrag auf Widerruf der Restschuldbefreiung nach § 303 werden Gerichtskosten nach Nr. 2350 GKG-KV pauschal erhoben (ab 1.7.2014: 35 €). Kostenschuldner ist nach § 23 Abs. 2 GKG der antragstellende Gläubiger. Ggf. sind Kosten der Veröffentlichung gemäß § 303 Abs. 3 Satz 3 nach Nr. 9004 GKG-KV zu ersetzen.
26
Der im Widerrufsverfahren tätig werdende Rechtsanwalt erhält die Hälfte einer vollen Gebühr (Nr. 3321 RVG-VV). Der Gegenstandswert der Gebühr ist gemäß den § 28 Abs. 3, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen aufgrund des wirtschaftlichen Interesses zu bestimmen. Liegen keine besonderen Umstände vor, sollte mangels greifbarer Schätzungsgrundlagen für die Werthaltigkeit der Forderung(en) auf den „Regelstreitwert“ zurückgegriffen und der Gegenstandswert mit 5 000 € bemessen werden.26)
27
Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über den Widerrufsantrag entsteht im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung eine Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2361 GKG-KV (60 €); im Verfahren über eine ggf. zugelassene Rechtsbeschwerde eine solche nach Nr. 2364 GKG-KV(120 €). Für den Anwalt entsteht für das Beschwerdeverfahren erneut eine halbe Gebühr (Nr. 3500 und 3513 RVG-VV). _____________ 25) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 303 Rz. 35; Landfermann in: HK-InsO, § 303 Rz. 5; Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 303 Rz. 21. 26) OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZVI 2002, 36, 37; LG Bochum, Beschl. v. 11.3.2004 – 10 T 39/03, n. v.; a. A. – hälftiger Forderungswert – noch LG Bochum, Beschl. v. 4.5.2001 – 7a T 98/01, ZInsO 2001, 564, 566; LG Göttingen, Beschl. v. 21.1.2005 – 10 T 14/05, ZInsO 2005, 154, 155 = NZI 2005, 346.
§ 303a ) Eintragung in das Schuldnerverzeichnis 1
Das Insolvenzgericht ordnet die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b der Zivilprozessordnung an. Eingetragen werden Schuldner, 1.
denen die Restschuldbefreiung nach den §§ 290, 296, 297 oder 297a oder auf Antrag eines Insolvenzgläubigers nach § 300 Absatz 2 versagt worden ist,
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§ 303a
Eintragung in das Schuldnerverzeichnis
2.
deren Restschuldbefreiung widerrufen worden ist.
2
Es übermittelt die Anordnung unverzüglich elektronisch dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 882h Absatz 1 der Zivilprozessordnung. 3§ 882c Absatz 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
)
§ 303a eingefügt durch Art. 1 Nr. 33 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
Übersicht II. Einzelheiten .......................................... 2
Die Vorschrift ordnet die Erfassung von wegen Versagung oder Widerruf „gescheiterten“ Restschuldbefreiungsverfahren im Schuldnerverzeichnis an und will so dem Geschäftsverkehr die Möglichkeit geben, sich auch in einem öffentlichen Verzeichnis über diese für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit seiner Geschäftspartner ggf. relevanten Tatsachen informieren zu können.1) Zudem soll die Erfassung im Schuldnerverzeichnis auch den Insolvenzgerichten die amtswegigen Ermittlungen sowohl bei der Entscheidung über die Stundung der Verfahrenskosten als auch über die Zulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung gemäß § 287a erleichtern.2)
1
II. Einzelheiten Durch die mit Wirkung vom 1.7.2014 geltende Norm wird das Insolvenzgericht verpflichtet, die Eintragung derjenigen Schuldner in das gemäß § 882b Abs. 1 ZPO geführte Schuldnerverzeichnis anzuordnen, denen die Restschuldbefreiung nach den in Satz 2 Nr. 1 genannten Vorschriften – danach ist eine Versagung nach § 298 nicht erfasst – versagt oder nach § 300 Abs. 2 widerrufen worden ist. Diese Anordnung kann zweckmäßigerweise bereits in dem Beschluss erfolgen, mit dem die Versagung oder der Widerruf ausgesprochen wird – gemäß Satz 3 ist diese Anordnung sodann „unverzüglich“, d. h. ohne schuldhaftes Zögern dem seit dem 1.1.2013 gemäß § 882h ZPO eingerichteten zentralen Vollstreckungsgericht des jeweiligen Bundeslandes elektronisch zu übermitteln. Dies sollte jedoch tunlichst erst dann geschehen, wenn die Entscheidung rechtskräftig ist.
2
Satz 4 bestimmt mit der Verweisung auf § 882c Abs. 2 ZPO,3) dass die Eintragungsanordnung kurz begründet werden soll und desweiteren dem Schuldner zuzustellen ist, soweit sie ihm nicht mündlich bekannt gegeben und in das Protokoll aufgenommen wird; erfolgt sie mit dem zugrunde liegenden (und ebenfalls zuzustellenden) Versagungs- oder Widerrufsbeschluss, wird in der Regel zugleich sowohl dem Zustellungserfordernis als auch – mit einem kurzen Verweis auf § 303a ZPO – dem Begründungserfordernis Rechnung getragen.
3
_____________ 1) 2) 3)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 49 f. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 50. § 882c Abs. 2 ZPO lautet: „(2) Die Eintragungsanordnung soll kurz begründet werden. Sie ist dem Schuldner zuzustellen, soweit sie ihm nicht mündlich bekannt gegeben und in das Protokoll aufgenommen wird (§ 763).“
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§ 303a
Eintragung in das Schuldnerverzeichnis
4
Die Verweisung auf § 882c Abs. 3 ZPO4) bestimmt den weiteren Inhalt der Eintragungsanordnung: gemäß § 882b Abs. 2 ZPO sind dies Name, Vorname und Geburtsname des Schuldners sowie die Firma und deren Nummer des Registerblatts im Handelsregister, Geburtsdatum und Geburtsort des Schuldners, Wohnsitz des Schuldners oder Sitz des Schuldners, einschließlich abweichender Personendaten; weiterhin anzugeben sind gemäß § 882b Abs. 3 ZPO in der ab dem 1.7.2014 geltenden Fassung Aktenzeichen und Gericht des Insolvenzverfahrens, das Datum der Eintragungsanordnung sowie der zur Eintragung führende Grund und das Datum der Entscheidung des Insolvenzgerichts. Ermittlungen entsprechend § 882b Abs. 3 Satz 2 ZPO wird das Gericht nur in seltenen Fällen anstellen müssen.
5
Die Löschungsfrist für die Eintragung ins Schuldnerverzeichnis beträgt ebenso wie für die Eintragung gemäß § 26 Abs. 2 in Abweichung von der regulären DreiJahres-Frist fünf Jahre gemäß § 882e Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 882 Abs. 1 Nr. 3 ZPO n. F.
_____________ 4) § 882c Abs. 3 ZPO lautet: „(3) Die Eintragungsanordnung hat die in § 882b Abs. 2 und 3 genannten Daten zu enthalten. Sind dem Gerichtsvollzieher die nach § 882b Abs. 2 Nr. 1 bis 3 im Schuldnerverzeichnis anzugebenden Daten nicht bekannt, holt er Auskünfte bei den in § 755 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen ein oder sieht das Handelsregister ein, um die erforderlichen Daten zu beschaffen.“
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Neunter Teil Verbraucherinsolvenzverfahren Vor § 304 Sabel
Vorbemerkung Literatur: Beyer, Insolvenzplanverfahren bei natürlichen Personen, ZVI 2013, 334; Ehlers, Der Schuldner und seine Familie, ZInsO 2013, 1386; Grote/Pape, Das Ende der Diskussion? Die wichtigsten Neuregelungen zur Restschuldbefreiung, ZInsO 2013, 1433; Henning, Die Änderungen in den Verfahren der natürlichen Personen durch die Reform 2014, ZVI 2014, 7; Hofmeister, Top oder Flopp? Der außergerichtliche Einigungsversuch nach der InsO, ZVI 2003, 12; Pape, I./Pape, G., Entwicklung der Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren in den Jahren 2011 und 2012, Teil 1, ZInsO 2013, 265, Teil 2.1, ZInsO 2013, 685; Pieper, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung – Notwendigkeit zur Angabe bestrittener Forderungen im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis?, ZInsO 2010, 174; Rugullis, Schuldenbereinigungsplan und Insolvenzplan – Ein Rechtsfolgenvergleich, NZI 2013, 869; Sternal, Die Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren im Jahr 2012, NZI 2013, 417. Übersicht II. Übersicht über den Verfahrensablauf ..................................................... 2
I.
Bedeutung und Entwicklung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ....... 1
I.
Bedeutung und Entwicklung des Verbraucherinsolvenzverfahrens
Das Verbraucherinsolvenzverfahren wurde im ersten Halbjahr 2013 von rund 46 000 Verbrauchern und 3 000 ehemals Selbständigen mit dem Ziel der Erlangung der Restschuldbefreiung eingeleitet.1) Die Antragszahlen waren damit zum wiederholten Mal rückläufig, was angesichts der gleichbleibend hohen Zahl überschuldeter Haushalte2) jedoch kein Zeichen für eine nachhaltige Entspannung, sondern eher ein Indiz für die anhaltende Be- und Überlastung der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen und Gerichte ist. Abzuwarten bleibt, wie sich das vom Gesetzgeber im Jahr 2013 verabschiedete, in seinen wesentlichen Teilen ab dem 1.7.2014 geltende Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte3) auf die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzverfahren auswirken wird.4) Durch die Verbraucherinsolvenzreform 2013 wurde einerseits die Möglichkeit einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nach Ablauf von drei Jahren bei Erfüllung einer Mindestbefriedigungsquote von 35 % geschaffen,5) andererseits die Rechtsstellung der Gläubiger gegenüber unredlichen Schuldnern, denen die Er_____________ 1) 2)
3) 4) 5)
Zu den Insolvenzzahlen vgl. die vom Statistischen Bundesamt unter www.destatis.de veröffentlichten Übersichten. Im Jahr 2011 waren lt. einer Studie des Verbands Creditreform, abrufbar unter www.creditreform.de in der Rubrik „Analysen – SchuldnerAtlas“, ca. 6,4 Mio. Einzelpersonen bzw. 3,1 Mio. Haushalte überschuldet. BGBl. I 2013, 2379 (im Folgenden: Verbraucherinsolvenzreform 2013). Vgl. in diesem Sinn auch Ehlers, ZInsO 2013, 1386. Vgl. hierzu eingehend die Kommentierung zu § 300.
Sabel
1459
1
Vor § 304
Vorbemerkung
teilung der Restschuldbefreiung versagt werden kann, durch zahlreiche Rechtsänderungen erheblich gestärkt.6) Demgegenüber blieben die gesetzlichen Regelungen zum Schuldenbereinigungsverfahren entgegen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung,7) der noch eine Abschaffung dieses Verfahrensabschnitts vorgesehen hatte, unverändert, weil der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages nach einer Sachverständigenanhörung zu dem Ergebnis gelangte, dass das geltende Verfahren beibehalten werden sollte.8) Mit einem nochmaligen Anlauf, dieses Verfahren abzuschaffen oder grundlegend zu ändern, ist danach in absehbarer Zeit nicht mehr zu rechnen. II. Übersicht über den Verfahrensablauf 2
Der Ablauf des in vier Phasen verlaufenden Verbraucherinsolvenzverfahrens unterscheidet sich durch den dem eigentlichen Insolvenzverfahren vorgelagerten außergerichtlichen und gerichtlichen Einigungsversuch auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplans grundlegend vom Regelinsolvenzverfahren. Dabei bildet der außergerichtliche Einigungsversuch, den § 305 Abs. 1 Nr. 1 erwähnt, ohne nähere Vorgaben an Inhalt und Ablauf des außergerichtlichen Verfahrens zu machen (§ 305 Rz. 18 f, 40), die erste Stufe, an die sich der in §§ 305 – 310 detailliert geregelte gerichtliche Einigungsversuch anschließt. Bei diesem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren handelt es sich um ein völlig eigenständiges, vom (gescheiterten) außergerichtlichen Einigungsversuch losgelöstes gerichtliches Vergleichsverfahren. Die dem eigentlichen Insolvenzverfahren vorgelagerte Schuldenbereinigung, die ohne eine Insolvenzeröffnung und die damit einhergehende Publizität auskommt, bietet denjenigen Schuldnern, die nicht völlig mittellos sind, sondern ihren Gläubigern jedenfalls einen Teil der offenen Forderungen zurückzahlen können, flexible und gut geeignete Möglichkeiten einer schnellen und nachhaltigen Schuldenbereinigung. Im Jahr 2012 wurden ausweislich der amtlichen Insolvenzstatistik mehr als 1 800 gerichtliche Schuldenbereinigungspläne angenommen;9) die Quote der erfolgreichen außergerichtlichen Schuldenbereinigungen dürfte erheblich höher liegen.10) Weder durch die Einleitung des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens noch durch die Durchführung eines gerichtlichen Einigungsversuchs entfällt das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage des Gläubigers; Klage oder Mahnantrag bleiben daher bis zur Annahme des Schuldenbereinigungsplans oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig.11)
3
Für das nach einem Scheitern des gerichtlichen Einigungsversuchs als dritte Phase zu eröffnende vereinfachte Insolvenzverfahren gelten, nachdem die §§ 312 bis 314 mit der Verbraucherinsolvenzreform 2013 aufgehoben wurden, mit Ausnahme der künftig in § 88 Abs. 2 geregelten erweiterten Rückschlagssperre keine Sonder_____________ 6) Zu den Inhalten der gesetzlichen Neuregelung vgl. Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433; Henning, ZVI 2014, 7. 7) BT-Drucks. 17/11268; vgl. hierzu I. Pape/G. Pape, ZInsO 2013, 265. 8) BT-Drucks. 17/11268, S. 29 re. Sp. 9) www.destatis.de. 10) Vgl. die rechtstatsächliche Untersuchung von Hofmeister, ZVI 2003, 12, wonach schon in den ersten Jahren nach Einführung der InsO eine durchschnittliche Erfolgsquote von 37 % zu verzeichnen war. 11) BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 29/09, ZIP 2009, 2118 = ZVI 2009, 369.
1460
Sabel
§ 304
Grundsatz
regelungen mehr. Insbesondere kann nunmehr auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ein Insolvenzplanverfahren nach den §§ 217 bis 269 durchgeführt und so nach dem Scheitern eines Schuldenbereinigungsplans ein weiterer Versuch der Einigung mit den Gläubigern durchgeführt werden.12) Das in den §§ 286 – 303a geregelte Restschuldbefreiungsverfahren mit seiner regelmäßig sechs Jahre nach Verfahrenseröffnung endenden Wohlverhaltensperiode, das sich an das Insolvenzverfahren anschließt, ist im Regel- und im Verbraucherinsolvenzverfahren identisch. _____________ 12) Vgl. hierzu und zu den Gestaltungsmöglichkeiten durch die beiden Planverfahren Beyer, ZVI 2013, 334 ff; Rugullis, NZI 2013, 869; Henning, ZVI 2014, 7.
§ 304 Grundsatz (1) 1Ist der Schuldner eine natürliche Person, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat, so gelten für das Verfahren die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist. 2Hat der Schuldner eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, so findet Satz 1 Anwendung, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. (2) Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse im Sinne von Absatz 1 Satz 2 nur, wenn der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, weniger als 20 Gläubiger hat. Literatur: Büttner, Private Vermögensverwaltung – Abgrenzung zwischen Regel- und Verbraucherinsolvenz, ZInsO 2011, 2201; Schmerbach, Tod des Schuldners im Verbraucherinsolvenzverfahren, NZI 2008, 353. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Entscheidung über die Verfahrensart ........................................ 3 III. Selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ................................................ 7
I.
IV. Ehemals selbständige Tätigkeit ........ 11 1. Überschaubare Vermögensverhältnisse .......................................... 12 2. Forderungen aus Arbeitsverhältnissen ............................................. 18
Zweck der Vorschrift
§ 304 regelt den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Im Sinne einer einfach handhabbaren Abgrenzung sollen alle im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung aktiv Selbständigen, darüber hinaus aber auch grundsätzlich alle ehemals Selbstständigen nicht dem Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern dem Regelinsolvenzverfahren unterliegen. Absatz 1 Satz 2, der für ehemals Selbständige das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, wenn ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen, ist nach dem Gesetzeszweck, das Verbraucherinsolvenzverfahren von allen möglichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit freizuhalten, als Ausnahmetatbestand eng auszulegen.
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§ 304
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regelungen mehr. Insbesondere kann nunmehr auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ein Insolvenzplanverfahren nach den §§ 217 bis 269 durchgeführt und so nach dem Scheitern eines Schuldenbereinigungsplans ein weiterer Versuch der Einigung mit den Gläubigern durchgeführt werden.12) Das in den §§ 286 – 303a geregelte Restschuldbefreiungsverfahren mit seiner regelmäßig sechs Jahre nach Verfahrenseröffnung endenden Wohlverhaltensperiode, das sich an das Insolvenzverfahren anschließt, ist im Regel- und im Verbraucherinsolvenzverfahren identisch. _____________ 12) Vgl. hierzu und zu den Gestaltungsmöglichkeiten durch die beiden Planverfahren Beyer, ZVI 2013, 334 ff; Rugullis, NZI 2013, 869; Henning, ZVI 2014, 7.
§ 304 Grundsatz (1) 1Ist der Schuldner eine natürliche Person, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ausgeübt hat, so gelten für das Verfahren die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist. 2Hat der Schuldner eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, so findet Satz 1 Anwendung, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. (2) Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse im Sinne von Absatz 1 Satz 2 nur, wenn der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, weniger als 20 Gläubiger hat. Literatur: Büttner, Private Vermögensverwaltung – Abgrenzung zwischen Regel- und Verbraucherinsolvenz, ZInsO 2011, 2201; Schmerbach, Tod des Schuldners im Verbraucherinsolvenzverfahren, NZI 2008, 353. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Entscheidung über die Verfahrensart ........................................ 3 III. Selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ................................................ 7
I.
IV. Ehemals selbständige Tätigkeit ........ 11 1. Überschaubare Vermögensverhältnisse .......................................... 12 2. Forderungen aus Arbeitsverhältnissen ............................................. 18
Zweck der Vorschrift
§ 304 regelt den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Im Sinne einer einfach handhabbaren Abgrenzung sollen alle im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung aktiv Selbständigen, darüber hinaus aber auch grundsätzlich alle ehemals Selbstständigen nicht dem Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern dem Regelinsolvenzverfahren unterliegen. Absatz 1 Satz 2, der für ehemals Selbständige das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, wenn ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen, ist nach dem Gesetzeszweck, das Verbraucherinsolvenzverfahren von allen möglichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit freizuhalten, als Ausnahmetatbestand eng auszulegen.
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§ 304 2
Grundsatz
Stirbt der Schuldner nach Antragstellung, so ist das Verfahren, auch wenn die Voraussetzungen für die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bis dahin vorgelegen haben oder das Verfahren bereits als solches eröffnet worden war, automatisch und ohne Unterbrechung als Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff) fortzusetzen.1) Eine rechtliche Möglichkeit, das Verfahren nach dem Tod des Schuldners nach den Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren fortzusetzen, besteht nicht; ebenso wenig bedarf es für die Fortsetzung des Verfahrens eines Antrags oder einer Aufnahmeerklärung der Erben.2) Allerdings rückt ein im Verbraucherinsolvenzverfahren bestellter Treuhänder nicht automatisch in die Funktion eines Nachlassinsolvenzverwalters ein. Das Gericht muss ihn – oder an seiner Stelle einen anderen Verwalter – zum Nachlassinsolvenzverwalter bestellen.3) II. Entscheidung über die Verfahrensart
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Der Schuldner kann die Verfahrensart, in der sein Insolvenzverfahren durchgeführt werden soll, nicht frei wählen. Er muss vielmehr bereits vor der Antragstellung die auf ihn zutreffende Verfahrensart ermitteln und entweder einen formlos zulässigen Regelinsolvenzantrag oder – nach Durchführung des obligatorischen außergerichtlichen Einigungsversuchs – den umfänglichen Verbraucherinsolvenzantrag, für den Formularzwang besteht, bei Gericht einreichen.
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Hat der Schuldner einen – vollständigen oder unvollständigen – Verbraucherinsolvenzantrag eingereicht, und hält das Gericht nach Prüfung der Voraussetzungen des § 304 nicht das Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern das Regelinsolvenzverfahren für eröffnet, so hat es den Schuldner zunächst hierauf hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, sein Einverständnis mit der Fortsetzung des Verfahrens als Regelinsolvenzverfahren zu erklären. Eine Verfahrenseröffnung im Regelinsolvenzverfahren ohne Anhörung verletzt nicht nur den Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör und wäre schon deshalb unzulässig, sondern sie beschwert ihn im Hinblick auf die strukturellen Unterschiede zwischen Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren, so dass er eine gleichwohl vorgenommene Verfahrenseröffnung mit dem Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde anfechten kann.4) Besteht der Schuldner – etwa weil er eine Insolvenzeröffnung vermeiden will und eine Einigung im Schuldenbereinigungsplanverfahren anstrebt – darauf, dass das Verfahren als Verbraucherinsolvenzverfahren fortgesetzt wird, hat das Gericht, wenn es seinerseits an seiner Ansicht festhält, den Insolvenzantrag als in der gewählten
_____________ 1)
2) 3) 4)
BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798 Rz. 12 = ZVI 2008, 183, dazu EWiR 2008, 573 (Floeth). Zur Erteilung der Restschuldbefreiung beim Tod des Schuldners nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode vgl. AG Duisburg, Beschl. v. 25.5.2009 – 62 IK 59/00, ZVI 2009, 390 = ZInsO 2009, 2353. BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798 Rz. 13 f = ZVI 2008, 183. BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798, 799 Rz. 14 ff = ZVI 2008, 183; krit. hierzu Schmerbach, NZI 2008, 382 (Urteilsanm). BGH, Beschl. v. 25.4.2013 – IX ZB 179/10, ZIP 2013, 1139 Rz. 9 ff = NZI 2013, 540, dazu EWiR 2013, 385 (Römermann/Praß).
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§ 304
Grundsatz
Verfahrensart unzulässig zurückzuweisen.5) Seine mit Gründen zu versehende Entscheidung kann dann vom Schuldner nach § 34 Abs. 1 wiederum mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Wird die abweisende Entscheidung rechtskräftig, kann der Schuldner sofort einen neuen Insolvenzantrag in der richtigen Verfahrensart stellen; eine Sperrfrist für einen Neuantrag besteht nicht. Entsprechendes gilt, wenn der Schuldner einen Regelinsolvenzantrag gestellt hat, wobei zusätzlich zu beachten ist, dass das Verfahren im Verbraucherinsolvenzverfahren nur fortgesetzt werden kann, wenn der Schuldner innerhalb eines Monats nach der Aufforderung des Gerichts einen vollständigen Verbraucherinsolvenzantrag einreicht und damit zugleich auch die erfolglose Durchführung eines außergerichtlichen Einigungsversuchs belegt (zu den Einzelheiten vgl. § 305). Dies wird dem Schuldner in aller Regel nicht möglich sein, sodass das Insolvenzverfahren in diesen Fällen, wenn der Schuldner nicht auf einer Fortsetzung im Regelinsolvenzverfahren und einer rechtsmittelfähigen Entscheidung des Gerichts beharrt, in der Regel durch Rücknahme des Insolvenzantrags oder durch Eintritt der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 beendet wird.
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Um die damit einhergehenden Kosten und den erheblichen Arbeitsaufwand zu vermeiden, sind die Voraussetzungen des § 304 vom Schuldner vor Antragstellung sorgfältig zu prüfen und dem Gericht in Zweifelsfällen – insbesondere, wenn der nicht (mehr) selbständig tätige Schuldner das Regelinsolvenzverfahren betreiben möchte – bereits mit dem Insolvenzantrag darzulegen. Eine vergleichbare Darlegungspflicht oder –obliegenheit besteht demgegenüber für den Gläubiger, der einen Insolvenzantrag gegen den Schuldner stellt, schon mangels genauer Kenntnis von dessen Verschuldungsstruktur nicht. Der Gläubigerantrag ist vielmehr stets auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner in der zutreffenden Verfahrensform gerichtet, sodass eine Aufforderung des Gerichts an den Gläubiger, sich zur zulässigen Verfahrensart zu erklären, nicht statthaft ist, erst recht nicht die Zurückweisung eines Gläubigerantrags mit der Begründung, die vom Gläubiger „gewählte“ Verfahrensart sei unzulässig.6) Umgekehrt kann der Gläubiger mangels Beschwer die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht mit der Begründung anfechten, es handele sich in Wirklichkeit um ein Regelinsolvenzverfahren.7)
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III. Selbständige wirtschaftliche Tätigkeit Absatz 1 erfasst jede selbständige Tätigkeit und unterscheidet nicht zwischen hauptund nebenberuflichen, gewerblichen und freiberuflichen oder sonstigen geringfügigen Tätigkeiten.8) Nicht Verbraucher sind auch „echte“ freie Mitarbeiter, da _____________ 5)
6) 7) 8)
BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 233/07, ZInsO 2008, 1324; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27 = NZI 2003, 647; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 W 244/99, ZIP 2000, 2031 = ZInsO 2000, 612, dazu EWiR 2001, 537 (Pape); Landfermann in: HKInsO, § 304 Rz. 14; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 304 Rz. 7; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 304 Rz. 34. A. A. offenbar LG Hamburg, Beschl. v. 11.10.2011 – 326 T 10/11, ZIP 2012, 288 = ZVI 2012, 106. BGH, Beschl. v. 25.4.2013 – IX ZB 179/10, ZIP 2013, 1139 = NZI 2013, 540. BGH, Beschl. v. 14.11.2002 – IX ZB 152/02, ZVI 2002, 449 = ZInsO 2002, 1181.
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§ 304
Grundsatz
diese gerade nicht Einkünfte aus einer abhängigen Beschäftigung, sondern aus selbständiger Tätigkeit erzielen.9) 8
Abhängig Beschäftigte und Beamte sowie Rentner und Empfänger von Versorgungsbezügen fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 304, wenn sie nebenberuflich selbständige Einkünfte erzielen. Allerdings muss bei ihnen eine selbständige Tätigkeit in nennenswertem Umfang vorliegen und sich organisatorisch verfestigt haben.10) Der nur gelegentliche Verkauf privater Gegenstände im Internet ist daher ebenso wenig als selbständige wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen wie eine i. R. des § 3 Nr. 26 EStG steuerfreie Nebentätigkeit, etwa als Dozent, Übungsleiter oder Sporttrainer. Erreichen die Einkünfte aus einer selbständigen Nebentätigkeit nicht einmal die Bagatellgrenze des § 3 Nr. 26 EStG (im Jahr 2013: 2 400 €), spricht vieles für das Fehlen einer verfestigten organisatorischen Einheit.11) Übersteigen die Nebeneinkünfte diese Bagatellgrenze dagegen erheblich, oder nimmt eine Person als „Powerseller“ gewerbsmäßig als Verkäufer in Internetportalen teil,12) so ist sie nicht Verbraucher i. S. des § 304. Auch erscheint zweifelhaft, ob die Vermietung von zwei Eigentumswohnungen tatsächlich nur als rein private Vermögensverwaltung eines Verbraucherschuldners und nicht bereits als selbständige Erwerbstätigkeit anzusehen ist.13)
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Persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften, also die Gesellschafter der oHG, die Komplementäre der KG und auch die Gesellschafter der GbR, sind als die eigentlichen Unternehmensträger der Gesellschaft selbständig beruflich tätig und unterfallen daher in ihrem persönlichen Insolvenzverfahren nicht den Vorschriften der Verbraucherinsolvenz.14) Gleiches gilt für den geschäftsführenden Alleingesellschafter einer GmbH, weil auch dieser wirtschaftlich das gesamte unternehmerische Risiko trägt und unter bestimmten Voraussetzungen aus Durchgriffshaftung in Anspruch genommen werden kann.15) Das gilt auch für den geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter, und zwar auch dann, wenn sich Geschäfts-
_____________ 9) A. A. für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 304 Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 304 Rz. 10 unter Hinweis auf Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 304 Rz. 8. 10) BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 80/11, NZI 2011, 410 Rz. 7 = ZIP 2011, 966. 11) BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 80/11, NZI 2011, 410 Rz. 7 = ZIP 2011, 966. 12) Vgl. zur Unternehmereigenschaft solcher „Powerseller“ LG Mainz, Urt. v. 6.7.2005 – 3 O 184/04, BB 2005, 2264 = NJW 2006, 783. Gibt der Schuldner die Verkäufe vor Antragstellung auf, so hängt die Zulässigkeit des Verbraucherinsolvenzverfahrens von seiner Verschuldungsstruktur ab. 13) So aber LG Göttingen, Beschl. v. 15.12.2006 – 10 T 130/06, ZIP 2007, 1031 = ZVI 2007, 367. Zur Abgrenzung von privater und beruflicher Vermögensverwaltung vgl. insgesamt AG Leipzig, Beschl. v. 29.1.2010 – 401 IK 2141/09, ZInsO 2011, 2241, m. Anm. Büttner, ZInsO 2011, 2201 ff. 14) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, ZIP 2005, 2070 = ZVI 2005, 598, unter Hinweis auf die vermeintliche (vgl. dagegen nur BGH, Urt. v. 23.3.1988 – VIII ZR 175/87, ZIP 1988, 851 Rz. 8 = BGHZ 104, 95, dazu EWiR 1988, 631 (Hensen)), Kaufmannseigenschaft der Gesellschafter, dazu EWiR 2006, 123 (Schmidt). 15) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070.
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§ 304
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führung und Beteiligung auf die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG beschränken.16) Dagegen beinhaltet die Anstellung als Fremdgeschäftsführer ohne eine Beteiligung an dem Unternehmen17) ebenso wenig eine selbständige Tätigkeit wie die bloße Beteiligung als Minderheitsgesellschafter.18) Fallen aber die Geschäftsführung und eine nicht ganz unerhebliche Gesellschaftsbeteiligung in der Person des Gesellschafter-Geschäftsführers zusammen, so entspricht es dem Sinn und Zweck des § 304, das Verbraucherinsolvenzverfahren nicht mit Fragen des Unternehmensinsolvenzrechts zu belasten, auch in diesen Fällen eine selbständige wirtschaftliche Betätigung anzunehmen, und zwar aufgrund der Handlungsbefugnisse und Haftungsrisiken des Gesellschafter-Geschäftsführers unabhängig davon, ob er eine Mehrheitsoder Minderheitsbeteiligung besitzt.19)
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IV. Ehemals selbständige Tätigkeit Die dargestellten Grundsätze gelten auch, wenn die selbständige Tätigkeit im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung endgültig eingestellt wurde. In diesen Fällen – nicht dagegen, wenn der Schuldner niemals zuvor selbständig tätig war20) – gelangen aber die Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren ausnahmsweise zur Anwendung, wenn die Vermögensverhältnisse des ehemals Selbstständigen überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. 1.
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Überschaubare Vermögensverhältnisse
Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse nach der unwiderleglichen Vermutung des Absatzes 2 zunächst nur dann, wenn der Schuldner bei Insolvenzantragstellung nicht mehr als 19 Gläubiger hat. Abzustellen ist auf die Angaben im Gläubigerverzeichnis, wobei es nicht auf die Anzahl der Forderungen, sondern nur auf die Anzahl der Gläubiger ankommt (zur korrekten Ermittlung der Gläubigeranzahl vgl. § 308 Rz. 11 und § 309 Rz. 4 bis 6).21) Legt der Schuldner kein Gläubigerverzeichnis vor, weil er davon ausgeht, der Regelinsolvenz zu unterfallen, so ist er aufzufordern, zunächst die Anzahl seiner Gläubiger darzulegen.
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Werden im Lauf des Schuldenbereinigungsplanverfahrens weitere, bisher nicht aufgeführte Gläubiger bekannt und führt dies zur Überschreitung der Grenze des Ab-
13
_____________ 16) BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 215/08, ZIP 2009, 626 Rz. 5 = ZInsO 2009, 682. 17) Vgl. hierzu AG Duisburg, Beschl. v. 8.8.2007 – 62 IN 181/07, ZIP 2007, 1963 = ZVI 2008, 114. 18) Nach LG Hamburg, Beschl. v. 15.1.2013 – 326 T 150/12, ZIP 2013, 425 = NZI 2013, 307, genügt aber eine 50 %ige Gesellschaftsbeteiligung zur Verneinung der Verbrauchereigenschaft des Schuldners jedenfalls dann, wenn die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens als rechtlich komplex einzuordnen ist. 19) Anders die h. Lit., die aufgrund gesellschaftsrechtlicher Erwägungen entscheidend darauf abstellt, ob es sich um eine Mehrheitsbeteiligung handelt: Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 304 Rz. 18 ff, 21 m. w. N.; Landfermann in: HK-InsO, § 304 Rz. 6. Diese Frage lässt der BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 215/08, ZIP 2009, 625 Rz. 5 = ZInsO 2009, 682; BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070 – ausdrücklich offen. 20) LG Göttingen, Beschl. v. 15.12.2006 – 10 T 130/06, ZIP 2007, 1031 = ZVI 2007, 367. 21) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070.
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§ 304
Grundsatz
satzes 2, so ist der Einigungsversuch abzubrechen und das Verfahren – nach Anhörung des Schuldners (oben Rz. 4) – als Regelinsolvenzverfahren fortzusetzen. Eine Bindung an die Verfahrensart tritt erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein. 14
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Absatzes 2 kommt es nicht darauf an, ob die Forderungen der Gläubiger im Zusammenhang mit der früheren selbständigen Tätigkeit stehen. Dies ist vom Gericht daher nicht zu prüfen.22)
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Demgegenüber können die Vermögensverhältnisse des ehemals Selbstständigen ohne weiteres auch bei weniger als 20 Gläubigern unüberschaubar sein. Die Frage, ob Vermögensverhältnisse überschaubar sind, beurteilt sich objektiv nach ihrem Umfang und ihrer Struktur.23) Maßgebendes Kriterium ist, ob die Verschuldungsstruktur verbrauchertypisch ist. Machen die Gläubiger hauptsächlich Forderungen aus der ehemaligen selbständigen Tätigkeit geltend, so ist dies nicht der Fall mit der Folge, dass kein Verbraucherinsolvenzverfahren stattfinden kann. Dies gilt auch bei abgeleiteten Ansprüchen, etwa bei der Durchgriffshaftung gegen den GmbH-Geschäftsführer.24)
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Ob die Vermögensverhältnisse des Schuldners unüberschaubar sind, ist nicht nur anhand der Gläubigerforderungen, sondern auch anhand seiner Vermögenswerte und der ihm möglicherweise gegen Dritte zustehende Ansprüche zu beurteilen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Verbraucherinsolvenzverfahren eine Insolvenzanfechtung durch den Treuhänder ausgeschlossen ist und dieser darüber hinaus nicht mit aufwendigen Masseverwertungen belastet werden soll.
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Im Zweifel ist eher davon auszugehen, dass die Vermögensverhältnisse des ehemals Selbstständigen nicht überschaubar sind und damit das Regelinsolvenzverfahren zur Durchführung gelangt. Das folgt zum einen aus dem Ausnahmecharakter des Absatzes 1 Satz 2 und zum anderen daraus, dass das Verbraucherinsolvenzverfahren gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren ohnehin die Ausnahme darstellt.25) 2.
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Forderungen aus Arbeitsverhältnissen
Einem Sonderfall der nicht verbrauchertypischen Verschuldungsstruktur trägt auch das gesetzlich normierte Ausschlusskriterium des Bestehens von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen Rechnung.26) Werden gegen den Schuldner solche Forderungen erhoben, steht ebenfalls unwiderleglich fest, dass die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht anwendbar sind. _____________ 22) A. A. Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 304 Rz. 36, der in Fällen, in denen „Verbindlichkeiten aus Verbrauchergeschäften dominieren“, eine teleologische Reduktion des § 304 für angezeigt hält. Sinn und Zweck des § 304 ist es aber, ein einfach handhabbares Abgrenzungskriterium zu schaffen und aufwändige Verfahren grundsätzlich vom Verbraucherinsolvenzverfahren fernzuhalten. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf die Durchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens mit zahlreichen Gläubigern; vgl. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 30. Wie hier Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 304 Rz. 17; Landfermann in: HK-InsO, § 304 Rz. 8. 23) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27 = NZI 2003, 647. 24) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070. 25) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27 = NZI 2003, 647. 26) Vgl. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 30.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
Der Begriff der Forderungen aus Arbeitsverhältnissen ist weit auszulegen27) und erfasst alle Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Dritten entstanden sind. Erfasst werden daher neben den Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers, auch soweit diese auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen sind,28) insbesondere öffentlich-rechtliche Forderungen auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge und auf rückständige Lohnsteuer.29) Zu beachten ist allerdings, dass es sich dabei um Forderungen aus Arbeitsverhältnissen Dritter, nicht aus einer Zahlungspflicht für den Schuldner selbst, handeln muss.
19
Neben Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer fallen auch Forderungen der Berufsgenossenschaft auf Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung unter den Begriff der Forderung aus einem Arbeitsverhältnis,30) ebenso sonstige Zahlungen an öffentliche oder private Einrichtungen, zu denen der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer verpflichtet ist. Unerheblich ist auch, ob es sich um einen Primär- oder einen Haftungsanspruch (etwa gegen den Geschäftsführer einer GmbH) handelt.31)
20
Eindeutig keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen sind dagegen sonstige Steuerforderungen, etwa Umsatz- oder Einkommensteuerforderungen. Solche Forderungen können aber nach allgemeinen Grundsätzen dazu führen, dass die Verschuldungsstruktur nicht verbrauchertypisch ist.
21
_____________ 27) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070. 28) BGH, Urt. v. 20.1.2011 – IX ZR 238/08, NJW 2011, 1678 Rz. 12 = ZIP 2011, 578, dazu EWiR 2011, 263 (Kexel). 29) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070. Die bisher im Schrifttum vertretene Gegenansicht ist durch die Entscheidung des BGH überholt. A. A. offenbar LG Berlin, Beschl. v. 29.6.2010 – 85 T 250/09, ZInsO 2010, 2343. 30) A. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 304 Rz. 16; wie hier AG Hamburg, Beschl. v. 4.3.2003 – 68a IK 31/03, ZVI 2003, 168, 169 = NZI 2003, 330. 31) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 678 = ZIP 2005, 2070.
§ 305 Eröffnungsantrag des Schuldners (1) Mit dem schriftlich einzureichenden Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich nach diesem Antrag hat der Schuldner vorzulegen: 1.
eine Bescheinigung, die von einer geeigneten Person oder Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt ist und aus der sich ergibt, daß eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist; der Plan ist beizufügen und die wesentlichen Gründe für sein Scheitern sind darzulegen; die Länder können bestimmen, welche Personen oder Stellen als geeignet anzusehen sind; )
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
Der Begriff der Forderungen aus Arbeitsverhältnissen ist weit auszulegen27) und erfasst alle Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Dritten entstanden sind. Erfasst werden daher neben den Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers, auch soweit diese auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen sind,28) insbesondere öffentlich-rechtliche Forderungen auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge und auf rückständige Lohnsteuer.29) Zu beachten ist allerdings, dass es sich dabei um Forderungen aus Arbeitsverhältnissen Dritter, nicht aus einer Zahlungspflicht für den Schuldner selbst, handeln muss.
19
Neben Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer fallen auch Forderungen der Berufsgenossenschaft auf Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung unter den Begriff der Forderung aus einem Arbeitsverhältnis,30) ebenso sonstige Zahlungen an öffentliche oder private Einrichtungen, zu denen der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer verpflichtet ist. Unerheblich ist auch, ob es sich um einen Primär- oder einen Haftungsanspruch (etwa gegen den Geschäftsführer einer GmbH) handelt.31)
20
Eindeutig keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen sind dagegen sonstige Steuerforderungen, etwa Umsatz- oder Einkommensteuerforderungen. Solche Forderungen können aber nach allgemeinen Grundsätzen dazu führen, dass die Verschuldungsstruktur nicht verbrauchertypisch ist.
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_____________ 27) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070. 28) BGH, Urt. v. 20.1.2011 – IX ZR 238/08, NJW 2011, 1678 Rz. 12 = ZIP 2011, 578, dazu EWiR 2011, 263 (Kexel). 29) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 677 = ZIP 2005, 2070. Die bisher im Schrifttum vertretene Gegenansicht ist durch die Entscheidung des BGH überholt. A. A. offenbar LG Berlin, Beschl. v. 29.6.2010 – 85 T 250/09, ZInsO 2010, 2343. 30) A. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 304 Rz. 16; wie hier AG Hamburg, Beschl. v. 4.3.2003 – 68a IK 31/03, ZVI 2003, 168, 169 = NZI 2003, 330. 31) BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NZI 2005, 676, 678 = ZIP 2005, 2070.
§ 305 Eröffnungsantrag des Schuldners (1) Mit dem schriftlich einzureichenden Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich nach diesem Antrag hat der Schuldner vorzulegen: 1.
eine Bescheinigung, die von einer geeigneten Person oder Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt ist und aus der sich ergibt, daß eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist; der Plan ist beizufügen und die wesentlichen Gründe für sein Scheitern sind darzulegen; die Länder können bestimmen, welche Personen oder Stellen als geeignet anzusehen sind; )
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
2.
den Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung (§ 287) oder die Erklärung, daß Restschuldbefreiung nicht beantragt werden soll;
3.
ein Verzeichnis des vorhandenen Vermögens und des Einkommens (Vermögensverzeichnis), eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts dieses Verzeichnisses (Vermögensübersicht), ein Verzeichnis der Gläubiger und ein Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forderungen; den Verzeichnissen und der Vermögensübersicht ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind;
4.
einen Schuldenbereinigungsplan; dieser kann alle Regelungen enthalten, die unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sowie der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse des Schuldners geeignet sind, zu einer angemessenen Schuldenbereinigung zu führen; in den Plan ist aufzunehmen, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden sollen.
(2) 1In dem Verzeichnis der Forderungen nach Absatz 1 Nr. 3 kann auch auf beigefügte Forderungsaufstellungen der Gläubiger Bezug genommen werden. 2 Auf Aufforderung des Schuldners sind die Gläubiger verpflichtet, auf ihre Kosten dem Schuldner zur Vorbereitung des Forderungsverzeichnisses eine schriftliche Aufstellung ihrer gegen diesen gerichteten Forderungen zu erteilen; insbesondere haben sie ihm die Höhe ihrer Forderungen und deren Aufgliederung in Hauptforderung, Zinsen und Kosten anzugeben. 3Die Aufforderung des Schuldners muß einen Hinweis auf einen bereits bei Gericht eingereichten oder in naher Zukunft beabsichtigten Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens enthalten. (3) 1Hat der Schuldner die amtlichen Formulare nach Absatz 5 nicht vollständig ausgefüllt abgegeben, fordert ihn das Insolvenzgericht auf, das Fehlende unverzüglich zu ergänzen. 2Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht binnen eines Monats nach, so gilt sein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen. 3Im Falle des § 306 Abs. 3 Satz 3 beträgt die Frist drei Monate.
) (4) 1Der Schuldner kann sich vor dem Insolvenzgericht von einer geeigneten Person oder einem Angehörigen einer als geeignet anerkannten Stelle im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 vertreten lassen. 2Für die Vertretung des Gläubigers gilt § 174 Abs. 1 Satz 3 entsprechend.
) (5) 1Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Verbraucherinsolvenzverfahrens für die Beteiligten Formulare für die nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 vorzulegenden Bescheinigungen, Anträge und Verzeichnisse einzuführen. 2 Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muß sich der Schuldner ihrer bedienen. 3Für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren maschinell bearbeiten, und für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren nicht maschinell bearbeiten, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.
)
)
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Absatz 1 1. Satzteil sowie Absatz 1 Nr. 1 geändert durch Art. 1 Nr. 36 Buchst. a des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläu-
Sabel
§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
bigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lauteten Absatz 1 1. Satzteil sowie Absatz 1 Nr. 1: „(1) Mit dem schriftlich einzureichenden Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 311) oder unverzüglich nach diesem Antrag hat der Schuldner vorzulegen: 1. eine Bescheinigung, die von einer geeigneten Person oder Stelle ausgestellt ist und aus der sich ergibt, daß eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist; der Plan ist beizufügen und die wesentlichen Gründe für sein Scheitern sind darzulegen; die Länder können bestimmen, welche Personen oder Stellen als geeignet anzusehen sind;“
)
Absatz 3 Satz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 36 Buchst. b des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 3 Satz 1: „(3) 1Hat der Schuldner die in Absatz 1 genannten Erklärungen und Unterlagen nicht vollständig abgegeben, so fordert ihn das Insolvenzgericht auf, das Fehlende unverzüglich zu ergänzen.“
)
Absatz 4 Satz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 36 Buchst. c des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 4 Satz 1: „(4) 1Der Schuldner kann sich im Verfahren nach diesem Abschnitt vor dem Insolvenzgericht von einer geeigneten Person oder einem Angehörigen einer als geeignet anerkannten Stelle im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 vertreten lassen.“
) Absatz 5 Satz 1 geändert durch Art. 1 Nr. 36 Buchst. d des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 5 Satz 1: „(5) 1Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Verbraucherinsolvenzverfahrens für die Beteiligten Formulare für die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 4 vorzulegenden Bescheinigungen, Anträge, Verzeichnisse und Pläne einzuführen.“
Literatur: Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679; Hackling, Die Bescheinigung durch geeignete Personen oder Stellen über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung ohne Mitwirkung an der außergerichtlichen Einigung, ZVI 2006, 225; Heyer, Nochmals: problematischer Selbstversuch – außergerichtliche Einigungsversuche durch die Schuldner ohne hinreichende Unterstützung durch Beratungsstellen oder geeignete Personen, ZVI 2011, 41; Heyer, Die qualifizierte Abschlussbescheinigung nach der Insolvenzrechtsreform 2013/2014, ZVI 2013, 214; Holzer, „Geeignete Stellen“ im Verbraucherinsolvenzverfahren und Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union, ZVI 2011, 237; Janlewing, Anwaltliche und öffentlich geförderte Schuldnerberatung – zwei gleichberechtigte Hilfsangebote für Überschuldete, ZVI 2005, 617; Kirchhof, Die Anfechtbarkeit der Vergütung vorinsolvenzlicher Berater und Vertreter des Schuldners im folgenden Insolvenzverfahren, ZInsO 2005, 340; Lissner, Beratungshilfe im Insolvenzverfahren, ZInsO 2012, 104; Pieper, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung – Notwendigkeit des Schuldners zur Angabe bestrittener Forderungen im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis?, ZInsO 2010, 174; Sternal, Die Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren im Jahre 2010, NZI 2011, 465.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners Übersicht
I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Schriftformerfordernis und Formularzwang .................................... 2 III. Vertretung des Schuldners im Schuldenbereinigungsplanverfahren ............................................... 6 IV. Geeignete Personen und Stellen ...... 10 V. Vorzulegende Unterlagen ................. 14 1. Eröffnungsantrag und Erklärung zur Restschuldbefreiung ..................... 15 2. Personalbogen ..................................... 16 3. Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung ........ 18
I. 1
4.
Gründe für das Scheitern des Einigungsversuchs ............................... 20 5. Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 ................................................... 23 6. Vermögensübersicht und Vermögensverzeichnis ........................ 25 7. Gläubiger- und Forderungsverzeichnis ........................................... 29 8. Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan ............................................. 34 VI. Verfahren bei unvollständigem Antrag ................................................. 40
Zweck der Vorschrift
§ 305 regelt Form und Inhalt des Verbraucherinsolvenzantrags und seiner notwendigen Anlagen. Die Vorschrift enthält darüber hinaus die einzige gesetzliche Erwähnung des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens, ohne dieses im Einzelnen zu regeln. Gleiches gilt für die geeigneten Personen oder Stellen, die in Absatz 1 Nr. 1 als bestehend vorausgesetzt werden. II. Schriftformerfordernis und Formularzwang
2
Das Verbraucherinsolvenzverfahren erfordert als Massenverfahren eine standardisierte Antragsbearbeitung. Deshalb kann der Verbraucherinsolvenzantrag nicht durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden, und es besteht für die mit dem schriftlich einzureichenden Insolvenzantrag vorzulegenden Anlagen, seit das Bundesministerium der Justiz durch Erlass der Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung (VbrInsVV)1) von der Verordnungsermächtigung in Absatz 5 Satz 1 Gebrauch gemacht hat, ein strenger Formularzwang. Die in Absatz 5 Satz 2 vorgesehene Möglichkeit der elektronischen Antragstellung ist weiterhin nicht realisiert.2)
3
Den amtlichen Formularen, die bei den Insolvenzgerichten vorrätig gehalten werden und darüber hinaus im Internet abrufbar sind,3) ist ein umfangreiches Hinweisblatt beigefügt, das zahlreiche Hinweise zum Ausfüllen der Formulare, aber auch zum Ablauf des Verfahrens enthält und unbedingt beachtet werden sollte.
4
Der Formularzwang erfasst nicht den Insolvenzantrag als solchen. Ein schriftlicher Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, der nicht unter Verwendung des amtlichen Formularsatzes gestellt wird, darf daher nicht als unzu_____________ 1)
2)
3)
Verordnung zur Einführung von Vordrucken für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren (VbrInsVV) v. 17.2.2003, BGBl. I 2003, 703, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Bd. V. Die VbrInsVV soll zum 1.7.2014 geändert werden. Vgl. dazu den Entwurf einer ÄnderungsVO v. 30.4.2014, BR-Drucks. 179/14. Eine elektronische Antragstellung wird wohl – auch wenn jenes Gesetz die InsO nicht unmittelbar betrifft – erst ab dem Inkrafttreten der Regelungen des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (BGBl. I 2013, 3786) zum 1.1.2018 realisiert werden. Die Gewähr für eine authentische, auch im Fall künftiger Änderungen aktuelle Fassung der Formulare bietet das gemeinsame Justizportal des Bundes und der Länder unter http:// www.justiz.de/Formulare.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
lässig zurückgewiesen werden.4) Das Gericht hat den Schuldner in diesen Fällen aber mit den in Absatz 3 normierten Folgen zur Abgabe vollständiger Formulare aufzufordern (unten Rz. 40 ff). Der Schuldner sollte daher von vornherein ausschließlich das amtliche Formular verwenden, dessen Hauptblatt auch den erforderlichen Insolvenzantrag enthält. Ergänzende Ausführungen zur Zahlungsunfähigkeit oder drohenden Zahlungsunfähigkeit sind nicht erforderlich, weil das Gericht anhand der vorgelegten Anlagen in der Lage ist, über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes zu entscheiden.5) Der amtliche Formularsatz enthält in der Anlage 7A zwei Muster für Schuldenbereinigungspläne, deren gestaltender Teil nicht dem Formularzwang unterliegt. Der Schuldner kann an ihrer Stelle einen von den Musterplänen gestalterisch und inhaltlich abweichenden Besonderen Teil des Schuldenbereinigungsplans einreichen. Ebenso wenig sind die Erläuterungen zur vorgeschlagenen Schuldenbereinigung (Anlage 7C) notwendiger Bestandteil des Plans und brauchen nicht unbedingt vorgelegt zu werden. Diese Einschränkungen des Formularzwangs ergeben sich unmittelbar aus den als Anlage zur VbrInsVV verkündeten amtlichen Formularen und tragen dem beim Schuldenbereinigungsplan im Vordergrund stehenden Grundsatz der privatautonomen Plangestaltung Rechnung. Soweit darüber hinaus nach dem Wortlaut des durch die Verbraucherinsolvenzreform geänderten § 305 Abs. 5 der Schuldenbereinigungsplan insgesamt – und damit auch der Allgemeine Teil des Schuldenbereinigungsplans (Anlage 7) – nicht mehr vom Formularzwang erfasst sein soll, dürfte es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen handeln, das dem Umstand geschuldet ist, dass der RegE ursprünglich die komplette Streichung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens vorgesehen hatte.6)
5
III. Vertretung des Schuldners im Schuldenbereinigungsplanverfahren Eine Vertretung des Schuldners in der ersten Phase des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens ist grundsätzlich nicht erforderlich (zur Anwaltsbeiordnung im Zustimmungsersetzungsverfahren vgl. § 309 Rz. 42). Deshalb ist ihm für die Stellung des Insolvenzantrags auch dann kein Rechtsanwalt im Wege der Stundung beizuordnen, wenn er besondere Sprachprobleme hat.7)
6
Die durchaus komplexe, folgenreiche und schwierige Vorbereitung des Insolvenzantrags, insbesondere die Ausarbeitung des Schuldenbereinigungsplans, stellt demgegenüber eine vorgerichtliche Tätigkeit dar, für die der unbemittelte Schuldner im Zusammenhang mit der Durchführung des außergerichtlichen Einigungsversuchs grund-
7
_____________ 4) 5)
6)
7)
Vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 = ZVI 2003, 64, dazu EWiR 2003, 589 (Gundlach/Frenzel). Vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 = ZVI 2003, 64, der zu Recht darauf hinweist, dass das Gericht die Verwendung der amtlichen Formulare nur im Verbraucherinsolvenzverfahren, nicht auch im Regelinsolvenzverfahren natürlicher Personen verlangen darf. Der Bericht des RA, BT-Drucks. 17/13535, S. 29, enthält jedenfalls keine Begründung für die Beibehaltung der Herausnahme des Schuldenbereinigungsplans aus dem Katalog der amtlichen Formulare und den hierdurch entstehenden Widerspruch zu § 305 Abs. 1 Nr. 4. BVerfG, Beschl. v. 18.3.2003 – 1 BvR 329/03, ZVI 2003, 223 = NJW 2003, 2668. Erforderlichenfalls ist in diesen Fällen ein Dolmetscher hinzuzuziehen.
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sätzlich auch anwaltliche Hilfe nach Maßgabe des Beratungshilfegesetzes in Anspruch nehmen kann.8) Der Antrag auf anwaltliche Beratungshilfe zur Vorbereitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens darf dabei nicht pauschal unter Hinweis auf öffentliche Sparzwänge und die (tatsächlich nur für etwas die Hälfte der jährlichen Antragsteller bestehende) Möglichkeit und Zumutbarkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Schuldnerberatungsangebote zurückgewiesen werden, weil nach der eindeutigen gesetzgeberischen Konzeption die Rechtsanwälte gleichberechtigt neben sonstigen Einrichtungen und Stellen zur Durchführung der außergerichtlichen Einigung berufen sind.9) Die Möglichkeit der Beratungshilfe im Insolvenzverfahren kann daher ebenso wenig wie in allen übrigen Rechtsbereichen von vornherein auf seltene Ausnahmefälle beschränkt oder als von vornherein nahezu unmöglich bezeichnet werden.10) Entscheidend bleibt vielmehr, ob eine für den Schuldner in seiner jeweiligen Situation zumutbare anderweite Hilfsmöglichkeit in angemessener Zeit verfügbar ist.11) 8
Lässt sich der Schuldner im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren vertreten, so sind neben den uneingeschränkt vertretungsberechtigten Rechtsanwälten nach Absatz 4 auch alle weiteren geeigneten Personen und Angehörigen geeigneter Stellen als Vertreter zugelassen. Ihre Vertretungsbefugnis endet seit der Verbraucherinsolvenzreform 2013 nicht mehr mit dem Abschluss des Schuldenbereinigungsplanverfahrens, sodass sie im eröffneten Insolvenzverfahren weiterhin vertretungsbefugt sind.12) Damit ist nunmehr der Einklang mit der Vertretungsbefugnis der Inkassounternehmen als Gläubigervertreter hergestellt, die seit dem 1.7.200813) nicht nur im Schuldenbereinigungsplanverfahren, sondern auch im eröffneten Verfahren bei der Forderungsfeststellung (nicht allerdings im Restschuldbefreiungsverfahren)14) vertretungsbefugt sind. Die erweiterte Vertretungsbefugnis besteht, da es sich um Verfahrensrecht handelt, auch in allen bereits vor der Gesetzesänderung anhängigen Insolvenzverfahren. Sie erfordert allerdings eine auch _____________ 8) BVerfG, Beschl. v. 18.3.2003 – 1 BvR 329/03, ZVI 2003, 223 = NJW 2003, 2668. 9) Die Beratungshilfesätze wurden mit dem ausdrücklichen Ziel der Förderung der Bereitschaft der Rechtsanwälte zur Beteiligung am außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren erhöht; Begr. RegE InsOÄndG (zu § 132 BRAO), BT-Drucks. 14/5680, S. 34. Wie hier Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Rz. 955; AG Schwerte, Beschl. v. 5.8.2004 – 3 II a 273/ 02, ZVI 2004, 744 = NZI 2004, 680. Vgl. zur Gesamtproblematik eingehend Janlewing, ZVI 2005, 617. 10) So aber I. Pape/G. Pape, ZInsO 2013, 265, 268, unter resignativer Verweisung auf die offensichtlich von Sparzwängen geprägten Entscheidungen der AG. 11) Vgl. hierzu ausführl. Lissner, ZInsO 2012, 104; die vom AG Halle, Beschl. v. 20.8.2010 – 103 II 3653/10, n. v., juris Rz. 5, genannte Sechs-Monats-Frist dürfte dabei die Obergrenze der Zumutbarkeit darstellen. Mehrjährige Warte- und Bearbeitungszeiten sind – entgegen der Ansicht des AG Darmstadt, Beschl. v. 14.11.2012 – 3 UR II 3869/12, ZVI 2013, 100 = FD-RVG 2012, 34035 – keineswegs hinnehmbar und dürfen nicht zur Verweigerung der Beratungshilfe führen. 12) BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZB 30/04, ZVI 2004, 337 = NZI 2004, 510. Die von der Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, BT-Drucks. 16/7416, vorgeschlagene Ausweitung der Vertretungsbefugnis auf das gesamte Verfahren wird jedenfalls zunächst nicht Gesetz. 13) Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BGBl. I 2007, 2840. 14) AG Köln, Beschl. v. 14.11.2012 – 72 IN 336/06, ZVI 2013, 166.
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§ 305
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auf die Vertretung im Insolvenzverfahren gerichtete Bevollmächtigung durch den Schuldner. Wird der Schuldner durch eine Person vertreten, die weder Rechtsanwalt noch geeignete Person oder Stelle im Sinn des § 305 ist, so gilt für die Zurückweisung dieser Vertreter über § 4 die Regelung in § 79 Abs. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift durch unanfechtbaren Beschluss zurückzuweisen sind auch geeignete Personen oder Stellen, die ihre Vertretungstätigkeit nach Abschluss des Schuldenbereinigungsplanverfahrens fortsetzen. Erweist sich eine Person oder Stelle ungeachtet ihrer behördlichen Anerkennung als unfähig, den Schuldner sachgerecht zu vertreten, so kann ihr das Gericht in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 3 Satz 3 ZPO die weitere Vertretung im Schuldenbereinigungsplanverfahren untersagen.
9
IV. Geeignete Personen und Stellen Darüber, welche Personen und Stellen geeignet und nach Absatz 4 zur Vertretung im Schuldenbereinigungsplanverfahren sowie nach Absatz 1 Nr. 1 zur Ausstellung einer Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung befugt sind, enthält § 305 keine nähere Bestimmung. Alle Bundesländer haben aber aufgrund der Ermächtigung in Absatz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz Ausführungsgesetze erlassen,15) auf deren Grundlage entweder eine automatische Anerkennung bestimmter Berufsangehöriger oder ein behördliches Anerkennungsverfahren erfolgt. Grundsätzlich geeignet sind danach die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe – insbesondere Rechtsanwälte, daneben aber wohl auch Steuerberater – sowie kommunale Schuldnerberatungsstellen. Schuldnerberatungsstellen in öffentlicher Trägerschaft sowie Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände erhalten in allen Ländern regelmäßig die erforderliche Anerkennung, daneben in vielen Ländern aber auch Einrichtungen in privater Trägerschaft oder Einzelpersonen, die Schuldnerberatung freiberuflich oder gewerblich betreiben.16) Bei solchen Schuldnerberatungseinrichtungen ist aber besonders darauf zu achten, dass sie tatsächlich die erforderliche behördliche Anerkennung besitzen, um sie von unseriösen gewerblichen Schuldenregulierern trennen zu können.17) Diese verstoßen, wenn sie die Vertretung ohne die erforderliche behördliche Anerkennung übernehmen, gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).18)
10
Da die gewerbliche bzw. freiberufliche Schuldnerberatung als Dienstleistung in den Anwendungsbereich der europäischen Dienstleistungsrichtlinie19) fällt, sind für das Anerkennungsverfahren – unabhängig von den möglicherweise erforderlichen Gesetzesänderungen – die darin aufgestellten Grundsätze zu beachten.20) Sehr bedenk-
11
_____________ 15) Zusammenstellung abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Band V. Eine gezielte Suche nach anerkannten Stellen und Personen bietet auch die in Zusammenarbeit mit dem BMFSFJ betriebene Internetseite www.forum-schuldnerberatung.de. 16) Zu Geeignetheit und Zuverlässigkeit als Grundvoraussetzungen für die Anerkennung als geeignete Stelle: VG Kassel, Beschl. v. 11.9.2009 – 5 L 1137/08.KS, ZVI 2009, 15. 17) Zur Versagung der behördlichen Genehmigung vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 9.7.2009 – OVG 1 B 27.08, ZVI 2009, 490. 18) AG Fulda, Urt. v. 3.11.2011 – 34 C 46/11, ZVI 2012, 82, n. rkr. 19) Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. (EU) Nr. L 376/36. 20) Eingehend hierzu Holzer, ZVI 2011, 237 ff.
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lich ist es daher, einer natürlichen Person die Anerkennung als geeignete Stelle grundsätzlich mit der Begründung zu verweigern, es handele sich um eine Einzelperson und nicht um eine Einrichtung.21) 12
Die Aufgaben der geeigneten Personen und Stellen regelt § 305 weder abschließend noch für diese verbindlich. Allein die Ausstellung der Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung ist eine ihnen durch Gesetz zugewiesene Aufgabe; inwieweit sie darüber hinaus den außergerichtlichen Einigungsversuch selbst durchführen oder dies dem Schuldner überlassen (vgl. unten Rz. 18), ihm bei der Vorbereitung des Insolvenzantrags und dem Ausfüllen der umfangreichen Anlagen behilflich sind, und ob sie die ihnen erlaubte Vertretung im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren übernehmen, hängt von der Auftragserteilung durch den Schuldner und bei öffentlichen Einrichtungen darüber hinaus von deren Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich ab.
13
Geeigneten Personen und Stellen, die nicht Rechtsanwälte oder Kammerrechtsbeistände sind, steht für ihre außergerichtliche Tätigkeit kein Vergütungsanspruch nach dem Beratungshilfegesetz zu. Eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Beratungshilfe kommt für sie nicht in Betracht.22) Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich.23) Ihre Finanzierung erfolgt durch die öffentlichen Haushalte, teilweise auch durch anteilige Kostenbeiträge der Schuldner, bei freiberuflich oder gewerblich tätigen Beratungseinrichtungen ausschließlich durch Honorarzahlungen der Schuldner oder Dritter, etwa ihrer Angehörigen.24) V. Vorzulegende Unterlagen
14
Die Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der mit dem Insolvenzantrag vorzulegenden Unterlagen und der darin gemachten Angaben trägt – mit Ausnahme der Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung – der Schuldner. Lässt er die Antragsformulare, insbesondere das Vermögensverzeichnis gemäß Absatz 1 Nr. 3, von einem Dritten – insbesondere auch seinem Rechtsanwalt oder einem Angehörigen einer geeigneten Stelle – ausfüllen oder vervollständigen, hat er vor der Unterzeichnung die Richtigkeit aller Angaben zu überprüfen. Unrichtige Angaben sind ihm dann aufgrund eigenen Fehlverhaltens zuzurechnen; das ungeprüfte Unterschreiben eines von dritter Seite ausgefüllten oder noch auszufüllenden Formulars wird regelmäßig als grob fahrlässig, unter Umständen sogar als bedingt vorsätzlich hinsichtlich jeglicher im Text enthaltenen Unrichtigkeit angesehen werden können.25) Auch bei der Auswahl einer ersichtlich ungeeigneten, nicht fachkundigen oder mit den tatsächlichen Umständen des Falles nicht vertrauten Hilfsperson kann dem Schuldner vorsätzliches oder grob fahrlässiges _____________ 21) So aber VG Düsseldorf, Urt. v. 5.9.2012 – 20 K 1012/12, ZVI 2013, 51. 22) Zutreffend LG Landau (Pfalz), Beschl. v. 8.8.2005 – 3 T 105/05, NZI 2005, 639; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.2.2006 – I-10 W 115/05, ZVI 2006, 290 = ZInsO 2006, 775. 23) BVerfG, Beschl. v. 4.12.2006 – 1 BvR 1198/06, NZI 2007, 181 = Rpfleger 2007, 329. 24) Zur grundsätzlichen Insolvenzfestigkeit solcher Zahlungen vgl. Kirchhof, ZInsO 2005, 350 ff; zu deren anfechtungsrechtlichen Grenzen OLG München, Urt. v. 6.4.2005 – 3 U 3488/04, ZInsO 2005, 496. 25) BGH, Beschl. v. 11.5.2010 – IX ZB 167/09, ZVI 2010, 345 Rz. 9, 11 = NZI 2010, 655.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
Verhalten zur Last fallen.26) Lediglich ein Fehlverhalten des Verfahrensbevollmächtigten, der ein vom Schuldner bereits vollständig ausgefülltes und unterzeichnetes Vermögensverzeichnis eigenmächtig ändert, kann diesem nicht als eigenes (qualifiziertes) Verschulden zugerechnet werden.27) Der Schuldner hat die gemachten Angaben deshalb an mehreren Stellen durch seine eigenhändige Unterschrift zu bestätigen. Diese Unterschriftsleistung hat eine Warnfunktion im Hinblick auf die möglicherweise weit reichenden Folgen falscher Angaben (unten Rz. 28). Kopien hat der Schuldner zunächst nicht einzureichen. Sie werden vom Gericht nur angefordert, wenn das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren durchgeführt werden soll (vgl. § 306 Rz. 18). 1.
Eröffnungsantrag und Erklärung zur Restschuldbefreiung
Das Hauptblatt des amtlichen Antragsformulars enthält neben dem eigentlichen Insolvenzantrag insbesondere die nach Absatz 1 Nr. 2 erforderliche Erklärung zum Antrag auf Restschuldbefreiung. Beantragt der Schuldner – was in aller Regel der Fall ist – die Restschuldbefreiung, so hat er zugleich die nach § 287 Abs. 2 erforderliche Abtretungserklärung über seine künftigen pfändbaren Einkünfte abzugeben, für die ebenfalls Formularzwang besteht (Anlage 3; unten Rz. 23). Stellt der Verbraucherschuldner den Insolvenzantrag zunächst nicht mit dem amtlichen Vordruck und erklärt er sich auch nicht zur Restschuldbefreiung, so gilt für den nachträglichen Restschuldbefreiungsantrag die Monatsfrist des Absatzes 3, die als Spezialregelung der Zwei-Wochen-Frist in der allgemeinen Regelung des § 287 Abs. 1 Satz 2 vorgeht (hierzu und zur Frist für die Vorlage der Abtretungserklärung auch unten Rz. 24).28) 2.
15
Personalbogen
Der Personalbogen (Anlage 1) enthält neben den Adress- und Personenstandsangaben des Schuldners insbesondere die zur Ermittlung der zutreffenden Verfahrensart erforderlichen Angaben zur Erwerbstätigkeit des Schuldners sowie zu einer früheren selbständigen Tätigkeit.
16
Die Angaben zur Person des Verfahrensbevollmächtigten ersetzen nicht die Vorlage einer gesonderten Vollmachtsurkunde, die – außer bei Rechtsanwälten (§ 88 Abs. 2 ZPO) – mit dem Antrag vorzulegen oder nachzureichen ist.
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3.
Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Einigung
Die Durchführung eines außergerichtlichen Einigungsversuchs und dessen Scheitern sind Voraussetzung für die Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Die anerkannte Person oder Stelle, die dies auf dem amtlichen Formular (Anlage 2) bescheinigt, muss den Einigungsversuch nicht selbst durchgeführt haben.29) Seit der Verbraucherinsolvenzreform 2013 ist aber gesetzlich klargestellt, dass die Bera_____________ 26) 27) 28) 29)
BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZB 250/08, WM 2011, 503 Rz. 9 = ZVI 2011, 209. BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZB 250/08, WM 2011, 503 Rz. 10 = ZVI 2011, 209. So auch Landfermann in: HK-InsO, § 305 Rz. 30. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 305 Rz. 7; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 305 Rz. 32 f; a. A. AG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2007 – 68a IK 530/07, ZVI 2008, 211; Landfermann in: HK-InsO, § 305 Rz. 11, 27; Hackling, ZVI 2006, 225.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
tungsperson oder -stelle die Bescheinigung stets nur auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausstellen darf. Die verpflichtende aktive Mitwirkung erstreckt sich damit nach dem nunmehr eindeutigen Wortlaut des § 305 allein auf die persönliche Beratung des Schuldners und die sorgfältige, umfassende Prüfung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht dagegen auf eine Beteiligung an der Durchführung des Schuldenbereinigungsversuchs. Insoweit genügt weiter jede Art der Mitwirkung oder Prüfung, die der geeigneten Person oder Stelle ein zuverlässiges Urteil darüber ermöglicht, dass überhaupt ein außergerichtlicher Einigungsversuch stattgefunden hat, der den Anforderungen des § 305 genügt. Hat die geeignete Person oder Stelle den Einigungsversuch darüber hinaus aktiv begleitet, so ist dies in der Bescheinigung anzugeben.30) 19
Die Einigung muss auf der Grundlage eines Plans, also eines Vorschlags zur Gesamtbereinigung der Verbindlichkeiten des Schuldners, versucht worden sein. „Planlose“ Verhandlungen mit einzelnen Gläubigern reichen hierfür nicht.31) Dagegen kann es ausreichen, den Plan nicht allen Gläubigern zuzuleiten, sondern zunächst mit dem oder den Hauptgläubigern zu verhandeln.32) Stimmt ein Gläubiger nicht zu, ist das außergerichtliche Planverfahren gescheitert, sodass der Plan den übrigen Gläubigern nicht mehr übersandt werden muss. Dies ist in der Bescheinigung anzugeben und kurz zu begründen.33) Das Datum des endgültigen Scheiterns des Plans ist in der Bescheinigung anzugeben, da der Insolvenzantrag innerhalb von sechs Monaten nach diesen Zeitpunkt gestellt werden muss. Entscheidend ist also, wann der (letzte) Gläubiger sich endgültig ablehnend zu dem Plan geäußert hat, nicht dagegen, unter welchem Datum die geeignete Person oder Stelle dieses Scheitern bescheinigt.34) 4.
Gründe für das Scheitern des Einigungsversuchs
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Die Gründe für das Scheitern (Anlage 2A) hat der Schuldner – ggf. unter Mitwirkung der geeigneten Person oder Stelle – dem Gericht mitzuteilen, um diesem die Entscheidung über die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens zu ermöglichen. Dabei ist zunächst der Anteil der ausdrücklich zustimmenden Gläubiger mitzuteilen. Hilfreich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens ist auch die Angabe der Anzahl derjenigen Gläubiger, die sich zu dem außergerichtlichen Plan nicht geäußert haben, weil deren Stimmen im gerichtlichen Planverfahren bei unverändertem Stimmverhalten als Zustimmung zu werten sind. Sofern einzelne ablehnende Gläubiger ihre Ablehnung begründet haben, sind diese Gründe kurz zusammenzufassen.
21
In den Fällen, in denen der Einigungsversuch aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen als gescheitert gilt (vgl. dazu § 305a), sind der Name des vollstreckenden _____________ 30) Rz. 16 des amtlichen Formulars (Anlage 2). 31) LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.2013 – 25 T 266/13B, ZVI 2013, 386 = ZInsO 2013, 2574; Landfermann in: HK-InsO, § 305 Rz. 17; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 305 Rz. 67. 32) Landfermann in: HK-InsO, § 305 Rz. 20 unter Hinweis auf Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1690, Rz. 30; a. A. Uhlenbruck/Vallender, § 305 Rz. 68. 33) Rz. 15 des amtlichen Formulars (Anlage 2). 34) AG Köln, Beschl. v. 6.11.2006 – 71 IK 357/06, NZI 2007, 57.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
Gläubigers, das zuständige Amtsgericht sowie das gerichtliche Aktenzeichen und/ oder das Geschäftszeichen des Gerichtsvollziehers anzugeben. Zur Beurteilung der Aussichten für die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens ist mitzuteilen, ob und in welchen Punkten sich der gerichtliche von dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan unterscheidet. Wesentliche Unterschiede sollten kurz angeführt werden. Darüber hinaus kann der Schuldner durch die Angabe, ob er die Durchführung des gerichtlichen Planverfahrens für sinnvoll hält, Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts nehmen und zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen. Schließt sich nämlich das Gericht der Einschätzung des Schuldners an, so ist eine nochmalige Anhörung entbehrlich (§ 306 Rz. 11). 5.
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Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2
Ohne die vom Schuldner eigenhändig unterschriebene Abtretungserklärung (Anlage 3) wäre der Restschuldbefreiungsantrag unvollständig. Der Formularzwang und die Folgen der unvollständigen Einreichung von Erklärungen und Unterlagen in Absatz 3 erstrecken sich daher auch auf die Abtretungserklärung. Soweit in der Abtretungserklärung auf bestehende Abtretungen oder Verpfändungen hinzuweisen ist, ist auf eine Übereinstimmung mit den Angaben im Vermögensverzeichnis zu achten, dessen Ergänzungsblatt 5H ebenfalls die Angabe von Abtretungen und Verpfändungen erfordert. Die im amtlichen Formularsatz noch als Anlage 3A enthaltene Erklärung zur Abkürzung der Wohlverhaltensperiode auf fünf Jahre ist mittlerweile gegenstandslos, nachdem Art. 107 EGInsO mit Wirkung zum 1.7.2007 wegen Gegenstandslosigkeit aufgehoben worden ist.35)
23
Stellt sich erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Abtretungserklärung nicht vorliegt, so gilt für die Nachreichung der Erklärung Absatz 3 entsprechend.36) Dies hat zur Folge, dass das Gericht den Schuldner unter Hinweis auf die Folgen der Fristversäumung zur Nachreichung aufzufordern und hierbei nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2, sondern die Monatsfrist des § 305 Abs. 2 Satz 2 zu beachten hat.37)
24
6.
Vermögensübersicht und Vermögensverzeichnis
Vermögensübersicht und Vermögensverzeichnis (Anlagen 4 und 5) dienen nicht lediglich buchhalterischen Zwecken, sondern der Entlastung des Insolvenzgerichts bei der Feststellung des Insolvenzgrundes und vor allem der Information der Gläubiger über die Grundlagen der Schuldenbereinigung.38) Dabei ist die Vermögensübersicht so gestaltet, dass sie alle wesentlichen Informationen zum Aktivvermögen des Schuldners enthält und in aller Regel zur umfassenden Gläubigerunterrichtung ausreicht. _____________ 35) Gesetz v. 13.4.2007, BGBl. I 2007, 509; zum Hintergrund vgl. Begr., BT-Drucks. 16/3227, S. 22 – zu Artikel 3 Nr. 3. 36) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 112/08, ZVI 2009, 87, 89 = ZInsO 2009, 51. 37) BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 112/08, ZVI 2009, 87, 88 = ZInsO 2009, 51. 38) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 260/03, ZVI 2005, 641 = NZI 2005, 461.
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Allerdings gehört es nach Absatz 1 Nr. 3 nicht zu den Pflichten des Schuldners, die im Vermögensverzeichnis aufgeführten Gegenstände zu bewerten. Deshalb können aus dem Nichtausfüllen der entsprechenden Spalte im Vermögensverzeichnis keine nachteiligen Folgen für den Schuldner abgeleitet werden.39) Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Angabe falscher Werte liegt demgegenüber regelmäßig ein Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung vor.40)
27
Es unterliegt nicht der Beurteilung des Schuldners, Angaben zum Vermögen zu unterlassen, weil sie aus seiner Sicht für die Gläubiger uninteressant sind.41) Der Schuldner darf daher nicht Vermögensbestandteile, die nach seiner Ansicht „unwichtig“, „wertlos“ oder „unpfändbar“ sind,42) weglassen, sondern hat sein gesamtes Vermögen sowie die im Ergänzungsblatt 5K erfragten Schenkungen und Veräußerungen von Vermögensgegenständen vollständig zu offenbaren. Darauf, ob die Unterlassung von Angaben die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger tatsächlich verschlechtert, kommt es, wie der Bundesgerichtshof geklärt hat, grundsätzlich nicht an.43)
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Falsche oder unvollständige Angaben gefährden nicht nur die Erteilung der Restschuldbefreiung, weil sie im Fall vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 einen Versagungsgrund darstellen; sie können darüber hinaus auch i. S. eines Betrugsvorwurfs strafrechtlich relevant werden, etwa wenn ein Schuldenbereinigungsplan aufgrund falscher Angaben im Vermögensverzeichnis und der damit einhergehenden Täuschung der Gläubiger zustande kommt und der Schuldner hierdurch Vermögensvorteile erhält. Für den Schuldner ist es daher essentiell, von vornherein die Angaben in dem Vermögensverzeichnis und den Ergänzungsblättern 5A bis 5K sorgfältig auszufüllen.44) Bemerkt er – etwa aufgrund von Stellungnahmen der Gläubiger –, dass er fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, so kann er die Verzeichnisse noch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens berichtigen und so den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6
_____________ 39) BGH, Beschl. v. 8.5.2008 – IX ZB 54/07, WuM 2008, 416 Rz. 5. Der Sachverhalt betraf die Bewertung eines Grundstücks, die Ausführungen des BGH sind aber auf alle übrigen Vermögensgegenstände zu übertragen, die einer Bewertung unterliegen. 40) Vgl. AG Oldenburg, Beschl. v. 17.10.2006 – 68 IK 118/06, ZVI 2006, 446. 41) BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZB 174/03, ZVI 2004, 490 = NZI 2004, 633. 42) Der BGH hat im Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZB 37/06, ZVI 2008, 395, 396 = ZInsO 2008, 737, noch offengelassen, ob die im Schrifttum vertretene Ansicht zutrifft, der Schuldner habe im Vermögensverzeichnis nur pfändbare Vermögenswerte anzugeben. In diesem Fall könnte jedoch der Schuldner die oft schwierige und streitige Entscheidung über die Massezugehörigkeit einzelner Vermögensgegenstände selbst vorentscheiden, indem er die seiner Ansicht nach unpfändbaren Werte von vornherein nicht angibt. Dies widerspräche der gefestigten Rspr., wonach es nicht der Beurteilung des Schuldners unterliegen darf, Angaben zu unterlassen, weil sie vermeintlich „für die Gläubiger uninteressant“ sind (so ausdrückl. jetzt BGH, Beschl. v. 2.7.2009 – IX ZB 63/08, NZI 2009, 562 Rz. 7 – 10 = ZVI 2009, 510). 43) BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZB 174/03, NZI 2004, 633, 634 = ZVI 2004, 490. 44) Zum Sorgfaltsmaßstab und zum Nichtvorliegen grober Fahrlässigkeit bei widersprüchlichen Angaben in verschiedenen Anlagen zum Vermögensverzeichnis (hier: Nichtangabe mietfreien Wohnens unter Rz. 25 der Vermögensübersicht) vgl. BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZB 37/06, ZVI 2008, 395, 396 = ZInsO 2008, 737.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
beseitigen.45) Eine Berichtigung erst nach der Verfahrenseröffnung – etwa im Prüfungstermin oder i. R. der Stellungnahme zum Versagungsantrag eines Gläubigers – kann dagegen die Versagung der Restschuldbefreiung nur ausnahmsweise verhindern.46) 7.
Gläubiger- und Forderungsverzeichnis
Im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis (Anlage 6) sind alle gegen den Schuldner erhobenen Forderungen unter Angabe der Forderungsinhaber aufzuführen. Dabei genügt die Angabe einer Kurzbezeichnung des jeweiligen Gläubigers, dessen vollständige, zustellungsfähige Anschrift im Allgemeinen Teil des Schuldenbereinigungsplans (Anlage 7) aufzuführen ist. Erhebt ein Gläubiger mehrere Forderungen gegen den Schuldner, sind diese als gesonderte Hauptforderungen unter der Bezeichnung des Gläubigers getrennt aufzuführen.
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Unrichtige oder unvollständige Angaben im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis47) gefährden die Restschuldbefreiung in gleicher Weise wie falsche Angaben zum Vermögen; die oben (Rz. 28) gemachten Ausführungen – auch zur Berichtigung unvollständiger Angaben – gelten entsprechend. Allerdings ist die fehlende exakte Bestimmung der Forderungshöhe entschuldbar, wenn der Schuldner die Forderung jedenfalls mit dem Betrag „0 €“ in das Verzeichnis aufnimmt und – spätestens – auf Nachfrage des Gerichts glaubhaft versichert, er kenne die genaue Höhe der gegen ihn gerichteten Forderungen nicht.48)
30
Der Schuldner hat in das Gläubigerverzeichnis alle Personen aufzunehmen, die gegen ihn Ansprüche geltend machen. Er muss daher auch Gläubiger berücksichtigen, deren Forderungen er für unbegründet hält, und zwar in der vom Gläubiger beanspruchten Höhe. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Absatzes 1 Nr. 3, der auf die „gegen den Schuldner gerichteten Forderungen“, nicht auf die gegen ihn tatsächlich bestehenden Forderungen abstellt.49) Zu erfassen sind damit insbesondere auch Forderungen, die Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind.50) Dass der Schuldner die Forderung insgesamt oder jedenfalls der Höhe nach bestreitet, ist ggf. ergänzend in das Forderungsverzeichnis aufzunehmen; im Schuldenbereinigungsplan braucht der Schuldner in diesem Fall die Forderung des Gläubigers nur in der Höhe zu berücksichtigen, die er für berechtigt hält.51)
31
_____________ 45) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 260/03, ZVI 2005, 641 = NZI 2005, 461 im Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 17.4.2002 – 4Z BR 20/02, ZVI 2002, 215 = BayObLGZ 2002, 110. 46) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 260/03, ZVI 2005, 641 = NZI 2005, 461; BGH, Beschl. v. 3.3.2005 – IX ZB 171/03, ZVI 2005, 643 = NZI 2005, 404. Zum Ausnahmefall (Unverhältnismäßigkeit) vgl. BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 284/08, ZVI 2009, 467 = ZInsO 2009, 1954. 47) Hierzu zählt etwa auch die Aufnahme von „Scheinforderungen“ naher Verwandter, um die Voraussetzungen einer Zustimmungsersetzung herbeizuführen, vgl. AG Göttingen, Beschl. v. 29.1.2008 – 74 IK 159/05, n. v. 48) BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 205/07, ZVI 2008, 515 = ZInsO 2008, 860. 49) BGH, Beschl. v. 2.7.2009 – IX ZB 63/08, ZVI 2009, 510 Rz. 7 – 10 = NZI 2009, 562; hierzu eingehend Pieper, ZInsO 2010, 174. 50) BGH, Beschl. v. 7.10.2010 – IX ZA 29/10, ZVI 2011, 105 = NZI 2011, 66. 51) Vgl. Landfermann in: HK-InsO, § 305 Rz. 37.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
32
Aufzunehmen sind in das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis auch Forderungen aus bestehenden Schuldverhältnissen, die gestundet oder aus anderen Gründen noch nicht fällig sind oder erst nach Verfahrenseröffnung entstehen. Immer dann, wenn der Schuldner im Ergänzungsblatt 5J zum Vermögensverzeichnis laufende (Raten-)Zahlungen aufführt, ist die Forderung, die diesen Zahlungen zugrunde liegt, daher in voller Höhe im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis aufzuführen, weil die Gesamtforderung gemäß § 41 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insgesamt fällig wird.52) Dies gilt auch für Ansprüche des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners auf vereinbarte Vorschüsse53) und auf das Anwaltshonorar.54)
33
Die Pflicht zur vollständigen Angabe erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Angaben zu Schuldgrund, Zinsen und Kosten. Die Gläubiger sind nach Absatz 2 Satz 2 verpflichtet, dem Schuldner auf ihre Kosten eine in Hauptforderung, Zinsen und Kosten aufgegliederte Aufstellung ihrer Forderungen zur Verfügung zu stellen. Eine Kostenerstattung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn nach dem Scheitern der außergerichtlichen Einigung kein gerichtliches Insolvenzverfahren durchgeführt wird. Kommt ein Gläubiger der Aufforderung des Schuldners trotz des Hinweises auf das beabsichtigte Insolvenzverfahren nicht nach, so braucht der Schuldner, um seiner Pflicht zur Vorlage eines vollständigen Forderungsverzeichnisses zu genügen, den Gläubiger nicht auf Auskunftserteilung zu verklagen. Er darf die Forderung allerdings auch nicht ohne weiteres mit null in den Plan aufnehmen, weil in der fehlenden Mitwirkung des Gläubigers noch keine Verwirkung des Anspruchs zu sehen ist.55) Der Schuldner genügt in diesem Fall seinen Pflichten, wenn er den letzten ihm bekannten Forderungsstand angibt und ggf. auf die fehlende Mitwirkung des Gläubigers hinweist.56) 8.
Gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan
34
Der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan besteht aus dem Allgemeinen Teil (Anlage 7), dem Besonderen Teil, der die inhaltliche Ausgestaltung des Plans enthält und für den die Anlage 7A zwei Muster bereithält, und den Ergänzenden Regelungen (Anlage 7B). Ergänzend können Erläuterungen zur Ausgestaltung des Plans beigefügt werden, für die die Anlage 7C ein Muster enthält. Vom Formularzwang erfasst ist der Schuldenbereinigungsplan seit der Verbraucherinsolvenzreform 2013 nicht mehr (oben Rz. 5).
35
Der Allgemeine Teil des Schuldenbereinigungsplans enthält die vollständige, zustellungsfähige Anschrift jedes Gläubigers oder seines Verfahrensbevollmächtigten. Postfachanschriften reichen im Hinblick auf die erforderliche förmliche Zustellung nicht (§ 307 Rz. 2 – 6; dort auch zu den Folgen bei unzutreffenden Anschriften). Außerdem ist die Höhe aller vom Gläubiger gegen den Schuldner erhobenen Forderungen und ihr prozentualer Anteil an der Gesamtverschuldung anzugeben. Die Angaben im Allgemeinen Teil des Schuldenbereinigungsplans dienen beim an_____________ 52) 53) 54) 55) 56)
BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537 Rz. 13 – 15. BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537 Rz. 16. BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – IX ZB 195/03, ZVI 2005, 364 = ZInsO 2005, 484. LG Wiesbaden, Beschl. v. 13.3.2012 – 4 T 44/12, ZVI 2012, 373 = NZI 2012, 422. Vgl. Ott in: MünchKomm-InsO, § 305 Rz. 43.
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
genommenen Schuldenbereinigungsplan als Rubrum des Vollstreckungstitels (§ 308 Abs. 1 Satz 2). Deshalb sind die Gläubiger in eindeutiger Weise zu bezeichnen, bei juristischen Personen und Personengesellschaften unter Angabe der gesetzlichen Vertreter. In der Gestaltung des Besonderen Teils des Schuldenbereinigungsplans ist der Schuldner frei. Er kann den Gläubigern entweder eine oder mehrere betragsmäßig festgelegte Zahlungen anbieten oder ihnen einen prozentualen Teil seiner Einkünfte über eine bestimmte Laufzeit hinweg anbieten. Für diese Konstellationen schlägt die Anlage 7A zwei alternative Musterpläne vor, deren Gestaltung für den Schuldner nicht verbindlich ist.
36
Ob der Schuldenbereinigungsplan angemessene Zahlungen an die Gläubiger vorsieht, ist keine Frage der Zulässigkeit des Plans, sondern der Zustimmungsersetzung bzw. der Sinnhaftigkeit der Durchführung eines gerichtlichen Planverfahrens. Deshalb ist nicht nur die – inzwischen weit verbreitete – Vorlage eines „flexiblen Nullplans“, bei dem der Schuldner, der zurzeit nicht über pfändbare Einkünfte verfügt, den Gläubigern den jeweils pfändbaren Anteil künftiger Einkünfte anbietet, sondern auch die Vorlage eines „echten“ oder „absoluten“ Nullplans, der von vornherein den vollständigen Verzicht aller Gläubiger auf ihre Ansprüche vorsieht, zulässig.57) Zur Möglichkeit der Zustimmungsersetzung in diesen Fällen vgl. § 309 Rz. 28.
37
Feste Vorgaben an den Inhalt des Schuldenbereinigungsplans enthält Absatz 1 Nr. 4, soweit er eine ausdrückliche Regelung für Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger fordert. Aus diesem Grund muss der Schuldner in der Anlage 7B des amtlichen Formulars Angaben dazu machen, ob persönliche oder dingliche Sicherheiten vorhanden sind, und ob diese Sicherheiten durch den Plan berührt werden. Immer dann, wenn der Plan das Erlöschen der gesicherten Forderungen vorsieht, führt dies zwangsläufig zum Wegfall der akzessorischen Sicherheiten, sodass – anders als im Fall der Restschuldbefreiung (§ 301) – die Gläubiger regelmäßig ihre Sicherheiten verlieren. Hierauf sollen sie gerade wegen der Abweichung gegenüber der Durchführung des Insolvenzverfahrens ausdrücklich hingewiesen werden.58)
38
Ob der Schuldner weitere ergänzende Regelungen und Klauseln in den Schuldenbereinigungsplan aufnimmt, bleibt ihm überlassen. Voraussetzung für eine Zustimmungsersetzung sind sie in der Regel nicht (§ 309 Rz. 26 f), sie können aber die Zustimmungsbereitschaft einzelner Gläubiger erhöhen. Eines Hinweises auf Tatsachen, die bei einer Durchführung des Insolvenzverfahrens eine Versagung der Restschuldbefreiung begründen könnten, bedarf es nicht.59)
39
_____________ 57) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZVI 2014, 17 Rz. 7 = ZInsO 2013, 2333. 58) Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 191, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 571 ff. 59) Vgl. zum Insolvenzplan BGH, Beschl. v. 19.5.2009 – IX ZB 236/07, ZIP 2009, 1384 Rz. 25 = ZVI 2009, 468, dazu EWiR 2010, 29 (Lau); anders für den Fall der Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat: LG Berlin, Beschl. v. 27.12.2007 – 86 T 657/07, ZIP 2008, 324 = ZInsO 2008, 462, dazu EWiR 2008, 411 (Bähr).
Sabel
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§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
VI. Verfahren bei unvollständigem Antrag 40
Das Gericht hat nach Absatz 3 seit der Verbraucherinsolvenzreform 2013 nur noch zu prüfen, ob der Schuldner die in Absatz 5 abschließend aufgeführten amtlichen Formulare vollständig ausgefüllt abgegeben hat. Die Prüfungskompetenz des Gerichts erstreckt sich damit abschließend auf die Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs (Abs. 1 Nr. 1), den Restschuldbefreiungsantrag (Abs. 1 Nr. 2) sowie das Vermögensverzeichnis nebst Vermögensübersicht und das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis (Abs. 1 Nr. 3). Eine inhaltliche Prüfung ist damit nicht verbunden. Das Gericht hat daher insbesondere nicht die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigung über das Scheitern des Einigungsversuchs zu überprüfen (vgl. auch oben Rz. 18).60) Klargestellt ist durch die Gesetzesänderung zugleich, dass die Vorlage anderer als der in den amtlichen Formularen vorgesehenen Unterlagen nicht gefordert werden darf.
41
Da die Vorlage eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans zwar noch gemäß Absatz 1 Nr. 4 grundsätzlich erforderlich ist, seine Nichtvorlage jedoch vom Gericht nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung in Absatz 3 i. V. m. Absatz 5 Satz 1 ausdrücklich nicht mehr beanstandet werden kann,61) wird als Folge der Nichtvorlage eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans bis zu einer Behebung dieses redaktionellen Fehlers durch den Gesetzgeber allein die Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 306 Abs. 1 Satz 2 ohne Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens in Betracht kommen. Denn eine analoge Geltung der Rücknahmefiktion zulasten des Schuldners, der entgegen § 305 Abs. 1 Nr. 4 auf die Einreichung eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans verzichtet hat, kommt angesichts des klaren Wortlauts der geltenden Norm und der weitreichenden nachteiligen Folgen für den Schuldner nicht in Betracht, zumal die Nichtdurchführung des gerichtlichen Planverfahrens in diesen Fällen regelmäßig dem Gesamtablauf des Insolvenzverfahrens nicht abträglich ist.
42
Die Vollständigkeitsprüfung bezieht sich sowohl auf die vollständige Vorlage der amtlichen Formulare als auch auf deren vollständige Ausfüllung. Deshalb hat das Gericht die unvollständige Angabe von Gläubigeranschriften62) ebenso zu beanstanden wie lückenhafte oder widersprüchliche Angaben im Vermögens- oder Gläubigerverzeichnis.63)
43
Die Aufforderung zur Vorlage vollständiger oder ergänzter Unterlagen hat das Gericht dem Schuldner im Hinblick auf die hierdurch in Gang gesetzte Monatsfrist,64) die als gesetzliche Frist nicht verlängert werden kann, förmlich zuzustellen.65) Erfüllt der Schuldner die gerichtliche Aufforderung fristgerecht und wird später das Insolvenzverfahren eröffnet, so löst auch ein ursprünglich unvollständiger und damit zunächst unzulässiger Insolvenzantrag die erweiterte Rückschlagsperre des § 88 _____________ 60) 61) 62) 63) 64) 65)
Vgl. Heyer, ZVI 2013, 217. Vgl. hierzu oben Rz. 5. Landfermann in: HK-InsO, § 305 Rz. 52. BGH, Beschl. v. 22.4.2004 – IX ZB 64/03, ZVI 2004, 281. In den Fällen des § 306 Abs. 3 beträgt die Frist abweichend drei Monate; vgl. § 306 Rz. 28. BayObLG, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 Z BR 18/01, NZI 2001, 656 = BayObLGZ 2001, 236.
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Sabel
§ 305
Eröffnungsantrag des Schuldners
Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) aus.66) Lässt der Schuldner die Frist verstreichen, so tritt die gesetzliche Fiktion der Antragsrücknahme ohne weiteres, insbesondere ohne die Möglichkeit des Gerichts, hierüber zu disponieren oder hinwegzusehen, ein. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist ist, da es sich nicht um eine Notfrist handelt, ausgeschlossen. Das ergibt sich aus § 233 ZPO, der über § 4 zur Anwendung gelangt. Der Schuldner hat in diesem Fall lediglich die Möglichkeit, einen neuen Insolvenzantrag einzureichen; eine Sperrfrist für die erneute Stellung eines Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrages besteht in diesem Fall nicht.67) Dies gilt angesichts des fehlenden Rechtsbehelfs gegen den Eintritt der Rücknahmefiktion und der ansonsten unverhältnismäßig schweren Folgen für den Schuldner unabhängig davon, ob die Rücknahmefiktion aufgrund der Nichtdurchführung eines Einigungsversuchs68) oder aufgrund eines Mangels eingreift, der innerhalb der Monatsfrist hätte geheilt werden können.69) In jedem Fall ist die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam, wenn der Schuldner die ergänzten Unterlagen verspätet eingereicht und das Gericht das Verfahren ohne Beanstandung fortgesetzt hat. Gleiches gilt für einen im weiteren Verfahrensverlauf zustande gekommenen Schuldenbereinigungsplan. Die kraft Gesetzes eingetretene Fiktion der Antragsrücknahme hat das Gericht dem Schuldner formlos mitzuteilen. Ein Rechtsmittel steht dem Schuldner hiergegen grundsätzlich nicht zu.70) Dies gilt selbst dann, wenn das Gericht dem Schuldner Auflagen macht, die zwar objektiv die Prüfungskompetenz des Gerichts überschreiten und damit rechtswidrig, jedoch noch nicht willkürlich und vom Schuldner grundsätzlich erfüllbar sind.71) Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn das Gericht dem Schuldner völlig überzogene oder unerfüllbare Auflagen gemacht hat, die über eine Vollständigkeits- bzw. Zulässigkeitsprüfung weit hinausgehen oder auf eine inhaltliche Überprüfung des Schuldenbereinigungsplans gerichtet sind.72) Nur in solchen Ausnahmefällen kommt die im Anschluss an die – unzulässige – gerichtliche Aufforderung erfolgende formlose Mitteilung der Antragsrücknahme
_____________ 66) BGH, Beschl. v.19.5.2011 – IX ZB 284/09, NZI 2011, 600 Rz. 10 = ZIP 2011, 1372. 67) LG Düsseldorf, Beschl. v. 7.3.2013 – 25 T 130/13, ZVI 2013, 142; A. A. AG Hamburg, Beschl. v. 16.8.2011 – 68 c IK 639/11, NZI 2011, 981; AG Essen, Beschl. v. 28.3.2012 – 166 IK 64/12, ZInsO 2012, 850. 68) In diesem Fall will auch das AG Essen, Beschl. v. 22.6.2012 – 166 IK 79/12, ZInsO 2012, 1730, die Sperrfrist nicht zur Anwendung bringen. 69) Wie hier Wimmer-Grote, FK-InsO, § 305 Rz. 64 mit ausführl. Begr. auch zu den durchgreifenden verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen eine so weitreichende Folge der nicht durch ein Rechtsmittel überprüfbaren Entscheidung über den Eintritt der Rücknahmefiktion. 70) BGH, Beschl. v. 16.10.2003 – IX ZB 599/02, ZVI 2004, 15 = ZInsO 2003, 1040. 71) So zur Vorlage von Kontoauszügen zum Zweck der Überprüfung der Angaben im Vermögensverzeichnis BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 195/08, NZI 2009, 900 Rz. 10 = ZVI 2010, 18. 72) BGH, Beschl. v. 16.10.2003 – IX ZB 599/02, ZVI 2004, 15 = ZInsO 2003, 1040 unter Hinweis auf Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 305 Rz. 156.
Sabel
1483
44
§ 305a
Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung
einer Ablehnung der Insolvenzeröffnung materiell gleich, sodass die sofortige Beschwerde nach § 34 zulässig ist.73) 45
Werden in einer gerichtlichen Verfügung mehrere Punkte beanstandet, von denen jedenfalls einer weder willkürlich noch unerfüllbar ist, so ist die Beschwerde nicht eröffnet, wenn der Schuldner diese erfüllbare Anforderung nicht erfüllt.74) _____________ 73) BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – IX ZB 63/03, ZVI 2005, 443 = NZI 2005, 414; zu einzelnen Fallkonstellationen: LG Berlin, Beschl. v. 10.10.2007 – 86 T 398/07, ZInsO 2008, 387; LG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2006 – 25 T 980/06, ZVI 2007, 180. 74) BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 195/08, ZInsO 2009, 2262 Rz. 5 = ZVI 2010, 18.
§ 305a Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung Der Versuch, eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung herbeizuführen, gilt als gescheitert, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nachdem die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden. Übersicht I.
Zweck der Vorschrift ........................... 1
I.
Zweck der Vorschrift
II. Einzelheiten .......................................... 3
1
Vollstreckungsversuche einzelner Gläubiger in der Phase des außergerichtlichen Einigungsversuchs hindern das Zustandekommen einer gütlichen Einigung und beein-trächtigen die Gleichbehandlung der Gläubiger im späteren Insolvenzverfahren. Sie sollen daher möglichst verhindert werden. Eine gerichtliche Einstellung der Einzelzwangsvollstreckung ist aber, soweit nicht im Einzelfall die Voraussetzungen des § 765a ZPO vorliegen,1) nach § 21 i. V. m. § 306 Abs. 2 Satz 1 erst nach Insolvenzantragstellung zulässig (§ 306 Rz. 8). Ein Insolvenzantrag wiederum kann nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 nur gestellt werden, wenn das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs feststeht (§ 305 Rz. 18). Überdies werden aufgrund der gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren erweiterten Rückschlagsperre, § 88 Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.), im Fall der nachfolgenden Insolvenzeröffnung nur die in den letzten drei Monaten vor der Insolvenzantragstellung erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unwirksam (§ 312 Rz. 6).
2
Die gesetzliche Fiktion des § 305a dient vor diesem Hintergrund dazu, dem Schuldner unmittelbar nach Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch einen _____________ 1)
Dazu eingehend Wimmer-Grote, FK-InsO, § 305a Rz. 5. Allerdings dürften, nachdem der Gesetzgeber die Ergänzung des § 765a ZPO um einen erweiterten Vollstreckungsschutz zur Durchführung des Einigungsversuchs mit Blick auf die Belastung der Gerichte ausdrücklich abgelehnt hat (RA z. RegE InsOÄndG BT-Drucks. 14/6468, S. 18 unter Hinweis auf Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 39 und 41), entgegen Grote die Voraussetzungen des § 765a ZPO regelmäßig nicht vorliegen; a. A. (allerdings vor Inkrafttreten des § 305a) LG Itzehoe, Beschl. v. 27.11.2000 – 4 T 375/00, VuR 2001, 187, 188 = NZI 2001, 100.
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§ 305a
Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung
einer Ablehnung der Insolvenzeröffnung materiell gleich, sodass die sofortige Beschwerde nach § 34 zulässig ist.73) 45
Werden in einer gerichtlichen Verfügung mehrere Punkte beanstandet, von denen jedenfalls einer weder willkürlich noch unerfüllbar ist, so ist die Beschwerde nicht eröffnet, wenn der Schuldner diese erfüllbare Anforderung nicht erfüllt.74) _____________ 73) BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – IX ZB 63/03, ZVI 2005, 443 = NZI 2005, 414; zu einzelnen Fallkonstellationen: LG Berlin, Beschl. v. 10.10.2007 – 86 T 398/07, ZInsO 2008, 387; LG Düsseldorf, Beschl. v. 9.11.2006 – 25 T 980/06, ZVI 2007, 180. 74) BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 195/08, ZInsO 2009, 2262 Rz. 5 = ZVI 2010, 18.
§ 305a Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung Der Versuch, eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung herbeizuführen, gilt als gescheitert, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nachdem die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden. Übersicht I.
Zweck der Vorschrift ........................... 1
I.
Zweck der Vorschrift
II. Einzelheiten .......................................... 3
1
Vollstreckungsversuche einzelner Gläubiger in der Phase des außergerichtlichen Einigungsversuchs hindern das Zustandekommen einer gütlichen Einigung und beein-trächtigen die Gleichbehandlung der Gläubiger im späteren Insolvenzverfahren. Sie sollen daher möglichst verhindert werden. Eine gerichtliche Einstellung der Einzelzwangsvollstreckung ist aber, soweit nicht im Einzelfall die Voraussetzungen des § 765a ZPO vorliegen,1) nach § 21 i. V. m. § 306 Abs. 2 Satz 1 erst nach Insolvenzantragstellung zulässig (§ 306 Rz. 8). Ein Insolvenzantrag wiederum kann nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 nur gestellt werden, wenn das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs feststeht (§ 305 Rz. 18). Überdies werden aufgrund der gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren erweiterten Rückschlagsperre, § 88 Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.), im Fall der nachfolgenden Insolvenzeröffnung nur die in den letzten drei Monaten vor der Insolvenzantragstellung erfolgten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unwirksam (§ 312 Rz. 6).
2
Die gesetzliche Fiktion des § 305a dient vor diesem Hintergrund dazu, dem Schuldner unmittelbar nach Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch einen _____________ 1)
Dazu eingehend Wimmer-Grote, FK-InsO, § 305a Rz. 5. Allerdings dürften, nachdem der Gesetzgeber die Ergänzung des § 765a ZPO um einen erweiterten Vollstreckungsschutz zur Durchführung des Einigungsversuchs mit Blick auf die Belastung der Gerichte ausdrücklich abgelehnt hat (RA z. RegE InsOÄndG BT-Drucks. 14/6468, S. 18 unter Hinweis auf Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 39 und 41), entgegen Grote die Voraussetzungen des § 765a ZPO regelmäßig nicht vorliegen; a. A. (allerdings vor Inkrafttreten des § 305a) LG Itzehoe, Beschl. v. 27.11.2000 – 4 T 375/00, VuR 2001, 187, 188 = NZI 2001, 100.
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Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung
§ 305a
Gläubiger die Stellung des Insolvenzantrags zu ermöglichen und Vollstreckungsschutz nach § 21 zu erlangen. Außerdem stellt die Vorschrift – auch im Interesse der übrigen Gläubiger – sicher, dass der Schuldner innerhalb der Frist des § 88 Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) einen zulässigen Insolvenzantrag stellen kann, der nicht unter Hinweis auf einen noch nicht abgeschlossenen Einigungsversuch zurückgewiesen werden kann. II. Einzelheiten § 305a setzt voraus, dass die Verhandlungen über die außergerichtliche Schuldenbereinigung bereits begonnen haben. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn der Schuldner die Gläubiger gemäß § 305 Abs. 2 Satz 2 zur Übersendung einer Forderungsaufstellung auffordert, sondern erst mit Übersendung des außergerichtlichen Plans.2)
3
Betreibt ein Gläubiger bereits aufgrund einer Ankündigung des Schuldners, demnächst ein Insolvenzverfahren durchführen zu wollen, die Zwangsvollstreckung, enthebt dies den Schuldner nicht von der Pflicht, zunächst einen außergerichtlichen Einigungsversuch zu unternehmen. Sieht der Plan dann jedoch vor, dass der betreffende Gläubiger auf die erlangte Sicherung verzichtet, und nimmt der Gläubiger seine Vollstreckungsmaßnahme daraufhin nicht umgehend zurück, so liegt bereits hierin das Scheitern des Einigungsversuchs. Im Hinblick auf die erweiterte Rückschlagsperre sollte der Schuldner in diesen Fällen den Insolvenzantrag unbedingt innerhalb dreier Monate nach Ausbringung der Vollstreckungsmaßnahme stellen.
4
Stellt ein Gläubiger in Kenntnis des laufenden Einigungsversuchs einen Insolvenzantrag gegen den Schuldner, bedarf es nicht der Fiktion des § 305a.3) Vielmehr ist dieses Verhalten als endgültige Ablehnung einer außergerichtlichen Einigung anzusehen, sodass der Einigungsversuch tatsächlich gescheitert ist. Stellt ein Gläubiger den Insolvenzantrag dagegen vor Einleitung des Einigungsversuchs oder in Unkenntnis der außergerichtlichen Einigung, so gilt § 306 Abs. 3 mit der Folge, dass der Schuldner den Einigungsversuch fortsetzen muss.
5
Die Erhebung einer Klage nach Einleitung eines Schuldenbereinigungsplanverfahrens steht der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht gleich. Der Gläubiger kann trotz grundsätzlicher Einigungsbereitschaft ein Interesse daran haben, seinen Anspruch für den Fall, dass die Einigung scheitert, noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens titulieren zu lassen.4)
6
Aus dem Zweck der Vorschrift, die eine außergerichtliche Einigung fördern und nicht verhindern will, folgt, dass die Einleitung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen nach Übersendung des Plans nicht zwingend den Abbruch des Einigungsversuchs zur Folge hat. Ist eine Einigung auch weiterhin möglich – etwa weil der Schuldner den Gläubiger unter Hinweis auf die Rückschlagsperre von der Rücknahme seiner
7
_____________ 2) 3) 4)
Begr. RegE InsOÄndG (§ 305a), BT-Drucks. 14/5680, S. 31. Vgl. Landfermann in: HK-InsO, § 305a Rz. 4; a. A. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 305a Rz. 7. Zum Rechtsschutzinteresse des Gläubigers für eine Leistungsklage in diesen Fällen BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 29/09, ZIP 2009, 2118 = ZVI 2009, 369.
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§ 306
Ruhen des Verfahrens
Pfändungsmaßnahme überzeugen kann5) oder weil der Vollstreckungsversuch ohnehin fruchtlos verlaufen ist6) –, so ist es dem Schuldner unbenommen, den Einigungsversuch fortzusetzen. Allerdings sollte er auch in diesem Fall spätestens drei Monate nach der Vollstreckungsmaßnahme einen Insolvenzantrag stellen, wenn bis dahin keine einvernehmliche Einigung erreicht wurde. Der Einigungsversuch kann dann ggf. im gerichtlichen Verfahren fortgesetzt werden. _____________ 5) 6)
Landfermann in: HK-InsO, § 305a Rz. 6. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 305a Rz. 6.
§ 306 Ruhen des Verfahrens (1) 1Das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ruht bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. 2Dieser Zeitraum soll drei Monate nicht überschreiten. 3Das Gericht ordnet nach Anhörung des Schuldners die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag an, wenn nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen wird. (2) 1Absatz 1 steht der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nicht entgegen. Ruht das Verfahren, so hat der Schuldner in der für die Zustellung erforderlichen Zahl Abschriften des Schuldenbereinigungsplans und der Vermögensübersicht innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch das Gericht nachzureichen. 3§ 305 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
2
(3) 1Beantragt ein Gläubiger die Eröffnung des Verfahrens, so hat das Insolvenzgericht vor der Entscheidung über die Eröffnung dem Schuldner Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Antrag zu stellen. 2Stellt der Schuldner einen Antrag, so gilt Absatz 1 auch für den Antrag des Gläubigers. 3In diesem Fall hat der Schuldner zunächst eine außergerichtliche Einigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 zu versuchen. Literatur: Foerste, Risiken für Restschuldbefreiungsanträge im Fall des § 306 InsO, ZInsO 2009, 319. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Ruhen des Verfahrens ......................... 4 III. Zulässigkeit von Sicherungsmaßnahmen .......................................... 7 IV. Entscheidung über die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens ....... 10
I. 1
1. 2.
Anhörung des Schuldners ................... 11 Prüfungsmaßstab für die Ermessensentscheidung ...................... 12 3. Entscheidung des Gerichts ................. 18 V. Verfahren beim isolierten Gläubigerantrag gegen einen Verbraucherschuldner ....................... 21
Zweck der Vorschrift
Da das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren nach der Konzeption der InsO ein selbständiges, parallel zum gerichtlichen Insolvenzeröffnungsverfahren verlaufendes Vergleichsverfahren ist, bedarf es einer eigenständigen Regelung dar1486
Sabel
§ 306
Ruhen des Verfahrens
Pfändungsmaßnahme überzeugen kann5) oder weil der Vollstreckungsversuch ohnehin fruchtlos verlaufen ist6) –, so ist es dem Schuldner unbenommen, den Einigungsversuch fortzusetzen. Allerdings sollte er auch in diesem Fall spätestens drei Monate nach der Vollstreckungsmaßnahme einen Insolvenzantrag stellen, wenn bis dahin keine einvernehmliche Einigung erreicht wurde. Der Einigungsversuch kann dann ggf. im gerichtlichen Verfahren fortgesetzt werden. _____________ 5) 6)
Landfermann in: HK-InsO, § 305a Rz. 6. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 305a Rz. 6.
§ 306 Ruhen des Verfahrens (1) 1Das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ruht bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. 2Dieser Zeitraum soll drei Monate nicht überschreiten. 3Das Gericht ordnet nach Anhörung des Schuldners die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag an, wenn nach seiner freien Überzeugung der Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich nicht angenommen wird. (2) 1Absatz 1 steht der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nicht entgegen. Ruht das Verfahren, so hat der Schuldner in der für die Zustellung erforderlichen Zahl Abschriften des Schuldenbereinigungsplans und der Vermögensübersicht innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung durch das Gericht nachzureichen. 3§ 305 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
2
(3) 1Beantragt ein Gläubiger die Eröffnung des Verfahrens, so hat das Insolvenzgericht vor der Entscheidung über die Eröffnung dem Schuldner Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Antrag zu stellen. 2Stellt der Schuldner einen Antrag, so gilt Absatz 1 auch für den Antrag des Gläubigers. 3In diesem Fall hat der Schuldner zunächst eine außergerichtliche Einigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 zu versuchen. Literatur: Foerste, Risiken für Restschuldbefreiungsanträge im Fall des § 306 InsO, ZInsO 2009, 319. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Ruhen des Verfahrens ......................... 4 III. Zulässigkeit von Sicherungsmaßnahmen .......................................... 7 IV. Entscheidung über die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens ....... 10
I. 1
1. 2.
Anhörung des Schuldners ................... 11 Prüfungsmaßstab für die Ermessensentscheidung ...................... 12 3. Entscheidung des Gerichts ................. 18 V. Verfahren beim isolierten Gläubigerantrag gegen einen Verbraucherschuldner ....................... 21
Zweck der Vorschrift
Da das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren nach der Konzeption der InsO ein selbständiges, parallel zum gerichtlichen Insolvenzeröffnungsverfahren verlaufendes Vergleichsverfahren ist, bedarf es einer eigenständigen Regelung dar1486
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§ 306
Ruhen des Verfahrens
über, dass das Verfahren über den Insolvenzantrag nicht weiterbetrieben wird, solange das Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan anhängig ist. Seit dem InsOÄndG 2001 steht die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens nach Absatz 1 Satz 2 im Ermessen des Insolvenzgerichts, um die Durchführung aussichtsloser Planverfahren zu vermeiden.
2
§ 306 regelt darüber hinaus in Absatz 3 das Verfahren beim Eingang eines Gläubigerantrags gegen den Verbraucherschuldner, der selbst (noch) keinen Insolvenzantrag gestellt hat. Die Vorschrift dient dem Schutz des Schuldners, da dieser die Restschuldbefreiung grundsätzlich nur aufgrund eines eigenen Insolvenzantrags erlangen kann.1)
3
II. Ruhen des Verfahrens Das in Absatz 1 Satz 1 angeordnete Ruhen des Verfahrens über den Eröffnungsantrag tritt kraft Gesetzes ein. Davon unberührt bleibt die Pflicht des Gerichts, vorab die Statthaftigkeit der gewählten Verfahrensart (§ 304 Rz. 4 f) und die Vollständigkeit des Insolvenzantrags (§ 305 Rz. 40) zu prüfen.2) Es kann den Insolvenzantrag daher ohne eine Entscheidung über die Durchführung des Planverfahrens als unzulässig zurückweisen oder feststellen, dass der Insolvenzantrag als zurückgenommen gilt. Das Gericht darf aber vor Abschluss des Schuldenbereinigungsplanverfahrens weder die Begründetheit des Antrags prüfen – also etwa einen Sachverständigen mit der Feststellung des Insolvenzgrundes beauftragen – noch das Insolvenzverfahren eröffnen.
4
Die Wirkung des Ruhens erfasst auch weitere Insolvenzanträge gegen den Schuldner, die erst nach seinem Eigenantrag bei Gericht anhängig gemacht werden.3)
5
Dass das Ruhen nach Absatz 1 Satz 2 den Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten soll, ist eine – in der Praxis bedeutungslose – Ordnungsvorschrift (zum Verfahren beim Gläubigerantrag vgl. unten Rz. 21 ff).4) Die Frist kann, wenn das Planverfahren durchgeführt wird, häufig nicht eingehalten werden. Dies gilt erst recht, wenn – wie regelmäßig – eine Einigung nur über das Zustimmungsersetzungsverfahren erreicht werden kann.
6
III. Zulässigkeit von Sicherungsmaßnahmen Ausdrücklich ausgenommen von der Wirkung des Ruhens ist nach Absatz 2 Satz 1 die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen. Das Gericht kann und muss daher, wenn es das Schuldenbereinigungsplanverfahren durchführen will, alle erforderlichen und nach § 21 zulässigen Maßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermögens anordnen und diese auch während des laufenden Einigungsversuchs jederzeit ändern, ergänzen oder aufheben.5) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Grundlegend BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, ZVI 2004, 492 = NZI 2004, 593, dazu EWiR 2005, 481 (Pape); eingehend § 287 Rz. 2 ff. BGH, Beschl. v. 22.4.2004 – IX ZB 64/03, ZVI 2004, 281. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 306 Rz. 6. Landfermann in: HK-InsO, § 306 Rz. 10. Eingehend zu den im Verbraucherinsolvenzverfahren möglichen Anordnungen WimmerGrote, FK-InsO, § 306 Rz. 17 – 29.
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§ 306
Ruhen des Verfahrens
8
Regelmäßig kommt die Einstellung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners in Betracht, da Vollstreckungen die Erfüllbarkeit des Schuldenbereinigungsplans und damit den Erfolg der außergerichtlichen Einigung gefährden. Ob die Einstellung der Zwangsvollstreckung auch die vom Schuldner in der Situation der Insolvenzantragstellung oft als schikanös empfundene Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO beseitigt, ist bis heute streitig.6) Hierfür spricht, dass der Schuldner seine Vermögensverhältnisse mit der Insolvenzantragstellung bereits in einem gerichtlichen Verfahren vollständig offenbart hat, sodass die Durchführung eines weiteren gerichtlichen Verfahrens mangels Rechtsschutzinteresses des Gläubigers, nicht zuletzt aber auch aus Gründen der Justizentlastung unzulässig sein sollte.
9
Die Bestellung eines vorläufigen Treuhänders, der im Verbraucherinsolvenzverfahren an die Stelle des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 tritt,7) ist ebenfalls zulässig, bleibt aber angesichts des hiermit einhergehenden Kostenaufwands die Ausnahme. IV. Entscheidung über die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens
10
Die Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens steht nicht im Belieben des Schuldners.8) Vielmehr entscheidet das Gericht hierüber nach freiem Ermessen. Vor seiner Entscheidung hat es den Schuldner anzuhören. 1.
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Anhörung des Schuldners
Die Anhörung dient dazu, vom Schuldner Informationen aus der Phase des vorgerichtlichen Einigungsversuchs zu erhalten, die für die Ermessensentscheidung des Gerichts von erheblicher Bedeutung sind und sich nicht aus den vorgelegten Unterlagen erschließen.9) Eine gesonderte Anhörung des Schuldners kann daher unterbleiben, wenn der Schuldner seine Einschätzung der Erfolgsaussichten bereits im Antragsformular umfassend und nachvollziehbar dargelegt hat und das Gericht dieser Einschätzung folgen will. Es ist deshalb zur Beschleunigung des Verfahrens angezeigt, dass der Schuldner an der dafür vorgesehenen Stelle des amtlichen Antragsformulars10) seine Einschätzung nicht nur mitteilt, sondern diese auch kurz begründet. Er kann dort vorsorglich auch seinen Verzicht auf eine Anhörung für den Fall erklären, dass das Gericht seiner Einschätzung folgt. Will das Gericht von der Einschätzung des Schuldners abweichen, ist dem Schuldner in jedem Fall vor der Entscheidung Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben. _____________ 6) Vgl. die Nachweise bei Wimmer-Grote, FK-InsO, § 306 Rz. 21, der überzeugend darlegt, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung auch das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfasst. 7) Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 191, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 576. 8) Die Umgestaltung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens zu einem reinen Zustimmungsersetzungsverfahren war i. R. als Entschuldungsverfahren geplant. 9) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 31 (zu Nr. 24). 10) Rz. 18 des amtlichen Formulars (Anlage 2A).
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§ 306
Ruhen des Verfahrens
2.
Prüfungsmaßstab für die Ermessensentscheidung
Prüfungsmaßstab für die Ermessensentscheidung des Gerichts ist nicht die Einschätzung des Schuldners, sondern die objektive Erfolgsaussicht des Schuldenbereinigungsplans. Ein Verzicht auf das Schuldenbereinigungsplanverfahren kommt nur in Betracht, wenn der Plan voraussichtlich nicht angenommen wird, sein Scheitern also wahrscheinlicher ist als sein Nichtscheitern.11) Dies ist anhand der vom Schuldner mit dem Insolvenzantrag vorzulegenden Darstellung der Gründe für das Scheitern des außergerichtlichen Plans (Anlage 2A des amtlichen Antragsformulars), insbesondere an dem darin mitzuteilenden vorgerichtlichen Abstimmungsverhalten der Gläubiger zu prüfen.
12
Wird ein gegenüber dem außergerichtlichen Plan unveränderter Plan vorgelegt, so kann das frühere Abstimmungsverhalten der Gläubiger der Entscheidung des Gerichts ohne weiteres zugrunde gelegt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im gerichtlichen Verfahren das Schweigen einzelner Gläubiger als Zustimmung gilt. Nur wenn danach bei unverändertem Abstimmungsverhalten eine Kopf- und Summenmehrheit erreicht ist, hat das Gericht das Planverfahren durchzuführen, soweit sich nicht aus der ergänzenden Darstellung des Schuldners Gründe ergeben, die einer nach dem vorgerichtlichen Abstimmungsverhalten erforderlichen Zustimmungsersetzung im Wege stehen.
13
Dies gilt auch, wenn der Schuldner einen Nullplan (§ 305 Rz. 37) vorlegt. Hier kommt eine Zustimmungsersetzung sogar dann in Betracht, wenn es sich nicht um einen flexiblen Nullplan handelt, da es auch in diesem Fall grundsätzlich Sache des Gläubigers ist, eine Schlechterstellung gegenüber der Durchführung des Insolvenz- und Reschuldbefreiungsverfahrens darzulegen und glaubhaft zu machen.12) Dem Schuldner, der einen Nullplan vorlegt, kommt insoweit grundsätzlich die gesetzliche Vermutung des § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 zugute, nach der im Zweifel von gleichbleibenden wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen ist (vgl. hierzu auch § 309 Rz. 28).
14
Teilt der Schuldner, dem an der Durchführung des Planverfahrens nicht gelegen ist, im Antragsformular allerdings mit, dass er keinen Zustimmungsersetzungsantrag stellen wird, so ist von der Durchführung des Planverfahrens regelmäßig abzusehen, weil nach der vom Gericht zu treffenden Prognoseentscheidung davon auszugehen ist, dass voraussichtlich auch kein Gläubiger einen Zustimmungsersetzungsantrag stellen wird.13)
15
Ein besonderes Interesse des Schuldners an der Durchführung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens lässt sich aus der Vorlage eines gegenüber dem vorgerichtlichen Plan geänderten Schuldenbereinigungsplans immer dann ableiten, wenn in dem neuen Plan zusätzliche Leistungen angeboten oder Einwendungen einzelner
16
_____________ 11) Zu dieser Auslegung des in der InsO mehrfach verwendeten Begriffs „voraussichtlich“ Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 31 (zu Nr. 24). 12) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZVI 2014, 17 Rz. 10 f = ZInsO 2013, 2333. 13) So i. E. auch Wimmer-Grote, FK-InsO, § 306 Rz. 13; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 306 Rz. 6, der nicht berücksichtigt, dass die bloß theoretische Möglichkeit eines Ersetzungsantrags durch einen Gläubiger nicht ausreicht.
Sabel
1489
§ 306
Ruhen des Verfahrens
Gläubiger berücksichtigt werden. In diesem Fall kann das Gericht nicht auf das vorgerichtliche Abstimmungsverhalten abstellen, sondern wird das Planverfahren regelmäßig durchführen. 17
Enthält der geänderte Plan dagegen eine Verschlechterung der Rechtsstellung der Gläubiger, etwa weil ein vorgerichtlich angebotener Zahlbetrag aus dem unpfändbaren Einkommensteil im gerichtlichen Verfahren nicht mehr angeboten werden soll, so spricht dies gegen eine Annahme des Plans mit der Folge, dass das Planverfahren regelmäßig nicht durchzuführen sein wird. 3.
Entscheidung des Gerichts
18
Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Schuldenbereinigungsplanverfahren durchzuführen ist, bedarf es keiner gesonderten Beschlussfassung. Vielmehr ist der Schuldner gemäß Absatz 2 Satz 2 durch richterliche Verfügung aufzufordern, die für die Zustellung erforderlichen Abschriften des Schuldenbereinigungsplans und der Vermögensübersicht bei Gericht einzureichen.
19
Für die Einreichung der Abschriften gilt eine Frist von zwei Wochen, die mit der – im Hinblick auf die Folgen der Fristversäumung erforderlichen14) – Zustellung der Aufforderung an den Schuldner beginnt. Die Zustellung kann, da § 8 Abs. 1 Satz 2 anders als bei der Zustellung des Plans an die Gläubiger nicht abbedungen ist, durch Aufgabe zur Post erfolgen. Gehen die Abschriften innerhalb der Frist nicht ein, gilt der Insolvenzantrag gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 als zurückgenommen, worauf der Schuldner mit der Anforderung der Abschriften hinzuweisen ist (vgl. im Übrigen § 305 Rz. 43). Nach Eingang der vollzähligen Abschriften wird das Schuldenbereinigungsverfahren nach § 307 fortgesetzt.
20
Soll dagegen das Insolvenzverfahren ohne Durchführung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens fortgesetzt werden, ordnet das Gericht die Fortsetzung des Verfahrens über den Eröffnungsantrag des Schuldners durch Beschluss an, der nicht anfechtbar ist15) und infolgedessen auch keiner Begründung bedarf. Der Beschluss kann mit weiteren verfahrenslenkenden Maßnahmen, etwa der Bestellung eines Sachverständigen, der Anforderung eines Massekostenvorschusses oder – was in der Vielzahl der von vornherein masselosen Verfahren die Regel sein wird – auch mit dem Beschluss über die Stundung der Verfahrenskosten verbunden werden. Das vereinfachte Insolvenzverfahren kann in diesen Fällen regelmäßig innerhalb kürzester Frist nach Eingang des vollständigen Insolvenzantrags zur Eröffnungsreife gebracht werden. V. Verfahren beim isolierten Gläubigerantrag gegen einen Verbraucherschuldner
21
Während die Absätze 1 und 2 das Verfahren nach Eingang des (zulässigen) Eigenantrags des Schuldners regeln, erfasst Absatz 3 einen völlig anderen Sachverhalt, nämlich das Verfahren nach Eingang eines Gläubigerantrags gegen den Schuldner, _____________ 14) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 306 Rz. 61. 15) Vgl. LG Berlin, Beschl. v. 21.1.2003 – 86 T 2/03, ZVI 2003, 77 = ZInsO 2003, 188.
1490
Sabel
§ 306
Ruhen des Verfahrens
der bisher selbst keinen Insolvenzantrag gestellt hat (zum Verfahren beim nachträglichen Eingang eines Gläubigerantrags vgl. oben Rz. 5). Nach ihrer systematischen Stellung im Neunten Teil der InsO erfasst die Vorschrift nur Gläubigeranträge gegen Verbraucher i. S. des § 304 Abs. 1. Häufig wird die Verbrauchereigenschaft des Schuldners für das Gericht nach Eingang eines Gläubigerantrags noch nicht erkennbar sein, da es an einer geordneten Übersicht über die Verschuldungsstruktur des Schuldners fehlt. Jedoch ist auch dem Schuldner, der nicht Verbraucher i. S. des § 304 Abs. 1 ist, frühzeitig die Gelegenheit zu geben, selbst einen Insolvenzantrag zu stellen, da er nur auf diese Weise die Restschuldbefreiung erlangen kann.16) Das Gericht hat daher in jedem Antragsverfahren gegen eine natürliche Person dem Schuldner die Gelegenheit zur Stellung eines eigenen Insolvenzantrags zu geben.
22
Dies sollte mit dem nach § 20 Abs. 2 erforderlichen Hinweis an den Schuldner verbunden werden, dass er Restschuldbefreiung nur nach Maßgabe der §§ 286 bis 303 und nur bei Stellung eines eigenen Insolvenzantrags erlangen kann.
23
Dabei muss dem Schuldner zur Stellung des Eigenantrags eine angemessene Frist gesetzt werden, da er nicht dem Irrtum erliegen soll, er könne sich mit der Antragstellung beliebig Zeit lassen.17) Die Frist muss dem Schuldner die Möglichkeit lassen, den Gläubigerantrag zu prüfen und fachkundigen Rat darüber einzuholen, ob er dem Antrag entgegentreten oder sich ihm mit einem eigenen Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrag anschließen will. Dabei ist zu beachten, dass der Schuldner den Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung nicht lediglich hilfsweise für den Fall stellen kann, dass das Gericht den Gläubigerantrag für zulässig hält, da der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich bedingungsfeindlich ist.18) Angemessen ist in der Regel eine Vier-Wochen-Frist, die – etwa auf Antrag des Schuldnervertreters – gemäß § 224 Abs. 2 ZPO verlängert werden kann, weil es sich nicht um eine gesetzliche, sondern um eine richterliche Frist handelt.19) Die Frist ist auch keine Ausschlussfrist, sodass der Schuldner auch nach Fristablauf einen eigenen Insolvenzantrag stellen kann, solange das Insolvenzverfahren auf den Gläubigerantrag nicht eröffnet wurde.20)
24
Stellt der Schuldner einen Insolvenzantrag und beantragt er dabei nicht zugleich auch die Restschuldbefreiung, so ist ihm in dem Eigenantragsverfahren der Hinweis nach § 20 Abs. 2 nochmals zu erteilen. Die Frist zur Stellung des Restschuldbefreiungsantrags beträgt auch in diesem Fall gemäß § 287 Abs. 1 Satz 2 zwei Wochen; der Fristlauf beginnt erst mit der Erteilung dieses Hinweises.21) Demge-
25
_____________ 16) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, NJW 2005, 1433, 1434 = ZVI 2005, 220, dazu EWiR 2005, 311 (Smode). 17) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, NJW 2005, 1433, 1434 = ZVI 2005, 220. 18) BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 Rz. 9 = ZVI 2010, 300, dazu EWiR 2010, 493 (Stahlschmidt). 19) Eine Vier-Wochen-Frist hält auch der BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, NJW 2005, 1433, 1434 = ZVI 2005, 220, für angemessen. 20) BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 1/08, ZInsO 2008, 1138; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2008, 1976 = ZInsO 2008, 924, dazu EWiR 2009, 155 (Sailer). 21) Wie hier Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 20 Rz. 79.
Sabel
1491
§ 306
Ruhen des Verfahrens
genüber geht der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum offenbar davon aus, bereits ein in dem Gläubigerantragsverfahren erteilter Hinweis setze die ZweiWochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 in dem Eigenantragsverfahren in Gang, sobald der Schuldner selbst den Insolvenzantrag stelle.22) Dies würde allerdings dazu führen, dass eine richterliche Handlung in dem auf Antrag des Gläubigers eingeleiteten Verfahren unmittelbare rechtliche Wirkungen auch in einem anderen – von diesem Verfahren rechtlich und formal vollständig getrennten – Insolvenzeröffnungsverfahren entfalten würde. Auch mit der besonderen gerichtlichen Fürsorgepflicht (vgl. § 4a Abs. 2 Satz 1) ließe sich ein solcher Verzicht auf einen nochmaligen Hinweis angesichts der weit reichenden Folgen für den Schuldner kaum rechtfertigen. Dem Schuldner ist allerdings dringend anzuraten, bereits mit seinem Eigenantrag auch den Restschuldbefreiungsantrag zu stellen. 26
Kommt es nicht zu einer Verfahrenseröffnung, weil der Gläubiger seinen Insolvenzantrag zurücknimmt oder für erledigt erklärt, oder weil sein Antrag mangels Masse abgewiesen wird, so ist die gesetzte Frist gegenstandslos. Der Schuldner kann dann jederzeit einen neuen Eigenantrag stellen.23) Die Nichteinhaltung der Frist ist darüber hinaus auch bedeutungslos, wenn der Schuldner den Eigenantrag zwar nach Fristablauf, aber noch vor der Entscheidung über den Gläubigerantrag stellt, weil der Fristablauf in dem einem Verfahren nicht die Unzulässigkeit des Insolvenzantrags in einem anderen Verfahren bewirken kann.
27
Der Ablauf der Frist wirkt sich damit nur aus, wenn auf den Gläubigerantrag hin ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, ohne dass der Schuldner seinerseits einen Insolvenzantrag gestellt hat. In diesem Fall ist ein Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners entsprechend dem gesetzlichen Leitbild mangels Eigenantrags unzulässig. Restschuldbefreiung kann er damit erst in einem neuen Insolvenzverfahren erlangen, das nach Aufhebung oder Einstellung des auf den Gläubigerantrag hin eröffneten Verfahrens jedoch nur dann beantragt werden kann, wenn nachträglich weitere Gläubiger des Schuldners hinzugekommen sind. Ist dies nicht der Fall, so führt die Präklusion aus dem früheren Verfahren zur Unzulässigkeit eines erneuten Antrags auf Restschuldbefreiung.24)
28
Versäumt das Gericht die Fristsetzung, so ist aus Schuldnerschutzgründen ausnahmsweise ein „isolierter“ Restschuldbefreiungsantrag in dem ohne Eigenantrag eröffneten Verfahren zulässig, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Regeloder Verbraucherinsolvenzverfahren handelt.25)
29
Wenn der Schuldner in dem anhängigen Antragsverfahren einen eigenen Insolvenzantrag stellt, hat das Gericht anhand seines Antrags zu prüfen, ob es sich um ein Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren handelt. Ist der Schuldner Verbraucher, gelten für alle anhängigen Verfahren die besonderen Vorschriften des Neunten Teils, _____________ 22) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, ZVI 2004, 492 = NZI 2004, 593; Foerste, ZInsO 2009, 319 f. 23) BGH, Beschl. v. 1.12.2005 – IX ZB 186/05, ZVI 2006, 67 = NZI 2006, 181. 24) BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 263/05, ZVI 2006, 406 = NZI 2006, 601. 25) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, NJW 2005, 1433, 1434 = ZVI 2005, 220.
1492
Sabel
§ 307
Zustellung an die Gläubiger
und nach Absatz 3 Satz 2 ruht in diesem Fall auch das Verfahren über den Gläubigerantrag bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. Absatz 3 Satz 3 stellt klar, dass der Schuldner trotz des bereits anhängigen Gläubigerantrags nicht von der Pflicht zur Durchführung eines außergerichtlichen Einigungsversuchs befreit ist. Er muss daher den Einigungsversuch ggf. nach Stellung des Insolvenzantrags durchführen, wofür ihm gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 nach Antragstellung noch drei Monate verbleiben. Erscheint ihm diese Frist zu knapp bemessen, so kann er, weil die gesetzliche Frist des Absatzes 3 Satz 3 nicht verlängert werden kann, den Einigungsversuch bereits vor Stellung des Insolvenzantrags einleiten und ggf. die Verlängerung der ihm zur Antragstellung gesetzten richterlichen Frist erwirken (oben Rz. 24).
30
Kommt es in der Folge zu einer außergerichtlichen Einigung mit allen Gläubigern, so sind die anhängigen Insolvenzanträge des Schuldners und des Gläubigers in der Hauptsache erledigt; gelingt ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan, gelten die Insolvenzanträge von Gläubiger und Schuldner nach § 308 Abs. 2 als zurückgenommen.
31
Kommt es dagegen zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, können die beiden Verfahren im Eröffnungsbeschluss unter Führung des Eigenantragsverfahrens verbunden werden; dann ist hinreichend klar, dass das Verfahren i. S. des § 88 Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) auf Antrag des Schuldners eröffnet wurde, sodass die erweiterte Rückschlagsperre eingreift.26) _____________
32
26) Landfermann in: HK-InsO, § 306 Rz. 13; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 312 Rz. 19.
§ 307 Zustellung an die Gläubiger (1) 1Das Insolvenzgericht stellt den vom Schuldner genannten Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan sowie die Vermögensübersicht zu und fordert die Gläubiger zugleich auf, binnen einer Notfrist von einem Monat zu den in § 305 Abs. 1 Nr. 3 genannten Verzeichnissen und zu dem Schuldenbereinigungsplan Stellung zu nehmen; die Gläubiger sind darauf hinzuweisen, dass die Verzeichnisse beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegt sind. 2Zugleich ist jedem Gläubiger mit ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 308 Abs. 3 Satz 2 Gelegenheit zu geben, binnen der Frist nach Satz 1 die Angaben über seine Forderungen in dem beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegten Forderungsverzeichnis zu überprüfen und erforderlichenfalls zu ergänzen. 3Auf die Zustellung nach Satz 1 ist § 8 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 2 und 3 nicht anzuwenden. (2) 1Geht binnen der Frist nach Absatz 1 Satz 1 bei Gericht die Stellungnahme eines Gläubigers nicht ein, so gilt dies als Einverständnis mit dem Schuldenbereinigungsplan. 2Darauf ist in der Aufforderung hinzuweisen. (3) 1Nach Ablauf der Frist nach Absatz 1 Satz 1 ist dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Schuldenbereinigungsplan binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies auf Grund der StellungSabel
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§ 307
Zustellung an die Gläubiger
und nach Absatz 3 Satz 2 ruht in diesem Fall auch das Verfahren über den Gläubigerantrag bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. Absatz 3 Satz 3 stellt klar, dass der Schuldner trotz des bereits anhängigen Gläubigerantrags nicht von der Pflicht zur Durchführung eines außergerichtlichen Einigungsversuchs befreit ist. Er muss daher den Einigungsversuch ggf. nach Stellung des Insolvenzantrags durchführen, wofür ihm gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 nach Antragstellung noch drei Monate verbleiben. Erscheint ihm diese Frist zu knapp bemessen, so kann er, weil die gesetzliche Frist des Absatzes 3 Satz 3 nicht verlängert werden kann, den Einigungsversuch bereits vor Stellung des Insolvenzantrags einleiten und ggf. die Verlängerung der ihm zur Antragstellung gesetzten richterlichen Frist erwirken (oben Rz. 24).
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Kommt es in der Folge zu einer außergerichtlichen Einigung mit allen Gläubigern, so sind die anhängigen Insolvenzanträge des Schuldners und des Gläubigers in der Hauptsache erledigt; gelingt ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan, gelten die Insolvenzanträge von Gläubiger und Schuldner nach § 308 Abs. 2 als zurückgenommen.
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Kommt es dagegen zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, können die beiden Verfahren im Eröffnungsbeschluss unter Führung des Eigenantragsverfahrens verbunden werden; dann ist hinreichend klar, dass das Verfahren i. S. des § 88 Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) auf Antrag des Schuldners eröffnet wurde, sodass die erweiterte Rückschlagsperre eingreift.26) _____________
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26) Landfermann in: HK-InsO, § 306 Rz. 13; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 312 Rz. 19.
§ 307 Zustellung an die Gläubiger (1) 1Das Insolvenzgericht stellt den vom Schuldner genannten Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan sowie die Vermögensübersicht zu und fordert die Gläubiger zugleich auf, binnen einer Notfrist von einem Monat zu den in § 305 Abs. 1 Nr. 3 genannten Verzeichnissen und zu dem Schuldenbereinigungsplan Stellung zu nehmen; die Gläubiger sind darauf hinzuweisen, dass die Verzeichnisse beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegt sind. 2Zugleich ist jedem Gläubiger mit ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 308 Abs. 3 Satz 2 Gelegenheit zu geben, binnen der Frist nach Satz 1 die Angaben über seine Forderungen in dem beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegten Forderungsverzeichnis zu überprüfen und erforderlichenfalls zu ergänzen. 3Auf die Zustellung nach Satz 1 ist § 8 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 2 und 3 nicht anzuwenden. (2) 1Geht binnen der Frist nach Absatz 1 Satz 1 bei Gericht die Stellungnahme eines Gläubigers nicht ein, so gilt dies als Einverständnis mit dem Schuldenbereinigungsplan. 2Darauf ist in der Aufforderung hinzuweisen. (3) 1Nach Ablauf der Frist nach Absatz 1 Satz 1 ist dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Schuldenbereinigungsplan binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies auf Grund der StellungSabel
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§ 307
Zustellung an die Gläubiger
nahme eines Gläubigers erforderlich oder zur Förderung einer einverständlichen Schuldenbereinigung sinnvoll erscheint. 2Die Änderungen oder Ergänzungen sind den Gläubigern zuzustellen, soweit dies erforderlich ist. 3Absatz 1 Satz 1, 3 und Absatz 2 gelten entsprechend. Literatur: Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679; Vallender/Caliebe, Umfang und Grenzen der Befugnisse der Inkassounternehmen im Schuldenbereinigungsverfahren, ZInsO 2000, 301. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Zustellung des Schuldenbereinigungsplans und der Vermögensübersicht .................................. 2
I. 1
III. Aufforderung zur Stellungnahme zu dem Plan und zu den Verzeichnissen ............................................ 7 IV. Stellungnahmen der Gläubiger .......... 9 V. Änderung des Schuldenbereinigungsplans .................................. 14
Zweck der Vorschrift
Die Vorschrift bezweckt die zügige, reibungslose Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens und zugleich die verfahrensrechtliche Wahrung der Gläubigerrechte, in deren nach Art. 14 GG geschützte Rechtsstellung durch den Abschluss eines Zwangsvergleichs erheblich eingegriffen wird. II. Zustellung des Schuldenbereinigungsplans und der Vermögensübersicht
2
Der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan und die Vermögensübersicht sind allen im Plan aufgeführten Gläubigern förmlich zuzustellen. Aus Kostengründen werden die umfangreichen, vom Schuldner mit dem Antrag einzureichenden Verzeichnisse (insbesondere das vollständige Vermögensverzeichnis) nicht zugestellt. Sie kann jeder Gläubiger beim Insolvenzgericht einsehen, falls ihm die Angaben aus dem Schuldenbereinigungsplan und der Vermögensübersicht im Einzelfall nicht ausreichen.
3
Die Zustellungserleichterungen des § 8 gelten nicht. Zugestellt werden muss daher eine beglaubigte Abschrift des im Original bei den Gerichtsakten befindlichen Plans; die Übersendung der vom Schuldner eingereichten Kopien ohne deren Beglaubigung ist auch dann nicht möglich, wenn der Schuldner diese Dokumente unterschreibt, weil hierdurch die Übereinstimmung der übersandten Dokumente mit dem in der Gerichtsakte befindlichen Plan, der allein maßgeblich ist, gerade nicht zu gewährleisten ist.1) Auch die Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nicht zulässig, weshalb die Zustellung an nicht anwaltlich vertretene Gläubiger regelmäßig durch Zustellungsurkunde erfolgt, weil diese gegenüber der nach § 175 ZPO ebenfalls zulässigen Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein eine erhöhte Beweiskraft besitzt.
4
An Behörden oder im Plan aufgeführte Verfahrensbevollmächtigte, soweit es sich dabei um Rechtsanwälte oder diesen in § 174 Abs. 1 ZPO gleichgestellte Personen handelt, sollte aus Kostengründen gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Dabei kann das Gericht regelmäßig davon ausgehen, dass die vom Schuldner im _____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 307 Rz. 5; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 307 Rz. 6.
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§ 307
Zustellung an die Gläubiger
Plan aufgeführten Rechtsanwälte auch im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren bevollmächtigt sind;2) andernfalls ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Zustellung unverzüglich zurückzuweisen, sodass das Gericht die Zustellung wiederholen kann. Gleiches gilt, wenn ein Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt wird. Die Zustellung kann auch an ein im Gläubigerverzeichnis als Vertreter aufgeführtes, gemäß § 305 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 174 Abs. 1 Satz 3 im Schuldenbereinigungsplanverfahren vertretungsbefugtes Inkassounternehmen erfolgen,3) allerdings nicht gegen Empfangsbekenntnis. Die Zustellung ist grundsätzlich zeitgleich an alle Gläubiger zu veranlassen. Wird eine Auslandszustellung erforderlich, so kann das Gericht diese Zustellung allerdings zurückstellen und zunächst anhand der übrigen Stellungnahmen feststellen, ob der Plan mehrheitlich angenommen worden ist. Gleiches gilt, wenn eine Zustellung zunächst gescheitert war, bevor der Schuldner aufgefordert wird, eine neue Zustellanschrift zu ermitteln.4)
5
Kommt es auf die Zustellung an und bleibt diese auch dauerhaft erfolglos, so ist eine Einigung im Schuldenbereinigungsplanverfahren nicht mehr möglich, und das Verfahren ist nach § 311 fortzusetzen.5) Etwas anderes gilt nur, wenn sich herausstellt, dass ein Gläubiger nicht mehr existiert; dann kann der Schuldner einen geänderten Plan vorlegen (unten Rz. 14 ff). Dies gilt auch, wenn ein Gläubiger im laufenden gerichtlichen Planverfahren ausdrücklich einen Forderungsverzicht erklärt.6) Insbesondere beim Nullplan kann ein solcher Verzicht unter Umständen aber auch als Zustimmung zu dem Plan auszulegen sein, was Auswirkungen auf die Kopf- und Summenmehrheit haben und zur Annahme des Plans führen kann.7)
6
III. Aufforderung zur Stellungnahme zu dem Plan und zu den Verzeichnissen Die Zustellung umfasst auch die gerichtliche Aufforderung an die Gläubiger, binnen einer Notfrist von einem Monat zu dem Schuldenbereinigungsplan Stellung zu nehmen und insbesondere zu erklären, ob sie dem Plan zustimmen. Zugleich wird _____________ 2) 3)
4)
5)
6)
7)
A. A. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 307 Rz. 9; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 307 Rz. 4, die eine Zustellung nur beim Nachweis der Bevollmächtigung zulassen wollen. So bereits vor Inkrafttreten des § 305 Abs. 4 Satz 2: OLG Köln, Beschl. v. 1.12.2000 – 2 W 202/00, NZI 2001, 88, 89 = ZIP 2000, 2312; Vallender/Caliebe, ZInsO 2000, 301; eingehend Wimmer-Grote, FK-InsO, § 307 Rz. 5. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht nach, kann dies nicht mehr zur Fiktion der Antragsrücknahme führen, da die Prüfung nach § 305 abgeschlossen ist; auch darf in diesem Fall entgegen OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.8.2000 – 26 W 71/00, NZI 2000, 536, 537 = ZInsO 2000, 565 die Fortsetzung des Insolvenzverfahrens nicht abgelehnt werden. Aufwendige Maßnahmen zur Ermittlung einzelner Gläubiger oder gar die Bestellung eines Nachtragsliquidators für eine gelöschte Gesellschaft können vom Schuldner nicht verlangt werden. Die abweichende Ansicht des OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.8.2000 – 26 W 71/00, NZI 2000, 536, 537 = ZInsO 2000, 565 ist durch die Einführung des § 306 Abs. 1 Satz 2 überholt. Ein Gläubiger, der bereits im außergerichtlichen Verfahren auf seine Forderung verzichtet hat, ist dagegen am gerichtlichen Verfahren gar nicht erst zu beteiligen, vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.3.2000 – 9 W 1/00, NZI 2000, 375 = ZInsO 2000, 238 (LS). Vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 1.12.2000 – 2 W 202/00, NZI 2001, 88, 90 = ZIP 2000, 2312 und § 309 Rz. 6.
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§ 307
Zustellung an die Gläubiger
jedem Gläubiger Gelegenheit gegeben, seine im Plan angegebenen Forderungen zu überprüfen und ggf. zu ergänzen. Mit der Aufforderung sind die Gläubiger über die nach § 308 Abs. 3 Satz 2 eintretenden Vergleichswirkungen und die Folgen des Schweigens auf die Übersendung des Plans gesondert hinzuweisen. Wird dieser Hinweis unterlassen, so kann die Fiktionswirkung des § 307 Abs. 2 nicht eintreten.8) Dagegen ist der nach Abs. 1 Satz 1 ebenfalls erforderliche Hinweis auf die Auslegung der Verzeichnisse beim Insolvenzgericht nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für den Eintritt der Fiktionswirkung.9) 8
Die Überprüfung und Ergänzung der Forderungen ist für die Gläubiger deshalb besonders wichtig, weil nach § 308 Abs. 3 Satz 2 von den Vergleichswirkungen des angenommenen Schuldenbereinigungsplans auch die darin nicht berücksichtigten Forderungen der im Plan genannten Gläubiger erfasst werden, die sie innerhalb der Frist des § 307 hätten mitteilen können. Auf diese weit reichenden Folgen sind die Gläubiger mit der Zustellung ausdrücklich hinzuweisen. Da § 308 Abs. 3 Satz 2 allein auf die formale Gläubigerstellung abstellt, sind insbesondere Gläubiger, die über zahlreiche rechtlich unselbständige Handlungseinheiten verfügen, also vor allem Kreditinstitute, aber auch Inkassounternehmen, die Forderungen Dritter zu Einziehungszwecken erworben haben, sowie schließlich Bund, Länder und Gemeinden gehalten, innerhalb der Monatsfrist das Bestehen weiterer Forderungen gegen den Schuldner sorgfältig zu prüfen. Gleiches gilt im Fall einer stillen Zession, bei der noch der Altgläubiger Adressat des gerichtlichen Schreibens ist. Hier muss sich der Neugläubiger, solange er die Forderungsabtretung dem Gericht nicht innerhalb der Monatsfrist mitgeteilt hat, die Zustellung und die Folgen des Fristablaufs gemäß § 407 BGB zurechnen lassen.10) IV. Stellungnahmen der Gläubiger
9
Nach der gesetzlichen Fiktion des Absatzes 2 gilt es als Zustimmung zu dem Plan, wenn ein Gläubiger innerhalb der Frist keine Stellungnahme bei Gericht einreicht. Allerdings ist in diesen Fällen stets zu beachten, dass der Gläubiger bei unverschuldeter Versäumung der Stellungnahmefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den Vorschriften der ZPO erhalten kann.
10
Geht innerhalb der Frist allerdings irgendeine Äußerung des Gläubigers ein, so gilt die Fiktion nicht, sondern die Äußerung ist erforderlichenfalls auszulegen und ihr Inhalt – ggf. durch Rückfrage beim Gläubiger11) – zu klären. Ein Begründungszwang für die Ablehnung besteht in diesem Verfahrensstadium nicht.12) Das Gericht hat auch die eingegangenen Stellungnahmen von Bevollmächtigten, denen es den Plan zugestellt hat, die aber zur gerichtlichen Vertretung des Gläubigers nicht
_____________ 8) A. Schmidt-Streck, InsO, § 307 Rz. 9. 9) LG Kaiserslautern, Beschl. v. 3.9.2008 – 1 T 118/08, ZVI 2008, 519 = NZI 2008, 694. 10) AG Köln, Beschl. v. 14.12.2011 – 71 IK 189/11, NZI 2012, 621; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 307 Rz. 13. 11) BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 140/04, ZVI 2006, 149 = ZInsO 2006, 206. 12) OLG Celle, Beschl. v. 30.10.2000 – 2 W 97/00, ZIP 2001, 385 = NZI 2001, 27.
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§ 307
Zustellung an die Gläubiger
befugt sind (etwa Inkassounternehmen), zu berücksichtigen; es kann diese Vertreter nur mit Wirkung für die Zukunft vom weiteren Verfahren ausschließen.13) Teilt ein Gläubiger dem Gericht mit, dass seine Forderung nicht vollständig in den Plan aufgenommen wurde, oder dass er weitere Forderungen gegen den Schuldner erhebt, so liegt darin ein Widerspruch gegen den Plan. Denn die Höhe der Forderung ist maßgeblich für die Quote, mit welcher ein Gläubiger an etwaigen Erträgen zu beteiligten ist, und auf die sich die Zustimmung des Gläubigers erstrecken muss.14) Der Gläubiger sollte daher zur Vermeidung von Nachfragen des Gerichts stets ausdrücklich erklären, ob er den Plan ablehnt oder – ggf. trotz abweichender Angabe zu Haupt-, Zins- oder Nebenforderungen – annimmt.
11
Eine bedingte Zustimmung, die etwa nur für den Fall einer Änderung des Plans erklärt wird, ist in Wirklichkeit eine Ablehnung des zur Abstimmung gestellten Schuldenbereinigungsplans. Sie kann aber Anlass sein, den Gläubiger zur Klarstellung seiner Stellungnahme aufzufordern oder jedenfalls dem Schuldner Gelegenheit zur Planergänzung zu geben.15) Ein Forderungsverzicht des Gläubigers kann beim Nullplan als Zustimmung auszulegen sein (oben Rz. 6).
12
Ändert ein Gläubiger – etwa auf eine Nachfrage des Gerichts – seine zunächst als Widerspruch zu wertende Stellungnahme und erklärt er ausdrücklich seine vorbehaltlose Zustimmung zu dem Plan, so kann eine solche Zustimmung auch noch nach Ablauf der Monatsfrist erfolgen.16)
13
V. Änderung des Schuldenbereinigungsplans Das Gericht hat nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob es dem Schuldner im Anschluss an die Auswertung der Gläubigerstellungnahmen Gelegenheit zur Änderung oder Ergänzung des Plans gibt. Prüfungsmaßstab ist wie in § 306 Abs. 1 Satz 2, ob eine Änderung voraussichtlich zu einer Einigung führen wird.17)
14
Angesichts des Aufwands und der mit einer nochmaligen Durchführung des Einigungsversuchs verbundenen zeitlichen Verzögerung kommt dies nur ausnahmsweise in Betracht, wenn absehbar ist, dass alle Gläubiger bei einer Korrektur oder Ergänzung des Plans zustimmen werden oder die Zustimmungsersetzung erfolgreich sein wird. Mögliche Fälle betreffen die Aufnahme ergänzender Klauseln in einen flexiblen Nullplan oder die Berichtigung der Forderungen einzelner Gläubiger, durch die sich die Befriedigung der übrigen Gläubiger nicht nennenswert ändert. Das Gericht kann in diesen Fällen dem Schuldner konkrete Hinweise zur Umgestaltung des Plans geben und diese i. S. eines gerichtlichen Planvorschlags den Gläubigern
15
_____________ 13) Dies ist jetzt durch die Neufassung des § 79 ZPO geklärt; die a. A. OLG Köln, Beschl. v. 1.12.2000 – 2 W 202/00, NZI 2001, 88, 89 = ZIP 2000, 2312 ist damit überholt. 14) BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 140/04, ZVI 2006, 149 Rz. 6 = ZInsO 2006, 206. 15) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.3.2000 – 9 W 1/00, NZI 2000, 375 = ZInsO 2000, 238 (LS). 16) BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 140/04, ZVI 2006, 149 Rz. 9 ff = ZInsO 2006, 206, unter Hinweis auf OLG Köln, Beschl. v. 22.12.2000 – 2 W 165/00, ZInsO 2001, 855, 856; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 307 Rz. 40. 17) Zur Ermessensprüfung in diesen Fällen vgl. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 140/04, ZVI 2006, 149 = ZInsO 2006, 206.
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§ 307
Zustellung an die Gläubiger
vorab mitteilen oder sogar einen Verhandlungstermin anberaumen, um die Einigungschancen wesentlich zu erhöhen.18) 16
Der Schuldner hat keinen Anspruch auf einen zweiten gerichtlichen Einigungsversuch; er ist vor der Entscheidung des Gerichts auch nicht gesondert anzuhören. Maßstab für die Entscheidung des Gerichts ist auch nicht, ob hierdurch etwa dem Schuldner Gelegenheit gegeben werden kann, grob unrichtige Angaben im ursprünglichen Insolvenzantrag, die nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 zur Versagung der Restschuldbefreiung führen können, zu berichtigen.19) Vielmehr hat das Gericht, wenn es eine Einigung auch nach Vorlage eines geänderten Plans nicht für überwiegend wahrscheinlich hält, das Verfahren ohne weiteres nach § 311 fortzusetzen; seine Entscheidung ist nicht rechtsmittelfähig.20)
17
Hält das Gericht dagegen eine Änderung des Plans für erfolgversprechend, so gibt es dem Schuldner unter Mitteilung des Abstimmungsergebnisses und Übersendung der einzelnen Gläubigerstellungnahmen Gelegenheit, einen geänderten Plan vorzulegen. Es sollte hierzu eine richterliche Frist setzen, damit das Verfahren zügig fortgesetzt werden kann, falls der Schuldner hierauf nicht reagiert. Ausreichend dürften regelmäßig drei bis vier Wochen sein.
18
Der geänderte Plan ist den Gläubigern nur zuzustellen, soweit dies erforderlich ist. Betrifft eine Änderung daher nur einen Gläubiger und hat diese Änderung keine Auswirkungen auf die Befriedigung der übrigen Gläubiger, so kann die Zustellung an jene entfallen. Entspricht die vorgenommene Änderung exakt der Anregung eines Gläubigers, oder hatte dieser dem Plan bereits unter der Bedingung zugestimmt, dass der Plan entsprechend geändert wird, bedarf es ebenfalls keiner förmlichen Zustellung mehr.21)
19
Regelmäßig wird sich aber eine Wiederholung des gesamten Planverfahrens nicht vermeiden lassen. Die für die Zustellung erforderlichen Abschriften hat der Schuldner mit dem geänderten Plan zu übersenden; tut er dies nicht, ist für eine Anwendung der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 kein Raum. Das Verfahren ist dann mit Fristablauf nach § 311 fortzusetzen. Die Gläubiger sind bei der Übersendung des geänderten Plans aufzufordern, sich ungeachtet ihrer früheren Stellungnahme erneut zu dem Plan zu äußern, da ihr Schweigen auch dann als Zustimmung gilt, wenn sie dem Plan im ersten Durchgang widersprochen hatten. Findet auch der geänderte Plan keine Kopf- und Summenmehrheit, so kann eine nochmalige Änderung nur in extremen Ausnahmesituationen in Betracht gezogen werden.
_____________ 18) So auch Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, Rz. 88; Landfermann in: HK-InsO, § 307 Rz. 15; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 307 Rz. 77. 19) Vgl. dazu BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 260/03, ZVI 2005, 641 = NZI 2005, 461 unter Hinweis auf BayObLG, Beschl. v. 17.4.2002 – 4 Z BR 20/02, ZVI 2002, 215 = BayObLGZ 2002, 110. 20) BayObLG, Beschl. v. 17.4.2002 – 4 Z BR 20/02, ZVI 2002, 215 = BayObLGZ 2002, 110. 21) Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 577 f.
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§ 308
Annahme des Schuldenbereinigungsplans
§ 308 Annahme des Schuldenbereinigungsplans (1) 1Hat kein Gläubiger Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan erhoben oder wird die Zustimmung nach § 309 ersetzt, so gilt der Schuldenbereinigungsplan als angenommen; das Insolvenzgericht stellt dies durch Beschluß fest. 2Der Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines Vergleichs im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozeßordnung. 3Den Gläubigern und dem Schuldner ist eine Ausfertigung des Schuldenbereinigungsplans und des Beschlusses nach Satz 1 zuzustellen. (2) Die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung von Restschuldbefreiung gelten als zurückgenommen. (3) 1Soweit Forderungen in dem Verzeichnis des Schuldners nicht enthalten sind und auch nicht nachträglich bei dem Zustandekommen des Schuldenbereinigungsplans berücksichtigt worden sind, können die Gläubiger von dem Schuldner Erfüllung verlangen. 2Dies gilt nicht, soweit ein Gläubiger die Angaben über seine Forderung in dem beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegten Forderungsverzeichnis nicht innerhalb der gesetzten Frist ergänzt hat, obwohl ihm der Schuldenbereinigungsplan übersandt wurde und die Forderung vor dem Ablauf der Frist entstanden war; insoweit erlischt die Forderung. Literatur: Kirchhof, Das Verbraucherinsolvenzverfahren aus Gläubigersicht, ZInsO 1998, 54; Theiß, Der Schuldenbereinigungsplan gemäß §§ 306 ff InsO als Vergleich bürgerlichen Rechts – Möglichkeit der Anfechtung und des Rücktritts, ZInsO 2005, 29; Vallender, Schuldenregulierung in der Verbraucherinsolvenz, DGVZ 1997, 97. Übersicht I.
Voraussetzungen und Inhalt des Feststellungsbeschlusses ...................... II. Beendigung des Insolvenzverfahrens ............................................. III. Wirkungen des Schuldenbereinigungsplans ................................ 1. Erfasste Forderungen ............................
I.
2. 1 3. 7 4. 8 9
Vollstreckung aus dem Schuldenbereinigungsplan .................................. 12 Wegfall der Wirkungen des Schuldenbereinigungsplans ................. 15 Anpassungen des Plans bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ......................................... 16
Voraussetzungen und Inhalt des Feststellungsbeschlusses
Voraussetzung für die Feststellung der Annahme des Schuldenbereinigungsplans ist, dass entweder der Schuldenbereinigungsplan von allen darin aufgeführten Gläubigern ausdrücklich oder stillschweigend angenommen oder Einwendungen einzelner Gläubiger rechtskräftig durch eine Zustimmung ersetzt worden sind. Ob alle Gläubiger dem Plan zugestimmt haben, hat das Gericht durch sorgfältige Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen und Überprüfung der wirksamen Zustellung bei denjenigen Gläubigern, von denen keine Stellungnahme vorliegt, zu ermitteln.
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Nur wenn für das Gericht zweifelsfrei feststeht, dass eine eingegangene Äußerung nicht als Widerspruch gegen den Plan ausgelegt werden kann, ist sie als Zustimmung zu werten. Hierdurch werden spätere Streitigkeiten darüber, ob die Vorausset-
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§ 308
Annahme des Schuldenbereinigungsplans
zungen für die Feststellung der Annahme des Plans vorgelegen haben, vermieden. Im Zweifel ist vor der Beschlussfassung auf eine Klärung hinzuwirken.1) 3
Liegt keine Rückäußerung vor, ist besondere Sorgfalt auf die Prüfung der Zustellungen zu verwenden. Im Zweifel hat das Gericht die Möglichkeit, die Zustellung zu wiederholen. Nicht vermieden werden kann jedoch, dass ein Gläubiger erst nach Feststellung der Annahme des Plans Einwendungen erhebt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Ist der Wiedereinsetzungsantrag begründet, so entfallen gemäß § 4 InsO i. V. m. § 238 ZPO die Wirkungen des Plans rückwirkend,2) und das Schuldenbereinigungsplanverfahren ist fortzusetzen.
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Erfolgt die Feststellung der Annahme im Anschluss an ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 309, so hat das Gericht vor der Beschlussfassung die Rechtskraft des Ersetzungsbeschlusses abzuwarten, um zu vermeiden, dass der Annahmebeschluss im Fall der Aufhebung des Ersetzungsbeschlusses durch das Beschwerdegericht gegenstandslos wird.3)
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Der Beschluss über die Annahme des Schuldenbereinigungsplans hat deklaratorische Wirkung. Ein Rechtsmittel gegen den Annahmebeschluss steht einem Gläubiger auch dann nicht zu, wenn er der Ansicht ist, das Gericht habe seine Stellungnahme zu Unrecht als Zustimmung gewertet. Ihm bleibt dann, sofern nicht das Gericht auf seine Gegenvorstellung hin, den Feststellungsbeschluss aufhebt,4) die Möglichkeit, den Schuldenbereinigungsplan wegen eines Willensmangels anzufechten.5) Ein Streit über die Wirksamkeit der Anfechtung ist dann im Zuge der Fortsetzung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens vor dem Insolvenzgericht auszutragen.6) Eines gesonderten Klageverfahrens auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schuldenbereinigungsplans bedarf es in diesen Fällen nicht.7)
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Da der Annahmebeschluss notwendig zur Beendigung des Insolvenzverfahrens führt, sind in diesem Beschluss alle angeordneten Sicherungsmaßnahmen aufzuheben. II. Beendigung des Insolvenzverfahrens
7
Der angenommene Schuldenbereinigungsplan beendet das Insolvenzverfahren, weil mit der Annahme die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung von Restschuldbefreiung als zurückgenommen gelten. Zugleich endet auch die Wirkung einer für das Schuldenbereinigungsverfahren ausgesprochenen Ver_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Vgl. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 140/04, ZVI 2006, 149 = ZInsO 2006, 206. Vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 238 Rz. 3. BayObLG, Beschl. v. 11.12.2000 – 4 Z BR 21/00, NZI 2001, 145, 146 = ZIP 2001, 204, dazu EWiR 2001, 681 (Fuchs). Zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 308 Rz. 3. Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 578. Vgl. allgemein Zöller-Stöber, ZPO, § 794 Rz. 15a m. w. N.; wie hier Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 308 Rz. 28; Landfermann in: HK-InsO, § 308 Rz. 11. A. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 308 Rz. 6a. Die für die Abweichung vom zivilprozessualen Grundsatz angeführten Gründe vermögen nicht zu überzeugen, da das Insolvenzgericht jedenfalls im Fall der Anfechtung des Plans am ehesten dazu in der Lage ist, die Berechtigung der Einwendungen des Gläubigers zu prüfen.
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§ 308
Annahme des Schuldenbereinigungsplans
fahrenskostenstundung, sodass alle Gerichtskosten sofort fällig werden.8) Der Schuldner sollte dies, damit die Beitreibung der gerichtlichen Gebühren und (Zustellungs-)Auslagen die Erfüllung des Plans nicht gefährdet, bei der Abfassung des Plans berücksichtigen. III. Wirkungen des Schuldenbereinigungsplans In seinen Wirkungen ist der angenommene Schuldenbereinigungsplan einem Prozessvergleich gleichgestellt. 1.
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Erfasste Forderungen
Wie der Vergleich wirkt der Schuldenbereinigungsplan nur zwischen den Parteien, also zwischen dem Schuldner und den im Plan aufgeführten Gläubigern. Eine Inanspruchnahme des Schuldners ist für sie nur in den Grenzen möglich, die der Plan setzt, sodass auch eine Aufrechnung gegen (künftige) Forderungen des Schuldners nur zulässig ist, wenn dies im Plan ausdrücklich so vereinbart wurde (zu den Voraussetzungen, unter denen ohne eine solche Aufrechnungsklausel im Zustimmungsersetzungsverfahren von einer Schlechterstellung des Gläubigers auszugehen ist, vgl. § 309 Rz. 30).9) Allerdings bewirkt der Schuldenbereinigungsplan nicht die automatische Aufhebung oder Beschränkung eines früher ergangenen Titels über eine einbezogene Forderung oder der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus diesem Titel.10) Die Frage, ob ein ursprünglich erwirkter Titel oder ein Pfändungspfandrecht – ggf. beschränkt auf den Betrag, dem der Gläubiger im Schuldenbereinigungsplan zugestimmt hat – aufrechterhalten, modifiziert, beschränkt oder beendet bzw. aufgehoben werden soll, kann (und sollte) deshalb im Schuldenbereinigungsplan klar und eindeutig geregelt werden. In Ermangelung einer solchen Regelung ist dies vom Insolvenzgericht im Verfahren nach § 767 ZPO durch Auslegung zu ermitteln.11) Gläubiger, die in dem Plan nicht genannt sind, können den Schuldner, wie Absatz 3 klarstellend regelt, grundsätzlich ohne Einschränkungen in Anspruch nehmen.12) Auswirkungen auf die Rechtsstellung Dritter kann der Plan allerdings entfalten, soweit er Regelungen über dingliche oder persönliche Sicherheiten enthält (§ 305 Rz. 38). _____________ 8) § 4b ist auf den angenommenen Schuldenbereinigungsplan nicht, auch nicht analog, anzuwenden, weil ein gerichtliches Verfahren durch den Plan ja gerade insgesamt ausgeschlossen werden soll; wie hier Ganter in: MünchKomm-InsO, § 4b Rz. 3; a. A. AG Hamburg, Beschl. v. 6.4.2009 – 68g IK 605/08, ZVI 2009, 268; Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 4b Rz. 9; offen Kirchhof in: HK-InsO, § 4b Rz. 3. Der BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 136/09, ZIP 2011, 1327 = ZVI 2011, 458, schließt eine Verlängerung der Stundung nach Bestätigung eines Insolvenzplans aus, lässt dies aber für das Schuldenbereinigungsplanverfahren ausdrücklich offen. 9) FG Düsseldorf, Urt. v. 8.12.2006 – 18 K 2707/05 AO, EFG 2007, 738. 10) BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – VII ZB 118/09, ZInsO 2011, 1711 = Rpfleger 2011, 678. 11) BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – VII ZB 118/09, ZInsO 2011, 1711 = Rpfleger 2011, 678. 12) Hierdurch unterscheiden sich die Wirkungen des angenommenen Schuldenbereinigungsplans grundlegend von der Wohlverhaltensperiode im Restschuldbefreiungsverfahren; dort bleibt nämlich die Vollstreckung auch für Gläubiger unzulässig, die am Verfahren nicht beteiligt waren, weil sich aus § 308 Abs. 3 keine teleologische Reduktion des § 294 Abs. 1 ableiten lässt: BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 288/03, ZVI 2006, 403 Rz. 10 = NZI 2006, 602.
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§ 308
Annahme des Schuldenbereinigungsplans
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Von den Wirkungen des angenommenen Plans werden grundsätzlich alle bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist des § 307 Abs. 1 entstandenen Forderungen der im Plan bezeichneten Gläubiger erfasst. Hat ein Gläubiger mehrere Forderungen gegen den Schuldner, von denen nur eine in den Plan aufgenommen wurde, oder ist nur eine Teilforderung erfasst,13) so muss er hierauf nach der Zustellung des Plans hinweisen. Dieser Hinweis hat zur Folge, dass der Schuldner entweder den Plan ergänzen kann oder – bei unverändertem Plan – eine Zustimmungsersetzung nach § 309 ausgeschlossen ist. Der Ausschluss der Zustimmungsersetzung folgt dann regelmäßig aus § 309 Abs. 3 (vgl. § 309 Rz. 14, 33).
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Unterlässt der Gläubiger den Hinweis auf seine weiteren Forderungen, so bewirkt dies mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans – ähnlich wie bei einer Abgeltungsklausel im gerichtlichen Vergleich – nach Absatz 3 Satz 2 das Erlöschen der im Plan nicht berücksichtigten Forderungen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine gesicherte Forderung14) oder auch um einen wirtschaftlich und organisatorisch völlig andersartigen Anspruch handelt.15) Entscheidend ist allein die formale Gläubigerstellung, sodass auch mehrere Kredite verschiedener Zweigstellen eines Kreditinstituts und sogar mehrere Steuerforderungen eines Landes von der weit reichenden Regelung des Absatzes 3 Satz 2 erfasst werden.16) Entgegen dem Wortlaut des Absatzes 3 Satz 2 erlöschen diese Forderungen mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans allerdings noch nicht endgültig, sondern können – wie die übrigen, im Schuldenbereinigungsplan genannten Forderungen des Gläubigers – beim Scheitern der Planerfüllung wieder aufleben (unten Rz. 15). 2.
Vollstreckung aus dem Schuldenbereinigungsplan
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Der Schuldenbereinigungsplan ist i. V. m. dem Annahmebeschluss Vollstreckungstitel. Er ersetzt hinsichtlich der im Plan enthaltenen titulierten Forderungen andere Vollstreckungstitel, sodass der Gläubiger nur noch aus dem Schuldenbereinigungsplan vollstrecken kann.17) Der Schuldenbereinigungsplan soll daher stets einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben.18)
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Zugestellt wird den Gläubigern und dem Schuldner zunächst nur eine einfache Ausfertigung des Schuldenbereinigungsplans und des Annahmebeschlusses. Kommt der Schuldner seinen Verpflichtungen aus dem Plan gegenüber einzelnen oder allen Gläubigern nicht nach, so können diese aus dem Plan die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Eine vollstreckbare Ausfertigung, bestehend aus dem _____________ 13) Entgegen AG Köln, Beschl. v. 27.8.1999 – 73 IK 15/99, ZIP 2000, 83, 86, dazu EWiR 2000, 347 (Schmitz/Steffen); Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 308 Rz. 39, ist ein Grund, § 308 Abs. 3 auf Teilforderungen nicht anzuwenden, weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Vorschrift ersichtlich. Wie hier Landfermann in: HK-InsO, § 308 Rz. 13. 14) Landfermann in: HK-InsO, § 308 Rz. 13; a. A. wohl Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 308 Rz. 35. 15) Vgl. Kirchhof, ZInsO 1998, 54, 58. 16) Vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 27/10, ZIP 2011, 1479 = ZInsO 2011, 1251 (zu § 2 Abs. 2 InsVV). 17) Die Vollstreckung aus einem früheren Titel ist nicht mehr zulässig, vgl. Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 308 Rz. 2. 18) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 308 Rz. 6.
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§ 308
Annahme des Schuldenbereinigungsplans
Annahmebeschluss und einem Auszug aus dem Schuldenbereinigungsplan, erteilt der zuständige Urkundsbeamte des Insolvenzgerichts auf Antrag. Sieht der Plan vor, dass der Schuldner die pfändbaren Teile seines Einkommens an die Gläubiger zu zahlen hat, so ist bei einem Streit über die Höhe des pfändbaren Betrags das Insolvenzgericht in analoger Anwendung des § 36 Abs. 4 Satz 1 und 3 zur Entscheidung berufen.19) 3.
Wegfall der Wirkungen des Schuldenbereinigungsplans
Die ursprünglichen Forderungen der Gläubiger leben im Fall der Nichterfüllung des Plans nicht nur dann wieder auf, wenn der Schuldenbereinigungsplan für den Verzugsfall eine entsprechende Wiederauflebens- oder Verfallklausel enthält.20) Vielmehr begründet die schuldhafte Nichterfüllung des gerichtlichen Plans auch ohne eine solche Klausel ein Rücktrittsrecht des Gläubigers nach § 323 BGB.21) Gläubiger mit titulierten Forderungen sind daher nach wirksamem Rücktritt vom Schuldenbereinigungsplan berechtigt, aus ihren ursprünglichen Titeln weiter zu vollstrecken. Aus diesem Grund braucht ein Gläubiger seinen ursprünglichen Titel bis zur vollständigen Erfüllung des Schuldenbereinigungsplans weder dem Schuldner noch dem Insolvenzgericht herauszugeben. Ein Streit über die Berechtigung zum Rücktritt vom Plan ist, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem ursprünglichen Titel betreibt, im Wege der Vollstreckungsgegenklage auszutragen.22) 4.
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Anpassungen des Plans bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse
Bisher nicht höchstrichterlich entschieden ist, ob daneben auch eine nachträglich eingetretene wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners eine Anpassung des Schuldenbereinigungsplans rechtfertigt.23) Die Einführung einer gesetzlichen Bestimmung, die in derartigen Fällen eine Modifizierung gestattet, ist im Gesetzgebungsverfahren erwogen, aber wegen der Befürchtung einer übermäßigen Belastung der Gerichte nicht verwirklicht worden.24) Diese gesetzgeberische Entscheidung wird teilweise vereinzelt dahin gedeutet, dass eine nachträgliche Änderung
_____________ 19) BGH, Urt. v. 21.2.2008 – IX ZR 202/06, DZWIR 2008, 339 Rz. 14 ff = ZVI 2008, 262. 20) So aber LG Hechingen, Urt. v. 6.8.2004 – 3 S 21/04, ZInsO 2005, 49. 21) Eingehend Theiß, ZInsO 2005, 29; ihm folgend Landfermann in: HK-InsO, § 308 Rz. 10 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, NJW 1992, 967, 970 = ZIP 1992, 191, dazu EWiR 1992, 255 (Tiedtke) – Rücktritt vom außergerichtlichen Sanierungsvergleich. Bereits die Gesetzesbegründung verweist zu den Rechtsfolgen des Schuldenbereinigungsplans und den Möglichkeiten seiner Aufhebung ausdrücklich auf das Bürgerliche Recht, vgl. Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 578. 22) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 308 Rz. 6a; Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 308 Rz. 22. Demgegenüber hält das AG Mönchengladbach, Beschl. v. 18.11.2008 – IK 11/08, ZVI 2008, 66, das Insolvenzgericht für zuständig für die Entscheidung über eine Arglistanfechtung des rechtskräftigen Schuldenbereinigungsplans. 23) Der BGH hat dies in seinem Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZR 202/06, ZVI 2008, 262, 264 Rz. 9 f = ZInsO 2008, 506, ausdrücklich offengelassen. 24) BT-Drucks. 12/7302 S. 193.
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§ 309
Ersetzung der Zustimmung
des Schuldenbereinigungsplans generell ausgeschlossen ist.25) Überwiegend wird eine solche Anpassung dagegen für zulässig erachtet, wobei teils eine Anwendung des § 323 Abs. 4 ZPO,26) teils ein Rückgriff auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)27) befürwortet wird. Gerät der Schuldner mit seinen Ratenzahlungspflichten aus dem Plan in Verzug, bleibt es dem Gläubiger darüber hinaus unbenommen, gemäß § 498 BGB den gesamten ihm nach dem Schuldenbereinigungsplan zustehenden Betrag fällig zu stellen und zu vollstrecken.28) _____________ 25) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.6.2001 – 9 W 34/01, ZInsO 2001, 913 f = NZI 2001, 422; Nerlich/Römermann-Römermann, InsO, § 308 Rz. 18 ff, 21; A. Schmidt-Streck, InsO, § 308 Rz. 5. 26) Landfermann in: HK-InsO, § 308 Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 308 Rz. 6b; Braun-Buck, InsO, § 308 Rz. 11; Vallender, DGVZ 1997, 97, 101. 27) Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 308 Rz. 23. 28) AG Heilbronn, Beschl. v. 6.7.2009 – 13 IK 769/08, ZVI 2010, 260.
§ 309 Ersetzung der Zustimmung (1) 1Hat dem Schuldenbereinigungsplan mehr als die Hälfte der benannten Gläubiger zugestimmt und beträgt die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der benannten Gläubiger, so ersetzt das Insolvenzgericht auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners die Einwendungen eines Gläubigers gegen den Schuldenbereinigungsplan durch eine Zustimmung. 2Dies gilt nicht, wenn 1.
der Gläubiger, der Einwendungen erhoben hat, im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern nicht angemessen beteiligt wird oder
2.
dieser Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt wird, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung stünde; hierbei ist im Zweifel zugrunde zu legen, daß die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt des Antrags nach Satz 1 während der gesamten Dauer des Verfahrens maßgeblich bleiben.
(2) 1Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. 2Die Gründe, die gemäß Absatz 1 Satz 2 einer Ersetzung seiner Einwendungen durch eine Zustimmung entgegenstehen, hat er glaubhaft zu machen. 3Gegen den Beschluß steht dem Antragsteller und dem Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt wird, die sofortige Beschwerde zu. § 4a Abs. 2 gilt entsprechend. (3) Macht ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft, aus denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob eine vom Schuldner angegebene Forderung besteht oder sich auf einen höheren oder niedrigeren Betrag richtet als angegeben, und hängt vom Ausgang des Streits ab, ob der Gläubiger im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern angemessen beteiligt wird (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1), so kann die Zustimmung dieses Gläubigers nicht ersetzt werden. 1504
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§ 309
Ersetzung der Zustimmung
des Schuldenbereinigungsplans generell ausgeschlossen ist.25) Überwiegend wird eine solche Anpassung dagegen für zulässig erachtet, wobei teils eine Anwendung des § 323 Abs. 4 ZPO,26) teils ein Rückgriff auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)27) befürwortet wird. Gerät der Schuldner mit seinen Ratenzahlungspflichten aus dem Plan in Verzug, bleibt es dem Gläubiger darüber hinaus unbenommen, gemäß § 498 BGB den gesamten ihm nach dem Schuldenbereinigungsplan zustehenden Betrag fällig zu stellen und zu vollstrecken.28) _____________ 25) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.6.2001 – 9 W 34/01, ZInsO 2001, 913 f = NZI 2001, 422; Nerlich/Römermann-Römermann, InsO, § 308 Rz. 18 ff, 21; A. Schmidt-Streck, InsO, § 308 Rz. 5. 26) Landfermann in: HK-InsO, § 308 Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 308 Rz. 6b; Braun-Buck, InsO, § 308 Rz. 11; Vallender, DGVZ 1997, 97, 101. 27) Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 308 Rz. 23. 28) AG Heilbronn, Beschl. v. 6.7.2009 – 13 IK 769/08, ZVI 2010, 260.
§ 309 Ersetzung der Zustimmung (1) 1Hat dem Schuldenbereinigungsplan mehr als die Hälfte der benannten Gläubiger zugestimmt und beträgt die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der benannten Gläubiger, so ersetzt das Insolvenzgericht auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners die Einwendungen eines Gläubigers gegen den Schuldenbereinigungsplan durch eine Zustimmung. 2Dies gilt nicht, wenn 1.
der Gläubiger, der Einwendungen erhoben hat, im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern nicht angemessen beteiligt wird oder
2.
dieser Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt wird, als er bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung von Restschuldbefreiung stünde; hierbei ist im Zweifel zugrunde zu legen, daß die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt des Antrags nach Satz 1 während der gesamten Dauer des Verfahrens maßgeblich bleiben.
(2) 1Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. 2Die Gründe, die gemäß Absatz 1 Satz 2 einer Ersetzung seiner Einwendungen durch eine Zustimmung entgegenstehen, hat er glaubhaft zu machen. 3Gegen den Beschluß steht dem Antragsteller und dem Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt wird, die sofortige Beschwerde zu. § 4a Abs. 2 gilt entsprechend. (3) Macht ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft, aus denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob eine vom Schuldner angegebene Forderung besteht oder sich auf einen höheren oder niedrigeren Betrag richtet als angegeben, und hängt vom Ausgang des Streits ab, ob der Gläubiger im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern angemessen beteiligt wird (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1), so kann die Zustimmung dieses Gläubigers nicht ersetzt werden. 1504
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§ 309
Ersetzung der Zustimmung Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Voraussetzungen für die Durchführung des Ersetzungsverfahrens ............................................. 2 1. Vorläufige Ermittlung der Mehrheiten ............................................ 4 2. Ersetzungsantrag ................................. 10 III. Glaubhaftmachung der einer Zustimmungsersetzung entgegenstehenden Tatsachen .......................... 11 1. Nichtvorliegen der erforderlichen Mehrheiten .......................................... 13
I.
2.
Unangemessene Beteiligung im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern ........................................... 16 3. Schlechterstellung gegenüber der Durchführung des Insolvenzverfahrens ............................................. 24 4. Verfahren der Glaubhaftmachung ...... 33 IV. Erforderlichkeit einer Beweisaufnahme ............................................. 37 V. Entscheidung über den Ersetzungsantrag und Rechtsmittel ................................................... 40
Zweck der Vorschrift
§ 309 regelt das gesamte Zustimmungsersetzungsverfahren. Die Vorschrift bezweckt die Förderung der gütlichen Einigung und die Entlastung der Gerichte von dem ansonsten durchzuführenden Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren.1)
1
II. Voraussetzungen für die Durchführung des Ersetzungsverfahrens Eine Zustimmungsersetzung kommt nur in Betracht, wenn die Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan mit Kopf- und Summenmehrheit zugestimmt haben, wobei Schweigen als Zustimmung gilt. Ob ein Gläubiger dem Plan zugestimmt oder ihn abgelehnt hat, muss das Gericht im Anschluss an den Ablauf der Stellungnahmefrist sorgfältig ermitteln (§ 308 Rz. 1 – 3).
2
Haben die Gläubiger dem Plan mehrheitlich widersprochen oder ergibt sich ein Stimmenpatt, ist das Insolvenzverfahren nach § 311 fortzusetzen. Über einen vom Schuldner bereits mit dem Eröffnungsantrag gestellten, „vorsorglichen“ Zustimmungsersetzungsantrag2) ist in diesem Fall nicht zu entscheiden, da er nur für den Fall gestellt ist, dass die erforderlichen Mehrheiten für die Durchführung des Ersetzungsverfahrens erreicht sind.
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1.
Vorläufige Ermittlung der Mehrheiten
Bei der Ermittlung der Gesamtzahl der am Verfahren beteiligten Gläubiger hat das Gericht allein auf die formale Gläubigerstellung abzustellen (§ 308 Rz. 11). Gläubiger, die mit mehreren Forderungen beteiligt sind, zählen als eine Person unabhängig davon, auf welchem Rechtsgrund ihre Forderungen beruhen, ob sie von verschiedenen, rechtlich unselbständigen Organisationseinheiten verwaltet werden,3) oder ob die Forderungen – etwa bei Forderungskauf oder Inkassozession – früher verschiedenen Gläubigern zustanden. _____________ 1) 2) 3)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 580. Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 22, empfiehlt dem Schuldner sogar die vorsorgliche Antragstellung mit Einreichung des Plans. Dies gilt auch für Forderungen einer Gebietskörperschaft, die durch mehrere Behörden aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen geltend gemacht werden; vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 27/10, ZIP 2011, 1479 = ZInsO 2011, 1251 – zu § 2 Abs. 2 InsVV.
Sabel
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§ 309
Ersetzung der Zustimmung
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In diesen Fällen kann die Erklärung des Gläubigers nur einheitlich als Zustimmung oder Ablehnung gewertet werden. Gibt ein Gläubiger in verschiedenen Stellungnahmen widersprüchliche Erklärungen ab, ist dies insgesamt als Widerspruch zu werten. Davon zu trennen ist die Vertretung mehrerer Gläubiger durch einen gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten, der für jeden vertretenen Gläubiger eine eigene Erklärung abgeben kann. Steht mehreren Gläubigern eine Forderung gemeinschaftlich zu, so zählen diese als eine Person.
6
Als Gläubiger am Schuldenbereinigungsplanverfahren ist nur beteiligt, wer eine Forderung gegen den Schuldner erhebt. Deshalb dürfen Personen, die bereits vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens einen Forderungsverzicht erklärt haben, gar nicht erst in den Plan aufgenommen werden. Teilt ein im Plan aufgeführter Gläubiger dem Gericht mit, dass er bereits außergerichtlich auf seine Forderung verzichtet hat, darf er daher bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses nicht berücksichtigt werden.4) Teilt ein Gläubiger dagegen während des laufenden Planverfahrens erstmals mit, nicht am Verfahren teilnehmen zu wollen oder auf die weitere Geltendmachung seiner Forderung zu verzichten, so kann diese Erklärung insbesondere dann, wenn sie als Reaktion auf die Übersendung eines „Nullplans“ erfolgt, auch als Zustimmung zu dem Plan auszulegen sein.5) Im Zweifel ist dies, vor allem dann, wenn die erforderlichen Mehrheiten erst durch eine Zustimmung des „verzichtenden“ Gläubigers erreicht werden, durch Nachfrage zu klären. Das Gericht kann hierbei zur Förderung einer gütlichen Einigung versuchen, den Gläubiger zur ausdrücklichen Zustimmung zu dem Plan zu bewegen. Eine Zustimmungsersetzung zulasten anderer, dem Plan widersprechender Gläubiger, kommt nach einem Verzicht einzelner Gläubiger auch bei Erreichen der erforderlichen Mehrheiten nicht in Betracht, wenn der Plan Zahlungen an die ausgeschiedenen Gläubiger vorsieht; in diesen Fällen bedarf es der Vorlage eines geänderten Plans, der regelt, ob und wie die frei gewordenen Mittel auf die verbleibenden Gläubiger verteilt werden sollen.6)
7
Für die Ermittlung der Summenmehrheiten ist grundsätzlich auf die im Plan angegebenen Forderungssummen abzustellen. Die Gläubiger nachrangiger Forderungen (§ 39) sind bei der Ermittlung der Summenmehrheiten allerdings nur mit einem Erinnerungswert zu berücksichtigen, solange nicht – was regelmäßig auszuschließen ist – glaubhaft gemacht werden kann, dass in einem Insolvenzverfahren alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt würden und eine Quote auch auf die Nachranggläubiger entfiele.7)
8
Bei absonderungsberechtigten Gläubigern ist zu differenzieren: Besitzt der Gläubiger eine werthaltige Sicherung und lässt der Plan dieses Sicherungsrecht unberührt, so hat der absonderungsberechtigte Gläubiger nur ein Stimmrecht i. H. des voraus_____________ 4)
5) 6) 7)
BayObLG, Beschl. v. 2.8.2001 – 4 Z BR 11/01, NZI 2001, 553, 554 = ZInsO 2001, 849; OLG Köln, Beschl. v. 1.12.2000 – 2 W 202/00, ZIP 2000, 2312, 2315 = NZI 2001, 88; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.3.2000 – 9 W 1/00, NZI 2000, 375, 376 = ZInsO 2000, 238 (LS); Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 1. Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 1.12.2000 – 2 W 202/00, ZIP 2000, 2312, 2315 = NZI 2001, 88; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 1. AG Köln, Beschl. v. 26.9.2007 – 71 IK 98/07, ZVI 2007, 524 = NZI 2007. 735. BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 142/07, ZVI 2008, 164 Rz. 17 = ZInsO 2008, 327.
1506
Sabel
§ 309
Ersetzung der Zustimmung
sichtlichen Forderungsausfalls.8) Ist die Werthaltigkeit des Sicherungsrechts streitig, obliegt es in diesem Fall gemäß Absatz 3 (dazu unten Rz. 19, 24 ff) dem Gläubiger, den voraussichtlichen Forderungsausfall – etwa durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens – glaubhaft zu machen.9) Ist bereits aufgrund der Stellungnahme zum Plan erkennbar, dass ein ablehnender Gläubiger eine höhere Forderung gegen den Schuldner geltend macht oder die Forderung eines anderen, zustimmenden Gläubigers in Frage stellt (eingehend unten Rz. 14 f), so kann dies Anlass sein, dem Schuldner zunächst nach § 307 Abs. 3 Gelegenheit zur Planänderung zu geben (vgl. § 307 Rz. 15; § 308 Rz. 10). Andernfalls ist, sofern nach den im Plan angegebenen Forderungssummen die erforderlichen Mehrheiten erreicht sind und ein Ersetzungsantrag gestellt wird, dem Gläubiger i. R. der Anhörung nach Absatz 2 Gelegenheit zur Glaubhaftmachung seiner Behauptung zu geben.10) 2.
9
Ersetzungsantrag
Sind die erforderlichen Mehrheiten erreicht, hat das Gericht, da das Zustimmungsersetzungsverfahren nur auf Antrag durchgeführt wird, dem Schuldner und den gleichfalls antragsberechtigten Gläubigern, die dem Plan nicht widersprochen haben, die Gelegenheit zur Antragstellung oder, soweit der Schuldner den Antrag bereits mit dem Insolvenzantrag gestellt hatte, die Möglichkeit einer Antragsrücknahme zu geben, falls dies nach dem Inhalt der Stellungnahmen angezeigt erscheint. Es sollte hierzu eine kurze richterliche Frist von zwei Wochen setzen. Dem Schuldner sind spätestens jetzt sämtliche eingegangenen Stellungnahmen zu übersenden, anhand derer er die Erfolgsaussichten seines Ersetzungsantrags prüfen kann. Hat das Gericht dem Schuldner keine Frist gesetzt, so kann dieser den Antrag auf Zustimmungsersetzung auch noch nach einer vom Gericht beschlossenen, noch nicht rechtskräftigen Verfahrenseröffnung stellen, wenn er sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss eingelegt hat.11)
10
III. Glaubhaftmachung der einer Zustimmungsersetzung entgegenstehenden Tatsachen Liegen die Voraussetzungen für die Durchführung des Ersetzungsverfahrens vor, ist den Gläubigern, die Einwendungen gegen den Plan erhoben haben, nach Absatz 2 Gelegenheit zu geben, die Tatsachen glaubhaft zu machen, die einer Zustimmungsersetzung entgegenstehen. Ihnen sollte hierzu mit dem Ersetzungsantrag das Auswertungsergebnis des Gerichts mitgeteilt und zugleich eine angemessene richterliche Frist von etwa vier Wochen gesetzt werden. Die übrigen Gläubiger, die dem Plan entweder ausdrücklich zugestimmt oder sich hierzu nicht geäußert haben, sollten über den Fortgang des Verfahrens formlos unterrichtet werden. _____________ 8) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 142/07, ZVI 2008, 164 Rz. 14 = ZInsO 2008, 327 – gegen die bis dahin h. Lit. 9) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 142/07, ZInsO 2008, 327 Rz. 21 = ZVI 2008, 164. 10) BGH, Beschl. v. 21.10.2004 – IX ZB 427/02, ZVI 2004, 748 = NZI 2005, 46, dazu EWiR 2005, 125 (Pape). 11) LG Göttingen, Beschl. v. 13.3.2009 – 10 T 18/09, NZI 2009, 330; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 309 Rz. 24.
Sabel
1507
11
§ 309 12
Ersetzung der Zustimmung
Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die Tatsachen, die nach § 309 einer Zustimmungsersetzung entgegenstehen, nämlich –
das Nichtvorliegen der erforderlichen Mehrheiten (Abs. 1 Satz 1),
–
die unangemessene Beteiligung im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 3) und
–
die wirtschaftliche Schlechterstellung gegenüber der Durchführung des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2).
1.
Nichtvorliegen der erforderlichen Mehrheiten
13
Der Gläubiger, der Einwendungen gegen den Plan erhoben hat, kann zunächst geltend machen, dass das Gericht zu Unrecht vom Vorliegen der Kopf- und Summenmehrheit ausgegangen sei. Denn die vorläufige Ermittlung der Mehrheiten durch das Gericht (oben Rz. 4) entfaltet als bloße Zwischenentscheidung keine Rechtskraftwirkungen, weshalb es auch einer Anfechtung des Beschlusses, mit dem das Gericht den Beteiligten sein vorläufiges Ergebnis mitteilt, nicht bedarf.12) Jeder Gläubiger kann daher im Zustimmungsersetzungsverfahren einen Fehler des Gerichts bei der Ermittlung der Mehrheiten rügen, etwa dahin, das Gericht habe sich schlicht verrechnet oder mehrere Forderungen eines Gläubigers auch bei der Ermittlung der Kopfmehrheit mehrfach berücksichtigt.
14
Der Gläubiger kann aber auch die Forderungen anderer Gläubiger bestreiten oder glaubhaft machen, dass ihm selbst eine höhere oder eine zusätzliche Forderung gegen den Schuldner zusteht. Wirkt sich dieses Vorbringen des Gläubigers auf die Kopfoder Summenmehrheit aus, so hat das Gericht dies bereits bei der abschließenden Prüfung der Mehrheiten und nicht erst bei der Frage zu berücksichtigen, ob der Gläubiger hierdurch gegenüber den übrigen Gläubigern benachteiligt wird, was bei der Vorlage eines „Nullplans“ regelmäßig nicht festgestellt werden könnte.13) Hierdurch kann der missbräuchlichen Erschleichung von Mehrheiten durch Angabe fingierter Verbindlichkeiten entgegengewirkt werden.14)
15
Einer gesonderten Glaubhaftmachung bedarf es in diesen Fällen nicht, wenn bereits nach dem Vorbringen des Schuldners ernsthafte Zweifel am Bestand der Forderung bestehen.15) Ist dies der Fall, oder ergeben sich solche Zweifel aus dem Vorbringen des Gläubigers, so hat das Gericht gemäß Absatz 3 über das Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung keinen Beweis zu erheben, sondern den Ersetzungsantrag mangels Erreichens der erforderlichen Mehrheiten zurückzuweisen. 2.
16
Unangemessene Beteiligung im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern
Die Behauptung des Gläubigers, der Schuldner habe im Plan seine Forderung zu niedrig oder die Forderungen anderer Gläubiger zu hoch beziffert, kann, sofern _____________ 12) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 142/07, ZVI 2008, 164 Rz. 9 = ZInsO 2008, 327. 13) BGH, Beschl. v. 21.10.2004 – IX ZB 427/02, ZVI 2004, 748 = NZI 2005, 46, 47. 14) BGH, Beschl. v. 21.10.2004 – IX ZB 427/02, ZVI 2004, 748 = NZI 2005, 46, 47; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZVI 2014, 17 Rz. 9 = ZInsO 2013, 2333; zum „Privatdarlehen“ auch LG Bielefeld, Beschl. v. 16.6.1999 – 23 T 208/99, ZIP 1999, 1275. 15) BGH, Beschl. v. 15.7.2004 – IX ZB 298/03, ZVI 2004, 756.
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Sabel
§ 309
Ersetzung der Zustimmung
sich dies nicht bereits auf die Mehrheiten auswirkt, nach Absatz 3 einer Zustimmungsersetzung entgegenstehen. Es handelt sich dabei um einen besonders geregelten Fall der unangemessenen Beteiligung im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern: Ist der Gläubiger nicht mit der Gesamtheit seiner Forderungen erfasst, so erhält er eine nach dem Plan zu verteilende Quote von vornherein nur auf einen Forderungsteil. Dies benachteiligt ihn gegenüber denjenigen Gläubigern, deren Quote sich anhand ihrer Gesamtforderung errechnet. Ebenso wird der Gläubiger benachteiligt, wenn der Schuldner Forderungen in den Plan einstellt, die nicht oder nicht in der angegebenen Höhe bestehen, weil sich hierdurch die auf ihn entfallende Quote entsprechend verringert.16) Allerdings gilt dies nicht, wenn nach dem Plan (insbesondere bei einem Nullplan) keine nennenswerten Beträge zu verteilen sind,17) oder wenn ein vom Schuldner zu Unrecht aufgeführter Gläubiger nach dem Plan keine Zahlungen zu beanspruchen hat. In diesen Fällen kann eine unangemessene Beteiligung gegenüber den übrigen Gläubigern nicht festgestellt werden, sodass die Behauptung des Gläubigers einer Zustimmungsersetzung jedenfalls nicht nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1, Absatz 3 entgegensteht.18)
17
Eine unangemessene Beteiligung an den nach dem Schuldenbereinigungsplan zu verteilenden Beträgen liegt außer in den Fällen des Absatzes 3 immer dann vor, wenn der Gläubiger, der Einwendungen erhoben hat, in dem Plan wesentlich schlechter gestellt wird als andere, rechtlich gleichgestellte Gläubiger. Eine willkürliche Ungleichbehandlung – etwa die Besserstellung der dem Schuldner nahestehenden Gläubiger – muss deshalb stets zur Zurückweisung eines Ersetzungsantrags führen.
18
Das bedeutet nicht, dass grundsätzlich alle Gläubiger im Plan die gleichen Quoten erhalten müssen. Vielmehr kann auch in der Gleichbehandlung ungleicher Gläubigergruppen eine unangemessene Benachteiligung liegen, etwa wenn Gläubiger, deren Forderung durch eine Lohnabtretung oder ein – persönliches oder dingliches – Sicherungsrecht gesichert ist, dieselben Leistungen erhalten sollen wie ungesicherte Gläubiger.19) Andererseits dürfen die gesicherten Gläubiger auch nur insoweit bevorzugt behandelt werden, als dies dem wirtschaftlichen Wert ihres Sicherungsrechts entspricht.20)
19
Die Ungleichbehandlung verschiedener Gläubigergruppen kann auch aus anderen Gründen sachlich geboten, jedenfalls aber gerechtfertigt sein. So kann eine Forderung, die auf einem Vorsatzdelikt beruht und nach § 302 von der Restschuldbefreiung ausgenommen wäre, mit einem höheren Betrag berücksichtigt werden als Forderungen, die der Restschuldbefreiung unterliegen (zu den Voraussetzungen,
20
_____________ 16) Vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2004 – IX ZB 298/03, ZVI 2004, 756; AG Bremen, Beschl. v. 10.11.2011 – 317 IK 39/10, NZI 2011, 950. 17) BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 142/07, ZInsO 2008, 327 Rz. 11 f = ZVI 2008, 164. 18) BGH, Beschl. v. 21.10.2004 – IX ZB 427/02, ZVI 2004, 748 = NZI 2005, 46, 47. 19) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 3a; Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 11; hier liegt zudem regelmäßig auch eine Benachteiligung gegenüber der Durchführung des Insolvenzverfahrens vor. 20) Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 10.
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§ 309
Ersetzung der Zustimmung
unter denen die fehlende Zustimmung eines Deliktsgläubigers ersetzt werden kann, vgl. unten Rz. 31).21) 21
Ob § 309 – wie § 222 Abs. 3 Satz 2 im Insolvenzplanverfahren – auch die bevorzugte Befriedigung von Kleingläubigern zulässt, ist streitig.22) Dafür spricht, dass die Vorschrift eng an § 245 angelehnt ist und wie diese Regelung nur die willkürliche Benachteiligung einzelner Gläubiger ausschließen will. Zudem soll die Einigung im Planverfahren gefördert werden, weshalb dem Schuldner bei der Aufstellung des Plans ein ähnlich weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen ist wie bei einem Insolvenzplan. Dies gilt gerade auch deshalb, weil dem Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren durch § 88 Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) die Möglichkeit genommen ist, einen Insolvenzplan vorzulegen.
22
Ein sachlicher Grund für die Privilegierung rückständiger Unterhalts- oder Mietzinsansprüche ist dagegen regelmäßig nicht gegeben.23) Gleiches gilt für Ansprüche von Sozialversicherungsträgern, soweit nicht dargetan ist, dass es sich um Forderungen aus einem Vorsatzdelikt handelt.24) Auch die Ungleichbehandlung von titulierten und nicht titulierten Forderungen ist – da ja im Verfahren gerade ein neuer Titel geschaffen wird – nicht gerechtfertigt.25)
23
Unbeachtlich sind schließlich alle nur geringfügigen Abweichungen, sei es bei den Zahlungsmodalitäten,26) sei es bei der uneinheitlichen Berechnung von Zins- und Nebenforderungen, die nur auf den oft lückenhaften Angaben der Gläubiger beruht.27) Auf mathematische Genauigkeit kommt es nie an, weshalb Quotenabweichungen im Promillebereich einer Zustimmungsersetzung nicht im Wege stehen. Auch Abweichungen um mehrere Prozentpunkte stehen einer angemessenen Betei_____________ 21) LG München II, Beschl. v. 4.7.2001 – 7 T 2729/01, ZInsO 2001, 720, 721 = ZVI 2002, 10; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 309 Rz. 67; Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 11; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 309 Rz. 18. 22) Dafür OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.12.2001 – 26 W 167/01, NZI 2002, 266; WimmerGrote, FK-InsO, § 309 Rz. 21; dagegen Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 3a; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 309 Rz. 44; krit. auch Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 13. 23) Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 13; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 309 Rz. 42; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 3a. A. A. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 309 Rz. 20, der auf die existenzielle Bedeutung der Befriedigung dieser Ansprüche für den Schuldner und seine Familie abstellt. Dies spielt aber im Zustimmungsersetzungsverfahren keine Rolle, da die im Schuldenbereinigungsplan berücksichtigten Ansprüche im Zeitpunkt der Zustimmungsersetzung stets mehrere Monate alt sind und daher ihre Befriedigung nicht (mehr) „existenziell“ sein kann. 24) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.8.2001 – 3 W 163/01, ZInsO 2001, 970 = NZI 2001, 663. 25) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 3a. A. A. Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 16 unter Hinweis auf LG Traunstein, Beschl. v. 20.11.2001 – 4 T 2061/00, ZVI 2002, 365. 26) Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 W 38/01, ZIP 2001, 847 = NZI 2001, 321, dazu EWiR 2001, 1013 (Römermann). 27) Davon zu trennen ist der Fall, dass die Nebenansprüche bei einigen Gläubigern hinzugerechnet, bei anderen weggelassen werden, vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 3a.
1510
Sabel
§ 309
Ersetzung der Zustimmung
ligung nicht notwendig entgegen, zumal wenn sich die absoluten Zahlbeträge bei mathematisch genauer Berechnung nur um wenige Euro verändern würden. 3.
Schlechterstellung gegenüber der Durchführung des Insolvenzverfahrens
Der Gläubiger kann schließlich Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird als er bei Durchführung des Insolvenzverfahrens voraussichtlich stehen würde. In diesen Fällen hat der Gläubiger im Wege einer prognostischen Vergleichsberechnung die Leistungen, die er nach dem Plan erhalten wird, den Leistungen gegenüberzustellen, die er voraussichtlich in einem Verbraucherinsolvenzverfahren, ggf. mit anschließender Wohlverhaltensperiode, erhalten würde.
24
Bei der Vergleichsberechnung ist, wie Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 ausdrücklich anordnet, grundsätzlich von den schuldnerischen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen im Zeitpunkt des Ersetzungsantrags auszugehen. Etwas anderes gilt nur, wenn unstreitig oder glaubhaft gemacht ist, dass maßgebliche Veränderungen zu erwarten sind. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Schuldner nachweist, dass sich – etwa bei bestehender Schwangerschaft – die Pfändungsfreibeträge demnächst ändern werden, oder wenn eine zur Zeit des Antrags noch bestehende Unterhaltspflicht in der nächsten Zeit wegfallen wird.
25
Die Aufnahme spezieller Anpassungsklauseln für den Fall künftiger möglicher Veränderungen der maßgebenden Verhältnisse ist demgegenüber nicht Voraussetzung für eine Zustimmungsersetzung.28) Dies gilt insbesondere auch für sog. „Erbschaftsklauseln“, deren Fehlen allenfalls dann zur Versagung der Zustimmungsersetzung führen kann, wenn ein Gläubiger darlegt, dass während der Laufzeit des Verfahrens ein Erbfall konkret zu erwarten ist.29)
26
Bei der Vergleichsberechnung ist davon auszugehen, dass der Schuldner die im Plan angegebenen Leistungen vollständig und pünktlich erbringen kann und wird. Erfüllt der Schuldner seine Pflichten aus dem Plan schuldhaft nicht, können die Gläubiger nach allgemeinen Vorschriften vom Plan zurücktreten (§ 308 Rz. 15). Das Wiederaufleben der ursprünglichen Gläubigerforderungen ist für diesen Fall auch ohne die gesonderte Aufnahme einer Verfall- oder Wiederauflebensklausel in den Plan gewährleistet, weshalb das Fehlen einer solchen Klausel einer Zustimmungsersetzung nicht im Wege steht.30)
27
Häufig bildet der Schuldenbereinigungsplan den Verlauf eines typischen Verbraucherinsolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiungsphase nach. Er sieht dann als „flexibler Schuldenbereinigungsplan“ – bei fehlendem pfändbarem
28
_____________ 28) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZVI 2014, 17 Rz. 10 f = ZInsO 2013, 2333; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 9.3.2000 – 26 W 162/99, ZInsO 2000, 288, 289 = NZI 2000, 288; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 309 Rz. 27. 29) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.6.2001 – 9 W 34/01, ZInsO 2001, 913 = NZI 2001, 422; Wimmer-Grote, FK-InsO, § 309 Rz. 30. 30) So auch Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 16, der gleichwohl die Aufnahme solcher Klauseln empfiehlt; vgl. auch AG Bremerhaven, Beschl. v. 23.10.2006 – 10 IK 30/06, ZVI 2007, 21; a. A. Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 309 Rz. 77; eingehend dazu und zu möglichen Gestaltungen Wimmer-Grote, FK-InsO, § 309 Rz. 27–30.
Sabel
1511
§ 309
Ersetzung der Zustimmung
Einkommen oft auch in der Form des „flexiblen Nullplans“ – vor, dass der Schuldner den Gläubigern während einer Laufzeit von 72 Monaten den jeweils pfändbaren Teil seines Einkommens zur Verfügung stellt. In diesem Fall ist grundsätzlich eine Gleichbehandlung mit der Durchführung des Insolvenzverfahrens indiziert. Aber auch in den Fällen, in denen der Schuldner lediglich eine geringfügige Einmalzahlung oder einen „starren Nullplan“ ohne Anpassungsklausel vorlegt, kommt ihm grundsätzlich die gesetzliche Vermutung des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 zugute, wonach im Zweifel von gleichbleibenden wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen ist.31) Es ist daher auch in diesen Fällen grundsätzlich Sache des Gläubigers, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners absehbar ist, wobei bloß theoretische Änderungsmöglichkeiten unberücksichtigt bleiben müssen.32) 29
Allerdings sollte der Schuldner bei der Vorlage eines Nullplans ggf. vorrangige Lohnabtretungen oder Pfandrechte berücksichtigen; sonst können die gesicherten Gläubiger dies als Einwendung gegen den Plan jedenfalls dann geltend machen, wenn nach den Umständen zu erwarten ist, dass der Schuldner während der Laufzeit des Plans pfändbare Einkünfte erzielen wird.33) Es empfiehlt sich daher, im Schuldenbereinigungsplan eine Regelung vorzusehen, wonach ein bestehendes Pfändungspfandrecht bis zu dem Zeitpunkt weiter Bestand haben soll, zu dem es bei alsbaldiger Insolvenzeröffnung gemäß § 114 Abs. 3 a. F. fortgelten würde.34) Gleiches gilt, wenn der Plan den Verzicht auf andere persönliche Sicherheiten, etwa auf die Inanspruchnahme von Bürgen, oder die Freigabe von Grundpfandrechten, vorsieht, die bei einer Restschuldbefreiung bestehen bleiben. Die Einwendung ist dann begründet, wenn die entsprechende Sicherheit werthaltig ist und wirksam, also insbesondere in nicht anfechtbarer Weise und außerhalb der erweiterten Rückschlagsperre des § 88 Abs. 2 (§ 88 i. V. m. § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) erlangt wurde.
30
Enthält ein Schuldenbereinigungsplan keinen Aufrechnungsvorbehalt (vgl. hierzu § 308 Rz. 9), so stellt dies eine Schlechterstellung nur dar, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner bis zum Ablauf eines Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens tatsächlich aufrechenbare Ansprüche (etwa in Form von Steuererstattungsansprüchen) erlangen würde.35)
31
Ist eine Restschuldbefreiung ausgeschlossen, weil bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Ersetzungsantrag Versagungsgründe nachgewiesen sind, oder steht fest, dass einzelne, insbesondere deliktische Forderungen nach § 302 von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, so kommt eine Ersetzung der fehlenden _____________ 31) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZVI 2014, 17 Rz. 11 = ZInsO 2013, 2333. 32) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12, ZVI 2014, 17 Rz. 11 a. E. = ZInsO 2013, 2333; erforderlich sind nach der Rspr. des BGH damit konkrete Angaben, etwa zum bevorstehenden Abschluss einer Berufsausbildung. 33) LG Osnabrück, Beschl. v. 10.1.2007 – 5 T 1063/06, VuR 2008, 31 (LS), unter Bezugnahme auf die Vorinstanz AG Nordhorn, Beschl. v. 21.11.2006 – 7 IK 68/06, ZVI 2007, 70. 34) So BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 148/05, ZInsO 2009, 2406 Rz. 6 f = WM 2001, 91. 35) BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 204/05, NZI 2007, 409 Rz. 10 f = ZIP 2007, 923 – zum Insolvenzplanverfahren; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 3.9.2008 – 1 T 118/08, ZVI 2008, 519 = NZI 2008, 694.
1512
Sabel
§ 309
Ersetzung der Zustimmung
Zustimmung der betroffenen Gläubiger gleichwohl in Betracht, dies allerdings nur, wenn der Schuldenbereinigungsplan Zahlungen enthält, die den voraussichtlich bis zum Eintritt der absoluten Vollstreckungsverjährung erzielbaren Vollstreckungserlösen entsprechen.36) Dabei steht dem Gericht ein weiter Ermessensspielraum zu;37) im Zweifel ist auch hierbei davon auszugehen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners während des gesamten Prognosezeitraums nicht ändern. Enthält ein Schuldenbereinigungsplan keine flexiblen Raten, sondern eine Einmalzahlung oder feste Raten, so ist die Gesamtsumme der im Plan versprochenen Zahlungen mit der voraussichtlichen Quote im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren zu vergleichen. Bei einer Einmalzahlung oder einer deutlich kürzeren Laufzeit des Plans sind die Vorteile, die den Gläubigern durch die schnellere Erfüllung ihrer Forderungen entstehen, angemessen zu berücksichtigen. Dabei ist keine genaue finanzmathematische Berechnung, etwa in Form einer Abzinsung, vorzunehmen, wie es auch sonst nicht auf eine mathematische Genauigkeit ankommt (vgl. auch oben Rz. 23).38) 4.
32
Verfahren der Glaubhaftmachung
Die Gründe, die einer Zustimmungsersetzung entgegenstehen, hat der Gläubiger zunächst schlüssig vorzutragen. Dazu gehört insbesondere eine plausible, für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbare Darlegung der behaupteten Schlechterstellung. Regelmäßig ist in Form einer Vergleichsberechnung auf der Grundlage der vom Schuldner eingereichten Unterlagen39) darzulegen, dass der Gläubiger weniger erhält als andere, ihm rechtlich gleichgestellte Gläubiger, oder dass er bei Durchführung des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens voraussichtlich wesentlich mehr erhalten würde.
33
Soweit die vorgetragenen Tatsachen nicht – was häufig der Fall sein wird – bereits nach dem bisherigen Vortrag des Schuldners unstreitig, offenkundig oder gerichtsbekannt sind, trägt der Gläubiger die Glaubhaftmachungslast.40) Er kann die Tatsachen, auf die er seine Schlechterstellung stützt, durch alle nach § 294 ZPO zulässigen Beweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides Statt, glaubhaft machen. In Betracht kommen insbesondere schriftliche Zeugenaussagen, Kopien von Urkunden oder die Bezugnahme auf Gerichtsakten, die das Gericht sofort beiziehen kann.41) Die pauschale Behauptung von zusätzlichen Vermögenswerten oder Einkünften genügt nicht.42)
34
Das Gericht hat sodann zu entscheiden, ob es die vom Gläubiger vorgetragenen Tatsachen als glaubhaft gemacht ansieht. Seine Prüfung erstreckt sich dabei nur auf
35
_____________ 36) Zum grundsätzlichen Ausschluss der Zustimmungsersetzung in diesen Fällen vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2010 – IX ZB 163/09, ZVI 2010, 299 = NZI 2010, 615. 37) Vgl. Wimmer-Grote, FK-InsO, § 309 Rz. 36; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 6a. 38) Wie hier Wimmer-Grote, FK-InsO, § 309 Rz. 33. 39) Vgl. BGH, Beschl. v. 30.9.2010 – IX ZB 145/08, NZI 2010, 948 Rz. 5. 40) BGH, Beschl. v. 30.9.2010 – IX ZB 145/08, NZI 2010, 948 Rz. 5. 41) Vgl. Zöller-Geimer/Greger, ZPO, § 294 Rz. 5. 42) BGH, Beschl. v. 30.9.2010 – IX ZB 145/08, NZI 2010, 948 Rz. 5.
Sabel
1513
§ 309
Ersetzung der Zustimmung
die von den Einwendungsgläubigern vorgebrachten Gründe, nicht dagegen auf sonstige Umstände, die einer Zustimmungsersetzung entgegenstehen könnten, aber von diesen nicht vorgebracht wurden.43) 36
Scheitert die Glaubhaftmachung, erfolgt keine Zurückweisung des auf Zurückweisung des schuldnerischen Ersetzungsantrags gerichteten Antrags des Gläubigers;44) vielmehr ist die Einwendung des Gläubigers in diesem Fall sogleich durch eine Zustimmung zu ersetzen. IV. Erforderlichkeit einer Beweisaufnahme
37
Ist dagegen ein der Zustimmungsersetzung entgegenstehender Grund glaubhaft gemacht, so ist zu unterscheiden: Hat ein Gläubiger glaubhaft gemacht, dass er im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern nicht angemessen beteiligt werde, weil ihm eine höhere als die im Plan ausgewiesene Forderung zustehe, oder weil die Forderung eines anderen Gläubigers nicht in der angegebenen Höhe bestehe (oben Rz. 14), genügt nach Absatz 3 bereits die Glaubhaftmachung, um den Zustimmungsersetzungsantrag als unbegründet zurückzuweisen. Gleiches gilt, wenn vom Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung bereits das Erreichen der erforderlichen Mehrheiten abhängt (vgl. oben Rz. 14).
38
Grund hierfür ist, dass der Streit über den Bestand oder Nichtbestand einer Forderung nicht vor dem Insolvenzgericht ausgetragen werden soll. Deshalb ist Absatz 3 entsprechend auf die Fälle anzuwenden, in denen die Wirksamkeit oder die Höhe einer Sicherheit45) oder die Frage streitig ist, ob dem Gläubiger eine von der Restschuldbefreiung ausgenommene Deliktsforderung zusteht (vgl. oben Rz. 31).
39
Hat ein Gläubiger demgegenüber glaubhaft gemacht, dass er aus anderen Gründen gegenüber den anderen Gläubigern oder gegenüber der Durchführung des Insolvenzverfahrens benachteiligt werde, so muss das Gericht prüfen, ob diese Gründe tatsächlich vorliegen und erforderlichenfalls eine vollständige Beweisaufnahme durchführen.46) Zunächst ist hierbei der Schuldner aufzufordern, sich zu den vom _____________ 43) OLG Köln, Beschl. v. 9.2.2001 – 2 W 19/01, ZIP 2001, 754, 756 = ZInsO 2001, 230; Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 23; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 10, der die Amtsermittlungspflicht des Gerichts betont; das Zustimmungsersetzungsverfahren ist jedoch ein kontradiktorisches Verfahren, das die Darlegungs- und Beweislast dem Gläubiger auferlegt. 44) So aber Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 10 unter Hinweis auf OLG Köln, Beschl. v. 9.2.2001 – 2 W 19/01, ZIP 2001, 754, 756 = ZInsO 2001, 230; OLG Celle, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 W 38/01, ZIP 2001, 847, 849 = NZI 2001, 321. 45) LG Köln, Beschl. v. 19.10.2000 – 19 T 111/00, ZInsO 2000, 676 = NZI 2001, 43; Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 28. 46) Die gegenteilige Ansicht von Nerlich/Römermann-Römermann, InsO, § 309 Rz. 37, wonach im Schuldenbereinigungsplanverfahren grundsätzlich keine Beweisaufnahme zu erfolgen habe, ist bereits nach Aufbau und Wortlaut des § 309, erst recht aber nach der insoweit eindeutigen Gesetzesbegründung nicht haltbar; vgl. Begr. RA z. RegE InsO, BTDrucks. 12/7302, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 580. Wie hier BayObLG, Beschl. v. 11.12.2000 – 4 Z BR 21/00, ZIP 2001, 204 = NZI 2001, 145, dazu EWiR 2001, 681 (Fuchs); OLG Celle, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 W 38/01, ZIP 2001, 847 = NZI 2001, 321; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 10; Landfermann in: HKInsO, § 309 Rz. 23.
1514
Sabel
§ 309
Ersetzung der Zustimmung
Gläubiger vorgetragenen Tatsachen zu erklären; erhebt dieser erhebliche Einwendungen gegen den Tatsachenvortrag des Gläubigers, muss nach den Regeln der ZPO Beweis erhoben werden, wobei die Beweislast dem Gläubiger obliegt.47) Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Berechnung der voraussichtlich im Verlauf des Insolvenzverfahrens erzielbaren Quote kommt dagegen regelmäßig nicht in Betracht, weil das Gericht diese Prognoseentscheidung anhand der unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen selbst treffen kann.48) V. Entscheidung über den Ersetzungsantrag und Rechtsmittel Das Gericht entscheidet über den Ersetzungsantrag des Schuldners durch Beschluss, der notwendig zu begründen ist und dabei einen tatbestandsähnlichen Teil zu enthalten hat.49) Haben mehrere Gläubiger Einwendungen erhoben, so braucht das Gericht, sofern die Einwendung eines Gläubigers begründet ist, zu den Einwendungen der übrigen Gläubiger keine Ausführungen zu machen, insbesondere keine Beweise zu erheben.
40
Ersetzt das Gericht die Einwendungen eines oder mehrerer Gläubiger durch eine Zustimmung, steht jedem betroffenen Gläubiger die sofortige Beschwerde zu. Gläubiger, deren Zustimmung nicht ersetzt worden ist, sind nicht beschwerdeberechtigt.50) Weist das Gericht den Ersetzungsantrag zurück, kann der Schuldner hiergegen sofortige Beschwerde einlegen. Die Beschwerde ist wegen der Abhilfemöglichkeit beim Insolvenzgericht einzulegen
41
Sobald sich abzeichnet, dass das Zustimmungsersetzungsverfahren in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht streitig verlaufen wird und dadurch besondere Schwierigkeiten aufweist, liegen die Voraussetzungen für eine Beiordnung eines Rechtsanwalts sowohl auf Seiten des Schuldners – dort nach den Vorschriften über die Verfahrenskostenstundung – als auch auf Seiten des Gläubigers – über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – vor. Es überzeugt nicht, die Beiordnung nach § 4a Abs. 2 erst im Beschwerdeverfahren für zulässig zu halten, auch wenn die Begründung des Gesetzgebers dies nahelegt.51) Die in Absatz 2 Satz 3 ausgesprochene Verweisung bezieht sich nicht notwendig nur auf das Beschwerdeverfahren; durch eine Beiordnung bereits vor der erstinstanzlichen Entscheidung können die Rechte des Schuldners besser gewahrt und überflüssige Beschwerdeverfahren vermieden werden.52)
42
_____________ 47) Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 23 a. E. 48) Begr. RA z. Art. 2 Nr. 17 RegE EGInsOÄndG, BT-Drucks. 14/120, S. 15, abgedr. Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 581. 49) Vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 140/04, ZVI 2006, 149 = ZInsO 2006, 206. 50) BGH, Beschl. v. 3.9.2009 – IX ZB 85/09, VuR 2010, 186 Rz. 2. 51) Begr. z. Art. 1 Nr. 27 RegE InsOÄndG – Änderung des § 309, BT-Drucks. 14/5680, S. 32. 52) A. A. – Beiordnung nur für das Beschwerdeverfahren – allerdings die ganz h. M., vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 309 Rz. 11; Landfermann in: HK-InsO, § 309 Rz. 25.
Sabel
1515
§ 310
Kosten
§ 310 Kosten Die Gläubiger haben gegen den Schuldner keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit dem Schuldenbereinigungsplan entstehen. Literatur: Hornung, Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 309 InsO bei Ablehnung nur eines beteiligten Gläubigers, ZVI 2008, 105; Schmidt-Räntsch, Das neue Verbraucherinsolvenzverfahren, MDR 1994, 321. Übersicht
1
I.
Zweck der Vorschrift ........................... 1
I.
Zweck der Vorschrift
II. Einzelheiten .......................................... 2
§ 310 dient dazu, die gütliche Schuldenbereinigung zu erleichtern.1) Der Schuldner soll durch das Schuldenbereinigungsplanverfahren nicht mit zusätzlichen Verbindlichkeiten belastet, die Vergleichsbereitschaft der Gläubiger durch den Ausschluss jeder Kostenerstattung gefördert werden.2) II. Einzelheiten
2
Ausgeschlossen sind sowohl prozessuale als auch materielle Kostenerstattungsansprüche des Gläubigers.3) Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen eine Anwendung auch auf diejenigen Kosten zu, die dem Gläubiger im Zusammenhang mit dem außergerichtlichen Plan entstehen.4) Der Ausschluss gilt darüber hinaus nicht nur im Verfahren vor dem Insolvenzgericht, sondern auch im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren.5)
3
Dagegen ist es nach dem Wortlaut, aber auch nach dem Gesetzeszweck der Vorschrift nicht gerechtfertigt, auch einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Schuldners auszuschließen, wenn dieser im kontradiktorischen Zustimmungsersetzungsverfahren obsiegt.6) In diesen Fällen muss das Gericht vielmehr auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens dem beteiligten Gläubiger auferlegen.
4
§ 310 wirkt sich vor allem auf die Erstattung von Rechtsanwaltskosten aus. Der Gläubiger, der sich im Schuldenbereinigungsplanverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt, hat diese Kosten, namentlich die bereits mit der Zustellung des Plans an den Gläubigervertreter ausgelöste zusätzliche Gebühr für die Vertretung im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren (Nr. 3316 RVG-VV) und die Beschwerdegebühren im Verfahren über die Zustimmungsersetzung (Nr. 3500 und _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 192, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 581. Schmidt-Räntsch, MDR 1994, 321, 324; Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 310 Rz. 1. Eingehend Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 310 Rz. 2 – 6. Landfermann in: HK-InsO, § 310 Rz. 1; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 310 Rz. 3. Zum Beschwerdeverfahren OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.3.2004 – 11 T 380/03, NZI 2004, 330. So auch Landfermann in: HK-InsO, § 310 Rz. 2; Hornung, ZVI 2008, 105; offenlassend OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.3.2004 – 11 T 380/03, NZI 2004, 330.
1516
Sabel
Aufnahme des Verfahrens über den Eröffnungsantrag
§ 311
3513 RVG-VV) selbst zu tragen. Nicht erstattungsfähig sind darüber hinaus nach der gebotenen weiten Auslegung auch die Gebühren für eine vorgerichtliche Beratung im Zusammenhang mit dem Schuldenbereinigungsplan (Gebührenvereinbarung bzw. Nr. 2300 RVG-VV) sowie für die Vertretung im Eröffnungsverfahren (Nr. 3314 RVG-VV). Der Gläubiger kann diese Kosten, auch soweit es sich bei der Gebühr für die vorgerichtliche Beratung und Vertretung nicht ohnehin um nachrangige Insolvenzforderungen handelt, nicht zur Insolvenztabelle anmelden; er kann sie auch nicht – etwa weil die Hauptforderung nach § 302 Nr. 1 als Deliktsforderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, oder weil dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird – nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner geltend machen.
5
Der Ausschluss des Erstattungsanspruchs gegen den Schuldner schließt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die vor allem für die Vertretung des Gläubigers im kontradiktorischen Zustimmungsersetzungsverfahren in Betracht kommen kann,7) nicht aus.
6
_____________ 7)
Vgl. Zöller-Philippi, ZPO, § 114 Rz. 57.
§ 311 Aufnahme des Verfahrens über den Eröffnungsantrag Kexel
Werden Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan erhoben, die nicht gemäß § 309 durch gerichtliche Zustimmung ersetzt werden, so wird das Verfahren über den Eröffnungsantrag von Amts wegen wieder aufgenommen. Literatur: Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679. Übersicht I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck Kexel
II. Einzelheiten .......................................... 3
Die Vorschrift regelt, entgegen des insbesondere durch die Überschrift erweckten Eindrucks, nur einen Fall der „Aufnahme des Verfahrens“ über einen Eröffnungsantrag in einem Verbraucherinsolvenz- bzw. sonstigem Kleinverfahren. Sie findet nur Anwendung, wenn tatsächlich nach dem Eröffnungsantrag einer natürlichen Person i. S. des § 304 zunächst ein Schuldenbereinigungsplanverfahren durchgeführt wird, und dieses schließlich an den Einwendungen der beteiligten Gläubiger scheitert; das von § 306 Abs. 1 Satz 1 angeordnete Ruhen des Verfahrens soll dann von Amts wegen enden. So bedarf es nicht eines ansonsten nach allgemeinen Vorschriften (§ 4 InsO i. V. m. §§ 250, 251 ZPO) erforderlichen Antrags des
Kexel
1517
1
Aufnahme des Verfahrens über den Eröffnungsantrag
§ 311
3513 RVG-VV) selbst zu tragen. Nicht erstattungsfähig sind darüber hinaus nach der gebotenen weiten Auslegung auch die Gebühren für eine vorgerichtliche Beratung im Zusammenhang mit dem Schuldenbereinigungsplan (Gebührenvereinbarung bzw. Nr. 2300 RVG-VV) sowie für die Vertretung im Eröffnungsverfahren (Nr. 3314 RVG-VV). Der Gläubiger kann diese Kosten, auch soweit es sich bei der Gebühr für die vorgerichtliche Beratung und Vertretung nicht ohnehin um nachrangige Insolvenzforderungen handelt, nicht zur Insolvenztabelle anmelden; er kann sie auch nicht – etwa weil die Hauptforderung nach § 302 Nr. 1 als Deliktsforderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, oder weil dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird – nach Abschluss des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner geltend machen.
5
Der Ausschluss des Erstattungsanspruchs gegen den Schuldner schließt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die vor allem für die Vertretung des Gläubigers im kontradiktorischen Zustimmungsersetzungsverfahren in Betracht kommen kann,7) nicht aus.
6
_____________ 7)
Vgl. Zöller-Philippi, ZPO, § 114 Rz. 57.
§ 311 Aufnahme des Verfahrens über den Eröffnungsantrag Kexel
Werden Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan erhoben, die nicht gemäß § 309 durch gerichtliche Zustimmung ersetzt werden, so wird das Verfahren über den Eröffnungsantrag von Amts wegen wieder aufgenommen. Literatur: Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679. Übersicht I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck Kexel
II. Einzelheiten .......................................... 3
Die Vorschrift regelt, entgegen des insbesondere durch die Überschrift erweckten Eindrucks, nur einen Fall der „Aufnahme des Verfahrens“ über einen Eröffnungsantrag in einem Verbraucherinsolvenz- bzw. sonstigem Kleinverfahren. Sie findet nur Anwendung, wenn tatsächlich nach dem Eröffnungsantrag einer natürlichen Person i. S. des § 304 zunächst ein Schuldenbereinigungsplanverfahren durchgeführt wird, und dieses schließlich an den Einwendungen der beteiligten Gläubiger scheitert; das von § 306 Abs. 1 Satz 1 angeordnete Ruhen des Verfahrens soll dann von Amts wegen enden. So bedarf es nicht eines ansonsten nach allgemeinen Vorschriften (§ 4 InsO i. V. m. §§ 250, 251 ZPO) erforderlichen Antrags des
Kexel
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1
§ 311
Aufnahme des Verfahrens über den Eröffnungsantrag
Antragstellers auf Fortsetzung des Verfahrens; die Norm dient hier also der Verfahrensbeschleunigung.1) 2
Andere Fälle der Verfahrensfortsetzung sind in der Praxis weitaus häufiger: Nach § 306 Abs. 1 Satz 1 soll das Verfahren über den Eröffnungsantrag zwar im gedachten Regelfall bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan ruhen, bereits § 306 Abs. 1 Satz 3 räumt indes dem Gericht die Möglichkeit ein, schon nach der Anhörung des Schuldners die Fortsetzung des Verfahrens anzuordnen, wenn seiner freien Überzeugung nach der Schuldenbereinigungsplan keine Aussicht auf Erfolg hat – diese Überzeugung kann das Gericht insbesondere bei den weithin verbreiteten Nullplänen sehr oft gewinnen.2) Das Gleiche gilt entsprechend auch bei einem Gläubigerantrag, wenn der Schuldner nach dem entsprechenden Hinweis des Gerichts einen eigenen Antrag stellt und den vorgerichtlichen Einigungsversuch durchlaufen hat (§ 306 Abs. 3). Stellt der Schuldner hingegen keinen eigenen Antrag, so wird über den Gläubigerantrag ohnehin sofort entschieden. II. Einzelheiten
3
Im Falle des § 311 hat das Gericht kein Ermessen, es steigt mit der Anordnung des Fortgangs bzw. der Aufnahme, die im Regelfall mit Beschluss erfolgen sollte,3) unverzüglich in das Eröffnungsverfahren und die Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen ein. Diese sind grundsätzlich die gleichen wie für ein Regelinsolvenzverfahren. Insbesondere muss ein Eröffnungsgrund gegeben sein, wofür indes nur die Zahlungsunfähigkeit oder die drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß §§ 17, 18 in Betracht kommen; den Eröffnungsgrund einer Überschuldung gemäß § 19 gibt es in den Verfahren nach den §§ 304 ff nicht.
4
Diese Begründetheitsprüfung, die bisher – im Schuldenbereinigungsplanverfahren – noch nicht stattgefunden hat,4) wird das Gericht bei einem Eigenantrag des Schuldners regelmäßig anhand der gemäß § 305 einzureichenden Unterlagen feststellen können. Im Übrigen trifft den Schuldner hier eine umfassende Auskunftspflicht gemäß § 20 Abs. 1, § 97 Abs. 1.5)
5
So dürfte regelmäßig nur bei einem Gläubigerantrag überhaupt in Betracht kommen, i. R. der nach § 5 vorzunehmenden Ermittlungen ein Sachverständigengutachten zum Vorliegen eines Insolvenzgrundes und zur Frage der Kostendeckung einzuholen. Wegen der dadurch häufig in Kleinverfahren verursachten überproportionalen Kostensteigerung sollte das Gericht dies aber nur nach bedachter Prüfung in Erwägung ziehen.6)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6)
Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 311 Rz. 1; A. Schmidt-Nies, InsO, § 311 Rz. 1. A. Schmidt-Nies, InsO, § 311 Rz. 1. Vgl. dazu näher Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 311 Rz. 1. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1703, Rz. 72 und S. 1716, Rz. 115. BGH, Beschl. v. 3.2.2005 – IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 f = ZInsO 2005, 264; OLG Celle, Beschl. v. 23.1.2002 – 2 W 135/01, ZVI 2002, 21, 22 = ZInsO 2002, 232, 233, dazu EWiR 2002, 581 (Schmidt). Zutreffend Wimmer-Kohte, FK-InsO, § 311 Rz. 7.
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Kexel
Vor §§ 312–314
Vorbemerkung
Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ist in den Schranken des § 13 Abs. 2 eine Antragsrücknahme (vgl. § 13 Rz. 41 ff), bei einem Gläubigerantrag zudem eine Erledigung der Hauptsache (vgl. § 14 Rz. 44 ff) möglich.
6
Liegt ein Insolvenzgrund vor und ist eine die Kosten des Verfahrens voraussichtlich deckende Masse vorhanden, so wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Insoweit
7
finden die Kosten des auf das eröffnete Verfahren folgenden Restschuldbefreiungsverfahrens keine Berücksichtigung.7) Kann ein Insolvenzgrund nicht festgestellt werden, so unterliegt der Antrag der Abweisung als unbegründet. Wird zwar ein Insolvenzgrund, nicht aber eine ausreichende Masse festgestellt und auch kein ausreichender Vorschuss gezahlt, so ist der Antrag gemäß § 26 Abs. 1 abzuweisen, wenn nicht dem Schuldner gemäß § 4a die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens bewilligt wird. Dies ist jedoch nur möglich, wenn – auch – der Schuldner selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat, denn § 4a lässt eine Stundung nur zu, wenn der Schuldner die Restschuldbefreiung beantragt hat. Dieser Antrag kann wiederum nur i. V. m. einem Eigenantrag des Schuldners gestellt werden.8)
8
_____________ 7) 8)
Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 311 Rz. 24. BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220 = ZInsO 2005, 310, dazu EWiR 2005, 311 (Smode).
Vor §§ 312 – 314 Vorbemerkung (§§ 312 – 314 aufgehoben) Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte sind die ursprünglich zur Durchführung eines „vereinfachten Insolvenzverfahrens“ getroffenen Regelungen der §§ 312 – 314 aufgehoben worden. Sie finden noch weiterhin Anwendung in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren, insoweit sind auch die nachstehenden Kommentierungen noch gültig. In nach dem 30.6.2014 beantragten Verfahren bestehen gleichwohl zahlreiche der bis dahin an dieser Stelle geregelten Vereinfachungsmöglichkeiten fort; sie sind durch dasselbe Gesetz verallgemeinert und teilweise durch die Änderung bzw. Ergänzung anderer Normen anderweitig festgeschrieben worden.
1
So ist die Möglichkeit, das Verfahren oder einzelne seiner Teile schriftlich durchzuführen, nunmehr allgemein in § 5 Abs. 2 geregelt. Die Regelung, wonach in einfachen Verfahren der Berichtstermin entfällt, ist in § 29 Abs. 2 eingefügt worden. Anders als in § 312 a. F., in dem diese Verfahrensvereinfachungen für die in den Anwendungsbereich des § 304 fallenden Verfahren zwingend vorgeschrieben waren, kann nunmehr das Gericht entscheiden, ob es im konkreten Fall von den Verfahrensvereinfachungen Gebrauch machen will, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 vorliegen. Damit wird der Forderung der Justiz nach flexibleren Handlungsmög-
2
Kexel
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Vor §§ 312–314
Vorbemerkung
Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ist in den Schranken des § 13 Abs. 2 eine Antragsrücknahme (vgl. § 13 Rz. 41 ff), bei einem Gläubigerantrag zudem eine Erledigung der Hauptsache (vgl. § 14 Rz. 44 ff) möglich.
6
Liegt ein Insolvenzgrund vor und ist eine die Kosten des Verfahrens voraussichtlich deckende Masse vorhanden, so wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Insoweit
7
finden die Kosten des auf das eröffnete Verfahren folgenden Restschuldbefreiungsverfahrens keine Berücksichtigung.7) Kann ein Insolvenzgrund nicht festgestellt werden, so unterliegt der Antrag der Abweisung als unbegründet. Wird zwar ein Insolvenzgrund, nicht aber eine ausreichende Masse festgestellt und auch kein ausreichender Vorschuss gezahlt, so ist der Antrag gemäß § 26 Abs. 1 abzuweisen, wenn nicht dem Schuldner gemäß § 4a die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens bewilligt wird. Dies ist jedoch nur möglich, wenn – auch – der Schuldner selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat, denn § 4a lässt eine Stundung nur zu, wenn der Schuldner die Restschuldbefreiung beantragt hat. Dieser Antrag kann wiederum nur i. V. m. einem Eigenantrag des Schuldners gestellt werden.8)
8
_____________ 7) 8)
Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 311 Rz. 24. BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220 = ZInsO 2005, 310, dazu EWiR 2005, 311 (Smode).
Vor §§ 312 – 314 Vorbemerkung (§§ 312 – 314 aufgehoben) Durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte sind die ursprünglich zur Durchführung eines „vereinfachten Insolvenzverfahrens“ getroffenen Regelungen der §§ 312 – 314 aufgehoben worden. Sie finden noch weiterhin Anwendung in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren, insoweit sind auch die nachstehenden Kommentierungen noch gültig. In nach dem 30.6.2014 beantragten Verfahren bestehen gleichwohl zahlreiche der bis dahin an dieser Stelle geregelten Vereinfachungsmöglichkeiten fort; sie sind durch dasselbe Gesetz verallgemeinert und teilweise durch die Änderung bzw. Ergänzung anderer Normen anderweitig festgeschrieben worden.
1
So ist die Möglichkeit, das Verfahren oder einzelne seiner Teile schriftlich durchzuführen, nunmehr allgemein in § 5 Abs. 2 geregelt. Die Regelung, wonach in einfachen Verfahren der Berichtstermin entfällt, ist in § 29 Abs. 2 eingefügt worden. Anders als in § 312 a. F., in dem diese Verfahrensvereinfachungen für die in den Anwendungsbereich des § 304 fallenden Verfahren zwingend vorgeschrieben waren, kann nunmehr das Gericht entscheiden, ob es im konkreten Fall von den Verfahrensvereinfachungen Gebrauch machen will, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 vorliegen. Damit wird der Forderung der Justiz nach flexibleren Handlungsmög-
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Kexel
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§ 312 a. F.
Allgemeine Verfahrensvereinfachungen
lichkeiten Rechnung getragen.1) Die Erweiterung der Rückschlagsperre nach einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung (§ 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) ist nunmehr in § 88, die Nichtanwendbarkeit der Vorschriften über die Eigenverwaltung im Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 312 Abs. 2 a. F.) in § 270 Abs. 1 Satz 3 geregelt. Das Insolvenzplanverfahren kann nunmehr aber auch in der Verbraucherinsolvenz durchgeführt werden; in einer Ausnahme zur allgemeinen Überleitungsvorschrift gilt dies auch für bereits vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren, Art. 103h Satz 2 EGInsO. 3
Andere Regelungen der §§ 312 – 314 hingegen haben nach Ansicht des Gesetzgebers nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt.2) Die in § 313 a. F. geregelte Verlagerung sowohl des Anfechtungsrechts auf die Insolvenzgläubiger als auch die Übertragung der Verwertung von Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, auf die absonderungsberechtigten Gläubiger hat sich danach nicht bewährt. Ebenso haben die praktischen Erfahrungen mit der in § 314 a. F. ermöglichten „vereinfachten Verteilung“ gezeigt, dass bisweilen ein erheblicher Aufwand entsteht und zudem der Schuldner durch die Möglichkeit der Zahlungsanordnung einem erheblichen Risiko ausgesetzt wird, dass ohne eigenes Verschulden die Versagung der Restschuldbefreiung auszusprechen wäre.3) Entfällt mit diesen Aufgabenbeschränkungen des §§ 313 Abs. 2 und Abs. 3 a. F. bzw. der Sonderregelung in § 314 a. F. aber jeglicher Unterschied des Aufgabenkreises zu dem des „normalen“ Insolvenzverwalters, besteht auch keine Veranlassung mehr, die Funktion eines Treuhänders statt eines Insolvenzverwalters beizubehalten.4) In nach dem 30.6.2014 beantragten Verfahren gibt es demnach auch diese in § 313 Abs. 1 a. F. angeordnete Möglichkeit nicht mehr. _____________ 1) 2) 3) 4)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 53. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 53. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 54. So auch Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 54.
§ 312 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 312 ) Allgemeine Verfahrensvereinfachungen (1) 1Öffentliche Bekanntmachungen erfolgen auszugsweise; § 9 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. 2Bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird abweichend von § 29 nur der Prüfungstermin bestimmt. 3Wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, so beträgt die in § 88 genannte Frist drei Monate. (2) Die Vorschriften über den Insolvenzplan (§§ 217 bis 269) und über die Eigenverwaltung (§§ 270 bis 285) sind nicht anzuwenden.
)
Aufgehoben m. W. v. 1.7.2014 durch Art. 1 Nr. 38 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013, BGBl. I, 2379. Als Überleitung bestimmt Art. 103 h EGInsO:
1520
Kexel
§ 312 a. F.
Allgemeine Verfahrensvereinfachungen
lichkeiten Rechnung getragen.1) Die Erweiterung der Rückschlagsperre nach einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung (§ 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) ist nunmehr in § 88, die Nichtanwendbarkeit der Vorschriften über die Eigenverwaltung im Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 312 Abs. 2 a. F.) in § 270 Abs. 1 Satz 3 geregelt. Das Insolvenzplanverfahren kann nunmehr aber auch in der Verbraucherinsolvenz durchgeführt werden; in einer Ausnahme zur allgemeinen Überleitungsvorschrift gilt dies auch für bereits vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren, Art. 103h Satz 2 EGInsO. 3
Andere Regelungen der §§ 312 – 314 hingegen haben nach Ansicht des Gesetzgebers nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt.2) Die in § 313 a. F. geregelte Verlagerung sowohl des Anfechtungsrechts auf die Insolvenzgläubiger als auch die Übertragung der Verwertung von Gegenständen, an denen Absonderungsrechte bestehen, auf die absonderungsberechtigten Gläubiger hat sich danach nicht bewährt. Ebenso haben die praktischen Erfahrungen mit der in § 314 a. F. ermöglichten „vereinfachten Verteilung“ gezeigt, dass bisweilen ein erheblicher Aufwand entsteht und zudem der Schuldner durch die Möglichkeit der Zahlungsanordnung einem erheblichen Risiko ausgesetzt wird, dass ohne eigenes Verschulden die Versagung der Restschuldbefreiung auszusprechen wäre.3) Entfällt mit diesen Aufgabenbeschränkungen des §§ 313 Abs. 2 und Abs. 3 a. F. bzw. der Sonderregelung in § 314 a. F. aber jeglicher Unterschied des Aufgabenkreises zu dem des „normalen“ Insolvenzverwalters, besteht auch keine Veranlassung mehr, die Funktion eines Treuhänders statt eines Insolvenzverwalters beizubehalten.4) In nach dem 30.6.2014 beantragten Verfahren gibt es demnach auch diese in § 313 Abs. 1 a. F. angeordnete Möglichkeit nicht mehr. _____________ 1) 2) 3) 4)
Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 53. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 53. Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 54. So auch Begr. RegE v. 10.8.2012, BR-Drucks. 467/12, S. 54.
§ 312 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 312 ) Allgemeine Verfahrensvereinfachungen (1) 1Öffentliche Bekanntmachungen erfolgen auszugsweise; § 9 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. 2Bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird abweichend von § 29 nur der Prüfungstermin bestimmt. 3Wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, so beträgt die in § 88 genannte Frist drei Monate. (2) Die Vorschriften über den Insolvenzplan (§§ 217 bis 269) und über die Eigenverwaltung (§§ 270 bis 285) sind nicht anzuwenden.
)
Aufgehoben m. W. v. 1.7.2014 durch Art. 1 Nr. 38 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013, BGBl. I, 2379. Als Überleitung bestimmt Art. 103 h EGInsO:
1520
Kexel
§ 312 a. F.
Allgemeine Verfahrensvereinfachungen
„1Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Juli 2014 beantragt worden sind, sind vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden. 2Auf Insolvenzverfahren nach den §§ 304 bis 314 der Insolvenzordnung in der vor dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung, die vor diesem Datum beantragt worden sind, sind auch die §§ 217 bis 269 der Insolvenzordnung anzuwenden. 3§ 63 Absatz 3 und § 65 der Insolvenzordnung in der ab dem 19. Juli 2013 geltenden Fassung sind auf Insolvenzverfahren, die ab dem 19. Juli 2013 beantragt worden sind, anzuwenden.“ Zur dennoch weitgehenden Fortgeltung der in § 312 geregelten Vereinfachungsmöglichkeiten auch über den 30.6.2014 hinaus vgl. oben Vor §§ 312 – 314.
Literatur: Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679. Übersicht I. Normzweck ............................................ II. Verfahrensvereinfachungen/ Abweichungen vom Regelinsolvenzverfahren ........................................ 1. Öffentliche Bekanntmachung (Abs. 1 Satz 1) ........................................ 2. Bestimmung nur eines Prüfungstermins (Abs. 1 Satz 2) ...............................
I.
1
3. 4.
2
5. 6.
2
Schlusstermin .......................................... 5 Erweiterte Rückschlagsperre (Abs. 1 Satz 3) ........................................ 6 Schriftliches Verfahren ........................... 7 Kein Insolvenzplan und keine Eigenverwaltung (Abs. 2) ...................... 8
4
Normzweck
Die Regelungen der §§ 312 – 314 dienen einer Vereinfachung der in den Regelungsbereich des § 304 fallenden Kleinverfahren und sollen die Insolvenzgerichte entlasten.1)
1
II. Verfahrensvereinfachungen/Abweichungen vom Regelinsolvenzverfahren 1.
Öffentliche Bekanntmachung (Abs. 1 Satz 1)
Der Eröffnungsbeschluss ist nicht nur gemäß § 30 Abs. 2 den Gläubigern und Schuldnern des Schuldners sowie dem Schuldner selbst zuzustellen, sondern nach § 30 Abs. 1 auch öffentlich bekannt zu machen. Insoweit gilt im vereinfachten Verfahren jedoch die Besonderheit, dass öffentliche Bekanntmachungen nur auszugsweise erfolgen und weitere Veröffentlichungen (§ 9 Abs. 2) nicht in Betracht kommen (Abs. 1 Satz 1 a. E.). Der Grund hierfür besteht darin, dass – nach Meinung des Gesetzgebers – die Publizität in diesen Verfahren nicht die gleiche Bedeutung hat wie in einem Regelinsolvenzverfahren, zumal die Gläubiger im außergerichtlichen und gerichtlichen Planverfahren angeschrieben wurden.2) Nachdem in § 9 nun aber für alle Verfahren die Internetveröffentlichung vorgeschrieben ist und „weitere“ Veröffentlichungen nach dessen Absatz 2 ohnehin nur noch bei entsprechender landesrechtlicher Bestimmung in Betracht kommen, gibt es faktisch kaum noch Unterschiede bei der Bekanntmachung. Der im Regelinsolvenzverfahren ebenfalls bereits fakultativ mögliche, im vereinfachten Verfahren zwingend angeordnete, „Auszug“ enthält auch insbesondere die für Gläubiger wesentlichen Informationen.
2
Ist der Schuldner Eigentümer eines Grundstücks, so ist auch im vereinfachten Verfahren § 32 zu beachten. Gleiches gilt für § 33. _____________
3
1) 2)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 193, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 582. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 32 – zu Nr. 28.
Kexel
1521
§ 312 a. F. 2. 4
Erweiterte Rückschlagsperre (Abs. 1 Satz 3)
§ 88 bestimmt, dass Pfändungspfandrechte, die im letzten Monat vor dem Insolvenzeröffnungsantrag erlangt wurden, mit Verfahrenseröffnung unwirksam werden. Absatz 1 Satz 3 erweitert – für den Fall, dass die Verfahrenseröffnung auf Antrag des Schuldners erfolgt – diesen Zeitraum auf drei Monate. Dies soll dazu dienen, Störungen des außergerichtlichen Einigungsversuchs zu vermeiden.5) Die erweiterte Rückschlagsperre wird selbst durch einen zunächst aus verfahrensrechtlichen Gründen unzulässigen – etwa weil der Schuldner gerade das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren noch nicht durchgeführt hat – Eröffnungsantrag ausgelöst, sofern dieser letztlich zur Verfahrenseröffnung führt.6) Die Drei-Monats-Frist orientiert sich an § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3.7) 5.
7
Schlusstermin
Die Bestimmung eines Schlusstermins ist hingegen nicht entbehrlich. In einem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person ist dieser sogar von besonderer Bedeutung, da in diesem Termin die Insolvenzgläubiger und der Insolvenzverwalter – bzw. im vereinfachen Verfahren der Treuhänder (§ 313 Abs. 1) – zu einem Antrag des Schuldners auf Erteilung von Restschuldbefreiung zu hören sind (§ 289 Abs. 1 Satz 1). 4.
6
Bestimmung nur eines Prüfungstermins (Abs. 1 Satz 2)
Da das Verfahren einfach gestaltet werden soll und die Gerichte möglichst wenig belastet werden sollen, werden die Termine auf das nötige Maß beschränkt.3) Im vereinfachten Verfahren erscheint die Durchführung eines Berichtstermins, der der Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens dient (§ 29 Abs. 1 Nr. 1), entbehrlich. Dieser dient im Regelinsolvenzverfahren der Entscheidung der Gläubiger, ob das schuldnerische Unternehmen liquidiert oder reorganisiert werden soll (vgl. §§ 156, 157). Ein solches ist aber im vereinfachten Verfahren nicht vorhanden, da aktiv Selbstständige nicht in den Regelungsbereich des § 304 fallen. Die Fragen, ob einzelne Gläubiger oder der Treuhänder mit der Anfechtung beauftragt werden sollen (dazu § 313 Rz. 21 f) und ob eine vereinfachte Verteilung nach § 314 erfolgen soll (vgl. § 314 Rz. 5), können auch im Prüfungstermin erörtert werden.4) 3.
5
Allgemeine Verfahrensvereinfachungen
Schriftliches Verfahren
Der frühere Absatz 2 ermöglichte es dem Insolvenzgericht zu bestimmen, dass das vereinfachte Verfahren oder Teile desselben schriftlich durchgeführt werden. Die Regelung ist durch das InsVereinfG nunmehr in den für alle Verfahren geltenden § 5 Abs. 2 transferiert worden; das vereinfachte Verfahren dürfte aber nach wie vor ein Hauptanwendungsgebiet sein. _____________ 3) 4) 5) 6) 7)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 193, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 582. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1718, Rz. 119. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 = ZVI 2011, 457; allg. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 14, Nr. 4. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 = ZVI 2011, 457. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 33 – zu Nr. 28.
1522
Kexel
§ 313 a. F.
Treuhänder
6.
Kein Insolvenzplan und keine Eigenverwaltung (Abs. 2)
Absatz 2 bestimmt, dass im vereinfachten Verfahren die Vorschriften über den Insolvenzplan und die Eigenverwaltung keine Anwendung finden.
8
Im Verbraucherinsolvenzverfahren besteht für den Schuldner die Möglichkeit, sich vor der Verfahrenseröffnung mit Hilfe eines Schuldenbereinigungsplans mit seinen Gläubigern zu einigen. Dieser Verfahrensabschnitt übernimmt damit die Funktion, die dem Insolvenzplan im Regelinsolvenzplan zukommt. Die Möglichkeit der Eigenverwaltung ist durch den Rechtsausschuss8) – in Abänderung der Konzeption des Regierungsentwurfs, der für Kleininsolvenzen sogar eine Eigenverwaltung ohne Sachwalter vorsah9) – auf das Regelinsolvenzverfahren beschränkt worden. _____________
9
8) 9)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 193, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 582. Allg. Begr. z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 100 (4. h) bb)), abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 123.
§ 313 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 313 ) Treuhänder 1
(1) Die Aufgaben des Insolvenzverwalters werden von dem Treuhänder (§ 292) wahrgenommen. 2Dieser wird abweichend von § 291 Abs. 2 bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt. 3Die §§ 56 bis 66 gelten entsprechend. (2) 1Zur Anfechtung von Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 ist nicht der Treuhänder, sondern jeder Insolvenzgläubiger berechtigt. 2Aus dem Erlangten sind dem Gläubiger die ihm entstandenen Kosten vorweg zu erstatten. 3Die Gläubigerversammlung kann den Treuhänder oder einen Gläubiger mit der Anfechtung beauftragen. 4Hat die Gläubigerversammlung einen Gläubiger mit der Anfechtung beauftragt, so sind diesem die entstandenen Kosten, soweit sie nicht aus dem Erlangten gedeckt werden können, aus der Insolvenzmasse zu erstatten. (3) 1Der Treuhänder ist nicht zur Verwertung von Gegenständen berechtigt, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestehen. 2Das Verwertungsrecht steht dem Gläubiger zu. 3§ 173 Abs. 2 gilt entsprechend.
)
Aufgehoben m. W. v. 1.7.2014 durch Art. 1 Nr. 38 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013, BGBl. I, 2379; in alter Fassung weiter anzuwenden auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.7.2014 beantragt worden sind, Art. 103 h EGInsO. Vgl. hierzu auch oben Vor §§ 312 – 314.
Literatur: Fuchs, Die Anfechtungsbefugnis des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren nach der Änderung des § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO durch das InsO-Änderungsgesetz 2001, ZInsO 2002, 358; Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679; Gundlach/Frenzel/Schmidt, Die Anfechtungsbefugnis des Treuhänders, ZVI 2002, 5; Maus, Die steuerrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters und des Treuhänders, ZInsO 1999, 683; Onusseit, Die steuerrechtlichen Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters in den verschiedenen Verfahrensarten nach der InsO, ZInsO 2000, 363.
Kexel
1523
§ 313 a. F.
Treuhänder
6.
Kein Insolvenzplan und keine Eigenverwaltung (Abs. 2)
Absatz 2 bestimmt, dass im vereinfachten Verfahren die Vorschriften über den Insolvenzplan und die Eigenverwaltung keine Anwendung finden.
8
Im Verbraucherinsolvenzverfahren besteht für den Schuldner die Möglichkeit, sich vor der Verfahrenseröffnung mit Hilfe eines Schuldenbereinigungsplans mit seinen Gläubigern zu einigen. Dieser Verfahrensabschnitt übernimmt damit die Funktion, die dem Insolvenzplan im Regelinsolvenzplan zukommt. Die Möglichkeit der Eigenverwaltung ist durch den Rechtsausschuss8) – in Abänderung der Konzeption des Regierungsentwurfs, der für Kleininsolvenzen sogar eine Eigenverwaltung ohne Sachwalter vorsah9) – auf das Regelinsolvenzverfahren beschränkt worden. _____________
9
8) 9)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 193, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 582. Allg. Begr. z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 100 (4. h) bb)), abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 123.
§ 313 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 313 ) Treuhänder 1
(1) Die Aufgaben des Insolvenzverwalters werden von dem Treuhänder (§ 292) wahrgenommen. 2Dieser wird abweichend von § 291 Abs. 2 bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt. 3Die §§ 56 bis 66 gelten entsprechend. (2) 1Zur Anfechtung von Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 ist nicht der Treuhänder, sondern jeder Insolvenzgläubiger berechtigt. 2Aus dem Erlangten sind dem Gläubiger die ihm entstandenen Kosten vorweg zu erstatten. 3Die Gläubigerversammlung kann den Treuhänder oder einen Gläubiger mit der Anfechtung beauftragen. 4Hat die Gläubigerversammlung einen Gläubiger mit der Anfechtung beauftragt, so sind diesem die entstandenen Kosten, soweit sie nicht aus dem Erlangten gedeckt werden können, aus der Insolvenzmasse zu erstatten. (3) 1Der Treuhänder ist nicht zur Verwertung von Gegenständen berechtigt, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestehen. 2Das Verwertungsrecht steht dem Gläubiger zu. 3§ 173 Abs. 2 gilt entsprechend.
)
Aufgehoben m. W. v. 1.7.2014 durch Art. 1 Nr. 38 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013, BGBl. I, 2379; in alter Fassung weiter anzuwenden auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.7.2014 beantragt worden sind, Art. 103 h EGInsO. Vgl. hierzu auch oben Vor §§ 312 – 314.
Literatur: Fuchs, Die Anfechtungsbefugnis des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren nach der Änderung des § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO durch das InsO-Änderungsgesetz 2001, ZInsO 2002, 358; Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679; Gundlach/Frenzel/Schmidt, Die Anfechtungsbefugnis des Treuhänders, ZVI 2002, 5; Maus, Die steuerrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters und des Treuhänders, ZInsO 1999, 683; Onusseit, Die steuerrechtlichen Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters in den verschiedenen Verfahrensarten nach der InsO, ZInsO 2000, 363.
Kexel
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§ 313 a. F.
Treuhänder Übersicht
1
I. II. 1. 2.
Normzweck ............................................ 1 Die Stellung des Treuhänders ............... 2 Bestellung ............................................... 2 Aufgaben ................................................. 8 a) Inbesitznahme der Insolvenzmasse ........................................ 9 b) Laufendes Einkommen ................. 13
I.
Normzweck
c) Wohnraummietverhältnis des Schuldners ..................................... 16 d) Weitere Aufgaben .......................... 17 3. Haftung und Vergütung ....................... 20 III. Anfechtung (Abs. 2) ............................ 21 IV. Verwertung von Sicherheiten (Abs. 3) ................................................ 23
Im Verbraucherinsolvenzverfahren werden die Aufgaben des Insolvenzverwalters durch den Treuhänder wahrgenommen, der jedoch nur einen eingeschränkten Aufgabenbereich hat. Dies soll zu einer Verfahrensvereinfachung und Kostenreduzierung führen.1) II. Die Stellung des Treuhänders 1.
Bestellung
2
Nach Absatz 1 Satz 1 werden im Verbraucherinsolvenzverfahren die Aufgaben des Insolvenzverwalters von dem Treuhänder (§ 292) wahrgenommen; dieser soll nach Satz 2 abweichend von § 291 Abs. 2 bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt werden. Dies legt nahe, dass sowohl die Verwalteraufgaben als auch die des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren grundsätzlich von der gleichen Person wahrgenommen werden sollen. Enthält der Eröffnungsbeschluss insoweit keine Einschränkung, umfasst die darin vorgenommene Bestellung folglich auch das Restschuldbefreiungsverfahren.2) Will der Treuhänder sein Amt im Restschuldbefreiungsverfahren nicht fortsetzen, so muss er einen Antrag auf Entlassung stellen, die jedoch einen wichtigen Grund erfordert, wie sich aus Absatz 1 Satz 3, §§ 292 Abs. 3 Satz 2, 59 Abs. 1 Satz 1 ergibt.3)
3
Eine ausnahmslose Pflicht zur Personenidentität des Treuhänders in Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren dürfte indes nicht bestehen.4) Für das Restschuldbefreiungsverfahren sieht § 288 – zur Ermöglichung insbesondere auch der Findung einer zur kostenlosen Übernahme des Amtes bereiten Person5) – ausdrücklich ein Vorschlagsrecht von Gläubigern und Schuldner zu der Person des Treuhänders vor; diese Regelung liefe in Verbraucherinsolvenzverfahren – und damit dem Hauptanwendungsfall auch des Restschuldbefreiungsverfahrens – ansonsten praktisch leer. Keinesfalls _____________ 1) 2)
3)
4)
5)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 193, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 583. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZVI 2004, 129 = NJOZ 2004, 1363 f; BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 237/06, ZVI 2008, 35 = ZInsO 2007, 1348; BGH, Beschl. v. 17.6.2004 – IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZVI 2004, 129 = NJOZ 2004, 1363 f; BGH, Beschl. v. 17.6.2004 – IX ZB 92/03, ZVI 2004, 544; BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – IX ZB 44/09, ZInsO 2010, 2147 = NZI 2010, 998 f. Vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 458/02, ZVI 2004, 129 = NJOZ 2004, 1363 f, der die Personenidentität auch nur als „Regelfall“ ansieht; vgl. auch BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 237/06, ZVI 2008, 35 = ZInsO 2007, 1348, der eine abweichende Bestellung grds. als rechtswirksam anerkennt. Begr. RA z. § 346c RegE/§ 288 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 187, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 542.
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Kexel
§ 313 a. F.
Treuhänder
nämlich kann dieses Vorschlagsrecht in sinnvoller Weise bereits der Bestellung nach § 313 Abs. 1 vorangehen; zum einen fehlt bereits ein entsprechender Verweis auch auf diese Norm, zum anderen dürfte mit der hier verlangten Unabhängigkeit von Gläubigern und Schuldnern ein Vorschlagsrecht durch diesen Personenkreis nicht zu vereinbaren sein.6) Um dem Ziel des § 288 entsprechen zu können, Kosten zu sparen, mag es also ausnahmsweise gerechtfertigt sein, (auch) in Verbraucherinsolvenzverfahren für das Restschuldbefreiungsverfahren – ggf. auf Vorschlag der Gläubiger oder des Schuldners – eine andere Person zum Treuhänder zu bestellen, wenn diese zur kostenlosen oder zumindest kostengünstigeren Amtsführung bereit ist und dennoch über eine für diese Aufgabe ausreichende Qualifikation verfügt. Um dies zu ermöglichen, sollte die vorangegangene Bestellung nach § 313 Abs. 1 aber ausdrücklich auf das Insolvenzverfahren beschränkt sein, weil ansonsten mit der Bestellung eines neuen Treuhänders für das Restschuldbefreiungsverfahren zugleich eine Entlassung verbunden wäre, die mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden könnte.7)
4
Zuständig für die Bestellung nach Satz 2 ist der Richter,8) dem das Verfahren bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag unter Einschluss dieser Entscheidung und der Ernennung des Insolvenzverwalters gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG vorbehalten ist.
5
Durch die Verweisung des Absatzes 1 Satz 3 auf die §§ 56–66 wird klargestellt, dass der Treuhänder – im Verbraucherinsolvenzverfahren – grundsätzlich die gleichen Qualifikationen wie ein Insolvenzverwalter aufweisen muss. Im Übrigen hat der Treuhänder mit den Einschränkungen der Absätze 2 und 3 die gleiche Stellung wie ein Insolvenzverwalter. Er unterliegt der Aufsicht des Insolvenzgerichts gemäß § 58,9) er kann auch in der ersten Gläubigerversammlung, die auf seine Bestellung folgt, abgewählt werden (§ 57 Satz 1).
6
Die Einsetzung eines vorläufigen Treuhänders im Eröffnungsverfahren ist gemäß § 306 Abs. 2 Satz 1, § 21 Abs. 2 Nr. 1 möglich.10) Sie wird aber kaum noch in Betracht kommen,11) da über das Vermögen aktuell Selbstständiger das Regelinsolvenzverfahren durchzuführen ist und daher die Verfahren relativ schnell eröffnet werden können. In Betracht kommt jedoch im Einzelfall eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3, wenn Gläubiger während der Durchführung des Schuldenbereinigungsplanverfahrens versuchen, sich Vorteile zu verschaffen.
7
2.
Aufgaben
Die Aufgaben des Treuhänders entsprechen – mit den Einschränkungen der Absätze 2 und 3 – denen des Insolvenzverwalters. Davon seien einige Schwerpunkte herausgegriffen: _____________ 6) Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1743, Rz. 185 f; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 313 Rz. 3. 7) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 237/06, ZVI 2008, 35 = ZInsO 2007, 1348. 8) Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1720, Rz. 126 m. w. N. auch zur Gegenmeinung; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 4. 9) Vgl. BGH, Beschl. v. 30.9.2010 – IX ZB 85/10, NZI 2010, 997 f = WM 2010, 2126. 10) AG Köln, Beschl. v. 21.1.2000 – 72 IK 69/99, ZIP 2000, 418 = NZI 2000, 143 f, dazu EWiR 2000, 403 (Grub). 11) Vgl. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1704, Rz. 75, Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 306 Rz. 47 ff.
Kexel
1525
8
§ 313 a. F.
Treuhänder
a) Inbesitznahme der Insolvenzmasse 9
Zu den vordringlichsten Aufgaben gehört es – ohne Unterschied zum Regelinsolvenzverfahren –, sofort nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners in Besitz und Verwaltung zu nehmen (§ 148 Abs. 1). Zu diesem Zweck hat er den Schuldner aufzusuchen, und die von diesem – bei einem Eigenantrag – in den Verzeichnissen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 gemachten Angaben zu überprüfen, wenn er nicht bereits vorher hiermit i. R. eines Sachverständigengutachtens vom Insolvenzgericht betraut worden war.12)
10
Findet der Treuhänder verwertbare Massegegenstände vor, so ist die Begründung unmittelbaren Besitzes (§ 854 Abs. 1 BGB) nicht unbedingt erforderlich, wenn die Befriedigung der Gläubiger nicht gefährdet erscheint.13) Ist nicht zu befürchten, dass der Schuldner die Gegenstände nicht ordnungsgemäß verwahrt, insbesondere nicht beiseite schafft, so kann der Treuhänder sie – ggf. unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 868 BGB) – im Besitz des Schuldners belassen.14)
11
Des Weiteren hat er ein Verzeichnis der Massegegenstände (§ 151) – soweit er von dieser Aufgabe nicht gemäß § 151 Abs. 3 entbunden ist –, ein Gläubigerverzeichnis (§ 152) und eine Vermögensübersicht (§ 153) anzufertigen. Bei der Anfertigung dieser Verzeichnisse wird er bei einem Eigenantrag auf die vom Schuldner gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 eingereichten Unterlagen zurückgreifen können.
12
Weigert sich der Schuldner, die dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Gegenstände herauszugeben, so kann der Treuhänder die Zwangsvollstreckung aus dem Eröffnungsbeschluss betreiben, der insoweit Vollstreckungstitel ist (§ 148 Abs. 2). Dieser taugt jedoch nicht als Grundlage für die Durchsuchung oder gar Räumung und Herausgabe von Räumen; insoweit ist in Ansehung des – den Vorgaben der Verfassung nachkommenden – § 758a Abs. 1 ZPO ein eigenständiger gerichtlicher Beschluss erforderlich.15) Befinden sich die Sachen bei einem Dritten, ist der Treuhänder ebenfalls auf eine gerichtliche Durchsetzung seines Anspruchs angewiesen. Der Ehegatte des Schuldners gilt jedoch insoweit nicht als Dritter (§ 1362 BGB, § 739 ZPO). b) Laufendes Einkommen
13
Steht der Schuldner in einem Arbeitsverhältnis, so fällt der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens in die Insolvenzmasse (§§ 35, 36). Der Treuhänder hat daher den Arbeitgeber unverzüglich über die Verfahrenseröffnung zu informieren und aufzufordern, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Schuldners an ihn zu zahlen. Selbst wenn der Treuhänder diese Mitteilung unterlässt, wird der an den Schuldner leistende Arbeitgeber nach der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung nur frei, wenn er beweist, dass er die Eröffnung nicht kannte (§ 82 Satz 2). Vereinbarungen zwischen dem Treuhänder und dem Schuldner, dass Letzterer weiterhin das volle Arbeitseinkommen erhält und den pfändbaren Teil an den Treuhänder abführt und im Gegenzug _____________ 12) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 25. 13) BGH, Beschl. v. 19.6.2008 – IX ZR 84/07, ZIP 2008, 1736 = ZVI 2008, 437 f, dazu EWiR 2009, 313 (Dörrscheidt). 14) BGH, Beschl. v. 19.6.2008 – IX ZR 84/07, ZIP 2008, 1736 = ZVI 2008, 437 f; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 21. 15) Zutr. Wimmer-Busch, FK-InsO, § 313 Rz. 14.
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§ 313 a. F.
Treuhänder
der Arbeitgeber von der Verfahrenseröffnung nicht informiert wird, um das Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden, sind daher nicht ungefährlich. Ist der Schuldner hingegen selbstständig tätig, so fällt im eröffneten Verfahren das Einkommen in vollem Umfang und nicht lediglich i. H. des nach Abzug der beruflich bedingten Ausgaben verbleibenden Gewinns in die Insolvenzmasse.16) Der Schuldner kann jedoch gemäß § 850i ZPO beantragen, dass ihm von seinen erzielten Einkünften ein pfandfreier Anteil belassen werde.17)
14
Der Treuhänder konnte zudem bei früherer Rechtslage mit dem Schuldner vereinbaren, dass er ihm die für die Fortführung seiner Tätigkeit erforderlichen Mittel aus der bereits vorhandenen Insolvenzmasse oder aus den zukünftigen, gleichfalls zur Masse gehörenden Einkünften zur Verfügung stellt.18) Für nach dem 30.6.2007 eröffnete Verfahren greift insofern aber nun § 35 Abs. 2 ein, nach dem der Insolvenzverwalter bzw. hier Treuhänder mit einer Negativerklärung die Beziehungen der selbstständigen Tätigkeit zur Masse gänzlich kappen und zugleich eine Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 bestimmen kann (vgl. hierzu § 35 Rz. 21 ff).
15
c) Wohnraummietverhältnis des Schuldners Ist der Schuldner Mieter eines unbeweglichen Gegenstands oder von Räumen, so ist das Kündigungsrecht des Treuhänders nach § 109 Abs. 1 Satz 1 zu beachten. Handelt es sich bei dem Mietgegenstand um die Wohnung des Schuldners, so tritt – zum Schutz des Schuldners – an die Stelle des Kündigungsrechts nach § 109 Abs. 1 Satz 2 das Recht des Treuhänders zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Der Treuhänder ist daher gehalten, diese Erklärung alsbald abzugeben, um das (weitere) Entstehen von Masseverbindlichkeiten zu vermeiden. Alternativ besteht die Möglichkeit einer sofortigen „Freigabe“ der Wohnung, sodass die Masse ab sofort nicht mehr für die Miete haftet. Dies setzt aber das Einverständnis des Vermieters voraus, da diesem nicht ohne seine Zustimmung die Ansprüche gegen die Masse genommen werden dürfen. Zu einer derartigen Zustimmung, die zum Verlust seiner Ansprüche gegen die Masse führt, wird ein Vermieter aber nur selten bereit sein.19)
16
d) Weitere Aufgaben Eine weitere wesentliche Aufgabe ist die Verwertung der – eventuell vorhandenen – Insolvenzmasse (§ 159). Dabei hat der Treuhänder auch § 314 im Blick zu behalten; auf einen entsprechenden Antrag von ihm kann das Insolvenzgericht anordnen, dass von einer Verwertung der Masse ganz oder teilweise abgesehen werden kann.
17
Weil der Schuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine steuerliche Handlungsfähigkeit verliert, hat der Treuhänder – wie im Regelinsolvenzverfahren der Verwalter – für ihn sämtliche Steuererklärungspflichten zu erfüllen, soweit es die
18
_____________ 16) BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – IX ZB 189/03, ZVI 2004, 518 = NZI 2004, 444, dazu EWiR 2004, 987 (Hölzle). 17) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 173 = ZInsO 2003, 413, 415, dazu EWiR 2003, 593 (Tetzlaff). 18) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 174 = ZInsO 2003, 413, 416. 19) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 29.
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§ 313 a. F.
Treuhänder
Masse angeht.20) Er muss die laufenden Erklärungen abgeben, fehlende nachholen und falsche sowie unvollständige berichtigen oder ergänzen, und zwar in dem Umfang, in dem der Schuldner hierzu verpflichtet wäre.21) Der Treuhänder ist insoweit Vermögensverwalter i. S. von § 34 Abs. 3 AO und Verfügungsberechtigter i. S. von § 35 AO.22) Der Schuldner selbst ist lediglich zur Vorlage der zur Erstellung der Steuererklärung notwendigen Unterlagen an den Treuhänder verpflichtet.23) 19
Die Forderungsanmeldung gemäß § 174 Abs. 1 hat beim Treuhänder zu erfolgen, der die Tabelle nach § 175 zu führen, das Verteilungsverzeichnis nach § 188 aufzustellen und schließlich die Schlussverteilung durchzuführen hat. 3.
20
Haftung und Vergütung
Die Haftung des Treuhänders richtet sich in entsprechender Anwendung der §§ 60–62 nach der des Insolvenzverwalters, wobei der eingeschränkte Pflichtenkreis zu beachten ist. Wie der Insolvenzverwalter ist auch er zur Rechnungslegung verpflichtet, Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 66. Von der Verweisung in Absatz 1 Satz 3 erfasst sind weiter die §§ 63 – 65, sodass ein Anspruch des Treuhänders auf Vergütung und Erstattung angemessener Auslagen festgeschrieben ist. Diese richten sich nach § 13 InsVV. III. Anfechtung (Abs. 2)
21
Im Gegensatz zum Insolvenzverwalter ist der Treuhänder grundsätzlich nicht zur Anfechtung befugt. Diese Befugnis steht vielmehr jedem Insolvenzgläubiger zu, der dann kein eigenes Recht geltend macht, da das Anfechtungsrecht Bestandteil der Insolvenzmasse ist. Folglich sind nach Satz 1 grundsätzlich die Vorschriften über die Insolvenzanfechtung maßgebend.24) Bereits rechtshängige Einzelanfechtungsansprüche können aber ebenfalls vom Gläubiger weiterverfolgt werden; der nicht unmittelbar geltende Absatz 2 ist für diesen Fall analog auch auf die Gläubigeranfechtung anzuwenden,25) der Klageantrag indes dann auf Leistung an den Treuhänder umzustellen.26) Der anfechtende Gläubiger kann ohne Zustimmung des Treuhänders keinen Vergleich schließen oder in sonstiger Weise über das Recht verfügen.27) Das Erlangte muss er an den Treuhänder herausgeben, vorweg sind ihm jedoch aus dem Erlangten die entstandenen Kosten zu erstatten (Abs. 2 Satz 2). Reicht das Erlangte hierzu nicht aus, so hat er einen Kostenerstattungsanspruch nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 4. Dazu ist es erforderlich, dass die Gläubigerversammlung ihn gemäß Absatz 2 Satz 3 mit der Anfechtung beauftragt hat. Ohne einen solchen Auftrag ist daher kaum ein Gläubiger zur Durchführung eines Anfechtungsprozesses bereit. _____________ 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27)
BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZB 197/07, ZVI 2009, 124, 125 = ZInsO 2009, 300. Onusseit, ZInsO 2000, 363, 366. Maus, ZInsO 1999, 683, 689. BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZB 197/07, ZVI 2009, 124, 125 = ZInsO 2009, 300; LG Mönchengladbach, Beschl. v. 22.10.2004 – 5 T 236/04, ZVI 2005, 142 f = ZInsO 2005, 104. OLG Koblenz, Beschl. v. 18.1.2007 – 10 W 654/06, ZInsO 2007, 334. BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZR 29/08, ZVI 2010, 227 = NZI 2010, 196, entgegen OLG Koblenz, Beschl. v. 18.1.2007 – 10 W 654/06, ZInsO 2007, 334. BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZR 29/08, ZVI 2010, 227 = NZI 2010, 196; Landfermann in: HK-InsO, § 313 Rz. 14. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1721, Rz. 128.
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§ 313 a. F.
Treuhänder
Die Gläubigerversammlung – als solche gilt ausschließlich eine vom Insolvenzgericht einberufene und vom Gericht geleitete Zusammenkunft der Gläubiger28) – kann aber auch den Treuhänder mit der Durchführung eines Anfechtungsprozesses betrauen (Abs. 2 Satz 3).29) Eine Beauftragung außerhalb der Gläubigerversammlung ist nicht möglich. Auch kann ein entsprechender Auftrag nicht vom Insolvenzgericht erteilt werden,30) selbst wenn – wie häufig in Verbraucherinsolvenzverfahren – kein Gläubiger in der Gläubigerversammlung erscheint. In der Praxis bietet es sich an, dass der Treuhänder, wenn er Anfechtungsansprüche festgestellt hat, dafür Sorge trägt, dass zumindest ein Gläubiger erscheint, sodass die dann beschlussfähige Gläubigerversammlung31) ihn mit der Anfechtung beauftragen kann. Einredeweise kann der Treuhänder die Anfechtbarkeit jedoch auch ohne einen derartigen Beschluss geltend machen.32)
22
IV. Verwertung von Sicherheiten (Abs. 3) In Abweichung vom Regelinsolvenzverfahren steht das Verwertungsrecht an sämtlichen mit Pfandrechten oder anderen Absonderungsrechten belasteten Gegenständen – zunächst, siehe dazu unten Rz. 24 – allein dem Gläubiger zu (Abs. 3 Satz 2). Von der Regelung sind nicht nur Pfandrechte an beweglichen Sachen und Forderungen erfasst, sie erstreckt sich vielmehr auf alle mit einem Absonderungsrecht belegten Gegenstände, die im Regelinsolvenzverfahren nach §§ 165, 166 dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegen. Der Treuhänder kann daher auch nicht nach § 172 ZVG die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines in der Masse befindlichen Grundstücks betreiben. Da sich diese, ursprünglich ausschließliche Übertragung der Verwertungsbefugnis auf die Gläubiger nicht bewährt hat, wurde i. R. des InsOAändG v. 26.10.2001 Absatz 3 Satz 3 eingefügt und damit auch dem Treuhänder wieder eine Handlungsmöglichkeit verschafft.
23
Gemäß dieser Regelung findet § 173 Abs. 2 Satz 1 entsprechende Anwendung, nach dessen Wortlaut der Treuhänder beim Insolvenzgericht beantragen kann, dass dem zur Verwertung einer beweglichen Sache oder Forderung befugten Gläubiger eine Frist zur Verwertung gesetzt wird. Nach dem Ablauf der gerichtlich bestimmten Frist ist dann nur noch der Treuhänder zur Verwertung berechtigt (Abs. 3 Satz 3, § 173 Abs. 2 Satz 2).
24
Weil es ausdrückliches Ziel der Gesetzesänderung war, die Verwertung von mit Grundpfandrechten belasteten Immobilien des Schuldners, bei deren Verwertung mit einem Überschuss zu rechnen ist, durch den Treuhänder zu ermöglichen,33) ist mit ganz h. M. davon auszugehen, dass i. R. der entsprechenden Anwendung des § 173 Abs. 2 auch
25
_____________ 28) BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZR 77/06, ZInsO 2007, 938 = NZI 2007, 732 f; Fuchs, ZInsO 2002, 358, 359. 29) Dies dürfte auch bzgl. der Aufnahme eines – bereits rechtshängigen – Einzelanfechtungsrechtsstreits möglich sein, vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZR 29/08, ZVI 2010, 227 = NZI 2010, 196. 30) OLG Köln, Urt. v. 30.9.2011 – 20 U 64/11, juris; Fuchs, ZInsO 2002, 358, 359 f; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 69; a. A. Gundlach/Frenzel/Schmidt, ZVI 2002, 5. 31) BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZR 77/06, ZInsO 2007, 938 = NZI 2007, 732 f; Fuchs, ZInsO 2002, 358, 359. 32) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 74 mit überzeugender Begr.; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 313 Rz. 17. 33) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 33 zu Nr. 29.
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§ 314 a. F.
Vereinfachte Verteilung
eine Frist zur Verwertung von Immobilien gesetzt werden kann.34) Auf § 173 Abs. 1, der sich nur auf bewegliche Sachen und Forderungen bezieht, verweist Absatz 3 Satz 3 gerade nicht; vielmehr findet sich in Absatz 3 Satz 1 keine entsprechende Beschränkung. 26
Die Verfügungsbefugnis des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren zur rechtsgeschäftlichen (freihändigen) Veräußerung einer Immobilie des Insolvenzschuldners wird durch Absatz 3 Satz 1 nicht beschränkt.35) Gemäß §§ 313 Abs. 1 Satz 1, 80 Abs. 1 Satz 1 erwirbt auch der Treuhänder mit der Eröffnung des (vereinfachten) Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse hinsichtlich der Insolvenzmasse. § 313 Abs. 3 Satz 1 wäre nur dann als Einschränkung dieses Grundsatzes, also als echte Verfügungsbeschränkung zu verstehen, wenn man unter Verwertung jegliche Verfügung über den von Absonderungsrechten betroffenen Gegenstand verstehen würde. Schon nach Systematik und insbesondere in Ansehung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als Ziel des Insolvenzverfahrens spricht alles dafür, dass unter Verwertung i. S. des § 313 Abs. 3 Satz 1 nur das Verfahren nach dem ZVG zu verstehen ist (§ 49) und nicht jegliche Verfügung über den von Absonderungsrechten betroffenen Gegenstand.36) _____________ 34) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 313 Rz. 3c; Landfermann in: HK-InsO, § 313 Rz. 20; Wimmer-Busch, FK-InsO, § 313 Rz. 90; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 111; LG Kiel, Beschl. v. 15.9.2004 – 24 T 14/04, Rpfleger 2004, 730 ff. 35) OLG Hamm, Beschl. v. 4.11.2011 – I-15 W 698/10, ZInsO 2011, 2279 f = NZI 2012, 33 f; i. E. auch LG Leipzig, Urt. v. 20.1.2011 – 7 O 2249/10, ZInsO 2011, 1991 f; WimmerBusch, FK-InsO, § 313 Rz. 90; Landfermann in: HK-InsO, § 313 Rz. 21. 36) OLG Hamm, Beschl. v. 4.11.2011 – I-15 W 698/10, ZInsO 2011, 2279 f = NZI 2012, 33 f.
§ 314 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 314 ) Vereinfachte Verteilung (1) 1Auf Antrag des Treuhänders ordnet das Insolvenzgericht an, dass von einer Verwertung der Insolvenzmasse ganz oder teilweise abgesehen wird. 2In diesem Fall hat es dem Schuldner zusätzlich aufzugeben, binnen einer vom Gericht festgesetzten Frist an den Treuhänder einen Betrag zu zahlen, der dem Wert der Masse entspricht, die an die Insolvenzgläubiger zu verteilen wäre. 3Von der Anordnung soll abgesehen werden, wenn die Verwertung der Insolvenzmasse insbesondere im Interesse der Gläubiger geboten erscheint. (2) Vor der Entscheidung sind die Insolvenzgläubiger zu hören. (3) 1Die Entscheidung über einen Antrag des Schuldners auf Erteilung von Restschuldbefreiung (§§ 289 bis 291) ist erst nach Ablauf der nach Absatz 1 Satz 2 festgesetzten Frist zu treffen. 2Das Gericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der nach Absatz 1 Satz 2 zu zahlende Betrag auch nach Ablauf einer weiteren Frist von zwei Wochen, die das Gericht unter Hinweis auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung gesetzt hat, nicht gezahlt ist. 3Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. 1530
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§ 314 a. F.
Vereinfachte Verteilung
eine Frist zur Verwertung von Immobilien gesetzt werden kann.34) Auf § 173 Abs. 1, der sich nur auf bewegliche Sachen und Forderungen bezieht, verweist Absatz 3 Satz 3 gerade nicht; vielmehr findet sich in Absatz 3 Satz 1 keine entsprechende Beschränkung. 26
Die Verfügungsbefugnis des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren zur rechtsgeschäftlichen (freihändigen) Veräußerung einer Immobilie des Insolvenzschuldners wird durch Absatz 3 Satz 1 nicht beschränkt.35) Gemäß §§ 313 Abs. 1 Satz 1, 80 Abs. 1 Satz 1 erwirbt auch der Treuhänder mit der Eröffnung des (vereinfachten) Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse hinsichtlich der Insolvenzmasse. § 313 Abs. 3 Satz 1 wäre nur dann als Einschränkung dieses Grundsatzes, also als echte Verfügungsbeschränkung zu verstehen, wenn man unter Verwertung jegliche Verfügung über den von Absonderungsrechten betroffenen Gegenstand verstehen würde. Schon nach Systematik und insbesondere in Ansehung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als Ziel des Insolvenzverfahrens spricht alles dafür, dass unter Verwertung i. S. des § 313 Abs. 3 Satz 1 nur das Verfahren nach dem ZVG zu verstehen ist (§ 49) und nicht jegliche Verfügung über den von Absonderungsrechten betroffenen Gegenstand.36) _____________ 34) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 313 Rz. 3c; Landfermann in: HK-InsO, § 313 Rz. 20; Wimmer-Busch, FK-InsO, § 313 Rz. 90; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 313 Rz. 111; LG Kiel, Beschl. v. 15.9.2004 – 24 T 14/04, Rpfleger 2004, 730 ff. 35) OLG Hamm, Beschl. v. 4.11.2011 – I-15 W 698/10, ZInsO 2011, 2279 f = NZI 2012, 33 f; i. E. auch LG Leipzig, Urt. v. 20.1.2011 – 7 O 2249/10, ZInsO 2011, 1991 f; WimmerBusch, FK-InsO, § 313 Rz. 90; Landfermann in: HK-InsO, § 313 Rz. 21. 36) OLG Hamm, Beschl. v. 4.11.2011 – I-15 W 698/10, ZInsO 2011, 2279 f = NZI 2012, 33 f.
§ 314 i. d. F. bis zum 30.6.2014 lautete:
§ 314 ) Vereinfachte Verteilung (1) 1Auf Antrag des Treuhänders ordnet das Insolvenzgericht an, dass von einer Verwertung der Insolvenzmasse ganz oder teilweise abgesehen wird. 2In diesem Fall hat es dem Schuldner zusätzlich aufzugeben, binnen einer vom Gericht festgesetzten Frist an den Treuhänder einen Betrag zu zahlen, der dem Wert der Masse entspricht, die an die Insolvenzgläubiger zu verteilen wäre. 3Von der Anordnung soll abgesehen werden, wenn die Verwertung der Insolvenzmasse insbesondere im Interesse der Gläubiger geboten erscheint. (2) Vor der Entscheidung sind die Insolvenzgläubiger zu hören. (3) 1Die Entscheidung über einen Antrag des Schuldners auf Erteilung von Restschuldbefreiung (§§ 289 bis 291) ist erst nach Ablauf der nach Absatz 1 Satz 2 festgesetzten Frist zu treffen. 2Das Gericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der nach Absatz 1 Satz 2 zu zahlende Betrag auch nach Ablauf einer weiteren Frist von zwei Wochen, die das Gericht unter Hinweis auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung gesetzt hat, nicht gezahlt ist. 3Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. 1530
Kexel
§ 314 a. F.
Vereinfachte Verteilung
)
Aufgehoben m. W. v. 1.7.2014 durch Art. 1 Nr. 38 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013, BGBl. I, 2379; in alter Fassung weiter anzuwenden auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.7.2014 beantragt worden sind, Art. 103h EGInsO. Vgl. hierzu auch oben Vor §§ 312 – 314.
Literatur: Vallender, Die vereinfachte Verteilung im Verbraucherinsolvenzverfahren, NZI 1999, 385. Übersicht I. II. III. 1. 2. 3.
I.
Normzweck ............................................ Verzicht auf die Verwertung ................ Verfahren (Abs. 1, 2) ............................ Antrag ..................................................... Anhörungen ............................................ Entscheidung des Gerichts ...................... a) Zurückweisung des Antrags ............. b) Anordnung des Verwertungsverzichts ...........................................
1 2 4 4 5 7 7
c) Abänderung der Entscheidung ...... 10 4. Rechtsmittel .......................................... 11 IV. Weiteres Verfahren (Abs. 3) ............... 12 1. Umsetzung der Anordnung und deren Sicherung (Abs. 3 Satz 1) ........... 12 2. Sanktionen bei Nichtbefolgen der Anordnung ............................................ 14 3. Rechtsmittel .......................................... 19
9
Normzweck
Die Vorschrift dient der weiteren Vereinfachung der Verfahrensabwicklung bei Verbraucherinsolvenzen. Von einer Verwertung der Masse durch den Treuhänder kann (teilweise) abgesehen werden, wenn der Schuldner auf Anordnung des Gerichts einen dem Wert der Masse entsprechenden Geldbetrag an den Treuhänder zur Verteilung an die Gläubiger zahlt. Dies soll dazu dienen, bei einer geringen verwertungsfähigen Masse den Verfahrensaufwand zu reduzieren. Zu diesem Zweck soll der Schuldner aus seinem pfändungsfreien Vermögen oder aus Zuwendungen Dritter den entsprechenden Betrag zahlen.1)
1
II. Verzicht auf die Verwertung Wird der Wert der Masse oder einzelner Gegenstände durch die Kosten der Verwertung nahezu aufgezehrt, so bietet sich für den Treuhänder an, nach § 314 zu verfahren. In der Praxis spielt die Vorschrift insbesondere eine Rolle hinsichtlich eines Kraftfahrzeugs des Schuldners. Im Vorfeld ist allerdings immer zu prüfen, ob der Gegenstand überhaupt dem Insolvenzbeschlag unterliegt; das wird z. B. bei einem Pkw häufig zu verneinen sein (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO, § 811 Nr. 5 ZPO).
2
Dem Schuldner steht zwar kein Antragsrecht zu, er kann jedoch ein Vorgehen nach § 314 gegenüber dem Treuhänder anregen. Dieser kann ein angemessenes Angebot nicht ausschlagen, ohne gegenüber dem Schuldner – als einem Verfahrensbeteiligten – seine Pflichten zu verletzen.2) In jedem Fall sollte der Treuhänder, bevor er einen entsprechenden Antrag an das Insolvenzgericht stellt, mit dem Schuldner abklären, ob dieser in der Lage ist, den entsprechenden Geldbetrag aufzubringen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Schuldner dem Beschluss des Gerichts nicht Folge leisten kann, was zum einen zu einer Verfahrensverzögerung führen, zum anderen den Schuldner der Gefahr der Versagung der Restschuldbefreiung aussetzen kann (Abs. 3; vgl. unten Rz. 14 f).
3
_____________ 1) 2)
Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 194, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 584. Vallender, NZI 1999, 385.
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§ 314 a. F.
Vereinfachte Verteilung
III. Verfahren (Abs. 1, 2) 1. 4
Antrag
Die Anordnung erfordert einen – mündlichen oder schriftlichen – Antrag des Treuhänders an das Insolvenzgericht. In vielen Fällen wird jedoch die Anregung, den Antrag zu stellen, vom Schuldner kommen. In jedem Fall sollte der Antrag sowohl mit dem Schuldner abgestimmt sein als auch näher begründet werden, damit sowohl das Gericht als auch die Gläubiger (vgl. § 314 Abs. 2) eine tragfähige Grundlage für ihre Entscheidung bzw. Stellungnahme erhalten. Ohne Antrag kommt eine Anordnung der vereinfachten Verteilung durch das Insolvenzgericht nicht in Betracht. 2.
Anhörungen
5
Nach Absatz 2 sind vor der Entscheidung die Insolvenzgläubiger anzuhören. Dies kann sowohl mündlich (in der Gläubigerversammlung) als auch – soweit die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 vorliegen – schriftlich erfolgen.
6
Eine Pflicht zur Anhörung des Schuldners besteht hingegen nicht. Dennoch sollte eine solche erfolgen. Insbesondere, wenn eine Abstimmung zwischen Treuhänder und Schuldner nicht stattgefunden hat, sollte Letzterer Gelegenheit erhalten ggf. darzulegen, dass der vom Treuhänder verlangte Geldbetrag nicht angemessen ist oder er ihn nicht aufbringen kann.3) 3.
Entscheidung des Gerichts
a) Zurückweisung des Antrags 7
Bei der Entscheidung über den Antrag ist dem Gericht ein Ermessen eingeräumt. Von der Anordnung soll abgesehen werden, wenn die Verwertung insbesondere im Interesse der Gläubiger geboten erscheint (Abs. 1 Satz 3). Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Treuhänder einen den tatsächlichen Wert der Sache überschreitenden Verwertungserlös erzielen kann oder eine Verschlechterung der Sache zu besorgen ist.4) Zwingend ist ein Absehen in einem solchen Fall jedoch nicht vorgeschrieben. Auch wenn das Gesetz nur auf die Interessen der Gläubiger abstellt, sollten die des Schuldners ebenfalls berücksichtigt werden.
8
Die Vorschrift dient nicht dazu, das Verwertungsrisiko vom Treuhänder auf den Schuldner zu verlagern.5) Die Anordnung ist aber nicht ausgeschlossen, wenn der Schuldner den Betrag selber nur durch eine Verwertung der Sache aufbringen kann.6) Es ist – wenn der Schuldner einen dem vom Treuhänder zu erzielenden Verwertungserlös entsprechenden oder gar darüber hinaus gehenden Betrag zahlt – kein Grund ersichtlich, dem Schuldner die Vornahme der Verwertung zu verwehren, wenn er damit einverstanden ist oder es sogar gegenüber dem Treuhänder anregt.
_____________ 3) 4) 5) 6)
Vgl. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1723, Rz. 136. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1723, Rz. 135. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 314 Rz. 3. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1720, Rz. 130; Landfermann in: HK-InsO, § 314 Rz. 1; a. A. Vallender, NZI 1999, 385, 387; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 314 Rz. 3.
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§ 314 a. F.
Vereinfachte Verteilung
b) Anordnung des Verwertungsverzichts Folgt das Gericht dem Treuhänder, so ordnet es nach Absatz 1 Satz 1 den vollständigen oder – unter genauer Bezeichnung der betreffenden Massegegenstände7) – den teilweisen Verzicht auf die Verwertung an und gibt nach Absatz 1 Satz 2 dem Schuldner zusätzlich auf, binnen einer von ihm bestimmten Frist an den Treuhänder einen Betrag zu zahlen, der dem Wert der Masse entspricht, die an die Insolvenzgläubiger zu verteilen wäre. Erforderlichenfalls kann diese Frist später verlängert werden (§ 4 InsO, § 224 Abs. 2 ZPO).8) Da das Gericht mangels Kenntnis des Zustandes des Gegenstands oder der Gegenstände kaum in der Lage sein dürfte, den Wert zu bestimmen, sollte der Treuhänder, der die Masse und deren Zustand kennt, einen Vorschlag machen. Dieser sollte zudem mit dem Schuldner abgestimmt sein, da die Anordnung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, wenn dieser zur Aufbringung des Betrages nicht in der Lage ist.9)
9
c) Abänderung der Entscheidung Das Gericht ist berechtigt, seine Anordnung nachträglich abzuändern oder ganz aufzuheben, wenn sich herausstellt, dass sie unzweckmäßig ist.10) Ansonsten wird ggf. der Schuldner der Gefahr der Sanktionsmöglichkeit des Absatzes 3 Satz 2 ausgesetzt (dazu unten Rz. 14 ff). 4.
10
Rechtsmittel
Hat – ausnahmsweise – der Richter die Entscheidung getroffen, so ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 6). Hat jedoch der Rechtspfleger, auf den das Verfahren mit der Eröffnung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 RPflG übergegangen ist, die Anordnung getroffen oder deren Abänderung beschlossen, ist hiergegen die Erinnerung möglich (§ 11 Abs. 2 RPflG).
11
IV. Weiteres Verfahren (Abs. 3) 1.
Umsetzung der Anordnung und deren Sicherung (Abs. 3 Satz 1)
Der Treuhänder hat dafür Sorge zu tragen, dass die gerichtliche Anordnung umgesetzt wird, also insbesondere der Schuldner den festgesetzten Betrag fristgemäß zahlt. Zur Vermeidung einer Schädigung der Masse darf er den Gegenstand nicht vorher freigeben, da dies den Insolvenzbeschlag beendet.11)
12
Zur Sicherung der Umsetzung der vereinfachten Verteilung bestimmt Absatz 3 Satz 1, dass über einen Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung erst nach Ablauf der vom Gericht zur Zahlung gesetzten Frist entschieden werden darf.
13
2.
Sanktionen bei Nichtbefolgen der Anordnung
Zahlt der Schuldner den festgesetzten Betrag nicht, so kommt in dem Verfahren über die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§§ 289 – 291) deren Versagung in Betracht _____________ 7) 8) 9) 10) 11)
Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 314 Rz. 4. Vallender, NZI 1999, 385, 388. Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1722, Rz. 133. Vallender, NZI 1999, 385, 388. Vallender, NZI 1999, 385, 388, dort auch ausführl. zu weiteren Fragen der Umsetzung.
Kexel
1533
14
§ 314 a. F.
Vereinfachte Verteilung
(Abs. 3 Satz 2). Dies geschieht jedoch nicht ohne Vorankündigung. Zunächst bedarf es des Antrags eines Insolvenzgläubigers (Abs. 3 Satz 2). Außerdem ist dem Schuldner eine Nachfrist von zwei Wochen zur Zahlung des Geldbetrages zu setzen, die mit dem Hinweis zu verbinden ist, dass im Falle der Nichtzahlung die Restschuldbefreiung versagt werden kann (Abs. 3 Satz 2). Vor der Entscheidung ist dem Schuldner dann noch rechtliches Gehör zu gewähren (Abs. 3 Satz 3). 15
Nicht geregelt ist in § 314, ob die Versagung der Restschuldbefreiung ein Verschulden des Schuldners voraussetzt. § 314 regelt eine besondere Form der Mitwirkung des Schuldners im Insolvenzverfahren. Im Allgemeinen ist bei Verletzung derartiger Pflichten eine Versagung der Restschuldbefreiung nur nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 möglich, was Verschulden voraussetzt. Da diese Vorschrift auch die Verletzung ähnlicher Pflichten, nämlich z. B. die Unterlassung der Mitwirkung bei der Herbeischaffung von Auslandsvermögen12) betrifft, erscheint es nicht gerechtfertigt – und wohl auch nicht gewollt –, im Falle des § 314 einen strengeren Maßstab anzulegen.
16
Mit der wohl h. M. sollte also eine Versagung wegen Absatz 3 Satz 2 auch ein Verschulden des Schuldners voraussetzen.13) Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Vorschrift nur einen Sonderfall des § 290 Abs. 1 Nr. 5 darstellt, sodass dessen Voraussetzungen ohnehin erfüllt sein müssen,14) oder ob von einer Regelungslücke auszugehen ist, die dadurch zu schließen ist, dass § 290 Abs. 1 Nr. 5 bei der Beurteilung der Voraussetzungen einer Versagungsentscheidung nach Absatz 3 Satz 2 analog Anwendung findet.15)
17
Zur Vermeidung einer Versagungsentscheidung kann das Insolvenzgericht in jedem Fall auch seine Anordnung nach Absatz 1 abändern oder aufheben (oben Rz. 10). Dies sollte sinnvollerweise nicht nur die Zahlungsanordnung betreffen, sondern auch die Anordnung des Verwertungsverzichts erfassen, da ansonsten den Gläubigern – wie übrigens auch im Falle einer Versagung – nicht geholfen wäre.16)
18
Zuständig für die Versagungsentscheidung ist der Richter,17) da nach Absatz 3 Satz 1 diese i. R. des Verfahrens der §§ 289 – 291 ergeht und also der Aufzählung in § 18 Abs. 1 RPflG unterfällt. 3.
19
Rechtsmittel
Gegen die Entscheidung über den Versagungsantrag ist die sofortige Beschwerde gegeben, § 289 Abs. 2 Satz 1.18) _____________ 12) Begr. z. § 239 RegE/§ 290 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 191, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 546. 13) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 314 Rz. 34; Wimmer-Busch, FK-InsO, § 314 Rz. 38; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 314 Rz. 6; Ott/Vuia in: MünchKomm-InsO, § 314 Rz. 9. 14) Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 314 Rz. 34; Wimmer-Busch, FK-InsO, § 314 Rz. 38. 15) So Fuchs in der 1. Aufl., § 314 Rz. 16. 16) So auch Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1724 f, Rz. 140 f; Landfermann in: HK-InsO, § 314 Rz. 5. 17) Wimmer-Busch, FK-InsO, § 314 Rz. 38; A. Schmidt-Nies, InsO, § 314 Rz. 6; Braun-Buck, InsO, § 314 Rz. 17; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 314 Rz. 7; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 314 Rz. 35. 18) Wimmer-Busch, FK-InsO, § 314 Rz. 38; Braun-Buck, InsO, § 314 Rz. 17.
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Kexel
Zehnter Teil Besondere Arten des Insolvenzverfahrens Erster Abschnitt Nachlassinsolvenzverfahren Vor §§ 315 – 331 Vorbemerkung Busch
Literatur: Busch, Die Haftung des Erben, 2008; Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, 2009. Übersicht I.
Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten ................................. 1 II. Haftungsbeschränkung ....................... 3 III. Pflicht zur Antragstellung .................. 6
I.
IV. Verfahrensrechtliche Stellung des Erben in der Nachlassinsolvenz ......... 7 V. Insolvenzmasse ................................... 11 VI. Steuerrecht .......................................... 14
Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten
Das Nachlassinsolvenzverfahren ist ein Sonderinsolvenzverfahren (§ 11 Abs. 2 Nr. 2). Der Erbe haftet gemäß § 1967 Abs. 1 BGB zunächst unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten. Hierzu zählen die Erblasserschulden, die in der Person des Erblassers begründet waren, die Erbfallschulden, die mit dem Erbfall entstehen – also Vermächtnisansprüche, Pflichtteilsansprüche, Auflagen, Zugewinnausgleichsforderungen und Beerdigungskosten – sowie die Nachlasserbenschulden, sofern hiervon die Nachlassabwicklung betroffen ist. Im Fall der Krise dient der dem Erben zugefallene Nachlass der gleichmäßigen Befriedigung bestimmter Gläubigergruppen.
1
Die §§ 315 – 331 stellen Sonderregelungen dar, die durch die allgemeinen Vorschriften der InsO zur Regelinsolvenz ergänzt werden.
2
II. Haftungsbeschränkung Die Nachlassinsolvenz gibt dem Erben darüber hinaus – neben der Nachlassverwaltung bei solventem aber unübersichtlichem Nachlass – ein Mittel der Haftungsbeschränkung gemäß § 1975 BGB an die Hand.1) Sollte die Verfahrenseröffnung mangels einer kostendeckenden Masse nicht in Betracht kommen, hat der Erbe die Einreden der §§ 1990, 1992 BGB. Dasselbe gilt auch im Fall der Einstellung gemäß § 207 Abs. 1 Satz 1.
3
Die unbeschränkte und damit nicht mehr beschränkbare Haftung des Erben tritt jedoch unumstößlich ein, wenn der Erbe gemäß § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB eine vom Nachlassgericht gesetzte Inventarfrist nicht eingehalten hat. Dasselbe gilt, falls er gemäß § 2005 BGB absichtlich ein unrichtiges Inventarverzeichnis erstellt hat oder sich weigert, die eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit des aufgestellten Inventars abzugeben (§ 2006 Abs. 3 Satz 1 BGB ). Die Möglichkeit,
4
_____________ 1)
Dazu Busch, Haftung des Erben, Rz. 125 ff.
Busch
1535
Vor §§ 315–331
Vorbemerkung
einen Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen, bleibt jedoch nach wie vor bestehen (§ 316 Abs. 1). Dieses hat dann nur noch den Zweck, dass der Nachlass isoliert den Nachlassgläubigern und nicht den persönlichen Gläubigern des Erben zur Verfügung steht. Bei Fortführung der Firma des Erblassers kann die unbeschränkte Haftung gemäß § 25 HGB vermieden werden, wenn die Firma nach spätestens drei Monaten nach Kenntniserlangung vom Anfall der Erbschaft eingestellt wird (§ 27 Abs. 2 Satz 1 HGB).2) 5
Die Bedeutung der Nachlassinsolvenzverfahren als Mittel der Haftungsbeschränkung ist relativ gering; nur weniger als 10 % aller Insolvenzanträge betreffen eine Nachlassinsolvenz; dies, obgleich es sich bei den Regelungen zur Nachlassinsolvenz um eine logisch und rechtstechnisch bis in die letzten Einzelheiten klug durchdachte juristische Konstruktion handelt.3) III. Pflicht zur Antragstellung
6
Gemäß § 1980 Abs. 1 BGB hat der Erbe bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses unverzüglich die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen, anderenfalls ist er den Gläubigern schadensersatzpflichtig (§ 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB). IV. Verfahrensrechtliche Stellung des Erben in der Nachlassinsolvenz
7
Im Nachlassinsolvenzverfahren ist der Erbe als Träger der in der Masse vereinten Vermögenswerte und Nachlassverbindlichkeiten Schuldner.4) Er hat damit Rechte und Pflichten, die auch ein Schuldner im Regelinsolvenzverfahren hat. Ihn treffen alle Wirkungen der Insolvenzeröffnung, insbesondere geht die Verwaltungs- und Verfügungsmacht gemäß § 80 auf den Insolvenzverwalter mit der Verfahrenseröffnung über. Pflichtteilsansprüche sind gegen ihn geltend zu machen, nicht gegen den Schuldner.5) Prozess- und Beschwerdeführungsbefugnis in Bezug auf streitbefangene Gegenstände, die zur Masse gehören, gehen mit Eröffnung ebenfalls auf den Nachlassinsolvenzverwalter über. Diese Wirkungen gelten uneingeschränkt auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.6)
8
Die Erbengemeinschaft selbst kann jedoch, da weder rechts- noch parteifähig, nicht Schuldner sein.7) Die Schuldnerposition fällt den Erben, nicht der Erbengemeinschaft zu.8)
9
Der Tod des Schuldners nach Antragstellung bewirkt ohne weiteres eine Überleitung des Eröffnungsverfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren. Das gilt so_____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Busch, Haftung des Erben, Rz. 36 ff. Siegmann in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 315 bis 331 Rz. 16. BGH, Urt. v. 16.5.1969 – V ZR 86/68, NJW 1969, 1349; OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2005 – 2 Wx 43/04, ZIP 2005, 1435 = ZVI 2005, 315. BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258 = ZVI 2006, 452, dazu EWiR 2006, 659 (Stahlschmidt). OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2005 – 2 Wx 43/04, ZIP 2005, 1435 = ZVI 2005, 1435. BGH, Urt. v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389, dazu EWiR 2002, 951 (Eckert). Marotzke in: HK-InsO, Vor §§ 315 ff Rz. 9.
1536
Busch
Vor §§ 315–331
Vorbemerkung
wohl für das Regel9) – als auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren.10) Neugläubiger, deren Verbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung entstanden sind, nehmen nach dem Tod des Schuldners und der Überleitung des Insolvenzverfahrens in ein Nachlassinsolvenzverfahren nicht als Nachlassinsolvenzgläubiger am Verfahren teil. Ihre Forderung richtet sich gegen den Erben als Rechtsnachfolger des Schuldners. Diesem steht die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass wegen der geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten offen.11) Ist noch nicht über die Eröffnung des Verfahrens entschieden, sind zunächst die Erben anzuhören, wenn das Verfahren auf einem Eigenantrag beruht. Die Erben sind nämlich berechtigt, den Insolvenzantrag noch zurückzunehmen.
10
V. Insolvenzmasse Insolvenzmasse gemäß § 35 ist der Bestand des Nachlassvermögens zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung,12) nicht zum Zeitpunkt des Erbfalls. Hierzu zählt auch dasjenige, was dem Schuldner als Erbe zwischen Erbfall und Insolvenzeröffnung zugewachsen ist, d. h., was er mit Mitteln des Nachlasses erworben hat. Das Eigenvermögen des Erben fällt hingegen nicht in die Nachlassinsolvenz. Gegen den Erben kann jedoch darüber hinaus ein Regelinsolvenzverfahren eingeleitet werden.
11
Im Fall der Testamentsvollstreckung fällt der Nachlass in die Masse, allerdings kann der Insolvenzverwalter bis zum Ende der Testamentsvollstreckung den Nachlass nicht verwerten.13) Die Verfügungsbeschränkung des § 2211 BGB gilt fort. Die Eigengläubiger können aus den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gegenständen keine Befriedigung verlangen (§ 2214 BGB). Der Testamentsvollstrecker kann i. R. seiner Befugnisse den Nachlass verwalten und über Nachlassgegenstände verfügen.
12
Nur der pfändbare Teil des Nachlasses steht zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung; § 36 – unpfändbare Gegenstände – ist auch für die Nachlassinsolvenz relevant. Maßgeblich ist hierfür die Person des Erben.14) Insbesondere bei den Beschränkungen nach § 811 Nr. 1 – 7, 10 ZPO ist das zu beachten.
13
Paul
VI. Steuerrecht Die persönliche Steuerpflicht des Schuldners erlischt mit dessen Tod. Der Nachlass ist kein Steuersubjekt und deshalb kein Steuerschuldner.15) Dennoch sind auch noch nach dem Erbfall steuerliche Angelegenheiten zu besorgen.
_____________ 9) BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZB 39/03, ZIP 2004, 513 = NJW 2004, 1444. 10) BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798 = ZVI 2008, 183, dazu EWiR 2008, 573 (Floeth). 11) BGH, Urt. v. 26.9.2013 – IX ZR 3/13, ZIP 2014, 137 Rz. 16 f, dazu EWiR 2014, 253 (Floeth). 12) OLG Köln, Urt. v. 29.6.1988 – 13 U 17/88, ZIP 1988, 1203, dazu EWiR 1988, 911 (Marotzke); Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 315 Rz. 11. 13) BGH, Urt. v. 11.5.2006 –IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258 = ZVI 2006, 452. 14) Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 315 Anh. Rz. 10. 15) BFH, Urt. v. 5.6.1991 – XI R 26/89, BFHE 164, 546 = DStR 1991, 1313.
Paul
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14
§ 315
Örtliche Zuständigkeit
15
Zum einen ist der Schuldner mit seinen bis zum Todestag erzielten Einkünften zur Einkommensteuer zu veranlagen. Ihm, nicht dem Erben werden die Einkünfte zugerechnet. Für die Besteuerung gelten insoweit die allgemeinen Vorschriften. Die sich ergebende Steuerschuld hat der Erbe gemäß § 45 Abs. 2 AO nach den Vorschriften über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten zu tragen. Sie können also Gegenstand von Nachlassverbindlichkeiten i. S. des § 325 sein. Hat der Erblasser durch eine Rechtshandlung einen Geschehensablauf in Gang gesetzt, aufgrund dessen es nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu einem Veräußerungsgewinn kommt, handelt es bei der hierauf anfallenden Einkommensteuerschuld dennoch um eine Nachlassverbindlichkeit i. S. von § 325, nicht hingegen um eine Eigenschuld des Erben.16)
16
Zum anderen ist der Erbe des Schuldners aber auch wegen der nach dem Erbfall erzielten Einkünften zu veranlagen. Hierbei handelt es sich um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, hinsichtlich derer eine Haftungsbeschränkung nicht in Betracht kommt. Der Erbe hat die Einkommensteuer selbst dann zu tragen, wenn aus den Einkünften Nachlassverbindlichkeiten bedient werden, er also auf die Einkünfte gar nicht zugreifen kann.17) _____________ 16) BFH, Urt. v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = DStRE 1998, 816. 17) BFH, Urt. v. 11.8.1998 – VII R 118/95, BStBl. II 1998, 705 = DStRE 1998, 816.
§ 315 Örtliche Zuständigkeit Busch
1
Für das Insolvenzverfahren über einen Nachlaß ist ausschließlich das Insolvenzgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. 2Lag der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Erblassers an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. Literatur: Fischinger, Zur Stellung der Nachlassgläubiger, wenn der Erbe beim Erbfall insolvent ist, ZInsO 2013, 365. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ................................. 3 1. Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit ..................... 3
I.
2.
Einstellung des Geschäftsbetriebs zum Todeszeitpunkt ............................. 4 3. Erblasser mit Wohnsitz im Ausland .................................................. 5 III. Tod des Schuldners im Insolvenzverfahren ....................................... 8
Normzweck
1
Die Bestimmung trifft Regelungen zur ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit. Angeknüpft wird hierbei an die Person des Erblassers, nicht an die Person des Erben.
2
Sofern der Erblasser eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, ist der Ort dieser Tätigkeit maßgeblich, ansonsten der allgemeine Gerichtsstand des 1538
Busch
§ 315
Örtliche Zuständigkeit
Erblassers. Somit ist es wegen der in § 2 Abs. 1 vorgesehenen Konzentrierung der Insolvenzgerichte am Sitz des Landgerichts durchaus möglich, dass für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ein anderes Gericht als das für das Nachlassverfahren, dessen Zuständigkeit sich nach § 343 FamFG bestimmt, angerufen werden muss. II. Örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts 1.
Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit
Unabhängig vom allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers zum Todeszeitpunkt richtet sich die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach dem Ort, an dem der Erblasser schwerpunktmäßig eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat (§ 3 Abs. 1 Satz 2). Es kommt entscheidend darauf an, wo der Erblasser unmittelbar seine Entscheidungen getroffen und umgesetzt hat.1) Die ausschließliche Verwaltung des Familienvermögens für sich alleine begründet noch keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit.2) 2.
Einstellung des Geschäftsbetriebs zum Todeszeitpunkt
Sofern der Geschäftsbetrieb zum Todeszeitpunkt des Erblassers eingestellt war, verbleibt es bei dem allgemeinen Gerichtsstand. Dieser bestimmt sich nach den §§ 13, 15 – 19 ZPO i. V. m. den §§ 7–11 BGB. Somit ist der Wohnsitz des Erblassers, hilfsweise sein Aufenthaltsort oder sein letzter Wohnsitz, entscheidend. Bei mehreren allgemeinen Gerichtsständen, etwa bei mehreren Wohnsitzen i. S. des § 7 Abs. 2 BGB, ist § 3 Abs. 2 maßgeblich, wonach das Insolvenzgericht zuständig bleibt, das zuerst angerufen wurde. 3.
3
4
Erblasser mit Wohnsitz im Ausland
Sofern der Erblasser weder im Inland einen Wohnsitz hatte noch eine selbständige Tätigkeit ausübte, im Inland aber über Vermögenswerte verfügte, kann grundsätzlich gemäß Art. 102 Abs. 3 Satz 1 EGInsO die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens beantragt werden und zwar am Insolvenzgericht des belegenen Vermögens (§ 23 ZPO).
5
Dies gilt allerdings nicht im Verhältnis zu den Vertragsstaaten der EuInsVO. Art. 3 Abs. 2, Art. 27 EuInsVO setzt für die Eröffnung des Partikularinsolvenzverfahrens voraus, dass der Erblasser eine gewerbliche Niederlassung im Inland hatte. War eine solche nicht gegeben, ist die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß Art. 3 EuInsVO nur bei dem Gericht des Mitgliedstaats zu beantragen, in dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hatte.3)
6
Gemäß Art. 17 Abs. 1 EuInsVO entfaltet die Verfahrenseröffnung im Mitgliedstaat jedoch die haftungsbeschränkende Wirkung auch im Inland.
7
_____________ 1) 2) 3)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 3 Rz. 10. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 315 Rz. 4. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 315 Rz. 8.
Busch
1539
§ 316
Zulässigkeit der Eröffnung
III. Tod des Schuldners im Insolvenzverfahren 8
Stirbt der Schuldner während des gegen ihn eröffneten Insolvenzverfahrens – sei es ein Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren –, wird dieses Verfahren wegen der gleichlautenden Insolvenzgründe in Regel- und Nachlassinsolvenz (§§ 17, 329) ohne weiteres in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet. Verfahrensrechtlich ist Schuldner dann der Erbe. Ansprüche der Neugläubiger, die z. B. nach Freigabe einer selbständigen Tätigkeit entstanden sind, richten sich nach dem Tod des Schuldners und der Überleitung des Insolvenzverfahrens in ein Nachlassinsolvenzverfahren gegen den Erben. Neugläubiger sind keine Insolvenzgläubiger des Nachlassinsolvenzverfahrens. Ihnen haftet der Erbe, dem die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass zur Verfügung steht.4) Die Zuständigkeit des ursprünglichen Insolvenzgerichts bleibt bestehen.5) Das Verbraucherinsolvenzverfahren wird von Amts wegen als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt.6) Das Insolvenzgericht ist durch die Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses nicht gehindert, eine andere geeignete Person nachträglich zum Nachlassinsolvenzverwalter zu ernennen.7) Ist das Verbraucherinsolvenzverfahren bereits aufgehoben und befindet sich das Verfahren in der Wohlverhaltensphase, scheidet ein Verfahrensübergang aus. _____________ 4) 5) 6) 7)
BGH, Urt. v. 26.09.2013 – IX ZR 3/13, ZIP 2014, 137 Rz. 16, dazu EWiR 2014, 253 (Floeth); Fischinger, ZInsO 2013, 365, 369. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 315 Rz. 17. BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798 = ZVI 2008, 183, dazu EWiR 2008, 573 (Floeth); Siegmann in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 315 bis 331 Rz. 5. BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798, 800 Rz. 20 = ZVI 2008, 183.
§ 316 Zulässigkeit der Eröffnung (1) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat oder daß er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. (2) Sind mehrere Erben vorhanden, so ist die Eröffnung des Verfahrens auch nach der Teilung des Nachlasses zulässig. (3) Über einen Erbteil findet ein Insolvenzverfahren nicht statt. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Zulässigkeit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ............. 4
I. 1
1. 2. 3.
Ausstehende Erbschaftsannahme ......... 4 Unbeschränkte Haftung des Erben ..... 7 Nachlassteilung ..................................... 9
Normzweck
Der Schwebezustand zwischen dem Erbfall bis zur Annahme der Erbschaft ist kein Hindernis für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Eine Trennung vom sonstigen Vermögen des Schuldners ist schon zu diesem Zeitpunkt möglich,
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Busch
§ 316
Zulässigkeit der Eröffnung
um den Nachlassgläubigern die Möglichkeit zu verschaffen, ungehindert vor etwaigen persönlichen Gläubigern des Erben auf den Nachlass zugreifen zu können. Eine Antragsverpflichtung besteht jedoch für den vorläufigen Erben nicht. Vor diesem Hintergrund gilt auch, dass ein Nachlassinsolvenzverfahren zulässig bleibt, wenn der Erbe unbeschränkt gemäß § 1994 Abs. 1 Satz 2, §§ 2005, 2006 Abs. 3 Satz 1 BGB haftet.
2
Auch nach der Teilung des Nachlasses ist das Nachlassinsolvenzverfahren möglich. Über einen Erbteil, der gemäß § 859 Abs. 2 ZPO der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist die Nachlassinsolvenz hingegen nicht zulässig.
3
II. Zulässigkeit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens 1.
Ausstehende Erbschaftsannahme
Mit dem Erbfall geht der Nachlass gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben über unbeschadet seines Rechts, die Erbschaft gemäß § 1942 Abs. 1 BGB auszuschlagen. Erst mit der Annahme wird der vorläufige Erbe zum endgültigen (§ 1943 BGB). Der Nachlass fällt vorläufig in die Masse, falls der Schuldner vor der Eröffnung des Verfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden ist.1)
4
Nachlassgläubiger, aber auch der vorläufige Erbe können gemäß § 317 den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens schon vorher stellen. Den vorläufigen Erben trifft jedoch etwa zur Vermeidung etwaiger Schadensersatzansprüche gemäß § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Pflicht zur Antragsstellung.2) Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit löst eine derartige Verpflichtung nicht aus. Die Schonungseinreden der §§ 2014 ff BGB schließen ein Nachlassinsolvenzverfahren nicht aus.3)
5
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sich stellt keine konkludente Erbschaftsannahme dar.4)
6
2.
Unbeschränkte Haftung des Erben
Das Insolvenzverfahren erfolgt in diesem Fall im Interesse der Nachlassgläubiger, die auf den Nachlass ungehindert zugreifen und die Eigengläubiger des Erben hiervon ausschließen wollen. Für den Erben hat im Fall einer schon bestehenden unbeschränkten Haftung das Nachlassinsolvenzverfahren keinen Sinn mehr. Unbeschränkt haftet der Erbe den Nachlassgläubigern, wenn er eine vom Nachlassgericht gesetzte Inventarfrist versäumt hat (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB), das Inventar absichtlich unrichtig erstellt hat (§ 2005 BGB) sowie schließlich dann, wenn er die
_____________ 1) 2) 3) 4)
BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258 = ZVI 2006, 452, dazu EWiR 2006, 659 (Stahlschmidt). Palandt-Weidlich, BGB, § 1980 Rz. 1; BGH, Urt. v. 8.12.2004 – IV ZR 199/03, ZVI 2005, 21 = ZEV 2005, 111, m. Anm. Marotzke. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 316 Rz. 2. Palandt-Weidlich, BGB, § 1980 Rz. 1.
Busch
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§ 317
Antragsberechtigte
eidesstattliche Versicherung zur Richtigkeit des aufgestellten Inventars nicht abgibt (§ 2006 Abs. 3 Satz 1 BGB). 8
§ 2013 Abs. 1 BGB ermöglicht bei unbeschränkter Haftung des Erben den unbeschränkten Zugriff der Nachlassgläubiger auf das sonstige Vermögen des Erben. Unbeschadet des Vollstreckungsverbots des § 89 können die Nachlassgläubiger deshalb im Fall der unbeschränkten Haftung des Erben – aber nur dann – auch in sein persönliches Vermögen vollstrecken.5) 3.
Nachlassteilung
9
Die Nachlassteilung, die gemäß § 2047 Abs. 1 BGB erst nach Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten erfolgen soll, steht bei einer Mehrheit von Erben der Nachlassinsolvenz nicht entgegen. Die Miterben müssen das, was sie im Wege der Teilung erhalten haben, wieder an den Insolvenzverwalter herausgeben.6) Nach § 1978 Abs. 1, §§ 666, 667 BGB besteht zudem auch eine entsprechende Auskunftspflicht über das Erlangte. In beiden Fällen ist maßgeblich der Zeitpunkt der Teilung, nicht der der Insolvenzeröffnung.7)
10
Entgegen der Möglichkeit, gemäß § 859 Abs. 2 ZPO in den Miterbenanteil zu vollstrecken, ist ein Nachlassinsolvenzverfahren im Hinblick auf die Gesamthandsgemeinschaft der Miterben ausgeschlossen (§§ 2039, 2040 BGB). _____________ 5) 6) 7)
Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 316 Rz. 3; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 316 Rz. 4. Uhlenbruck-Lüer, InsO,§ 316 Rz. 5. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 316 Rz. 13; a. A. Siegmann in: MünchKommInsO, § 316 Rz. 4.
§ 317 Antragsberechtigte (1) Zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Nachlaß ist jeder Erbe, der Nachlaßverwalter sowie ein anderer Nachlaßpfleger, ein Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, und jeder Nachlaßgläubiger berechtigt. (2) 1Wird der Antrag nicht von allen Erben gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird. 2Das Insolvenzgericht hat die übrigen Erben zu hören. (3) Steht die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zu, so ist, wenn der Erbe die Eröffnung beantragt, der Testamentsvollstrecker, wenn der Testamentsvollstrecker den Antrag stellt, der Erbe zu hören. Literatur: Marotzke, Die Stellung der Nachlassgläubiger in der Eigeninsolvenz des Erben, in: Festschrift für Gerhard Otte, 2005, S. 223. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Antragsberechtigte .............................. 2
1542
1.
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Antragsrecht und -pflicht des Erben ...................................................... 2
§ 317
Antragsberechtigte 2.
Antragsrecht der Nachlassgläubiger ................................................. 4
I.
Normzweck
3.
Antragsrecht des Nachlassverwalters, Nachlasspflegers, Testamentsvollstreckers ....................... 5 III. Anhörungspflichten des Gerichts ...... 6
Die Bestimmung regelt, wer berechtigt ist, einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen. Eine Eröffnung von Amts wegen scheidet aus.
1
II. Antragsberechtigte 1.
Antragsrecht und -pflicht des Erben
Jeder Erbe, auch der Ersatz-, Vor- und Nacherbe ist zur Antragstellung berechtigt,1) der Vorerbe jedoch nur bis zum Eintritt des Nacherbfalls (§ 2139 BGB). Bestehen hinsichtlich der Erbenstellung Zweifel, ist die Antragsberechtigung durch Vorlage des Erbscheins nachzuweisen.2) Wer die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten hat, ist zur Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht mehr berechtigt.3) Es mangelt schon an der Behauptung, überhaupt Erbe zu sein. Als Mittel zur Haftungsbeschränkung bleibt die Beantragung der Nachlasspflegschaft. Der Nachlasspfleger ist berechtigt und verpflichtet Nachlassinsolvenzantrag mit haftungsbeschränkender Wirkung für den Erben zu stellen,4) vorausgesetzt, der Erbe hatte den Vorbehalt der Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass rechtzeitig geltend gemacht. Bei Verkauf der Erbschaft endet das Antragsrecht des Erben (§ 330 Rz. 3), dieses steht nun dem Erbschaftskäufer zu (siehe dazu § 330 Rz. 1). Im Fall der Eigeninsolvenz des Erben geht das Antragsrecht im Hinblick auf § 80 auf den Insolvenzverwalter über.5) Bei mehreren Erben muss gemäß Absatz 2 der Eröffnungsgrund des § 320 glaubhaft gemacht werden (§ 294 Abs. 1 ZPO), wenn der Antrag nicht von allen Erben gestellt wird. Vor einer gerichtlichen Entscheidung müssen die übrigen Erben angehört werden. Der Alleinerbe ist nicht zur Glaubhaftmachung verpflichtet. Eine Frist zur Antragstellung ist für ihn nicht vorgesehen. Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (§ 320). Prozesskostenhilfe wird hierfür nicht gewährt.6)
2
Nach § 1980 Abs. 1 BGB ist der Erbe erst nach Annahme der Erbschaft,7) sofern er Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (vgl. § 320 Rz. 3 ff) des Nachlasses hat, zur unverzüglichen Antragstellung verpflichtet. Das gilt jeden_____________
3
1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 317 Rz. 2. LG Köln, Beschl. v. 24.6.2003 – 19 T 84/03, NZI 2003, 501. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 74/10, ZVI 2011, 367 = ZEV 2011, 544, m. Anm. Marotzke. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 74/10, ZVI 2011, 367 Rz. 12 = ZEV 2011, 544, m. Anm. Marotzke. Blersch/Goetsch/Haas-v. Ohlshausen, InsR, § 83 InsO Rz. 8; a. A. Marotzke in: FS Otte, S. 230. LG Neuruppin, Beschl. v. 3.8.2004 – 5 T 219/04, ZVI 2005, 40 ff = ZInsO 2004, 1090; Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 317 Rz. 12. BGH, Urt. v. 8.12.2004 – IV ZR 199/03, ZVI 2005, 21 = ZEV 2005, 111, m. Anm. Marotzke.
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§ 317
Antragsberechtigte
falls dann, wenn der Nachlass die Verfahrenskosten deckt.8) Die Verpflichtung besteht auch bei angeordneter Nachlasspflegschaft i. R. eines schwebenden Erbprätendentenstreits für den Erben, der die Erbschaft angenommen hat, fort.9) Die drohende Zahlungsunfähigkeit löst jedoch keine Antragspflicht aus.10) 2. 4
Der Nachlassgläubiger kann den Antrag nur für Nachlassverbindlichkeiten (§ 325) innerhalb einer Frist von zwei Jahren seit Annahme der Erbschaft stellen (§ 319). Drohende Zahlungsunfähigkeit ist kein Eröffnungsgrund. Gemäß § 14 Abs. 1 sind Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung als jeweiliger Eröffnungsgrund und die Nachlassforderung gemäß § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen. 3.
5
Antragsrecht der Nachlassgläubiger
Antragsrecht des Nachlassverwalters, Nachlasspflegers, Testamentsvollstreckers
Der Nachlassverwalter ist gemäß § 1985 Abs. 2 Satz 2, § 1980 Abs. 1 BGB wie der Erbe sogar verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Nachlasspflegschaft beseitigt aber nicht das Antragsrecht des Erben.11) Der Nachlasspfleger (§ 1960 Abs. 1 BGB) ist ebenso wie der verwaltende Testamentsvollstrecker (§ 2209 BGB) antragsberechtigt. Der Eröffnungsantrag des Nachlasspflegers ist bereits zulässig, wenn er den Insolvenzgrund in nachvollziehbarer Form darlegt.12) Einer Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes bedarf es nicht.13) Eine Antragspflicht besteht für den Nachlasspfleger und für den verwaltenden Testamentsvollstrecker nicht.14) Dem Spezialtestamentsvollstrecker des § 2208 Abs. 1 Satz 2 BGB und dem Testamentsvollstrecker mit beaufsichtigenden Befugnissen gemäß § 2208 Abs. 2 BGB steht ein Antragsrecht allerdings nicht zu.15) III. Anhörungspflichten des Gerichts
6
Stellt ein einzelner Miterbe einen Insolvenzantrag, sind die übrigen Erben vor einer Entscheidung anzuhören (Abs. 2). Falls Testamentsvollstreckung angeordnet ist, besteht eine gegenseitige Anhörungspflicht zwischen Erbe und Testamentsvollstrecker (Abs. 3).
_____________ 8) Marotzke in: HK-InsO, § 317 Rz. 2; Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 317 Rz. 4 f. 9) BGH, Urt. v. 8.12.2004 – IV ZR 199/03, ZVI 2005, 21 = ZEV 2005, 111, m. Anm. Marotzke. 10) Palandt-Weidlich, BGB, § 1980 Rz. 1. 11) Marotzke in: HK-InsO, § 317 Rz. 9. 12) BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, ZIP 2007, 1868 = ZVI 2007, 612, dazu EWiR 2008, 111 (Floeth). 13) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 74/10 Rz. 14, ZVI 2011, 367 = ZEV 2011, 544, m. Anm. Marotzke. 14) Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 317 Rz. 7. 15) Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 317 Rz. 4.
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§ 318
Antragsrecht beim Gesamtgut
§ 318 Antragsrecht beim Gesamtgut (1) 1Gehört der Nachlaß zum Gesamtgut einer Gütergemeinschaft, so kann sowohl der Ehegatte, der Erbe ist, als auch der Ehegatte, der nicht Erbe ist, aber das Gesamtgut allein oder mit seinem Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlaß beantragen. 2Die Zustimmung des anderen Ehegatten ist nicht erforderlich. 3Die Ehegatten behalten das Antragsrecht, wenn die Gütergemeinschaft endet. (2) 1Wird der Antrag nicht von beiden Ehegatten gestellt, so ist er zulässig, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird. 2Das Insolvenzgericht hat den anderen Ehegatten zu hören. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Lebenspartner entsprechend. Übersicht I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Antragsberechtigung im Fall der Gütergemeinschaft .............................. 2
Die Bestimmung ergänzt die Antragsberechtigung im Fall des Vorliegens einer Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB). Das Vermögen des Mannes und der Frau wird dort gemäß § 1416 Abs. 1 BGB gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut); hierzu zählt auch eine Erbschaft, die ein Ehegatte ohne die Zustimmung des anderen annehmen kann (§ 1432 Abs. 1 BGB). Für etwaige Nachlassverbindlichkeiten haftet jedoch dann grundsätzlich auch das Gesamtgut (§ 1437 Abs. 1 BGB). Dem Ehegatten, der nicht Erbe ist, wird konsequenterweise zur Haftungsbeschränkung ein eigenes Antragsrecht eingeräumt. Fällt der Nachlass in das Sonder- bzw. Vorbehaltsgut gemäß §§ 1417, 1418 Abs. 2 Nr. 1 BGB, greift die Bestimmung nicht ein. Dann bleibt es bei dem alleinigen Antragsrecht des verwaltenden Ehegatten.
1
II. Antragsberechtigung im Fall der Gütergemeinschaft Das Antragsrecht steht sowohl dem Ehegatten, der Erbe ist, als auch dem anderen Ehegatten, der das Gesamtgut allein oder mit seinem Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet, zu. Eine Zustimmung des anderen Ehegatten zur Antragstellung ist nicht erforderlich. Der Eröffnungsgrund (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit – jedoch nur für den erbenden Ehegatten – oder Überschuldung) ist, wenn der Antrag nicht von beiden Ehegatten gestellt wird, glaubhaft zu machen i. S. des § 294 ZPO. Vor einer Entscheidung hat das Insolvenzgericht den anderen Ehegatten anzuhören.
2
Die Ehegatten behalten das Antragsrecht gemäß Absatz 1 Satz 3 bis zur Beendigung der Gütergemeinschaft im Hinblick auf die fortdauernde Haftung gemäß § 1437 Abs. 1, § 1472 Abs. 1 BGB.
3
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§ 319
Antragsfrist
§ 319 Antragsfrist Der Antrag eines Nachlaßgläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist unzulässig, wenn seit der Annahme der Erbschaft zwei Jahre verstrichen sind. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Geltungsbereich und Beginn der Antragsfrist ........................................... 2
I. 1
1. 2.
Zwei-Jahres-Frist nur für Nachlassgläubiger ........................................... 2 Fristbeginn ............................................. 3
Normzweck
Die Trennung zwischen Eigenvermögen des Erben und dem Nachlass wird durch Zeitablauf immer schwieriger. Deshalb sieht die Bestimmung, die sich an § 1981 Abs. 2 Satz 2 BGB – Antrag auf Nachlassverwaltung – anlehnt, eine Befristung vor. II. Geltungsbereich und Beginn der Antragsfrist 1.
2
2. 3
Zwei-Jahres-Frist nur für Nachlassgläubiger
Die Frist gilt nur für Nachlassgläubiger, nicht für die übrigen Antragsberechtigten des § 317. Diese können noch Jahre nach dem Erbfall den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellen, der Erbe jedoch nur unter der Einschränkung der möglichen Schadensersatzverpflichtung gemäß § 1980 Abs. 1 BGB. Fristbeginn
Es handelt sich bei der Frist um eine Ausschlussfrist, sodass ein verspäteter Antrag als unzulässig abzuweisen ist. Das Gericht prüft diese Frist von Amts wegen. Sie beginnt mit der Erbschaftsannahme oder mit Ablauf der Ausschlagungsfrist für die Erbschaftsannahme (§ 1943 BGB). Die Erbschaftsannahme ist auch durch schlüssiges Verhalten möglich.1) Im Fall der Vor- und Nacherbschaft können die Nachlassgläubiger auch nach dem Eintritt des Nacherbfalls (§ 2139 BGB) einen entsprechenden Antrag stellen. Die Frist beginnt nicht deshalb eher, weil der Nacherbe die Erbschaft, wozu er berechtigt ist, vor dem Nacherbfall annimmt. Eine Haftung wird durch diese vorzeitige Annahme nicht begründet.2) Bei einer Erbengemeinschaft beginnt die Ausschlussfrist erst dann zu laufen, wenn alle Erben angenommen haben; auf die Annahme des letzten Erben ist abzustellen.3) Bei Testamentsvollstreckung beginnt wegen der Verfügungsbeschränkung des Erben nach § 2211 BGB die Frist erst ab deren Beendigung (§§ 2225 ff BGB).4)
_____________ 1) 2) 3) 4)
Palandt-Weidlich, BGB, § 1943 Rz. 2. Palandt-Weidlich, BGB, § 2142 Rz. 5; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 320 Rz. 3. Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 320 Rz. 3. Marotzke in: HK-InsO, § 320 Rz. 4 m. w. N.
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§ 320
Eröffnungsgründe
§ 320 Eröffnungsgründe Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Nachlaß sind die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. Beantragt der Erbe, der Nachlaßverwalter oder ein anderer Nachlaßpfleger oder ein Testamentsvollstrecker die Eröffnung des Verfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Die Eröffnungsgründe im Einzelnen .............................................. 2
I.
1. 2. 3.
Zahlungsunfähigkeit .............................. 3 Überschuldung ...................................... 4 Drohende Zahlungsunfähigkeit ........... 6
Normzweck
Die Regelung schreibt die allgemeinen Bestimmungen der §§ 17–19 über die Eröffnungsvoraussetzungen fort. War nach der KO nur die Überschuldung Eröffnungsgrund, kann nun auch bei Zahlungsunfähigkeit und – mit Ausnahme des Nachlassgläubigers – sogar bei drohender Zahlungsunfähigkeit Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt werden. Der Reformgesetzgeber will durch die Erweiterung der Eröffnungsgründe auch in Nachlassinsolvenzverfahren die Eröffnungsquote steigern. Abzustellen ist im Hinblick auf den jeweiligen Eröffnungsgrund auf die Person des Erben; er hat die verfahrensrechtliche Stellung eines Schuldners – beschränkt auf den Nachlass.1)
1
II. Die Eröffnungsgründe im Einzelnen Gemäß § 16 setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass ein Eröffnungsgrund zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gegeben ist. Dieser ist glaubhaft zu machen, sofern den Antrag ein Nachlassgläubiger, nur einer der Miterben oder nur ein Ehegatte in einer Gütergemeinschaft stellt (§ 317 Abs. 2, § 318), (§ 14 Abs. 1, § 294 Abs. 1 ZPO). Ergänzend zu den ausführlichen Kommentierungen zu §§ 17 – 19 (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung), auf die verwiesen wird, werden die Eröffnungsgründe kurz skizziert: 1.
Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähig gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 ist der Erbe als Träger des Nachlasses, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Seine sonstige Liquidität spielt hierbei keine Rolle. Eine Zahlungsstockung stellt keinen Insolvenzgrund dar; sie darf nur vorübergehender Natur sein und einen Zeitraum von drei Wochen nicht überschreiten. Auch eine geringfügige Liquiditätslücke – unter 10 % – reicht für sich nicht als Beleg für die Zahlungsunfähigkeit.2)
_____________ 1) 2)
2
Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, Vor §§ 315 ff Rz. 29 ff, § 320 Rz. 3. BGH Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 ff = ZVI 2005, 408, dazu EWiR 2005, 767 (Bruns).
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§ 321 2.
Zwangsvollstreckung nach Erbfall
Überschuldung
4
Überschuldung des Nachlasses liegt gemäß § 19 Abs. 2 vor, wenn der Nachlass die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr abdeckt. Es hat eine Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva des Nachlasses stattzufinden. Die Bewertung der Nachlassgegenstände erfolgt grundsätzlich nach Liquidationswerten.3) Sofern zu dem Nachlass noch ein aktives Unternehmen gehört, sind insoweit Fortführungswerte anzusetzen, wenn eine Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2).4)
5
Den Aktiva sind Ersatzansprüche des Erben gemäß § 1978 Abs. 2 BGB und wieder-
auflebende Rechte nach §§ 1976, 1977 BGB hinzuzurechnen, bei den Passiva sind Vermächtnisse und Auflagen mit einzustellen.5) 3. 6
Drohende Zahlungsunfähigkeit
Dieser Eröffnungsgrund steht nur dem Nachlassgläubiger nicht zur Seite. Zu berücksichtigen sind die voraussichtlichen Zahlungsverpflichtungen, die auf den Erben als Träger des Nachlasses zukommen. Der Erbe droht, zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten aus dem Nachlass im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2). Die drohende Zahlungsunfähigkeit löst jedoch nicht die Insolvenzantragspflicht des Erben nach § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB aus.6) _____________ 3) 4) 5) 6)
BayObLG, Beschl. v. 11.1.1999 – 1 Z BR 113/98, NJW-RR 1999, 590 ff. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 320 Rz. 5; Marotzke in: HK-InsO, § 320 Rz. 3. Palandt-Weidlich, BGB, § 1980 Rz. 3. Palandt-Weidlich, BGB, § 1980 Rz. 3.
§ 321 Zwangsvollstreckung nach Erbfall Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in den Nachlaß, die nach dem Eintritt des Erbfalls erfolgt sind, gewähren kein Recht zur abgesonderten Befriedigung. Übersicht I. 1. 2.
1
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Eintritt des Erbfalls ..... 1 Relative Unwirksamkeit ....................... 1 Zeitraum der Vollstreckungsmaßnahme ............................................. 2
3. Pfändung durch Eigengläubiger ........... 3 II. Rechtsbehelfe gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ................. 4
I.
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Eintritt des Erbfalls
1.
Relative Unwirksamkeit
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Nachlass – also gegen den Erben als Träger des Nachlasses – sind relativ unwirksam. Im Fall der zulässigen Verwertung der ge-
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§ 321
Zwangsvollstreckung nach Erbfall
pfändeten Sachen durch den Insolvenzverwalter1) werden sie absolut unwirksam, ansonsten wird die Unwirksamkeit nach Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens beseitigt. Die Zwangsvollstreckung könnte dann fortgesetzt werden.2) Unter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind alle Maßnahmen des Achten Buches der ZPO zu verstehen, somit auch Arrest und einstweilige Verfügung. Ebenso zählt dazu die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangte Vormerkung.3) Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung dem Grundgedanken des § 1 der gleichmäßigen Gläubigerbefriedung Rechnung tragen und den Nachlass in den Zustand zurückversetzen, in dem er sich zum Zeitpunkt des Erbfalls befunden hat. 2.
Zeitraum der Vollstreckungsmaßnahme
Die Vorschrift betrifft nur Vollsteckungsmaßnahmen, die nach dem Erbfall erfolgen. Sie gilt aber auch für Vorpfändungen nach § 845 ZPO, bei denen der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erst nach dem Erbfall bewirkt wurde.4) Die Eintragung einer Sicherungshypothek ist erst dann als erfolgte Zwangsvollstreckungsmaßnahme anzusehen, wenn auf dieser Grundlage eine Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung durchgeführt worden ist.5) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die vorher abschließend erfolgt sind, unterliegen jedoch ggf. als inkongruente Deckung der Anfechtung gemäß §§ 129 ff. 3.
2
Pfändung durch Eigengläubiger
Eigengläubiger des Erben, die nach dem Erbfall in den Nachlass vollstreckt haben, werden nicht von der Vorschrift des § 321 erfasst.6) Der Eigengläubiger hat dem Insolvenzverwalter das Erlangte gemäß §§ 812 ff BGB zur Nachlassinsolvenzmasse auszukehren.
3
II. Rechtsbehelfe gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit der Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO gegen eine drohende Verwertung. Der Gläubiger hingegen muss seine Forderung als einfache Forderung zur Tabelle anmelden. Sofern der Insolvenzverwalter die gesicherte Sache aber nicht verwertet oder freigibt, lebt das Recht des Gläubigers wieder auf.7)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 321 Rz. 3; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 321 Rz. 5. LG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2002 – 1 T 39/01, ZEV 2002, 370; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 321 Rz. 5. Marotzke in: HK-InsO, § 321 Rz. 4. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 321 Rz. 4; Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 321 Rz. 4. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2003 – 3 Wx 302/02, ZInsO 2003, 804 = NZI 2004, 94. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 321 Rz. 2; Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 321 Rz. 8. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 321 Rz. 5.
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§ 322
Anfechtbare Rechtshandlungen des Erben
§ 322 Anfechtbare Rechtshandlungen des Erben Hat der Erbe vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Nachlaß Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so ist diese Rechtshandlung in gleicher Weise anfechtbar wie eine unentgeltliche Leistung des Erben. Übersicht I. Rückgewähr durch Anfechtung ......... 1 II. Im Einzelnen ........................................ 4 1. Erfüllung aus dem Nachlass ................. 4
I.
2. 3. 4.
Anfechtbarkeit in gleicher Weise wie unentgeltliche Leistung .................. 5 Umfang des Anspruchs ......................... 6 Beweislast ............................................... 7
Rückgewähr durch Anfechtung
1
Wie in § 321 will auch diese Vorschrift den Zustand wieder herstellen, in dem sich der Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalls befunden hat.
2
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß §§ 2303, 2325 BGB, aber auch Vermächtnisse und Auflagen, die aus dem Nachlass als Nachlassverbindlichkeiten erfüllt werden, sind als nachrangige Verbindlichkeiten i. S. des § 327 eingestuft und stehen sogar hinter den nachrangigen Verbindlichkeiten des § 39. Die Anfechtbarkeit richtet sich nach § 134 i. V. m. § 143 Abs. 2. Soweit der Empfänger redlich ist, haftet er nach Bereicherungsgrundsätzen. Sobald er weiß oder den Umständen nach grob fahrlässig annehmen muss, dass die Nachlassgläubiger durch die Leistung benachteiligt werden, entfällt die Privilegierung nach Bereicherungsgrundsätzen.
3
Im Übrigen ist auch in der Nachlassinsolvenz eine Anfechtung nach allgemeinen Regeln zulässig. Bei Rechtshandlungen vor dem Erbfall ist auf die Person des Erblassers, für die Zeit danach auf die Person des Erben abzustellen.1) II. Im Einzelnen 1.
4
Hierzu zählt auch der Einsatz eigener Mittel des Erben. In diesem Fall kann dem Erben ein Ersatzanspruch gemäß § 1978 Abs. 3 BGB zustehen.2) Ein Rückgewähranspruch ist ebenfalls gegeben, wenn die Erfüllung durch den Vor- bzw. Nacherben oder auch durch den Testamentsvollstrecker erfolgt ist.3) Aus dem Nachlass erfüllt ist auch, was der Berechtigte im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt.4) 2.
5
Erfüllung aus dem Nachlass
Anfechtbarkeit in gleicher Weise wie unentgeltliche Leistung
Die Anfechtung richtet sich nach § 134; gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke sind ausgenommen (§ 134 Abs. 2). Ausgenommen sind auch Leistungen, die _____________ 1) 2) 3) 4)
Blersch/Goetsch/Haas-Goetsch, InsR, § 322 InsO Rz. 6. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 322 Rz. 3. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 322 Rz. 4. Kreft-Kreft, HK-InsO, § 141 Rz. 4.
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§ 323
Aufwendungen des Erben
länger als vier Jahre – gerechnet vom Zeitpunkt des Eröffnungsantrags – zurückliegen (§ 139 Abs. 1). 3.
Umfang des Anspruchs
Der Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters gegen den Empfänger bemisst sich nach § 143 Abs. 2. Der Empfänger hat an die Insolvenzmasse nach Bereicherungsgrundsätzen das Erlangte zurückzugeben (§ 818 Abs. 1 – 3 BGB). Sofern er bei Empfang der Leistung redlich war, haftet er nicht, falls er die Sache nicht oder nur im Wert vermindert herausgeben kann; sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die ihm zugebilligte Leitung die Insolvenzgläubiger benachteiligt, also der Nachlass überschuldet ist, haftet der Empfänger unbeschränkt.5) 4.
6
Beweislast
Für den Ablauf der Vier-Jahres-Frist ist der Verpflichtete, für die Unentgeltlichkeit und Bösgläubigkeit der Insolvenzverwalter beweispflichtig.6)
7
_____________ 5) 6)
Kreft-Kreft, HK-InsO, § 143 Rz. 28. Kreft-Kreft, HK-InsO, § 143 Rz. 33, § 134 Rz. 14, 15.
§ 323 Aufwendungen des Erben Dem Erben steht wegen der Aufwendungen, die ihm nach den §§ 1978, 1979 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Nachlaß zu ersetzen sind, ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Aufwendungsanspruch des Erben ..... 2
I.
1. 2.
Kein Zurückbehaltungsrecht ................ 2 Erhalt der Aufrechnung ........................ 3
Normzweck
Grundsätzlich hat der Erbe, sofern er nicht gemäß § 2013 Abs. 1 BGB unbeschränkt haftet, für Aufwendungen aus Erbschaftsgeschäften gemäß § 1978 Abs. 3 BGB ein Zurückbehaltungsrecht. Im Nachlassinsolvenzverfahren sind diese Aufwendungen gemäß § 324 Abs. 1 Nr. 1 Masseschulden. Im Hinblick auf eine schleunige Verfahrensabwicklung ist dem Erben in der Nachlassinsolvenz ein Zurückbehaltungsrecht ausdrücklich untersagt.
1
II. Aufwendungsanspruch des Erben 1.
Kein Zurückbehaltungsrecht
Betroffen hiervon ist nicht nur der gesamte Nachlass. Kein Zurückbehaltungsrecht besteht auch gegenüber einem Auskunftsanspruch und dem Anspruch auf Rechnungslegung gemäß § 666 BGB, dem Anspruch auf Herausgabe der Surrogate und der Ersatzverpflichtung wegen Verwendung von Nachlassmitteln für eigene
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§ 324
Masseverbindlichkeiten
Zwecke gemäß § 668 BGB.1) Andere Zurückbehaltungsrechte, die sich nicht aus dem Erbfall ableiten, sondern vertraglicher Natur sind, bleiben jedoch unberührt.2) 2. 3
Erhalt der Aufrechnung
Die Möglichkeit der Aufrechnung wird durch § 323 nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 94 – 98 nicht ausgeschlossen.3) Dies gilt auch für eine etwaige Anfechtung.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 323 Rz. 2. Blersch/Goetsch/Haas-Goetsch, InsR, § 323 InsO Rz. 6. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 323 Rz. 2. Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 323 Rz. 5e.
§ 324 Masseverbindlichkeiten (1) Masseverbindlichkeiten sind außer den in den §§ 54, 55 bezeichneten Verbindlichkeiten: 1.
die Aufwendungen, die dem Erben nach den §§ 1978, 1979 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Nachlaß zu ersetzen sind;
2.
die Kosten der Beerdigung des Erblassers;
3.
die im Falle der Todeserklärung des Erblassers dem Nachlaß zur Last fallenden Kosten des Verfahrens;
4.
die Kosten der Eröffnung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen, der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses, einer Nachlaßpflegschaft, des Aufgebots der Nachlaßgläubiger und der Inventarerrichtung;
5.
die Verbindlichkeiten aus den von einem Nachlaßpfleger oder einem Testamentsvollstrecker vorgenommenen Rechtsgeschäften;
6.
die Verbindlichkeiten, die für den Erben gegenüber einem Nachlaßpfleger, einem Testamentsvollstrecker oder einem Erben, der die Erbschaft ausgeschlagen hat, aus der Geschäftsführung dieser Personen entstanden sind, soweit die Nachlaßgläubiger verpflichtet wären, wenn die bezeichneten Personen die Geschäfte für sie zu besorgen gehabt hätten.
(2) Im Falle der Masseunzulänglichkeit haben die in Absatz 1 bezeichneten Verbindlichkeiten den Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Masseverbindlichkeiten in der Nachlassinsolvenz ................................ 1. Aufwendungsersatz des Erben gemäß §§ 1978, 1979 BGB (Abs. 1 Nr. 1) ........................................ 2. Beerdigungskosten (Abs. 1 Nr. 2) .......
3 4
1552
Busch
1
3.
3
4.
Kosten der Todeserklärung (Abs. 1 Nr. 3) ........................................ 5 Sonstige Nachlasskosten (Abs. 1 Nr. 4) ........................................ 6
§ 324
Masseverbindlichkeiten 5.
Rechtsgeschäfte des Nachlasspflegers/Nachlassverwalters oder Testamentsvollstreckers (Abs. 1 Nr. 5) ........................................ 7
I.
Normzweck
6.
Verbindlichkeiten des Erben gegenüber einem Erben, Nachlasspfleger oder einem ausschlagenden Erben (Abs. 1 Nr. 6) ........ 8 III. Rangfolge (Abs. 2) ............................... 9
Die Regelung erweitert die Masseverbindlichkeiten des allgemeinen Insolvenzverfahrens um die Aufwendungsersatzansprüche, die typischerweise i. R. der ordnungsgemäßen Verwaltung einer Erbschaft anfallen. Im Fall der Masseunzulänglichkeit nach entsprechender Anzeige gemäß § 208 Abs. 1 hat der Insolvenzverwalter die Masseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 zu berichtigen, wobei die Masseverbindlichkeiten des § 324 Abs. 1 die letzte Rangstelle vor den Unterhaltsansprüchen des Schuldners und seiner Familienangehörigen nach §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 einnehmen. Die Kosten des Insolvenzverfahrens gehen den Masseverbindlichkeiten im Rang vor (§ 53).
1
Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, die Wirkungen der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens weitestgehend auf den Zeitpunkt des Erbfalls vorzuverlegen.1)
2
II. Masseverbindlichkeiten in der Nachlassinsolvenz 1.
Aufwendungsersatz des Erben gemäß §§ 1978, 1979 BGB (Abs. 1 Nr. 1)
Jeder Erbe – also auch der Vor- und Nacherbe sowie der Miterbe – kann im Insolvenzverfahren Erstattung seiner Aufwendungen gemäß §§ 670, 683 BGB beanspruchen, sofern er nicht gemäß § 2013 Abs. 1 Satz 1 BGB unbeschränkt haftet. Die Forderung muss einen Bezug zum Nachlass haben, es darf also keine Eigenverbindlichkeit des Erben begründet worden sein. Die Aufwendungen haben einer sinnvollen, also ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung zu entsprechen.2) Vergütungsansprüche stehen dem Erben gemäß § 662 BGB nicht zu. 2.
Beerdigungskosten (Abs. 1 Nr. 2)
Die Regelung lehnt sich an § 1968 BGB an3) und umfasst die Kosten einer würdigen und angemessenen Bestattung. Unerheblich ist, ob die Bestattung vor oder nach Insolvenzeröffnung stattgefunden hat.4) Die Kosten für die Pflege und Instandhaltung der Grabstätte werden von dieser Regelung jedoch nicht erfasst. Sterbegelder werden auf die Beerdigungskosten nicht angerechnet.5) 3.
_____________
3) 4) 5) 6)
4
Kosten der Todeserklärung (Abs. 1 Nr. 3)
Das Nachlassinsolvenzverfahren setzt die Todeserklärung begrifflich voraus, sodass es insoweit gerechtfertigt ist, auch die hierfür entstehenden Verfahrenskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Nachlass als Masseverbindlichkeiten aufzubürden.6) 1) 2)
3
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 231, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 592. RG, Urt. v. 26.3.1917 – Rep. VI. 398/16, RGZ 90, 91; Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 324 Rz. 9. BGH, Urt. v. 19.2.1960 – VI ZR 30/59, BGHZ 32, 72 f = NJW 1960, 910. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 324 Rz. 4. OLG Oldenburg, Urt. v. 10.2.1989 – 6 U 266/88, MDR 1990, 1015. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 324 Rz. 15.
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5
§ 325 4. 6
Rechtsgeschäfte des Nachlasspflegers/Nachlassverwalters oder Testamentsvollstreckers (Abs. 1 Nr. 5)
Dieser Personenkreis kann den Nachlass verpflichten. Geschäfte, die somit im Interesse der Nachlassgläubiger i. R. einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses vorgenommen werden, sind aus dem Nachlass als Masseverbindlichkeiten zu berichtigen. Hierzu zählen auch die Kosten, die für einen Prozess aufzuwenden sind sowie Steuerforderungen, die durch Rechtsgeschäfte eines Nachlasspflegers oder Testamentsvollstreckers ausgelöst werden.7) 6.
8
Sonstige Nachlasskosten (Abs. 1 Nr. 4)
Die Kosten für die Eröffnung einer letztwilligen Verfügung gemäß §§ 2060 ff BGB, die Kosten für die Nachlasssicherung gemäß § 1960 Abs. 1 BGB ebenso wie die Kosten von Nachlasspflegschaft und -verwaltung gemäß §§ 1960 ff, 1981 ff BGB und schließlich die Kosten eines Aufgebotsverfahrens gemäß §§ 1970 ff, 989 ff ZPO und der Inventarerrichtung gemäß §§ 1993 ff BGB kommen im Ergebnis den Nachlassgläubigern zugute und sind aus diesem Grund Masseverbindlichkeiten. 5.
7
Nachlassverbindlichkeiten
Verbindlichkeiten des Erben gegenüber einem Erben, Nachlasspfleger oder einem ausschlagenden Erben (Abs. 1 Nr. 6)
Sie werden nur dann Masseverbindlichkeit, wenn die getätigten Rechtsgeschäfte dem Interesse der Nachlassgläubiger und ihrem mutmaßlichen Willen gerecht werden.8) Sofern der Erbe einen solchen Anspruch bereits aus eigenen Mitteln beglichen hat, nimmt er, falls er nicht unbeschränkt gemäß § 2013 BGB haftet, die Stellung des Gläubigers ein.9) III. Rangfolge (Abs. 2)
9
Reicht die Nachlassinsolvenzmasse nicht aus, die Masseverbindlichkeiten voll zu berichtigen, haben die Verbindlichkeiten des § 324 Abs. 1 den Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3. Dies bedeutet, dass sie erst an letzter Rangstelle bedient werden, lediglich noch vor etwaigen jedoch in der Nachlassinsolvenz kaum vorstellbaren Unterhaltsforderungen nach §§ 100, 101. _____________ 7) 8) 9)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 324 Rz. 6. BGH, Urt. v. 23.8.1985 – RiZ (R) 10/84, BGHZ 95, 313 = NJW 1986, 2705; WimmerSchallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 324 Rz. 22. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 324 Rz. 7.
§ 325 Nachlassverbindlichkeiten Im Insolvenzverfahren über einen Nachlaß können nur die Nachlaßverbindlichkeiten geltend gemacht werden. Literatur: Busch, Die Haftung des Erben, 2008. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Nachlassverbindlichkeiten im Einzelnen .............................................. 2
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III. Neuverbindlichkeiten .......................... 3
Busch
§ 326
Ansprüche des Erben
I.
Normzweck
Der Nachlass haftet ausschließlich den Nachlassgläubigern, nicht den Eigengläubigern des Schuldners. Deshalb können in diesem Verfahren nur die Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden. Daneben ist natürlich auch ein Insolvenzverfahren über das Eigenvermögen des Erben möglich. An diesem Verfahren können sich nur Eigengläubiger des Erben beteiligen. Treffen beide Verfahren zusammen, können Nachlassgläubiger in der Erbeninsolvenz nur ihren Ausfall geltend machen (§ 331).
1
II. Nachlassverbindlichkeiten im Einzelnen Ausgehend von § 1967 Abs. 2 BGB zählen hierzu die Erblasserschulden, die in der Person des Erblassers begründet waren, die Erbfallschulden, die mit dem Erbfall entstehen, also Vermächtnis, Pflichtteilsansprüche, Auflagen, Zugewinnausgleichsforderungen und Beerdigungskosten sowie Nachlasserbenschulden, sofern hiervon die Nachlassabwicklung betroffen ist.1) Zu den Erbfallschulden wird die aufzuwendende Erbschaftsteuer gerechnet, nicht aber die Einkommensteuer, die wegen der Einkünfte aus dem Nachlass anfällt.2)
2
III. Neuverbindlichkeiten Stirbt der Schuldner während des Insolvenzverfahrens, werden nach Eröffnung begründete Nachlassverbindlichkeiten nicht dadurch zu Insolvenzforderungen, weil das Verfahren ohne weiteres in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wird. Das gilt auch dann, wenn der Schuldner vor seinem Tod die Forderungen auf Grund einer Freigabe seiner selbständigen Tätigkeit begründete.3) _____________ 1) 2) 3)
Umfassend hierzu Palandt-Weidlich, BGB, § 1967 Rz. 2–9; Busch, Haftung des Erben, Rz. 5 ff. BFH, Urt. v. 28.4.1992 – VII R 33/91, BStBl. II 1992, 781 = NJW 1993, 350. BGH, Urt. v. 26.9.2013 – IX ZR 3/13, ZIP 2014, 137 Rz. 8, 16 f, dazu EWiR 2014, 253 (Floeth).
§ 326 Ansprüche des Erben (1) Der Erbe kann die ihm gegen den Erblasser zustehenden Ansprüche geltend machen. (2) Hat der Erbe eine Nachlaßverbindlichkeit erfüllt, so tritt er, soweit nicht die Erfüllung nach § 1979 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gilt, an die Stelle des Gläubigers, es sei denn, daß er für die Nachlaßverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. (3) Haftet der Erbe einem einzelnen Gläubiger gegenüber unbeschränkt, so kann er dessen Forderung für den Fall geltend machen, daß der Gläubiger sie nicht geltend macht.
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3
§ 326
Ansprüche des Erben Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Die Ansprüche des Erben im Einzelnen .............................................. 2 1. Erblasserschulden .................................. 2
I. 1
2. 3.
Gesetzlicher Forderungsübergang bei Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten .................... 3 Forderungsübergang bei unbeschränkter Haftung ........................... 6
Normzweck
Absatz 1 knüpft an die Bestimmung des § 1976 BGB an, wonach in der Nachlassinsolvenz die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen gelten. Der Erbe kann nun selbst Nachlassgläubiger sein. Absatz 2 beinhaltet einen gesetzlichen Forderungsübergang. Dieser tritt ein, wenn der nicht unbeschränkt haftende Erbe Nachlassverbindlichkeiten berichtigt hat, obwohl er hätte wissen müssen, dass der Nachlass hierzu nicht ausreicht. Durch die Leistung des Erben ist der Nachlass auf jeden Fall bereichert. Absatz 3 gibt dem Erben, sofern er unbeschränkt haftet und ein einzelner Gläubiger seine Forderung im Nachlassinsolvenzverfahren nicht geltend macht, das Recht, diese dort selbst anzumelden. II. Die Ansprüche des Erben im Einzelnen 1.
2
2. 3
Erblasserschulden
Gemäß Absatz 1 gilt eine Erblasserschuld (etwa Darlehensrückzahlungsanspruch des Erben) als fortbestehend. Die Fiktion des Nichterlöschens von erloschenen Rechtsverhältnissen gemäß § 1976 BGB bewirkt im Fall der Nachlassinsolvenz, dass der Erbe die ihm zustehende Forderung, obwohl er als Träger des Nachlasses Schuldner ist, gleichzeitig als Nachlassgläubiger weiterverfolgen kann. Die Forderung des Erben gegen den Erblasser erhält wieder den Status, den sie zum Zeitpunkt des Erbfalls hatte. Insbesondere leben die Nebenrechte wieder auf, sodass der Erbe Aus- und Absonderungsrechte geltend machen kann.1) Der Erbe wird somit den übrigen Gläubigern des Erblassers in der Nachlassinsolvenz gleichgestellt.2) Es spielt keine Rolle, ob der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt oder unbeschränkt einzustehen hat.3) Gesetzlicher Forderungsübergang bei Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten
Es tritt nach Absatz 2 ein gesetzlicher Forderungsübergang ein. Der Erbe erwirbt die Forderung so, wie sie dem von ihm befriedigten Gläubiger zustand, also mit allen Nebenrechten.4) Dies gilt jedoch nur dann, falls der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten nicht unbeschränkt haftet (vgl. Vor §§ 315 – 331 Rz. 3). In diesem Fall würde er auch eine ihn persönlich treffende Schuld begleichen, sodass _____________ 1) 2) 3) 4)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 326 Rz. 2. BGH, Urt. v. 1.6.1967 – II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 219 = NJW 1967, 2399. Palandt-Weidlich, BGB, § 2013 Rz. 2. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 326 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 326 Rz. 4.
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§ 326
Ansprüche des Erben
ein Rückgriff auf den Nachlass ungerechtfertigt wäre.5) Zudem darf die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten nach § 1979 BGB nicht als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten. Letzteres ist dann gegeben, wenn der Erbe bei Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit fahrlässig nicht überblickt hat, dass die Nachlassmittel zur Berichtigung aller Verbindlichkeiten – auch seines Ersatzanspruchs, sofern er Eigenmittel eingesetzt hat – nicht ausreichen werden. Der Erbe kann dann die Forderung so weiterverfolgen wie der von ihm befriedigte Gläubiger. Sein Anspruch ist keine Masseverbindlichkeit im Gegensatz zu einem etwaigen Aufwendungserstattungsanspruch nach § 1978 Abs. 3 BGB i. V. m. § 324 Abs. 1 Nr. 1, sondern nur einfache Insolvenzforderung mit dem entsprechenden Ausfallrisiko.6) Gerechtfertigt ist dies deshalb, weil der Erbe an die Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit herangegangen ist, ohne sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Nachlass hierfür ausreichend ist.7)
4
Allerdings kann der Erstattungsanspruch gemäß § 1978 Abs. 3 BGB trotz seiner Eigenschaft als Masseschuld für den Erben dann ungünstiger sein, wenn der auf ihn nach Absatz 2 übergegangene Anspruch mit dinglichen Sicherungsrechten und der Möglichkeit der Aus- und Absonderung verbunden ist. In diesem Fall steht dem Erben ein Wahlrecht zu, den für ihn dann günstigeren Weg des Absatzes 2 zu beschreiten.8) Es kann nicht sein, dass der Erbe, der sich bei der Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit nicht um den Bestand des Nachlasses kümmert, eine bessere Ausgangsposition erhält als derjenige, der diesen Bestand vorab gewissenhaft überprüft.
5
3.
Forderungsübergang bei unbeschränkter Haftung
Sofern der Erbe einem einzelnen Gläubiger unbeschränkt haftet, kann er im Nachlassinsolvenzverfahren dessen Forderung selbst geltend machen, falls der Gläubiger dies unterlässt, weil er sich nur an das Eigenvermögen des Erben halten will. Hätte der Erbe diese Möglichkeit nicht, wären die Gläubiger in der Nachlassinsolvenz durch den Wegfall des Gläubigers, der sich aus dem Eigenvermögen des Erben befriedigen will, ungerechtfertigt bereichert.
6
Die vom Erben angemeldete Forderung wird als aufschiebend bedingte Forderung i. S. des § 191 behandelt.9) Sie steht unter der Bedingung, dass der Gläubiger selbst die Forderung bis zur Schlussverteilung nicht geltend macht.10)
7
_____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10)
Blersch/Goetsch/Haas-Goetsch, InsR, § 326 InsO Rz. 7. KG Berlin, Urt. v. 3.2.2005 – 20 U 11/04, ZErb 2006, 61. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 326 Rz. 4. Marotzke in: HK-InsO,§ 326 Rz. 6; a. A. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 325 Rz. 5. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 327 Rz. 7. Braun-Bauch, InsO, § 327 Rz. 10.
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§ 327
Nachrangige Verbindlichkeiten
§ 327 Nachrangige Verbindlichkeiten (1) Im Rang nach den in § 39 bezeichneten Verbindlichkeiten und in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, werden erfüllt: 1.
die Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten;
2.
die Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen.
(2) 1Ein Vermächtnis, durch welches das Recht des Bedachten auf den Pflichtteil nach § 2307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschlossen wird, steht, soweit es den Pflichtteil nicht übersteigt, im Rang den Pflichtteilsrechten gleich. 2Hat der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen angeordnet, daß ein Vermächtnis oder eine Auflage vor einem anderen Vermächtnis oder einer anderen Auflage erfüllt werden soll, so hat das Vermächtnis oder die Auflage den Vorrang. (3) 1Eine Verbindlichkeit, deren Gläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen ist oder nach § 1974 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem ausgeschlossenen Gläubiger gleichsteht, wird erst nach den in § 39 bezeichneten Verbindlichkeiten und, soweit sie zu den in Absatz 1 bezeichneten Verbindlichkeiten gehört, erst nach den Verbindlichkeiten erfüllt, mit denen sie ohne die Beschränkung gleichen Rang hätte. 2Im übrigen wird durch die Beschränkungen an der Rangordnung nichts geändert. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Rangfolge bei der Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten .......... 2 1. Pflichtteilsansprüche (Abs. 1 Nr. 1) ........................................ 2
I. 1
2. 3. 4.
Vermächtnisse und Auflagen (Abs. 1 Nr. 2) ........................................ 3 Ausgeschlossene Gläubiger des Aufgebotsverfahrens (Abs. 3) .............. 4 Befriedigung der Gläubiger bei Ranggleichheit ....................................... 5
Normzweck
Die Bestimmung regelt, in welcher Reihenfolge nachrangige Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen sind. Grundsätzlich gelten auch hier die Vorschriften der §§ 38, 39. Die in § 327 benannten Nachlassverbindlichkeiten rangieren jedoch noch hinter den nachrangigen Verbindlichkeiten des § 39. Gleichwohl müssen sie, falls das Insolvenzgericht hierzu im Eröffnungsbeschluss gemäß § 174 Abs. 3 aufgefordert hat, zur Tabelle angemeldet werden. II. Rangfolge bei der Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten 1.
2
Pflichtteilsansprüche (Abs. 1 Nr. 1)
Hierzu zählen die Ansprüche nach §§ 2303 ff BGB und die Pflichtteilergänzungsansprüche des § 2325 BGB, nicht aber der Anspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB.1) Im Rang ebenbürtig sind die Ansprüche aus dem Pflichtteilsvermächtnis gemäß Absatz 2 Satz 1.2) Der mit einem Vermächtnis bedachte Pflicht_____________ 1) 2)
Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 327 Rz. 5. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 327 Rz. 3.
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§ 328
Zurückgewährte Gegenstände
teilsberechtigte soll nicht nur wegen eines besseren Rangs in der Nachlassinsolvenz verpflichtet werden, das Vermächtnis auszuschlagen, um dann gemäß § 2307 Abs. 1 BGB den Pflichtteil zu verlangen. Ist das Vermächtnis allerdings größer als der Pflichtteil, fällt der überschießende Teil in die nachfolgende Rangklasse der Vermächtnisse und Auflagen des § 327 Abs. 2 Satz 2.3) 2.
Vermächtnisse und Auflagen (Abs. 1 Nr. 2)
Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen gemäß §§ 2147 ff BGB und aus Auflagen gemäß §§ 2192 ff BGB rangieren an letzter Rangstelle insbesondere auch deshalb, weil der Erblasser durch letztwillige Verfügung nicht die Pflichtteilsrechte beeinträchtigen soll.4) Die gesetzlichen Vermächtnisse der §§ 1932, 1969 BGB werden gleichfalls von dieser Rangregelung erfasst.5) Gemäß Absatz 2 Satz 2 kann der Erblasser jedoch auch für das Insolvenzgericht bindend bestimmen, dass Vermächtnisse untereinander oder vor einer Auflage oder umgekehrt vorrangig sind. 3.
Ausgeschlossene Gläubiger des Aufgebotsverfahrens (Abs. 3)
Gläubiger, die im Aufgebotsverfahren gemäß §§ 1970 ff BGB i. V. m. §§ 989 ff ZPO ihre Recht nicht angemeldet haben, verlieren ihren Anspruch ebenso wenig wie die Gläubiger, die ihre Forderung gemäß § 1974 BGB später als fünf Jahre nach dem Erbfall geltend machen. Sie müssen sich jedoch die Erschöpfungs- oder Versäumungseinrede entgegenhalten lassen. In der Nachlassinsolvenz hat dies zur Folge, dass die Gläubiger erst nach den nachrangigen Forderungen des § 39, grundsätzlich aber vor den Gläubigern des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 bedient werden. Ihren ursprünglichen Rang verlieren sie. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sie selbst Gläubiger der Ansprüche der Nummern 1 oder 2 des Absatzes 1 sind. Sofern diese Gläubigergruppen gemäß § 1974 Abs. 2 ausgeschlossenen Gläubigen gleichstehen, behalten sie zwar den ihnen zugewiesenen Rang, stehen dort jedoch bei der Befriedigung hinter den Gläubigern, deren Forderung nicht einredebehaftet ist. 4.
4
Befriedigung der Gläubiger bei Ranggleichheit
Die Gläubigergruppen des Absatzes 1 werden bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge befriedigt, die Gläubiger des Absatzes 3 nicht anteilig, sondern zeitlich nacheinander gestaffelt, bezogen auf den vollen Wert.6) _____________ 3) 4) 5) 6)
3
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 327 Rz. 5 BGH, Urt. v. 10.7.1985 – IVa ZR 151/83, WM 1985, 1301 = NJW 1985, 2828 f. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 327 Rz. 6. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 327 Rz. 10.
§ 328 Zurückgewährte Gegenstände (1) Was infolge der Anfechtung einer vom Erblasser oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtshandlung zur Insolvenzmasse zurückgewährt wird, darf nicht zur Erfüllung der in § 327 Abs. 1 bezeichneten Verbindlichkeiten verwendet werden. Busch
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§ 328
Zurückgewährte Gegenstände
(2) Was der Erbe auf Grund der §§ 1978 bis 1980 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Masse zu ersetzen hat, kann von den Gläubigern, die im Wege des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossen sind oder nach § 1974 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem ausgeschlossenen Gläubiger gleichstehen, nur insoweit beansprucht werden, als der Erbe auch nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung ersatzpflichtig wäre. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Rückgewähranspruch bei Anfechtung (Abs. 1) ............................ 2
I. 1
III. Beschränkung ausgeschlossener Gläubiger auf Bereicherungsanspruch (Abs. 2) ..................................... 3
Normzweck
Der Personenkreis des § 327 Abs. 1 – Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer und durch Auflagen Begünstigte – soll nicht von Anfechtungshandlungen profitieren, die bereits vor dem Erbfall vom Erblasser oder ihm gegenüber vorgenommen wurden. Nur die Altgläubiger, die damals schon eine Forderung gegen den Erblasser hatten, sollen hieraus einen Vorteil ziehen. Die Ansprüche der schon durch § 327 Abs. 1 minderberechtigten Gläubiger werden durch diese Regelung noch weiter zurückgesetzt.1) Absatz 2 lehnt sich an die Regelung des § 1973 Abs. 2 Satz 1 BGB an. II. Rückgewähranspruch bei Anfechtung (Abs. 1)
2
Betroffen sind nur Rechtshandlungen, die vor dem Erbfall vorgenommen wurden und aufgrund einer Anfechtung einen Rückgewähranspruch gemäß § 143 begründen. Unerheblich ist es, ob die Anfechtung durch einen Nachlassgläubiger vor Verfahrenseröffnung erfolgt ist und von dem Insolvenzverwalter weiterverfolgt wird oder auf eine Anfechtung des Verwalters gemäß §§ 129 ff selbst zurückzuführen ist.2) Der Rückgewähranspruch geht jedoch nur soweit, dass alle Gläubiger, die dem Personenkreis des § 327 Abs. 1 (Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer, Auflagebegünstigte) vorgehen, befriedigt werden können.3) Ein Mehrerlös würde dem Erben verbleiben, keinesfalls an den Personenkreis des § 327 Abs. 1 gehen.4) III. Beschränkung ausgeschlossener Gläubiger auf Bereicherungsanspruch (Abs. 2)
3
Den Erben treffen unter Umständen gemäß §§ 1978–1980 BGB Schadensersatzansprüche, weil er die Sorgfaltspflichten des § 1978 BGB verletzt hat und Nachlassverbindlichkeiten berichtigt hat, obwohl er hätte erkennen können, dass der Nachlass hierfür nicht ausreicht, oder weil er verspätet Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt hat. Die durch das Aufgebotsverfahren ausgeschlossenen Gläubiger (§§ 1970 ff BGB, §§ 989 ff ZPO) und die ihnen nach § 1974 BGB gleichgestellten Gläubiger haben auf diese Ersatzansprüche nur dann einen Anspruch, wenn der Erbe ungerechtfertigt bereichert sein würde. Außerhalb der _____________ 1) 2) 3) 4)
Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 328 Rz. 2. Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 328 Rz. 2. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 328 Rz. 3; Kreft-Kreft, HK-InsO, § 129 Rz. 61; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 328 Rz. 2. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 328 Rz. 3.
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§ 329
Nacherbfolge
Nachlassinsolvenz ergibt sich dies bereits aus § 1973 Abs. 2 Satz 1 BGB. In Ausnahmefällen kann es somit dazu kommen, dass der Personenkreis des § 327 Abs. 1, dem die ausgeschlossenen Gläubiger gemäß § 327 Abs. 3 vorgehen, dennoch vor diesen befriedigt wird, weil die oben dargestellte Einschränkung des Absatzes 2 nicht greift.5) Haftet der Erbe unbeschränkt, gilt Absatz 2 nicht (§ 2013 Abs. 1 BGB).6) _____________ 5) 6)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 328 Rz. 4 m. w. N. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 328 Rz. 4.
§ 329 Nacherbfolge Die §§ 323, 324 Abs. 1 Nr. 1 und § 326 Abs. 2, 3 gelten für den Vorerben auch nach dem Eintritt der Nacherbfolge. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Vor- und Nacherbe in der Nachlassinsolvenz ................................ 2
I.
1. 2.
Rechtsstellung des Vorerben im Nacherbfall ............................................ 2 Eintritt des Nacherben in die Nachlassinsolvenz ................................. 3
Normzweck
Mit dem Eintritt des Nacherbfalls hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein; die Erbschaft fällt dem Nacherben zu (§ 2139 BGB). Tritt der Nacherbfall während des eröffneten Nachlassinsolvenzverfahrens ein, wird der Nacherbe nun als Träger der Erbschaft anstelle des Vorerben Schuldner.1) Es bleiben für den Vorerben jedoch die in § 329 angeführten Bestimmungen bestehen.
1
II. Vor- und Nacherbe in der Nachlassinsolvenz 1.
Rechtsstellung des Vorerben im Nacherbfall
Obwohl der Vorerbe seine Erbenstellung mit dem Nacherbfall verliert, steht ihm wegen seiner Ersatzansprüche nach §§ 1978, 1979 BGB kein Zurückbehaltungsrecht zu (§ 323). Seine Ansprüche behalten jedoch ihren Charakter als Masseverbindlichkeit (§ 324 Abs. 1 Nr. 1). Schließlich kann der Vorerbe, sofern er nicht unbeschränkt haftet, die Forderung eines von ihm gemäß § 1979 BGB befriedigten Gläubigers im Insolvenzverfahren selbst geltend machen (§ 326 Abs. 2), und auch die Gläubigerrolle weiterhin einnehmen, sofern der Gläubiger seine Forderung in der Nachlassinsolvenz nicht selbst geltend macht (§ 326 Abs. 3). 2.
Eintritt des Nacherben in die Nachlassinsolvenz
Der Nacherbe tritt in das Nachlassinsolvenzverfahren in dem Stadium ein, in dem sich dieses gerade befindet; dies bedeutet, dass Handlungen und Unterlassungen, aber auch versäumte Fristen des Vorerben der Nacherbe gegen sich gelten lassen muss.2) _____________ 1) 2)
2
Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 329 Rz. 2. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 329 Rz. 1.
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3
§ 330
Erbschaftskauf
Die Versäumung des Widerspruchs gegen eine angemeldete Forderung durch den Vorerben schadet dem Nacherben allerdings nicht (arg. e § 326 Abs. 1 ZPO).3) _____________ 3)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 329 Rz. 1; Blersch/Goetsch/Haas-Goetsch, InsR, § 329 InsO Rz. 4.
§ 330 Erbschaftskauf (1) Hat der Erbe die Erbschaft verkauft, so tritt für das Insolvenzverfahren der Käufer an seine Stelle. (2) 1Der Erbe ist wegen einer Nachlaßverbindlichkeit, die im Verhältnis zwischen ihm und dem Käufer diesem zur Last fällt, wie ein Nachlaßgläubiger zum Antrag auf Eröffnung des Verfahrens berechtigt. 2Das gleiche Recht steht ihm auch wegen einer anderen Nachlaßverbindlichkeit zu, es sei denn, daß er unbeschränkt haftet oder daß eine Nachlaßverwaltung angeordnet ist. 3Die §§ 323, 324 Abs. 1 Nr. 1 und § 326 gelten für den Erben auch nach dem Verkauf der Erbschaft. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für den Fall, daß jemand eine durch Vertrag erworbene Erbschaft verkauft oder sich in sonstiger Weise zur Veräußerung einer ihm angefallenen oder anderweitig von ihm erworbenen Erbschaft verpflichtet hat. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Verkauf der Erbschaft (Abs. 1) ........... 2
I. 1
III. Verfahrensrechtliche Stellung des Erben nach Erbschaftsverkauf (Abs. 2) .................................................. 3 IV. Weiterverkauf (Abs. 3) ........................ 6
Normzweck
Die Bestimmung stellt auf den Verkauf der Erbschaft durch den Erben vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Für das Nachlassinsolvenzverfahren nimmt der Käufer dann die Stellung des Erben ein. Antragsrecht gemäß § 317 und Antragsverpflichtung gemäß § 1980 BGB1) gehen auf ihn über. Ohne diese Regelung würde der Erbe auch nach dem Verkauf Schuldner im Nachlassinsolvenzverfahren bleiben.2) Zudem wird klargestellt, dass der Erbe eigene Forderungen weiter als Nachlassgläubiger verfolgen kann. Schließlich werden die Regelungen entsprechend § 2385 BGB auf ähnliche Verträge, zu denken ist z. B. an den Schenkungsvertrag, erstreckt. Zur formellen Wirksamkeit bedarf es jedoch gemäß § 2371 BGB immer der notariellen Beurkundung.3) _____________ 1) 2) 3)
Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 330 Rz. 4. Braun-Bauch, InsO, § 330 Rz. 1. OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 278/99, ZIP 2000, 627 = NZI 2001, 98, dazu EWiR 2000, 453 (Eckardt).
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§ 330
Erbschaftskauf
II. Verkauf der Erbschaft (Abs. 1) Der Käufer tritt bereits mit dem Zeitpunkt des wirksamen Vertragsabschlusses (§ 2380 BGB) an die Stelle des Erben; ihn trifft die Haftung des § 2382 Abs. 1 BGB, die er jedoch wie ein Erbe gemäß § 2383 Abs. 1 BGB beschränken kann, sofern dieser noch nicht unbeschränkt gehaftet hatte. Nur er hat nun das Recht und ggf. die Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen (§ 1980 BGB, § 317 Abs. 1). Bei Kauf eines Miterbenanteils, des Bruchteils eines Miterbenanteils oder des Bruchteils einer Alleinerbschaft ist der Käufer wie ein Miterbe gemäß § 317 Abs. 1 und 2 antragsberechtigt4) und ggf. nach § 1980 BGB antragsverpflichtet.
2
III. Verfahrensrechtliche Stellung des Erben nach Erbschaftsverkauf (Abs. 2) Der Erbe ist nach Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr antragsberechtigt (oben Rz. 2). Wegen einer Nachlassverbindlichkeit, die im Verhältnis zwischen ihm und dem Käufer diesem zur Last fällt, kann er jedoch gemäß Satz 1 wie der Nachlassgläubiger einen Antrag auf Verfahrenseröffnung stellen. Seinen Antrag hat er innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 319 einzubringen. Die Nachlassforderung und der Insolvenzgrund – Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – sind glaubhaft zu machen (§§ 14, 317 Abs. 2). Die Regelung des Satzes 1 dient der Wahrung der Interessen des Erbschaftsverkäufers und stellt auf die Bestimmung des § 2378 Abs. 1 BGB ab, wonach der Erbschaftskäufer dem Erben gegenüber verpflichtet ist, die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen, seinerseits aber gemäß § 2382 BGB neben dem Käufer hierfür weiterhin einzustehen hat. Ob der Erbe selbst beschränkt oder unbeschränkt haftet, ist, da er ja den Antrag wie ein Nachlassgläubiger stellt, ohne Belang.5)
3
Soweit der Käufer dem Erben gegenüber gemäß § 2376 BGB nicht verpflichtet ist, Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen („andere Nachlassverbindlichkeiten“ – Vermächtnisse, Auflagen und Pflichtteilsrechte) hat der Erbe, sofern er nicht unbeschränkt haftet oder eine Nachlassverwaltung angeordnet ist, gemäß Satz 2 gleichfalls das Recht zur Stellung des Antrags auf Eröffnung der Nachlassinsolvenz wie der Nachlassgläubiger. Ihm soll hierdurch wegen seiner nach § 2382 BGB fortdauernden Haftung die Möglichkeit eröffnet werden, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken.6)
4
Schließlich regelt Satz 3 die Stellung des Erben bezüglich Aufwendungsersatzansprüchen gemäß §§ 1978, 1979 BGB. Er hat insoweit auch nach dem Verkauf der Erbschaft kein Zurückbehaltungsrecht. In der Nachlassinsolvenz erhalten diese Ansprüche jedoch den Rang von Masseverbindlichkeiten.
5
IV. Weiterverkauf (Abs. 3) In Anlehnung an § 2385 BGB nimmt auch derjenige, der die Erbschaft von dem Käufer erwirbt oder durch einen anderen Vertrag – Tausch oder Schenkung – erhält, die Position des Erbschaftskäufers ein. Gleiches gilt für die nachträgliche Rückgängigmachung eines abgeschlossenen Erbschaftsverkaufs.7) _____________ 4) 5) 6) 7)
Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 330 Rz. 2, 7. Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 330 Rz. 5. Blersch/Goetsch/Haas-Goetsch, InsR, § 330 InsO Rz. 7. Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 330 Rz. 11.
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§ 331
Gleichzeitige Insolvenz des Erben
§ 331 Gleichzeitige Insolvenz des Erben (1) Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben gelten, wenn auch über den Nachlaß das Insolvenzverfahren eröffnet oder wenn eine Nachlaßverwaltung angeordnet ist, die §§ 52, 190, 192, 198, 237 Abs. 1 Satz 2 entsprechend für Nachlaßgläubiger, denen gegenüber der Erbe unbeschränkt haftet. (2) Gleiches gilt, wenn ein Ehegatte der Erbe ist und der Nachlaß zum Gesamtgut gehört, das vom anderen Ehegatten allein verwaltet wird, auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen des anderen Ehegatten und, wenn das Gesamtgut von den Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet wird, auch im Insolvenzverfahren über das Gesamtgut und im Insolvenzverfahren über das sonstige Vermögen des Ehegatten, der nicht Erbe ist. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Doppelinsolvenz (Abs. 1) ................... 2
I. 1
III. Gesamtgut mit Nachlass in der Insolvenz (Abs. 2) ................................ 4
Normzweck
Die Bestimmung regelt den Fall der Doppelinsolvenz; diese liegt dann vor, wenn über das Vermögen des unbeschränkt haftenden Erben ein „normales“ Insolvenzverfahren und gleichzeitig über den Nachlass ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde. In diesem Fall liegen zwei Insolvenzmassen vor, Eigenvermögen und Nachlass werden getrennt. Nachlassgläubiger haben in der Eigeninsolvenz des Erben – ähnlich wie in der gleichgelagerten Interessenlage des erbenden Ehegatten im Fall der Insolvenz über das Gesamtgut – nur einen Anspruch auf den Teil ihrer Forderung, mit dem sie in der Nachlassinsolvenz oder Insolvenz über das Gesamtgut ausgefallen sind. Im Fall der Gesamtinsolvenz des Erben ist § 331 nicht anwendbar. Sie liegt vor, wenn sich die beiden Vermögensmassen schon zu einer Gesamtheit vereinigt haben; eine Trennung durch einen entsprechenden Nachlassinsolvenzantrag wäre unter Umständen jedoch auch hier möglich.1) Im Fall der Nachlassverwaltung gelten die Regelungen des § 331 entsprechend, nicht jedoch im Fall der Testamentsvollstreckung.2) II. Doppelinsolvenz (Abs. 1)
2
Im Fall der Doppelinsolvenz von Erben und Nachlass könnten sich Nachlassgläubiger an beide Vermögensmassen halten, was ihnen zu einer ungerechtfertigten Besserstellung verhelfen würde. Für den Fall, dass der Erbe unbeschränkt wegen eines Fehlverhaltens entsprechend § 1994 Abs. 1 Satz 2, §§ 2005, 2006 Abs. 3 BGB) haftet, können sie in der Eigeninsolvenz des Erben nur Befriedigung erhalten, soweit sie in der Nachlassinsolvenz ausgefallen sind oder auf eine Befriedigung dort verzichtet haben (§ 52). Ihren Ausfall haben sie gemäß § 192 Abs. 2 glaub_____________ 1) 2)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 331 Rz. 2, 3. BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258 = ZVI 2006, 452, dazu EWiR 2006, 659 (Stahlschmidt); Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 331 Rz. 6; a. A. Siegmann in: MünchKommInsO, § 331 Rz. 7.
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Verweisung auf das Nachlassinsolvenzverfahren
§ 332
haft zu machen. Der auf die Forderung entsprechende Anteil wird bis zur Schlussverteilung zurückbehalten (§ 190 Abs. 2 Satz 2). Das Stimmrecht richtet sich in der Erbeninsolvenz nach ihrer Ausfallforderung (§ 74 Abs. 1 Satz 2, § 237 Abs. 1 Satz 2)3) und nicht, wie es § 76 Abs. 2 zu entnehmen ist, nach der Höhe ihrer Forderung. Nachlasserbenschulden (siehe Vor §§ 315 – 334 Rz. 1), also Schulden des Erben, die auch den Nachlass betreffen, richten sich in vollem Umfang sowohl gegen den Erben als auch gegen den Nachlass. Die Gläubiger unterstehen nicht dem Ausfallprinzip des § 52, sondern können entsprechend § 43 bis zur vollen Höhe Befriedigung aus beiden Vermögensmassen beanspruchen.4) Dasselbe gilt dann, wenn sich der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern z. B. aus Bürgschaft oder Schuldübernahme selbst verpflichtet hat. In diesen Fällen besteht kein Grund, die Nachlassgläubiger von der Inanspruchnahme des Eigenvermögens des Erben auszuschließen.5)
3
III. Gesamtgut mit Nachlass in der Insolvenz (Abs. 2) Die in Absatz 1 aufgestellten Grundsätze gelten sinngemäß, falls ein im Güterstand der Gütergemeinschaft lebender Ehegatte Erbe wird, der Nachlass zu dem von dem anderen Ehegatten allein verwalteten Gesamtgut gehört und das Insolvenzverfahren über das Vermögen des verwaltenden Ehegatten und gleichzeitig über das Gesamtgut (§ 318) eröffnet wird. Auch hier werden die Nachlassgläubiger auf den Ausfall verwiesen, wenn sie ihre Forderung im Insolvenzverfahren des verwaltenden Ehegatten, der nicht Erbe ist, aber nach § 1437 BGB haftet, geltend machen. Die Interessenlage ist ähnlich wie in der Doppelinsolvenz (oben Rz. 2). Dies gilt auch für den Fall der gemeinschaftlichen Verwaltung des Gesamtguts im Insolvenzverfahren des nicht verwaltenden Ehegatten. _____________ 3) 4) 5)
Marotzke in: HK-InsO, § 331 Rz. 5. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 331 Rz. 5. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 331 Rz. 5; Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 331 Rz. 10.
Zweiter Abschnitt Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft § 332 Verweisung auf das Nachlassinsolvenzverfahren (1) Im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft gelten die §§ 315 bis 331 entsprechend für das Insolvenzverfahren über das Gesamtgut. (2) Insolvenzgläubiger sind nur die Gläubiger, deren Forderungen schon zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft als Gesamtgutsverbindlichkeiten bestanden.
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Verweisung auf das Nachlassinsolvenzverfahren
§ 332
haft zu machen. Der auf die Forderung entsprechende Anteil wird bis zur Schlussverteilung zurückbehalten (§ 190 Abs. 2 Satz 2). Das Stimmrecht richtet sich in der Erbeninsolvenz nach ihrer Ausfallforderung (§ 74 Abs. 1 Satz 2, § 237 Abs. 1 Satz 2)3) und nicht, wie es § 76 Abs. 2 zu entnehmen ist, nach der Höhe ihrer Forderung. Nachlasserbenschulden (siehe Vor §§ 315 – 334 Rz. 1), also Schulden des Erben, die auch den Nachlass betreffen, richten sich in vollem Umfang sowohl gegen den Erben als auch gegen den Nachlass. Die Gläubiger unterstehen nicht dem Ausfallprinzip des § 52, sondern können entsprechend § 43 bis zur vollen Höhe Befriedigung aus beiden Vermögensmassen beanspruchen.4) Dasselbe gilt dann, wenn sich der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern z. B. aus Bürgschaft oder Schuldübernahme selbst verpflichtet hat. In diesen Fällen besteht kein Grund, die Nachlassgläubiger von der Inanspruchnahme des Eigenvermögens des Erben auszuschließen.5)
3
III. Gesamtgut mit Nachlass in der Insolvenz (Abs. 2) Die in Absatz 1 aufgestellten Grundsätze gelten sinngemäß, falls ein im Güterstand der Gütergemeinschaft lebender Ehegatte Erbe wird, der Nachlass zu dem von dem anderen Ehegatten allein verwalteten Gesamtgut gehört und das Insolvenzverfahren über das Vermögen des verwaltenden Ehegatten und gleichzeitig über das Gesamtgut (§ 318) eröffnet wird. Auch hier werden die Nachlassgläubiger auf den Ausfall verwiesen, wenn sie ihre Forderung im Insolvenzverfahren des verwaltenden Ehegatten, der nicht Erbe ist, aber nach § 1437 BGB haftet, geltend machen. Die Interessenlage ist ähnlich wie in der Doppelinsolvenz (oben Rz. 2). Dies gilt auch für den Fall der gemeinschaftlichen Verwaltung des Gesamtguts im Insolvenzverfahren des nicht verwaltenden Ehegatten. _____________ 3) 4) 5)
Marotzke in: HK-InsO, § 331 Rz. 5. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 331 Rz. 5. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 331 Rz. 5; Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 331 Rz. 10.
Zweiter Abschnitt Insolvenzverfahren über das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft § 332 Verweisung auf das Nachlassinsolvenzverfahren (1) Im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft gelten die §§ 315 bis 331 entsprechend für das Insolvenzverfahren über das Gesamtgut. (2) Insolvenzgläubiger sind nur die Gläubiger, deren Forderungen schon zur Zeit des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft als Gesamtgutsverbindlichkeiten bestanden.
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§ 332
Verweisung auf das Nachlassinsolvenzverfahren
(3) 1Die anteilsberechtigten Abkömmlinge sind nicht berechtigt, die Eröffnung des Verfahrens zu beantragen. 2Sie sind jedoch vom Insolvenzgericht zu einem Eröffnungsantrag zu hören. Übersicht I. Fortgesetzte Gütergemeinschaft ........ 1 II. Insolvenzverfahren über das Gesamtgut ............................................. 2 1. Sonderinsolvenzmassen und Haftungsbeschränkung ......................... 3
I. 1
2. 3. 4.
Insolvenzgläubiger ................................ 4 Insolvenzmasse ...................................... 5 Antragsberechtigung ............................. 6
Fortgesetzte Gütergemeinschaft
Durch Ehevertrag können die Ehegatten vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod eines Ehegatten mit dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird (§ 1483 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese fortgesetzte Gütergemeinschaft ist insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 2). Die Gütergemeinschaft endet in der Regel mit dem Tod eines Ehegatten (§ 1482 BGB); sein Anteil gehört zu dem Nachlass des Überlebenden. Im Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann die Gütergemeinschaft jedoch, insbesondere zum Erhalt des Familienvermögens, fortgesetzt werden. II. Insolvenzverfahren über das Gesamtgut
2
Die Vorschriften über das Nachlassinsolvenzverfahren finden entsprechende Anwendung. Die Interessenlage ist ähnlich. Im Nachlassinsolvenzverfahren sind die Eigengläubiger vom Zugriff auf den Nachlass ausgeschlossen, im Fall der fortgesetzten Gütergemeinschaft soll denjenigen Gläubigern des überlebenden Ehegatten der Zugriff auf das Gesamtgut verwehrt werden, die nicht schon bei Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft Gesamtgutgläubiger waren. 1.
3
Es entstehen zwei Sonderinsolvenzmassen: das Eigenvermögen des überlebenden Ehegatten oder der gemeinschaftlichen Abkömmlinge einerseits und das Gesamtgut andererseits. Das Gesamtgut fällt nicht in den Nachlass des überlebenden Ehegatten. Dieser haftet jedoch gleichwohl persönlich für Gesamtgutverbindlichkeiten, unabhängig davon, ob er das Gesamtgut verwaltet oder nicht. Insoweit wird ihm nun aber die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 1489 Abs. 2, § 1975 BGB auf das Gesamtgut an die Hand gegeben. 2.
4
Sonderinsolvenzmassen und Haftungsbeschränkung
Insolvenzgläubiger
Hinsichtlich des Insolvenzgläubigerbegriffs wird nicht auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung (§ 38), sondern in Fortführung des § 1489 Abs. 2 Halbs. 2 BGB auf den Zeitpunkt des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft abgestellt. Gemäß § 1488 BGB sind Gesamtgutverbindlichkeiten der fortgesetzten Gütergemeinschaft neben den Verbindlichkeiten des überlebenden Ehegatten die Verbindlichkeiten des verstorbenen Ehegatten, soweit sie gemäß § 1437 BGB Gesamtgutverbindlichkeiten der ehelichen Gütergemeinschaft waren. Ausgeschlossen sind aufgrund dieser Regelung demnach alle Gläubiger, deren Forderungen erst mit Ein-
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§ 333
Antragsrecht. Eröffnungsgründe
tritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft zum Entstehen kommen, also Verbindlichkeiten aus Erbschaft oder Vermächtnis.1) 3.
Insolvenzmasse
Insolvenzmasse ist das Gesamtgut zum Zeitpunkt des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Etwaiger Neuerwerb fällt entgegen § 35 nicht in die Insolvenzmasse.2) 4.
Antragsberechtigung
Die Antragsberechtigung folgt aus § 317, auf den Absatz 1 verweist. Demnach ist der überlebende Ehegatte antragsberechtigt und ggf. auch – verpflichtet, falls Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gegeben ist (§ 1489 Abs. 2, § 1980 BGB); Gleiches gilt für den Gesamtgutsverwalter (§ 1985 BGB, § 332 Abs. 1, § 317). Schließlich sind alle Gläubiger, unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte zum Zeitpunkt des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft persönlich haftet, nach Maßgabe des § 14 antragsberechtigt.3) Da die Abkömmlinge nicht persönlich haften (§ 1489 Abs. 3 BGB), können sie auch nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, sind jedoch zu einem Eröffnungsantrag anzuhören (Abs. 3). _____________ 1) 2)
3)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 332 Rz. 6 m. w. N. Palandt-Weidlich, BGB, § 1489 Rz. 2; Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 332 Rz. 41; Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 332 Rz. 5; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 332 Rz. 5; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 332 Rz. 5. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 332 Rz. 2.
Dritter Abschnitt Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft § 333 Antragsrecht. Eröffnungsgründe (1) Zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft, das von den Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet wird, ist jeder Gläubiger berechtigt, der die Erfüllung einer Verbindlichkeit aus dem Gesamtgut verlangen kann. (2) 1Antragsberechtigt ist auch jeder Ehegatte. 2Wird der Antrag nicht von beiden Ehegatten gestellt, so ist er zulässig, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Gesamtguts glaubhaft gemacht wird; das Insolvenzgericht hat den anderen Ehegatten zu hören. 3Wird der Antrag von beiden Ehegatten gestellt, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund. Übersicht I.
5
Gemeinschaftlich verwaltetes Gesamtgut einer Gütergemeinschaft ...................................................... 1
1. 2. 3.
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Gesamtgut .............................................. 1 Verwaltung ............................................. 2 Insolvenzfähigkeit ................................. 3
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6
§ 333
Antragsrecht. Eröffnungsgründe
tritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft zum Entstehen kommen, also Verbindlichkeiten aus Erbschaft oder Vermächtnis.1) 3.
Insolvenzmasse
Insolvenzmasse ist das Gesamtgut zum Zeitpunkt des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Etwaiger Neuerwerb fällt entgegen § 35 nicht in die Insolvenzmasse.2) 4.
Antragsberechtigung
Die Antragsberechtigung folgt aus § 317, auf den Absatz 1 verweist. Demnach ist der überlebende Ehegatte antragsberechtigt und ggf. auch – verpflichtet, falls Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gegeben ist (§ 1489 Abs. 2, § 1980 BGB); Gleiches gilt für den Gesamtgutsverwalter (§ 1985 BGB, § 332 Abs. 1, § 317). Schließlich sind alle Gläubiger, unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte zum Zeitpunkt des Eintritts der fortgesetzten Gütergemeinschaft persönlich haftet, nach Maßgabe des § 14 antragsberechtigt.3) Da die Abkömmlinge nicht persönlich haften (§ 1489 Abs. 3 BGB), können sie auch nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, sind jedoch zu einem Eröffnungsantrag anzuhören (Abs. 3). _____________ 1) 2)
3)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 332 Rz. 6 m. w. N. Palandt-Weidlich, BGB, § 1489 Rz. 2; Wimmer-Schallenberg/Rafiqpoor, FK-InsO, § 332 Rz. 41; Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 332 Rz. 5; Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 332 Rz. 5; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 332 Rz. 5. Siegmann in: MünchKomm-InsO, § 332 Rz. 2.
Dritter Abschnitt Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft § 333 Antragsrecht. Eröffnungsgründe (1) Zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft, das von den Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet wird, ist jeder Gläubiger berechtigt, der die Erfüllung einer Verbindlichkeit aus dem Gesamtgut verlangen kann. (2) 1Antragsberechtigt ist auch jeder Ehegatte. 2Wird der Antrag nicht von beiden Ehegatten gestellt, so ist er zulässig, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Gesamtguts glaubhaft gemacht wird; das Insolvenzgericht hat den anderen Ehegatten zu hören. 3Wird der Antrag von beiden Ehegatten gestellt, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund. Übersicht I.
5
Gemeinschaftlich verwaltetes Gesamtgut einer Gütergemeinschaft ...................................................... 1
1. 2. 3.
Busch
Gesamtgut .............................................. 1 Verwaltung ............................................. 2 Insolvenzfähigkeit ................................. 3
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§ 333
Antragsrecht. Eröffnungsgründe
4. Insolvenzmasse ...................................... 4 II. Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut ............................................. 5 1. Eröffnungsgründe ................................. 5
1
Gemeinschaftlich verwaltetes Gesamtgut einer Gütergemeinschaft
1.
Gesamtgut
Hierunter versteht man das Vermögen beider in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten, also das eingebrachte und das während der Ehe erworbene Vermögen (§ 1416 Abs. 1 BGB). Nicht hierzu zählen das Sondergut und das Vorbehaltsgut (§§ 1417, 1418 BGB).
Insolvenzfähigkeit
Bereits in § 11 Abs. 2 Nr. 2 ist festgelegt, dass über das Gesamtgut, dem die eigene Rechtspersönlichkeit fehlt, ein selbständiges Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Dies ist eine Konsequenz der Regelung des § 37 Abs. 2, wonach bei gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts dieses von der Insolvenz eines Ehegatten nicht berührt wird. 4.
4
Verwaltung
Die Verwaltung erfolgt in der Regel von beiden Ehegatten gemeinschaftlich, sofern diese nicht im Ehevertrag eine gesonderte Bestimmung hierzu getroffen haben (§ 1421 BGB). 3.
3
3.
Antragsberechtigte ................................ 6 a) Gesamtgutsgläubiger ..................... 6 b) Ehegatten ........................................ 7 Verfahrenseröffnung ............................. 8
I.
2. 2
2.
Insolvenzmasse
Insolvenzmasse ist ausschließlich das Gesamtgut, wie es sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung darstellt (§ 1416 BGB), aber auch etwaiger Neuerwerb beider Ehegatten, soweit dieser nicht dem Vorbehalts- bzw. Sondergut zuzurechnen ist (§ 35).1) Auch das Arbeitseinkommen eines Ehegatten zählt hierzu.2) II. Insolvenzverfahren über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut 1.
5
Eröffnungsgründe
Als Eröffnungsgrund kommen nur Zahlungsunfähigkeit (§ 17), sowie die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18), bezogen auf das Gesamtgut,3) in Betracht, drohende Zahlungsunfähigkeit jedoch nur dann, wenn beide Ehegatten den Eröffnungsantrag gemeinsam stellen. Der Eröffnungsgrund der Überschuldung (§ 19) steht nicht zur Disposition. 2.
Antragsberechtigte
a) Gesamtgutsgläubiger 6
Gesamtgutsverbindlichkeiten sind grundsätzlich alle Schulden eines Ehegatten, gleichgültig welcher Art (§ 1459 Abs. 1 BGB), nicht jedoch Verbindlichkeiten, die _____________ 1) 2) 3)
Schumann in: MünchKomm-InsO, § 333 Rz. 18. Schumann in: MünchKomm-InsO, § 333 Rz. 18. Braun-Bauch, InsO, § 333 Rz. 5.
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§ 334
Persönliche Haftung der Ehegatten
mit dem Vorbehaltsgut oder Sondergut in Zusammenhang stehen (§ 1440 BGB). Ausgeschlossen ist eine Haftung auch dann, wenn ein Fall der §§ 1460 – 1462 BGB vorliegt. Der Eröffnungsgrund ist vom antragstellenden Gläubiger glaubhaft zu machen (§ 14 Abs. 1, § 17 i. V. m. § 294 ZPO). b) Ehegatten Der Antrag kann von beiden Ehegatten, aber auch nur von einem gestellt werden. Stellen beide Ehegatten den Antrag, entfällt die Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes. Der Antrag kann in diesem Fall auch auf den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18) gestützt werden. Stellt nur ein Ehegatte den Antrag, hat er den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen; das Insolvenzgericht hat den anderen Ehegatten anzuhören (Abs. 2). 3.
7
Verfahrenseröffnung
Im eröffneten Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften. Die Gütergemeinschaft selbst wird durch das Verfahren nicht beendet, allenfalls eröffnet es die Möglichkeit einer Klage eines Ehegatten auf Aufhebung gemäß § 1469 Nr. 4 BGB.
8
§ 334 Persönliche Haftung der Ehegatten (1) Die persönliche Haftung der Ehegatten für die Verbindlichkeiten, deren Erfüllung aus dem Gesamtgut verlangt werden kann, kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter oder vom Sachwalter geltend gemacht werden. (2) Im Falle eines Insolvenzplans gilt für die persönliche Haftung der Ehegatten § 227 Abs. 1 entsprechend. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Geltendmachung der persönlichen Haftung ..................................... 2
I.
III. Haftungsbeschränkung bei Insolvenzplan ....................................... 3
Normzweck
Gemäß § 1459 Abs. 2 BGB haften die Ehegatten, die das Gesamtgut gemeinschaftlich verwalten, auch persönlich für Gesamtgutsverbindlichkeiten. Anlehnend an die Vorschrift des § 93, wonach die persönliche Haftung der Gesellschafter nur dem Insolvenzverwalter möglich ist, regelt die Norm des § 334, dass sich Gläubiger in der Insolvenz des Gesamtguts nicht durch einen schnelleren Zugriff auf den persönlich haftenden Schuldner Vorteile verschaffen können.1) Im Fall eines Insolvenzplans werden von der schuldbefreienden Wirkung des § 227 Abs. 1 auch die persönlich haftenden Ehegatten erfasst (Abs. 2).
_____________ 1)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 334 Rz. 1.
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§ 334
Persönliche Haftung der Ehegatten
II. Geltendmachung der persönlichen Haftung 2
Die persönliche Haftung gegenüber den Ehegatten kann ab Verfahrenseröffnung nur der Insolvenzverwalter, im Fall der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff der Sachwalter geltend machen. Hierbei handelt es sich um eine Ermächtigung zur Einziehung der Gesamtgutsverbindlichkeiten gegenüber den persönlich haftenden Ehegatten.2) Der Insolvenzverwalter wird nicht Rechtsinhaber.3) Leistungen, die an einen Gesamtgutsgläubiger erfolgt sind, sind gemäß §§ 812 ff BGB zurückzugewähren.4) Die Aufrechnung durch den Gesamtgutsgläubiger gegen eine Forderung des persönlich haftenden Ehegatten wird hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen.5) III. Haftungsbeschränkung bei Insolvenzplan
3
Wird in dem Insolvenzverfahren über das von beiden Ehegatten gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut ein Insolvenzplan erstellt, ohne dass dieser Regelungen über die noch verbleibenden Verbindlichkeiten erhält, wirkt diese Regelung als Schuldbefreiung nicht nur im Hinblick auf das Gesamtgut, sondern auch in Bezug auf die persönlich haftenden Ehegatten (Abs. 2).
_____________ 2) 3) 4) 5)
Schumann in: MünchKomm-InsO, § 334 Rz. 8. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 334 Rz. 4. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 334 Rz. 4. Schumann in: MünchKomm-InsO, § 334 Rz. 16.
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Elfter Teil Internationales Insolvenzrecht Vor §§ 335 – 358 Vorbemerkung Bornemann/Sabel/Schlegel
Literatur: Huber, Internationales Insolvenzrecht in Europa, ZZP 114 (2001), 133; Taupitz, Das (zukünftige) europäische Internationale Insolvenzrecht – insbesondere aus international-privatrechtlicher Sicht, ZZP 111 (1998), 315. Übersicht I. Einleitung ............................................. II. Internationales Insolvenzrecht (IIR) ....................................................... III. Europäisches und autonomes IIR ...... 1. Abgrenzung ........................................... 2. Übersicht: Vergleichbare Vorschriften in InsO und EuInsVO ..........
I.
1 2 4 4
IV. Regelungsgegenstand des IIR .......... 10 1. Internationale Zuständigkeit .............. 10 2. Haupt-, Sekundär- und Partikularverfahren .............................. 13 3. Anwendbares Recht ............................ 15 4. Anerkennung ....................................... 16
9
Einleitung
Weist ein Insolvenzsachverhalt grenzüberschreitende Bezüge auf, kann deutsches Insolvenzrecht nicht ohne weiteres angewendet werden. Vielmehr ist anhand der Regelungen des Internationalen Insolvenzrechts (IIR) zu bestimmen, ob deutsche Gerichte zuständig sind und ob deutsches Insolvenzrecht anwendbar ist. Nach dem IIR ist auch zu beurteilen, ob die Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland anzuerkennen sind. Ob die Wirkungen eines inländischen Verfahrens im Ausland anerkannt werden, richtet sich demgegenüber nach dem einschlägigen ausländischen IIR. Für die grenzüberschreitenden Bezüge innerhalb der Europäischen Union sind durch die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) einheitliche international-insolvenzrechtliche Regelungen geschaffen worden, die in allen EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) unmittelbar gelten. Das in den §§ 335 ff geregelte nationale („autonome“) IIR kommt daher nur zur Anwendung, wenn der Anwendungsbereich der EuInsVO nicht eröffnet ist, insbesondere weil der Schuldner aus dem persönlichen Anwendungsbereich der EuInsVO herausfällt oder wenn (und soweit) es an einem Auslandsbezug zu einem anderen EU-Mitgliedstaat fehlt (dazu näher unten Rz. 4 ff).
1
II. Internationales Insolvenzrecht (IIR) Sowohl die EuInsVO als auch die §§ 335 ff regeln im Wesentlichen drei Fragen: –
Die Gerichte welches Staates sind für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig?
–
Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang werden ausländische Insolvenzverfahren und ihre Wirkungen in anderen Staaten anerkannt?
–
Welches materielle Recht gelangt auf einen Insolvenzsachverhalt zur Anwendung?
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Vor §§ 335–358 3
Vorbemerkung
Während die ersten beiden Fragen den Bereich des Internationalen Zivilverfahrensrechts betreffen, ist die dritte Frage überwiegend dem Bereich des Internationalen Privatrechts (IPR) zuzuordnen, das über sog. Kollisionsnormen das auf einen Sachverhalt anwendbare materielle Recht bestimmt. Daneben enthalten sowohl die EuInsVO als auch die §§ 335 ff vereinzelt auch eigene materielle Vorschriften (sog. Sachnormen), die das einzelstaatliche Recht ersetzen oder ergänzen. Ein einheitliches materielles Insolvenzrecht, das die nationalen Insolvenzgesetze insgesamt ablösen würde, ist angesichts der großen Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen selbst innerhalb der EU in weiter Ferne. Allerdings trifft die Europäische Kommission, aufbauend auf einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15.11.2011,1) Vorbereitungen für eine zumindest punktuelle Harmonisierung ausgewählter sachrechtlicher Regelungsbereiche.2) Sie hat mit ihren Empfehlungen zum Unternehmensinsolvenzrecht3) vom 12.3.2014 auch erste konkrete Vorstellungen für eine Rechtsvereinheitlichung vorgelegt. Diese Leitlinien sind selbst nicht verbindlich (Art. 292 Satz 4 AEUV), bilden aber möglicherweise die Grundlage für weitergehende Maßnahmen der Kommission wie z. B. einen Legislativvorschlag. Ob ein solcher mit Blick auf die weitreichenden und konkreten Regelungsvorschläge in der Kommissionsempfehlung dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen würde und ob für eine Legislativmaßnahme überhaupt eine vertragsrechtliche Grundlage bestünde, ist allerdings fraglich und wird auch von der Kommissionsempfehlung offengelassen. III. Europäisches und autonomes IIR 1.
Abgrenzung
4
Als unmittelbar geltendes Europarecht geht die EuInsVO dem jeweiligen nationalen („autonomen“) IIR vor. Damit wird auch der Anwendungsbereich der §§ 335 ff durch den Anwendungsbereich der EuInsVO negativ abgegrenzt.
5
Raum für die Anwendung der §§ 335 ff bleibt hiernach zum einen in den Fällen, in denen der Schuldner nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der EuInsVO einbezogen ist. Das ist bei bestimmten Unternehmen des Finanzsektors der Fall, nämlich bei Kreditinstituten, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen und (offenen) Fonds (Art. 1 Abs. 2 EuInsVO). Hier ist zu berücksichtigen, dass die §§ 335 ff durch sektorenspezifische Spezialregelungen (§ 46e KWG, § 88 VAG) ergänzt werden, welche ihrerseits in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben4) geschaffen wurden.
6
Die §§ 335 ff sind sodann auch auf Insolvenzverfahren anwendbar, die zwar die Merkmale des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO erfüllen, aber nicht in den Annex der Ver_____________ 1) 2) 3) 4)
Entschließung des Europäischen Parlaments v. 15.11.2011 mit Empfehlungen an die Kommission zu Insolvenzverfahren i. R. des EU-Gesellschaftsrechts (2011/2006(INI)). Kommissionsmitteilung KOM(2012)742 v. 12.12.2012 („Ein neuer europäischer Ansatz zur Verfahrensweise bei Firmenpleiten und Unternehmensinsolvenzen“). Empfehlung der Kommission v. 12.3.2014 für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen, C(2014)1500. Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Art. 267 ff Richtlinie 2009/138/EG betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit („Solvency II“).
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Vor §§ 335–358
Vorbemerkung
ordnung aufgenommen wurden und deshalb nach Art. 2 Buchst. a EuInsVO aus dem effektiven Anwendungsbereich der Verordnung herausfallen.5) Aus dem Anwendungsbereich der EuInsVO fallen auch die Verfahren heraus, die über das Vermögen von Schuldnern eröffnet werden, deren Interessenmittelpunkt (COMI) außerhalb der EU oder in Dänemark liegt (näher Art. 1 EuInsVO Rz. 3 ff). Auch insoweit finden die §§ 335 ff Anwendung. Die §§ 335 ff sind schließlich auch anwendbar, wenn (und soweit) es an einem qualifizierten Auslandsbezug zu einem anderen EU-Mitgliedstaat fehlt.6) Im Verhältnis zu Drittstaaten findet die EuInsVO keine Anwendung.7) Dies wird allerdings zunehmend bestritten.8) Insbesondere hat der EuGH jüngst in der Rechtssache Schmid9) entschieden, dass die EuInsVO bereits dann Geltung beanspruche, wenn der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen des Schuldners innerhalb der EU liegt.10) Aus dieser Rechtsprechung folgt indessen nicht, dass die EuInsVO das autonome IIR der Mitgliedstaaten in toto verdrängen würde.11) Der Entscheidung lassen sich verbindliche Vorgaben allein zu Fragen der internationalen Zuständigkeit entnehmen.12) Ein weitergehender Geltungsanspruch kann ihr nicht zugeschrieben werden.13) Ungeachtet der vielen Wortlautargumente, auf welche sich das Urteil stützt, bleibt auch weiterhin zweifelhaft, ob sich eine aus EU-Sicht extraterritoriale Anwendung der EuInsVO im Verhältnis zu Drittstaaten überhaupt begründen lässt. Die Verhandlungen im Verordnungsgebungsverfahren wurden auf Grundlage des allseits geteilten Verständnisses geführt, dass die Regelungen allein innerhalb des Territoriums der EU Wirkungen entfalten würden.14) Aus diesem _____________ 5) BAG, Urt. v. 25.4.2013 – 6 AZR 49/12, NZI 2013, 758, 759 = ZIP 2013, 1982 (LS) zu einem griechischen Sonderliquidationsverfahren; K. Schmidt-Brinkmann, InsO, § 335 Rz. 3. 6) Kindler in: MünchKomm-BGB, Art. 1 EuInsVO Rz. 28; Pannen, EuInsVO, Art. 1 Rz. 118 ff; Paulus, EuInsVO, Einl. Rz. 33 f, Art. 3 Rz. 7; Taupitz, ZZP 111 (1998), 315, 320. 7) Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rz. 11: „Das Übereinkommen regelt lediglich die innergemeinschaftlichen Wirkungen von Insolvenzverfahren“. 8) S. bereits Huber, ZZP 114 (2001), 133, 138 f. 9) EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12, ZIP 2014, 181, dazu EWiR 2014, 85 (Paulus). 10) Dabei kommt es nicht auf einen besonderen (qualifizierten) Gemeinschaftsbezug an, EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12, ZIP 2014, 182 f. 11) So stellt auch der EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12, ZIP 2014, 181, 182 Rz. 22, darauf ab, dass Art. 3 EuInsVO – anders als eine Vielzahl von Regelungen der EuInsVO – selbst keinen qualifizierten Auslandsbezug voraussetzt. 12) Für eine Verdrängung allein der Zuständigkeitsnormen der IIRe der Mitgliedstaaten durch Art. 3 EuInsVO hatte sich zuvor bereits Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 1 EuInsVO Rz. 15 ff ausgesprochen. 13) Für eine restriktive Handhabung des Urteils auch Paulus, EWiR 2014, 85, 86. 14) Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, Rz. 11: „Selbst dann regelt das Übereinkommen aber nicht die Wirkungen des Verfahrens gegenüber Drittstaaten. In Bezug auf Drittstaaten hindert das Übereinkommen die Vertragsstaaten nicht daran, geeignete Vorschriften zu erlassen“; vgl. Paulus, EWiR 2014, 85, der auf den Grundsatz des wechselseitigen Vertrauens verweist, auf dem die EuInsVO basiert; vgl. dazu Begr. RegE IIRNeuRG (Allgemeine Begründung), BT-Drucks. 15/16, S. 13: „Die Verordnung (EG) 1346/2000 wird ganz wesentlich von dem Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und Funktionsfähigkeit der Justiz in den anderen Mitgliedstaaten getragen.“
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Vor §§ 335–358
Vorbemerkung
Grund fehlt es in der EuInsVO – anders als etwa in der Rom I-Verordnung15) – auch an einer Bestimmung, welche eine universelle Anwendbarkeit anordnen würde. Hiernach besteht weder Anlass noch Grund, der Entscheidung des EuGH über die tatsächlich entschiedene Frage hinaus Tragweite beizumessen, zumal die Erwägungsgründe, auf welche sie sich stützt, bei näherer Betrachtung gerade gegen einen extraterritorialen Geltungsanspruch der Verordnung sprechen.16) 8
Mit Blick auf den Anwendungsvorrang der EuInsVO und die – aus der nachfolgenden Synopse ersichtlichen – inhaltlichen Parallelen zwischen den Einzelbestimmungen der EuInsVO und den §§ 335 ff,17) liegen die Schwerpunkte der Kommentierung bei den Vorschriften der EuInsVO. Die Erläuterungen der §§ 335 ff beschränken sich daher im Wesentlichen auf die Darstellung von Besonderheiten im Vergleich zu den korrespondierenden Bestimmungen der EuInsVO. 2.
9
Übersicht: Vergleichbare Vorschriften in InsO und EuInsVO
InsO
EuInsVO
§ 335 (Grundsatz)
Art. 4, Art. 28
§ 336 (Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand)
Art. 8
§ 337 (Arbeitsverhältnis)
Art. 10
§ 338 (Aufrechnung)
Art. 6
§ 339 (Insolvenzanfechtung)
Art. 13
§ 340 (Organisierte Märkte. Pensionsgeschäfte)
Art. 9
§ 341 (Ausübung von Gläubigerrechten)
Art. 32
§ 342 (Herausgabepflicht. Anrechnung)
Art. 20
§ 343 (Anerkennung)
Art. 16, Art. 26
§ 344 (Sicherungsmaßnahmen)
Art. 38
§ 345 (Öffentliche Bekanntmachung)
Art. 21
§ 346 (Grundbuch)
Art. 22
§ 347 (Nachweis der Verwalterbestellung)
Art. 19
§ 348 (Zuständiges Insolvenzgericht)
Art. 21, Art. 22
§ 349 (Verfügungen über unbewegliche Gegenstände)
Art. 14, Art. 5 Abs. 3
§ 350 (Leistung an den Schuldner)
Art. 24
_____________ 15) Art. 2 der Verordnung (EG) 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (Rom I-VO). 16) Dies gilt für den vom EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12, ZIP 2014, 181, 182 (Rz. 25), herangezogenen Erwägungsgrund 4, der gerade von einer Verlagerung von Vermögen von einem Mitgliedstaat in einen anderen spricht sowie für den ebendort herangezogenen Erwägungsgrund 8, der die Effizienz und Wirksamkeit der Verfahrensabwicklung zum Ziel erhebt und damit den Einwand berechtigt erscheinen lässt, dass die Effizienz der Verfahrensabwicklung nachhaltig gestört werden kann, wenn die Anerkennung der Verfahrenswirkungen durch die Drittstaaten in der Schwebe bleibt. 17) Vgl. Begr. RegE IIRNeuRG, BT-Drucks. 15/16, S. 14.
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Vorbemerkung
InsO
EuInsVO
§ 351 (Dingliche Rechte)
Art. 5, Art. 7, Art. 11
§ 352 (Unterbrechung und Aufnahme eines Rechtsstreits) Art. 15 § 353 (Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen)
Art. 25
§ 354 (Voraussetzungen des Partikularverfahrens)
Art. 3 Abs. 2 und 4
§ 355 (Restschuldbefreiung. Insolvenzplan)
Art. 34
§ 356 (Sekundärinsolvenzverfahren)
Art. 3, Art. 27 bis 30
§ 357 (Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter)
Art. 31, Art. 34
§ 358 (Überschuss bei der Schlussverteilung)
Art. 35
IV. Regelungsgegenstand des IIR 1.
Internationale Zuständigkeit
Innerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO richtet sich die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren nach Art. 3 EuInsVO. Dies gilt auch dann, wenn es an einem (qualifizierten) Gemeinschaftsbezug fehlt.18) Maßgeblich ist dann der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners, für den sich als Schlagwort auch in Deutschland der Begriff des COMI – die Abkürzung des englischen Begriffs centre of main interests – durchgesetzt hat. Handelt es sich beim Schuldner hingegen um ein in Art. 1 Abs. 2 EuInsVO genanntes Finanzinstitut, steht ein Verfahren in Rede, das nicht in einen der Anhänge zur EuInsVO aufgenommen ist, oder befindet sich der COMI außerhalb der Europäische Union oder in Dänemark, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem autonomen IIR. Dieses ist zum Teil spezialgesetzlich geregelt (§ 46e Abs. 1 KWG, § 88 Abs. 1a VAG). Im Übrigen ist die internationale Zuständigkeit mangels ausdrückliche Regelung in den §§ 335 ff als eine stillschweigende Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit zu betrachten und daher aus § 3 Abs. 1 zu folgern (Doppelfunktion der örtlichen Zuständigkeit).19) Maßgeblich ist insoweit der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen.
10
Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Deko Marty20) erstreckt sich die internationale Zuständigkeit des Art. 3 EuInsVO im Anwendungsbereich der EuInsVO auch auf sog. Annexverfahren. Bei diesen handelt es sich um Klagen wie insbesondere Anfechtungsklagen, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit einem Insolvenzverfahren aus dem Anwendungsbereich der Brüssel I-Verordnung21) herausfallen (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b Brüssel I-Verordnung) und in den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen.22) Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auf das _____________
12
18) EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12, ZIP 2014, 181, dazu EWiR 2014, 85 (Paulus). 19) K. Schmidt-Brinkmann, InsO, vor § 335 Rz. 13; Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 343 Rz. 9 ff. 20) EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07, ZIP 2009, 427, dazu EWiR 2009, 505 (Riedemann). 21) Verordnung (EG) 44/2001 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 22) Grundlegend EuGH, Urt. v. 22.2.1979 – Rs. 133/78 (Gourdain), Slg. 1979, 733.
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Vor §§ 335–358
Vorbemerkung
autonome IIR übertragbar ist. Entgegen dem OLG Frankfurt23) ist diese Frage zumindest im Anwendungsbereich der Banken- und der Versicherungsabwicklungsrichtlinie24) zu bejahen. Das folgt aus der Überlegung, dass die Deko MartyRechtsprechung uneingeschränkt auf diese Richtlinien übertragbar ist25) und dass dies i. R. einer richtlinienkonformen Auslegung der einschlägigen Bestimmungen im autonomen IIR (hier: der § 46e Abs. 1 KWG, § 88 Abs. 1a VAG) zu berücksichtigen ist. Im Übrigen, d. h. für die aus § 3 Abs. 1 abzuleitende Zuständigkeitsregelung lässt sich eine Erstreckung auf Annexverfahren hingegen nicht begründen.26) 2.
Haupt-, Sekundär- und Partikularverfahren
13
Liegt der COMI eines in den persönlichen Anwendungsbereichs der EuInsVO fallenden Schuldners in einem anderen Staat, so kann gleichwohl noch eine internationale Zuständigkeit im Inland gegeben sein, allerdings nicht für die Durchführung eines Hauptinsolvenzverfahrens, sondern nur für ein Nebeninsolvenzverfahren, dessen Wirkungen – anders als die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens – territorial beschränkt sind und sich nur auf Vermögensgegenstände erstrecken, die in dem Staat der Verfahrenseröffnung belegen sind.27) Die Möglichkeit eines territorial beschränkten Verfahrens ohne ein universell wirkendes Hauptinsolvenzverfahren (dann: Partikularinsolvenzverfahren) oder neben einem universell wirkenden Hauptinsolvenzverfahren (dann: Sekundärinsolvenzverfahren) ist sowohl im autonomen IIR (§§ 354 ff, siehe aber auch § 46e Abs. 2 KWG, § 88 Abs. 2 VAG, wonach Sekundärverfahren bei bestimmten Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen ausgeschlossen sind) als auch in der EuInsVO (Art. 3 Abs. 3 und 4 EuInsVO) vorgesehen. Sie schränkt die Wirkungen des Hauptverfahrens ein und dient dem Schutz der inländischen Gläubiger, die ihre Rechte in einem gesonderten Verfahren unter Geltung ihres Heimatrechts, allerdings auch nur beschränkt auf die im Inland belegenen Vermögenswerte des Schuldners durchsetzen können.
14
Die Voraussetzungen, unter denen die EuInsVO solche territorial beschränkten Nebeninsolvenzverfahren zulässt, sind enger als die Voraussetzungen des autonomen IIR. Die EuInsVO ist nämlich vom Grundsatz des gemeinschaftlichen Vertrauens in die übrigen Rechtsordnungen der EU geprägt, sodass den Gläubigern eher zuzumuten ist, ihre Rechte in einem ausländischen Insolvenzverfahren durchzusetzen, als dies im „außereuropäischen“ Rechtsraum der Fall ist. Deshalb erlaubt die EuInsVO Partikular- oder Sekundärinsolvenzverfahren nur, wenn der Schuldner im Inland eine Niederlassung hat, während nach autonomem IIR bereits das Vorhandensein von Vermögen im Inland ausreichen kann. _____________ 23) OLG Frankfurt, Urt. v. 17.12.2012 – 1 U 17/11, ZIP 2013, 277, dazu EWiR 2013, 159 (Brinkmann). 24) Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen (mittlerweile aufgegangen in Art. 267 ff Richtlinie 2009/138/EG betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit – Solvency II). 25) Vgl. Brinkmann, EWiR 2013, 159, 160. 26) BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374, 375 – zu Anfechtungsklagen. 27) Zur territorialen Beschränkung von Insolvenzverfahren in Frankreich bis zum Inkrafttreten der EuInsVO vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 15.1.2007 – 5 U 98/06, ZInsO 2007, 611.
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§ 335
Grundsatz
3.
Anwendbares Recht
Aus der Eröffnungszuständigkeit folgt zugleich die wesentliche Bestimmung des Insolvenzstatuts, also des auf den Insolvenzsachverhalt anwendbaren materiellen Rechts. Denn grundsätzlich ist auf das gesamte Insolvenzverfahren und seine Wirkungen als allgemeines Insolvenzstatut das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung, die sog. lex (fori) concursus, anzuwenden (Art. 4 EuInsVO, § 335). Allerdings gibt es sowohl in der EuInsVO als auch im autonomen IIR auch Sonderanknüpfungen, etwa für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf unbewegliche Gegenstände, die sich nach dem Recht des Belegenheitsortes (lex rei sitae) richten oder für die Wirkungen auf Arbeitsverhältnisse, für die das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich ist. 4.
Anerkennung
Die Wirkungen der Verfahrenseröffnung werden im Anwendungsbereich der EuInsVO nach Art. 16 EuInsVO ohne weitere anerkannt; der Einhaltung bestimmter Förmlichkeiten bedarf es nicht. Anerkannt werden nach Art. 25 EuInsVO auch sonstige Entscheidungen i. R. der Durchführung und Beendigung des Verfahrens sowie Entscheidungen in Annexverfahren wie Insolvenzanfechtungsverfahren (zum Begriff der Annexverfahren siehe oben Rz. 12). Unter dem autonomen IIR richtet sich die Anerkennung der Wirkungen ausländischer Verfahren sowie der im Zuge oder der Beendigung dieser Verfahren getroffenen Entscheidungen nach § 343. Unklar ist, ob nach dieser Vorschrift auch die Entscheidungen in Annexverfahren anzuerkennen sind. Das ist zwar grundsätzlich zu verneinen,28) könnte im Anwendungsbereich der Banken- und der Versicherungsabwicklungsrichtlinie aber im Wege einer (gespaltenen) richtlinienkonformen Auslegung zu bejahen sein.29) _____________ 28) Kübler/Prütting/Bork-Kemper/Paulus, InsO, § 343 Rz. 26. 29) Allerdings enthalten diese Richtlinien (Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen) keine ausdrücklichen Bestimmungen zur Anerkennung von Annexverfahren. Sollten deren Zuständigkeitsbestimmungen in Entsprechung zur Deko-Marty-Rspr. so auszulegen sein, dass sie sich auf Annexverfahren erstrecken (dazu oben, Rz. 12), läge es in der Konsequenz dieser Auslegung auch die Anerkennungsbestimmungen entsprechend auszulegen.
Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften § 335 Grundsatz Das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen unterliegen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Übersicht I.
15
Allgemeines .......................................... 1
II. Insolvenzverfahren .............................. 4
Bornemann/Sabel/Schlegel
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16
§ 335
Grundsatz
3.
Anwendbares Recht
Aus der Eröffnungszuständigkeit folgt zugleich die wesentliche Bestimmung des Insolvenzstatuts, also des auf den Insolvenzsachverhalt anwendbaren materiellen Rechts. Denn grundsätzlich ist auf das gesamte Insolvenzverfahren und seine Wirkungen als allgemeines Insolvenzstatut das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung, die sog. lex (fori) concursus, anzuwenden (Art. 4 EuInsVO, § 335). Allerdings gibt es sowohl in der EuInsVO als auch im autonomen IIR auch Sonderanknüpfungen, etwa für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf unbewegliche Gegenstände, die sich nach dem Recht des Belegenheitsortes (lex rei sitae) richten oder für die Wirkungen auf Arbeitsverhältnisse, für die das Arbeitsvertragsstatut maßgeblich ist. 4.
Anerkennung
Die Wirkungen der Verfahrenseröffnung werden im Anwendungsbereich der EuInsVO nach Art. 16 EuInsVO ohne weitere anerkannt; der Einhaltung bestimmter Förmlichkeiten bedarf es nicht. Anerkannt werden nach Art. 25 EuInsVO auch sonstige Entscheidungen i. R. der Durchführung und Beendigung des Verfahrens sowie Entscheidungen in Annexverfahren wie Insolvenzanfechtungsverfahren (zum Begriff der Annexverfahren siehe oben Rz. 12). Unter dem autonomen IIR richtet sich die Anerkennung der Wirkungen ausländischer Verfahren sowie der im Zuge oder der Beendigung dieser Verfahren getroffenen Entscheidungen nach § 343. Unklar ist, ob nach dieser Vorschrift auch die Entscheidungen in Annexverfahren anzuerkennen sind. Das ist zwar grundsätzlich zu verneinen,28) könnte im Anwendungsbereich der Banken- und der Versicherungsabwicklungsrichtlinie aber im Wege einer (gespaltenen) richtlinienkonformen Auslegung zu bejahen sein.29) _____________ 28) Kübler/Prütting/Bork-Kemper/Paulus, InsO, § 343 Rz. 26. 29) Allerdings enthalten diese Richtlinien (Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen) keine ausdrücklichen Bestimmungen zur Anerkennung von Annexverfahren. Sollten deren Zuständigkeitsbestimmungen in Entsprechung zur Deko-Marty-Rspr. so auszulegen sein, dass sie sich auf Annexverfahren erstrecken (dazu oben, Rz. 12), läge es in der Konsequenz dieser Auslegung auch die Anerkennungsbestimmungen entsprechend auszulegen.
Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften § 335 Grundsatz Das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen unterliegen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Übersicht I.
15
Allgemeines .......................................... 1
II. Insolvenzverfahren .............................. 4
Bornemann/Sabel/Schlegel
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16
§ 335 I.
Grundsatz
Allgemeines
1
Die Vorschrift legt den durch zahlreiche Sonderanknüpfungen durchbrochenen Grundsatz fest, dass ein (im In- oder Ausland) eröffnetes Verfahren und seine Wirkungen dem Recht des Eröffnungsstaats unterliegen. Im Anwendungsbereich der EuInsVO geht Art. 4 EuInsVO vor. Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schmid1) ist unklar, ob Art. 4 EuInsVO auch bei Fehlen eines qualifizierten Gemeinschaftsbezugs anzuwenden ist. Das ist zu verneinen, da sich diese Entscheidung allein auf die Zuständigkeitsregelung des Art. 3 EuInsVO bezieht und nicht verallgemeinert werden kann (siehe Vor §§ 335 ff Rz. 7). Praktische Konsequenzen knüpfen sich an die Antwort auf diese Frage allerdings nicht, da insbesondere der Beispielskatalog des Art. 4 Abs. 2 EuInsVO auch bei der Konkretisierung der Reichweite von § 335 heranzuziehen ist.2)
2
Die Vorschrift gilt gleichermaßen für inländische und ausländische Verfahren (allseitige Kollisionsnorm). Sie betrifft nicht nur die Verfahrenseröffnung, sondern – weitergehend – das Verfahren insgesamt und dessen Wirkungen. Die Verweisung ist nicht auf das Verfahrensrecht beschränkt, sondern schließt auch das anzuwendende materielle Insolvenzrecht ein.
3
Die durch die Vorschrift angeordnete Maßgeblichkeit des Rechts des Eröffnungsstaats wird zum einen durch eine Vielzahl von Sonderanknüpfungen durchbrochen, wie sie etwa in § 336 für Verträge über bewegliche Gegenstände, § 337 für Arbeitsverhältnisse, § 338 für Aufrechnungsfragen, § 339 für die Insolvenzanfechtung und § 340 für bestimmte Finanzmärkte, -systeme und -geschäfte zu finden sind. Zum anderen ist sie aber auch auf das Insolvenzstatut begrenzt. § 335 ist damit von anderen Kollisionsnormen abzugrenzen. Von praktischer Relevanz ist insoweit insbesondere die Abgrenzung zum Gesellschaftsstatut.3) II. Insolvenzverfahren
4
Zweifellos stellt das Insolvenzverfahren nach der InsO ein Insolvenzverfahren i. S. des § 335 dar. Bei einem ausländischen Verfahren kann dies allerdings fraglich sein. Für die insoweit erforderliche Qualifikation kommt es darauf an, ob das ausländische Verfahren in seinen Zielsetzungen mit dem deutschen Insolvenzverfahren vergleichbar ist.4) Dabei dürfen die Eigenarten des deutschen Insolvenzverfahrens nicht zum absoluten Maßstab gemacht werden.5) Vielmehr ist eine funktionale Betrachtung _____________ 1) 2) 3)
4) 5)
EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12, ZIP 2014, 181, dazu EWiR 2014, 85 (Paulus). Begr. RegE IIRNeuRG (zu § 335), BT-Drucks. 15/16, S. 18 – Heranziehen der Beispiele „als Interpretationshilfe“. S. etwa BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10 (PIN), ZIP 2011, 1775, dazu EWiR 2011, 643 (Bork): Insolvenzrechtliche Qualifikation der durch das MoMiG abgelösten Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatzrecht unter § 30 GmbHG; zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der Haftung eines Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG: OLG Jena, Urt. v. 17.7.2013 – 2 U 815/12, ZIP 2013, 1820. Begr. RegE IIRNeuRG (zu § 335), BT-Drucks. 15/16, S. 18. Vgl. BAG, Urt. v. 27.2.2007 – 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047, 2049, dazu EWiR 20007, 759 (Mankowski), wonach es darauf ankommt, dass das ausländische Verfahren „im Großen und Ganzen“ Zwecken dient, „die § 1 InsO als Aufgaben des deutschen Insolvenzverfahrens umschreibt“.
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§ 335
Grundsatz
geboten, die sich an den Zielbestimmungen des § 1 Satz 1 orientiert, dabei von den Besonderheiten des deutschen Insolvenzverfahrens abstrahiert und insbesondere für Gestaltungsmerkmale offen ist, durch welche sich die in die Anhänge zur EuInsVO aufgenommenen Verfahren anderer EU-Mitgliedstaaten auszeichnen.6) Anhaltspunkte bietet auch die Definition von foreign proceeding in Art. 2 Buchst. a des UNCITRAL Modellgesetzes für grenzüberschreitende Insolvenzen,7) zumal zu erwarten ist, dass die Legaldefinition von Insolvenzverfahren in Art. 1 EuInsVO im Zuge der derzeitigen Überarbeitung der EuInsVO an das UNCITRAL-Modelgesetz angenähert werden wird.8) Allerdings kommt eine mechanistische Übernahme des Modellgesetzes nicht in Betracht, da der Gesetzgeber dieses gerade nicht umgesetzt hat und da das im innergemeinschaftlichen Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten bestehende wechselseitige Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und die Funktionsfähigkeit der Justiz im Verhältnis zu Drittstaaten nicht voraussetzungslos unterstellt werden kann.9) Im Kern ist mindestens vorauszusetzen, dass das ausländische Verfahren an eine Insolvenz oder zumindest an schwerwiegende finanzielle Schwierigkeiten des Schuldners anknüpft.10) Auch muss das Vermögen des Schuldners einem Vermögensbeschlag unterworfen werden. Dieser muss zwar nicht zwangsläufig mit einem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis einhergehen, aber zumindest gewährleisten, dass die Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch den Schuldner einer wirksamen Kontrolle durch eine unabhängige Stelle unterliegt.11) Irrelevant ist dabei, ob das Verfahren auf eine Abwicklung des schuldnerischenVermögens oder auf eine Reorganisation desselben gerichtet ist, sofern es nur der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger dient.12) _____________ 6) Begr. RegE IIRNeuRG (zu § 335), BT-Drucks. 15/16, S. 18: „Zur näheren Konkretisierung ... können auch die Anhänge A und B der Verordnung (EG) 1346/2000 herangezogen werden“; für eine weitgehende Anlehnung an die EuInsVO: K. Schmidt-Brinkmann, InsO, § 335 Rz. 6. 7) Vgl. Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, InsO, § 349 Rz. 5; Art. 2 UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency lautet: „‚Foreign proceeding’ means a collective judicial or administrative proceeding in a foreign State, including an interim proceeding, pursuant to a law relating to insolvency in which proceeding the assets and affairs of the debtor are subject to control or supervision by a foreign court, for the purpose of reorganization or liquidation.” 8) Vgl. den Entwurf für eine Neufassung von Art. 1 EuInsVO im Kommissionsvorschlag für eine Änderungsverordnung zur EuInsVO (KOM(2012)744): „Diese Verordnung gilt für gerichtliche oder administrative Gesamtverfahren einschließlich Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die sich auf eine gesetzliche Regelung zur Insolvenz oder Schuldenanpassung stützen und in denen zu Zwecken der Sanierung, Schuldenanpassung, Reorganisation oder Liquidation (a) dem Schuldner die Verfügungsgewalt über sein Vermögen ganz oder teilweise entzogen und ein Verwalter bestellt wird oder (b) das Vermögen und der Geschäftsbetrieb des Schuldners der Kontrolle oder Aufsicht durch ein Gericht unterstellt wird.“ 9) Begr. RegE IIRNeuRG (Allgemeine Begründung), BT-Drucks. 15/16, S. 13. 10) Vgl. UNCITRAL, Guide to Enactment and Interpretation of the UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency, § 48: „Where a proceeding serves several purposes, including the winding up of a solvent entity, it falls under article 2, subparagraph (a) of the Model Law only if the debtor is insolvent or in severe financial distress.“ 11) Vgl. Art. 2 Buchst. a UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency: “… the assets and affairs of the debtor are subject to control or supervision by a foreign court.” 12) BGH, Beschl. v. 15.2.2012 – IV ZR 194/09 (Equitable Life), ZIP 2012, 740, 741, dazu EWiR 2012, 313 (Mankowski); BGH, Urt. V. 13.10.2009 – IX ZR 79/06, ZIP 2009, 2217, 2218.
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§ 336 6
Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand
Zu den Insolvenzverfahren i. S. des § 335 gehören damit insbesondere die Verfahren unter dem U.S.-amerikanischen Bankruptcy Code, einschließlich des Reorganisationsverfahrens nach dem 11. Kapitel dieses Gesetzes.13) Problematisch ist demgegenüber das (Solvent) Scheme of Arrangement14) nach englischem Recht. Hier wird weder das Vorliegen schwerwiegenden finanzieller Schwierigkeiten des Schuldners durch ein Gericht geprüft, noch dient das Verfahren der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger.15) Zudem wird die Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen nicht der Kontrolle eines Gerichts unterworfen.16) Noch nichtabschließend entschieden ist, ob Schemes of Arrangements unter der Brüssel I-Verordnung anerkennungsfähig sind.17) _____________ 13) BGH, Urt. v. 13.10.2009 – IX ZR 79/06, ZIP 2009, 2217, 2218 ff; BAG, Urt. v. 27.2.2007 – 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047, 2049. Nach BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 882/11 (A) sind auch die Verfahren nach dem brasilianischen Gesetz Nr. 11.101 vom 9.2.2005 zur Regelung der gerichtlichen und außergerichtlichen Sanierung sowie der Insolvenz eines Unternehmers und einer Unternehmergesellschaft (Gesetz Nr. 11.101/05) anerkennungsfähige Insolvenzverfahren; vgl. BAG, Urt. v. 18.7.2013 – 6 AZR 882/11, ZInsO 2014, 200, 203 f. 14) Parts 26 (ss. 895 – 901), 27 Companies Act 2006. 15) BGH, Beschl. v. 15.2.2012 – IV ZR 194/09 (Equitable Life), ZIP 2012, 740; K. SchmidtBrinkmann, InsO, § 335 Rz. 9. 16) K. Schmidt-Brinkmann, InsO, § 335 Rz. 9. 17) Offengelassen in BGH, Beschl. v. 15.2.2012 – IV ZR 194/09 (Equitable Life), ZIP 2012, 740, 743, weil dort über die Wirkungen auf Versicherungsverträge zu entscheiden war, für die besondere Zuständigkeitsbestimmungen gelten.
§ 336 Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand 1 Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der ein dingliches Recht an einem unbeweglichen Gegenstand oder ein Recht zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstandes betrifft, unterliegen dem Recht des Staats, in dem der Gegenstand belegen ist. 2Bei einem im Schiffsregister, Schiffsbauregister oder Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragenen Gegenstand ist das Recht des Staats maßgebend, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird.
1
Satz 1 unterstellt – ebenso wie der im Anwendungsbereich der EuInsVO vorrangige Art. 8 EuInsVO (dazu vor §§ 335 ff Rz. 4 ff) – die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Verträge über den Erwerb, die Begründung oder Änderung anderer dinglicher Rechte oder über die Nutzung von Grundstücken oder anderen unbeweglichen Gegenständen dem Recht des Staates der Belegenheit (lex rei sitae). Eine (im Übrigen nach Art. 3 Rom I-VO grundsätzlich mögliche) Rechtswahl ist damit unbeachtlich, soweit sie sich auf die Wirkungen des Insolvenzverfahrens er- strecken würde. Die Vorschrift dient teils sozialpolitischen Belangen im Bereich des Mieterschutzes, teils der Vermeidung von Friktionen mit dem Recht, das nach international-sachenrechtlichen Grundsätzen für den Vertragsvollzug einschlägig ist.1) _____________ 1)
Begr. RegE IIRNeuRG (zu § 336), BT-Drucks. 15/16, S. 18.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 337
Arbeitsverhältnis
Unbewegliche Gegenstände sind nach der Legaldefinition des § 49 alle Gegenstände, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen. Maßgebend ist insoweit § 864 ZPO.
2
Damit fallen auch registrierte Schiffe und Luftfahrzeuge in den Anwendungsbereich des § 336. Für sie regelt Satz 2, dass an die Stelle des naturgemäß häufig wechselnden Belegenheitsortes der Ort tritt, an dem das Register geführt wird (Registerstatut). Die EuInsVO enthält insoweit keine vergleichbare Regelung. Dort werden Schiffe und Luftfahrzeuge nicht per se als unbewegliche Gegenstände angesehen mit der Folge, dass sie nur hinsichtlich der Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte des Schuldners, nicht dagegen hinsichtlich der zugrunde liegenden Verträge dem Registerstatut unterstellt sind.2)
3
_____________ 2)
Vgl. Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, EuInsVO, Art. 8 Rz. 3.
§ 337 Arbeitsverhältnis Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf ein Arbeitsverhältnis unterliegen dem Recht, das nach der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6) für das Arbeitsverhältnis maßgebend ist. Die Vorschrift unterstellt – ebenso wie Art. 10 EuInsVO, der für Insolvenzverfahren mit qualifiziertem Gemeinschaftsbezug Vorrang hat – in der Insolvenz des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers die Wirkungen des Insolvenzverfahrens nicht dem Recht des Eröffnungsstaates, sondern dem Recht des Staates, das für das Arbeitsverhältnis insgesamt maßgebend ist (Arbeitsvertragsstatut). Die Vorschrift trägt damit dem Schutz der Arbeitnehmerrechte Rechnung.
1
Das Arbeitsvertragsstatut bestimmt sich, soweit § 337 anwendbar ist, nach der Rom-I-Verordnung, die auf alle seit dem 17.12.2009 begründeten Schuldverhältnisse Anwendung findet. Für vorher begründete Arbeitsverhältnisse gilt weiter Art. 30 EGBGB in der bis zum 16.12.2009 geltenden Fassung. Nach beiden Normen ist eine Rechtswahl grundsätzlich zulässig. Sie darf jedoch nicht dazu führen, dass zwingende Vorschriften des ohne die Rechtswahl maßgebenden Rechts, die dem Schutz des Arbeitnehmers dienen, abbedungen werden. Damit kommen jedenfalls die zwingenden Arbeitsschutzvorschriften des Landes zur Anwendung, in dem der Arbeitnehmer regelmäßig seine Arbeit verrichtet.
2
Die Vorschrift unterstellt allein die Wirkung der Verfahrenseröffnung auf das Arbeitsverhältnis das Arbeitsvertragsstatut, verhilft also den Vorschriften zur Anwendung, nach denen sich das Schicksal des Arbeitsverhältnisses im eröffneten Verfahren richtet, insbesondere mit Blick auf die Kündbarkeit desselben (im deutschen Recht: §§ 103 ff). Geht es hingegen um die Geltendmachung des Arbeitsentgelts, sind die
3
Bornemann/Sabel/Schlegel
1581
§ 338
Aufrechnung
Vorschriften zur Anmeldung und Feststellung von Forderungen der lex fori concursus maßgeblich.1) Dasselbe gilt für die Rangstellung der Forderung. _____________ 1)
Reinhardt in: MünchKomm-InsO, § 337 Rz. 9; vgl. (zu Art. 10 EuInsVO) BAG, Urt. v. 20.9.2012 – 6 AZR 153/11, ZIP 2012, 2312 = NZI 2012, 1011, dazu EWiR 2013, 49 (Knof/Stütze).
§ 338 Aufrechnung Das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn er nach dem für die Forderung des Schuldners maßgebenden Recht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist. 1
§ 338 stellt gegenüber dem für europäische Sachverhalte vorrangigen Art. 6 Abs. 1 EuInsVO, dessen Absatz 1 die Anfechtungsbefugnis des Gläubigers und den Schutz der vor Insolvenzeröffnung erlangten Aufrechnungslage inhaltsgleich regelt, ausdrücklich klar, dass für die Frage der Aufrechnungsbefugnis auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung abzustellen ist. Dagegen fehlt eine dem Art. 6 Abs. 2 EuInsVO vergleichbare Regelung darüber, dass sich die Frage der Wirksamkeit bzw. Anfechtbarkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderung nach dem Recht des Eröffnungsstaats bestimmt und von § 338 nicht berührt wird. Dies ergibt sich im Anwendungsbereich des § 338 aber bereits aus allgemeinen Grundsätzen. Ein Unterschied zur EuInsVO besteht auch insoweit nicht.
§ 339 Insolvenzanfechtung Eine Rechtshandlung kann angefochten werden, wenn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung erfüllt sind, es sei denn, der Anfechtungsgegner weist nach, dass für die Rechtshandlung das Recht eines anderen Staats maßgebend und die Rechtshandlung nach diesem Recht in keiner Weise angreifbar ist. 1
Art. 13 EuInsVO enthält für europäische Insolvenzverfahren eine inhaltsgleiche Regelung.
§ 340 Organisierte Märkte. Pensionsgeschäfte (1) Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte und Pflichten der Teilnehmer an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes unterliegen dem Recht des Staats, das für diesen Markt gilt. (2) Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Pensionsgeschäfte im Sinne des § 340b des Handelsgesetzbuchs sowie auf Schuldumwandlungsverträge und Aufrechnungsvereinbarungen unterliegen dem Recht des Staats, das für diese Verträge maßgebend ist. 1582
Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 340
Organisierte Märkte. Pensionsgeschäfte
(3) Für die Teilnehmer an einem System im Sinne von § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes gilt Absatz 1 entsprechend. Literatur: Böhm, Rechtliche Aspekte grenzüberschreitender Nettingvereinbarungen, 2001; Deutsche Bundesbank, Die neuen CPSS-IOSCO-Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen, Monatsbericht Juli 2012, S. 39 ff; Beck/Samm/Kokemoor, Kreditwesengesetz, 64. EL, Stand 10/2013; Ehricke, Zum anwendbaren Recht auf ein in einem Clearing-System vereinbartes Glattstellungsverfahren im Fall der Insolvenz ausländischer ClearingMitglieder, WM 2006, 2109; Galanti, The New EC Law on Bank Crisis, International Insolvency Review 2002, 54; Jobst, Börslicher und außerbörslicher Derivatehandel mittels zentraler Gegenpartei, ZBB 2010, 384; Reuschle/Fleckner, Börsenähnliche Einrichtungen – die privatrechtliche Organisation einer Börse im materiellen Sinne, BKR 2002, 617; Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Teilnahme an einem organisierten Markt (Abs. 1) ...................................... 4 III. Teilnehmer an Zahlungs-, Lieferund Abrechnungssystemen (Abs. 3) .................................................. 6
I.
IV. Privilegierte Finanzmarktkontrakte (Abs. 2) ................................ 8 1. Pensionsgeschäfte ................................. 8 2. Liquidationsnettingklauseln ................. 9 3. Anwendbares Recht ............................ 11
Allgemeines
Die Absätze 1 und 3 dienen dem Schutz bestimmter Finanzmarktinfrastruktureinrichtungen (organisierte Märkte sowie Zahlungs-, Abrechnungs- und Abwicklungssysteme). Absatz 2 privilegiert mit den Pensionsgeschäften und Liquidationsnettingklauseln bestimmte Finanzmarkttransaktionen, denen in der Handels- und Refinanzierungspraxis von Finanzinstituten besondere Bedeutung zukommt und an deren bankaufsichtsrechtliche Erfassung sich gewichtige Folgen knüpfen.1)
1
Trotz der dezidiert finanzmarktregulatorischen Zielsetzungen setzt die Vorschrift nicht voraus, dass es sich bei dem Schuldner um ein Kreditinstitut oder ein anderes Finanzinstitut handelt. Vielmehr ist § 340 grundsätzlich auch in der Insolvenz von Unternehmen des Realsektors anwendbar. Dies gilt freilich dann nicht, wenn der Anwendungsbereich der – vorrangig anzuwendenden – EuInsVO eröffnet ist.2) Im Anwendungsbereich der EuInsVO finden die Absätze 1 und 3, nicht aber Absatz 2, ihre Entsprechung in Art. 9 EuInsVO (zum Vorhaben ein dem Absatz 2 entsprechendes Nettingprivileg als Art. 6a in die EuInsVO einzuführen siehe Vorb. EuInsVO Rz. 24).
2
§ 340 dient der Umsetzung europäischen Richtlinienrechts. Absatz 1 geht auf Art. 27 der Bankenabwicklungsrichtlinie3) und Art. 289 der Solvency II-Richtlinie4) _____________
3
1) 2) 3) 4)
Zur bankaufsichtsrechtlichen Bedeutung des Liquidationsnetting s. § 104 Rz. 5. Allgemein zum Verhältnis der §§ 335 ff zur EuInsVO s. vor §§ 335 ff Rz. 4 ff. Richtlinie 2001/24/EG v. 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, Abl. (EG) L 125/15. Richtlinie 2009/136/EG v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. (EG) L 335/1, deren Art. 289 den ehemaligen Art. 23 der aufgehobenen Richtlinie 2001/17/EG v. 19.3.2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, Abl. (EG) L 110/28, übernommen hat.
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§ 340
Organisierte Märkte. Pensionsgeschäfte
sowie Art. 7 der Finanzsicherheitenrichtlinie5) zurück. Absatz 2 setzt Art. 25 und 26 der Bankenabwicklungsrichtlinie um. Absatz 3 schließlich dient der Umsetzung von Art. 8 der Finalitätsrichtlinie.6) 4
5
6
7
II. Teilnahme an einem organisierten Markt (Abs. 1) Die Sonderanknüpfung für die Teilnahme an einem organisierten Markt sichert die Einheitlichkeit der Teilnahmebedingungen an organisierten Finanzmärkten ab. Hierdurch wird die Komplexität des rechtlichen Transaktionsgefüges reduziert und damit der Entstehung systemischer Risiken vorgebeugt. Organisierte Märkte sind bedeutsame Knotenpunkte im Finanzsystem. Ihre Veranstaltung geht daher mit systemischen Risiken einher. Insbesondere können sich Störungen im Verhältnis zu einem Teilnehmer auch auf andere Teilnehmer, den Markt insgesamt oder – in letzter Instanz – das gesamte Finanzsystem auswirken. Da Absatz 1 an die Teilnahme am Markt anknüpft, gilt die Vorschrift allein in der Insolvenz des Teilnehmers, nicht hingegen in der Insolvenz des Marktträgers. Organisierte Märkte sind die in Umsetzung von Art. 2 Nr. 14 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 2004/39/EG in § 2 Abs. 5 WpHG definierten staatlich überwachten multilateralen Handelsplätze. Erfasst sind damit insbesondere Börsen i. S. von § 2 Abs. 1 BörsG,7) aber auch entsprechende Märkte im Europäischen Wirtschaftsraum.8) Wird ein Teilnehmer insolvent, richten sich die Auswirkungen der Insolvenz auf die mit der Teilnahme am Markt verbundenen Transaktionen, insbesondere hinsichtlich der Verwertung von Sicherheitsleistungen, etwaigen Insolvenzanfechtungen und der Behandlung noch nicht vollständig erfüllter Verträge nach dem Recht des Staates, dem der Markt unterliegt. III. Teilnehmer an Zahlungs-, Liefer- und Abrechnungssystemen (Abs. 3) Bei den in Absatz 3 den organisierten Märkten gleichgestellten „Systemen“ handelt es sich um Zahlungssysteme sowie Wertpapierliefer- und –abrechnungssysteme i. S. von § 1 Abs. 16 und § 24b KWG. Über Zahlungssysteme (wie insbesondere das von den Notenbanken betriebene TARGET2-System)9) wickeln Teilnehmer für sich und ihre Kunden Zahlungen ab. Wertpapierliefer und -abrechnungssysteme (wie insbesondere das von Clearstream Banking AG betriebene System) dienen der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen, indem sie die Lieferung der Wertpapiere gegen Bezahlung sicherstellen. Erfasst werden auch die Systeme zentraler Kontrahenten i. S. der Europäischen Marktinfrastrukturverordnung (EMIR).10) Diese Systeme setzen eine förmliche Vereinbarung von mindestens drei Teilnehmern über die Durchführung und Abwicklung von Zahlungen bzw. Wertpapier_____________ 5) Richtlinie 2002/47/EG v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABl. (EG) L 168/43. 6) Richtlinie 98/26/EG v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungssowie Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen, ABl. (EG) L 166/45. 7) Zu Einzelheiten vgl. Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 340 Rz. 4; Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617. 8) Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 340 Rz. 3; Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 340 Rz. 4. 9) EZB, Leitlinie über ein transeuropäisches automatisiertes Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET2), ABl. (EU) 2007, L 237 ff. 10) Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister v. 4.7.2012, ABl. (EU) L 201/1.
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Organisierte Märkte. Pensionsgeschäfte
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transaktionen voraus.11) Wie auch die von Absatz 1 erfassten organisierten Märkte (dazu oben Rz. 4) bedürfen diese Systeme zur Absicherung ihrer Funktionsfähigkeit und zur Minimierung der systemischen Risiken Sicherungsvorkehrungen gegen das Risiko des Ausfalls und der Insolvenz von Teilnehmern. Diese bestehen einerseits aus Einschränkungen des Insolvenzrechts (vgl. etwa §§ 116, 147 Abs. 1 Satz 2, § 166 Abs. 2 Satz 2), andererseits aus der über Absatz 3 gewährleisteten Anwendbarkeit des Rechts, das auf das System anwendbar ist. Anwendbar ist Absatz 3 allein auf die Insolvenz des Teilnehmers. Auf die Insolvenz des Systemträgers ist Absatz 3 genauso wenig anwendbar wie Absatz 1 auf die Insolvenz des Marktträgers (dazu oben Rz. 5). IV. Privilegierte Finanzmarktkontrakte (Abs. 2) 1.
Pensionsgeschäfte
Absatz 2 erstreckt die Sonderanknüpfung auch auf einzelne Vertragstypen außerhalb eines geregelten Marktes oder Systems. Bei den dort genannten Pensionsgeschäften handelt es sich um (Bank-)Geschäfte, bei denen der Pensionsgeber zur kurzoder mittelfristigen Erlangung von Liquidität Vermögensgegenstände (zumeist Wertpapiere oder Forderungsbestände) an den Pensionsnehmer veräußert und sich zugleich verpflichtet, diese Vermögensgegenstände später zu einem bereits fest vereinbarten Preis zurückzukaufen.12) Wird einer der Vertragspartner insolvent, stellt Absatz 2 sicher, dass die Abwicklung der Pensionsgeschäfte einheitlich nach dem hierfür geltenden Vertragsstatut – entweder dem vereinbarten Recht oder dem Recht am Sitz der kontoführenden Bank13) – erfolgt. 2.
8
Liquidationsnettingklauseln
Der gleiche Grundsatz gilt bei den im Finanzmarkt (aber auch im Energiehandel) verbreiteten Schuldumwandlungs- und Aufrechnungsvereinbarungen. Diese sehen vor, dass die Leistungspflichten aus schwebenden Geschäften im Insolvenzfall einheitlich beendet, auf Nichterfüllungsforderungen reduziert und sodann zu einer Nettoforderung saldiert werden (sog. Liquidationsnetting oder Close-Out Netting). Damit wird insbesondere der Gegenpartei des Schuldners die Möglichkeit gegeben, das Transaktionsportfolio im Verhältnis zum Schuldner zum Marktwert abzurechnen und sich anderweitig zu ebendiesem Preis neu einzudecken, um die mit dem Portfolio verbundenen Marktrisiken ungeachtet der Insolvenz des Schuldners effektiv steuern zu können.14)
9
Die Anerkennung der von den Parteien für diese Vereinbarung getroffenen Rechtswahl gewährleistet, dass die Insolvenzfestigkeit des Nettingmechanismus durch die Wahl eines nettingfreundlichen Rechts sichergestellt werden kann.15) Das ist in _____________
10
11) 12) 13) 14) 15)
S. Art. 2 Buchst. a der Finalitätsrichtlinie (98/26/EG), auf welchen § 1 Abs. 16 KWG verweist. Vgl. dazu i. E. Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 340 Rz. 8 m. w. N. Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 340 Rz. 8. Näheres zum Zweck des Liquidationsnetting s. § 104 Rz. 2 ff, 34 ff. Vgl. Begr. RegE IIRNeuRG (§ 340), BT-Drucks. 15/16, S. 20, welche den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit hervorhebt. Freilich ließe sich Rechtssicherheit als solche auch durch die lex fori concursus-Regel herstellen. Die Wirkungen des Absatzes 2 gehen darüber hinaus, indem sie Gestaltungsoptionen zur Absicherung der Insolvenzfestigkeit des Liquidationsnetting eröffnen.
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§ 340
Organisierte Märkte. Pensionsgeschäfte
rechtspolitischer Hinsicht nicht ganz unproblematisch, weil diese Rechtswahl an keine Voraussetzungen geknüpft ist, über welche sich sicherstellen ließe, dass das Nettingprivileg nicht mit insolvenzrechtlichen Grundsätzen wie insbesondere dem Verwalterwahlrecht des § 103 oder den Aufrechnungsbeschränkungen der §§ 95 f in Konflikt gerät.16) Um dies zu gewährleisten, umreißen etwa die UNIDROITGrundsätze zur Funktionsweise von Liquidationsnettingklauseln17) einen Kernanwendungsbereich, der in persönlicher Hinsicht auf Zentralbanken, beaufsichtigte Finanzinstitute und bestimmte öffentliche Stellen und in sachlicher Hinsicht auf einen Kanon an Finanzmarkttransaktionen beschränkt ist.18) 3.
Anwendbares Recht
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Absatz 2 verweist auf das Recht des Staats, dem der Vertrag unterliegt (lex contractus). Das bedarf bei Liquidationsnettingklauseln insoweit der Konkretisierung als es auf die insoweit getroffene Rechtswahl, nicht aber auf die Rechtswahl ankommt, welche die Parteien in Bezug auf die übrigen Teile der (rahmen-) vertraglichen Vereinbarungen19) oder in Bezug auf die in das Liquidationsnetting einbezogenen Geschäfte getroffen haben.
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Verwiesen wird auf das Insolvenzrecht des Staates, dem der Vertrag unterliegt. Zuweilen wird die Auffassung vertreten, dass sich die Verweisung allein auf das Vertragsrecht dieses Staates mit der Folge beziehe, dass sich das Close-Out Netting ohne jegliche Einschränkungen vollziehen könne, welche das Insolvenzrecht dieses Staats vorsieht. Gestützt wird diese Auffassung auf das Argument, dass Art. 7 Abs. 1 der Finanzsicherheitenrichtlinie20) verlange, dass sich der Close-Out nach Maßgabe der Bestimmungen der zugrunde liegenden Vereinbarung ungehindert vollziehen können müsse. Hätte der Gesetzgeber indessen eine solch weitgehende Regelung schaffen wollen, hätte er eine Sachnorm des Inhalts schaffen müssen, dass die Verfahrenseröffnung nach dem Vorbild des die Aufrechnung betreffenden Art. 6 EuInsVO der Durchführung des Close-Outs nicht entgegensteht. Auch lässt sich nicht begründen, warum ausgerechnet die Verweisung in Absatz 2 auf das Vertragsrecht beschränkt sein soll, wohingegen die im Wortlaut identischen Verweisungen in den Absätzen 1 und 3 unstreitig auch das Insolvenzrecht einschließen. Schließlich würde die Annahme einer Verweisung auf das Vertragsrecht der Vorschrift eine tautologische Normaussage zuschreiben, die man dem Gesetzgeber kaum unterstellen kann. Zu einem anderen Ergebnis kann man allenfalls im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung gelangen, sofern es um Liquidationsnettingklauseln geht, die in den Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie fallen. Insoweit wäre aber eine gespaltene Auslegung geboten, so dass es im Übrigen bei der Verweisung auf das Insolvenzrecht verbliebe. _____________ 16) Die Einschränkungen des Insolvenzverwalterwahlrechts durch den Close-Out Mechanismus sind allein unter dem Gesichtspunkt zu rechtfertigen, dass das Close-Out Netting für den Erhalt der Risikosteuerungsfähigkeit des Vertragsgegners unerlässlich ist und dabei für die Insolvenzmasse keine substantiellen Nachteile hat (näher § 104 Rz. 3). 17) UNIDROIT, Principles on the Operation of Close-Out Netting Provisions (2013). 18) UNIDROIT, Principles on the Operation of Close-Out Netting Provisions (2013), Grundsätze 3 und 4. 19) Zur Praxis der Rahmenverträge s. § 104 Rz. 33 ff. 20) Richtlinie 2002/47/EG v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABl. (EG) L 168/43.
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§ 341
Ausübung von Gläubigerrechten
§ 341 Ausübung von Gläubigerrechten (1) Jeder Gläubiger kann seine Forderungen im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. (2) 1Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, eine in dem Verfahren, für das er bestellt ist, angemeldete Forderung in einem anderen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anzumelden. 2Das Recht des Gläubigers, die Anmeldung abzulehnen oder zurückzunehmen, bleibt unberührt. (3) Der Verwalter gilt als bevollmächtigt, das Stimmrecht aus einer Forderung, die in dem Verfahren, für das er bestellt ist, angemeldet worden ist, in einem anderen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners auszuüben, sofern der Gläubiger keine anderweitige Bestimmung trifft. Neben den verschiedenen Anmeldemöglichkeiten der involvierten Gläubiger wird in den Absätzen 2 und 3 die Aufgabenzuweisung an den Insolvenzverwalter bei der Forderungsanmeldung definiert. Die Vorschrift entspricht in weiten Teilen Art. 32 EuInsVO. Insbesondere Absatz 3 kann in diesem Zusammenhang auch für Insolvenzverfahren herangezogen werden, die ansonsten den Vorschriften der EuInsVO unterliegen, da in Art. 32 EuInsVO die Frage der Stimmrechtsausübung nicht explizit geregelt ist.
1
Jeder Gläubiger kann seine Forderungen sowohl im Hauptinsolvenzverfahren wie auch in jedem weiteren Sekundärinsolvenzverfahren geltend machen. Um etwaige Ungleichbehandlungen von Gläubigern im Falle von Mehrfachanmeldungen zu vermeiden, regelt Absatz 2, dass etwaige Verteilungen, die ein Gläubiger in anderen Insolvenzverfahren erhalten hat, bei weiteren Ausschüttungen zu berücksichtigen sind. Gläubiger i. S. der Vorschrift sind selbstverständlich auch ausländische Gläubiger.1)
2
Absatz 2 regelt zunächst, dass der Insolvenzverwalter berechtigt ist, ebenfalls die in dem von ihm betreuten Verfahren angemeldeten Forderungen in einem anderen Insolvenzverfahren anzumelden. Er agiert hier quasi als Bevollmächtigter des Gläubigers. Diesem verbleibt gemäß Absatz 2 Satz 2 das Recht, die Anmeldung abzulehnen oder zurückzunehmen. Hieraus wird zu Recht gefolgert, dass sich aus dieser Option des Gläubigers eine Informationspflicht des anmeldenden Insolvenzverwalters gegenüber den Gläubigern darüber ergibt, ob und ggf. wie er in einem ausländischen Verfahren vorzugehen gedenkt.2) Nur im Falle dieser Information kann der Gläubiger eigenverantwortlich entscheiden, ob er eine Anmeldung wünscht. Um die Einzelinteressen der Gläubiger entsprechend zu berücksichtigen, ist der Verwalter deshalb verpflichtet, die Anmeldungen in einem anderen Verfahren gläubigerindividuell durchzuführen, und nicht bspw. lediglich einen Gesamtbetrag der bei ihm insgesamt angemeldeten Forderungen mitzuteilen.
3
_____________ 1) 2)
Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, § 341 InsO Rz. 3; Wimmer-Wenner/Schuster, FKInsO, § 341 Rz. 3. Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 341 Rz. 6; vgl. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 341 Rz. 10.
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§ 342
Herausgabepflicht. Anrechnung
4
Absatz 3 bestimmt schließlich, dass der Verwalter auch als bevollmächtigt gilt, das Stimmrecht, das sich aus einer Forderungsanmeldung ergibt, auszuüben, sofern der Gläubiger keine andere Bestimmung trifft. Die Vorschrift geht hier deutlich weiter als Art. 32 EuInsVO, der zur Stimmrechtsausübung in diesem Zusammenhang keine Regelung vorsieht. Der Verwalter hat allerdings ein etwaiges Weisungsrecht des Gläubigers zu berücksichtigen.3)
5
Für den deutschen Insolvenzverwalter kann eine Haftung gemäß § 60 in Betracht kommen, wenn er die Möglichkeiten, die ihm diese Vorschrift bietet, zulasten der Insolvenzgläubiger nicht realisiert, bspw. Forderungen in einem deutlich massehaltigeren ausländischen Verfahren nicht anmeldet. Ebenso hat er in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, ob in einem ausländischen Verfahren möglicherweise Befriedigungen der Insolvenzgläubiger in bestimmten Rangfolgen durchgeführt werden, sodass die Geltendmachung der Forderung in solchen Verfahren für einzelne Gläubiger – unabhängig von der Massesituation – von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein kann. _____________ 3)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 341 Rz. 18; Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 341 Rz. 11.
§ 342 Herausgabepflicht. Anrechnung (1) 1Erlangt ein Insolvenzgläubiger durch Zwangsvollstreckung, durch eine Leistung des Schuldners oder in sonstiger Weise etwas auf Kosten der Insolvenzmasse aus dem Vermögen, das nicht im Staat der Verfahrenseröffnung belegen ist, so hat er das Erlangte dem Insolvenzverwalter herauszugeben. 2Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung gelten entsprechend. (2) 1Der Insolvenzgläubiger darf behalten, was er in einem Insolvenzverfahren erlangt hat, das in einem anderen Staat eröffnet worden ist. 2Er wird jedoch bei den Verteilungen erst berücksichtigt, wenn die übrigen Gläubiger mit ihm gleichgestellt sind. (3) Der Insolvenzgläubiger hat auf Verlangen des Insolvenzverwalters Auskunft über das Erlangte zu geben. 1
Absatz 1 bestimmt, dass ein Insolvenzgläubiger, der etwas aus demjenigen Teil des Schuldnervermögens erlangt hat, das nicht im Staat der Verfahrenseröffnung belegen ist, dies nach den §§ 812 ff BGB herauszugeben hat. Der durch den Insolvenzverwalter geltend zu machende Kondiktionsanspruch soll die Gleichbehandlung der Gläubiger sicherstellen, die ansonsten bei Bereicherungen Einzelner aus dem Auslandsvermögen des Schuldners nicht existieren würde.
2
Absatz 2 stellt klar, dass die Herausgabepflicht nicht für Befriedigungen gilt, die ein Insolvenzgläubiger in einem ausländischen Insolvenzverfahren erhalten hat. Hier erfolgt lediglich eine Anrechnung auf die inländische Quote.
1588
Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 343
Anerkennung
Um diese Berechnung vornehmen zu können, sieht Absatz 3 ein (einklagbares) Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters gegenüber dem betroffenen Insolvenzgläubiger vor.
3
Die Norm entspricht in wesentlichen Teilbereichen Art. 20 EuInsVO und trägt sowohl dem Gleichbehandlungsgrundsatz (par condicio creditorum) als auch dem Universalitätsprinzip Rechnung.
4
Zweiter Abschnitt Ausländisches Insolvenzverfahren § 343 Anerkennung (1) 1Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird anerkannt. 2Dies gilt nicht, 1.
wenn die Gerichte des Staats der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind;
2.
soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden, sowie für Entscheidungen, die zur Durchführung oder Beendigung des anerkannten Insolvenzverfahrens ergangen sind. Literatur: Podewils, Zur Anerkennung von Chapter 11 in Deutschland, ZInsO 2010, 209.
Die Vorschrift, die in Teilen Art. 16 EuInsVO entspricht, ist eine der wichtigsten des autonomen internationalen Insolvenzrechts, da sie das Universalitätsprinzip für ausländische Verfahren festschreibt. Für die Vollstreckung aus einer ausländischen Insolvenzentscheidung gilt § 353.
1
Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird automatisch anerkannt, sofern es sich zum einen um ein anerkennungsfähiges Verfahren handelt1) und die ausländische Entscheidung über die Eröffnung nach dem Recht des Eröffnungsstaates wirksam – nicht notwendig rechtskräftig – geworden ist.2)
2
Ob ein ausländisches Verfahren überhaupt ein Insolvenzverfahren i. S. des § 343 darstellt, ist im Wege einer Qualifikation zu ermitteln, für welche weder das deutsche Insolvenzrecht noch die Definition von Insolvenzverfahren in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO abschließende Vorgaben enthält. Letztlich kommt es darauf an, ob das ausländische
3
_____________ 1) 2)
Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 343 Rz. 6 ff. Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 343 Rz. 19.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1589
§ 343
Anerkennung
Um diese Berechnung vornehmen zu können, sieht Absatz 3 ein (einklagbares) Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters gegenüber dem betroffenen Insolvenzgläubiger vor.
3
Die Norm entspricht in wesentlichen Teilbereichen Art. 20 EuInsVO und trägt sowohl dem Gleichbehandlungsgrundsatz (par condicio creditorum) als auch dem Universalitätsprinzip Rechnung.
4
Zweiter Abschnitt Ausländisches Insolvenzverfahren § 343 Anerkennung (1) 1Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird anerkannt. 2Dies gilt nicht, 1.
wenn die Gerichte des Staats der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind;
2.
soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden, sowie für Entscheidungen, die zur Durchführung oder Beendigung des anerkannten Insolvenzverfahrens ergangen sind. Literatur: Podewils, Zur Anerkennung von Chapter 11 in Deutschland, ZInsO 2010, 209.
Die Vorschrift, die in Teilen Art. 16 EuInsVO entspricht, ist eine der wichtigsten des autonomen internationalen Insolvenzrechts, da sie das Universalitätsprinzip für ausländische Verfahren festschreibt. Für die Vollstreckung aus einer ausländischen Insolvenzentscheidung gilt § 353.
1
Die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens wird automatisch anerkannt, sofern es sich zum einen um ein anerkennungsfähiges Verfahren handelt1) und die ausländische Entscheidung über die Eröffnung nach dem Recht des Eröffnungsstaates wirksam – nicht notwendig rechtskräftig – geworden ist.2)
2
Ob ein ausländisches Verfahren überhaupt ein Insolvenzverfahren i. S. des § 343 darstellt, ist im Wege einer Qualifikation zu ermitteln, für welche weder das deutsche Insolvenzrecht noch die Definition von Insolvenzverfahren in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO abschließende Vorgaben enthält. Letztlich kommt es darauf an, ob das ausländische
3
_____________ 1) 2)
Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 343 Rz. 6 ff. Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 343 Rz. 19.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1589
§ 344
Sicherungsmaßnahmen
Verfahren im Großen und Ganzen Zwecken dient, die nach § 1 Ziele des deutschen Insolvenzverfahrens sind3) (näher siehe § 335 Rz. 4 ff). 4
Gemäß Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 gilt der Automatismus der Anerkennung nicht, wenn das die Verfahrenseröffnung beschließende Gericht nicht zuständig war oder die Anerkennung der Verfahrenseröffnung gegen den ordre public verstoßen würde.
5
Das Gericht muss zunächst für die Verfahrenseröffnung international zuständig sein (Nr. 1). Die internationale Zuständigkeit ist durch eine „doppelt-funktionale“ Anwendung von § 3 Abs. 1 zu bestimmen, da die örtliche Zuständigkeitsregel eine internationale Zuständigkeitsregelung impliziert.4) Maßgeblich ist daher der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners. Dieser muss im Staat der Verfahrenseröffnung liegen.
6
Weiterhin ist die Anerkennung zu versagen, wenn sie gegen den ordre public verstoßen würde, also wesentliche Grundsätze des deutschen Rechtsstaates missachtet würden. Es muss sich hierbei um einen massiven Verstoß handeln, der offensichtlich ist.5) Paradigmatisches Beispiel ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
7
Absatz 2 regelt, dass die Anerkennungswirkung auch entsprechend für Sicherungsmaßnahmen nach dem Insolvenzantrag sowie für weitere Entscheidungen, die zur Durchführung oder Beendigung des Insolvenzverfahrens ergangen sind, Geltung erhalten soll. _____________ 3)
4) 5)
Hierzu eingehend BAG, Urt. v. 27.2.2007 – 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rz. 18 ff, dazu EWiR 2007, 759 (Mankowski); jetzt auch BGH, v. 13.10.2009 – X ZR 79/06 (BPatG), ZIP 2009, 2217. Vgl. zum Ganzen Podewils, ZInsO 2010, 209. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 343 Rz. 11. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 343 Rz. 15 f; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, § 343 InsO Rz. 6 ff.
§ 344 Sicherungsmaßnahmen (1) Wurde im Ausland vor Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens ein vorläufiger Verwalter bestellt, so kann auf seinen Antrag das zuständige Insolvenzgericht die Maßnahmen nach § 21 anordnen, die zur Sicherung des von einem inländischen Sekundärinsolvenzverfahren erfassten Vermögens erforderlich erscheinen. (2) Gegen den Beschluss steht auch dem vorläufigen Verwalter die sofortige Beschwerde zu. Literatur: Vallender, Aufgaben und Befugnisse des deutschen Insolvenzrichters in Verfahren nach der EuInsVO, KTS 2005, 283.
1
Die Vorschrift erweitert den Handlungsbereich ausländischer vorläufiger Insolvenzverwalter. Sie entspricht in weiten Teilen Art. 38 EuInsVO. Ein ausländischer vorläufiger Insolvenzverwalter aus einem Drittstaat wird von den in dieser Norm geregelten Möglichkeiten in der Regel nur dann Gebrauch machen, wenn er unterstellt, dass das deutsche Insolvenzrecht ihm effektivere Sicherungsmaßnahmen 1590
Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 345
Öffentliche Bekanntmachung
zur Verfügung stellt als die insolvenzrechtlichen Optionen, die ihm sein eigenes Recht im Staat des Hauptinsolvenzverfahrens bietet.1) Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 sind durch das angerufene Insolvenzgericht anzuordnen, sofern dies zur Sicherung von Vermögensgegenständen erforderlich erscheint, die Gegenstand eines inländischen Sekundärinsolvenzverfahrens sein können. Hierzu ist keine Niederlassung des Schuldners erforderlich. Es reicht vielmehr aus, wenn sonstiges Vermögen im Inland belegen ist, da auch dies gemäß § 354 zur Eröffnung eines Partikularverfahrens führen kann.2) Der ausländische vorläufige Insolvenzverwalter, der erst nach Eröffnung des Verfahrens in seinem Heimatstaat die Antragsberechtigung für ein Partikularverfahren erhält, soll die Möglichkeit haben, Verschlechterungen der potentiellen Vermögensmasse eines solchen Partikularverfahrens bereits im Stadium seines vorläufigen Hauptverfahrens zu verhindern. Das angerufene deutsche Insolvenzgericht hat insofern lediglich zu prüfen, ob im Ausland ein vorläufiges Verfahren zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anhängig ist.
2
Welche Maßnahmen i. S. des § 21 sodann konkret anzuordnen sind, hängt – wie auch sonst – vom Einzelfall ab und ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines internationalen Insolvenzverfahrens wie auch mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden. Wird in Deutschland neben dem Antrag des ausländischen vorläufigen Insolvenzverwalters parallel i. R. der Beantragung eines Sekundärinsolvenzverfahrens ein deutscher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, so dürfte die Sicherung des inländischen Vermögens dem deutschen Sekundärinsolvenzverwalter obliegen, der allerdings nach § 357 entsprechende Informationspflichten gegenüber dem ausländischen vorläufigen Insolvenzverwalter zu erfüllen hätte.3)
3
Nach Absatz 2 steht dem vorläufigen ausländischen Verwalter gegen den Beschluss des deutschen Gerichts die sofortige Beschwerde zu, soweit dessen Antrag zurückgewiesen oder abweichende Sicherungsmaßnahmen angeordnet wurden. _____________
4
1) 2) 3)
Vgl. RegE IIRNeuRG, BT-Drucks. 15/16, S. 22. A. A. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 344 Rz. 7. Braun-Liersch, InsO, § 343 Rz. 13, unter Hinweis auf Vallender, KTS 2005, 283, 307 – dort allerdings zur EuInsVO.
§ 345 Öffentliche Bekanntmachung (1) 1Sind die Voraussetzungen für die Anerkennung der Verfahrenseröffnung gegeben, so hat das Insolvenzgericht auf Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters den wesentlichen Inhalt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und der Entscheidung über die Bestellung des Insolvenzverwalters im Inland bekannt zu machen. 2§ 9 Abs. 1 und 2 und § 30 Abs. 1 gelten entsprechend. 3 Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt gemacht worden, so ist die Beendigung in gleicher Weise bekannt zu machen. ) (2) 1Hat der Schuldner im Inland eine Niederlassung, so erfolgt die öffentliche Bekanntmachung von Amts wegen. 2Der Insolvenzverwalter oder ein ständiger Bornemann/Sabel/Schlegel
1591
§ 346
Grundbuch
Vertreter nach § 13e Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 des Handelsgesetzbuchs unterrichtet das nach § 348 Abs. 1 zuständige Insolvenzgericht. (3) 1Der Antrag ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Verfahrenseröffnung vorliegen. 2 Dem Verwalter ist eine Ausfertigung des Beschlusses, durch den die Bekanntmachung angeordnet wird, zu erteilen. 3Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, mit der die öffentliche Bekanntmachung abgelehnt wird, steht dem ausländischen Verwalter die sofortige Beschwerde zu.
)
Absatz 1 Satz 2 geändert durch Art. 1 Nr. 39 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1 Satz 2: „… 2§ 9 Abs. 1 und 2 und § 30 Abs. 1 Satz 1 gelten entsprechend. … „
1
Die öffentlichen Bekanntmachungen bei grenzüberschreitenden Insolvenzen mit Drittstaaten erfolgen grundsätzlich nur auf Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters gemäß Absatz 1.
2
Lediglich wenn der Schuldner eine Niederlassung im Inland hat, muss nach Absatz 2 die öffentliche Bekanntmachung von Amts wegen erfolgen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Verfahrenseröffnung im Ausland sind durch den antragstellenden Insolvenzverwalter glaubhaft zu machen. Hier wird es ausreichen, dass der Verwalter den Beschluss über die Verfahrenseröffnung im Ausland vorlegt und den internationalen Bezug des Verfahrens darstellt.
3
Weigert sich das angerufene Insolvenzgericht, die öffentliche Bekanntmachung durchzuführen, steht dem ausländischen Verwalter hiergegen nach Absatz 3 die sofortige Beschwerde zu.
4
Öffentliche Bekanntmachungen für Verfahren, die nach der EuInsVO zu behandeln sind, werden in Art. 21 EuInsVO geregelt, der durch Art. 102 § 5 EGInsO konkretisiert wird.
§ 346 Grundbuch (1) Wird durch die Verfahrenseröffnung oder durch Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 343 Abs. 2 oder § 344 Abs. 1 die Verfügungsbefugnis des Schuldners eingeschränkt, so hat das Insolvenzgericht auf Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters das Grundbuchamt zu ersuchen, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Art der Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners in das Grundbuch einzutragen: 1.
bei Grundstücken, als deren Eigentümer der Schuldner eingetragen ist;
2.
bei den für den Schuldner eingetragenen Rechten an Grundstücken und an eingetragenen Rechten, wenn nach der Art des Rechts und den Umständen zu befürchten ist, dass ohne die Eintragung die Insolvenzgläubiger benachteiligt würden.
1592
Bornemann/Sabel/Schlegel
Nachweis der Verwalterbestellung. Unterrichtung des Gerichts
§ 347
(2) 1Der Antrag nach Absatz 1 ist nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Verfahrenseröffnung vorliegen. 2Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts steht dem ausländischen Verwalter die sofortige Beschwerde zu. 3Für die Löschung der Eintragung gilt § 32 Abs. 3 Satz 1 entsprechend. (3) Für die Eintragung der Verfahrenseröffnung in das Schiffsregister, das Schiffsbauregister und das Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. § 346 regelt die Möglichkeiten eines ausländischen Insolvenzverwalters, Verfügungsbeschränkungen des Schuldners, die durch die Verfahrenseröffnung im Ausland oder durch die Anordnung bestimmter Sicherungsmaßnahmen gesetzt wurden, in inländische Register (Grundbuch, Schiffsregister, Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen) eintragen zu lassen. Die Vorschrift stimmt insofern mit § 32 überein, der die entsprechenden Optionen für den deutschen Insolvenzverwalter normiert. Für europäische Insolvenzverfahren gilt die Parallelvorschrift des Art. 22 EuInsVO. Der Antrag auf Eintragung in die entsprechenden Register ist durch den ausländischen Insolvenzverwalter glaubhaft zu machen. Entspricht das Insolvenzgericht dem Antrag nicht, steht dem ausländischen Verwalter nach Absatz 2 Satz 2 die sofortige Beschwerde zu.
1
§ 347 Nachweis der Verwalterbestellung. Unterrichtung des Gerichts (1) 1Der ausländische Insolvenzverwalter weist seine Bestellung durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, durch die er bestellt worden ist, oder durch eine andere von der zuständigen Stelle ausgestellte Bescheinigung nach. 2 Das Insolvenzgericht kann eine Übersetzung verlangen, die von einer hierzu im Staat der Verfahrenseröffnung befugten Person zu beglaubigen ist. (2) Der ausländische Insolvenzverwalter, der einen Antrag nach den §§ 344 bis 346 gestellt hat, unterrichtet das Insolvenzgericht über alle wesentlichen Änderungen in dem ausländischen Verfahren und über alle ihm bekannten weiteren ausländischen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Ein ausländischer Verwalter, der im Inland tätig werden möchte, wird häufig gegenüber Dritten einen Legitimationsnachweis benötigen. Er hat deshalb seine Bestellung durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, auf die er seine Legitimation bezieht, ggf. auch in übersetzter Form, dem Insolvenzgericht vorzulegen. Eine vergleichbare Vorschrift enthält Art. 19 EuInsVO.
1
Absatz 2 bestimmt, dass der ausländische Insolvenzverwalter, sofern er einen Antrag nach den §§ 344 – 346 gestellt hat, gleichzeitig verpflichtet ist, das Insolvenzgericht über wesentliche Änderungen hinsichtlich des ausländischen Verfahrens zu unterrichten, damit das Gericht hierauf entsprechend reagieren kann. Da die Verletzung dieser Informationspflicht keine Sanktion nach sich zieht, ist sie in der Praxis quasi nutzlos.1) _____________
2
1)
Vgl. Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 347 Rz. 4.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1593
§ 348
Zuständiges Insolvenzgericht. Zusammenarbeit der Insolvenzgerichte
§ 348 Zuständiges Insolvenzgericht. Zusammenarbeit der Insolvenzgerichte (1) 1Für die Entscheidungen nach den §§ 344 bis 346 ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk die Niederlassung oder, wenn eine Niederlassung fehlt, Vermögen des Schuldners belegen ist. 2§ 3 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens gegeben oder soll geklärt werden, ob die Voraussetzungen vorliegen, so kann das Insolvenzgericht mit dem ausländischen Insolvenzgericht zusammenarbeiten, insbesondere Informationen weitergeben, die für das ausländische Verfahren von Bedeutung sind. (3) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung die Entscheidungen nach den §§ 344 bis 346 für die Bezirke mehrerer Insolvenzgerichte einem von diesen zuzuweisen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigungen auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (4) 1Die Länder können vereinbaren, dass die Entscheidungen nach den §§ 344 bis 346 für mehrere Länder den Gerichten eines Landes zugewiesen werden. 2 Geht ein Antrag nach den §§ 344 bis 346 bei einem unzuständigen Gericht ein, so leitet dieses den Antrag unverzüglich an das zuständige Gericht weiter und unterrichtet hierüber den Antragsteller. 1
2
3
Die Vorschrift regelt die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidungen nach den §§ 344 – 346. Es ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner eine Niederlassung hat. Nur wenn eine Niederlassung nicht besteht, ist jedes Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet. Das Insolvenzgericht ist auch für Entscheidungen über die, gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingelegten Erinnerungen zuständig, wenn über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren im Ausland anhängig ist.1) Die mit dem ESUG eingefügte Regelung über die Zusammenarbeit der Insolvenzgerichte in Absatz 2 dient dazu, die Kooperation und Kommunikation zwischen den beteiligten Gerichten zu fördern. Sie gelangt, da die EuInsVO bislang keine Regelung zur gerichtlichen Zusammenarbeit enthält (Art. 31 betrifft nur die Kooperation der Insolvenzverwalter und ist nicht analog auf Gerichte anwendbar; vgl. hierzu Art. 31 EuInsVO Rz. 1), auch im Anwendungsbereich der EuInsVO zur Anwendung,2) zumal die verstärkte Zusammenarbeit der Gerichte evident der Intention des europäischen Verordnungsgebers entspricht. Absatz 3 ermächtigt die Bundesländer, Konzentrationen dieser Zuständigkeit vorzunehmen, von denen allerdings bisher nicht Gebrauch gemacht wurde. Sinnvoll wäre es, Zuständigkeitskonzentrationen sogar, wie dies die Regelung in Absatz 4 ermöglicht, über Bundesländergrenzen hinaus vorzunehmen, um hier Spezialwissen bei einzelnen Gerichten aufzubauen.3) _____________ 1) 2) 3)
LG Kiel, Beschl. v. 15.2.2007 – 4 T 12/07, ZInsO 2007, 1360, m. Anm. Mankowski, S. 1324 – 1331 = DZWIR 2007, 173. Vgl. amtl. Begr. z. ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 43. So auch Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 348 Rz. 4.
1594
Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 350
Leistung an den Schuldner
§ 349 Verfügungen über unbewegliche Gegenstände (1) Hat der Schuldner über einen Gegenstand der Insolvenzmasse, der im Inland im Grundbuch, Schiffsregister, Schiffsbauregister oder Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen ist, oder über ein Recht an einem solchen Gegenstand verfügt, so sind die §§ 878, 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 3 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und § 5 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen anzuwenden. (2) Ist zur Sicherung eines Anspruchs im Inland eine Vormerkung im Grundbuch, Schiffsregister, Schiffsbauregister oder Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragen, so bleibt § 106 unberührt. Der Anwendungsbereich des § 349 ist – abweichend von Art. 14 EuInsVO, der für europäische Insolvenzverfahren eine vergleichbare Regelung enthält – nicht auf entgeltliche Verfügungen des Schuldners beschränkt. Auch enthält § 349 nicht lediglich eine Kollisionsnorm, die das in diesen Fällen anwendbare Recht bestimmt, sondern erklärt die materiell-rechtlichen deutschen Vorschriften unmittelbar für anwendbar.
1
Danach gelten wie in einem inländischen Verfahren die Vorschriften zum Schutz des guten Glaubens, nach denen der Schuldner bis zur Eintragung der Insolvenzeröffnung in das jeweilige Register als verfügungsbefugt gilt.1)
2
Die Regelung in Absatz 2 erklärt § 106 auch im Fall eines ausländischen Insolvenzverfahrens für anwendbar. Dadurch wird erreicht, dass Ansprüche, die durch eine Vormerkung gesichert sind, gegenüber dem ausländischen Insolvenzverwalter in gleicher Weise durchgesetzt werden können wie in einem inländischen Insolvenzverfahren. Im europäischen Bereich enthält Art. 5 Abs. 3 EuInsVO eine in den Wirkungen vergleichbare Regelung.
3
_____________ 1)
Zu Einzelheiten hinsichtlich der in Absatz 1 für anwendbar erklärten Vorschriften vgl. Stephan in: HK-InsO, § 349 Rz. 3 – 7.
§ 350 Leistung an den Schuldner 1 Ist im Inland zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse des ausländischen Insolvenzverfahrens zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. 2Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung nach § 345 geleistet, so wird vermutet, dass er die Eröffnung nicht kannte.
In europäischen Insolvenzverfahren ist Art. 24 EuInsVO vorrangig, dessen erster Absatz dem Satz 1 entspricht. Bornemann/Sabel/Schlegel
1595
1
§ 351 2
Dingliche Rechte
Nach Satz 2 wird die Umkehr der Beweislast allein durch die nach § 345 mögliche öffentliche Bekanntmachung in Deutschland ausgelöst. Die Bekanntmachung im Eröffnungsstaat begründet danach auch dann keine Vermutung der Kenntnis, wenn zwar die Leistung des Drittschuldners in Deutschland erfolgt ist, dieser aber seinen Sitz im Eröffnungsstaat hat. Da § 350 den Schutz des (inländischen) Leistenden, nicht des Leistungsorts Deutschland bezweckt, ist – wie in Art. 24 EuInsVO – eine ergänzende Auslegung der Vorschrift geboten (vgl. Art. 24 EuInsVO Rz. 5).
§ 351 Dingliche Rechte (1) Das Recht eines Dritten an einem Gegenstand der Insolvenzmasse, der zur Zeit der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland belegen war, und das nach inländischem Recht einen Anspruch auf Aussonderung oder auf abgesonderte Befriedigung gewährt, wird von der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens nicht berührt. (2) Die Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens auf Rechte des Schuldners an unbeweglichen Gegenständen, die im Inland belegen sind, bestimmen sich, unbeschadet des § 336 Satz 2, nach deutschem Recht. 1
§ 351 bezieht sich nur auf Vermögensgegenstände, die sich im Zeitpunkt der ausländischen Insolvenzeröffnung in Deutschland befinden. Aus- und Absonderungsrechte des Gläubigers an solchen Gegenständen werden von der ausländischen Insolvenzeröffnung nicht berührt, dürfen also in keiner Weise beeinträchtigt werden. Dies entspricht der innerhalb Europas vorrangigen Regelung in Art. 5 Abs. 1 EuInsVO (zur Möglichkeit des ausländischen Verwalters, diese Gegenstände in einem Sekundärverfahren zu verwerten, vgl. Art. 5 EuInsVO Rz. 4). Befinden sich in einem in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren mit dinglichen Rechten belastete Gegenstände in einem Drittstaat, so sind die Vorschriften dieses Staates zu beachten.
2
Die Regelung in Absatz 2 stellt sicher, dass ein ausländisches Insolvenzverfahren keine Auswirkungen auf unbewegliche Gegenstände des Schuldners haben kann, die in Deutschland unbekannt sind. Insbesondere kann die Verwertung von Grundstücken nur in der in Deutschland zulässigen Weise erfolgen.1) Auch die Aufhebung der Wohnungseigentumsgemeinschaft infolge der Insolvenz des Schuldners ist danach ausgeschlossen.2) Eine vergleichbare Regelung enthält Art. 11 EuInsVO. _____________ 1) 2)
Begr. RegE IIRNeuRG, BT-Drucks. 15/16, S. 24. Stephan in: HK-InsO, § 351 Rz. 9.
§ 352 Unterbrechung und Aufnahme eines Rechtsstreits (1) 1Durch die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens wird ein Rechtsstreit unterbrochen, der zur Zeit der Eröffnung anhängig ist und die Insolvenzmasse betrifft. 2Die Unterbrechung dauert an, bis der Rechtsstreit von einer Person aufgenommen wird, die nach dem Recht des Staats der Verfahrens1596
Bornemann/Sabel/Schlegel
Unterbrechung und Aufnahme eines Rechtsstreits
§ 352
eröffnung zur Fortführung des Rechtsstreits berechtigt ist, oder bis das Insolvenzverfahren beendet ist. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 343 Abs. 2 auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. § 352 regelt in Ergänzung zu § 240 ZPO als prozessuale Sachnorm, dass auch die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens einen in Deutschland anhängigen, die Insolvenzmasse betreffenden Rechtsstreit unterbricht. Die Voraussetzungen der Unterbrechung, insbesondere der erforderliche Massebezug, und ihre Dauer entsprechen der Regelung in § 240 ZPO.1) Ob der ausländische Insolvenzverwalter oder der Schuldner zur Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens befugt ist, muss dem Insolvenzrecht des Staates der Verfahrenseröffnung entnommen werden.
1
Wie in § 240 ZPO tritt die Unterbrechungswirkung nach Absatz 2 mit einer insolvenzgerichtlichen Entscheidung ein, bei der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen vorläufigen Verwalter übergeht. Eine solche vorläufige Entscheidung steht, wie der Europäische Gerichtshof für den Anwendungsbereich der EuInsVO entschieden hat, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleich und setzt voraus, dass der Schuldner die Befugnis zur Verwaltung seines Vermögens verliert und ein Verwalter eingesetzt wird.2) Ob dies der Fall ist, muss das inländische Gericht anhand des Inhalts der ausländischen Entscheidung und des zugrunde liegenden ausländischen Insolvenzrechts ermitteln. Innerhalb Europas ist außerdem Voraussetzung, dass der eingesetzte Verwalter im Anhang C der EuInsVO aufgeführt ist.
2
Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO können auch ausländische Entscheidungen, die nicht den in Art. 1 EuInsVO genannten Kriterien entsprechen, zur Verfahrensunterbrechung führen, wenn das ausländische Verfahren im Großen und Ganzen Zwecken dient, die nach § 1 Ziele des deutschen Insolvenzverfahrens sind (vgl. § 343 Rz. 2). Dies ist insbesondere beim US-amerikanischen „Chapter 11“-Verfahren der Fall.3) Allerdings soll dann bei einem arbeitsgerichtlichen Verfahren die Aufnahme des Verfahrens abweichend von § 352 Abs. 1 Satz 2 durch den (deutschen) Arbeitnehmer zulässig sein.4)
3
Die Vorschrift geht insgesamt über Art. 15 EuInsVO hinaus, der lediglich eine Kollisionsnorm für die Auswirkungen der europäischen Insolvenzeröffnung auf anhängige Gerichtsverfahren enthält.
4
_____________ 1) 2) 3)
4)
Vgl. dazu Zöller-Greger, ZPO, § 240 Rz. 6. Grundlegend EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907, m. Anm. Knof/Mock = ZInsO 2006, 484. Hierzu eingehend BAG, Urt. v. 27.2.2007 – 3 AZR 618/06, BAGE 121, 309, Rz. 18 ff = ZIP 2007, 2047, dazu EWiR 2007, 759 (Mankowski). Zur Vorinstanz LAG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.12.2005 – 17 Sa 855/05: Rattunde, jurisPR-InsR 23/2007. BAG, Urt. v. 27.2.2007 – 3 AZR 618/06, BAGE 121, 309, Rz. 28 ff = ZIP 2007, 2047; zu Recht abl. Mankowski, EWiR 2007, 759.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1597
§ 353
Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen
§ 353 Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen (1) 1Aus einer Entscheidung, die in dem ausländischen Insolvenzverfahren ergeht, findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist. 2§ 722 Abs. 2 und § 723 Abs. 1 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) Für die in § 343 Abs. 2 genannten Sicherungsmaßnahmen gilt Absatz 1 entsprechend. 1
Die Vorschrift weicht von der Parallelnorm des Art. 25 EuInsVO wesentlich ab. Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO sind Entscheidungen eines ausländischen Insolvenzgerichts, die im Inland vollstreckt werden sollen, in Deutschland nicht unter den erleichterten Voraussetzungen der EuGVVO,1) sondern nur aufgrund eines Vollstreckungsurteils vollstreckbar. § 353 verlangt damit für außereuropäische Insolvenzverfahren ein eigenes Exequaturverfahren. Eine bereits in der ausländischen Entscheidung angeordnete Vollstreckbarkeit ist im Inland unbeachtlich (zu den möglichen Entscheidungen, einschließlich der ausländischen Eröffnungsentscheidung, die im Inland für vollstreckbar erklärt werden können, vgl. Art. 25 EuInsVO Rz. 4 f).
2
Die Zuständigkeit für die vom ausländischen Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger zu erhebende Klage auf Erlass des Vollstreckungsurteils regelt § 722 Abs. 2 ZPO. Danach dürfte in Ermangelung eines inländischen allgemeinen Gerichtsstands des Schuldners regelmäßig der Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO begründet sein.
3
In dem Klageverfahren wird geprüft, ob die Voraussetzungen für die Vollstreckung der ausländischen Entscheidung vorliegen. Die Verweisung auf § 723 Abs. 1 ZPO stellt klar, dass dabei keine sachliche Überprüfung der ausländischen Entscheidung erfolgen darf (Verbot der révision au fond). Da § 723 Abs. 2 ZPO von der Verweisung ausgenommen ist, erfolgt die Prüfung, ob die ausländische Entscheidung für vollstreckbar zu erklären ist, nicht anhand des Katalogs des § 328 ZPO, sondern – soweit nicht vorrangige völkerrechtliche Verträge zu beachten sind – allein anhand von § 343. Zu prüfen ist daher nur, ob die Entscheidung von einem international zuständigen Gericht2) getroffen wurde, und ob sie gegen den ordre public3) verstößt. Auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit kommt es – anders als im allgemeinen Zivilprozessrecht – nicht an.
4
Anders als nach § 328 Abs. 2 ZPO können auch solche Entscheidungen für vollstreckbar erklärt werden, die noch nicht rechtskräftig sind. Das kommt insbesondere bei der in Absatz 2 ausdrücklich für zulässig erklärten Vollstreckbarerklärung von Sicherungsmaßnahmen in Betracht. _____________ 1)
2) 3)
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), ABl. (EG) L 12/1. Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 343 Rz. 9 ff. Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 343 Rz. 15 ff.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 354
Voraussetzungen des Partikularverfahrens
Dritter Abschnitt Partikularverfahren über das Inlandsvermögen § 354 Voraussetzungen des Partikularverfahrens (1) Ist die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das gesamte Vermögen des Schuldners nicht gegeben, hat der Schuldner jedoch im Inland eine Niederlassung oder sonstiges Vermögen, so ist auf Antrag eines Gläubigers ein besonderes Insolvenzverfahren über das inländische Vermögen des Schuldners (Partikularverfahren) zulässig. (2) 1Hat der Schuldner im Inland keine Niederlassung, so ist der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung eines Partikularverfahrens nur zulässig, wenn dieser ein besonderes Interesse an der Eröffnung des Verfahrens hat, insbesondere, wenn er in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen wird als in einem inländischen Verfahren. 2Das besondere Interesse ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen. (3) 1Für das Verfahren ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk die Niederlassung oder, wenn eine Niederlassung fehlt, Vermögen des Schuldners belegen ist. 2§ 3 Abs. 2 gilt entsprechend. Literatur: Mankowski, Konkursgründe beim inländischen Partikularkonkurs, ZIP 1995, 1650.
Die Vorschrift dient – wie die vergleichbare Regelung über europäische Partikularverfahren in Art. 3 Abs. 4 EuInsVO – dem besonderen Interessenschutz inländischer Gläubiger, die i. R. eines ausländischen Einheitsinsolvenzverfahrens möglicherweise wirtschaftliche oder rechtliche Nachteile zu befürchten hätten. Das Partikularverfahren ist eines zweier Arten von Territorialverfahren. Das andere ist das in § 356 geregelte Sekundärinsolvenzverfahren, das grundsätzlich – im Gegensatz zum Partikularverfahren – die Existenz eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens voraussetzt.
1
Die Voraussetzungen, unter denen ein Partikularverfahren unter Geltung des autonomen IIR zulässig ist, weichen von den Regelungen der EuInsVO teilweise ab. Zunächst ist für die Eröffnung eines Partikularverfahrens – ebenso wie im europäischen Recht – erforderlich, dass die Voraussetzungen zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nicht gegeben sind, der Schuldner den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 2) also nicht in Deutschland hat. Das angerufene Insolvenzgericht hat diesen Aspekt sorgfältig zu prüfen, da im Falle des Vorliegens der entsprechenden Voraussetzungen die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens zwingend ist und in diesem Fall ein Partikularverfahren nicht eröffnet werden darf.1) Weitere Voraussetzung ist, dass der Schuldner im Inland eine Nieder-
2
_____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 354 Rz. 4; Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 354 Rz. 3.
Bornemann/Sabel/Schlegel
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§ 354
Voraussetzungen des Partikularverfahrens
lassung – dies entspricht der EuInsVO – oder sonstiges Vermögen – dies geht über die EuInsVO hinaus – unterhält. 3
Besteht keine Niederlassung, so ist der Antrag nur zulässig, wenn neben dem inländischen Vermögen des Schuldners auch das besondere Interesse des Antragstellers an der Eröffnung eines Partikularverfahrens glaubhaft gemacht wird. Ein solches Interesse wird angenommen, wenn der antragstellende Gläubiger in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen würde als in einem inländischen Partikularverfahren.
4
Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, dass nach Absatz 1 nur ein Gläubigerantrag zur Eröffnung eines Partikularverfahrens zulässig ist. Der Schuldner selbst ist nicht antragsbefugt.
5
Anders als in einem Sekundärinsolvenzverfahren (§ 356 Abs. 3) ist im Falle eines Partikularverfahrens durch den antragstellenden Gläubiger das Vorliegen eines Insolvenzgrundes glaubhaft vorzutragen. Hierfür greifen insofern die Vorschriften des inländischen Rechts, insbesondere §§ 17 und 19. § 18 ist nicht anwendbar, da er ein ausschließliches Antragsrecht des Schuldners regelt. Die Glaubhaftmachung eines Insolvenzeröffnungsgrundes gemäß §§ 17, 19 kann für den Antrag stellenden Gläubiger mit erheblichen Problemen verbunden sein.2) Während bei der Frage, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wohl neben der Liquidität einer etwaigen Niederlassung in Deutschland auch die Zahlungsfähigkeit zumindest der ausländischen Hauptniederlassung und ggf. auch weiterer Niederlassungen in den europäischen Staaten heranzuziehen ist,3) dürfte eine Überschuldung nur schwer auf die einzelnen Niederlassungen fixiert festgestellt werden können.4) Richtigerweise wird wohl auf die Gesamtaktiva und -passiva des hinter der Niederlassung stehenden Rechtsträgers abzustellen sein.5)
6
Der antragstellende Gläubiger hat darüber hinaus unterschiedliche Darlegungspflichten, abhängig davon, ob sich sein Antrag gegen eine Niederlassung oder nur einzelne Vermögensteile im Inland richtet. Die Definition der Niederlassung kann Art. 2 Buchst. h EuInsVO entlehnt werden. Richtet sich der Antrag nur gegen „sonstiges Vermögen“ des Schuldners im Inland, so hat der Gläubiger zusätzlich ein besonderes Interesse an der Verfahrenseröffnung glaubhaft zu machen. Dieses zusätzliche Tatbestandsmerkmal soll verhindern, dass es zu einer „Atomisierung des Insolvenzverfahrens“ kommt.
7
Die örtliche Zuständigkeit für ein Partikularverfahren richtet sich nach dem Ort, an dem die Niederlassung besteht oder das Schuldnervermögen belegen ist. Bestehen mehrere Niederlassungen oder besitzt der Schuldner an mehreren Orten Vermögen, so bleibt nach § 3 Abs. 2 das zuerst angerufene Insolvenzgericht zuständig. Eine Zuständigkeitskonzentration ist – anders als nach § 347 – nicht möglich. _____________ 2) 3) 4) 5)
Vgl. Mankowski, ZIP 1995, 1650, 1654. BGH, Urt. v. 11.7.1991 – IX ZR 230/90, ZIP 1991, 1014, 1015 = NJW 1992, 624, dazu EWiR 1991, 1107 (Flessner). So Reinhart in: MünchKomm-InsO, § 354 EGInsO Rz. 26 f. So auch Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 355 Rz. 17; Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 354 Rz. 13.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 356
Sekundärinsolvenzverfahren
§ 355 Restschuldbefreiung. Insolvenzplan (1) Im Partikularverfahren sind die Vorschriften über die Restschuldbefreiung nicht anzuwenden. (2) Ein Insolvenzplan, in dem eine Stundung, ein Erlass oder sonstige Einschränkungen der Rechte der Gläubiger vorgesehen sind, kann in diesem Verfahren nur bestätigt werden, wenn alle betroffenen Gläubiger dem Plan zugestimmt haben. Die Vorschrift, die ihre Entsprechung in Art. 34 EuInsVO hat, schränkt die inhaltlichen Möglichkeiten eines inländischen Partikularverfahrens ein. Zum einen sind die Vorschriften der §§ 286 ff über die Restschuldbefreiung nicht anzuwenden, zum anderen kann ein Insolvenzplan in einem Partikularverfahren, in dem eine Stundung, ein Erlass oder sonstige Einschränkungen der Rechte der Gläubiger vorgesehen sind, durch das Insolvenzgericht gemäß § 248 nur dann bestätigt werden, wenn alle betroffenen Gläubiger dem Plan zugestimmt haben. Der Anwendungsbereich des § 245 (Obstruktionsverbot) ist somit für ein Insolvenzplanverfahren innerhalb einer Partikularinsolvenz nicht eröffnet.
1
Beide Beschränkungen – Ausschluss der Restschuldbefreiung und Einschränkungen des Planverfahrens – verfolgen den Zweck, die Interessen der Gesamtgläubigerschaft angemessen zu berücksichtigen. Da sich eine Partikularinsolvenz nur auf das inländische (deutsche) Vermögen bezieht, sollen nicht sämtliche Gläubiger des Schuldners mit ihren Ansprüchen ausgeschlossen werden, weil in einem Partikularinsolvenzverfahren entsprechende Konsequenzen vorgesehen sind.
2
§ 356 Sekundärinsolvenzverfahren (1) 1Die Anerkennung eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens schließt ein Sekundärinsolvenzverfahren über das inländische Vermögen nicht aus. 2Für das Sekundärinsolvenzverfahren gelten ergänzend die §§ 357 und 358. (2) Zum Antrag auf Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens ist auch der ausländische Insolvenzverwalter berechtigt. (3) Das Verfahren wird eröffnet, ohne dass ein Eröffnungsgrund festgestellt werden muss. Literatur: Wimmer, Die Besonderheiten von Sekundärinsolvenzverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Insolvenzübereinkommens, ZIP 1998, 982.
Ein Sekundärinsolvenzverfahren setzt die Eröffnung eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens voraus. Hierdurch unterscheidet es sich wesentlich von dem Partikularinsolvenzverfahren gemäß § 354. Ist zunächst ein Partikularinsolvenzverfahren eröffnet worden und wird nachfolgend ein ausländisches Hauptinsolvenzverfahren durchgeführt, so ist das Partikularinsolvenzverfahren in ein Sekundärinsolvenzverfahren „umzuwidmen“. Wie auch das Partikularinsolvenzverfahren Bornemann/Sabel/Schlegel
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1
§ 357
Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter
beschränken sich die Wirkungen des Sekundärinsolvenzverfahrens auf das inländische (deutsche) Vermögen. 2
Das allgemeine Insolvenzstatut des Sekundärinsolvenzverfahrens ist nicht das Insolvenzstatut des ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens, sondern – wie dies Art. 28 EuInsVO für den europäischen Bereich ausdrücklich regelt – das Recht des Staates, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird, mithin deutsches Recht.1)
3
Antragsberechtigt sind zunächst die Gläubiger, deren Antragsbefugnis sich aus § 354 Abs. 1 ergibt. Daneben ist nach Absatz 2 auch der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens antragsbefugt. Die besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit des Antrags für den Fall, dass der Schuldner keine Niederlassung im Inland hat, gelten entsprechend.
4
Die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens hat allerdings zu erfolgen, ohne dass durch das zuständige Gericht ein Insolvenzeröffnungsgrund festgestellt werden muss. Diese Regelung führt faktisch zu dem Ergebnis, dass der im Ausland zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens vorliegende Insolvenzeröffnungsgrund quasi automatische Anerkennung auch im inländischen Sekundärinsolvenzverfahren erhält. Dies könnte im Einzelfall, sofern nicht ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, zu dem bemerkenswerten Ergebnis führen, dass im Inland ein Sekundärinsolvenzverfahren zu eröffnen ist, dessen Hauptinsolvenzverfahren auf einen Insolvenzeröffnungsgrund zurückgeht, den das deutsche Recht nicht kennt.2)
5
Die Vorschrift stimmt in wesentlichen Teilbereichen mit Art. 27 EuInsVO überein. Absatz 2, der das gesonderte Antragsrecht des ausländischen Insolvenzverwalters regelt, entspricht Art. 29 Buchst. a EuInsVO. _____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, § 356 Rz. 14; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, § 356 InsO Rz. 4. Wimmer, ZIP 1998, 982, 986; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-DuursmaKepplinger, EuInsVO, Art. 27 Rz. 35.
§ 357 Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter (1) 1Der Insolvenzverwalter hat dem ausländischen Verwalter unverzüglich alle Umstände mitzuteilen, die für die Durchführung des ausländischen Verfahrens Bedeutung haben können. 2Er hat dem ausländischen Verwalter Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder sonstige Verwendung des inländischen Vermögens zu unterbreiten. (2) Der ausländische Verwalter ist berechtigt, an den Gläubigerversammlungen teilzunehmen. (3) 1Ein Insolvenzplan ist dem ausländischen Verwalter zur Stellungnahme zuzuleiten. 2Der ausländische Verwalter ist berechtigt, selbst einen Plan vorzulegen. 3 § 218 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 1
Im Gegensatz zu der vergleichbaren Regelung in Art. 31 EuInsVO, der die beiderseitigen Informationspflichten der Verwalter eines Haupt- und Sekundärinsol1602
Bornemann/Sabel/Schlegel
§ 358
Überschuss bei der Schlussverteilung
venzverfahrens regelt, befasst sich § 357 nur mit den Informationspflichten des deutschen Sekundärinsolvenzverwalters gegenüber dem ausländischen Hauptinsolvenzverwalter beziehungsweise den Vorschlags- und Teilnahmerechten des ausländischen Hauptinsolvenzverwalters. Die Vorschrift regelt, dass der ausländische Insolvenzverwalter in dem deutschen Verfahren Vorschläge zur Verwertung des inländischen Vermögens unterbreiten kann. Weiterhin kann er zu einem Insolvenzplan des deutschen Sekundärinsolvenzverwalters Stellung nehmen und ist auch berechtigt, einen eigenen Plan vorzulegen.
2
Welche Informationen dem ausländischen Verwalter zur Verfügung zu stellen sind, ist nicht konkret geregelt. Es dürfte sich hierbei um alle Umstände handeln, die für die Abwicklung des Hauptinsolvenzverfahrens von Belang sein können,1) mithin um solche Informationen, die der deutsche Sekundärinsolvenzverwalter auch in seinen Berichten an das Insolvenzgericht darstellt (Massesituation, angemeldete Forderungen, Quotenaussicht, ggf. erwarteter Überschuss bei der Schlussverteilung).
3
_____________ 1)
So auch Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, § 357 InsO Rz. 5; Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 357 Rz. 3; für eine umfassende Informationspflicht: Kübler/Prütting/BorkKemper, InsO, § 357 Rz. 4.
§ 358 Überschuss bei der Schlussverteilung Können bei der Schlussverteilung im Sekundärinsolvenzverfahren alle Forderungen in voller Höhe berichtigt werden, so hat der Insolvenzverwalter einen verbleibenden Überschuss dem ausländischen Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens herauszugeben. Die Vorschrift bewirkt, dass ein etwaiger Überschuss in einem Sekundärinsolvenzverfahren nicht nach § 199 an den Schuldner auszuschütten, sondern an den ausländischen Hauptinsolvenzverwalter herauszugeben ist. Sie entspricht in weiten Teilen Art. 35 EuInsVO.
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Zwölfter Teil Inkrafttreten
§ 359 Verweisung auf das Einführungsgesetz Bornemann/Sabel/Schlegel
Dieses Gesetz tritt an dem Tage in Kraft, der durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung bestimmt wird. Die InsO hat gemäß Art. 110 EGInsO mit Ausnahme weniger Vorschriften, die bereits früher in Kraft gesetzt wurden, zum 1.1.1999 die bis dahin geltenden Regelungen der Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsordnung abgelöst. Sie gilt gemäß Art. 104 EGInsO für alle Insolvenzverfahren, die seither beantragt wurden.
Bornemann/Sabel/Schlegel
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1
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen Literatur: Beck, Das Konzernverständnis im Gesetzentwurf zum Konzerninsolvenzrecht, DStR 2013, 2468; Dellit, Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen: der Konzerninsolvenzplan, Der Konzern 2013, 190; Graf-Schlicker, Konzerninsolvenzrechtsreform, Bankrechtstag 2013, S. 27; Graf-Schlicker, Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht – eine wirtschaftliche und rechtliche Notwendigkeit, AnwBl 2013, 620; Leutheusser-Schnarrenberger, Dritte Stufe der InsolvenzrechtsreformEntwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, ZIP 2013, 97; Lienau, Der Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, Der Konzern 2013, 157; Möhlenkamp, Konzerne in der Insolvenz – Chance auf Sanierung?, BB 2013, 579; Pleister, Das besondere Koordinationsverfahren nach dem Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, ZIP 2013, 1013; Reumers, Cooperation between Liquidators and Courts in Insolvency Proceedings of Related Companies under the Proposed Revised EIR, ECFR 2013, 554; Vallender, Einführung eines Gruppen-Gerichsstandes – ein sachgerechter Ansatz zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen, Der Konzern 2013, 162; Wimmer, Vom Diskussionsentwurf zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen, jurisPR-InsR 20/2013 Anm. 1; Wimmer, Konzerninsolvenzen im Rahmen der EuInsVO – Ausblick auf die Schaffung eines deutschen Konzerninsolvenzrechts, DB 2013, 1343.
Vorbemerkung Übersicht I.
Überblick über den Regelungsinhalt des Regierungsentwurfs .............. 1 II. Der Entwurf im Einzelnen ................. 7 1. Gerichtsstandsregelungen .................... 7
I.
2. 3. 4.
Einheitliche Verwalterbestellung ....... 11 Allgemeine Kooperationspflichten .... 12 Koordinationsverfahren ...................... 15
Überblick über den Regelungsinhalt des Regierungsentwurfs
Die Bundesregierung hat am 28.8.2013 den Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen beschlossen.1) Zu diesem Entwurf hat der Bundesrat am 11.10.2013 Stellung genommen,2) die Bundesregierung hat dazu i. R. ihrer Gegenäußerung Stellung bezogen.3) Der Entwurf soll den mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) eingeschlagenen Weg, effiziente Möglichkeiten zur Sanierung von insolventen Unternehmen zu schaffen, für konzernverbundene Unternehmensträger fortsetzen.
1
Regelungen zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen kennt das deutsche Recht bisher nicht. Vielmehr gilt die Formel, eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz.4) Die Eröffnung einer Mehrzahl von Insolvenzverfahren über die Vermögen von gruppenverbundenen Unternehmen geht aber mit einer Dezentralisierung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügbaren Ressourcen
2
_____________ 1) 2) 3) 4)
BT-Drucks. 18/407. BT-Drucks. 18/407, S. 47, 48. BT-Drucks. 18/407, S. 49, 50. BT-Drucks. 18/407, S. 15.
Graf-Schlicker/Bornemann
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RegE
Vorbemerkung
einher und erschwert damit die Realisierung des vollen Unternehmenswerts, der in der wirtschaftlichen Einheit der Unternehmensgruppe verkörpert ist. 3
Die jüngste Vergangenheit hat verdeutlicht, dass ein praktisches Regelungsbedürfnis für die Insolvenzabwicklung gruppenverbundener Unternehmen besteht. Nicht nur spektakuläre Insolvenzen großer Konzerne wie z. B. Kirch Media, BabcockBorsig, Arcandor-Quelle zeigen dies, sondern auch die wirtschaftlichen Krisen und Zusammenbrüche in gruppenverbundenen mittelständigen Unternehmen. Die überwiegende Mehrheit der in der Rechtsform der AG oder der GmbH organisierten Unternehmen ist konzern- oder gruppenverbunden.5) Sie erwirtschaften rund 70 % des Umsatzes und beschäftigen rund 53 % der deutschen Arbeitnehmer.6)
4
Ein einheitliches Erscheinungsbild eines Konzerns oder einer Gruppe gibt es jedoch nicht. Das Spektrum reicht von losen Unternehmensverbindungen bis hin zu voll integrierten Varianten, bei denen wesentliche betriebs- und finanzwirtschaftliche Funktionen zentralisiert sind. Um den jeweiligen Unternehmensstrukturen gerecht werden zu können, stellt der Gesetzentwurf flexible Instrumente zur Verfügung, die zu einer bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger führen können. Dabei darf es nicht zu Verteilungseffekten zwischen den zwar insolventen, aber vergleichsweise wirtschaftlich noch besser dastehenden und den stärker angeschlagenen gruppenangehörigen Unternehmen kommen. Solche Regelungen würden gegen die im Gesellschafts- und Konzernrecht geltenden Prinzipien der Haftungstrennung und rechtlichen Selbstständigkeit der konzernverbundenen Unternehmen verstoßen.7) Der Entwurf verzichtet daher bewusst auf die Zusammenfassung der einzelnen Verfahren oder der Haftungsmassen (Konsolidierung), er stellt stattdessen für die Beteiligten gruppenverbundener insolventer Unternehmen Koordinierungsinstrumente zur Verfügung.
5
Um den Anwendungsbereich für diese Instrumente festzulegen, ist der Begriff „Unternehmensgruppe“ in § 3e InsO-E definiert worden. Dabei hat sich der Gesetzgeber von zwei Erwägungen leiten lassen: Zum einen soll keine komplexe Prüfung zur Festlegung des Anwendungsbereichs notwendig sein, zum anderen soll der Gruppenbegriff hinreichend weit sein, um den vielfältigen Formen eines Konzernverbunds Rechnung zu tragen.8) Deshalb lehnt sich der Gruppenbegriff an das Handelsbilanzrecht an, das in § 290 HGB darauf abstellt, ob zwei Unternehmen derart miteinander verbunden sind, dass eines die Möglichkeit hat, auf das andere einen beherrschenden Einfluss auszuüben. So muss im Einzelfall nicht geklärt werden, ob tatsächlich ein beherrschender Einfluss ausgeübt wird. Nicht übernommen hat der Entwurf die handelsrechtliche Regelung, dass das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft sein muss, weil eine Verfahrenskoordinierung auch dann sinnvoll sein kann, wenn das herrschende Unternehmen eine andere Rechtsform hat. Um auch Gleichordnungskonzerne einzubeziehen, die nicht über das Kriterium der Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses _____________ 5) 6) 7) 8)
Gerling, AG 1993, 538 ff; BT-Drucks. 18/407, S. 15. XVIII. Hauptgutachten der Monopolkommission im Jahr 2007, BT-Drucks. 17/2600, S. 80 f. BT-Drucks. 18/407, S. 16, 17; Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 291 f. Graf-Schlicker in: Bankrechtstag 2013, S. 27, 30.
1608
Graf-Schlicker/Bornemann
RegE
Vorbemerkung
erfasst werden können, ist – in Anlehnung an das Aktienkonzernrecht (vgl. § 18 Abs. 2 AktG) – als zusätzliche Voraussetzung die einheitliche Leitung aufgenommen worden. Für solche gruppenverbundenen Unternehmen sieht der Entwurf Koordinierungsmechanismen vor und zwar: –
Gerichtsstandsregelungen und Verweisungsmöglichkeiten, die es im Einzelfall erlauben, mehrere oder sämtliche Verfahren an einem Insolvenzgericht und bei einem Richter zu konzentrieren;
–
Rechtsgrundlagen für die Bestellung ein und derselben Person zum Insolvenzverwalter in mehreren oder allen Verfahren;
–
Kooperationspflichten auf der Ebene der Gerichte und Verwalter;
–
Einführung eines speziellen Koordinationsverfahrens, um die einzelnen Verfahren besser aufeinander abzustimmen, auf Antrag jedes gruppenangehörigen Schuldners, eines vorläufigen Verwalters mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis oder eines Insolvenzverwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie jedes Gläubigerausschusses oder vorläufigen Gläubigerausschusses eines gruppenangehörigen Schuldners auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses.
6
II. Der Entwurf im Einzelnen 1.
Gerichtsstandsregelungen
Der Gesetzentwurf räumt dem eigenantragstellenden Geschäftsleiter ergänzend zur Zuständigkeitsregelung des § 3 die Möglichkeit ein, einen einheitlichen Gerichtsstand für alle insolventen gruppenverbundenen Unternehmen zu begründen. Durch eine solche Konzentration entfällt die ansonsten entstehende Notwendigkeit der Abstimmung zwischen den befassten Insolvenzgerichten. Voraussetzung für eine solche Zuständigkeitskonzentration ist ein zulässiger Insolvenzantrag des Schuldners, ein gemeinsames Interesse der Gläubiger an einer Verfahrenskonzentration beim angerufenen Insolvenzgericht sowie eine nicht offensichtlich untergeordnete Bedeutung des Schuldners für die gesamte Unternehmensgruppe (§ 3a Abs. 1 InsO-E). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auch der Insolvenzverwalter antragsberechtigt.
7
Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners nicht beim Gruppengerichtsstand beantragt worden, kann das angerufene Gericht das Verfahren dorthin verweisen (§ 3d InsO-E). Stellt ein Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, hat das Gericht auf einen entsprechenden Antrag des Schuldners oder eines vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verfügungsbefugnis übergegangen ist, das Verfahren an das Gericht des Gruppengerichtsstands zu verweisen, wenn der Schuldner dort unverzüglich einen zulässigen Eigenantrag stellt.
8
Maßgeblich für die Begründung des Gruppengerichtsstands ist der zuerst gestellte Antrag (Prioritätsprinzip). Haben mehrere gruppenangehörige Schuldner gleichzeitig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt oder lässt sich nicht nachvollziehen, welcher Antrag zuerst gestellt wurde, entscheidet die Höhe der Bilanzsumme.
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Graf-Schlicker/Bornemann
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RegE
Vorbemerkung
Eine Anknüpfung an den Gerichtsstand der Muttergesellschaft hat der Entwurf bewusst nicht vorgenommen, weil dies nicht sachgerecht wäre, wenn die Muttergesellschaft solvent ist oder der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen sich nicht im Inland befindet. 10
Um zu gewährleisten, dass beim Gruppengerichtsstand auch innerhalb des Insolvenzgerichts keine Zersplitterung der Verfahren auf mehrere Richter vorgenommen wird, ordnet § 3c InsO-E die Bearbeitung durch ein und denselben Richter des Gerichts an. 2.
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Einheitliche Verwalterbestellung
Eine Konzentration der Zuständigkeit der Einzelverfahren bei einem Gericht lässt die Abstimmung zwischen verschiedenen Gerichten entfallen. Das Gericht kann, sofern es dies für zweckmäßig hält, eine Person zum Verwalter in mehreren oder gar allen Verfahren bestellen, um den Koordinationsbedarf auf der Ebene der Verwalter zu minimieren (§ 56b InsO-E). Gegensätzliche Interessen der einzelnen Schuldner der Unternehmensgruppe können durch die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters aufgelöst werden. Ist ein einheitlicher Gerichtsstand nicht begründet worden, haben sich die Insolvenzgerichte, die mit den Insolvenzen der einzelnen gruppenangehörigen Unternehmen befasst sind, darüber abzustimmen, ob es im Gläubigerinteresse liegt, dieselbe Person in den verschiedenen Verfahren zum Insolvenzverwalter zu bestellen und diese Person über die erforderliche Unabhängigkeit verfügt. 3.
Allgemeine Kooperationspflichten
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Fehlt ein Gruppengerichtsstand, besteht für die Insolvenzverwalter und Gerichte eine grundsätzliche Pflicht zur Zusammenarbeit (§ 269a InsO-E). Der Insolvenzverwalter eines gruppenangehörigen Unternehmens kann jedoch nicht gezwungen werden, in Maßnahmen einzuwilligen, die für die Gläubiger in den von ihm betreuten Verfahren von Nachteil sind. Er kann und muss vielmehr darauf drängen, dass solche Nachteile angemessen kompensiert werden. Ansonsten haftet er wegen Verletzung seiner Pflichten (§ 60 Abs. 1).
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Für die Insolvenzgerichte ordnet § 269b InsO-E eine Pflicht zur Zusammenarbeit und zum Austausch von Informationen an, der bereits für den internationalen Bereich ausdrücklich erlaubt ist (§ 348 Abs. 2 InsO).
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Auch auf der Ebene der Gläubiger sieht der Gesetzentwurf Möglichkeiten der Zusammenarbeit vor (§ 269c InsO-E). Auf Antrag eines (vorläufigen) Gläubigerausschusses kann das Gericht des Gruppengerichtsstands einen aus Vertretern der (vorläufigen) Gläubigerausschüsse zusammengesetzten Gruppengläubigerausschuss einsetzen. Hierdurch kann der Willensbildungsprozess der Gläubiger auf Konzernebene erleichtert werden. Eine Pflicht der Gläubiger zur Zusammenarbeit begründet der Gesetzentwurf dagegen nicht. 4.
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Koordinationsverfahren
Auch die allgemeinen Kooperationsrechte und Pflichten können im Einzelfall unzureichend sein, um eine bestmögliche Bewältigung einer Konzerninsolvenz zu gewährleisten. Deshalb sieht der Entwurf ein spezielles Koordinationsverfahren vor
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§ 2 RegE
Amtsgericht als Insolvenzgericht
(§§ 269d ff, 270d InsO-E), das als Angebot an die eigenantragsberechtigten Geschäftsleiter, die Insolvenzverwalter und die Gläubigerausschüsse konzipiert ist. Zentrale Figur dieses Koordinationsverfahrens ist der Koordinationsverwalter, der die Aufgabe hat, mögliche Reibungsverluste zwischen den Insolvenzverfahren der konzernverbundenen Unternehmen zu minimieren. Um eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren zu erreichen, hat der Koordinationsverwalter die Befugnis, einen Koordinationsplan vorzulegen, der alle Vorschläge enthalten kann, die geeignet sind, zu einer wirtschaftlichen Neuausrichtung der Unternehmensgruppe beizutragen. Der Koordinationsverwalter soll eine von den Insolvenzverwaltern und Sachwaltern der gruppenangehörigen insolventen Unternehmen unabhängige Person sein. Als Koordinationsverwalter kommt jedoch nicht der eigenverwaltende Schuldner eines gruppenangehörigen Unternehmens in Betracht. Die geplanten nationalen Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht fügen sich in den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Änderung der Europäischen Insolvenzverordnung vom Dezember 2012 ein. Dieser Vorschlag enthält u. a. ein neues Kapitel über die Behandlung von grenzübergreifenden Gruppeninsolvenzen. Beide Ansätze ziehen ein Koordinationsmodell vor, bei dem die Eigenständigkeit des Verfahrens für die einzelnen Konzerngesellschaften erhalten bleibt. Die Überlegungen auf europäischer Ebene unterstreichen die Notwendigkeit von Regelungen auf nationaler Ebene.
16
§2 Amtsgericht als Insolvenzgericht (1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk des Landgerichts ausschließlich zuständig. (2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (3) 1Rechtsverordnungen nach Absatz 2 sollen je Bezirk eines Oberlandesgerichts ein Insolvenzgericht bestimmen, an dem ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a begründet werden kann. 2Die Zuständigkeit des bestimmten Insolvenzgerichts kann innerhalb eines Landes auch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts erstreckt werden. Absatz 3 räumt den Ländern die Möglichkeit ein, bei der Bearbeitung von Konzerninsolvenzverfahren eine noch stärkere Konzentration vorzunehmen als bei den Unternehmensinsolvenzen. Je Oberlandesgerichtsbezirk soll nur ein GruppenGerichtsstand begründet werden, aber auch über den Oberlandesgerichtsbezirk hinaus kann der Gruppen-Gerichtsstand begründet werden, so dass z. B. nur ein Gericht innerhalb eines Landes für konzernspezifische Verfahren zuständig ist. Wünschenswert ist eine solche Konzentration, weil für die Bearbeitung dieser komplexen Verfahren spezifisches Fachwissen wirtschaftlicher Zusammenhänge, Graf-Schlicker/Bornemann
1611
1
§ 2 RegE
Amtsgericht als Insolvenzgericht
(§§ 269d ff, 270d InsO-E), das als Angebot an die eigenantragsberechtigten Geschäftsleiter, die Insolvenzverwalter und die Gläubigerausschüsse konzipiert ist. Zentrale Figur dieses Koordinationsverfahrens ist der Koordinationsverwalter, der die Aufgabe hat, mögliche Reibungsverluste zwischen den Insolvenzverfahren der konzernverbundenen Unternehmen zu minimieren. Um eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren zu erreichen, hat der Koordinationsverwalter die Befugnis, einen Koordinationsplan vorzulegen, der alle Vorschläge enthalten kann, die geeignet sind, zu einer wirtschaftlichen Neuausrichtung der Unternehmensgruppe beizutragen. Der Koordinationsverwalter soll eine von den Insolvenzverwaltern und Sachwaltern der gruppenangehörigen insolventen Unternehmen unabhängige Person sein. Als Koordinationsverwalter kommt jedoch nicht der eigenverwaltende Schuldner eines gruppenangehörigen Unternehmens in Betracht. Die geplanten nationalen Regelungen zum Konzerninsolvenzrecht fügen sich in den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Änderung der Europäischen Insolvenzverordnung vom Dezember 2012 ein. Dieser Vorschlag enthält u. a. ein neues Kapitel über die Behandlung von grenzübergreifenden Gruppeninsolvenzen. Beide Ansätze ziehen ein Koordinationsmodell vor, bei dem die Eigenständigkeit des Verfahrens für die einzelnen Konzerngesellschaften erhalten bleibt. Die Überlegungen auf europäischer Ebene unterstreichen die Notwendigkeit von Regelungen auf nationaler Ebene.
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§2 Amtsgericht als Insolvenzgericht (1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk des Landgerichts ausschließlich zuständig. (2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (3) 1Rechtsverordnungen nach Absatz 2 sollen je Bezirk eines Oberlandesgerichts ein Insolvenzgericht bestimmen, an dem ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a begründet werden kann. 2Die Zuständigkeit des bestimmten Insolvenzgerichts kann innerhalb eines Landes auch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts erstreckt werden. Absatz 3 räumt den Ländern die Möglichkeit ein, bei der Bearbeitung von Konzerninsolvenzverfahren eine noch stärkere Konzentration vorzunehmen als bei den Unternehmensinsolvenzen. Je Oberlandesgerichtsbezirk soll nur ein GruppenGerichtsstand begründet werden, aber auch über den Oberlandesgerichtsbezirk hinaus kann der Gruppen-Gerichtsstand begründet werden, so dass z. B. nur ein Gericht innerhalb eines Landes für konzernspezifische Verfahren zuständig ist. Wünschenswert ist eine solche Konzentration, weil für die Bearbeitung dieser komplexen Verfahren spezifisches Fachwissen wirtschaftlicher Zusammenhänge, Graf-Schlicker/Bornemann
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1
RegE § 3a
Gruppen-Gerichtsstand
umfassende Fachkenntnisse insbesondere im Insolvenz-, Gesellschafts- und Steuerrecht sowie Erfahrung im Handling der Fälle notwendig sind. Dieses Anforderungsprofil kann nur ein speziell geschulter Insolvenzrichter erfüllen, der durch die Bearbeitung einer Vielzahl von Verfahren hinreichend Erfahrung sammeln kann.
§ 3a Gruppen-Gerichtsstand (1) 1Auf Antrag eines Schuldners, der einer Unternehmensgruppe im Sinne von § 3e angehört (gruppenangehöriger Schuldner), erklärt sich das angerufene Insolvenzgericht für die Insolvenzverfahren über die anderen gruppenangehörigen Schuldner (GruppenFolgeverfahren) für zuständig, wenn in Bezug auf den Schuldner ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt und der Schuldner nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist. 2Eine untergeordnete Bedeutung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn im vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr –
die Bilanzsumme des Schuldners mehr als 10 Prozent der zusammengefassten Bilanzsumme der Unternehmensgruppe betrug,
–
die Umsatzerlöse des Schuldners mehr als 10 Prozent der zusammengefassten Umsatzerlöse der Unternehmensgruppe betrugen und
–
die Zahl der vom Schuldner im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer mehr als 10 Prozent der in der Unternehmensgruppe im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer ausmachte.
3 Haben mehrere gruppenangehörige Schuldner zeitgleich einen Antrag nach Satz 1 gestellt oder ist bei mehreren Anträgen unklar, welcher Antrag zuerst gestellt worden ist, ist der Antrag des Schuldners maßgeblich, der die größere Bilanzsumme aufweist; die anderen Anträge sind unzulässig.
(2) Bestehen Zweifel daran, dass eine Verfahrenskonzentration am angerufenen Insolvenzgericht im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt, kann das Gericht den Antrag nach Absatz 1 Satz 1ablehnen. (3) Das Antragsrecht des Schuldners geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter und mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergeht, auf diesen über. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Voraussetzungen für einen Gruppen-Gerichtsstand ...................... 2
I. 1
1. 2.
Zuständiges „Gruppengericht“ ............. 4 Funktionelle Zuständigkeit .................. 6
Normzweck
Die Norm ermöglicht es zunächst dem Schuldner eines gruppenangehörigen Unternehmens (Definition in § 3e InsO-E), neben dem allgemeinen (§ 3) einen zusätzlichen Gerichtsstand zu begründen, um die Konzentration aller Insolvenzverfahren eines gruppenverbundenen Unternehmens an dem Insolvenzgericht zu er1612
Graf-Schlicker/Bornemann
RegE § 3a
Gruppen-Gerichtsstand
umfassende Fachkenntnisse insbesondere im Insolvenz-, Gesellschafts- und Steuerrecht sowie Erfahrung im Handling der Fälle notwendig sind. Dieses Anforderungsprofil kann nur ein speziell geschulter Insolvenzrichter erfüllen, der durch die Bearbeitung einer Vielzahl von Verfahren hinreichend Erfahrung sammeln kann.
§ 3a Gruppen-Gerichtsstand (1) 1Auf Antrag eines Schuldners, der einer Unternehmensgruppe im Sinne von § 3e angehört (gruppenangehöriger Schuldner), erklärt sich das angerufene Insolvenzgericht für die Insolvenzverfahren über die anderen gruppenangehörigen Schuldner (GruppenFolgeverfahren) für zuständig, wenn in Bezug auf den Schuldner ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt und der Schuldner nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe ist. 2Eine untergeordnete Bedeutung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn im vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr –
die Bilanzsumme des Schuldners mehr als 10 Prozent der zusammengefassten Bilanzsumme der Unternehmensgruppe betrug,
–
die Umsatzerlöse des Schuldners mehr als 10 Prozent der zusammengefassten Umsatzerlöse der Unternehmensgruppe betrugen und
–
die Zahl der vom Schuldner im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer mehr als 10 Prozent der in der Unternehmensgruppe im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer ausmachte.
3 Haben mehrere gruppenangehörige Schuldner zeitgleich einen Antrag nach Satz 1 gestellt oder ist bei mehreren Anträgen unklar, welcher Antrag zuerst gestellt worden ist, ist der Antrag des Schuldners maßgeblich, der die größere Bilanzsumme aufweist; die anderen Anträge sind unzulässig.
(2) Bestehen Zweifel daran, dass eine Verfahrenskonzentration am angerufenen Insolvenzgericht im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt, kann das Gericht den Antrag nach Absatz 1 Satz 1ablehnen. (3) Das Antragsrecht des Schuldners geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter und mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergeht, auf diesen über. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Voraussetzungen für einen Gruppen-Gerichtsstand ...................... 2
I. 1
1. 2.
Zuständiges „Gruppengericht“ ............. 4 Funktionelle Zuständigkeit .................. 6
Normzweck
Die Norm ermöglicht es zunächst dem Schuldner eines gruppenangehörigen Unternehmens (Definition in § 3e InsO-E), neben dem allgemeinen (§ 3) einen zusätzlichen Gerichtsstand zu begründen, um die Konzentration aller Insolvenzverfahren eines gruppenverbundenen Unternehmens an dem Insolvenzgericht zu er1612
Graf-Schlicker/Bornemann
§ 3a RegE
Gruppen-Gerichtsstand
möglichen, bei dem der erste Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird (Abs. 1 Satz 3). Antragsberechtigt ist – bei einem zulässigen Insolvenzantrag – nur der Schuldner, nicht auch der Gläubiger. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht diese Antragsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über. Ist während des Eröffnungsverfahrens ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen ausgestattet worden („starker“ Insolvenzverwalter), so ist auch dieser antragsbefugt. II. Voraussetzungen für einen Gruppen-Gerichtsstand Voraussetzung für die Begründung eines Gruppengerichtsstands ist ein zulässiger Insolvenzeröffnungsantrag des Schuldners, des Insolvenzverwalters oder vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalters (Abs. 3) sowie die nicht offensichtliche untergeordnete Bedeutung des Schuldnerunternehmens für die gesamte Unternehmensgruppe. In Absatz 1 Satz 2 stellt der Gesetzentwurf Regelbeispiele auf, wann dies regelmäßig zu verneinen ist. Keine untergeordnete Bedeutung liegt danach vor, wenn im vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahr bestimmte Schwellenwerte des antragstellenden Unternehmens innerhalb der Unternehmensgruppe erreicht wurden, nämlich dort mehr als 10 % der zusammengefassten Bilanzsumme und Umsatzerlöse erwirtschaftet wurden sowie dort mehr als 10 % der im Jahresdurchschnitt in der Unternehmensgruppe beschäftigten Arbeitnehmer tätig waren. Besteht für die Unternehmensgruppe keine Verpflichtung zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach §§ 290 ff HGB oder liegen solche Abschlüsse nicht vor, sind diese Schwellenwerte anhand untechnischer Zusammenfassungen der Abschlüsse nach freiem richterlichen Ermessen abzuschätzen.1)
2
Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann das Insolvenzgericht die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands ablehnen, wenn Zweifel bestehen, dass eine Konzentration der Verfahren am angerufenen Gericht im gemeinsamen Interesse sämtlicher Gläubiger der Unternehmensgruppe liegt (Abs. 2). Zu bejahen ist ein gemeinsames Gläubigerinteresse jedenfalls dann, wenn durch die Verfahrensbündelung Koordinationsgewinne zu erwarten sind, die einigen Insolvenzmassen zufließen, ohne die anderen zu benachteiligen.2)
3
1.
Zuständiges „Gruppengericht“
Als Gruppen-Gerichtsstand kann das Insolvenzgericht bestimmt werden, bei dem der erste Antrag eines gruppenangehörigen Unternehmens auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wurde (Abs. 1 Satz 3). Der Entwurf knüpft bewusst nicht an den Standort des Mutterunternehmens an.3) Eine solche Anknüpfung wäre unangemessen, wenn das Mutterunternehmen gar nicht insolvent wäre oder den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Ausland hätte. Gegen das Prioritätsprinzip spricht auch nicht das häufig angeführte Argument, es ermögliche eine missbräuchliche Wahl eines Gruppen-Gerichtsstands.4) Anders als bei grenz_____________ 1) 2) 3) 4)
BT-Drucks. 18/407, S. 27. BT-Drucks. 18/407, S. 27. BT-Drucks. 18/407, S. 19. BT-Drucks. 18/407, S. 19.
Graf-Schlicker/Bornemann
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4
RegE § 3b
Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands
überschreitenden Sachverhalten hat die Zuständigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland keine Auswirkungen auf das anzuwendende Recht eines Insolvenzverfahrens. Grundsätzlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, das geltende Recht werde innerhalb der deutschen Gerichtsbarkeit nicht richtig angewandt.5) Möglich könnte allerdings sein, dass vermehrt Gerichtsstände dort begründet werden, wo aufgrund einer Konzentration der Verfahren größere Sachkunde und Erfahrung bei den Gerichten vorhanden ist. Das stellt jedoch einen sachlichen und keinen missbräuchlichen Anknüpfungspunkt dar, der zudem seitens der Landesjustizverwaltungen durch die gesetzlich möglichen Konzentrationen der Insolvenzverfahren nach § 2 bewusst gesteuert werden kann.6) 5
Für den Fall, dass mehrere Anträge auf Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands zeitgleich gestellt werden oder Unklarheit über den Zeitpunkt des ersten Antrags besteht, ordnet Absatz 1 Satz 3 an, dass der Antrag des Schuldners maßgebend ist, der die größere Bilanzsumme aufweist. Die anderen Anträge sind unzulässig. 2.
6
Funktionelle Zuständigkeit
Die Entscheidung über die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands bleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Richter vorbehalten (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG-E). _____________ 5) 6)
BT-Drucks. 18/407, S. 19. BT-Drucks. 18/407, S. 19.
§ 3b Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands Ein nach § 3a begründeter Gruppen-Gerichtsstand bleibt von der Nichteröffnung, Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens über den antragstellenden Schuldner unberührt, solange an diesem Gerichtsstand ein Verfahren über einen anderen gruppenangehörigen Schuldner anhängig ist. Übersicht
1
I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit ........................................ 2
Die Norm regelt die Auswirkungen der Beendigung des für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands maßgebenden Verfahrens auf die an diesem Gerichtsstand anhängigen Folgeverfahren. II. Keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit
2
Voraussetzung für die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands ist nur ein zulässiger, kein begründeter Insolvenzantrag. Deshalb sind Fälle denkbar, in denen sich der Eröffnungsantrag als unbegründet erweist. Möglich ist auch, dass das Verfahren zwar eröffnet, aber später eingestellt oder aufgehoben wird. Die Norm bestimmt, dass 1614
Graf-Schlicker/Bornemann
RegE § 3b
Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands
überschreitenden Sachverhalten hat die Zuständigkeit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland keine Auswirkungen auf das anzuwendende Recht eines Insolvenzverfahrens. Grundsätzlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, das geltende Recht werde innerhalb der deutschen Gerichtsbarkeit nicht richtig angewandt.5) Möglich könnte allerdings sein, dass vermehrt Gerichtsstände dort begründet werden, wo aufgrund einer Konzentration der Verfahren größere Sachkunde und Erfahrung bei den Gerichten vorhanden ist. Das stellt jedoch einen sachlichen und keinen missbräuchlichen Anknüpfungspunkt dar, der zudem seitens der Landesjustizverwaltungen durch die gesetzlich möglichen Konzentrationen der Insolvenzverfahren nach § 2 bewusst gesteuert werden kann.6) 5
Für den Fall, dass mehrere Anträge auf Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands zeitgleich gestellt werden oder Unklarheit über den Zeitpunkt des ersten Antrags besteht, ordnet Absatz 1 Satz 3 an, dass der Antrag des Schuldners maßgebend ist, der die größere Bilanzsumme aufweist. Die anderen Anträge sind unzulässig. 2.
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Funktionelle Zuständigkeit
Die Entscheidung über die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands bleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Richter vorbehalten (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG-E). _____________ 5) 6)
BT-Drucks. 18/407, S. 19. BT-Drucks. 18/407, S. 19.
§ 3b Fortbestehen des Gruppen-Gerichtsstands Ein nach § 3a begründeter Gruppen-Gerichtsstand bleibt von der Nichteröffnung, Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens über den antragstellenden Schuldner unberührt, solange an diesem Gerichtsstand ein Verfahren über einen anderen gruppenangehörigen Schuldner anhängig ist. Übersicht
1
I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit ........................................ 2
Die Norm regelt die Auswirkungen der Beendigung des für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands maßgebenden Verfahrens auf die an diesem Gerichtsstand anhängigen Folgeverfahren. II. Keine Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit
2
Voraussetzung für die Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands ist nur ein zulässiger, kein begründeter Insolvenzantrag. Deshalb sind Fälle denkbar, in denen sich der Eröffnungsantrag als unbegründet erweist. Möglich ist auch, dass das Verfahren zwar eröffnet, aber später eingestellt oder aufgehoben wird. Die Norm bestimmt, dass 1614
Graf-Schlicker/Bornemann
§ 3c RegE
Zuständigkeit für Gruppen-Folgeverfahren
sich solche Änderungen auf den einmal begründeten Gruppen-Gerichtsstand nicht auswirken, wenn noch andere gruppenangehörige Verfahren dort anhängig sind. Für bereits anhängige Verfahren folgt das Fortbestehen der Zuständigkeit bereits nach geltendem Recht aus § 4 InsO, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Über diese Regelungen hinaus bestimmt § 3b InsO-E jedoch, dass der Gruppen-Gerichtsstand auch für noch nicht anhängige Folgeverfahren bestehen bleibt, solange das Insolvenzgericht mit mindestens einem Verfahren eines gruppenangehörigen Schuldners befasst ist.
§ 3c Zuständigkeit für Gruppen-Folgeverfahren (1) Am Gericht des Gruppen-Gerichtsstands ist für Gruppen-Folgeverfahren der Richter zuständig, der für das Verfahren zuständig ist, in dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wurde. (2) Der Antrag auf Eröffnung eines Gruppen-Folgeverfahrens kann auch bei dem nach § 3 Absatz 1 zuständigen Gericht gestellt werden. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Konzentration der Verfahren bei einem Richter ....................................... 2
I.
III. Zuständigkeit für den Antrag auf Begründung des GruppenGerichtsstands ...................................... 3
Normzweck
Die Norm bezweckt, auch innerhalb des Gruppen-Gerichts die Bearbeitung der Verfahren durch ein und denselben Richter sicherzustellen. Ferner schafft sie die Möglichkeit, den Antrag zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstand auch bei dem nach § 3 zuständigen Insolvenzgericht zu stellen.
1
II. Konzentration der Verfahren bei einem Richter Die Konzentration der Gruppen-Verfahren bei einem Insolvenzgericht würde wenig Sinn machen, wenn auf der Ebene der Richterinnen und Richter die Zersplitterung der Zuständigkeit fortgesetzt würde und innerhalb des Gerichts unterschiedliche Personen für die gruppenangehörigen Verfahren zuständig wären. Deshalb bestimmt Absatz 1, dass derjenige Richter, der nach dem vom Präsidium des Gerichts aufgestellten Geschäftsverteilungsplan für das Verfahren zuständig ist, mit dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wird, auch die Gruppen-Folgeverfahren zu bearbeiten hat.
2
III. Zuständigkeit für den Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands Der Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a InsO-E ist kein ausschließlicher Gerichtsstand, wie sich aus Absatz 2 herleiten lässt. Deshalb kann sowohl dort als auch bei dem nach § 3 zuständigen Gericht der Antrag auf Begründung des Gruppengerichtsstands gestellt werden. War vor dem Beschluss des Gerichts zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstands bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, so geht dieser Antrag etwaigen späteren Anträgen nach § 3 Abs. 2 vor.1) Nach § 3d InsO-E besteht sodann die Möglichkeit der Verweisung an den GruppenGerichtsstand. _____________ 1)
BT-Drucks. 18/407, S. 28.
Graf-Schlicker/Bornemann
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3
§ 3c RegE
Zuständigkeit für Gruppen-Folgeverfahren
sich solche Änderungen auf den einmal begründeten Gruppen-Gerichtsstand nicht auswirken, wenn noch andere gruppenangehörige Verfahren dort anhängig sind. Für bereits anhängige Verfahren folgt das Fortbestehen der Zuständigkeit bereits nach geltendem Recht aus § 4 InsO, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Über diese Regelungen hinaus bestimmt § 3b InsO-E jedoch, dass der Gruppen-Gerichtsstand auch für noch nicht anhängige Folgeverfahren bestehen bleibt, solange das Insolvenzgericht mit mindestens einem Verfahren eines gruppenangehörigen Schuldners befasst ist.
§ 3c Zuständigkeit für Gruppen-Folgeverfahren (1) Am Gericht des Gruppen-Gerichtsstands ist für Gruppen-Folgeverfahren der Richter zuständig, der für das Verfahren zuständig ist, in dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wurde. (2) Der Antrag auf Eröffnung eines Gruppen-Folgeverfahrens kann auch bei dem nach § 3 Absatz 1 zuständigen Gericht gestellt werden. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Konzentration der Verfahren bei einem Richter ....................................... 2
I.
III. Zuständigkeit für den Antrag auf Begründung des GruppenGerichtsstands ...................................... 3
Normzweck
Die Norm bezweckt, auch innerhalb des Gruppen-Gerichts die Bearbeitung der Verfahren durch ein und denselben Richter sicherzustellen. Ferner schafft sie die Möglichkeit, den Antrag zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstand auch bei dem nach § 3 zuständigen Insolvenzgericht zu stellen.
1
II. Konzentration der Verfahren bei einem Richter Die Konzentration der Gruppen-Verfahren bei einem Insolvenzgericht würde wenig Sinn machen, wenn auf der Ebene der Richterinnen und Richter die Zersplitterung der Zuständigkeit fortgesetzt würde und innerhalb des Gerichts unterschiedliche Personen für die gruppenangehörigen Verfahren zuständig wären. Deshalb bestimmt Absatz 1, dass derjenige Richter, der nach dem vom Präsidium des Gerichts aufgestellten Geschäftsverteilungsplan für das Verfahren zuständig ist, mit dem der Gruppen-Gerichtsstand begründet wird, auch die Gruppen-Folgeverfahren zu bearbeiten hat.
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III. Zuständigkeit für den Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands Der Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a InsO-E ist kein ausschließlicher Gerichtsstand, wie sich aus Absatz 2 herleiten lässt. Deshalb kann sowohl dort als auch bei dem nach § 3 zuständigen Gericht der Antrag auf Begründung des Gruppengerichtsstands gestellt werden. War vor dem Beschluss des Gerichts zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstands bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, so geht dieser Antrag etwaigen späteren Anträgen nach § 3 Abs. 2 vor.1) Nach § 3d InsO-E besteht sodann die Möglichkeit der Verweisung an den GruppenGerichtsstand. _____________ 1)
BT-Drucks. 18/407, S. 28.
Graf-Schlicker/Bornemann
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RegE § 3d
Verweisung an den Gruppen-Gerichtsstand
§ 3d Verweisung an den Gruppen-Gerichtsstand (1) 1Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners bei einem anderen Insolvenzgericht als dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands beantragt, kann das angerufene Gericht das Verfahren an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands verweisen. 2Eine Verweisung hat auf Antrag zu erfolgen, wenn der Schuldner unverzüglich nachdem er Kenntnis von dem Eröffnungsantrag eines Gläubigers erlangt hat, einen zulässigen Eröffnungsantrag bei dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands stellt. (2) 1Antragsberechtigt ist der Schuldner. 2§ 3a Absatz 3 gilt entsprechend. (3) Das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands kann den vom Erstgericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter entlassen, wenn dies erforderlich ist, um nach § 56b eine Person zum Insolvenzverwalter in mehreren oder allen Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner zu bestellen. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Verweisungsmöglichkeiten beim Schuldnerantrag ................................... 2 III. Verweisungsmöglichkeiten beim Gläubigerantrag ................................... 3
I. 1
IV. Entlassung des Insolvenzverwalters .............................................. 4 V. Funktionelle Zuständigkeit für Verweisung ........................................... 5
Normzweck
Die Norm dient dazu, durch Verweisungsmöglichkeiten einen Gruppen-Gerichtsstand für alle gruppenangehörigen Unternehmen zu begründen. Um das Verfahren auch in einem solchen Fall möglichst effektiv gestalten zu können, sieht Absatz 3 vor, dass das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands den vom Erstgericht bestellten Insolvenzverwalter entlassen kann. II. Verweisungsmöglichkeiten beim Schuldnerantrag
2
Stellt ein gruppenangehöriges Unternehmen bei einem anderen Gericht als dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so kann das angerufene Gericht das Verfahren dorthin verweisen. Die Verweisung liegt im Ermessen des Gerichts. Es hat abzuwägen, ob eine Verweisung unter Berücksichtigung des Verfahrensstandes den Interessen der Gläubiger entspricht oder das Verfahren bereits so weit fortgeschritten ist, dass Effektivitätsgewinne nicht mehr erzielt werden können.1) III. Verweisungsmöglichkeiten beim Gläubigerantrag
3
Auf Antrag eines Gläubigers kann ein Gruppengerichtsstand nicht begründet werden. Stellt jedoch der Schuldner eines gruppenverbundenen Unternehmens unverzüglich nach der Kenntnis von dem Gläubigerantrag einen zulässigen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands, hat das Gericht das Verfahren auf Antrag des Schuldners, des „starken Insolvenz_____________ 1)
BT-Drucks. 18/407, S. 28.
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Graf-Schlicker/Bornemann
§ 3e RegE
Unternehmensgruppe
verwalters“ oder des Insolvenzverwalters zu verweisen. Durch das Erfordernis der unverzüglichen Eigenantragstellung soll sichergestellt sein, dass eine Verweisung nicht mehr in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem beim aufnehmenden Gericht schon entscheidende Weichen gestellt sind.2) Die Verweisung ist für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend (§§ 17a Abs. 2 Satz 3, 102 Satz 2 GVG, §§ 281 Abs. 2 Satz 4, 506 Abs. 2 ZPO, § 48 ArbGG, § 3 Abs. 3 Satz 2 FamFG).3) IV. Entlassung des Insolvenzverwalters Absatz 3 räumt dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands die Möglichkeit ein, den in dem verwiesenen Verfahren bereits bestellten Insolvenzverwalter zu entlassen, um eine effiziente Verfahrensabwicklung am Gruppen-Gerichtsstand bewirken zu können.
4
V. Funktionelle Zuständigkeit für Verweisung Die Entscheidung für den Antrag auf Verweisung an das Gericht des GruppenGerichtsstands obliegt – unabhängig vom Verfahrensstand – dem Richter (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG-E). _____________ 2) 3)
5
BT-Drucks. 18/407, S. 28. BT-Drucks. 18/407, S. 28.
§ 3e Unternehmensgruppe Eine Unternehmensgruppe besteht aus rechtlich selbständigen Unternehmen, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind durch 1. die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder 2. eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung. Übersicht I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Begriff der Unternehmensgruppe ..... 2
Die Norm definiert den Gruppenbegriff, um den Anwendungsbereich des Gesetzes bestimmen zu können.
1
II. Begriff der Unternehmensgruppe Der Ausgestaltung des Gruppenbegriffs liegen folgende Erwägungen zugrunde: Einerseits sollte vermieden werden, dass bei der Frage, ob die konzernrechtlichen Regelungen Anwendung finden, komplexe Rechts- und Tatsachenprüfungen zu erfolgen haben; anderseits sollte der Begriff hinreichend weit sein, um der Vielgestaltigkeit des Konzernphänomens Rechnung tragen zu können.1) Eine Unter_____________ 1)
Graf-Schlicker in: Bankrechtstag 2013, S. 27, 30.
Graf-Schlicker/Bornemann
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2
§ 3e RegE
Unternehmensgruppe
verwalters“ oder des Insolvenzverwalters zu verweisen. Durch das Erfordernis der unverzüglichen Eigenantragstellung soll sichergestellt sein, dass eine Verweisung nicht mehr in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem beim aufnehmenden Gericht schon entscheidende Weichen gestellt sind.2) Die Verweisung ist für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend (§§ 17a Abs. 2 Satz 3, 102 Satz 2 GVG, §§ 281 Abs. 2 Satz 4, 506 Abs. 2 ZPO, § 48 ArbGG, § 3 Abs. 3 Satz 2 FamFG).3) IV. Entlassung des Insolvenzverwalters Absatz 3 räumt dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands die Möglichkeit ein, den in dem verwiesenen Verfahren bereits bestellten Insolvenzverwalter zu entlassen, um eine effiziente Verfahrensabwicklung am Gruppen-Gerichtsstand bewirken zu können.
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V. Funktionelle Zuständigkeit für Verweisung Die Entscheidung für den Antrag auf Verweisung an das Gericht des GruppenGerichtsstands obliegt – unabhängig vom Verfahrensstand – dem Richter (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG-E). _____________ 2) 3)
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BT-Drucks. 18/407, S. 28. BT-Drucks. 18/407, S. 28.
§ 3e Unternehmensgruppe Eine Unternehmensgruppe besteht aus rechtlich selbständigen Unternehmen, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland haben und die unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind durch 1. die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses oder 2. eine Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung. Übersicht I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Begriff der Unternehmensgruppe ..... 2
Die Norm definiert den Gruppenbegriff, um den Anwendungsbereich des Gesetzes bestimmen zu können.
1
II. Begriff der Unternehmensgruppe Der Ausgestaltung des Gruppenbegriffs liegen folgende Erwägungen zugrunde: Einerseits sollte vermieden werden, dass bei der Frage, ob die konzernrechtlichen Regelungen Anwendung finden, komplexe Rechts- und Tatsachenprüfungen zu erfolgen haben; anderseits sollte der Begriff hinreichend weit sein, um der Vielgestaltigkeit des Konzernphänomens Rechnung tragen zu können.1) Eine Unter_____________ 1)
Graf-Schlicker in: Bankrechtstag 2013, S. 27, 30.
Graf-Schlicker/Bornemann
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2
RegE § 13a
Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
nehmensgruppe besteht demgemäß aus Unternehmensträgern, die ihren wirtschaftlichen Mittelpunkt im Inland haben und über eines der beiden in § 3e InsO-E aufgeführten Kriterien unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind.2) Das Kriterium der „Möglichkeit beherrschenden Einfluss auszuüben“ knüpft an § 290 HGB an. Es handelt sich um ein relativ einfach zu handhabendes und hinreichend weit gefasstes Kriterium, weil im Einzelfall nicht zu klären ist, ob der beherrschende Einfluss tatsächlich ausgeübt wird. Zur Auslegung dieses Kriteriums kann auf die typisierenden Tatbestände des § 290 Abs. 2 HGB zurückgegriffen werden.3) 3
§ 3a InsO-E setzt jedoch nicht – wie § 290 HGB – voraus, dass das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft ist, vielmehr werden vom Gruppenbegriff dieser Norm auch andere Unternehmensträger erfasst, wenn sie die Stellung eines Mutterkonzerns einnehmen. Ebenso wenig ist der Gruppenbegriff des § 3a InsO-E durch die Befreiung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses in § 290 Abs. 5 HGB eingeschränkt. Die Koordinierung der gruppenverbunden Insolvenzverfahren kann unabhängig davon, ob eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses besteht, notwendig sein, um optimale Ergebnisse bei der Gläubigerbefriedigung zu erzielen.
4
Das weitere Kriterium „Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung“ dient dazu, auch Gleichordnungskonzerne in den Gruppenbegriff einbeziehen zu können.4) _____________ 2) 3) 4)
BT-Drucks. 18/407, S. 28. BT-Drucks. 18/407, S. 29. BT-Drucks. 18/407, S. 29.
§ 13a Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands (1) In einem Antrag nach § 3a Absatz 1 sind anzugeben: 1. Name, Sitz, Unternehmensgegenstand sowie Bilanzsumme, Umsatzerlöse und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer des letzten Geschäftsjahres der anderen gruppenangehörigen Unternehmen, die nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe sind; für die übrigen gruppenangehörigen Unternehmen sollen entsprechende Angaben gemacht werden, 2. aus welchen Gründen eine Verfahrenskonzentration am angerufenen Insolvenzgericht im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt, 3. ob eine Fortführung oder Sanierung der Unternehmensgruppe oder eines Teils davon angestrebt wird, 4. welche gruppenangehörigen Unternehmen Institute im Sinne des § 1 Absatz 1b des Kreditwesengesetzes, Finanzholding-Gesellschaften im Sinne des § 1 Absatz 3a des Kreditwesengesetzes, Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuches, Zahlungsdienstleister im Sinne des § 1 Absatz 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes oder Versicherungsunternehmen im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes sind, und
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RegE § 13a
Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
nehmensgruppe besteht demgemäß aus Unternehmensträgern, die ihren wirtschaftlichen Mittelpunkt im Inland haben und über eines der beiden in § 3e InsO-E aufgeführten Kriterien unmittelbar oder mittelbar miteinander verbunden sind.2) Das Kriterium der „Möglichkeit beherrschenden Einfluss auszuüben“ knüpft an § 290 HGB an. Es handelt sich um ein relativ einfach zu handhabendes und hinreichend weit gefasstes Kriterium, weil im Einzelfall nicht zu klären ist, ob der beherrschende Einfluss tatsächlich ausgeübt wird. Zur Auslegung dieses Kriteriums kann auf die typisierenden Tatbestände des § 290 Abs. 2 HGB zurückgegriffen werden.3) 3
§ 3a InsO-E setzt jedoch nicht – wie § 290 HGB – voraus, dass das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft ist, vielmehr werden vom Gruppenbegriff dieser Norm auch andere Unternehmensträger erfasst, wenn sie die Stellung eines Mutterkonzerns einnehmen. Ebenso wenig ist der Gruppenbegriff des § 3a InsO-E durch die Befreiung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses in § 290 Abs. 5 HGB eingeschränkt. Die Koordinierung der gruppenverbunden Insolvenzverfahren kann unabhängig davon, ob eine Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses besteht, notwendig sein, um optimale Ergebnisse bei der Gläubigerbefriedigung zu erzielen.
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Das weitere Kriterium „Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung“ dient dazu, auch Gleichordnungskonzerne in den Gruppenbegriff einbeziehen zu können.4) _____________ 2) 3) 4)
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§ 13a Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands (1) In einem Antrag nach § 3a Absatz 1 sind anzugeben: 1. Name, Sitz, Unternehmensgegenstand sowie Bilanzsumme, Umsatzerlöse und die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer des letzten Geschäftsjahres der anderen gruppenangehörigen Unternehmen, die nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe sind; für die übrigen gruppenangehörigen Unternehmen sollen entsprechende Angaben gemacht werden, 2. aus welchen Gründen eine Verfahrenskonzentration am angerufenen Insolvenzgericht im gemeinsamen Interesse der Gläubiger liegt, 3. ob eine Fortführung oder Sanierung der Unternehmensgruppe oder eines Teils davon angestrebt wird, 4. welche gruppenangehörigen Unternehmen Institute im Sinne des § 1 Absatz 1b des Kreditwesengesetzes, Finanzholding-Gesellschaften im Sinne des § 1 Absatz 3a des Kreditwesengesetzes, Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuches, Zahlungsdienstleister im Sinne des § 1 Absatz 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes oder Versicherungsunternehmen im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes sind, und
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Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
§ 13a RegE
5. die gruppenangehörigen Schuldner, über deren Vermögen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt oder ein Verfahren eröffnet wurde, einschließlich des zuständigen Insolvenzgerichts und des Aktenzeichens. (2) 1Dem Antrag nach § 3a Absatz 1 ist der letzte konsolidierte Abschluss der Unternehmensgruppe beizufügen. 2Liegt ein solcher nicht vor, sind die letzten Jahresabschlüsse der gruppenangehörigen Unternehmen beizufügen, die nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe sind. 3Die Jahresabschlüsse der übrigen gruppenangehörigen Unternehmen sollen beigefügt werden. Übersicht I. Normzweck; Überblick ....................... 1 II. Angaben im Antrag zur Begründung des GruppenGerichtsstands (Abs. 1) ....................... 2
I.
III. Beizufügende Unterlagen (Abs. 2) .................................................. 7
Normzweck; Überblick
§ 13a InsO-E stellt Anforderungen an den Antrag auf Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands (§ 3a Abs. 1 InsO-E) auf. Das antragstellende Unternehmen hat bestimmte Angaben zu machen (Abs. 1) und Unterlagen beizufügen (Abs. 2). Dies soll dem Gericht die Prüfung des Antrags erleichtern. Es handelt sich aber um keine Zulässigkeitsvoraussetzung – weder für den Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands noch für den (hiervon zu unterscheidenden) Insolvenzeröffnungsantrag.1) Bleiben allerdings infolge fehlender oder unvollständiger Angaben Zweifel daran, dass die Voraussetzungen für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands gegeben sind, kann der Antrag abgelehnt werden (vgl. § 3a Abs. 2 InsO-E).
1
II. Angaben im Antrag zur Begründung des Gruppen-Gerichtsstands (Abs. 1) Nach Absatz 1 Nr. 1 sind Name, Sitz, Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahlen der übrigen Unternehmen der Unternehmensgruppe anzugeben. Dies ist aus Sicht des Gerichts erforderlich, um abschätzen zu können, ob die Regelvermutung des § 3a Abs. 1 Satz 3 InsO-E trägt. Nach dieser ist eine (die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands ausschließende) untergeordnete Bedeutung des antragstellenden Unternehmens innerhalb der Unternehmensgruppe dann nicht gegeben, wenn sein Anteil an der zusammengefassten Bilanzsumme, den zusammengefassten Umsatzerlösen und den zusammengefassten Arbeitnehmerzahlen der Unternehmensgruppe jeweils 10 % übersteigt. Die jeweiligen Kennzahlen für den antragstellenden Schuldner, die den zusammengefassten Zahlen gegenüberzustellen sind, kann das Gericht dessen Eröffnungsantrag entnehmen (§ 13 Abs. 1 Satz 5).
2
Nach Absatz 1 Nr. 2 sind Angaben zu den Gründen zu machen, die für eine im gemeinsamen Interesse der Gläubiger (der Unternehmensgruppe) liegende Verfahrenskonzentration am beantragten Gruppen-Gerichtsstand sprechen. Das Gericht muss zwar das Bestehen eines gemeinsamen Interesses der Gläubiger der Unterneh-
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RegE § 13a
Antrag zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands
mensgruppe nicht positiv feststellen; vielmehr reicht es für die Begründung des Gruppen-Gerichtsstands aus, dass ein solches Interesse nicht zweifelhaft ist (§ 3a Abs. 2 InsO-E). Um aber eine sinnvolle Nachprüfung des Gerichts zu ermöglichen, hat der Antragsteller Angaben zu machen, aus welchen Gründen eine Verfahrenskonzentration im Interesse der Gläubiger liegt. Angaben sind insoweit in zweierlei Hinsicht erforderlich: Zum einen muss eine Verfahrenskonzentration überhaupt im gemeinsamen Gläubigerinteresse liegen. Zum anderen geht es aber auch um die Frage, ob eine Verfahrenskonzentration gerade am Sitz des beantragten GruppenGerichtsstands im Interesse der Gläubiger liegt. 4
Für die Frage, ob ein gemeinsames Interesse der Gläubiger an einer Verfahrenskonzentration besteht, ist auch von Relevanz, ob eine Fortführung oder Sanierung des Unternehmens beabsichtigt ist. Daher sind nach Absatz 1 Nr. 3 dazu Angaben zu machen.
5
Die nach Absatz 1 Nr. 4 erforderlichen Angaben dazu, ob zu den gruppenangehörigen Unternehmen beaufsichtigte Finanzinstitute (insbesondere Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen) gehören, trägt dem Umstand Rechnung, dass bei diesen Unternehmen das Insolvenzantragsrecht bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde monopolisiert ist (§ 46b Abs. 1 KWG, § 88 Abs. 1 VAG). Eine Konzentration der Verfahren über diese Unternehmen ist daher nur mit Zustimmung dieser Aufsichtsbehörden möglich, was deren frühzeitige Einbindung erforderlich macht.
6
Die von Absatz 1 Nr. 5 verlangten Angaben zu etwaigen Verfahren über das Vermögen anderer gruppenangehöriger Unternehmen sind erforderlich, um das Gericht in den Stand zu setzen, die Verfahrensführung mit den jeweils befassten Insolvenzgerichten nach Maßgabe der §§ 56b, 269b InsO-E, insbesondere im Hinblick auf die Bestellung eines einheitlichen Verwalters oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen abzustimmen.2) III. Beizufügende Unterlagen (Abs. 2)
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Nach Absatz 2 ist dem Antrag nach § 3a InsO-E der letzte konsolidierte Abschluss der Unternehmensgruppe beizufügen. Ist ein solcher nicht erstellt, sind zumindest die Einzelabschlüsse derjenigen gruppenangehörigen Unternehmen beizufügen, die nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung für die Unternehmensgruppe sind. Die Jahresabschlüsse der übrigen Unternehmen sollen beigefügt werden. Dies setzt das Gericht in den Stand, sich einen Überblick über die Unternehmensgruppe zu verschaffen und die Angaben zum Interesse der Gläubiger an einer Verfahrenskonzentration am Gruppen-Gerichtsstand nachzuvollziehen.
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§ 21 RegE
Anordnung vorläufiger Maßnahmen
§ 21 Anordnung vorläufiger Maßnahmen (1) 1Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. 2Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) 1Das Gericht kann insbesondere 1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Abs. 3 und die §§ 56, 56a, 58 bis 66 entsprechend gelten;
1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Abs. 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a. einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden; 2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten §§ 170, 171 entsprechend.
2 Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. 3Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und
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RegE § 56b
Verwalterbestellung bei Schuldnern derselben Unternehmensgruppe
der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes. (3) 1Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. 2Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. 3Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend. 1
Die Änderungen in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 waren notwendig, um die Regelungen zur Verwalterbestellung und zur Zusammenarbeit unter Verwaltern in §§ 56a, 56b, 269a InsO-E in diese Norm einzubeziehen.
§ 56b Verwalterbestellung bei Schuldnern derselben Unternehmensgruppe (1) 1Wird über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, so haben die angegangenen Insolvenzgerichte sich darüber abzustimmen, ob es im Interesse der Gläubiger liegt, lediglich eine Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen. 2Bei der Abstimmung ist insbesondere zu erörtern, ob diese Person alle Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner mit der gebotenen Unabhängigkeit wahrnehmen kann und ob mögliche Interessenkonflikte durch die Bestellung von Sonderinsolvenzverwaltern ausgeräumt werden können. (2) 1Von dem Vorschlag oder den Vorgaben eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a kann das Gericht abweichen, wenn der für einen anderen gruppenangehörigen Schuldner bestellte vorläufige Gläubigerausschuss eine andere Person einstimmig vorschlägt, die sich für eine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 eignet. 2Vor der Bestellung dieser Person ist der vorläufige Gläubigerausschuss anzuhören. 3Ist zur Auflösung von Interessenkonflikten ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, findet § 56a entsprechende Anwendung. Übersicht
1
I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Auswahl des Verwalters ...................... 2
Die Norm regelt die Verwalterbestellung im Kontext der Insolvenz gruppenverbundener Unternehmen. Sie soll insbesondere eine einheitliche Verwalterbestellung in allen Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner ermöglichen. II. Auswahl des Verwalters
2
Der Gesetzentwurf legt nicht fest, wie viele Verwalter zur Bewältigung der Insolvenz gruppenverbundener Unternehmen zu bestellen sind. Es obliegt vielmehr den Insolvenzgerichten, bei denen Insolvenzverfahren über gruppenangehörige Schuldner geführt werden, zu entscheiden, ob ein oder mehrere Verwalter bestellt werden. § 56b Abs. 1 InsO-E bestimmt, dass die Insolvenzgerichte sich in dieser Frage
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Graf-Schlicker/Bornemann
RegE § 56b
Verwalterbestellung bei Schuldnern derselben Unternehmensgruppe
der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes. (3) 1Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. 2Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. 3Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend. 1
Die Änderungen in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 waren notwendig, um die Regelungen zur Verwalterbestellung und zur Zusammenarbeit unter Verwaltern in §§ 56a, 56b, 269a InsO-E in diese Norm einzubeziehen.
§ 56b Verwalterbestellung bei Schuldnern derselben Unternehmensgruppe (1) 1Wird über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, so haben die angegangenen Insolvenzgerichte sich darüber abzustimmen, ob es im Interesse der Gläubiger liegt, lediglich eine Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen. 2Bei der Abstimmung ist insbesondere zu erörtern, ob diese Person alle Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner mit der gebotenen Unabhängigkeit wahrnehmen kann und ob mögliche Interessenkonflikte durch die Bestellung von Sonderinsolvenzverwaltern ausgeräumt werden können. (2) 1Von dem Vorschlag oder den Vorgaben eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a kann das Gericht abweichen, wenn der für einen anderen gruppenangehörigen Schuldner bestellte vorläufige Gläubigerausschuss eine andere Person einstimmig vorschlägt, die sich für eine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 eignet. 2Vor der Bestellung dieser Person ist der vorläufige Gläubigerausschuss anzuhören. 3Ist zur Auflösung von Interessenkonflikten ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, findet § 56a entsprechende Anwendung. Übersicht
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I.
Normzweck ........................................... 1
I.
Normzweck
II. Auswahl des Verwalters ...................... 2
Die Norm regelt die Verwalterbestellung im Kontext der Insolvenz gruppenverbundener Unternehmen. Sie soll insbesondere eine einheitliche Verwalterbestellung in allen Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner ermöglichen. II. Auswahl des Verwalters
2
Der Gesetzentwurf legt nicht fest, wie viele Verwalter zur Bewältigung der Insolvenz gruppenverbundener Unternehmen zu bestellen sind. Es obliegt vielmehr den Insolvenzgerichten, bei denen Insolvenzverfahren über gruppenangehörige Schuldner geführt werden, zu entscheiden, ob ein oder mehrere Verwalter bestellt werden. § 56b Abs. 1 InsO-E bestimmt, dass die Insolvenzgerichte sich in dieser Frage
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Graf-Schlicker/Bornemann
§ 269a RegE
Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter
abzustimmen haben. Maßstab für die Entscheidung der Gerichte ist zum einen das Interesse der Gläubiger, eine bestmögliche Befriedigung ihrer Forderungen zu erhalten, zum anderen, ob die Unabhängigkeit des Verwalters gewahrt wird. Die Bestellung eines Verwalters für alle gruppenangehörigen insolventen Schuldner kommt daher nicht in Betracht, wenn gruppeninterne Interessenkonflikte vorliegen und diese nicht durch die Bestellung von Sonderinsolvenzverwaltern gelöst werden können. Sonderinsolvenzverwalter sollten jedoch nicht in solchem Umfang bestellt werden müssen, dass dies außer Verhältnis zu den Vorteilen einer einheitlichen Verwalterbestellung steht.1) Auf die Bestellung von Sonderinsolvenzverwaltern findet gemäß § 56b Abs. 2 Satz 3 InsO-E die Vorschrift des § 56a entsprechende Anwendung, die Gläubigerbeteiligung ist also in gleicher Weise vorzunehmen, wie bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters in nicht gruppenverbunden Unternehmen.2) Sind die einzelnen gruppenverbundenen Schuldnerunternehmen in unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig, ist die Frage zu prüfen, ob durch die Bestellung nur eines Verwalters das notwendige Kriterium der Sachkunde erfüllt werden kann.3)
3
Für die Gläubigerbeteiligung im Gruppenkontext sieht § 56b Abs. 2 InsO-E ergänzende Regelungen zur Gläubigerbeteiligung vor, um den Besonderheiten solcher Verfahren Rechnung zu tragen. Grundsätzlich gilt auch in Eröffnungsverfahren, die gruppenangehörige Schuldner betreffenden, § 56a InsO. Haben die vorläufigen Gläubigerausschüsse in den jeweiligen Verfahren jedoch einstimmig verschiedene geeignete Personen als Verwalter vorgeschlagen oder machen sie unterschiedliche Vorgaben, wäre eine einheitliche Verwalterbestellung trotz damit verbundener Vorteile für die Gläubigerschaft nicht möglich. Deshalb sieht § 56b Abs. 2 Satz 1 InsO-E vor, dass das Gericht von dem Vorschlag oder den Vorgaben des von ihm eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses abweichen kann, wenn der vorläufige Gläubigerausschuss eines anderen gruppenangehörigen Schuldners einstimmig eine geeignete andere Person als Verwalter vorschlägt. Vor der Bestellung dieser Person ist der vorläufige Gläubigerausschuss, dessen Vorschlag oder Vorgaben das Gericht nicht übernimmt, anzuhören.
4
_____________ 1) 2) 3)
BT-Drucks. 18/407, S. 30. BT-Drucks. 18/407, S. 31. BT-Drucks. 18/407, S. 30.
§ 269a Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter 1 Die Insolvenzverwalter gruppenangehöriger Schuldner sind untereinander zur Unterrichtung und Zusammenarbeit verpflichtet, soweit hierdurch nicht die Interessen der Beteiligten des Verfahrens beeinträchtigt werden, für das sie bestellt sind. 2Insbesondere haben sie auf Anforderung unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können.
Graf-Schlicker/Bornemann
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§ 269a RegE
Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter
abzustimmen haben. Maßstab für die Entscheidung der Gerichte ist zum einen das Interesse der Gläubiger, eine bestmögliche Befriedigung ihrer Forderungen zu erhalten, zum anderen, ob die Unabhängigkeit des Verwalters gewahrt wird. Die Bestellung eines Verwalters für alle gruppenangehörigen insolventen Schuldner kommt daher nicht in Betracht, wenn gruppeninterne Interessenkonflikte vorliegen und diese nicht durch die Bestellung von Sonderinsolvenzverwaltern gelöst werden können. Sonderinsolvenzverwalter sollten jedoch nicht in solchem Umfang bestellt werden müssen, dass dies außer Verhältnis zu den Vorteilen einer einheitlichen Verwalterbestellung steht.1) Auf die Bestellung von Sonderinsolvenzverwaltern findet gemäß § 56b Abs. 2 Satz 3 InsO-E die Vorschrift des § 56a entsprechende Anwendung, die Gläubigerbeteiligung ist also in gleicher Weise vorzunehmen, wie bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters in nicht gruppenverbunden Unternehmen.2) Sind die einzelnen gruppenverbundenen Schuldnerunternehmen in unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig, ist die Frage zu prüfen, ob durch die Bestellung nur eines Verwalters das notwendige Kriterium der Sachkunde erfüllt werden kann.3)
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Für die Gläubigerbeteiligung im Gruppenkontext sieht § 56b Abs. 2 InsO-E ergänzende Regelungen zur Gläubigerbeteiligung vor, um den Besonderheiten solcher Verfahren Rechnung zu tragen. Grundsätzlich gilt auch in Eröffnungsverfahren, die gruppenangehörige Schuldner betreffenden, § 56a InsO. Haben die vorläufigen Gläubigerausschüsse in den jeweiligen Verfahren jedoch einstimmig verschiedene geeignete Personen als Verwalter vorgeschlagen oder machen sie unterschiedliche Vorgaben, wäre eine einheitliche Verwalterbestellung trotz damit verbundener Vorteile für die Gläubigerschaft nicht möglich. Deshalb sieht § 56b Abs. 2 Satz 1 InsO-E vor, dass das Gericht von dem Vorschlag oder den Vorgaben des von ihm eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses abweichen kann, wenn der vorläufige Gläubigerausschuss eines anderen gruppenangehörigen Schuldners einstimmig eine geeignete andere Person als Verwalter vorschlägt. Vor der Bestellung dieser Person ist der vorläufige Gläubigerausschuss, dessen Vorschlag oder Vorgaben das Gericht nicht übernimmt, anzuhören.
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_____________ 1) 2) 3)
BT-Drucks. 18/407, S. 30. BT-Drucks. 18/407, S. 31. BT-Drucks. 18/407, S. 30.
§ 269a Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter 1 Die Insolvenzverwalter gruppenangehöriger Schuldner sind untereinander zur Unterrichtung und Zusammenarbeit verpflichtet, soweit hierdurch nicht die Interessen der Beteiligten des Verfahrens beeinträchtigt werden, für das sie bestellt sind. 2Insbesondere haben sie auf Anforderung unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können.
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RegE § 269a
Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter Übersicht
I. Überblick .............................................. 1 II. Grundlage, Inhalt und Grenzen der Pflicht zur Zusammenarbeit ........ 2 III. Unterrichtung und Zusammenarbeit ...................................................... 5
I. 1
IV. Kooperationspflichten des eigenverwaltenden Schuldners (§ 270d InsO-E) .................................... 8
Überblick
In den Fällen, in denen eine einheitliche Verwalterbestellung nach § 56b InsO-E scheitert und damit die Notwendigkeit einer Abstimmung zwischen den Verwaltern (fort-)besteht, legt § 269a InsO-E den eingesetzten Verwaltern eine Pflicht zur Zusammenarbeit auf. II. Grundlage, Inhalt und Grenzen der Pflicht zur Zusammenarbeit
2
Die durch § 269a InsO-E den Verwaltern auferlegte Pflicht kommt zum Tragen, wenn die gruppenangehörigen Unternehmen derart in den Gruppenverband eingebunden sind, dass sich ihr voller Wert nur im Zusammenwirken mit den anderen Gruppengliedern realisieren lässt. Unter dieser Voraussetzung können die Verwalter den an die Gläubiger verteilbaren Unternehmenswert nur dann maximieren, wenn sie entsprechend zusammenarbeiten.1) Eine Pflicht zu solcher Zusammenarbeit lässt sich im geltenden Recht bereits aus § 1 Satz 1 InsO ableiten;2) insoweit hat § 269a InsO-E klarstellenden Charakter.
3
Die Kooperationspflicht des § 269a InsO-E verpflichtet die Beteiligten nicht zur Aufopferung. Ein Verwalter ist insbesondere nicht verpflichtet, in Maßnahmen einzuwilligen oder Informationen herauszugeben, die zwar den Nutzen für die Unternehmensgruppe mehren, aber auf der Ebene der verwalteten Masse zu unkompensiert bleibenden Nachteilen führt. Eine Kooperationspflicht trifft den Verwalter daher nur in den Fällen, in denen ein etwaiger Nachteil für die von ihm verwaltete Masse – ggf. durch Ausgleichsleistungen – kompensiert wird, d. h. dann, wenn die in Betracht gezogene Kooperationslösung dem Kriterium der Pareto-Effizienz genügt.3) Der Verwalter bleibt daher uneingeschränkt den Interessen der Beteiligten „seines“ Verfahrens verpflichtet.
4
Der Inhalt der Kooperationspflicht ist in den Fällen „leer“, in denen die der Vorschrift zugrunde gelegte Annahme der organisatorischen, leistungs- oder finanzwirtschaftlichen Integration der Unternehmensgruppe nicht erfüllt ist, so z. B. wenn Schuldner zwar einer Unternehmensgruppe angehören, dabei jedoch organisatorisch sowie finanz- und leistungswirtschaftlich derart selbständig sind, dass die Gruppenzugehörigkeit für die Bestimmung des (jeweiligen) Unternehmenswerts irrelevant ist.
_____________ 1) 2) 3)
BT-Drucks. 18/407, S. 29. Eingehend Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 550 ff. Vgl. die grundlegenden Ausführungen von Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 535 ff.
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Graf-Schlicker/Bornemann
§ 269b RegE
Zusammenarbeit der Gerichte
III. Unterrichtung und Zusammenarbeit § 269a InsO-E verpflichtet die Verwalter zur Unterrichtung und Zusammenarbeit. Die Unterrichtung stellt dabei einen (allerdings besonders wichtigen) Unterfall der Zusammenarbeit dar. Auch insoweit gilt also, dass ein Verwalter nicht zu Maßnahmen verpflichtet ist, die sich zum Nachteil der verwalteten Masse auswirken. Insbesondere ist ein Verwalter nicht verpflichtet, Auskünfte über Rechtsverhältnisse zu geben, die zwischen ihm und den Verwaltern anderer Massen – etwa mit Blick auf mögliche Anfechtungsklagen – streitig sind. Auch ist kein Verwalter verpflichtet, Informationen zu beschaffen, wenn dies mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, der von dem die Information ersuchenden Verwalter nicht kompensiert wird.
5
Praktisch relevant werden kann die Unterrichtungspflicht in Bezug auf alle Umstände, die i. R. der Planung, Gestaltung und Durchführung der Verfahren über andere gruppenangehörige Unternehmen Bedeutung erlangen können. Dies trifft bereits auf die zu Beginn des Verfahrens notwendige Entscheidung zu, ob eine Einstellung des Betriebs oder eine Sanierung angestrebt wird.4) Je stärker die organisatorische sowie die leistungs- und finanzwirtschaftliche Integration der gruppenangehörigen Unternehmen ausgeprägt sind, desto dringlicher wird jedenfalls im Sanierungsfall die Notwendigkeit eines Informationsaustausches.
6
Über die gegenseitige Unterrichtung hinaus kann § 269a InsO-E auch zur Vornahme konkreter Maßnahmen, etwa zur Kooperation bei der Implementierung einer für alle beteiligten Unternehmen vorteilhaften Sanierungsstrategie verpflichten.5)
7
IV. Kooperationspflichten des eigenverwaltenden Schuldners (§ 270d InsO-E) Nach § 270d InsO-E unterliegt auch das eigenverwaltende gruppenangehörige Unternehmen den Kooperationspflichten des § 269a InsO-E in dem Umfang, in dem ein Insolvenzverwalter diesen Pflichten unterliegen würde. _____________ 4) 5)
BT-Drucks. 18/407, S. 29. Zu Art und Formen der Zusammenarbeit s. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 533 ff, 551 ff.
§ 269b Zusammenarbeit der Gerichte 1 Werden die Insolvenzverfahren über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern bei verschiedenen Insolvenzgerichten geführt, sind die Gerichte zur Zusammenarbeit und insbesondere zum Austausch der Informationen verpflichtet, die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können. 2
Dies gilt insbesondere für:
1.
die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen,
2.
die Eröffnung des Verfahrens,
3.
die Bestellung eines Insolvenzverwalters,
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8
§ 269b RegE
Zusammenarbeit der Gerichte
III. Unterrichtung und Zusammenarbeit § 269a InsO-E verpflichtet die Verwalter zur Unterrichtung und Zusammenarbeit. Die Unterrichtung stellt dabei einen (allerdings besonders wichtigen) Unterfall der Zusammenarbeit dar. Auch insoweit gilt also, dass ein Verwalter nicht zu Maßnahmen verpflichtet ist, die sich zum Nachteil der verwalteten Masse auswirken. Insbesondere ist ein Verwalter nicht verpflichtet, Auskünfte über Rechtsverhältnisse zu geben, die zwischen ihm und den Verwaltern anderer Massen – etwa mit Blick auf mögliche Anfechtungsklagen – streitig sind. Auch ist kein Verwalter verpflichtet, Informationen zu beschaffen, wenn dies mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, der von dem die Information ersuchenden Verwalter nicht kompensiert wird.
5
Praktisch relevant werden kann die Unterrichtungspflicht in Bezug auf alle Umstände, die i. R. der Planung, Gestaltung und Durchführung der Verfahren über andere gruppenangehörige Unternehmen Bedeutung erlangen können. Dies trifft bereits auf die zu Beginn des Verfahrens notwendige Entscheidung zu, ob eine Einstellung des Betriebs oder eine Sanierung angestrebt wird.4) Je stärker die organisatorische sowie die leistungs- und finanzwirtschaftliche Integration der gruppenangehörigen Unternehmen ausgeprägt sind, desto dringlicher wird jedenfalls im Sanierungsfall die Notwendigkeit eines Informationsaustausches.
6
Über die gegenseitige Unterrichtung hinaus kann § 269a InsO-E auch zur Vornahme konkreter Maßnahmen, etwa zur Kooperation bei der Implementierung einer für alle beteiligten Unternehmen vorteilhaften Sanierungsstrategie verpflichten.5)
7
IV. Kooperationspflichten des eigenverwaltenden Schuldners (§ 270d InsO-E) Nach § 270d InsO-E unterliegt auch das eigenverwaltende gruppenangehörige Unternehmen den Kooperationspflichten des § 269a InsO-E in dem Umfang, in dem ein Insolvenzverwalter diesen Pflichten unterliegen würde. _____________ 4) 5)
BT-Drucks. 18/407, S. 29. Zu Art und Formen der Zusammenarbeit s. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 533 ff, 551 ff.
§ 269b Zusammenarbeit der Gerichte 1 Werden die Insolvenzverfahren über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern bei verschiedenen Insolvenzgerichten geführt, sind die Gerichte zur Zusammenarbeit und insbesondere zum Austausch der Informationen verpflichtet, die für das andere Verfahren von Bedeutung sein können. 2
Dies gilt insbesondere für:
1.
die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen,
2.
die Eröffnung des Verfahrens,
3.
die Bestellung eines Insolvenzverwalters,
Graf-Schlicker/Bornemann
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8
RegE § 269b 4.
Zusammenarbeit der Gerichte
wesentliche verfahrensleitende Entscheidungen,
5.
den Umfang der Insolvenzmasse und
6.
die Vorlage von Insolvenzplänen sowie sonstige Maßnahmen zur Beendigung des Insolvenzverfahrens.
1
In den Fällen, in denen eine Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit an einem Gruppen-Gerichtsstand (§§ 3a ff InsO-E) nicht (vollständig) gelingt, besteht das Bedürfnis nach einer Abstimmung der Verfahrensführung durch die befassten Insolvenzgerichte. Denn soweit eine Lösung für die gesamte Gruppe oder wesentliche Teile der Gruppe angestrebt wird, ist es nicht nur erforderlich, dass die Verwalter ihr Handeln aufeinander abstimmen (§§ 56b, 269a InsO-E), sondern ebenfalls die Insolvenzgerichte.1)
2
Auch wenn § 269b InsO-E Zusammenarbeitspflichten statuiert, dürften in der Praxis vor allem die möglichkeitserweiternden Funktionen der Vorschrift zum Tragen kommen. Denn nach geltendem Recht kann bereits die Zulässigkeit von Maßnahmen der Zusammenarbeit, insbesondere der Weitergabe von Informationen – etwa mit Blick auf datenschutzrechtliche Anforderungen – zweifelhaft sein und damit die Gerichte von der an sich gebotenen Zusammenarbeit abhalten.2) Diese Zweifel werden durch § 269b InsO beseitigt.3)
3
Wie auch bei der Kooperation auf der Ebene der Verwalter liegt ein praktischer Schwerpunkt der Zusammenarbeit beim Austausch von Informationen. Der Informationsaustausch versetzt die Gerichte in die Lage, die Wirkungen von Entscheidung auf die Gesamtheit der Beteiligten in den verschiedenen Verfahren für die gruppenangehörigen Schuldner und auf eine konzernbezogene Sanierungs- oder Liquidationsstrategie abzuschätzen. Über eine Pflicht zum Informationsaustausch kann auch eine weitergehende Pflicht zur Zusammenarbeit bestehen, etwa zur Abstimmung des Inhalts von Anordnungen und Entscheidungen wie z. B. über Sicherungsmaßnahmen, die Bestellung des Insolvenzverwalters (vgl. § 56b InsO-E) und die Vorlage von Insolvenzplänen (§ 269b Satz 2 InsO-E).
4
Nicht Gegenstand der Pflicht zur Zusammenarbeit nach § 269b InsO-E sind Maßnahmen und Verfahrenshandlungen, welche den Zielen des bei diesem Gericht geführten Insolvenzverfahrens zuwiderlaufen.4) Insbesondere darf eine Informationsweitergabe oder eine Abstimmung durch das Gericht nicht dazu führen, dass die Gläubiger in dem bei diesem Gericht geführten Verfahren Nachteile erleiden.
_____________ 1) 2) 3) 4)
BT-Drucks. 18/407, S. 33. BT-Drucks. 18/407, S. 33. Vgl. die Funktion des § 348 Abs. 2. BT-Drucks. 18/407, S. 33.
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Graf-Schlicker/Bornemann
§ 269c RegE
Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse
§ 269c Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse (1) Auf Antrag eines Gläubigerausschusses, der in einem Verfahren über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners bestellt ist, kann das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands nach Anhörung der anderen Gläubigerausschüsse einen Gruppen-Gläubigerausschuss einsetzen, in dem die Gläubigerausschüsse der gruppenangehörigen Schuldner, die nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung für die gesamte Unternehmensgruppe sind, durch jeweils eine Person vertreten sind. (2) 1Der Gruppen-Gläubigerausschuss unterstützt die Insolvenzverwalter und die Gläubigerausschüsse in den einzelnen Verfahren, um eine abgestimmte Abwicklung dieser Verfahren zu erleichtern. 2Die §§ 70 bis 73 gelten entsprechend. 3Hinsichtlich der Vergütung gilt die Tätigkeit als Mitglied im Gruppen-Gläubigerausschuss als Tätigkeit in dem Gläubigerausschuss, den das Mitglied im Gruppen-Gläubigerausschuss vertritt. (3) Dem Gläubigerausschuss steht in den Fällen der Absätze 1 und 2 ein vorläufiger Gläubigerausschuss gleich. Übersicht I. Normzweck; Überblick ....................... 1 II. Einsetzung und Zusammensetzung des GruppenGläubigerausschusses .......................... 2
I.
III. Aufgaben und Rechtsstellung des Gruppen-Gläubigerausschusses ......... 6
Normzweck; Überblick
Der nach § 269c InsO-E zu bildende Gruppen-Gläubigerausschuss gewährleistet eine institutionalisierte Vertretung der Gläubiger auf Gruppenebene. Diese ermöglicht den Verwaltern der gruppenangehörigen Unternehmen eine frühzeitige Abstimmung ihrer Strategien mit der Gläubigerseite. Sie hält die Verwalter auch dazu an, ihre Koordinationsbemühungen am Interesse der gesamten Gläubigerschaft auszurichten.1) Insoweit nimmt der Gruppen-Gläubigerausschuss – auch wenn er sich aus Vertretern der einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüssen zusammensetzt – das Interesse aller Gläubiger der Unternehmensgruppe wahr.2)
1
II. Einsetzung und Zusammensetzung des Gruppen-Gläubigerausschusses Die Bestellung des Gruppen-Gläubigerausschusses kann nur auf Antrag eines vorläufigen Gläubigerausschusses (Abs. 3) oder Gläubigerausschusses (Abs. 1) erfolgen. Auch setzt sich der Gruppen-Gläubigerausschuss aus Mitgliedern der vorläufigen und endgültigen Gläubigerausschüsse zusammen. Die Gleichstellung von vorläufigen und endgültigen Gläubigerausschüssen trägt dem Umstand Rechnung, dass es in den seltensten Fällen zu einer simultanen Eröffnung und parallelen Führung der Verfahren über die einzelnen gruppenangehörigen Unternehmen kommt. Aus Praktikabilitätsgründen ist es deshalb zweckmäßig, sämtliche Gläubigervertretungen zu berücksichtigen, auch wenn sich deren Legitimationsgrundlagen unterscheiden. _____________ 1) 2)
Vgl. BT-Drucks. 18/407, S. 34 – Absehen von aus Gesamtgläubigersicht unproduktiven Streitigkeiten über Intragruppentransaktionen. BT-Drucks. 18/407, S. 34.
Graf-Schlicker/Bornemann
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2
RegE § 269c
Zusammenarbeit der Gläubigerausschüsse
Daraus folgt aber auch, dass in der zu dem Zweck der Institutionalisierung einer Gläubigervertretung auf Gruppenebene erfolgenden Gleichstellung keine verallgemeinerungsfähige Regelung gesehen werden kann.3) 3
Die Entscheidung über die Einsetzung des Ausschusses, der in beiden Fällen als Gruppen-Gläubigerausschuss bezeichnet wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, das bei Ausübung seines Ermessens den voraussichtlichen Aufwand und Nutzen eines solchen Ausschusses sowie etwaige Äußerungen anderer (vorläufiger) Gläubigerausschüsse berücksichtigt.4)
4
Die (vorläufigen) Gläubigerausschüsse derjenigen gruppenangehörigen Unternehmen, die nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung für die Gruppe sind, werden im Gruppen-Gläubigerausschuss durch jeweils eine Person vertreten, d. h. jedes dieser Unternehmen entsendet ein Mitglied in den Gruppen-Gläubigerausschuss. Eine Gewichtung nach Größe und Bedeutung des entsendenden Unternehmens findet mit Rücksicht auf die zu bewahrende Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Gruppen-Gläubigerausschusses nicht statt.
5
Bei der Beschlussfassung über die Bestellung des Gruppen-Gläubigerausschusses entscheidet das Gericht zugleich auch über dessen konkrete Besetzung. Besetzungsvorschläge können die einzelnen (vorläufigen) Gläubigerausschüsse im Rahmen ihrer Antragstellung oder Anhörung nach Absatz 1 Satz 1 machen. Das Insolvenzgericht kann bei der Entscheidung, ob es solchen Vorschlägen folgt, berücksichtigen, dass die Akzeptanz des Gruppen-Gläubigerausschusses und seiner Tätigkeit bei allen Gläubigern häufig davon abhängen wird, dass möglichst alle Gläubigergruppen in ihm repräsentiert sind. III. Aufgaben und Rechtsstellung des Gruppen-Gläubigerausschusses
6
Der Gruppen-Gläubigerausschuss vermittelt zwischen den Insolvenzverwaltern und den (vorläufigen) Gläubigerausschüssen in den einzelnen Verfahren und bringt damit das Gläubigerinteresse im Bemühen um eine abgestimmte Insolvenzabwicklung auf Gruppenebene zur Geltung (Abs. 2 Satz 1). Wird zur Erleichterung der Verfahrenskoordinierung ein Koordinationsverfahren nach den §§ 269d ff InsO-E eingeleitet, kommt der Gruppen-Gläubigerausschuss dieser Aufgabe auch im Verhältnis zum Koordinationsverwalter nach.5) In diesen Fällen wird der Ausschuss auch bei der Bestellung des Koordinationsverwalters (§ 269e Abs. 2 InsO-E) sowie bei der Erarbeitung des Koordinationsplans (§ 269h Abs. 2 InsO-E) eingebunden.
7
Beschlüsse fasst der Gruppen-Gläubigerausschuss mit einfacher Mehrheit, sofern die Mehrheit der Mitglieder an der Abstimmung teilnimmt (Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 72). Auch im Übrigen gelten die allgemeinen Bestimmungen zum Gläubigerausschuss in den §§ 70 – 73 betreffend die Entlassung, Haftung und Vergütung der Mitglieder auch für den Gruppen-Gläubigerausschuss (Abs. 2 Satz 2). Vergütungsrechtlich ist die Tätigkeit der in den Gruppen-Gläubigerausschuss entsandten Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschüsse der einzelnen gruppenangehörigen _____________ 3) 4) 5)
BT-Drucks. 18/407, S. 34. BT-Drucks. 18/407, S. 34. BT-Drucks. 18/407, S. 34.
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Graf-Schlicker/Bornemann
§ 269d RegE
Koordinationsgericht
Unternehmen als Tätigkeit i. R. des entsendenden (vorläufigen) Gläubigerausschusses zu behandeln (Abs. 2 Satz 3). Die Frage, ob eine Pflicht von (vorläufigen) Gläubigerausschüssen zur Zusammenarbeit besteht, wird mit der Regelung in § 269c InsO-E nicht entschieden.6) Erst recht unentschieden bleibt damit die Frage nach der Begründbarkeit von Kooperationspflichten zwischen den Gläubigern unterschiedlicher gruppenangehöriger Unternehmen.
8
_____________ 6)
BT-Drucks. 18/407, S. 35.
§ 269d Koordinationsgericht (1) Wird über die Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern die Eröffnung von Insolvenzverfahren beantragt oder wurden solche Verfahren eröffnet, kann das für die Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren zuständige Gericht (Koordinationsgericht) auf Antrag ein Koordinationsverfahren einleiten. (2) 1Antragsberechtigt ist jeder gruppenangehörige Schuldner. 2§ 3a Absatz 3 findet entsprechende Anwendung. 3Antragsberechtigt ist auch jeder Gläubigerausschuss oder vorläufige Gläubigerausschuss eines gruppenangehörigen Schuldners auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses. Übersicht I.
Funktion des Koordinationsverfahrens; Überblick .......................... 1
II. Koordinationsgerichtsstand (Abs. 1) .................................................. 4 III. Antragsberechtigung (Abs. 2) ............ 5
I.
Funktion des Koordinationsverfahrens; Überblick
Die Koordination der Verfahren über gruppenangehörige Unternehmen und die zu diesem Zwecke erforderliche Kooperation der jeweils bestellten Verwalter kann auf eine Vielzahl von Schwierigkeiten stoßen, die den Koordinationserfolg gefährden.1) Die Koordinationspflichten der §§ 269a/b InsO-E halten die Verwalter und Gerichte zwar zur Zusammenarbeit an. Die Komplexität und Interdependenz der Sachverhaltslagen sowie der Umstand, dass die Tragfähigkeit von Kooperationslösungen von der tatsächlichen Kooperation der Beteiligten abhängt, bringen es aber mit sich, dass sich diese Pflichten nur selten unmittelbar in dem erforderlichen zeitlichen Rahmen effektiv durchsetzen lassen. Das Koordinationsverfahren soll hier Abhilfe schaffen, indem es einen verfahrensrechtlichen Rahmen für die Bestellung eines sog. Koordinationsverwalters schafft (§ 269e InsO-E), dem die Aufgabe zukommt, in eigener Verantwortung, aber in Abstimmung mit den Einzelverwaltern eine Lösung für eine gruppenweite Sanierungslösung zu erarbeiten (§§ 269f ff InsO-E). Hierdurch wird der Koordinationsprozess strukturiert und _____________ 1)
Zu den Ausprägungen (und möglichen Ursachen) eines „Kooperationsversagens“ s. Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 534 f.
Graf-Schlicker/Bornemann
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1
§ 269d RegE
Koordinationsgericht
Unternehmen als Tätigkeit i. R. des entsendenden (vorläufigen) Gläubigerausschusses zu behandeln (Abs. 2 Satz 3). Die Frage, ob eine Pflicht von (vorläufigen) Gläubigerausschüssen zur Zusammenarbeit besteht, wird mit der Regelung in § 269c InsO-E nicht entschieden.6) Erst recht unentschieden bleibt damit die Frage nach der Begründbarkeit von Kooperationspflichten zwischen den Gläubigern unterschiedlicher gruppenangehöriger Unternehmen.
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_____________ 6)
BT-Drucks. 18/407, S. 35.
§ 269d Koordinationsgericht (1) Wird über die Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern die Eröffnung von Insolvenzverfahren beantragt oder wurden solche Verfahren eröffnet, kann das für die Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren zuständige Gericht (Koordinationsgericht) auf Antrag ein Koordinationsverfahren einleiten. (2) 1Antragsberechtigt ist jeder gruppenangehörige Schuldner. 2§ 3a Absatz 3 findet entsprechende Anwendung. 3Antragsberechtigt ist auch jeder Gläubigerausschuss oder vorläufige Gläubigerausschuss eines gruppenangehörigen Schuldners auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses. Übersicht I.
Funktion des Koordinationsverfahrens; Überblick .......................... 1
II. Koordinationsgerichtsstand (Abs. 1) .................................................. 4 III. Antragsberechtigung (Abs. 2) ............ 5
I.
Funktion des Koordinationsverfahrens; Überblick
Die Koordination der Verfahren über gruppenangehörige Unternehmen und die zu diesem Zwecke erforderliche Kooperation der jeweils bestellten Verwalter kann auf eine Vielzahl von Schwierigkeiten stoßen, die den Koordinationserfolg gefährden.1) Die Koordinationspflichten der §§ 269a/b InsO-E halten die Verwalter und Gerichte zwar zur Zusammenarbeit an. Die Komplexität und Interdependenz der Sachverhaltslagen sowie der Umstand, dass die Tragfähigkeit von Kooperationslösungen von der tatsächlichen Kooperation der Beteiligten abhängt, bringen es aber mit sich, dass sich diese Pflichten nur selten unmittelbar in dem erforderlichen zeitlichen Rahmen effektiv durchsetzen lassen. Das Koordinationsverfahren soll hier Abhilfe schaffen, indem es einen verfahrensrechtlichen Rahmen für die Bestellung eines sog. Koordinationsverwalters schafft (§ 269e InsO-E), dem die Aufgabe zukommt, in eigener Verantwortung, aber in Abstimmung mit den Einzelverwaltern eine Lösung für eine gruppenweite Sanierungslösung zu erarbeiten (§§ 269f ff InsO-E). Hierdurch wird der Koordinationsprozess strukturiert und _____________ 1)
Zu den Ausprägungen (und möglichen Ursachen) eines „Kooperationsversagens“ s. Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 534 f.
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RegE § 269d
Koordinationsgericht
von Doppelungen sowie unproduktiver, weil strategisch motivierter Konkurrenz der Verwalter entlastet. 2
Zugleich bewahrt das Koordinationsverfahren die grundsätzliche Autonomie der Einzelverfahren: die vom Koordinationsverwalter – vor allem in Gestalt eines Koordinationsplans nach § 269h InsO-E – vorgelegten Konzepte sind für die einbezogenen Einzelverfahren nicht verbindlich, sondern müssen in deren jeweiligen Rahmen umgesetzt werden. Insbesondere erfolgt die Umsetzung eines Koordinationsplans durch Insolvenzpläne, die in den jeweiligen Einzelverfahren nach allgemeinen Regeln zur Abstimmung zu bringen und gerichtlich zu bestätigen sind. Insgesamt verspricht das Koordinationsverfahren damit die Vorteile einer Verfahrenskonsolidierung, ohne die Nebenwirkungen und Nachteile einer materiellen Konsolidierung der Haftungsmassen in Kauf nehmen zu müssen.
3
Die Entwurfsbestimmung findet auf europäischer Ebene ihre Parallele im Vorschlag des Europäischen Parlaments für ein Koordinationsverfahren zur Bewältigung (EU-)grenzüberschreitender Konzerninsolvenzen. Im Rahmen der ersten Lesung des Kommissionsvorschlags für eine Verordnung zur Änderung der Europäischen Insolvenzverordnung hat das Europäische Parlament die Einfügung neuer Art. 42d ff EuInsVO-E vorgeschlagen, welche die Möglichkeit für die Bestellung eines Koordinators (Coordinator) ermöglichen sollen, dessen Aufgabe es ist, integrierte Lösungen für die Bewältigung der Konzerninsolvenz zu erarbeiten (Art. 42d Abs. 1 EuInsVO-E).2) Mit diesem Vorschlag reagiert das Europäische Parlament auf den Kommissionsvorschlag, der sich darauf verlegt, den Verwaltern der Einzelverfahren wechselseitig Mitwirkungsrechte in den jeweils anderen Verfahren zu gewähren. Da diese Mitwirkungsrechte so weit gehen, dass sie das Recht zur Erwirkung einer Aussetzung anderer Verfahren einschließen (Art. 42d Abs. 1 EuInsVO-E), birgt der Kommissionsvorschlag die Gefahr einer strategisch motivierten wechselseitigen Blockade der Einzelverfahren, die durch ein Koordinationsverfahren vermieden werden kann. II. Koordinationsgerichtsstand (Abs. 1)
4
Das Koordinationsverfahren ist am Gericht des Gruppen-Gerichtsstands (§ 3a InsO-E) einzuleiten. Gegebenenfalls muss daher der Antrag auf Einleitung des Verfahrens mit einem Antrag auf Begründung des Gruppen-Gerichtsstands verbunden werden. III. Antragsberechtigung (Abs. 2)
5
Antragsberechtigt ist jeder gruppenangehörige Schuldner und, nach Maßgabe des § 3a Abs. 3 InsO-E, der Verwalter bzw. der vorläufige „starke“ Verwalter. (Vorläufige) Gläubigerausschüsse sind ebenfalls antragsberechtigt, sofern ihrem Antrag ein einstimmiger Beschluss zugrunde liegt.
_____________ 2)
Näher Reumers, ECFR 2013, 554, 584 ff.
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Graf-Schlicker/Bornemann
§ 269e RegE
Koordinationsverwalter
§ 269e Koordinationsverwalter (1) 1Das Koordinationsgericht bestellt eine von den gruppenangehörigen Schuldnern und deren Gläubigern unabhängige Person zum Koordinationsverwalter. 2Die zu bestellende Person soll von den Insolvenzverwaltern und Sachwaltern der gruppenangehörigen Schuldner unabhängig sein. 3Die Bestellung eines gruppenangehörigen Schuldners ist ausgeschlossen. (2) Vor der Bestellung des Koordinationsverwalters gibt das Koordinationsgericht einem bestellten Gruppen-Gläubigerausschuss Gelegenheit, sich zu der Person des Koordinationsverwalters und den an ihn zu stellenden Anforderungen zu äußern. Übersicht I. Normzweck; Überblick ....................... 1 II. Unabhängigkeit des Koordinationsverwalters (Abs. 1) ......................... 2
I.
III. Gläubigerbeteiligung (Abs. 2) ............ 4
Normzweck; Überblick
Der Koordinationsverwalter ist die zentrale Figur des Koordinationsverfahrens. Er hat, wie es § 269f Abs. 1 Satz 1 InsO-E ausdrückt, „für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner zu sorgen.“ Ihm obliegt es daher, in eigener Verantwortung, aber in Abstimmung mit den einzelnen Verwaltern eine integrierte (Sanierungs-)Lösung für die Unternehmensgruppe oder zumindest für Teile davon zu erarbeiten. Um die Akzeptanz des Koordinationsverwalters und der von ihm erarbeiteten Lösungsvorschläge zu fördern, welche Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung auf der Ebene der Einzelverfahren ist, sieht Absatz 1 vor, dass der Koordinationsverwalter von den gruppenangehörigen Schuldnern sowie den für diese bestellten Insolvenzverwaltern und Sachwaltern unabhängig sein soll. Insbesondere fällt es einer unabhängigen Person leichter, akzeptable Lösungen für Streitigkeiten zwischen den einzelnen Verwaltern zu erarbeiten. Auch ist eine unabhängige Person – anders als etwa ein für ein gruppenangehöriges Unternehmen bestellter Verwalter – gegenüber dem Vorwurf erhaben, unter dem Deckmantel des gemeinsamen Interesses doch nur die Interessen der im Rahmen der Einzelverfahren verwalteten Masse(n) zu verfolgen. Schließlich drohte das dem Koordinationsverwalter gegenüber den einzelnen Verwaltern nach § 269f Abs. 2 InsO-E zustehende Auskunftsrecht leerzulaufen, wenn das Amt von einem Verwalter wahrgenommen würde, welchem gegenüber dem um Auskunft ersuchten Verwalter ein Verweigerungsrecht nach § 269a Satz 1 InsO-E zusteht.
1
II. Unabhängigkeit des Koordinationsverwalters (Abs. 1) Absatz 1 bestimmt, dass der Koordinationsverwalter sowohl von den gruppenangehörigen Unternehmen als auch von den für diese bestellten Verwaltern und Sachwaltern unabhängig sein soll. Da es sich um eine Soll-Vorschrift handelt, sind Ausnahmen denkbar, sofern nach den Umständen des Einzelfalls nicht zu besorgen ist, dass der mit dem Unabhängigkeitserfordernis verfolgte Zweck (Stärkung der Akzeptanz des Koordinationsverwalters, Ausschluss von Interessenkonflikten, Vermeidung der Schwächung der Auskunftsrechte des Koordinationsverwalters, siehe Graf-Schlicker/Bornemann
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2
RegE § 269f
Aufgaben und Rechtsstellung des Koordinationsverwalters
oben Rz. 1) nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder wenn die Bestellung einer unabhängigen Person auch bei Berücksichtigung dieser Zweckerwägungen mit Nachteilen und Kosten verbunden ist, die für die Bestellung eines Verwalters oder Sachwalters sprechen. Insbesondere bei kleineren Unternehmensgruppen kann es sich anbieten, auf einen bereits in die Verhältnisse der Unternehmensgruppe eingearbeiteten Verwalter zurückzugreifen, um den Aufwand und die Kosten der Einbeziehung eines unabhängigen Dritten zu vermeiden. 3
Während für Verwalter und Sachwalter nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ausnahmsweise vom Grundsatz der Unabhängigkeit abgewichen werden kann, ist die Bestellung eines eigenverwaltenden gruppenangehörigen Schuldners zum Koordinationsverwalter nach Absatz 1 Satz 3 ausgeschlossen. Dahinter steht die Erwägung, dass ansonsten die Bestellung eines „Koordinationssachwalters“ erforderlich würde, der die Aufgabenwahrnehmung durch den „eigenverwaltenden Koordinationsverwalters“ überwacht. Das damit ins Spiel kommende Erfordernis einer Abstimmung des „eigenverwaltenden Koordinationsverwalter“ mit dem „Koordinationssachwalter“ würde den zeitlichen und sachlichen Erfordernissen der Koordinationsaufgabe nicht gerecht werden und insbesondere die notwendige Flexibilität der Koordinationsverwaltung beschränken. III. Gläubigerbeteiligung (Abs. 2)
4
In Anlehnung an § 56a Abs. 1 sieht Absatz 2 eine Anhörung des GruppenGläubigerausschusses vor der Bestellung des Koordinationsverwalters vor. Nach § 269f Abs. 3 InsO-E gelten die §§ 56 ff entsprechend, so dass ein einstimmiges Votum des Gruppen-Gläubigerausschusses für das Koordinationsgericht verbindlich ist, es sei denn der vorgeschlagene Kandidat ist ungeeignet, insbesondere weil er die gebotene Unabhängigkeit vermissen lässt. Freilich muss das Gericht im zuletzt genannten Fall die besonderen Ausprägungen des Unabhängigkeitsgebots in Absatz 1 berücksichtigen, wonach die Bestellung eines Verwalters oder Sachwalters im Einzelfall in Betracht kommt.
§ 269f Aufgaben und Rechtsstellung des Koordinationsverwalters (1) 1Der Koordinationsverwalter hat für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner zu sorgen, soweit dies im Interesse der Gläubiger liegt. 2Zu diesem Zweck kann er insbesondere einen Koordinationsplan vorlegen. 3Er kann diesen in den jeweiligen Gläubigerversammlungen erläutern oder durch eine von ihm bevollmächtigte Person erläutern lassen. (2) 1Die Insolvenzverwalter und vorläufigen Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner sind zur Zusammenarbeit mit dem Koordinationsverwalter verpflichtet. 2Sie haben ihm auf Aufforderung insbesondere die Informationen mitzuteilen, die er für eine zweckentsprechende Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. (3) Soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Bestellung des Koordinationsverwalters, für die Aufsicht durch das Insolvenzgericht sowie für die
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Graf-Schlicker/Bornemann
RegE § 269f
Aufgaben und Rechtsstellung des Koordinationsverwalters
oben Rz. 1) nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder wenn die Bestellung einer unabhängigen Person auch bei Berücksichtigung dieser Zweckerwägungen mit Nachteilen und Kosten verbunden ist, die für die Bestellung eines Verwalters oder Sachwalters sprechen. Insbesondere bei kleineren Unternehmensgruppen kann es sich anbieten, auf einen bereits in die Verhältnisse der Unternehmensgruppe eingearbeiteten Verwalter zurückzugreifen, um den Aufwand und die Kosten der Einbeziehung eines unabhängigen Dritten zu vermeiden. 3
Während für Verwalter und Sachwalter nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ausnahmsweise vom Grundsatz der Unabhängigkeit abgewichen werden kann, ist die Bestellung eines eigenverwaltenden gruppenangehörigen Schuldners zum Koordinationsverwalter nach Absatz 1 Satz 3 ausgeschlossen. Dahinter steht die Erwägung, dass ansonsten die Bestellung eines „Koordinationssachwalters“ erforderlich würde, der die Aufgabenwahrnehmung durch den „eigenverwaltenden Koordinationsverwalters“ überwacht. Das damit ins Spiel kommende Erfordernis einer Abstimmung des „eigenverwaltenden Koordinationsverwalter“ mit dem „Koordinationssachwalter“ würde den zeitlichen und sachlichen Erfordernissen der Koordinationsaufgabe nicht gerecht werden und insbesondere die notwendige Flexibilität der Koordinationsverwaltung beschränken. III. Gläubigerbeteiligung (Abs. 2)
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In Anlehnung an § 56a Abs. 1 sieht Absatz 2 eine Anhörung des GruppenGläubigerausschusses vor der Bestellung des Koordinationsverwalters vor. Nach § 269f Abs. 3 InsO-E gelten die §§ 56 ff entsprechend, so dass ein einstimmiges Votum des Gruppen-Gläubigerausschusses für das Koordinationsgericht verbindlich ist, es sei denn der vorgeschlagene Kandidat ist ungeeignet, insbesondere weil er die gebotene Unabhängigkeit vermissen lässt. Freilich muss das Gericht im zuletzt genannten Fall die besonderen Ausprägungen des Unabhängigkeitsgebots in Absatz 1 berücksichtigen, wonach die Bestellung eines Verwalters oder Sachwalters im Einzelfall in Betracht kommt.
§ 269f Aufgaben und Rechtsstellung des Koordinationsverwalters (1) 1Der Koordinationsverwalter hat für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner zu sorgen, soweit dies im Interesse der Gläubiger liegt. 2Zu diesem Zweck kann er insbesondere einen Koordinationsplan vorlegen. 3Er kann diesen in den jeweiligen Gläubigerversammlungen erläutern oder durch eine von ihm bevollmächtigte Person erläutern lassen. (2) 1Die Insolvenzverwalter und vorläufigen Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner sind zur Zusammenarbeit mit dem Koordinationsverwalter verpflichtet. 2Sie haben ihm auf Aufforderung insbesondere die Informationen mitzuteilen, die er für eine zweckentsprechende Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. (3) Soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Bestellung des Koordinationsverwalters, für die Aufsicht durch das Insolvenzgericht sowie für die
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Graf-Schlicker/Bornemann
Aufgaben und Rechtsstellung des Koordinationsverwalters
§ 269f RegE
Haftung und Vergütung § 27 Absatz 2 Nummer 5 und die §§ 56 bis 60, 62 bis 65 entsprechend. Übersicht I. Normzweck; Überblick ....................... 1 II. Aufgaben des Koordinationsverwalters (Abs. 1) ............................... 2
I.
III. Auskunftsrechte gegenüber den Verwaltern ............................................ 4 IV. Rechtsstellung ...................................... 7
Normzweck; Überblick
Die Vorschrift legt die Aufgaben und Befugnisse des Koordinationsverwalters fest. Dem Koordinationsverwalter obliegt es hiernach, für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren über die gruppenangehörigen Unternehmen zu sorgen, sofern dies im Interesse der Gläubiger liegt (Abs. 1). Da er diese Aufgabe nur dann in zweckentsprechender Weise wahrnehmen kann, wenn er über die notwendigen Informationen über die gruppenangehörigen Unternehmen und die zwischen diesen bestehenden Rechtsverhältnisse hat, räumt ihm Absatz 2 Auskunftsansprüche gegenüber den Verwaltern der gruppenangehörigen Unternehmen ein. Schließlich regelt Absatz 3 durch Verweisung auf allgemeine Regelungen die Einzelheiten der Bestellung und Beaufsichtigung des Koordinationsverwalters.
1
II. Aufgaben des Koordinationsverwalters (Abs. 1) Aufgabe des Koordinationsverwalters ist es, Perspektiven für eine (Sanierungs-)Lösung für die gesamte Unternehmensgruppe oder Teile davon zu identifizieren, ein zur Umsetzung dieser Lösung geeignetes Konzept auszuarbeiten und mit den einzelnen Verwaltern der gruppenangehörigen Unternehmen sowie dem Gruppen-Gläubigerausschuss abzustimmen. Das nach den Entwurfsbestimmungen idealtypische Instrument für eine solche Sanierungslösung ist der Koordinationsplan (§ 269h InsO-E). Die Tätigkeit des Koordinationsverwalters kann aber auch andere Formen annehmen. Insbesondere kann dem Koordinationsverwalter die Aufgabe zukommen, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Verwaltern (in strategischen Fragen oder aber auch in Bezug auf streitige Rechtsverhältnisse) zu vermitteln1) oder einen Verfahrensmodus für die Kommunikation und Kooperation zwischen den einzelnen Verwaltern festzulegen.2)
2
Die Aufgaben hat der Koordinationsverwalter im Interesse der Gläubiger wahrzunehmen. Daraus folgt, dass nur dann und insoweit Gruppenlösungen in Betracht kommen, wie diese den Gesamtnutzen der Gläubigerschaft der Gruppe mehren. Maßgeblich ist auch insoweit wiederum, dass durch die anvisierte Lösung ein Mehrwert geschaffen werden kann (bzw. ansonsten unvermeidbare Verluste vermieden werden können), ohne dass dies zu Nachteilen für einige Gläubiger führt, die sich nicht durch Ausgleichszahlungen oder –leistungen kompensieren lassen (Pareto-Effizienz). Eine Koordinierung um der Koordinierung willen erlaubt § 269f InsO-E hingegen nicht. Vielmehr muss ein Koordinationsmehrwert zu erwarten sein, der auch nach Abzug der voraussichtlichen Kosten für die Koordinationsverwaltung zur Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung steht. _____________
3
1) 2)
BT-Drucks. 18/407, S. 36; vgl. Art. 42db Abs. 1 Buchst. b EuInsVO-E (EP). Vgl. Art. 42db Abs. 1 Buchst. a EuInsVO-E (EP).
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RegE § 269g
Vergütung des Koordinationsverwalters
III. Auskunftsrechte gegenüber den Verwaltern 4
Perspektiven für eine abgestimmte Abwicklung der Einzelverfahren können nur dann identifiziert werden, wenn die Verhältnisse der betroffenen Unternehmen bekannt sind. Der Koordinationsverwalter ist bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben auf entsprechende Informationen angewiesen. Absatz 2 verpflichtet die Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner deshalb zur Zusammenarbeit mit dem Koordinationsverwalter.
5
Diese Zusammenarbeitspflicht enthält zum einen eine Pflicht der Verwalter zur Erteilung von Auskünften über das jeweilige Verfahren und die Verhältnisse des jeweiligen Schuldners. Anders als im Verhältnis der Verwalter untereinander (§ 269a InsO-E) ist der Auskunftsanspruch nicht durch das Eigeninteresse der verwalteten Masse beschränkt, wenn es sich beim Koordinationsverwalter um eine von den Verwaltern und Sachwaltern verschiedene und unabhängige Person handelt. Denn dann schafft die Auskunftserteilung die Voraussetzung für die Identifizierung von gruppenübergreifenden Lösungen, ohne das Eigeninteresse der verwalteten Masse zu beeinträchtigen. Handelt es sich beim Koordinationsverwalter allerdings um den Verwalter einer oder mehrerer gruppenangehöriger Unternehmen, schlägt die aus § 269a InsO-E folgende Beschränkung des Auskunftsanspruches durch, da in diesem Fall bereits die Auskunftserteilung zu einem Nachteil für die verwaltete Masse führt oder führen kann.
6
Die Pflicht zur Zusammenarbeit kann über die Auskunftserteilung hinausgehen und insbesondere ein Recht des Koordinationsverwalters einschließen, an Gläubigerversammlungen oder Sitzungen der Gläubigerausschüsse teilzunehmen. Grundsätzlich kann der Koordinationsverwalter auch Einblick in Geschäftsunterlagen nehmen oder mit Mitarbeitern des schuldnerischen Unternehmens sprechen. Allerdings kann sich eine Schranke hier daraus ergeben, dass eine mehrfache und unverhältnismäßige Inanspruchnahme der Ressourcen der jeweils in Anspruch genommenen Masse droht. IV. Rechtsstellung
7
Nach dem Vorbild der Bestimmungen zum Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren (§ 274) regelt Absatz 3 die Rechtsstellung des Koordinationsverwalters. Hier wie dort wird auf die allgemeinen Bestimmungen zum Insolvenzverwalter verwiesen. Ausgenommen von der Verweisungskette sind die Bestimmungen zur Insolvenzverwaltervergütung, da § 269g InsO-E eigenständige Regelungen zur Koordinationsverwaltervergütung enthält.
§ 269g Vergütung des Koordinationsverwalters (1) 1Der Koordinationsverwalter hat Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Der Regelsatz der Vergütung wird nach dem Wert der zusammengefassten Insolvenzmassen der in das Koordinationsverfahren einbezogenen Verfahren über gruppenangehörige Schuldner berechnet. 3Dem Umfang und der Schwierigkeit der Koordinationsaufgabe wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. 4Die §§ 64 und 65 gelten entsprechend.
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Graf-Schlicker/Bornemann
RegE § 269g
Vergütung des Koordinationsverwalters
III. Auskunftsrechte gegenüber den Verwaltern 4
Perspektiven für eine abgestimmte Abwicklung der Einzelverfahren können nur dann identifiziert werden, wenn die Verhältnisse der betroffenen Unternehmen bekannt sind. Der Koordinationsverwalter ist bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben auf entsprechende Informationen angewiesen. Absatz 2 verpflichtet die Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner deshalb zur Zusammenarbeit mit dem Koordinationsverwalter.
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Diese Zusammenarbeitspflicht enthält zum einen eine Pflicht der Verwalter zur Erteilung von Auskünften über das jeweilige Verfahren und die Verhältnisse des jeweiligen Schuldners. Anders als im Verhältnis der Verwalter untereinander (§ 269a InsO-E) ist der Auskunftsanspruch nicht durch das Eigeninteresse der verwalteten Masse beschränkt, wenn es sich beim Koordinationsverwalter um eine von den Verwaltern und Sachwaltern verschiedene und unabhängige Person handelt. Denn dann schafft die Auskunftserteilung die Voraussetzung für die Identifizierung von gruppenübergreifenden Lösungen, ohne das Eigeninteresse der verwalteten Masse zu beeinträchtigen. Handelt es sich beim Koordinationsverwalter allerdings um den Verwalter einer oder mehrerer gruppenangehöriger Unternehmen, schlägt die aus § 269a InsO-E folgende Beschränkung des Auskunftsanspruches durch, da in diesem Fall bereits die Auskunftserteilung zu einem Nachteil für die verwaltete Masse führt oder führen kann.
6
Die Pflicht zur Zusammenarbeit kann über die Auskunftserteilung hinausgehen und insbesondere ein Recht des Koordinationsverwalters einschließen, an Gläubigerversammlungen oder Sitzungen der Gläubigerausschüsse teilzunehmen. Grundsätzlich kann der Koordinationsverwalter auch Einblick in Geschäftsunterlagen nehmen oder mit Mitarbeitern des schuldnerischen Unternehmens sprechen. Allerdings kann sich eine Schranke hier daraus ergeben, dass eine mehrfache und unverhältnismäßige Inanspruchnahme der Ressourcen der jeweils in Anspruch genommenen Masse droht. IV. Rechtsstellung
7
Nach dem Vorbild der Bestimmungen zum Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren (§ 274) regelt Absatz 3 die Rechtsstellung des Koordinationsverwalters. Hier wie dort wird auf die allgemeinen Bestimmungen zum Insolvenzverwalter verwiesen. Ausgenommen von der Verweisungskette sind die Bestimmungen zur Insolvenzverwaltervergütung, da § 269g InsO-E eigenständige Regelungen zur Koordinationsverwaltervergütung enthält.
§ 269g Vergütung des Koordinationsverwalters (1) 1Der Koordinationsverwalter hat Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Der Regelsatz der Vergütung wird nach dem Wert der zusammengefassten Insolvenzmassen der in das Koordinationsverfahren einbezogenen Verfahren über gruppenangehörige Schuldner berechnet. 3Dem Umfang und der Schwierigkeit der Koordinationsaufgabe wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. 4Die §§ 64 und 65 gelten entsprechend.
1634
Graf-Schlicker/Bornemann
§ 269h RegE
Koordinationsplan
(2) Die Vergütung des Koordinationsverwalters ist anteilig aus den Insolvenzmassen der gruppenangehörigen Schuldner zu berichtigen, wobei im Zweifel das Verhältnis des Werts der einzelnen Massen zueinander maßgebend ist. Die Vorschrift regelt in Anlehnung an die allgemeinen Bestimmungen zur Verwaltervergütung (§§ 63 ff) die Vergütung des Koordinationsverwalters. Die Vergütung ist – gemäß des gruppenweiten Zuschnitts des Aufgabenbereichs des Koordinationsverwalters – allerdings nach dem Wert der zusammengefassten Insolvenzmassen zu berechnen. Das Nähere zum Regelsatz und zu den Abweichungen ist im Verordnungswege zu regeln.
1
Da die Koordinationsleistungen des Koordinationsverwalters im Erfolgsfall in aller Regel die Verwaltung der Einzelmassen vereinfachen wird, geben sie im Rahmen der Bestimmung der Vergütung der Verwalter in den Einzelverfahren Anlass zur Vornahme von Abschlägen (§ 63 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV).
2
Die Vergütung des Koordinationsverwalters ist aus den Massen der Einzelverfahren zu decken. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass an dem durch ein Koordinationsverfahren erzielten Mehrwert die Insolvenzmassen aller betroffenen Unternehmen partizipieren können. Trifft diese Annahme nicht zu, etwa weil einige Verfahren gar nicht in das Koordinationsverfahren einbezogen wurden oder weil bei diesen kein Kooperationsmehrwert anfällt, muss ein abweichender Verteilungsschlüssel zugrunde zu legen, welcher die Allokation des Kooperationsmehrwerts widerspiegelt.
3
§ 269h Koordinationsplan (1) 1Zur abgestimmten Abwicklung der Insolvenzverfahren über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern können der Koordinationsverwalter und, wenn ein solcher noch nicht bestellt ist, die Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner gemeinsam dem Koordinationsgericht einen Koordinationsplan zur Bestätigung vorlegen. 2 Der Koordinationsplan bedarf der Zustimmung eines bestellten Gruppen-Gläubigerausschusses. 3Das Gericht weist den Plan von Amts wegen zurück, wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage, den Inhalt des Plans oder über die verfahrensmäßige Behandlung nicht beachtet worden sind und die Vorlegenden den Mangel nicht beheben können oder innerhalb einer angemessenen vom Gericht gesetzten Frist nicht beheben. (2) 1In dem Koordinationsplan können alle Maßnahmen beschrieben werden, die für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren sachdienlich sind. 2Insbesondere kann der Plan Vorschläge enthalten: 1.
zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen gruppenangehörigen Schuldner und der Unternehmensgruppe,
2.
zur Beilegung gruppeninterner Streitigkeiten,
3.
zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Insolvenzverwaltern. 1
(3) Gegen den Beschluss, durch den die Bestätigung des Koordinationsplans versagt wird, steht jedem Vorlegenden die sofortige Beschwerde zu. 2Die übrigen Vorlegenden sind in dem Verfahren zuzuziehen. Graf-Schlicker/Bornemann
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§ 269h RegE
Koordinationsplan
(2) Die Vergütung des Koordinationsverwalters ist anteilig aus den Insolvenzmassen der gruppenangehörigen Schuldner zu berichtigen, wobei im Zweifel das Verhältnis des Werts der einzelnen Massen zueinander maßgebend ist. Die Vorschrift regelt in Anlehnung an die allgemeinen Bestimmungen zur Verwaltervergütung (§§ 63 ff) die Vergütung des Koordinationsverwalters. Die Vergütung ist – gemäß des gruppenweiten Zuschnitts des Aufgabenbereichs des Koordinationsverwalters – allerdings nach dem Wert der zusammengefassten Insolvenzmassen zu berechnen. Das Nähere zum Regelsatz und zu den Abweichungen ist im Verordnungswege zu regeln.
1
Da die Koordinationsleistungen des Koordinationsverwalters im Erfolgsfall in aller Regel die Verwaltung der Einzelmassen vereinfachen wird, geben sie im Rahmen der Bestimmung der Vergütung der Verwalter in den Einzelverfahren Anlass zur Vornahme von Abschlägen (§ 63 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 3 Abs. 2 Buchst. d InsVV).
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Die Vergütung des Koordinationsverwalters ist aus den Massen der Einzelverfahren zu decken. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass an dem durch ein Koordinationsverfahren erzielten Mehrwert die Insolvenzmassen aller betroffenen Unternehmen partizipieren können. Trifft diese Annahme nicht zu, etwa weil einige Verfahren gar nicht in das Koordinationsverfahren einbezogen wurden oder weil bei diesen kein Kooperationsmehrwert anfällt, muss ein abweichender Verteilungsschlüssel zugrunde zu legen, welcher die Allokation des Kooperationsmehrwerts widerspiegelt.
3
§ 269h Koordinationsplan (1) 1Zur abgestimmten Abwicklung der Insolvenzverfahren über das Vermögen von gruppenangehörigen Schuldnern können der Koordinationsverwalter und, wenn ein solcher noch nicht bestellt ist, die Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Schuldner gemeinsam dem Koordinationsgericht einen Koordinationsplan zur Bestätigung vorlegen. 2 Der Koordinationsplan bedarf der Zustimmung eines bestellten Gruppen-Gläubigerausschusses. 3Das Gericht weist den Plan von Amts wegen zurück, wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage, den Inhalt des Plans oder über die verfahrensmäßige Behandlung nicht beachtet worden sind und die Vorlegenden den Mangel nicht beheben können oder innerhalb einer angemessenen vom Gericht gesetzten Frist nicht beheben. (2) 1In dem Koordinationsplan können alle Maßnahmen beschrieben werden, die für eine abgestimmte Abwicklung der Verfahren sachdienlich sind. 2Insbesondere kann der Plan Vorschläge enthalten: 1.
zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen gruppenangehörigen Schuldner und der Unternehmensgruppe,
2.
zur Beilegung gruppeninterner Streitigkeiten,
3.
zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Insolvenzverwaltern. 1
(3) Gegen den Beschluss, durch den die Bestätigung des Koordinationsplans versagt wird, steht jedem Vorlegenden die sofortige Beschwerde zu. 2Die übrigen Vorlegenden sind in dem Verfahren zuzuziehen. Graf-Schlicker/Bornemann
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RegE § 269i
Abweichungen vom Koordinationsplan
§ 269i Abweichungen vom Koordinationsplan (1) 1Der Insolvenzverwalter eines gruppenangehörigen Schuldners hat im Berichtstermin den Koordinationsplan zu erläutern, wenn dies nicht durch den Koordinationsverwalter oder eine von diesem bevollmächtigte Person erfolgt. 2Der Insolvenzverwalter hat im Anschluss an die Erläuterung zu begründen, von welchen im Plan beschriebenen Maßnahmen er abweichen will. 3Liegt zum Zeitpunkt des Berichtstermins noch kein Koordinationsplan vor, so kommt der Insolvenzverwalter seinen Pflichten nach den Sätzen 1 und 2 in einer Gläubigerversammlung nach, für die das Insolvenzgericht alsbald einen Termin bestimmt. (2) Auf Beschluss der Gläubigerversammlung ist der Koordinationsplan einem vom Insolvenzverwalter auszuarbeitenden Insolvenzplan zugrunde zu legen. Übersicht I. Funktion des Koordinationsplans ..... II. Initiativrecht; Federführung .............. III. Beteiligung des GruppenGläubigerausschusses .......................... IV. Beteiligung der Verwalter in den Einzelverfahren ....................................
I.
1 3 4
V. Planvorlage und -bestätigung ............. 6 VI. Planinhalt .............................................. 7 VII. Rechtsmittel gegen die Versagung der Planbestätigung ............................. 8 VIII. Planumsetzung ................................... 9
5
Funktion des Koordinationsplans
1
In einem Koordinationsplan werden – wie in einem beschreibenden Teil eines Insolvenzplans (§ 220) – die Maßnahmen beschrieben und festgelegt, die zur Erreichung einer auf die gesamte Unternehmensgruppe (oder Teile davon) bezogenen (Sanierungs-)Lösung erforderlich erscheinen. Da die Umsetzung des Plans auf der Ebene der einzelnen Verfahren im Rahmen von Insolvenzplänen erfolgt, fehlt es dem Koordinationsplan an einem gestaltenden Teil („kupierter Insolvenzplan“). Von einem Insolvenzplan unterscheidet sich der Koordinationsplan auch durch seine konzerndimensionale Ausrichtung, d. h. er beschränkt sich nicht auf die Maßnahmen, die in Bezug auf einen bestimmten Rechtsträger zu ergreifen sind, sondern bezieht sämtliche Maßnahmen ein, die auf der Ebene der einbezogenen gruppenangehörigen Unternehmen zu ergreifen sind.
2
Die Vorgaben eines Koordinationsplans sind für sich genommen unverbindlich. Den Gläubigerversammlungen in den Einzelverfahren steht es frei, sich gegen die im Koordinationsplan ausgearbeitete Lösung zu entscheiden. Der Insolvenzverwalter ist nur dann an den Koordinationsplan gebunden, wenn die Gläubigerversammlung dies beschließt (§ 269i InsO-E). Im Übrigen darf der Insolvenzverwalter von den Vorgaben des Koordinationsplans abweichen, er muss solche Abweichungen allerdings begründen. Eine Abweichung ist immer dann ohne weiteres begründbar, wenn der Koordinationsplan die Beteiligten des Verfahrens schlechter stellt. Denn wie auch im Rahmen der allgemeinen Kooperationsverhältnisse zu den Verwaltern der Verfahren über die anderen gruppenangehörigen Unternehmen (§ 269a InsO-E) ist der Verwalter auch i. R. des Kooperationsverfahrens nicht verpflichtet, Maßnahmen zuzustimmen oder an Maßnahmen mitzuwirken, welche zu Nachteilen für die Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Gläubiger führen. Umgekehrt kann ein mittel1636
Graf-Schlicker/Bornemann
Abweichungen vom Koordinationsplan
§ 269i RegE
barer Zwang zur Umsetzung des Koordinationsplans bestehen, wenn die in ihm vorgeschlagene Sanierungslösung für die Verfahrensbeteiligten mit Vorteilen verbunden ist, die ansonsten nicht oder nicht mit gleicher Sicherheit erlangbar wären. Dann nämlich entspricht es der Pflicht des Insolvenzverwalters, die Umsetzung des Koordinationsplans umzusetzen. II. Initiativrecht; Federführung Das Initiativrecht, d. h. das Recht der Vorlage zum Zwecke der gerichtlichen Bestätigung, und damit auch die Federführung für die Erstellung des Plans liegt beim Koordinationsverwalter, falls ein solcher bestellt wurde (§ 269h Abs. 1 Satz 1 InsO-E). Ist ein Koordinationsverwalter noch nicht bestellt, können die Verwalter der Einzelverfahren auch gemeinsam einen Koordinationsplan erstellen und vorlegen.
3
III. Beteiligung des Gruppen-Gläubigerausschusses Der Gruppen-Gläubigerausschuss muss dem Koordinationsplan zustimmen (§ 269i Abs. 1 Satz 2 InsO-E). Hierdurch wird eine frühzeitige Rückbindung mit der Gläubigerschaft der Unternehmensgruppe gewährleistet, die es ermöglicht, frühzeitig Hindernisse zu identifizieren, die der späteren Planumsetzung auf der Ebene der Einzelverfahren entgegenstehen könnten.
4
IV. Beteiligung der Verwalter in den Einzelverfahren Eine förmliche Beteiligung der Verwalter in den Einzelverfahren ist nicht vorgesehen. Gleichwohl dürfte die Abstimmung des Plans im Vorfeld der Vorlage zum Zwecke der gerichtlichen Bestätigung in aller Regel notwendig sein, um zu gewährleisten, dass er für die Beteiligten in den zu koordinierenden Verfahren akzeptabel ist und damit Aussicht auf Umsetzung hat.
5
V. Planvorlage und –bestätigung Zur Vorlage berechtigt sind der Kooperationsverwalter und, falls ein solcher noch nicht bestellt ist, die Verwalter gemeinschaftlich. Das Gericht bestätigt den Plan, wenn die Verfahrensbestimmungen zur Vorlage des Plans und zur Beteiligung des Gruppen-Gläubigerausschusses beachtet worden sind und der Planinhalt den an ihn zu stellenden formalen (nicht: inhaltlichen) Anforderungen genügt.
6
VI. Planinhalt Der konkrete Planinhalt hängt naturgemäß von den Umständen und den konkreten Sanierungsperspektiven des Einzelfalls ab. Der Koordinationsplan beschreibt – nach dem Vorbild des beschreibenden Teils des Insolvenzplans (§ 220) – diejenigen Maßnahmen, die auf der Ebene der einzelnen gruppenangehörigen Unternehmen zu ergreifen und umzusetzen sind, um die angestrebte Gesamtlösung auf Gruppenebene realisieren zu können. Einen gestaltenden Teil hat der Koordinationsplan nicht, da er selbst nicht die rechtlichen Grundlagen für die anvisierten rechtsgestaltenden Maßnahmen schafft. Vielmehr bleibt die konkrete Planumsetzung den Einzelverfahren vorbehalten (§ 269i InsO-E), so dass die in deren Rahmen umzusetzenden Insolvenzpläne die Rechtsgrundlage für die rechtsgestaltenden Maßnahmen bilden.
Graf-Schlicker/Bornemann
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7
RegE § 270d VII. 8
Eigenverwaltung bei gruppenangehörigen Schuldnern
Rechtsmittel gegen die Versagung der Planbestätigung
Gegen die Versagung der Planbestätigung (nicht hingegen gegen die Bestätigung) ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 269h Abs. 3 InsO-E). Sie steht dem Vorlegendem zu, d. h. dem Koordinationsverwalter bzw. den Verwaltern. Die übrigen Verfahrensbeteiligten sind heranzuziehen (§ 269h Abs. 3 Satz 2 InsO-E). VIII. Planumsetzung
9
Die Planumsetzung erfolgt dezentral auf der Ebene der einzelnen Verfahren. Die Verfahrensbeteiligten sind grundsätzlich frei in der Entscheidung darüber, ob sie den Planvorgaben folgen. Hierdurch wird die Autonomie der Einzelverfahren abgesichert. Insbesondere darf von den Planvorgaben abgewichen werden, wenn die Abweichung im Interesse der Gläubiger des betroffenen Verfahrens liegt – etwa dann, wenn es versäumt wurde, im Koordinationsplan eine Ausgleichsregelung für Verluste oder sonstige Nachteile vorzusehen, welche die Masse durch die Planumsetzung voraussichtlich erleiden würde. Die Entscheidung über die Planumsetzung liegt dabei bei der Gläubigerversammlung. Spricht sie sich für die Planumsetzung aus, ist der Verwalter hieran i. R. seiner Amtsführung gebunden (§ 269i InsO-E). Ansonsten ist der Verwalter zur Beachtung des Plans verpflichtet. Er hat den Plan insbesondere im Berichtstermin zu erläutern und muss Abweichungen vom Plan begründen (§ 269i Abs. 1 Satz 2 InsO-E).
§ 270d Eigenverwaltung bei gruppenangehörigen Schuldnern 1
Wird die Eigenverwaltung oder die vorläufige Eigenverwaltung bei einem gruppenangehörigen Schuldner angeordnet, unterliegt der Schuldner den Kooperationspflichten des § 269a. 2Dem eigenverwaltenden Schuldner stehen nach Verfahrenseröffnung die Antragsrechte nach § 3a Absatz 1, § 3d Absatz 2 und § 269d Absatz 2 Satz 2 zu. 1
Die Vorschrift stellt sicher, dass der eigenverwaltende Schuldner i. R. der konzerninsolvenzrechtlichen Instrumentarien einem Insolvenzverwalter grundsätzlich gleichsteht. Satz 1 unterwirft den eigenverwaltenden Schuldner den Kooperationspflichten des § 269a Satz 2 weist ihm die Antragsrechte zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands (§ 3a Abs. 1 InsO-E), zur Verweisung an den GruppenGerichtsstand (§ 3d Abs. 2 InsO-E) sowie zur Eröffnung eines Koordinationsverfahrens (§ 269d Abs. 2 Satz 2 InsO-E) zu.
2
Unberührt hiervon bleibt die Bestimmung des § 269e Abs. 1 InsO-E, wonach eigenverwaltende Schuldner nicht das Amt eines Koordinationsverwalters übernehmen können.1)
_____________ 1)
Zu den Gründen hierfür s. § 269e Rz. 3.
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Graf-Schlicker/Bornemann
RegE § 270d VII. 8
Eigenverwaltung bei gruppenangehörigen Schuldnern
Rechtsmittel gegen die Versagung der Planbestätigung
Gegen die Versagung der Planbestätigung (nicht hingegen gegen die Bestätigung) ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 269h Abs. 3 InsO-E). Sie steht dem Vorlegendem zu, d. h. dem Koordinationsverwalter bzw. den Verwaltern. Die übrigen Verfahrensbeteiligten sind heranzuziehen (§ 269h Abs. 3 Satz 2 InsO-E). VIII. Planumsetzung
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Die Planumsetzung erfolgt dezentral auf der Ebene der einzelnen Verfahren. Die Verfahrensbeteiligten sind grundsätzlich frei in der Entscheidung darüber, ob sie den Planvorgaben folgen. Hierdurch wird die Autonomie der Einzelverfahren abgesichert. Insbesondere darf von den Planvorgaben abgewichen werden, wenn die Abweichung im Interesse der Gläubiger des betroffenen Verfahrens liegt – etwa dann, wenn es versäumt wurde, im Koordinationsplan eine Ausgleichsregelung für Verluste oder sonstige Nachteile vorzusehen, welche die Masse durch die Planumsetzung voraussichtlich erleiden würde. Die Entscheidung über die Planumsetzung liegt dabei bei der Gläubigerversammlung. Spricht sie sich für die Planumsetzung aus, ist der Verwalter hieran i. R. seiner Amtsführung gebunden (§ 269i InsO-E). Ansonsten ist der Verwalter zur Beachtung des Plans verpflichtet. Er hat den Plan insbesondere im Berichtstermin zu erläutern und muss Abweichungen vom Plan begründen (§ 269i Abs. 1 Satz 2 InsO-E).
§ 270d Eigenverwaltung bei gruppenangehörigen Schuldnern 1
Wird die Eigenverwaltung oder die vorläufige Eigenverwaltung bei einem gruppenangehörigen Schuldner angeordnet, unterliegt der Schuldner den Kooperationspflichten des § 269a. 2Dem eigenverwaltenden Schuldner stehen nach Verfahrenseröffnung die Antragsrechte nach § 3a Absatz 1, § 3d Absatz 2 und § 269d Absatz 2 Satz 2 zu. 1
Die Vorschrift stellt sicher, dass der eigenverwaltende Schuldner i. R. der konzerninsolvenzrechtlichen Instrumentarien einem Insolvenzverwalter grundsätzlich gleichsteht. Satz 1 unterwirft den eigenverwaltenden Schuldner den Kooperationspflichten des § 269a Satz 2 weist ihm die Antragsrechte zur Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands (§ 3a Abs. 1 InsO-E), zur Verweisung an den GruppenGerichtsstand (§ 3d Abs. 2 InsO-E) sowie zur Eröffnung eines Koordinationsverfahrens (§ 269d Abs. 2 Satz 2 InsO-E) zu.
2
Unberührt hiervon bleibt die Bestimmung des § 269e Abs. 1 InsO-E, wonach eigenverwaltende Schuldner nicht das Amt eines Koordinationsverwalters übernehmen können.1)
_____________ 1)
Zu den Gründen hierfür s. § 269e Rz. 3.
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Graf-Schlicker/Bornemann
Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) ABl. L 160/1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013, ABl. L 158/1
EuInsVO Vorbemerkung Bornemann/Sabel/Schlegel
Literatur: Eidenmüller, A New Framework for Business Restructuring in Europe: The EU Commission’s Proposal for a Reform of the European Insolvency Regulation and Beyond, 20 Maastricht Law Journal (2013), S. 133; Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 23.11.1995 – eine Analyse zentraler Fragen des internationalen Insolvenzrechts unter besonderer Berücksichtigung dinglicher Sicherungsrechte, 2000 (zit.: Übereinkommen); Hess/Oberhammer/ Pfeiffer, European Insolvency Law – the Heidelberg/Luxemburg/Vienna-Report on the Application of Regulation (EC) No. 1347/2000 on Insolvency Proceedings, 2014, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/civil/files/evaluation_insolvency_en.pdf (zit.: Heidelberg/ Wien-Report); Smid, Internationales Insolvenzrecht, 2009; Thole, Die Reform der Europäischen Insolvenzverordnung – zentrale Aspekte des Kommissionsvorschlags und offene Fragen, ZEuP 2014, 39; Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, veröffentlicht in: Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997 (zit.: Erläuternder Bericht). Übersicht I. 1.
Allgemeines .......................................... 1 Gegenstand und Abgrenzung zum autonomen IIR ...................................... 1 2. Ausführungsvorschriften (Art. 102 EGInsO) ............................... 3 II. Grundzüge der EuInsVO .................... 5 1. Gemäßigter Universalitätsanspruch .... 5 2. Anwendungsbereich .............................. 6 a) Sachlich ........................................... 6 b) Persönlich ...................................... 7 c) Räumlich ......................................... 8 d) Abgrenzung zur Brüssel I-Verordnung ................................. 9 3. Internationale Zuständigkeit .............. 11 4. Territorial- und Sekundärverfahren ..... 13 5. Anwendbares Recht ............................ 16 6. Anerkennung ....................................... 17
7.
Verfahrenspublizität und Forderungsanmeldung ........................ 18 III. Reformüberlegungen ......................... 19 1. Anlass, Vorbereitung und Stand ......... 19 2. Erweiterung des Anwendungsbereichs (Art. 1 Abs. 1) ...................... 21 3. Internationale Zuständigkeit .............. 22 4. Anwendbares Recht (Art. 4 ff) .......... 24 5. Abstimmung von Haupt- und Sekundärverfahren ............................... 25 6. Einführung eines Systems internetbasierter Insolvenzregister ............ 29 7. Erleichterungen bei der grenzüberschreitenden Forderungsanmeldung ............................................ 33 8. Ergänzung um konzernspezifische Instrumentarien ................................... 34 IV. Auslegung ........................................... 36
I.
Allgemeines
1.
Gegenstand und Abgrenzung zum autonomen IIR
Das internationale Insolvenzrecht (IIR), d. h. die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit, zum anwendbaren Recht und zur Anerkennung von EntscheiBornemann/Sabel/Schlegel
1639
1
EuInsVO
Vorbemerkung
dungen in Insolvenzsachen, ist, soweit es die grenzüberschreitenden Bezüge von Insolvenzverfahren innerhalb der Europäischen Union (mit der Ausnahme von Dänemark) angeht, einheitlich in der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) geregelt. Diese findet als Verordnungsrecht unmittelbare Anwendung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und verdrängt damit innerhalb ihres Anwendungsbereiches die Regelungen der mitgliedstaatlichen („autonomen“) internationalen Insolvenzrechte (zum Verhältnis von EuInsVO und den Regeln des autonomen deutschen Internationalen Insolvenzrechts sowie zu den allgemeinen Grundsätzen des Internationalen Insolvenzrechts (IIR) vgl. vor §§ 335 – 358 InsO Rz. 4 ff). 2
3
Raum für die Anwendung des autonomen Insolvenzrecht (§§ 335 ff InsO) bleibt hiernach nur, –
wenn der Schuldner nicht in den durch Art. 1 Abs. 2 eingeschränkten persönlichen Anwendungsbereich der EuInsVO fällt, d. h. wenn es sich bei ihm nicht um eines der dort aufgeführten Unternehmen des Finanzsektors handelt;
–
wenn ein Insolvenzverfahren zwar die Merkmale des Art. 1 Abs. 1 erfüllt,1) aber nicht in die nach Art. 2 Buchst. a für den verordnungsrechtlichen Begriff des „Insolvenzverfahrens“ maßgeblichen Anhänge der EuInsVO aufgenommen wurde;2)
–
wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen i. S. von Art. 3 Abs. 1 außerhalb der Europäischen Union oder in Dänemark liegt; und
–
soweit das Insolvenzverfahren grenzüberschreitende Bezüge zu einem Drittstaat aufweist; insoweit ist allerdings die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof zu berücksichtigen, nach welcher die Zuständigkeitsregelungen des Art. 3 Abs. 1 unabhängig davon zur Anwendung kommen, ob ein solcher Gemeinschaftsbezug besteht.3)
2.
Ausführungsvorschriften (Art. 102 EGInsO)
Auch wenn die EuInsVO unmittelbar gilt, müssen ihre Vorschriften i. R. der nationalen Insolvenzverfahrensrechte zur Anwendung gebracht werden. Daraus resultiert die Notwendigkeit einer Verzahnung des nationalen Verfahrensrechts mit den Bestimmungen der EuInsVO. Diese Aufgabe erfüllen in Deutschland die in Art. 102 EGInsO enthaltenen Ausführungsvorschriften. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über ihren Inhalt. Abgedruckt und erläutert werden die Vorschriften im systematischen Kontext der jeweils zugrunde liegenden EuInsVOVorschriften. _____________ 1)
2) 3)
Da der in den Anhängen A und B zur EuInsVO konkretisierte verordnungsrechtliche Begriff des Insolvenzverfahrens weitgehend in dem Begriff des Insolvenzverfahrens aufgeht, der den §§ 335 ff zugrunde liegt (dazu § 335 Rz. 4), kann der Fall außer Betracht bleiben, in welchem ein Verfahren als Insolvenzverfahren i. S. d. §§ 335 ff anzusehen ist, obgleich es den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 nicht genügt. Zur Maßgeblichkeit der Anhänge für den sachlichen Anwendungsbereich: EuGH, Urt. v. 8.11.2012 – Rs. C-461/11 (Radziejewski), Rz. 24, EuZW 2013, 72. EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12 (Schmid), ZIP 2014, 181 = NZI 2014, 134, dazu EWiR 2014, 85 (Paulus).
1640
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO
Vorbemerkung
EGInsO Art. 102
EuInsVO
§ 1 (Örtliche Zuständigkeit)
Art. 3
§ 2 (Begründung des Eröffnungsbeschlusses)
Art. 1
§ 3 (Vermeidung von Kompetenzkonflikten)
Art. 16
§ 4 (Einstellung des Insolvenzverfahrens)
Art. 16
§ 5 (Öffentliche Bekanntmachung)
Art. 21
§ 6 (Eintragung in öffentliche Bücher und Register)
Art. 22
§ 7 (Rechtsmittel)
Art. 21
§ 8 (Vollstreckung aus der Eröffnungsentscheidung)
Art. 25
§ 9 (Insolvenzplan)
Art. 34
§ 10 (Aussetzung der Verwertung)
Art. 33
§ 11 (Unterrichtung der Gläubiger)
Art. 40
4
II. Grundzüge der EuInsVO 1.
Gemäßigter Universalitätsanspruch
Die EuInsVO lässt sich vom Ideal einer einheitlichen und universellen Insolvenzbewältigung leiten. Nach diesem Ideal sollte die Insolvenz des Schuldners i. R. eines universellen (d. h. weltweite Geltung beanspruchenden) Verfahrens einheitlich (d. h. unter Verzicht auf Neben- oder Hilfsverfahren einerseits und unter Ausschluss konkurrierender Parallelverfahren andererseits) abgewickelt werden,4) um die Kostennachteile und Effizienzverluste zu vermeiden, welche die Parallelität mehrerer Verfahren und die Anwendung mehrerer Insolvenzrechte mit sich bringt. Die Realisierung dieses Ideals stößt allerdings in den nach wie vor signifikanten Unterschieden der nationalen Insolvenzrechtsordnungen auf erhebliche politische, aber auch ökonomische und praktische Hindernisse.5) Auch die EuInsVO hat deshalb gegenüber dem Einheits- und Universalitätsideal Konzessionen machen müssen, indem sie –
ihren Universalitätsanspruch auf das Gebiet der EU beschränkt6) (EU-weite Universalität)7),
Parallelverfahren in der Gestalt von Territorial- und Sekundärverfahren zumindest in solchen Mitgliedstaaten zulässt, in denen der Schuldner eine Niederlassung unterhält (Art. 3 Abs. 2, 27 ff), und _____________ –
4) 5) 6) 7)
Vgl. EuInsVO, Erwägungsgrund (12), wonach das Hauptinsolvenzverfahren mit universalem Geltungsanspruch ausgestattet ist: „Dieses Verfahren hat universale Geltung mit dem Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen.“ Zu Vor- und Nachteilen des Einheits- und Universalitätssystem Hanisch, ZIP 1996, 1 ff; vgl. EuInsVO, Erwägungsgrund (11), wonach das Ideal eines einzigen Insolvenzverfahrens mit universeller Geltung für die Gemeinschaft nicht realisierbar sei. Paulus, EuInsVO, Einl Rz. 33 f. Vgl. (zum vorangehenden Insolvenzrechtsübereinkommen) Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 23.11.1995, S. 49.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1641
5
EuInsVO
Vorbemerkung
–
den Geltungsanspruch der lex fori concursus, d. h. des Insolvenzrechts des Staats der Verfahrenseröffnung, zugunsten einer Vielzahl von Sonderanknüpfungen einschränkt (Art. 5 ff).
2.
Anwendungsbereich
a) Sachlich 6
7
8
Die Verordnung findet allein Anwendung auf Insolvenzverfahren, die in Anhang A oder Anhang B der EuInsVO aufgeführt werden.8) Zwar soll die EuInsVO gemäß ihres Art. 1 Abs. 1 auf alle Verfahren Anwendung finden, die (1) als Gesamtverfahren (2) an die Insolvenz des Schuldners anknüpfen und (3) mit einem Beschlag des schuldnerischen Vermögens einhergehen, in dessen Folge (4) die Verfügungsbefugnis über dieses Vermögen auf einen Verwalter übergeht. Um die Praxis von (zeit-)aufwändigen Streitigkeiten über die Frage zu entlasten, ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, erklärt Art. 2 Buchst. a allerdings den Inhalt der Anhänge für maßgeblich.9) Nach den Normativbestimmungen des Art. 1 Abs. 1 richtet sich demgegenüber, ob ein Verfahren in die genannten Anhänge aufgenommen werden kann oder nicht. b) Persönlich In persönlicher Hinsicht darf es sich beim Schuldner auch dann um kein in Art. 1 Abs. 2 aufgeführtes Unternehmen des Finanzsektors handeln, wenn das über ihr Vermögen eröffnete Verfahren in den Anhängen zur EuInsVO aufgeführt ist. c) Räumlich In räumlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich der Verordnung auf das Gebiet der EU beschränkt. Die Anwendung der Verordnung setzt damit voraus, dass sich der Interessenmittelpunkt (genauer: der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen) des Schuldners, welcher für die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 maßgeblich ist, in einem Mitgliedstaat der EU befindet.10) Befindet er sich außerhalb der EU, ist allein das autonome IIR zur Klärung der internationalinsolvenzrechtlichen Fragen berufen. Drittstaatenbezüge sind allerdings auch dann nach Maßgabe des autonomen IIR zu beurteilen, wenn die EuInsVO im Übrigen Anwendung findet. Insoweit stehen beide Regelungskomplexe nebeneinander.11) Daran hat auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Schmid12) nichts Grundsätzliches geändert. Nach dieser Entscheidung ist in Art. 3 Abs. 1 zwar auch eine internationale Zuständigkeit für Annexklagen gegen Beklagte in Drittstaaten hineinzulesen. Weiter geht die Entscheidung indessen nicht (näher Vor §§ 335 – 358 InsO Rz. 4 ff). Sie legt im Gegenteil nahe, dass EuInsVO-Bestimmungen, die explizit einen grenzüberschreitenden Bezug innerhalb der EU voraussetzen, keine Geltung im Verhältnis zu Drittstaaten (oder Dänemark) haben.13) Dies trifft auf fast alle Bestimmungen der EuInsVO zu, insbesondere auf die Bestimmungen zum Territorial- und _____________ 8) 9) 10) 11) 12)
EuGH, Urt. v. 8.11.2012 – Rs. C-461/11 (Radziejewski), Rz. 24, EuZW 2013, 72. Paulus, EuInsVO, Einl. Rz. 35, 53; vgl. Virgos/Schmid, Erläuternder Bericht, Nr. 48. Erwägungsgrund (13). Paulus, EuInsVO, Einl. Rz. 34. EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12 (Schmid), ZIP 2014, 181 = NZI 2014, 134, EWiR 2014, 85 (Paulus). 13) EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12 (Schmid), Rz. 22 ff, ZIP 2014, 181 = NZI 2014, 134.
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EuInsVO
Vorbemerkung
Sekundärverfahren (Art. 3 Abs. 2, 27 ff),14) die meisten Bestimmungen zum anwendbaren Recht (Art. 5 ff), die Bestimmungen zur Anerkennung der Wirkungen der Verfahrenseröffnung (Art. 16 f), zu den Befugnissen des Verwalters (Art. 18), zur öffentlichen Bekanntmachung und Eintragung in Registern (Art. 21 ff), zur Wirkung der Leistung an den Schuldner (Art. 24), zur Anerkennung und Vollstreckung weiterer Entscheidungen (Art. 25 f) und zur Unterrichtung der Gläubiger und zur grenzüberschreitenden Anmeldung von Forderungen (Art. 39 ff).15) d) Abgrenzung zur Brüssel I-Verordnung Die Anwendungsbereiche der EuInsVO und der Brüssel I-Verordnung werden durch die insolvenzrechtliche Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel I-Verordnung16) klar abgegrenzt. Diese Bereichsausnahme bezieht sich nicht nur auf den engeren, in den Anhängen zur EuInsVO konkretisierten („effektiven“) Anwendungsbereich der EuInsVO (d. h. die Menge der in den Anhängen aufgeführten Insolvenzverfahren i. S. von Art. 2 Buchst. a), sondern den weiteren, durch die Normativbestimmungen des Art. 1 Abs. 1 umrissenen abstrakten Anwendungsbereich.17) Die unterlassene Aufnahme eines Verfahrens in einen der Anhänge kann keine Rückwirkung auf die anhand der Maßstäbe des Art. 1 Abs. 1 vorzunehmende Qualifikation eines solchen Verfahrens als in den Anwendungsbereich der EuInsVO fallendes Insolvenzverfahren haben. Folglich fällt ein Verfahren auch dann aus dem Anwendungsbereich der Brüssel I-Verordnung heraus, wenn es die Merkmale des Art. 1 Abs. 1 erfüllt, ohne in einen der Anhänge aufgenommen worden zu sein.
9
Umstritten ist die Frage, ob und welche Verfahren mit besonders engem Zusammenhang zum Insolvenzverfahren (sog. Annexverfahren) ebenfalls in den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen, so dass für sie im Eröffnungsstaat nach Art. 3 eine (ausschließliche) Zuständigkeit begründet ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erstreckt sich die Zuständigkeit des Art. 3 auf Verfahren und Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und sich eng innerhalb des Rahmens des Insolvenzverfahrens halten.18) Unklar ist allerdings
10
_____________ 14) Insofern erscheint die Befürchtung von Paulus, EWiR 2014, 85, 86 unbegründet, die Schmid-Entscheidung könnte zum Anlass genommen werden, dass ein Drittstaat ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnen könne. 15) Auch insoweit erscheint der gegen die Entscheidung des EuGH gerichtete Einwand von Paulus, EWiR 2014, 85, 86 unbegründet, die Entscheidung könne Veranlassung bieten, die Forderungsanmeldungsformulare auch in EU-fremden Sprachen vorhalten zu müssen. 16) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 22.12.2000 (ABl. L 12/1); zum 10.1.2015 wird die Verordnung durch ihre Neufassung Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 v. 12.12.2012 (ABl. L 351/1) abgelöst. 17) Zum Gebot einer weiten Auslegung der insolvenzrechtlichen Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b Brüssel I-Verordnung (d. h. einer engen Auslegung des Anwendungsbereichs der Brüssel I-Verordnung) EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-292/08 (German Graphics/ Holland Binding), Rz. 25, ZIP 2009, 2345 = NZI 2009, 741: „Folglich sollte der Anwendungsbereich der letztgenannten (Brüssel I-)Verordnung nicht weit ausgelegt werden.“ 18) EuGH, Urt. v. 22.2.1979 – Rs. 133/78 (Gourdain/Nadler), Rz. 4, Slg. 1979, 733; EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07 (Deko Marty), Rz. 19 f, ZIP 2009, 427, dazu EWiR 2009, 411 (K. Müller); EuGH, Urt. v. 19.4.2012 – Rs. C-213/10 (F-Tex), Rz. 22, ZIP 2012, 1049 = NZI 2012, 469, dazu EWiR 2012, 383 (M. Brinkmann).
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EuInsVO
Vorbemerkung
nach wie vor, welche Anforderungen eine Klage erfüllen muss, um als Annexverfahren unter diese ungeschriebene Zuständigkeitsregel zu fallen (näher Rz. 12). 3.
Internationale Zuständigkeit
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Im Rahmen des von der EuInsVO verfolgten Ansatzes eines (EU-)universellen Insolvenzverfahrens (siehe oben, Rz. 5) kommt der Festlegung der internationalen Zuständigkeit aus zwei Gründen zentrale Bedeutung zu: Sie ist erstens mit einer Sperrwirkung für die Eröffnung von Verfahren in anderen Mitgliedstaaten verbunden, von der allein territoriale (Sekundär-)Verfahren in Mitgliedstaaten ausgenommen sind, in denen der Schuldner eine Niederlassung unterhält (Art. 3 Abs. 2, 27 ff).19) Und zweitens entscheidet sich mit der Zuständigkeit für die Eröffnung des Hauptverfahrens auch die Frage nach dem anwendbaren Insolvenzrecht, da grundsätzlich das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats (lex fori concursus) anzuwenden ist (Art. 4). Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, wenn sich um die internationale Zuständigkeit in den ersten Jahren der Geltung der Verordnung die umstrittensten und in der Praxis am härtesten umkämpften Fragen und Streitigkeiten rankten. Betroffen hiervon war vor allem der Begriff des „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“, an den Art. 3 Abs. 1 die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung des (Haupt-)Verfahrens knüpft.20)
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Auch wenn nach der mittlerweile etablierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs klar ist, dass sich die Zuständigkeitsregelung des Art. 3 auf Annexverfahren erstreckt, die einen engen Zusammenhang zum Insolvenzverfahren haben und sich in dessen Rahmen halten, ist nach wie vor unklar, welche Verfahren sich als Annexverfahren in diesem Sinne auffassen lassen. Bejaht wurde eine solche Zuständigkeit etwa für Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters21) und für gegen faktische Geschäftsführer gerichtete Haftungsklagen nach französischem Recht.22) Verneint wurde sie für die Klage eines Vorbehaltsverkäufers auf Herausgabe der Kaufsache23) und für die Klage eines Dritten aus abgetretenem Anfechtungs_____________ 19) EuGH, Urt. v. 21.1.2010 – Rs. C-444/07 (MG Probud Gdynia), Rz. 24, ZIP 2010, 187, dazu EWiR 2010, 77 (J. Schmidt): „Somit kann die universelle Geltung des Hauptinsolvenzverfahrens nur durch die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens beschränkt werden.“ Freilich kann auch die Verfahrenseröffnung durch ein international unzuständiges Gericht eine solche Sperrwirkung entfalten: Diese ist allein im Rechtszug des Eröffnungsstaats anfechtbar und und ist bis zu einer Aufhebung in diesem Rechtszug anzuerkennen (EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), Rz. 42 f, ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484); die fehlerhafte Annahme der internationalen Zuständigkeit durch das Eröffnungsgericht begründet ohne weiteres auch keinen ordre public-Verstoß. 20) Vgl. EuGH, Urt. v. 17.1.2006 – Rs. C-1/04 (Staubitz-Schreiber), ZIP 2006, 188, m. Anm. Knof/Mock, S. 189 = ZVI 2006, 108, dazu EWiR 2006, 141 (Vogl); EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484; EuGH, Urt. v. 20.10.2011 – Rs. C-396/09 (Interedil), ZIP 2011, 2153 = ZInsO 2011, 2123, dazu EWiR 2011, 745 (Paulus); EuGH, Urt. v. 15.12.2011 – Rs. C-191/10 (Rastelli), ZIP 2012, 183 = NZI 2012, 147, m. Anm. Mankowski, dazu EWiR 2012, 87 (Paulus). 21) EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07 (Deko Marty), ZIP 2009, 427; EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12 (Schmid), Rz. 22 ff, ZIP 2014, 181 = NZI 2014, 134. 22) EuGH, Urt. v. 22.2.1979 – Rs. 133/78 (Gourdain/Nadler), Slg. 1979, 733. 23) EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-292/08 (German Graphics/Holland Binding), Rz. 30 ff, ZIP 2009, 2345 = NZI 2009, 741.
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Vorbemerkung
recht.24) Die Anhängigkeit weiterer, noch nicht entschiedener Vorabentscheidungsverfahren25) zeigt, dass nach wie vor grundlegende Unsicherheiten in der Frage nach den insoweit zu erfassenden Klagearten und -gegenständen bestehen. Richtungsweisend ist hier der Vorschlag des Europäischen Parlaments für eine Definition von Annexverfahren, nach welcher sich das materielle Klageziel nicht außerhalb eines Insolvenzverfahrens erreichen lassen können soll und die Zulässigkeit der Klage auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bedingt sein soll.26) Damit würde jedenfalls klargestellt, dass Leistungsklagen des Insolvenzverwalters aus massezugehörigen Forderungen keine Annexklagen sind. 4.
Territorial- und Sekundärverfahren
Außerhalb des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen COMI hat, können nach Art. 3 Abs. 2 nur in Mitgliedstaaten Verfahren eröffnet werden, in denen der Schuldner eine Niederlassung unterhält (Territorialverfahren). Wird ein solches Verfahren nach Eröffnung eines (Haupt-)Verfahrens eröffnet (oder wird ein Hauptverfahren später eröffnet)27), nennt man das territoriale Verfahren Sekundärverfahren.
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Die Parallelität von Haupt- und Sekundärverfahr geht insbesondere in Sanierungsfällen mit dem Bedürfnis einher, die Verfahren aufeinander abzustimmen. Diesem Zweck dienen die Art. 31 ff. Unter anderem unterliegen hiernach Hauptund Sekundärverwalter einer Pflicht zum Informationsaustausch und zur Kooperation (Art. 31). Gläubiger und Verwalter beider Verfahren haben ein Recht zur Teilnahme und zur Forderungsanmeldung im jeweils anderen Verfahren (Art. 32). Befriedigungsquoten, die in einem Verfahren erlangt wurden, sind im jeweils anderen Verfahren anzurechnen (Art. 20 Abs. 2). Zudem werden Planlösungen im Sekundärverfahren bestimmten Zustimmungserfordernissen im Hauptverfahren unterworfen (Art. 34). Um Insolvenzbewältigungs-, insbesondere Sanierungsstrategien nicht zu gefährden, die der Verwalter im Hauptverfahren anstrebt, besteht nach Art. 33 schließlich die Möglichkeit der Aussetzung der Verwertung im Sekundärverfahren.
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Territorial- und Sekundärverfahren erfassen allein das Vermögen im jeweiligen Eröffnungsstaat, erheben also keine universalen Geltungsansprüche.
15
5.
Anwendbares Recht
Anwendbar ist grundsätzlich das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaats, die lex fori concursus (Art. 4). Das gilt sowohl für das Hauptverfahren als auch für Territorialund Sekundärverfahren. Von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der lex fori concursus werden in den Art. 5 ff eine Reihe von Ausnahmen gemacht. Hintergrund sind die teilweise erheblichen Unterschiede in den mitgliedstaatlichen Insolvenzrechtsordnungen, die es dem Verordnungsgeber geboten erscheinen ließen, Rücksicht auf die _____________ 24) EuGH, Urt. v. 19.4.2012 – Rs. C-213/10 (F-Tex), Rz. 36 ff, ZIP 2012, 1049 = NZI 2012, 469. 25) S. EuGH Rs. C-295/13, anhängig, – betreffend die auf § 64 Satz 1 GmbHG gestützte Klage gegen den GmbH-Geschäftsführer; EuGH, Rs. C-157/13, anhängig, – betreffend die Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Vertragsgegner des Schuldners. 26) Europäisches Parlament, Legislative Entschließung v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/0360 (COD)), Abänderung 22, abrufbar unter http://europarl.eu. 27) S. Erwägungsgrund (17) Satz 3.
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darauf aufbauenden Erwartungen des Verkehrs zu nehmen, etwa im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit der nach lokalem Recht bestellten dinglichen Sicherheiten (Art. 5, 7) und auf bestehende Aufrechnungsmöglichkeiten (Art. 6). 6. 17
7. 18
Anerkennung
Die Verfahrenseröffnung und ihre Wirkungen werden nach Art. 16 anerkannt, ohne dass bestimmte Förmlichkeiten einzuhalten wären. Folglich kann der im Hauptverfahren bestellte Verwalter auch auf das in anderen Mitgliedstaaten belegene Vermögen des Schuldners zugreifen (Art. 18 ff). Neben der Verfahrenseröffnung werden auch die sonstigen, zur Durchführung und Beendigung des Verfahrens ergehenden Entscheidungen sowie Entscheidung über Annexklagen anerkannt, so dass sie insbesondere EU-weit vollstreckt werden können (Art. 25). Verfahrenspublizität und Forderungsanmeldung
Der Universalitätsanspruch des Hauptinsolvenzverfahrens geht mit einem universellen (d. h. nicht auf das Territorium des Eröffnungsstaats beschränkten) Informationsbedürfnis einher. Drittschuldner müssen wissen, ob sie (noch) an den Schuldner leisten können, und es liegt im Interesse der Gläubiger bzw. der Masse, dass sie nur noch an den Verwalter leisten (Art. 24). Allgemein muss sich der Rechtsverkehr auf das eröffnete Verfahren einstellen können. Vor diesem Hintergrund eröffnet Art. 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 dem Verwalter die Möglichkeit, die Verfahrenseröffnung in den Mitgliedstaaten öffentlich bekannt zu machen und in öffentlichen Registern vermerken zu lassen, in denen der Schuldner eine Niederlassung unterhält. Zudem können die Mitgliedstaaten, in denen der Schuldner eine Niederlassung unterhält, eine solche Veröffentlichung bzw. Registereintragungen zwingend vorschreiben. III. Reformüberlegungen 1.
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Anlass, Vorbereitung und Stand
Anlass für die derzeit im Rat und im Europäischen Parlament verhandelten Vorschläge zur Überarbeitung der EuInsVO gab der an die Europäische Kommission gerichtete Evaluationsauftrag in Art. 46. Die Kommission hat diesen Auftrag am 12.12.2012 durch die Vorlage eines Berichts28) erfüllt, den sie auf der Grundlage einer breit angelegten, von den Universitäten Heidelberg und Wien durchgeführten externen Evaluationsstudie29) erstellt hat. Dieser Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass sich die EuInsVO in den ersten zehn Jahren ihrer Geltung praktisch bewährt und die grenzüberschreitende Insolvenzabwicklung entscheidend verbessert habe, dass aber andererseits auch ein nicht unerheblicher Überarbeitungsbedarf bestehe.30) Im Einzelnen spricht sich der Bericht aus für –
eine Erweiterung des Anwendungsbereichs durch eine Einbeziehung von Vorinsolvenzverfahren und sog. Hybridverfahren;31)
_____________ 28) Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1346/ 2000 des Rates v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, KOM(2012)743. 29) Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/ justice/civil/files/evaluation_insolvency_en.pdf. 30) Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, S. 4, 20 f. 31) Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, S. 7.
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Vorbemerkung
–
die Verallgemeinerung und Positivierung der Deko Marty-Rechtsprechung durch die Einfügung einer expliziten Regelung zur internationalen Zuständigkeit für Annexverfahren;32)
–
eine verbesserte Abstimmung zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren unter Einschluss der Möglichkeit, die Eröffnung eines Sekundärverfahrens zu vermeiden, wenn die Wahrung der Rechte der lokalen Gläubiger hinreichend gewahrt werden;33) eine Verbesserung der grenzüberschreitenden Publizität von insolvenzbezogenen Entscheidungen;34)
– –
die Standardisierung und Vereinfachung der grenzüberschreitenden Forderungsanmeldung;35)
–
die Einführung konzernspezifischer Regelungen.36)
Die Kommission hat – ebenfalls am 12.12.2012 – einen Vorschlag für eine Änderungsverordnung37) vorgelegt, mit welchem sie diese Punkte aufgegriffen hat. Änderungen zu diesem Entwurf hat das Europäische Parlament am 5.2.2014 in erster Lesung beschlossen.38) Zum Zeitpunkt der Drucklegung war eine allgemeine Ausrichtung im Rat noch nicht erreicht, wurde aber für den Juni 2014 angestrebt.39) 2.
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Erweiterung des Anwendungsbereichs (Art. 1 Abs. 1)
Der Kommissionsvorschlag zielt auf eine nicht unerhebliche Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung. Von den vier Merkmalen, denen ein Verfahren genügen muss, um in den Anwendungsbereich der geltenden Verordnung zu fallen (Gesamtverfahren, Insolvenz, Vermögensbeschlag, Übergang der Verfügungsbefugnis; siehe oben Rz. 6), ist allein das Erfordernis geblieben, dass es sich um ein Gesamtverfahren handeln muss. Konzeptionell orientiert sich der Vorschlag stark an dem UNCITRAL-Modelgesetz für grenzüberschreitende Insolvenzen.40) Erklärtes Ziel der Kommission ist es, auch vorinsolvenzliche Verfahren sowie solche Verfahren einzubeziehen, bei denen ein Verwalter nicht bestellt wird und welche die Ausübung der Verfügungsbefugnis durch den Schuldner unter eine ge_____________ Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, S. 12. Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, S. 16 f. Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, S. 18 f. Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, S. 19 f. Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg/Wien-Report, S. 17 f. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, KOM(2012)744. 38) Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/ 0360 (COD)); http://ec.europa.eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=en&DosId=202244 (PreLex). 39) Zwischenstände der Verhandlungen im Rat geben die Orientierungsdebatten v. 29.5.2013 (Rats-Dok. 10050/13) und v. 3.12.2013 (Rats-Dok. 17304/13) wieder. 40) Art. 2 Buchst. a UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvencies: „‘Foreign proceeding’ means a collective judicial or administrative proceeding in a foreign State, including an interim proceeding, pursuant to a law relating to insolvency in which proceeding the assets and affairs of the debtor are subject to control or supervision by a foreign court, for the purpose of reorganization or liquidation.“ 32) 33) 34) 35) 36) 37)
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Vorbemerkung
lockerte, bisweilen reaktive Kontrolle durch ein Gericht stellen (sog. „Hybridverfahren“). Das Europäische Parlament ist demgegenüber bestrebt, die Ausweitung des Anwendungsbereiches auf solche Verfahren zu beschränken, die zumindest eine drohende Insolvenz voraussetzen. Dies möchte das Europäische Parlament dadurch erreichen, dass Verfahren, die eine Insolvenz nicht voraussetzen, nur dann einbezogen werden, wenn sie der Abwehr einer ansonsten eintreffenden Insolvenz dienen.41) 3.
Internationale Zuständigkeit
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Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit sollen im Kern beibehalten werden, so dass es weiterhin auf den Interessenmittelpunkt (Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen) des Schuldners ankommen wird. Allerdings soll dieser Begriff unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes insbesondere durch die Übernahme des bisherigen Erwägungsgrund (13) präzisiert werden und durch verfahrensrechtliche Vorschriften flankiert werden, welche sicherstellen sollen, dass die Eröffnungsentscheidung auf einer amtswegigen Prüfung der internationalen Zuständigkeit beruht (Art. 3b Abs. 1 EuInsVO-E) und i. R. eines Rechtsmittels überprüft werden kann (Art. 3b Abs. 3).
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Zudem sieht der Kommissionsvorschlag vor, die bislang allein durch die Rechtsprechung anerkannte Erstreckung der durch Art. 3 begründeten Zuständigkeit für sog. Annexverfahren durch eine ausdrückliche Regelung festzuschreiben. Freilich lässt der Kommissionsvorschlag die eigentlich interessante Frage nach der konkreten Reichweite dieser Zuständigkeitsregelung offen (zu diesen siehe oben Rz. 12). Demgegenüber schlägt das Europäische Parlament eine (eng ausfallende) Legaldefinition für Annexverfahren vor, nach welcher es darauf ankommen soll, dass sich das Klageziel nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens erreichen lässt oder (bei Hinwegdenken des Verfahrens) hätte erreichen lassen und dass die Zulässigkeit der Klage die Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens voraussetzt.42) 4.
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Anwendbares Recht (Art. 4 ff)
Der Verordnungsvorschlag belässt es bei der auch bislang geltenden Grundkonzeption, nach welcher die grundsätzliche Anwendbarkeit des Rechts des Eröffnungsstaats (Art. 4) durch eine Reihe von Sonderanknüpfungen in den Art. 5 ff durchbrochen wird. Vorgeschlagen wird eine zusätzliche Sonderanknüpfung für Liquidationsnettingklauseln (Close-Out Netting Provisions) zugunsten des für diese Klauseln vereinbarten Rechts (Art. 6a EuInsVO-E);43) einschränkend möchte das Europäische Parlament die Sonderanknüpfung nur für solche Klauseln gelten lassen, bei denen die Gegenpartei des Schuldners ein Kreditinstitut oder ein in den Anwendungsbereich der Bankenabwicklungsrichtlinie 2001/24/EG44) fallende Wert_____________ 41) Europäisches Parlament, Legislative Entschließung v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/0360 (COD)), Abänderung 13. 42) Europäisches Parlament, Legislative Entschließung v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/0360 (COD)), Abänderung 22. 43) Zur Behandlung von Liquidationsnettingklauseln im autonomen IIR s. § 340 Rz. 9 ff. 44) Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.4.2001 über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, ABl. L 125/15.
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Vorbemerkung
papierfirma ist.45) Sodann soll ein neu einzufügender Art. 10a EuInsVO-E die (für das deutsche Recht nicht virulente) Zuständigkeitsfrage klären, die sich i. R. der Sonderanknüpfungen nach den Art. 8 und 10 (betreffend unbewegliche Gegenstände und Arbeitsverträge) stellen kann, wenn das anzuwendenden Recht bestimmte Maßnahmen unter den Vorbehalt einer Zustimmung durch das Insolvenzgericht stellt: Ist in dem betroffenen Mitgliedstaat kein (Sekundär-)Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, ob die erforderliche Zustimmung von dem – an sich gar nicht befassten – Insolvenzgericht des anderen Mitgliedstaates oder vom Insolvenzgericht des Eröffnungsstaates zu erteilen ist. Schließlich sieht der Kommissionsvorschlag eine Erweiterung des Art. 15 (betreffend die Unterbrechung von anhängigen Rechtsstreitigkeiten) auf Schiedsverfahren vor. 5.
Abstimmung von Haupt- und Sekundärverfahren
Der Kommissionsvorschlag belässt es bei dem Grundsatz, dass die (EU-)universellen Wirkungen des Hauptverfahrens durch die Eröffnung von Sekundärverfahren in Niederlassungsstaaten eingeschränkt werden können, um die Interessen der lokalen Gläubiger zu schützen und um die Abwicklung komplexer Verfahren durch die Einsetzung eines mit dem lokalen Recht und den lokalen Verhältnissen vertrauten Sekundärverwalters zu vereinfachen (Art. 27 ff). Verbesserungsfähig sind allerdings die Regelungen zur Abstimmung von Haupt- und Sekundärverfahren.
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Als unzweckmäßig und sanierungsfeindlich hat sich zunächst das Gebot des Art. 27 Satz 2 erwiesen, nach welchem es sich beim Sekundärverfahren zwingend um ein Liquidationsverfahren handeln muss. Folgerichtig ist dieses Gebot in der vorgeschlagenen Neufassung gestrichen.
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Sodann geht die Eröffnung von Sekundärverfahren insbesondere in Sanierungskontexten mit der Notwendigkeit einer Abstimmung mit dem Hauptverfahren einher. Zu deren Förderung hat die geltende Fassung der Verordnung zwar Informationsund Kooperationspflichten zwischen den Verwaltern geschaffen (Art. 31), doch erscheint es zweckmäßig, solche Pflichten, jedenfalls aber entsprechende Rechte auch für das Verhältnis zwischen den Gerichten zu schaffen (vgl. für das deutsche Recht § 348 Abs. 2 InsO). Zu diesem Zweck schlägt die Kommission die Einführung neuer Art. 31a f EuInsVO-E vor, durch welche Informations- und Kooperationspflichten auch für das Verhältnis zwischen den befassten Gerichten (Art. 31a EuInsVO-E) und zwischen den Gerichten und den in anderen Mitgliedstaaten bestellten Verwaltern (Art. 31b EuInsVO-E) geschaffen werden.
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Schließlich können im Einzelfall die zu erwartenden Kosten eines Sekundärverfahrens den erwartbaren Nutzen übersteigen, den die Durchführung des Verfahrens für die lokalen Gläubiger verspricht. Zur Vermeidung übermäßiger Kosten schlägt der Kommissionsvorschlag vor, dass die Gerichte im Niederlassungsstaat die Eröffnung eines Sekundärverfahrens ablehnen können, wenn sichergestellt ist, dass den Rechten der lokalen Gläubiger im Hauptverfahren hinreichend Rechnung getragen wird (Art. 29a EuInsVO-E). Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn der Hauptverwalter eine _____________
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45) Europäisches Parlament, Legislative Entschließung v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/0360 (COD)), Abänderung 33 (zu Art. 6a EuInsVO-E).
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Vorbemerkung
Verpflichtungserklärung (undertaking) abgegeben hat, aufgrund derer er verpflichtet ist, die lokalen Gläubiger i. R. des Hauptverfahrens so zu stellen wie sie im Falle der Eröffnung eines Sekundärverfahrens voraussichtlich stehen würden. Das Konzept, das durch das Europäische Parlament verfeinert worden ist, um den Schutz der Rechte der lokalen Gläubiger zu konkretisieren,46) läuft darauf hinaus, die Wirkungen des (vermiedenen) Sekundärverfahrens i. R. des Hauptverfahrens zu replizieren (daher das gängige Schlagwort vom synthetischen oder virtuellen Sekundärverfahren). Voraussetzung für solche synthetischen oder virtuellen Verfahren ist, dass der Verwalter ermächtigt ist, eine solche Verpflichtungserklärung abzugeben. Eine solche Ermächtigung sieht Art. 18 Abs. 1 EuInsVO-E vor, der entgegenstehendem nationalen Sachrecht vorgehen würde. 6.
Einführung eines Systems internetbasierter Insolvenzregister
29
Zu den Kernpunkten des Kommissionsvorschlags gehört die in den Art. 20a ff EuInsVO-E vorgeschlagene Einführung eines internetbasierten Systems nationaler Insolvenzregister. Das System soll auf nationalen Insolvenzregistern aufbauen, in denen verfahrensbezogene Informationen zu erfassen sind. Umfasst sein sollen insbesondere Informationen über das eröffnende Gericht, den Zeitpunkt der Eröffnung, die Eröffnungsentscheidung, die Art des eröffneten Verfahrens, den Schuldner und den Verwalter.
30
Der Vorschlag schließt ein an die Mitgliedstaaten gerichtetes Gebot zur Einführung und Unterhaltung eines internetbasierten Insolvenzregisters ein (Art. 20a EuInsVO-E). Mitgliedstaaten, die wie Deutschland bereits über solche Register verfügen (§ 9 InsO), haben dafür Sorge zu tragen, dass in diesen die nach Art. 20a Abs. 1 EuInsVO-E verlangten Informationen erfasst werden und dass sie mit den für die Verknüpfung erforderlichen Schnittstellen ausgestattet werden. Der Zugang zu den vernetzten nationalen Insolvenzregister soll über das e-Justice Portal ermöglicht werden (Art. 20b EuInsVO-E).
31
Die Einzelheiten, insbesondere zu den Mindestkriterien, für die Suche in den Registern und die Darstellung der Suchergebnisse, soll nach den Vorstellungen durch einen Durchführungsrechtsakt festgelegt werden (Art. 45b EuInsVO-E).
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Streitig ist in den Verhandlungen insbesondere die Frage, ob bei Verbraucherverfahren das Interesse der Verbraucher an Vertraulichkeit der verfahrensbezogenen Informationen oder das Informationsbedürfnis des Verkehrs den Vorrang genießen soll. Während der Kommissionsvorschlag Verbraucherverfahren dem Anwendungsbereich der Bestimmungen zum Insolvenzregister herausgenommen hat (Art. 20d EuInsVO-E), möchte das Europäische Parlament Verbraucherverfahren einbeziehen.47) _____________ 46) Europäisches Parlament, Legislative Entschließung v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/0360 (COD)), Abänderungen 35 (betreffend Art. 18 EuInsVO-E) und 42–48 (betreffend Art. 29a EuInsVO-E). 47) Europäisches Parlament, Legislative Entschließung v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/0360 (COD)), Abänderung 37 (betreffend Art. 20d).
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EuInsVO
Vorbemerkung
7.
Erleichterungen bei der grenzüberschreitenden Forderungsanmeldung
Um ausländischen Gläubigern, insbesondere Verbrauchern sowie kleinen Unternehmen, die Geltendmachung ihrer Rechte weiter zu erleichtern, sieht der Kommissionsvorschlag die Einführung von Standardformularen für die Mitteilung an die Gläubiger und für die Anmeldung der Forderungen vor (Art. 41 EuInsVO-E). Diese sollen im Wege eines Durchführungsrechtsakts festgelegt werden (Art. 45b EuInsVO-E). Zur Verringerung der Übersetzungskosten sollen diese Standardformulare in allen Amtssprachen der Europäischen Union vorliegen; Forderungen sollen grundsätzlich in allen Amtssprachen angemeldet werden können (Art. 41 Abs. 3 EuInsVO-E). Nach den Vorstellungen der Kommission sollen ausländische Gläubiger für die Forderungsanmeldung eine Frist von mindestens 45 Tagen nach Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung im Insolvenzregister auch dann haben, wenn das nationale Verfahrensrecht eine kürzere Frist vorsieht (Art. 41 Abs. 4 EuInsVO-E). 8.
33
Ergänzung um konzernspezifische Instrumentarien
Die geltende Fassung der EuInsVO enthält – aufgrund einer bewussten Entscheidung des Verordnungsgebers48) – keine konzernspezifischen Regelungen. Die Praxis hat zuweilen versucht, diese Lücke dadurch zu schließen, dass sie einzelnen Verordnungsbestimmungen wie insbesondere der Regelung zur internationalen Zuständigkeit in Art. 3 Abs. 1 eine konzerndimensionale Lesart gaben: Hiernach soll der Interessenmittelpunkt einer konzernangehörigen Gesellschaft jedenfalls dann der Sitz der Konzernleitungsmacht sein, wenn sich die Gesellschaft dieser Leitungsmacht zumindest faktisch unterworfen hat.49) Dem ist der Europäische Gerichtshof in der Eurofood-Entscheidung zu Recht entgegengetreten, indem er auf das in Erwägungsgrund (13) ausdrücklich vorausgesetzte Erfordernis der Erkennbarkeit für Dritte verwies und daraus folgerte, dass die nach außen hin nicht erkennbare Unterwerfung einer Gesellschaft unter die Konzernleitungsmacht nicht zuständigkeitsbegründend sein kann.50)
34
Diese Lücke möchte die Kommission mit ihrem Vorschlag zur Einführung neuer Art. 42a ff EuInsVO-E schließen. Diese Regelungen zielen in zwei Richtungen. Zum einen sollen zwischen den Gerichten und Verwaltern – in Anlehnung an die bestehenden Regelungen und Vorschläge zum Verhältnis von Haupt- und Sekundärverfahren (Art. 31 ff EuInsVO-E) – Informations- und Kooperationspflichten zwischen den Verwaltern und Gerichten begründet werden (Art. 42a – 42c EuInsVO-E). Zum anderen möchte Art. 42d EuInsVO-E den Verwaltern in den einzelnen Verfahren weitgehende Teilnahmerechte in den jeweils anderen Verfahren einräumen. Diese reichen von einem Anhörungs- und Teilnahmerecht, über das Recht zum Vorschlag von Sanierungsplänen bis hin zum Recht, die anderen Verfahren auszusetzen. Freilich geht dieser Ansatz mit der Gefahr einher, dass die Verwalter von den ihnen eingeräumten Rechten nicht immer nur zweckentsprechendem Ge-
35
_____________ 48) Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rz. 76: „Das Übereinkommen enthält keine Vorschriften für Unternehmenszusammenschlüsse (in der Form von Mutter- und Tochtergesellschaften).“ 49) Zuletzt OLG Wien – 28 R 370/13g, ZIK 2014, 29, mit Anm. Haidmayer, ZIK 2014, 4. 50) EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), Rz. 37, ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484.
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EuInsVO
Vorbemerkung
brauch machen. Um insbesondere zu verhindern, dass ein strategischer oder gar missbräuchlicher Gebrauch dieser Rechte zu Verzögerungen oder gar Blockaden im Bemühen um eine koordinierte Insolvenzabwicklung führt, hat das Europäische Parlament einen Alternativvorschlag vorgelegt, der sich eng an den im Regierungsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (EKIG-E) vorgeschlagenen §§ 269d ff InsO-E orientiert.51) Hiernach soll das Recht zur Vorlage von Sanierungsplänen sowie das Recht zur Erwirkung einer Aussetzung anderer Verfahren bei einem Koordinator konzentriert werden.52) IV. Auslegung 36
Die Auslegung der EuInsVO hat, den Grundsätzen des Europarechts entsprechend, losgelöst von nationalen Begriffen, verordnungsautonom zu erfolgen.53) Bei der Bestimmung des verordnungsautonomen Sinns kommt dem Wortlaut in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine herausragende Rolle zu.54) Dies geht teils sogar zulasten von an sich überzeugenden teleologischen55) und historisch-genetischen56) Auslegungsargumenten. Im Übrigen rekurriert der Europäische Gerichtshof regelmäßig auch auf die der Verordnung vorangestellten Erwägungsgründe.57)
_____________ 51) S. zu diesen die Erläuterungen von Graf-Schlicker/Bornemann zum RegE Konzerninsolvenzen. 52) Europäisches Parlament, Legislative Entschließung v. 5.2.2014 zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, (COM (2012) 0744-C7-0413/2012-2012/0360 (COD)), Abänderungen 60 – 65. 53) EuGH, Urt. v. 20.11.2011 – Rs. C-396/09 (Interedil), Rz. 42, ZIP 2011, 2153 = ZInsO 2011, 2123: „Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontextes der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss.“ 54) Zur „verbreitete(n) Dominanz des Wortlautarguments im methodischen Handwerkkasten des EuGH“ s. Paulus, EWiR 2013, 719. 55) So EuGH, Urt. v. 19.9.2013 – Rs. C-251/12 (van Buggenhout), ZIP 2013, 1338, das auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich überzeugenden Argument verzichtet, wonach in Anweisungsfällen die Auszahlung im Zuwendungsverhältnis (d. h. die Ausführung der Überweisung durch die kontoführende Bank) als eine Leistung des Angewiesenen (d. h. der Bank) an den Anweisenden (d. h. den anweisenden Bankkunden) zu erblicken ist, für die das Privileg des Art. 24 gelten sollte; näher hierzu Paulus, EWiR 2013, 719. 56) So EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12 (Schmid), ZIP 2014, 181 = NZI 2014, 134, das auf eine Auseinandersetzung mit dem auf der Hand liegenden Befund verzichtete, dass die Verhandlungen zum Europäischen Übereinkommen über Insolvenzverfahren (EuInsVÜ), aus dem die EuInsVO ohne substantielle Änderungen hervorgegangen ist, auf Grundlage des allseits geteilten Verständnisses geführt wurden, dass das Übereinkommen allein innerhalb des Territoriums der Europäischen Union Wirkungen entfalten würden (s. dazu Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rz. 11: „Selbst dann regelt das Übereinkommen aber nicht die Wirkungen des Verfahrens gegenüber Drittstaaten. In Bezug auf Drittstaaten hindert das Übereinkommen die Vertragsstaaten nicht daran, geeignete Vorschriften zu erlassen“). 57) Die Erwägungsgründe sind am Ende der Kommentierung nach Art. 47 EuInsVO abgedruckt.
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Artikel 1 EuInsVO
Anwendungsbereich
Daneben kommt dem nach wie vor dem sehr instruktiven Erläuternden Bericht zum Europäischen Übereinkommen über Insolvenzverfahren,58) mit dessen Entwurf die EuInsVO in weiten Teilen übereinstimmt, herausragende Bedeutung zu.
37
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, welche die Auslegung der EuInsVO durch die nationalen Gerichte leiten, liegen in mittlerweile beachtlicher und weiter anwachsender Zahl vor. Während der Fokus dieser Entscheidungen in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten der EuInsVO auf dem Interessenmittelpunkt als dem für die Begründung der internationalen Zuständigkeit maßgeblichen Kriterium lag (siehe oben Rz. 11), mehren sich seither auch Entscheidungen, in denen es um die Auslegung anderer Bestimmungen geht. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Entscheidungen, denen es um die Konkretisierung der Deko Marty-Rechtsprechung geht, d. h. um die Frage, welche (Annex-)Verfahren einen hinreichenden Bezug zum Insolvenzverfahren aufweisen, um in den Anwendungsbereich der EuInsVO zu fallen (siehe oben Rz. 12). _____________
38
58) Virgós/Schmit in: Stoll, S. 32 ff; im Internet abrufbar unter www.sites.google.com/site/ virgosreport.
Kapitel I Allgemeine Vorschriften Artikel 1 Anwendungsbereich Bornemann/Sabel/Schlegel
(1) Diese Verordnung gilt für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben. (2) Diese Verordnung gilt nicht für Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen oder Kreditinstituten, von Wertpapierfirmen, die Dienstleistungen erbringen, welche die Haltung von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen, sowie von Organismen für gemeinsame Anlagen.
Artikel 102 § 2 EGInsO Begründung des Eröffnungsbeschlusses Ist anzunehmen, dass sich Vermögen des Schuldners in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union befindet, sollen im Eröffnungsbeschluss die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen kurz dargestellt werden, aus denen sich eine Zuständigkeit nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 für die deutschen Gerichte ergibt. Literatur: Balz, Das neue Europäische Insolvenzübereinkommen, ZIP 1996, 948; Herchen, Scheinauslandsgesellschaften im Anwendungsbereich der EuInsVO, ZInsO 2003, 133; Moss u. a., European Insolvency Regulation – Jurisdiction Issues, Tagungsbericht der Amsterdamer Konferenz v. 28.4.2011, IILR 2011, 237; Paulus, EuInsVO: Änderungen am Horizont und ihre Auswirkungen, NZI 2012, 297; Reinhart, Die Überarbeitung der
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Artikel 1 EuInsVO
Anwendungsbereich
Daneben kommt dem nach wie vor dem sehr instruktiven Erläuternden Bericht zum Europäischen Übereinkommen über Insolvenzverfahren,58) mit dessen Entwurf die EuInsVO in weiten Teilen übereinstimmt, herausragende Bedeutung zu.
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Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, welche die Auslegung der EuInsVO durch die nationalen Gerichte leiten, liegen in mittlerweile beachtlicher und weiter anwachsender Zahl vor. Während der Fokus dieser Entscheidungen in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten der EuInsVO auf dem Interessenmittelpunkt als dem für die Begründung der internationalen Zuständigkeit maßgeblichen Kriterium lag (siehe oben Rz. 11), mehren sich seither auch Entscheidungen, in denen es um die Auslegung anderer Bestimmungen geht. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Entscheidungen, denen es um die Konkretisierung der Deko Marty-Rechtsprechung geht, d. h. um die Frage, welche (Annex-)Verfahren einen hinreichenden Bezug zum Insolvenzverfahren aufweisen, um in den Anwendungsbereich der EuInsVO zu fallen (siehe oben Rz. 12). _____________
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58) Virgós/Schmit in: Stoll, S. 32 ff; im Internet abrufbar unter www.sites.google.com/site/ virgosreport.
Kapitel I Allgemeine Vorschriften Artikel 1 Anwendungsbereich Bornemann/Sabel/Schlegel
(1) Diese Verordnung gilt für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben. (2) Diese Verordnung gilt nicht für Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen oder Kreditinstituten, von Wertpapierfirmen, die Dienstleistungen erbringen, welche die Haltung von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen, sowie von Organismen für gemeinsame Anlagen.
Artikel 102 § 2 EGInsO Begründung des Eröffnungsbeschlusses Ist anzunehmen, dass sich Vermögen des Schuldners in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union befindet, sollen im Eröffnungsbeschluss die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen kurz dargestellt werden, aus denen sich eine Zuständigkeit nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 für die deutschen Gerichte ergibt. Literatur: Balz, Das neue Europäische Insolvenzübereinkommen, ZIP 1996, 948; Herchen, Scheinauslandsgesellschaften im Anwendungsbereich der EuInsVO, ZInsO 2003, 133; Moss u. a., European Insolvency Regulation – Jurisdiction Issues, Tagungsbericht der Amsterdamer Konferenz v. 28.4.2011, IILR 2011, 237; Paulus, EuInsVO: Änderungen am Horizont und ihre Auswirkungen, NZI 2012, 297; Reinhart, Die Überarbeitung der
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EuInsVO Artikel 1
Anwendungsbereich
EuInsVO, NZI 2012, 304; Wimmer, Die Richtlinien 2001/17 EG und 2001/24 EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, ZInsO 2002, 897. Übersicht I. Funktion der Vorschrift ..................... 1 II. Pflicht zur Begründung der internationalen Zuständigkeit (Art. 102 § 2 EGInsO) ......................... 2 III. Räumlicher Anwendungsbereich ...... 3
I. 1
IV. Sachlicher Anwendungsbereich (Abs. 1) .................................................. 8 V. Persönlicher Anwendungsbereich (Abs. 2) ................................................ 10
Funktion der Vorschrift
Art. 1 legt den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung fest, nicht dagegen den räumlichen Anwendungsbereich, für den eine ausdrückliche Regelung in der EuInsVO fehlt. Bei der Auslegung der Norm sind die Erwägungsgründe 9 und 10 zu beachten. II. Pflicht zur Begründung der internationalen Zuständigkeit (Art. 102 § 2 EGInsO)
2
Eröffnet ein deutsches Insolvenzgericht ein Verfahren auf Grundlage der EuInsVO, weil es deren Anwendungsbereich i. R. der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung seiner internationalen Zuständigkeit für eröffnet hält, so sollte es dies – vor allem wegen der damit verbundenen Anerkennungswirkungen innerhalb der EU1) – bereits in der Eingangsformel seiner Entscheidung, jedenfalls aber innerhalb des Eröffnungsbeschlusses deutlich zum Ausdruck bringen. Nach Art. 102 § 2 EGInsO besteht eine Pflicht zur Begründung des Eröffnungsbeschlusses immer dann, wenn anzunehmen ist, dass sich Vermögen des Schuldners in einem anderen Mitgliedstaat befindet. III. Räumlicher Anwendungsbereich
3
Die EuInsVO gilt in allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks, das von der in Art. 69 EGV vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich nicht an der Annahme der Verordnung zu beteiligen („opt-out“).2) In den übrigen Mitgliedstaaten gelangt die EuInsVO grundsätzlich im gesamten Hoheitsgebiet zur Anwendung. Hinsichtlich der außereuropäischen Territorien einzelner Mitgliedstaaten ergeben sich allerdings Einschränkungen aus Art. 355 AEUV, der für bestimmte Gebiete die Nichtgeltung des europäischen Rechts anordnet.3)
4
Die Anwendung der EuInsVO setzt nach dem Erwägungsgrund 14 stets voraus, dass der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (centre of main interests – COMI, dazu Art. 3 Rz. 2 ff) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (stets: mit Ausnahme Dänemarks) hat. Ist dies nicht der Fall, bestimmt allein das Internationale Insolvenzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten, ob ein (Partikular- oder Sekundär-)Insolvenzverfahren gegen den Schuldner eröffnet werden darf, und legt die anwendbaren Normen fest (in Deutschland §§ 354, 356 _____________ 1) 2) 3)
Art. 17; vgl. hierzu Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 17 EuInsVO Rz. 1 ff. Vgl. Protokoll (Nr. 22) hier die Position Dänemarks, Abl, C-326/299 v. 26.10.2012. Vgl. Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, EuInsVO, Art. 1 Rz. 10.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 1 EuInsVO
Anwendungsbereich
InsO). Dies gilt auch dann, wenn es weitere Vermögensgegenstände oder Gläubiger in anderen Mitgliedstaaten gibt und sich damit die Frage erhebt, welche Wirkungen ein solches Verfahren in anderen Vertragsstaaten hat.4) Darüber hinaus erfordert die Anwendung der EuInsVO stets einen Auslandsbezug. Es muss sich um ein „internationales“, grenzüberschreitendes Insolvenzverfahren handeln. Rein nationale Sachverhalte, deren Auswirkungen auf das Gebiet eines Mitgliedstaats und seine Staatsangehörigen beschränkt bleiben, führen nicht zur Anwendung der EuInsVO. Ein ausreichender Auslandsbezug liegt aber bereits vor, wenn einzelne Vermögensgegenstände des Schuldners im Ausland belegen sind oder wenn ein Gläubiger in einem anderen Mitgliedstaat seinen Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.5)
5
Umstritten war, ob die EuInsVO nur dann eingreift, wenn sich dieser Auslandsbezug zumindest auch auf einen anderen Mitgliedstaat bezieht (Lehre vom „qualifizierten Gemeinschaftsbezug“),6) oder ob ein Insolvenzverfahren bereits dann auf der Grundlage der EuInsVO zu eröffnen ist, wenn der Sachverhalt (zunächst) lediglich grenzüberschreitende Bezüge zu einem Nichtmitgliedstaat aufweist.7) In seiner Entscheidung in der Rechtssache Schmid lässt der Europäische Gerichtshof den Bezug zu einem Nichtmitgliedstaat genügen, soweit es die Zuständigkeitsbestimmungen des Art. 3 Abs. 1 angeht.8) Dem Urteil lässt sich aber auch entnehmen, dass sich die Frage nach der Erforderlichkeit eines qualifizierten Gemeinschaftsbezugs nicht pauschal für die Verordnung im Ganzen beantworten lässt, sondern vielmehr für jede Vorschrift gesondert zu prüfen ist. Hiernach dürfte für die meisten Vorschriften ein qualifizierten Gemeinschaftsbezug vorauszusetzen sein (siehe oben Vorb. EuInsVO Rz. 8).
6
Nach der Schmid-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind Insolvenzverfahren bei feststehendem Auslandsbezug ausdrücklich als EuInsVO-Verfahren zu eröffnen, auch wenn zur Zeit der Eröffnung nur Bezüge in das nichteuropäische Ausland feststellbar sind.9) Es finden dann jedoch nicht automatisch sämtliche Vorschriften der EuInsVO Anwendung, weil die Verordnung weder die Wirkungen eines europäischen Insolvenzverfahrens gegenüber Drittstaaten noch die Anerkennung eines in einem Drittstaat eröffneten Verfahrens regelt.10) Ergänzend sind daher die Vorschriften des autonomen Internationalen Insolvenzrechts (§§ 335 – 358 InsO) heranzuziehen.
7
_____________ Virgós/Schmit, Nr. 44a und Nr. 82. Vgl. Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, EuInsVO, Art. 1 Rz. 16. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, EuInsVO, Art. 1 Rz. 8. Sabel/Schlegel, EWiR 2003, 367 f unter Hinweis auf High Court of Justice London, Urt. v. 7.2.2003 – 0043/2003 (BRAC Rent-a-Car), ZIP 2003, 813; jetzt wohl auch Herchen, ZInsO 2003, 742, 745 f; vgl. auch AG Hamburg, Beschl. v. 16.8.2006 – 67a IE 1/06, ZIP 2006, 1642 = ZInsO 2006, 1006. 8) EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rs. C-328/12, (Schmid), ZIP 2014, 181 = NZI 2014, 134, dazu EWiR 2014, 85 (Paulus). 9) EuGH, Urt. v. 16.1.2014 – Rz. C-328/12 (Schmid), ZIP 2014, 181. 10) Näher Vorb. EuInsVO Rz. 8, Vor §§ 335 – 358 Rz. 7; vgl. Virgós/Schmit, Nr. 44b. 4) 5) 6) 7)
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EuInsVO Artikel 1
Anwendungsbereich
IV. Sachlicher Anwendungsbereich (Abs. 1) 8
Absatz 1 regelt abstrakt, welche Arten von Gesamtverfahren unter den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen (vgl. Erwägungsgrund 1). Konkretisiert wird diese Regelung durch die Legaldefinition in Art. 2 Buchst. a und die Liste der Insolvenzverfahren im Anhang A der EuInsVO, der selbst Teil der Verordnung ist und alle unter die Verordnung fallenden Verfahren verbindlich und abschließend aufzählt (vgl. Art. 2 Rz. 2). Die Verordnung erfasst sowohl Gesamtvollstreckungsverfahren als auch Verfahren, die der Sanierung des Schuldnerunternehmens dienen. Verfahren zur Vermeidung der Insolvenz werden (derzeit)11) hingegen nicht erfasst.12)
9
Die Definition des sachlichen Anwendungsbereichs in Art. 1 Abs. 1 ist damit außer für das Verfahren zur Änderung der Anhänge nach Art. 45 für die Praxis nur in den seltenen Fällen relevant, in denen ein in die Liste aufgenommenes Verfahren verschiedenen Zwecken – z. B. auch der Abwicklung eines solventen Unternehmens – dienen kann. Ein solches Verfahren fällt nur dann in den Anwendungsbereich des Übereinkommens, wenn es auf einer Insolvenz des Schuldners beruht.13) V. Persönlicher Anwendungsbereich (Abs. 2)
10
Der persönliche Anwendungsbereich der EuInsVO wird in Absatz 2 nur negativ abgegrenzt. Insolvenzen von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten sowie Wertpapierunternehmen und Investment- bzw. Fondsgesellschaften („Organismen für gemeinsame Anlagen“) richten sich damit nicht nach der EuInsVO, sondern nach nationalem Recht, in Deutschland also den §§ 335 ff InsO. Diese werden allerdings – für die Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen – durch Spezialregelungen ergänzt und teils verdrängt, welche ebenfalls auf europarechtliche Vorgaben zurückgehen.14) Aufgrund dieser Spezialregelungen ist für diese Unternehmen insbesondere die Durchführung eines Sekundärinsolvenzverfahrens ausgeschlossen (§ 46e Abs. 1 KWG, § 88 Abs. 1a VAG).
11
Im Übrigen bestimmt sich die Insolvenzfähigkeit gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung (lex concursus). Die EuInsVO unterscheidet insbesondere nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen, Kaufleuten oder Verbrauchern (Erwägungsgrund 9). Im Hinblick auf Konzerne geht die EuInsVO – nicht anders als auch die Insolvenzrechte der Mitgliedstaaten – davon aus, dass es sich bei den konzernmäßig verbundenen Unternehmen um jeweils eigenständige Rechtsträger handelt, für welche die Eröffnungsvoraussetzungen gesondert zu prüfen sind.15) Folglich ist auch die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung von Verfahren für jedes Konzernglied gesondert zu prüfen. Vor diesem Hintergrund verbietet sich nicht nur die Gleichsetzung des Interessenmittelpunkt _____________ 11) Zu den diesbezüglichen Reformüberlegungen s. o. Vorbem. EuInsVO Rz. 21. 12) Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 1 EuInsVO Rz. 4, der als Beispiel für nicht erfasste Verfahren das französische Verfahren „consilation“ anführt. 13) Vgl. Virgós/Schmit, Nr. 49, die als Beispiel die „Winding-up-Verfahren“ des britischen und des irischen Rechts anführen. 14) Vgl. hierzu eingehend Wimmer, ZInsO 2002, 897. 15) Zum Fehlen von konzernspezifischen Regelungen in der geltenden Verordnungsfassung und zu den Vorschlägen zur Einführung solcher Regelung i. R. der gegenwärtigen Überarbeitung s. Vorb. EuInsVO Rz. 34.
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Artikel 2 EuInsVO
Definitionen
einer konzernangehörigen Gesellschaft mit dem Sitz der Konzernleitungsmacht,16) sondern auch die vorgesehene Erstreckung des Verfahrens über das Vermögen einer Konzerngesellschaft auf das Vermögen einer anderen Konzerngesellschaft, deren Interessenmittelpunkt in einem anderen Mitgliedstaat verortet ist.17) _____________ 16) EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), Rz. 33 ff, ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484. 17) EuGH, Urt. v. 15.12.2011 – Rs. C-191/10 (Rastelli), Rz. 26 ff, 37 f, ZIP 2012, 183 = NZI 2012, 147, m. Anm. Mankowski, dazu EWiR 2012, 87 (Paulus).
Artikel 2 Definitionen Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet a) „Insolvenzverfahren“ die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Gesamtverfahren. Diese Verfahren sind in Anhang A aufgeführt; b) „Verwalter“ jede Person oder Stelle, deren Aufgabe es ist, die Masse zu verwalten oder zu verwerten oder die Geschäftstätigkeit des Schuldners zu überwachen. Diese Personen oder Stellen sind in Anhang C aufgeführt; c) „Liquidationsverfahren“ ein Insolvenzverfahren im Sinne von Buchstabe a), das zur Liquidation des Schuldnervermögens führt, und zwar auch dann, wenn dieses Verfahren durch einen Vergleich oder eine andere die Insolvenz des Schuldners beendende Maßnahme oder wegen unzureichender Masse beendet wird. Diese Verfahren sind in Anhang B aufgeführt; d) „Gericht“ das Justizorgan oder jede sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaats, die befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen oder im Laufe des Verfahrens Entscheidungen zu treffen; e) „Entscheidung“ falls es sich um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Bestellung eines Verwalters handelt, die Entscheidung jedes Gerichts, das zur Eröffnung eines derartigen Verfahrens oder zur Bestellung eines Verwalters befugt ist; f)
„Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung“ den Zeitpunkt, in dem die Eröffnungsentscheidung wirksam wird, unabhängig davon, ob die Entscheidung endgültig ist;
g) „Mitgliedstaat, in dem sich ein Vermögensgegenstand befindet“ im Fall von –
körperlichen Gegenständen den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Gegenstand belegen ist,
–
Gegenständen oder Rechten, bei denen das Eigentum oder die Rechtsinhaberschaft in ein öffentliches Register einzutragen ist, den Mitgliedstaat, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird,
–
Forderungen den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 hat; Bornemann/Sabel/Schlegel
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Artikel 2 EuInsVO
Definitionen
einer konzernangehörigen Gesellschaft mit dem Sitz der Konzernleitungsmacht,16) sondern auch die vorgesehene Erstreckung des Verfahrens über das Vermögen einer Konzerngesellschaft auf das Vermögen einer anderen Konzerngesellschaft, deren Interessenmittelpunkt in einem anderen Mitgliedstaat verortet ist.17) _____________ 16) EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), Rz. 33 ff, ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484. 17) EuGH, Urt. v. 15.12.2011 – Rs. C-191/10 (Rastelli), Rz. 26 ff, 37 f, ZIP 2012, 183 = NZI 2012, 147, m. Anm. Mankowski, dazu EWiR 2012, 87 (Paulus).
Artikel 2 Definitionen Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet a) „Insolvenzverfahren“ die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Gesamtverfahren. Diese Verfahren sind in Anhang A aufgeführt; b) „Verwalter“ jede Person oder Stelle, deren Aufgabe es ist, die Masse zu verwalten oder zu verwerten oder die Geschäftstätigkeit des Schuldners zu überwachen. Diese Personen oder Stellen sind in Anhang C aufgeführt; c) „Liquidationsverfahren“ ein Insolvenzverfahren im Sinne von Buchstabe a), das zur Liquidation des Schuldnervermögens führt, und zwar auch dann, wenn dieses Verfahren durch einen Vergleich oder eine andere die Insolvenz des Schuldners beendende Maßnahme oder wegen unzureichender Masse beendet wird. Diese Verfahren sind in Anhang B aufgeführt; d) „Gericht“ das Justizorgan oder jede sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaats, die befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen oder im Laufe des Verfahrens Entscheidungen zu treffen; e) „Entscheidung“ falls es sich um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Bestellung eines Verwalters handelt, die Entscheidung jedes Gerichts, das zur Eröffnung eines derartigen Verfahrens oder zur Bestellung eines Verwalters befugt ist; f)
„Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung“ den Zeitpunkt, in dem die Eröffnungsentscheidung wirksam wird, unabhängig davon, ob die Entscheidung endgültig ist;
g) „Mitgliedstaat, in dem sich ein Vermögensgegenstand befindet“ im Fall von –
körperlichen Gegenständen den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Gegenstand belegen ist,
–
Gegenständen oder Rechten, bei denen das Eigentum oder die Rechtsinhaberschaft in ein öffentliches Register einzutragen ist, den Mitgliedstaat, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird,
–
Forderungen den Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 hat; Bornemann/Sabel/Schlegel
1657
EuInsVO Artikel 2
Definitionen
h) „Niederlassung“ jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.
Artikel 102a EGInsO Insolvenzverwalter aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union 1
Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und Personen, die in einem dieser Staaten ihre berufliche Niederlassung haben, können das Verfahren zur Aufnahme in eine von dem Insolvenzgericht geführte Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter über eine einheitliche Stelle nach 2 den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes abwickeln. Über Anträge auf Aufnahme in eine Vorauswahlliste ist in diesen Fällen innerhalb einer Frist 3 von drei Monaten zu entscheiden. § 42a Absatz 2 Satz 2 bis 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend. Literatur: Vallender, Zugang ausländischer Insolvenzverwalter zur Vorauswahlliste deutscher Insolvenzverwalter nach Art. 102a EGInsO, ZIP 2011, 454.
1
Entsprechend dem üblichen Aufbau europäischer Verordnungen enthält Art. 2 den Kanon der Begriffsdefinitionen für die in der EuInsVO verwendeten Fachbegriffe. Diese Definitionen sind für die Auslegung der EuInsVO bindend und werden jeweils im Zusammenhang mit den einzelnen Vorschriften erläutert.
2
Die Definitionen der von der EuInsVO erfassten Verfahren (Buchst. a und c) und der Verwalter (Buchst. b) werden in den drei Anhängen, die ihrerseits verbindlicher Bestandteil der EuInsVO sind, abschließend konkretisiert. Die Anhänge wurden zuletzt im Jahr 2013 aus Anlass des Beitritts Kroatiens neu gefasst.1) Für Juni 2014 steht eine erneute Neufassung auf der Agenda des Rats, welche auf Änderungsmeldungen von Litauen, Irland, Griechenland, Luxemburg, Polen und Portugal, zurückgeht.2)
3
Zur Tätigkeit von Insolvenzverwaltern aus anderen EU-Mitgliedstaaten sind die Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie3) zu beachten, deren Umsetzung für die Tätigkeit ausländischer Insolvenzverwalter in Deutschland in Art. 102a EGInsO erfolgt ist. Die Vorschrift beschränkt sich auf eine Verfahrensregelung zur Aufnahme in die von Insolvenzgerichten geführten Vorauswahllisten für Insolvenzverwalter. Seit Inkrafttreten des ESUG hat sich die praktische Relevanz dieser Vorschrift weitgehend erübrigt, da die Bestellung zum Insolvenzverwalter nicht zwingend voraussetzt, dass die bestellte Person in einer Vorauswahlliste des zuständigen Insolvenzgerichts geführt wird (siehe hierzu §§ 56, 56a InsO Rz. 63) und da sich die Frage der Bestellungen ausländischer Insolvenzverwalter in der Praxis wohl nur bei _____________ 1) 2)
3)
Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates v. 13.5.2013, ABl. L 158/1. Zum Änderungsverfahren vgl. Art. 45; die Anhänge sind abgedr. im Anh. EuInsVO. S. den Kommissionsvorschlag für eine Durchführungsverordnung des Rates zur Ersetzung der Listen von Insolvenzverfahren, Liquidationsverfahren und Verwaltern in den Anhängen A, B und C der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, KOM(2013)802. Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 v. 27.12.2006.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 3 EuInsVO
Internationale Zuständigkeit
Frage der Bestellungen ausländischer Insolvenzverwalter in der Praxis wohl nur bei Gruppeninsolvenzen und Unternehmen stellt, bei denen die Schwellenwerte des § 22a InsO überschritten werden. An Vorauswahllisten der Insolvenzgerichte sind vorläufige Gläubigerausschüsse in ihrer Entscheidung nicht gebunden (siehe hierzu §§ 56, 56a InsO Rz. 49). 4
Über den Antrag auf Aufnahme hat das Insolvenzgericht grundsätzlich innerhalb einer Drei-Monats-Frist zu entscheiden. Die Verweisung auf § 42a Abs. 2 Satz 2 bis 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bewirkt insbesondere, dass die Frist erst mit vollständigem Eingang aller Antragsunterlagen beginnt und eine Fristverlängerung wegen besonderer Schwierigkeit der Angelegenheit möglich ist. Ein ablehnender Bescheid des Insolvenzgerichts ist, da es sich um einen Justizverwaltungsakt handelt, im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG und nicht im Wege der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage anzugreifen.4) _____________ 4)
Vallender, ZIP 2011, 454, 457.
Artikel 3 Internationale Zuständigkeit (1) 1Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. 2Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist. (2) 1Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaats, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. 2Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses letzteren Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. (3) 1Wird ein Insolvenzverfahren nach Absatz 1 eröffnet, so ist jedes zu einem späteren Zeitpunkt nach Absatz 2 eröffnete Insolvenzverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren. 2Bei diesem Verfahren muss es sich um ein Liquidationsverfahren handeln. (4) Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 kann ein Partikularverfahren nach Absatz 2 nur in den nachstehenden Fällen eröffnet werden: a) falls die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 angesichts der Bedingungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nicht möglich ist; b) falls die Eröffnung des Partikularverfahrens von einem Gläubiger beantragt wird, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in dem Mitgliedstaat hat, in dem sich die betreffende Niederlassung befindet, oder dessen Forderung auf einer sich aus dem Betrieb dieser Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit beruht. Bornemann/Sabel/Schlegel
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Artikel 3 EuInsVO
Internationale Zuständigkeit
Frage der Bestellungen ausländischer Insolvenzverwalter in der Praxis wohl nur bei Gruppeninsolvenzen und Unternehmen stellt, bei denen die Schwellenwerte des § 22a InsO überschritten werden. An Vorauswahllisten der Insolvenzgerichte sind vorläufige Gläubigerausschüsse in ihrer Entscheidung nicht gebunden (siehe hierzu §§ 56, 56a InsO Rz. 49). 4
Über den Antrag auf Aufnahme hat das Insolvenzgericht grundsätzlich innerhalb einer Drei-Monats-Frist zu entscheiden. Die Verweisung auf § 42a Abs. 2 Satz 2 bis 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bewirkt insbesondere, dass die Frist erst mit vollständigem Eingang aller Antragsunterlagen beginnt und eine Fristverlängerung wegen besonderer Schwierigkeit der Angelegenheit möglich ist. Ein ablehnender Bescheid des Insolvenzgerichts ist, da es sich um einen Justizverwaltungsakt handelt, im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG und nicht im Wege der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage anzugreifen.4) _____________ 4)
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Artikel 3 Internationale Zuständigkeit (1) 1Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. 2Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist. (2) 1Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaats, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. 2Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses letzteren Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. (3) 1Wird ein Insolvenzverfahren nach Absatz 1 eröffnet, so ist jedes zu einem späteren Zeitpunkt nach Absatz 2 eröffnete Insolvenzverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren. 2Bei diesem Verfahren muss es sich um ein Liquidationsverfahren handeln. (4) Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 kann ein Partikularverfahren nach Absatz 2 nur in den nachstehenden Fällen eröffnet werden: a) falls die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 angesichts der Bedingungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nicht möglich ist; b) falls die Eröffnung des Partikularverfahrens von einem Gläubiger beantragt wird, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in dem Mitgliedstaat hat, in dem sich die betreffende Niederlassung befindet, oder dessen Forderung auf einer sich aus dem Betrieb dieser Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit beruht. Bornemann/Sabel/Schlegel
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EuInsVO Artikel 3
Internationale Zuständigkeit
Artikel 102 § 1 EGInsO Örtliche Zuständigkeit (1) Kommt in einem Insolvenzverfahren den deutschen Gerichten nach Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG Nr. L 160 S. 1) die internationale Zuständigkeit zu, ohne dass nach § 3 der Insolvenzordnung ein inländischer Gerichtsstand begründet wäre, so ist das Insolvenzgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. 1
(2) Besteht eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Artikel 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk die Niederlassung des Schuldners liegt. 2§ 3 Abs. 2 der Insolvenzordnung gilt entsprechend. 1
(3) Unbeschadet der Zuständigkeit nach den Absätzen 1 und 2 ist für Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/ 2000 jedes inländische Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk Vermögen 2 des Schuldners belegen ist. Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung die Entscheidungen oder Maßnahmen nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 für die Bezirke mehrerer Insolvenzgerichte einem von diesen 3 zuzuweisen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Literatur: Deyda, Der Konzern im europäischen internationalen Insolvenzrecht, Diss., 2008; Herchen, Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! – Die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters als Insolvenzverfahrenseröffnung im Sinne der EuInsVO, NZI 2006, 435; Mankowski, Internationale Nachlassverfahren, ZIP 2011, 1501; Mankowski, Gläubigerstrategien zur Fixierung des schuldnerischen Centre of Main Interests (COMI), ZIP 2010, 1376; Reinhart, Die Überarbeitung der EuInsVO, NZI 2012, 304; Sabel, Hauptsitz als Niederlassung im Sinne der EuInsVO?, NZI 2004, 126; Westpfahl/Knapp, Die Sanierung deutscher Gesellschaften über ein englisches Scheme of Arrangement, ZIP 2011, 2033. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Internationale Zuständigkeit für die Eröffnung von Hauptverfahren (Abs. 1) ...................................... 2 III. Erstreckung der Zuständigkeit des Absatzes 1 auf Annexverfahren ....... 11
I. 1
IV. Territorial- und Sekundärverfahren (Abs. 2 – 4) ............................... 13 V. Örtliche Zuständigkeit; Amtsermittlung (Art. 102 § 1 EGInsO, § 5 InsO) .............................................. 16
Allgemeines
Art. 3 ist, i. V. m. Art. 16, eine der zentralen Normen des europäischen Insolvenzrechts. Er regelt, welcher Mitgliedstaat für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig ist (internationale Zuständigkeit) und führt über Art. 4 zu dem nationalen Insolvenzrecht, das im eröffneten Verfahren zur Anwendung kommt (grundsätzlich: das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates). In Deutschland wird die Vorschrift durch Art. 102 § 1 EGInsO in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit ergänzt. Für 1660
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Artikel 3 EuInsVO
Internationale Zuständigkeit
die Frage der Zuständigkeit sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich.1) II. Internationale Zuständigkeit für die Eröffnung von Hauptverfahren (Abs. 1) Absatz 1 bestimmt, dass das Gericht eines Mitgliedstaates für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig ist, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (centre of main interests – COMI) hat. Dieser wird bei Gesellschaften und juristischen Personen nach Absatz 1 Satz 2 bis zum Beweis des Gegenteils am Ort des satzungsmäßigen Sitzes vermutet.
2
Der COMI ist nicht nur bei juristischen Personen, sondern auch bei Personengesellschaften und allen natürlichen Personen zu bestimmen. Bei unternehmerisch tätigen natürlichen Personen wird in der Regel der Ort der gewerblichen bzw. freiberuflichen Tätigkeit für die Zuständigkeit des Gerichtes ausschlaggebend sein,2) bei Verbrauchern ist auf den Hauptwohnsitz, also den nach außen feststellbaren Lebensmittelpunkt des Schuldners, abzustellen.3) Bei Nachlassinsolvenzverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO ist richtiges Anknüpfungssubjekt für die Bestimmung des COMI der Erblasser. Entscheidend ist hierbei der Todeszeitpunkt als letzter Zeitpunkt, zu dem der Erblasser ein COMI haben konnte.4)
3
Gemäß Erwägungsgrund 22 i. V. m. Art. 16 ist das innerhalb der EU zuerst eröffnete Hauptinsolvenzverfahren automatisch anzuerkennen und bindet damit alle übrigen Mitgliedstaaten in der Frage der internationalen Zuständigkeit (Art. 16 Rz. 1). Der europäische Verordnungsgeber hat die einheitliche Bestimmung der Gerichtszuständigkeit offensichtlich als unproblematisch vorausgesetzt,5) die Rechtspraxis hingegen zeigte nicht zuletzt wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung des im Einzelfall anwendbaren nationalen Insolvenzrechts rasch das Gegenteil, es kam zum „Wettbewerb um die schnellste Insolvenzeröffnung“.6) Oft waren hierbei den Insolvenzanträgen Verlagerungen des COMI vorausgegangen, etwa durch registerliche Sitzverlegungen und/oder zielgerichtete Schaffung neuer Lebenssachverhalte in anderen Mitgliedstaaten, auf die dann eine Eröffnungsentscheidung gestützt werden konnte bzw. musste. Motiv war regelmäßig das forum shopping (d. h. das Anstreben einer günstigeren Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat), welches die EuInsVO ausweislich ihres 4. Erwägungsgrundes allerdings zu verhindern sucht.
4
Infolge dieses Zuständigkeitswettbewerbs ergingen Entscheidungen, die im Wesentlichen zwei Grundtendenzen erkennen ließen. Während anfangs insbesondere der englische High Court bei der Bestimmung des COMI und damit bei der Annahme _____________
5
1) 2) 3)
4) 5) 6)
BGH, Beschl. v. 13.11.2008 – IX ZB 201/07, ZInsO 2008, 1382 – 1383. BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZA 8/06, IPRspr. 2006, 616; BGH, Beschl. v. 17.9.2009 – IX ZB 51/09, ZInsO 2009, 1955. AG Celle, Beschl. v. 18.4.2005 – 29 IN 11/05, NZI 2005, 410, m. Anm. Mankowski, S. 368 = ZInsO 2005, 895; AG Hildesheim, Beschl. v. 18.6.2009 – 51 IE 2/09, ZIP 2009, 2070 = ZInsO 2009, 1544; a. A. – gewöhnlicher Aufenthalt – Mankowski, ZIP 2011, 1501, 1502. Mankowski, ZIP 2011, 1501, 1502. Virgós/Schmit, Nr. 79. AG Mönchengladbach, Beschl. v. 27.4.2004 – 19 IN 54/04, ZIP 2004, 1064 = ZInsO 2004, 563, dazu EWiR 2004, 705 (Kebekus).
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EuInsVO Artikel 3
Internationale Zuständigkeit
seiner Zuständigkeit für die Insolvenzeröffnung auf interne Unternehmensaspekte (Finanzverwaltung etc.) abstellte, legten andere Gerichte unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund 13 den Bewertungsschwerpunkt auf die nach außen hin erkennbare Tätigkeit des Unternehmens. 6
Die zum Teil sehr kontrovers geführte Diskussion hat sich mit der grundlegenden Eurofood-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs7) und ihrer weiteren Präzisierung durch die Entscheidungen Interedil8) und Rastelli9) im Wesentlichen erledigt. Der Europäische Gerichtshof hat in dem Insolvenzverfahren „Eurofood/ Parmalat“ festgestellt, dass die gesetzliche Vermutung, wonach ein Unternehmen den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen an seinem satzungsmäßigen Sitz hat, nicht allein dadurch entkräftet werden kann, dass wirtschaftliche Entscheidungen von einer Muttergesellschaft des schuldnerischen Unternehmens mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat kontrolliert werden oder kontrolliert werden können. Nach dieser eindeutigen Klarstellung durch den Europäischen Gerichtshof ist die Bestimmung des COMI im Wesentlichen nach solchen Kriterien vorzunehmen, die objektiv für Dritte feststellbar sind. Dementsprechend stellt mittlerweile sogar der englische High Court für die Bestimmung des COMI ausdrücklich auf für Dritte feststellbare Kriterien ab.10)
7
Die Eurofood-Entscheidung stellte auch klar, dass Insolvenzeröffnung i. S. des Art. 3 jede Entscheidung eines Insolvenzgerichtes ist, die den Vermögensbeschlag gegen den Schuldner und eine Verwalterbestellung zur Folge hat. Vermögensbeschlag bedeutet hierbei, dass der Schuldner seine (uneingeschränkte) Verwaltungsbefugnis verliert.11) In Deutschland kann somit nach bestrittener, aber wohl h. A. bereits die Anordnung der sog. vorläufigen schwachen Insolvenzverwaltung die Eröffnung anderer Insolvenzverfahren in den Mitgliedstaaten hemmen, da auch in diesem Fall die Verfügungsbefugnis des Schuldners wesentlich eingeschränkt wird.12) Von einem französischen Gericht allerdings wurde eine deutsche vorläufige Insolvenzeröffnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht als Insolvenzeröffnung i. S. von Art. 16 anerkannt, sondern lediglich als – ihrerseits grundsätzlich anerkennungsfähige – Sicherungsmaßnahme i. S. von Art. 25 betrachtet.13) _____________ 7) EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484. 8) EuGH, Urt. v. 20.10.2011 – Rs. C-396/09 (Interedil), ZIP 2011, 2153 = ZInsO 2011, 2123, dazu EWiR 2011, 745 (Paulus). Krit. Reinhart, NZI 2012, 304. 9) EuGH, Urt. v. 15.12.2011 – Rs. C-191/10 (Rastelli), ZIP 2012, 183 = NZI 2012, 147, m. Anm. Mankowski, dazu EWiR 2012, 87 (Paulus). Eine der Kernaussagen der Rastelli-Entscheidung war, dass ein eröffnetes Insolvenzverfahren nur dann auf auf eine Gruppengesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ausgedehnt werden darf, wenn nachgewiesen ist, dass sich der COMI dieser Gesellschaft in dem Mitgliedstaat der bereits eröffneten Verfahrens befindet. 10) High Court of Justice London, Urt. v. 3.7.2009 – EWHC, 1441 (Ch) Case Nos. 1338 and 13959, ZIP 2009, 1776, dazu EWiR 2009, 571 (J. Schmidt); High Court of Justice London, Urt. v. 26.11.2009 – EWHC 3199 (Ch), ZIP 2010, 1816 (LS), dazu EWiR 2010, 563 (Knof). 11) EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907, m. Anm. Knof/Mock = ZInsO 2006, 484. 12) Virgós/Schmit, Nr. 49c; Herchen, NZI 2006, 435; vgl. auch A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 3 EuInsVO Rz. 25 und die w. N. bei Art. 16 Rz. 2 (Fn. 3). 13) Cour D’appel Colmar, Urt. v. 31.3.2010 – 1re ch. civ. B 08/04852, ZIP 2010, 1460 (LS), dazu EWiR 2010, 453 (Mankowski).
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Artikel 3 EuInsVO
Internationale Zuständigkeit
Schon bald nach Inkrafttreten der EuInsVO versuchte die Beratungspraxis insbesondere in Kreditverträgen COMI-Verlagerungen dadurch zu unterbinden, dass durch Vertragsklauseln der COMI eines Schuldners festgeschrieben, seine Verlegung sanktioniert wurde. Freilich fällt ein Schadensersatzanspruch wegen COMIVerlegung dann regelmäßig gering aus, wenn er nur als ungesicherte Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann.14) Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum i. R. der anstehenden Reform der EuInsVO der Vorschlag gemacht wird, eine Verdachtsperiode einzuführen, innerhalb derer eine COMI-Verlegung wirkungslos bliebe.15) Eine solche Verdachtsperiode hätte zur Folge, dass die Gläubiger das Verfahren bis zum Ablauf der Periode noch am alten COMI, d.h. im Wegzugsstaat anstrengen könnten.
8
Wird der COMI zwischen Insolvenzantragstellung und Insolvenzeröffnung in einen anderen Mitgliedstaat verlagert, bleibt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Zuständigkeit des zuerst mit der Sache befassten Gerichts erhalten.16) Dies gilt auch für den Fall, dass der Geschäftsbetrieb vor Antragstellung bereits vollständig eingestellt wurde.17) Die internationale Zuständigkeit bei Auslandsgesellschaften, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt haben und nicht abgewickelt werden, richtet sich danach, wo sich der COMI bei Einstellung der Tätigkeit befand.18) Das danach international zuständige Gericht bleibt auch für weitere Eröffnungsanträge zuständig, die nach der Verlegung des COMI in einen anderen Mitgliedstaat, aber vor rechtskräftiger Entscheidung über den Erstantrag bei ihm eingehen.19) Die Verlagerung der zur Bestimmung des COMI heranzuziehenden Aktivitäten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zeitnah zur Antragstellung ist nicht als rechtsmissbräuchliche Scheinsitzverlegung zu betrachten, wenn sie der Sanierung und dem Konzernerhalt diente.20) Dagegen können Scheinverlegungen des Wohnsitzes von Verbrauchern zum Zwecke rascherer Entschuldung im Hinblick auf die spätere Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung erhebliche Probleme mit sich bringen (siehe hierzu eingehend Art. 26 Rz. 3). Der Vollzug von Untersuchungshaft gegen einen Schuldner führt zu keiner Verlegung des COMI.21)
9
_____________ 14) Zur Wirksamkeit und Effektivität entsprechender Klauseln s. Mankowski, ZIP 2010, 1376, 1379. 15) INSOL Europe, Revision of the European Insolvency Regulation, S. 38 ff (Entwurf eines Art. 3 Abs. 1 mit einer einjährigen Verdachtsperiode). 16) EuGH, Urt. v. 17.1.2006 – Rs. C-1/04 (Staubitz-Schreiber), ZIP 2006, 188, m. Anm. Knof/Mock, S. 189 = ZVI 2006, 108, dazu EWiR 2006, 141 (Vogl); vgl. auch BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767 =ZInsO 2006, 431, dazu EWiR 2006, 397 (Mankowski). 17) AG Hamburg, Beschl. v. 1.12.2005 – 67a IN 450/05, ZIP 2005, 2275 = NZI 2006, 120, dazu EWiR 2006, 169 (Herweg/Tschauer). 18) BGH, Beschl. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, ZIP 2012, 139 = ZInsO 2012, 143, dazu EWiR 2012, 175 (Riedemann) – im Anschluss an EuGH, Urt. v. 20.10.2011 – Rs. C-396/ 09 (Interedil), ZIP 2011, 2153 = ZInsO 2011, 2123. 19) BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767 = ZInsO 2006, 431. 20) So in dem Beschluss zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen betr. die luxemburgische Holding-Gesellschaft der „PIN-Gruppe“: AG Köln, Beschl. v. 19.2.2008 – 73 IE 1/08, ZIP 2008, 423 = ZInsO 2008, 388, dazu EWiR 2008, 531 (Paulus), für die Verlegung der Aktivitäten etwa zwei Monate vor Antragstellung. 21) BGH, Beschl. v. 8.11.2007 – IX ZB 41/03, NZI 2008, 121.
Bornemann/Sabel/Schlegel
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EuInsVO Artikel 3 10
Internationale Zuständigkeit
Ist (etwa in den Fällen sog. „Firmenbestattung“) zunächst zweifelhaft, ob die örtliche und internationale Zuständigkeit gegeben ist, können Gläubigerinteressen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gebieten, auch wenn die Zuständigkeit im weiteren Verfahren noch abschließend zu prüfen ist.22) III. Erstreckung der Zuständigkeit des Absatzes 1 auf Annexverfahren
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In der grundlegenden Entscheidung (Deko Marty) hat der Europäische Gerichtshof die bislang in Art. 3 vorhandene Zuständigkeitslücke für Annexverfahren23) geschlossen und klargestellt, dass Art. 3 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für Klagen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch eine internationale Zuständigkeit zugewiesen ist. Im konkreten Fall entschied der Europäische Gerichtshof über die internationale Zuständigkeit für Anfechtungsklagen gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.24) Klagen aus abgetretenen Anfechtungsansprüchen sollen demgegenüber der Brüssel I-Verordnung25) unterfallen.26) Ebenfalls kein Annexverfahren ist die auf den Eigentumsvorbehalt gestützte Herausgabeklage des Verkäufers.27) Denn die Begründetheit dieser Klage setzt ein Insolvenzverfahren nicht voraus. Aus dem gleichen Grund handelt es sich bei der Leistungsklage des Insolvenzverwalters aus einem vom Schuldner abgeschlossenen und seinerseits erfüllten Vertrag nicht um eine Annexklage.28)
12
Für die praxisrelevanten Haftungsklagen gegen Geschäftsführer aus § 64 GmbHG hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass es für die internationale Zuständigkeit trotz der Ähnlichkeiten zum Recht der Insolvenzanfechtung allein auf den Gesellschaftssitz ankommt.29) Das ist vor dem Hintergrund verwunderlich, dass der Europäische Gerichtshof in der Gourdain-Entscheidung Haftungsklagen gegenüber (faktischen) Geschäftsführern bereits den insolvenzrechtlichen Annexverfahren zugeschlagen hatte. Ein derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof anhängiges Vorabentscheidungsverfahren zu § 64 Satz 1 GmbHG wird Klarheit bringen.30) _____________ 22) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 164/06, ZIP 2007, 878 = ZInsO 2007, 440, dazu EWiR 2007, 599 (Pape). 23) Zur gebotenen engen Auslegung des Begriffs Annexverfahren s. Stephan in: HK-InsO, Art. 3 EuInsVO Rz. 14 unter Hinweis auf Duursma-Kepplinger/Duursma/ChalupskyDuursma, EuInsVO, Art. 25 Rz. 47. 24) EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07 (Deko Marty), ZIP 2009, 427 = NJW 2009, 2189, dazu EWiR 2009, 411 (K. Müller). 25) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen. 26) EuGH, Urt. v. 19.4.2012 – Rs. C-213/10 (F-Tex), ZIP 2012, 1049 = NZI 2012, 469, m. Anm. v. Ehret, dazu EWiR 2012, 383 (M. Brinkmann). 27) EuGH, Urt. 10.9.2009 – Rs. C-292/08 (German Graphics/Holland Binding), Rz. 30 ff, ZIP 2009, 2345 = NZI 2009, 741. 28) EuGH, Rs. C-157/13, anhängig. 29) OLG Köln, Beschl. v. 9.6.2011 – 18 W 34/11, ZIP 2012, 1000 = NZI 2012, 52. Vgl. OLG Jena, Schlussurt. v. 17.07.2013 – 2 U 815/12 (LG Erfurt), ZIP 2013, 1820 = NZI 20013, 807, wendet § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. auf eine englische Gesellschaft mit beschränkter Haftung an und bestätigt den insolvenzrechtlichen Charakter der Norm. 30) EuGH Rs. C-295/13 (G. T. GmbH), anhängig.
1664
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 3 EuInsVO
Internationale Zuständigkeit
IV. Territorial- und Sekundärverfahren (Abs. 2 – 4) Die Absätze 2 und 4 schränken das Universalitätsprinzip des Hauptverfahrens insoweit ein, dass Partikular- bzw. Sekundärinsolvenzverfahren möglich sind. Eine Sekundärinsolvenz setzt zwingend die vorherige Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens voraus, während Partikularinsolvenzen in einem Mitgliedstaat bezogen auf das dort befindliche Vermögen nur vor Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anhängig gemacht werden können. Der Europäischen Gerichtshofs hat geklärt, dass die Eröffnung eines Partikularverfahrens nicht schon dann möglich ist, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem sich der COMI befindet, nur bestimmte Personen keine Eröffnung beantragen können – die Eröffnung muss dort objektiv unmöglich sein.31) Die internationale Zuständigkeit deutscher Insolvenzgerichte für die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens richtet sich auch dann nach Art. 3 Abs. 2 und nicht den §§ 354, 356 InsO, wenn ein ausländischer Hauptinsolvenzverwalter keine Schritte zur Verwertung in Deutschland belegenen Vermögens unternimmt.32)
13
Ein Sekundärinsolvenzverfahren muss gemäß Absatz 3 Satz 2 zwingend ein Liquidationsverfahren sein, das in Art. 2 Buchst. c legaldefiniert ist. Auch in einem Liquidationsverfahren kann der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens gemäß Art. 34 Abs. 1 Alternativmaßnahmen vorschlagen, die zur Sanierung des Unternehmens führen können.
14
Voraussetzung für die Eröffnung sowohl des Sekundär- als auch des Partikularinsolvenzverfahrens ist eine Niederlassung des Schuldners, legaldefiniert in Art. 2 Buchst. h. Hierbei ist auf einen bestimmten Tätigkeitsort abzustellen, an dem die wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners nach außen erkennbar wird. Diese muss auf dem kumulativen Einsatz von Personal und Vermögenswerten beruhen. Wie der Bundesgerichtshof jüngst klarstellte, kommt es hierbei nicht auf den Eintrag der Niederlassung im Handelsregister an (Feststellung der internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Partikularverfahrens über eine spanische Gesellschaft mit Grundvermögen in Deutschland).33) Für den Einsatz von Personal ist es ausreichend, wenn etwa aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages eingesetzte Personen nach außen hin für den Schuldner auftreten.34)
15
V. Örtliche Zuständigkeit; Amtsermittlung (Art. 102 § 1 EGInsO, § 5 InsO) Art. 102 § 1 EGInsO regelt für Deutschland die örtliche Zuständigkeit in internationalen Insolvenzverfahren. Diese richtet sich nach § 3 Abs. 2 InsO. Von der in Art. 102 § 1 Abs. 3 EGInsO vorgesehenen Möglichkeit, zentrale Zuständigkeiten auf Landesebene für internationale Verfahren einzurichten, wurde bisher nicht Gebrauch gemacht. _____________ 31) EuGH, Urt. v. 17.11.2011 – Rs. C-112/10 (Hof van Cassatie, Belgien), ZIP 2011, 2415 = ZInsO 2011, 2270, dazu EWiR 2011, 807 (J. Schmidt). 32) BGH, Beschl. v. 21.12.2010 – IX ZB 227/09, ZIP 2011, 389 = ZInsO 2011, 231, dazu EWiR 2011, 185 (Mankowski). 33) BGH, Beschl. v. 21.6.2012 – IX ZB 287/11, ZIP 2012, 1920 = NZI 2012, 725. 34) AG München, Beschl. v. 5.2.2007 – 1503 IE 4371/06, ZIP 2007, 495 = NZI 2007, 358, m. Anm. Mankowski, S. 360, 361, dazu EWiR 2007, 277 (K. Müller).
Bornemann/Sabel/Schlegel
1665
16
EuInsVO Artikel 4 17
Anwendbares Recht
Die deutschen Gerichte haben neben der örtlichen ggf. auch die Frage der internationalen Zuständigkeit gemäß § 5 Abs. 1 InsO von Amts wegen festzustellen.35) Diese Ermittlungspflicht von Amts wegen setzt jedoch nur dann ein, wenn der Verfahrensstand Anlass für Ermittlungen bietet.36) Deswegen muss ein Antragsteller, um die Prüfung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu ermöglichen und somit seinen Antrag zulässig zu machen, alle die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründenden Tatsachen angeben.37) _____________ 35) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, Rz. 11, ZIP 2012, 139 = ZInsO 2012, 143. 36) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, Rz. 11, ZIP 2012, 139 = ZInsO 2012, 143. 37) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, Rz. 12, ZIP 2012, 139 = ZInsO 2012, 143.
Artikel 4 Anwendbares Recht (1) Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird, nachstehend „Staat der Verfahrenseröffnung“ genannt. (2) 1Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. 2Es regelt insbesondere: a) bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist; b) welche Vermögenswerte zur Masse gehören und wie die nach der Verfahrenseröffnung vom Schuldner erworbenen Vermögenswerte zu behandeln sind; c) die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters; d) die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung; e) wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt; f)
wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten;
g) welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind und wie Forderungen zu behandeln sind, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen; h) die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen; i)
die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Vermögens, den Rang der Forderungen und die Rechte der Gläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines dinglichen Rechts oder infolge einer Aufrechnung teilweise befriedigt wurden;
j)
die Voraussetzungen und die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Vergleich;
k) die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens; 1666
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 4 17
Anwendbares Recht
Die deutschen Gerichte haben neben der örtlichen ggf. auch die Frage der internationalen Zuständigkeit gemäß § 5 Abs. 1 InsO von Amts wegen festzustellen.35) Diese Ermittlungspflicht von Amts wegen setzt jedoch nur dann ein, wenn der Verfahrensstand Anlass für Ermittlungen bietet.36) Deswegen muss ein Antragsteller, um die Prüfung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu ermöglichen und somit seinen Antrag zulässig zu machen, alle die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründenden Tatsachen angeben.37) _____________ 35) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, Rz. 11, ZIP 2012, 139 = ZInsO 2012, 143. 36) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, Rz. 11, ZIP 2012, 139 = ZInsO 2012, 143. 37) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, Rz. 12, ZIP 2012, 139 = ZInsO 2012, 143.
Artikel 4 Anwendbares Recht (1) Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird, nachstehend „Staat der Verfahrenseröffnung“ genannt. (2) 1Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. 2Es regelt insbesondere: a) bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist; b) welche Vermögenswerte zur Masse gehören und wie die nach der Verfahrenseröffnung vom Schuldner erworbenen Vermögenswerte zu behandeln sind; c) die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters; d) die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung; e) wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt; f)
wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten;
g) welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind und wie Forderungen zu behandeln sind, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen; h) die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen; i)
die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Vermögens, den Rang der Forderungen und die Rechte der Gläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines dinglichen Rechts oder infolge einer Aufrechnung teilweise befriedigt wurden;
j)
die Voraussetzungen und die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Vergleich;
k) die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens; 1666
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 4 EuInsVO
Anwendbares Recht
l)
wer die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der Auslagen zu tragen hat;
m) welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Die Vorschrift enthält in ihrem Absatz 1 den Grundsatz des Internationalen Insolvenzrechts, wonach das gesamte Insolvenzverfahren und seine Wirkungen dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (allgemeines Insolvenzstatut, lex [fori] concursus) unterliegen, bis hin zum Eintritt der Beendigung des Insolvenzverfahrens.1) Von diesem Grundsatz sieht die EuInsVO allerdings eine Reihe von wichtigen Ausnahmen in den Art. 5–15 vor.
1
Für Sekundärverfahren enthält Art. 28 eine dem Art. 4 Abs. 1 entsprechende Regelung, die klarstellt, dass auf das Sekundärverfahren nicht etwa das Recht des Staates des Hauptverfahrens, sondern grundsätzlich das Recht desjenigen Staates anzuwenden ist, in dem das Sekundärverfahren eröffnet wurde (Sekundärinsolvenzstatut, lex [fori] concursus secundariae).
2
Absatz 2 enthält sodann eine nicht abschließende Aufzählung von Bereichen, für die – wiederum mangels einer hiervon abweichenden Sonderanknüpfung – das allgemeine Insolvenzstatut gilt. Zu beachten sind neben den stets vorrangigen Sonderregelungen für dingliche Rechte Dritter in Art. 5, 7 und 8 die Sonderregelungen zur Anfechtung in Art. 6 (Ergänzung zu Buchst. d), zu Verträgen über unbewegliche Gegenstände in Art. 8 (Einschränkung Buchst. e) und zur Insolvenzanfechtung in Art. 13 (Ergänzung zu Buchst. m).
3
Hervorzuheben ist dabei die Regelung in Absatz 2 Buchst. k. Danach regelt das allgemeine Insolvenzstatut die Gläubigerrechte nach Beendigung des Verfahrens und somit auch und vor allem, ob und unter welchen Voraussetzungen Forderungen nach Abschluss des Verfahrens noch gegen den Schuldner erhoben werden können. Fragen der Wirksamkeit einer Restschuldbefreiung unterstehen damit dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, sodass die in einem ausländischen Insolvenzverfahren erteilte Restschuldbefreiung in Deutschland grundsätzlich anzuerkennen ist.2) Sprechen allerdings Umstände dafür, dass eine Verlegung des COMI rechtsmissbräuchlich war, kann die Anerkennung wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public gemäß Art. 26 versagt werden, so das Landgericht Köln zur Anerkennung einer nach englischem Recht erlangten Restschuldbefreiung.3) Ebenfalls im Kontext einer englischen Restschuldbefreiung stellte der Bundesgerichtshof jüngst fest, dass sich der Tatrichter bei gemäß Art. 4 Abs. 2 zu ermittelndem ausländischem Recht nicht auf die Heranziehung von Rechtsquellen beschränken darf, sondern auch die ausländische Rechtspraxis, insbesondere Rechtsprechung, zu be-
4
_____________ 1) 2) 3)
EuGH, Urt. v. 22.11.2012 – Rs. C-116/11 (Bank Handlowi), ZIP 2012, 2403, dazu EWiR 2013, 173 (Jopen). Hierzu instruktiv BGH, Beschl. v. 18.9.2001 – IX ZB 51/00, ZIP 2002, 365 = ZInsO 2001, 1009 – zur Anerkennung der in Frankreich erteilten Restschuldbefreiung. LG Köln, Urt. v. 14.10.2011 – 82 O 15/08, ZIP 2011, 2119 = NZI 2011, 957, m. Anm. Mankowski, dazu EWiR 2011, 775 (Vallender).
Bornemann/Sabel/Schlegel
1667
EuInsVO Artikel 5
Dingliche Rechte Dritter
rücksichtigen hat.4) Macht bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug der Insolvenzverwalter einen zur Insolvenzmasse gehörenden Anspruch geltend, so ist das auf diesen Anspruch anwendbare Recht grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Internationalen Privatrechts zu ermitteln, nicht nach Art. 4 ff.5) _____________ 4) 5)
BGH, Urt. v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, ZIP 2014, 394 = NZI 2014, 283, m. Anm. Vallender. OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2011 – 18 U 226/10, dazu EWiR 2012, 51 (Mankowski).
Artikel 5 Dingliche Rechte Dritter (1) Das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners – sowohl an bestimmten Gegenständen als auch an einer Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung –, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, wird von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt. (2) Rechte im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere: a) das Recht, den Gegenstand zu verwerten oder verwerten zu lassen und aus dem Erlös oder den Nutzungen dieses Gegenstands befriedigt zu werden, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts oder einer Hypothek; b) das ausschließliche Recht, eine Forderung einzuziehen, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts an einer Forderung oder aufgrund einer Sicherheitsabtretung dieser Forderung; c) das Recht, die Herausgabe des Gegenstands von jedermann zu verlangen, der diesen gegen den Willen des Berechtigten besitzt oder nutzt; d) das dingliche Recht, die Früchte eines Gegenstands zu ziehen. (3) Das in einem öffentlichen Register eingetragene und gegen jedermann wirksame Recht, ein dingliches Recht im Sinne von Absatz 1 zu erlangen, wird einem dinglichen Recht gleichgestellt. (4) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen. 1
Die sich im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Eröffnungsstaat befindlichen Vermögenswerte des Schuldners werden von der Verfahrenseröffnung „nicht berührt“. Dieser Wortlaut legt es nahe, die Vorschrift nicht als Kollisionsnorm zugunsten des Rechts des Belegenheitsstaats, sondern als Sachnorm auszulegen, nach welcher die erfassten Vermögenswerte von den Wirkungen des eröffneten Verfahrens abgeschottet werden. Die richtige Lesart ist umstritten.1) Von _____________ 1)
Für Kollisionsnorm: K. Schmidt-Brinkmann, InsO, Art. 5 EuInsVO Rz. 17 ff; Kübler/ Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 5 EuInsVO Rz. 14; Magnus, LMK 2012, 337359; v. Bismarck/Schümann-Kleber, NZI 2005, 147; Kemper, ZIP 2001, 1609, 1615; Lehr, KTS 2000, 577, 580. Für die Annahme einer Sachnorm demgegenüber die bislang h. M.: Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 5 EuInsVO Rz. 13; Duursma-Kepplinger, EuInsVO, Art. 5 Rz. 18 ff; Pannen/Ingelmann, EuInsVO, Art. 5 Rz. 16; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 551.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 5
Dingliche Rechte Dritter
rücksichtigen hat.4) Macht bei einem Sachverhalt mit Auslandsbezug der Insolvenzverwalter einen zur Insolvenzmasse gehörenden Anspruch geltend, so ist das auf diesen Anspruch anwendbare Recht grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Internationalen Privatrechts zu ermitteln, nicht nach Art. 4 ff.5) _____________ 4) 5)
BGH, Urt. v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, ZIP 2014, 394 = NZI 2014, 283, m. Anm. Vallender. OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2011 – 18 U 226/10, dazu EWiR 2012, 51 (Mankowski).
Artikel 5 Dingliche Rechte Dritter (1) Das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners – sowohl an bestimmten Gegenständen als auch an einer Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung –, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, wird von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt. (2) Rechte im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere: a) das Recht, den Gegenstand zu verwerten oder verwerten zu lassen und aus dem Erlös oder den Nutzungen dieses Gegenstands befriedigt zu werden, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts oder einer Hypothek; b) das ausschließliche Recht, eine Forderung einzuziehen, insbesondere aufgrund eines Pfandrechts an einer Forderung oder aufgrund einer Sicherheitsabtretung dieser Forderung; c) das Recht, die Herausgabe des Gegenstands von jedermann zu verlangen, der diesen gegen den Willen des Berechtigten besitzt oder nutzt; d) das dingliche Recht, die Früchte eines Gegenstands zu ziehen. (3) Das in einem öffentlichen Register eingetragene und gegen jedermann wirksame Recht, ein dingliches Recht im Sinne von Absatz 1 zu erlangen, wird einem dinglichen Recht gleichgestellt. (4) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen. 1
Die sich im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Eröffnungsstaat befindlichen Vermögenswerte des Schuldners werden von der Verfahrenseröffnung „nicht berührt“. Dieser Wortlaut legt es nahe, die Vorschrift nicht als Kollisionsnorm zugunsten des Rechts des Belegenheitsstaats, sondern als Sachnorm auszulegen, nach welcher die erfassten Vermögenswerte von den Wirkungen des eröffneten Verfahrens abgeschottet werden. Die richtige Lesart ist umstritten.1) Von _____________ 1)
Für Kollisionsnorm: K. Schmidt-Brinkmann, InsO, Art. 5 EuInsVO Rz. 17 ff; Kübler/ Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 5 EuInsVO Rz. 14; Magnus, LMK 2012, 337359; v. Bismarck/Schümann-Kleber, NZI 2005, 147; Kemper, ZIP 2001, 1609, 1615; Lehr, KTS 2000, 577, 580. Für die Annahme einer Sachnorm demgegenüber die bislang h. M.: Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 5 EuInsVO Rz. 13; Duursma-Kepplinger, EuInsVO, Art. 5 Rz. 18 ff; Pannen/Ingelmann, EuInsVO, Art. 5 Rz. 16; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 551.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 5 EuInsVO
Dingliche Rechte Dritter
praktischer Relevanz ist dieser Streit, weil allein die Annahme einer Kollisionsnorm es erlaubt, den Zugriff eines dinglich Berechtigten nach Maßgabe des Insolvenzrechts des Belegenheitsstaats auch dann einzuschränken, wenn in diesem Staat kein Sekundärverfahren eröffnet ist oder wird. Für die Annahme einer Kollisionsnorm spricht, dass die in der Konsequenz der Gegenansicht liegende faktische Insolvenzfreiheit der betroffenen Gegenstände weder sachgerecht noch durch den Normzweck des Art. 5 gedeckt ist, wonach gesicherte Gläubiger auf die Maßgeblichkeit des bei der Bestellung der Sicherheit anwendbaren Rechts auch in der Insolvenz vertrauen können sollen.2) Denn mit den Beschränkungen, die das Insolvenzrecht des Belegenheitsstaats vorsieht, kann ein Gläubiger ohne weiteres rechnen. Schließlich hat sich der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache ERSTE Bank Hungary3) auch für die Annahme einer Kollisionsnorm ausgesprochen. Bei Gegenständen, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung in einem Drittstaat außerhalb der EU (oder in Dänemark) belegen sind, ist vorrangig das Recht dieses Staates zu beachten. Nur wenn das Insolvenzverfahren danach anerkannt wird und keine besonderen Regeln zum Schutz der dinglichen Rechte Dritter bestehen, gilt für die Drittrechte das über das allgemeine Insolvenzstatut berufene Recht.
2
Die Regelung nimmt nur die an dem in einem anderen Staat befindlichen Gegenstand begründeten Drittrechte, nicht den Gegenstand als solchen von den Wirkungen der Insolvenzeröffnung aus. Der Insolvenzbeschlag tritt innerhalb der EU daher grundsätzlich auch bei im Ausland belegenen Gegenständen ein; deshalb gebührt ein nach der Verwertung durch den Gläubiger verbleibender Überschuss der Masse. Art. 5 besagt nur, dass sich die Beschränkung der wirksam begründeten Rechte Dritter allein nach dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaats richtet. So kann der Insolvenzverwalter insbesondere einen Verwertungsbeitrag einfordern, wenn dies im Insolvenzrecht des Belegenheitsstaats vorgesehen ist.
3
Der Insolvenzverwalter des Hauptinsolvenzverfahrens kann, unabhängig hiervon, über die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in die dinglichen Rechte des Gläubigers eingreifen.4) Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Schuldner in diesem Staat über eine Niederlassung verfügt (Art. 3 Rz. 13 f).
4
Dingliche Rechte können nach der ausdrücklichen Regelung in Absatz 1 sowohl an beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen als auch an Forderungen bestehen. Außerdem erwähnt Absatz 1 ausdrücklich eine Mehrheit von nicht bestimmten – und auch, anders als im Fall von Warenlagern oder Forderungsbeständen, nicht von vornherein bestimmbaren – Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung, worunter insbesondere die englische floating charge fällt. _____________
5
2) 3)
4)
K. Schmidt-Brinkmann, InsO, Art. 5 EuInsVO Rz. 17 f; vgl. Veder, IILR 2011, 285, 292: „Article 5 EIR in fact allows secured creditors in a cross-border context to acquire a position that they have under no existing insolvency law”. EuGH, Urt. v. 5.7.2012 – Rs. C-527/19 (ERSTE Bank Hungary), Rz. 41 f, ZIP 2012, 1815, 1817: „Folglich ist Art. 5 Abs. 1 EuInsVO dahin zu verstehen, dass er es abweichend von der Regel des Rechts des Eröffnungsstaats erlaubt, auf das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an bestimmten dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenständen das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet sich der fragliche Vermögensgegenstand befindet.“ Dazu Magnus, LMK 2012, 337359. Virgós/Schmit, Nr. 98.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1669
EuInsVO Artikel 6
Aufrechnung
6
Absatz 2 nennt als dingliche Rechte, die von Art. 5 erfasst werden, in einer nicht abschließenden Aufzählung insbesondere das Pfandrecht, die Hypothek, das Forderungspfandrecht, die Sicherungsabtretung und den dinglichen Herausgabeanspruch. Für den Eigentumsvorbehalt enthält Art. 7 eine Sonderregelung.
7
Absatz 3 schützt den in einem öffentlichen Register eingetragenen Anspruch auf Erlangung eines dinglichen Rechts in gleicher Weise wie das dingliche Recht. Erfasst ist hiervon in Deutschland vor allem die Vormerkung.
8
Absatz 4 stellt klar, dass nur wirksam erworbene dingliche Rechte unter den besonderen Schutz des Art. 5 fallen. Daher ist stets vorrangig zu prüfen, ob eine dingliche Sicherung in anfechtbarer Weise erlangt wurde oder aus anderem Grund unwirksam ist.
Artikel 6 Aufrechnung (1) Die Befugnis eines Gläubigers, mit seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen, wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn diese Aufrechnung nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht zulässig ist. (2) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen. 1
Die Regelung schränkt die Geltung des allgemeinen Insolvenzstatuts im Fall der Aufrechnung mit einer vor Insolvenzeröffnung entstandenen Forderung ein. Zum Schutz des Forderungsinhabers wird die Zulässigkeit der Aufrechnung erweitert. Die Aufrechnung gegen eine Forderung des Schuldners ist nicht nur dann zulässig, wenn das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung sie zulässt, sondern darüber hinaus auch dann, wenn sie nach dem Recht des Staates zulässig ist, das für die Forderung des Schuldners gilt. Art. 6 kommt daher von vornherein nur zur Anwendung, wenn die Aufrechnung nach dem allgemeinen Insolvenzstatut unzulässig oder nur eingeschränkt möglich ist.1)
2
Das auf die Forderung des insolventen Schuldners anwendbare Recht ist über die Vorschriften des allgemeinen Internationalen Privatrechts zu ermitteln. In Deutschland sind für vertragliche Forderungen die Art. 27 ff EGBGB maßgebend. Wenn das danach ermittelte Vertragsstatut vom allgemeinen Insolvenzstatut abweicht, ist zu prüfen, ob nach dem danach zur Anwendung gelangenden nationalen Recht eine Aufrechnung zulässig ist.
3
Die Regelung in Absatz 2 stellt klar, dass eine Aufrechnung nur zulässig ist, wenn der Gläubiger die Aufrechnungsmöglichkeit in nicht anfechtbarer Weise erlangt hat. Ob die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise herbeigeführt wurde, ist nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. m grundsätzlich nach dem Recht des Eröffnungsstaates zu beurteilen; ergänzend ist Art. 13 zu beachten. _____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 109.
1670
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 6
Aufrechnung
6
Absatz 2 nennt als dingliche Rechte, die von Art. 5 erfasst werden, in einer nicht abschließenden Aufzählung insbesondere das Pfandrecht, die Hypothek, das Forderungspfandrecht, die Sicherungsabtretung und den dinglichen Herausgabeanspruch. Für den Eigentumsvorbehalt enthält Art. 7 eine Sonderregelung.
7
Absatz 3 schützt den in einem öffentlichen Register eingetragenen Anspruch auf Erlangung eines dinglichen Rechts in gleicher Weise wie das dingliche Recht. Erfasst ist hiervon in Deutschland vor allem die Vormerkung.
8
Absatz 4 stellt klar, dass nur wirksam erworbene dingliche Rechte unter den besonderen Schutz des Art. 5 fallen. Daher ist stets vorrangig zu prüfen, ob eine dingliche Sicherung in anfechtbarer Weise erlangt wurde oder aus anderem Grund unwirksam ist.
Artikel 6 Aufrechnung (1) Die Befugnis eines Gläubigers, mit seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen, wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn diese Aufrechnung nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht zulässig ist. (2) Absatz 1 steht der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen. 1
Die Regelung schränkt die Geltung des allgemeinen Insolvenzstatuts im Fall der Aufrechnung mit einer vor Insolvenzeröffnung entstandenen Forderung ein. Zum Schutz des Forderungsinhabers wird die Zulässigkeit der Aufrechnung erweitert. Die Aufrechnung gegen eine Forderung des Schuldners ist nicht nur dann zulässig, wenn das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung sie zulässt, sondern darüber hinaus auch dann, wenn sie nach dem Recht des Staates zulässig ist, das für die Forderung des Schuldners gilt. Art. 6 kommt daher von vornherein nur zur Anwendung, wenn die Aufrechnung nach dem allgemeinen Insolvenzstatut unzulässig oder nur eingeschränkt möglich ist.1)
2
Das auf die Forderung des insolventen Schuldners anwendbare Recht ist über die Vorschriften des allgemeinen Internationalen Privatrechts zu ermitteln. In Deutschland sind für vertragliche Forderungen die Art. 27 ff EGBGB maßgebend. Wenn das danach ermittelte Vertragsstatut vom allgemeinen Insolvenzstatut abweicht, ist zu prüfen, ob nach dem danach zur Anwendung gelangenden nationalen Recht eine Aufrechnung zulässig ist.
3
Die Regelung in Absatz 2 stellt klar, dass eine Aufrechnung nur zulässig ist, wenn der Gläubiger die Aufrechnungsmöglichkeit in nicht anfechtbarer Weise erlangt hat. Ob die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise herbeigeführt wurde, ist nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. m grundsätzlich nach dem Recht des Eröffnungsstaates zu beurteilen; ergänzend ist Art. 13 zu beachten. _____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 109.
1670
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 7 EuInsVO
Eigentumsvorbehalt
Artikel 7 Eigentumsvorbehalt (1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Käufer einer Sache lässt die Rechte des Verkäufers aus einem Eigentumsvorbehalt unberührt, wenn sich diese Sache zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befindet. (2) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen den Verkäufer einer Sache nach deren Lieferung rechtfertigt nicht die Auflösung oder Beendigung des Kaufvertrags und steht dem Eigentumserwerb des Käufers nicht entgegen, wenn sich diese Sache zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem der Verfahrenseröffnung befindet. (3) Die Absätze 1 und 2 stehen der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) nicht entgegen. Die Regelung ergänzt zunächst den in Art. 5 geregelten Schutz der dinglichen Rechte Dritter um den einfachen Eigentumsvorbehalt, der nicht in allen Mitgliedstaaten als dingliches Recht anerkannt ist und deshalb einer gesonderten Regelung bedurfte. Sonderformen des Eigentumsvorbehalts, insbesondere der verlängerte oder erweiterte Eigentumsvorbehalt, sind von Art. 7 nicht erfasst.1)
1
Die Vorschrift regelt nur die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf den Eigentumsvorbehalt. Ob dieser wirksam vereinbart worden ist, und ob er im Belegenheitsstaat anerkannt wird, richtet sich nach den Vorschriften, die nach allgemeinem IPR zur Anwendung gelangen, also insbesondere dem Recht des Staates, dem der zugrunde liegende Vertrag unterliegt, und dem Recht des Staates, in dem sich der Gegenstand befindet.2) Die Vorschrift begründet auch nicht die Anwendbarkeit der EuInsVO für Klagen auf Herausgabe von Gegenständen im Besitz des Schuldners, die auf einen Eigentumsvorbehalt gestützt sind; solche Verfahren sind nicht insolvenzrechtlicher Natur, sodass der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet ist.3)
2
Nach Absatz 1 bleiben die Rechte des Verkäufers aus dem Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers danach in gleicher Weise unberührt wie (sonstige) dingliche Rechte nach Art. 5. Voraussetzung ist wie in Art. 5, dass sich der Kaufgegenstand im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat befindet (zu Einzelheiten Art. 5 Rz. 1).
3
Die Regelung in Absatz 2 geht dagegen über Art. 5 hinaus, indem sie für den Fall der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers eine einheitliche materielle Vorschrift zur Vertragsdurchführung enthält und so das entstandene Anwartschaftsrecht des Käufers schützt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Regelung ist, dass der Verkäufer _____________
4
1) 2) 3)
Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, EuInsVO, Art. 7 Rz. 32 ff; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 7 EuInsVO Rz. 6. Vgl. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, EuInsVO, Art. 7 Rz. 5; Stephan in: HK-InsO, Art. 7 EuInsVO Rz. 2. EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-292/08 (German Graphics/Holland Binding), Rz. 32 ff, ZIP 2009, 2345 = NZI 2009, 741.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1671
EuInsVO Artikel 8
Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand
die Kaufsache vor Insolvenzeröffnung an den Käufer geliefert hat und diese sich bei Insolvenzeröffnung in einem anderen Mitgliedstaat befindet. In diesem Fall bleiben die vertraglichen Vereinbarungen und Wirkungen unberührt, und der Käufer erwirbt nach vollständiger Erfüllung der vereinbarten Zahlungspflichten das Eigentum an der Kaufsache.4) Ein Kündigungs- oder Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters aufgrund der Insolvenz des Verkäufers wird hierdurch ausgeschlossen. 5
Absatz 3 entspricht Art. 5 Abs. 4 und stellt lediglich klar, dass der Eigentumsvorbehalt wirksam, insbesondere in nicht anfechtbarer Weise, vereinbart worden sein muss. _____________ 4)
Virgós/Schmit, Nr. 114.
Artikel 8 Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der zum Erwerb oder zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands berechtigt, ist ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dessen Gebiet dieser Gegenstand belegen ist. 1
Abweichend von Art. 4 Abs. 2 Buchst. e sind für Verträge über unbewegliche Gegenstände im Insolvenzfall nicht die insolvenzrechtlichen Regelungen des Eröffnungsstaates, sondern die Bestimmungen des Staates anzuwenden, in dem der Gegenstand belegen ist (Belegenheitsstatut, lex rei sitae). Die Vorschrift erfasst nur Verträge, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits bestehen, nicht dagegen Verträge, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem Insolvenzverwalter oder dem Schuldner neu abgeschlossen werden.1)
2
Ob etwa ein Grundstückskaufvertrag oder ein Wohnungsmietvertrag in der Insolvenz eines Vertragspartners wirksam bleibt, welche Rechte den Vertragsparteien infolge der Insolvenz zustehen, und ob der Insolvenzverwalter ggf. ein Sonderkündigungs- oder Wahlrecht hinsichtlich der Vertragserfüllung hat, entscheidet sich damit bei unbeweglichen Gegenständen weder nach dem Recht des Eröffnungsstaates (Insolvenzstatut) noch nach dem Vertragsstatut, sondern allein nach dem Belegenheitsstatut. Dadurch kommen insbesondere die Schutzvorschriften des Staates, in dem die unbeweglichen Gegenstände belegen sind (z. B. Kündigungsschutzvorschriften) zur Geltung.2) Die Verweisung auf das Recht des Belegenheitsstaates erfasst nicht nur dessen materielles Recht einschließlich des Insolvenzrechts, sondern auch die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und das Verfahren.3)
3
Anders als das nationale Recht (§ 336 InsO Rz. 2; § 49 InsO Rz. 2) enthält die EuInsVO keine Definition des Begriffs „unbeweglicher Gegenstand“. Da der Begriff nicht durch nationale Rechtsbegriffe, sondern europarechtlich auszulegen ist,4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Stephan in: HK-InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 3, unter Hinweis auf Virgós/Schmit, Nr. 116. Virgós/Schmit, Nr. 118. Virgós/Schmit, Nr. 118. Stephan in: HK-InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 4; a. A. Pannen/Riedemann, EuInsVO, Art. 8 Rz. 17.
1672
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 8
Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand
die Kaufsache vor Insolvenzeröffnung an den Käufer geliefert hat und diese sich bei Insolvenzeröffnung in einem anderen Mitgliedstaat befindet. In diesem Fall bleiben die vertraglichen Vereinbarungen und Wirkungen unberührt, und der Käufer erwirbt nach vollständiger Erfüllung der vereinbarten Zahlungspflichten das Eigentum an der Kaufsache.4) Ein Kündigungs- oder Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters aufgrund der Insolvenz des Verkäufers wird hierdurch ausgeschlossen. 5
Absatz 3 entspricht Art. 5 Abs. 4 und stellt lediglich klar, dass der Eigentumsvorbehalt wirksam, insbesondere in nicht anfechtbarer Weise, vereinbart worden sein muss. _____________ 4)
Virgós/Schmit, Nr. 114.
Artikel 8 Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der zum Erwerb oder zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstands berechtigt, ist ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dessen Gebiet dieser Gegenstand belegen ist. 1
Abweichend von Art. 4 Abs. 2 Buchst. e sind für Verträge über unbewegliche Gegenstände im Insolvenzfall nicht die insolvenzrechtlichen Regelungen des Eröffnungsstaates, sondern die Bestimmungen des Staates anzuwenden, in dem der Gegenstand belegen ist (Belegenheitsstatut, lex rei sitae). Die Vorschrift erfasst nur Verträge, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits bestehen, nicht dagegen Verträge, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem Insolvenzverwalter oder dem Schuldner neu abgeschlossen werden.1)
2
Ob etwa ein Grundstückskaufvertrag oder ein Wohnungsmietvertrag in der Insolvenz eines Vertragspartners wirksam bleibt, welche Rechte den Vertragsparteien infolge der Insolvenz zustehen, und ob der Insolvenzverwalter ggf. ein Sonderkündigungs- oder Wahlrecht hinsichtlich der Vertragserfüllung hat, entscheidet sich damit bei unbeweglichen Gegenständen weder nach dem Recht des Eröffnungsstaates (Insolvenzstatut) noch nach dem Vertragsstatut, sondern allein nach dem Belegenheitsstatut. Dadurch kommen insbesondere die Schutzvorschriften des Staates, in dem die unbeweglichen Gegenstände belegen sind (z. B. Kündigungsschutzvorschriften) zur Geltung.2) Die Verweisung auf das Recht des Belegenheitsstaates erfasst nicht nur dessen materielles Recht einschließlich des Insolvenzrechts, sondern auch die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und das Verfahren.3)
3
Anders als das nationale Recht (§ 336 InsO Rz. 2; § 49 InsO Rz. 2) enthält die EuInsVO keine Definition des Begriffs „unbeweglicher Gegenstand“. Da der Begriff nicht durch nationale Rechtsbegriffe, sondern europarechtlich auszulegen ist,4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Stephan in: HK-InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 3, unter Hinweis auf Virgós/Schmit, Nr. 116. Virgós/Schmit, Nr. 118. Virgós/Schmit, Nr. 118. Stephan in: HK-InsO, Art. 8 EuInsVO Rz. 4; a. A. Pannen/Riedemann, EuInsVO, Art. 8 Rz. 17.
1672
Bornemann/Sabel/Schlegel
Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand
Artikel 9 EuInsVO
verbietet sich der Rückgriff auf die Legaldefinition in § 49 InsO. Aus Art. 11 und Art. 14, die sich mit Verfügungen und dinglichen Rechten an eintragungspflichtigen Gegenständen befassen, ergibt sich, dass die EuInsVO zwischen unbeweglichen Gegenständen einerseits und eintragungspflichtigen Schiffen und Luftfahrzeugen andererseits differenziert. Letztere können daher i. S. der EuInsVO nicht als unbewegliche Gegenstände angesehen werden.5) Deshalb gilt für Verträge über eintragungspflichtige Flugzeuge und Schiffe nicht Art. 8, sondern die allgemeine Regelung in Art. 4 Abs. 2 Buchst. e. _____________ 5)
Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, EuInsVO, Art. 8 Rz. 3 a. E.
Artikel 9 Zahlungssysteme und Finanzmärkte (1) Unbeschadet des Artikels 5 ist für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte und Pflichten der Mitglieder eines Zahlungs- oder Abwicklungssystems oder eines Finanzmarktes ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, das für das betreffende System oder den betreffenden Markt gilt. (2) Absatz 1 steht einer Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit der Zahlungen oder Transaktionen gemäß den für das betreffende Zahlungssystem oder den betreffenden Finanzmarkt geltenden Rechtsvorschriften nicht entgegen. Die Vorschrift enthält eine Sonderanknüpfung für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechtsbeziehungen innerhalb eines Zahlungs- oder Abwicklungssystems oder eines Finanzmarktes. Sie bestimmen sich einheitlich nach dem Recht, das für das betreffende Zahlungssystem bzw. den Finanzmarkt gilt, um die Stabilität und das allgemeine Vertrauen in diese Systeme und Märkte zu schützen und zu verhindern, dass im Fall der Insolvenz eines Beteiligten die bestehenden Transaktions- und Abrechnungssysteme durch die Anwendung eines über das Insolvenzstatut berufenen fremden Rechts gestört werden.1)
1
Art. 9 ist in Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, Wertpapier- und Fondsgesellschaften aufgrund der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 nicht anwendbar (Art. 1 Rz. 10). Für diese Marktteilnehmer gilt daher in Deutschland § 340 InsO auch im europäischen Bereich unmittelbar.
2
Soweit Art. 9 danach nur in der Insolvenz anderer Marktteilnehmer zur Anwendung gelangt, betrifft er einerseits Zahlungs- oder Abwicklungssysteme (zur Definition § 340 InsO Rz. 6 f) und andererseits Finanzmärkte. Anders als § 340 Abs. 2 InsO und die Richtlinienbestimmungen, deren Umsetzung diese Vorschrift dient, sieht Art. 9 keine Privilegierung des Liquidationsnettings vor.2)
3
_____________ 1) 2)
Virgós/Schmit, Nr. 120. Zur Privilegierung des Liquidationsnettings in § 340 Abs. 2 InsO und dem zugrunde liegenden Richtlinienrecht s. § 340 Rz. 3, 8 ff.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1673
Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand
Artikel 9 EuInsVO
verbietet sich der Rückgriff auf die Legaldefinition in § 49 InsO. Aus Art. 11 und Art. 14, die sich mit Verfügungen und dinglichen Rechten an eintragungspflichtigen Gegenständen befassen, ergibt sich, dass die EuInsVO zwischen unbeweglichen Gegenständen einerseits und eintragungspflichtigen Schiffen und Luftfahrzeugen andererseits differenziert. Letztere können daher i. S. der EuInsVO nicht als unbewegliche Gegenstände angesehen werden.5) Deshalb gilt für Verträge über eintragungspflichtige Flugzeuge und Schiffe nicht Art. 8, sondern die allgemeine Regelung in Art. 4 Abs. 2 Buchst. e. _____________ 5)
Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Huber, EuInsVO, Art. 8 Rz. 3 a. E.
Artikel 9 Zahlungssysteme und Finanzmärkte (1) Unbeschadet des Artikels 5 ist für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechte und Pflichten der Mitglieder eines Zahlungs- oder Abwicklungssystems oder eines Finanzmarktes ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, das für das betreffende System oder den betreffenden Markt gilt. (2) Absatz 1 steht einer Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit der Zahlungen oder Transaktionen gemäß den für das betreffende Zahlungssystem oder den betreffenden Finanzmarkt geltenden Rechtsvorschriften nicht entgegen. Die Vorschrift enthält eine Sonderanknüpfung für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Rechtsbeziehungen innerhalb eines Zahlungs- oder Abwicklungssystems oder eines Finanzmarktes. Sie bestimmen sich einheitlich nach dem Recht, das für das betreffende Zahlungssystem bzw. den Finanzmarkt gilt, um die Stabilität und das allgemeine Vertrauen in diese Systeme und Märkte zu schützen und zu verhindern, dass im Fall der Insolvenz eines Beteiligten die bestehenden Transaktions- und Abrechnungssysteme durch die Anwendung eines über das Insolvenzstatut berufenen fremden Rechts gestört werden.1)
1
Art. 9 ist in Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, Wertpapier- und Fondsgesellschaften aufgrund der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 nicht anwendbar (Art. 1 Rz. 10). Für diese Marktteilnehmer gilt daher in Deutschland § 340 InsO auch im europäischen Bereich unmittelbar.
2
Soweit Art. 9 danach nur in der Insolvenz anderer Marktteilnehmer zur Anwendung gelangt, betrifft er einerseits Zahlungs- oder Abwicklungssysteme (zur Definition § 340 InsO Rz. 6 f) und andererseits Finanzmärkte. Anders als § 340 Abs. 2 InsO und die Richtlinienbestimmungen, deren Umsetzung diese Vorschrift dient, sieht Art. 9 keine Privilegierung des Liquidationsnettings vor.2)
3
_____________ 1) 2)
Virgós/Schmit, Nr. 120. Zur Privilegierung des Liquidationsnettings in § 340 Abs. 2 InsO und dem zugrunde liegenden Richtlinienrecht s. § 340 Rz. 3, 8 ff.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1673
EuInsVO Artikel 10
Arbeitsvertrag
Artikel 10 Arbeitsvertrag Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist. 1
Die in Art. 10 geregelte Sonderanknüpfung dient dem Schutz der Arbeitnehmer. Alle Fragen, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses und seinen Inhalt berühren, sollen sich auch in der Insolvenz nach dem für den Arbeitsvertrag maßgeblichen Recht richten. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass Klagen gegen Kündigungen, die ein in einem anderen Mitgliedstaat bestellter Insolvenzverwalter in Deutschland ausgesprochen hat, keine Annexverfahren i. S. des Art. 3 sind, also nicht der Jurisdiktion des anderen Mitgliedstaats unterliegen.1)
2
Das Arbeitsvertragsstatut2) gilt danach insbesondere für die Fortsetzung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Insolvenz, für Sonderkündigungsrechte und Kündigungsfristen sowie für Fragen des Betriebsübergangs oder der Betriebsänderung.3)
3
Nicht von Art. 10 erfasst ist dagegen die Behandlung der Entgeltansprüche der Arbeitnehmer in der Insolvenz. Wie die Forderungen der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren geltend zu machen sind, ob sie durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang dieses Vorrecht ggf. erhalten soll, bestimmt sich nach dem Recht des Eröffnungsstaats (Erwägungsgrund 28).
4
Ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld oder eine vergleichbare Insolvenzausfallsicherung hat, richtet sich dagegen weder nach dem Arbeitsvertragsstatut noch nach dem Recht des Eröffnungsstaates, sondern ausschließlich nach dem Recht des Staates, in dem die in Anspruch genommene Einrichtung zur Insolvenzausfallsicherung besteht.4) Nach Art. 8a der EU-Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers5) richtet sich der Anspruch auf Insolvenzgeld dabei gegen die Einrichtung desjenigen Mitgliedstaats, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet oder verrichtet hat.
5
In Deutschland ist § 183 SGB III einschlägig, der in Absatz 1 Satz 2 einen Insolvenzgeldanspruch auch beim Vorliegen eines ausländischen Insolvenzereignisses vor_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
BAG, Urt. v. 20.9.2012 – 6 AZR 253/11, ZIP 2012, 2312 = NZI 2012, 1011, m. Anm. Hess, dazu EWiR 2013, 49 (Knof/Stütze). Vgl. zur Regelanknüpfung an den Arbeitsort und zur Anknüpfung an den Ort der vertragsschließenden Niederlassung bei mehreren Arbeitsorten in verschiedenen Ländern: LAG Hessen, Urt. v. 5.3.2007 – 17 Sa 122/06. Virgós/Schmit, Nr. 128; Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 10 EuInsVO Rz. 6. Virgós/Schmit, Nr. 128; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsy-Duursma/Kepplinger, EuInsVO, Art. 10 Rz. 14. Richtlinie des Rates v. 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (80/987/EWG), ABl. (EG) L 283/23, i. d. F. der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.9.2002 zur Änderung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, ABl. (EG) L 270/10.
1674
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 12 EuInsVO
Gemeinschaftspatente und -marken
sieht. Insolvenzereignis ist dabei jede als Insolvenzeröffnung i. S. von Art. 3 anzusehende Entscheidung, die Wirkungen in Deutschland hat. Ein ausländisches Partikularverfahren, dessen Wirkungen auf das ausländische Hoheitsgebiet und das dort belegene Vermögen des Schuldners beschränkt sind, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Liegt aber die ausländische Eröffnungsentscheidung hinsichtlich eines Hauptverfahrens vor, so ist allein diese für die Berechnung des Insolvenzgeldzeitraums maßgebend; die nachfolgende Eröffnung eines deutschen Sekundärverfahrens ist unbeachtlich.
Artikel 11 Wirkung auf eintragungspflichtige Rechte Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Rechte des Schuldners an einem unbeweglichen Gegenstand, einem Schiff oder einem Luftfahrzeug, die der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegen, ist das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird. Die Regelung soll verhindern, dass das Recht des Eröffnungsstaates Wirkungen der Insolvenzeröffnung auf eintragungspflichtige Rechte des Schuldners anordnet, die in dem Belegenheits- oder Registerstaat unbekannt sind. Deshalb richtet sich die Art und Weise, in der sich die Insolvenzeröffnung auf das Eigentumsrecht des Schuldners an einem Grundstück oder andere registrierte Gegenstände auswirkt, allein nach dem Recht des Registerstaates. Eintragungen in das Register können nur nach dem in diesem Staat geltenden Recht und nur in dem dort vorgesehenen Umfang erfolgen. Ebenso hat die Verwertung der registrierten Gegenstände nach den maßgebenden Vorschriften des Registerstaates zu erfolgen.
1
Art. 11 regelt nur die Rechte des Schuldners an den unbeweglichen bzw. registrierten Gegenständen. Für die dinglichen Rechte der Gläubiger gilt Art. 5.
2
Artikel 12 Gemeinschaftspatente und -marken Für die Zwecke dieser Verordnung kann ein Gemeinschaftspatent, eine Gemeinschaftsmarke oder jedes andere durch Gemeinschaftsvorschriften begründete ähnliche Recht nur in ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 miteinbezogen werden. Die Regelung bestimmt, dass Gemeinschaftspatente und -marken nur in die Insolvenzmasse des europäischen Hauptinsolvenzverfahrens und nicht in die Insolvenzmasse eines Partikular- oder Sekundärverfahrens fallen. Damit ist sichergestellt, dass Gemeinschaftspatente und -marken, die stets einen europaweiten Geltungsbereich haben, nur einheitlich in dem ebenfalls europaweit wirkenden Hauptinsolvenzverfahren verwertet werden können.
1
Art. 12 beansprucht aber nur Geltung, wenn sich der COMI (vor §§ 335 – 358 InsO Rz. 2) des Patent- oder Markeninhabers im Anwendungsbereich der EuInsVO befindet. In den Fällen, in denen der Inhaber des Schutzrechts den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen außerhalb der EU hat und daher ein Hauptverfahren nach Art. 3 Abs. 1 gar nicht eröffnet werden kann, können Gemeinschafts-
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Bornemann/Sabel/Schlegel
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Artikel 12 EuInsVO
Gemeinschaftspatente und -marken
sieht. Insolvenzereignis ist dabei jede als Insolvenzeröffnung i. S. von Art. 3 anzusehende Entscheidung, die Wirkungen in Deutschland hat. Ein ausländisches Partikularverfahren, dessen Wirkungen auf das ausländische Hoheitsgebiet und das dort belegene Vermögen des Schuldners beschränkt sind, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Liegt aber die ausländische Eröffnungsentscheidung hinsichtlich eines Hauptverfahrens vor, so ist allein diese für die Berechnung des Insolvenzgeldzeitraums maßgebend; die nachfolgende Eröffnung eines deutschen Sekundärverfahrens ist unbeachtlich.
Artikel 11 Wirkung auf eintragungspflichtige Rechte Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Rechte des Schuldners an einem unbeweglichen Gegenstand, einem Schiff oder einem Luftfahrzeug, die der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegen, ist das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird. Die Regelung soll verhindern, dass das Recht des Eröffnungsstaates Wirkungen der Insolvenzeröffnung auf eintragungspflichtige Rechte des Schuldners anordnet, die in dem Belegenheits- oder Registerstaat unbekannt sind. Deshalb richtet sich die Art und Weise, in der sich die Insolvenzeröffnung auf das Eigentumsrecht des Schuldners an einem Grundstück oder andere registrierte Gegenstände auswirkt, allein nach dem Recht des Registerstaates. Eintragungen in das Register können nur nach dem in diesem Staat geltenden Recht und nur in dem dort vorgesehenen Umfang erfolgen. Ebenso hat die Verwertung der registrierten Gegenstände nach den maßgebenden Vorschriften des Registerstaates zu erfolgen.
1
Art. 11 regelt nur die Rechte des Schuldners an den unbeweglichen bzw. registrierten Gegenständen. Für die dinglichen Rechte der Gläubiger gilt Art. 5.
2
Artikel 12 Gemeinschaftspatente und -marken Für die Zwecke dieser Verordnung kann ein Gemeinschaftspatent, eine Gemeinschaftsmarke oder jedes andere durch Gemeinschaftsvorschriften begründete ähnliche Recht nur in ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 miteinbezogen werden. Die Regelung bestimmt, dass Gemeinschaftspatente und -marken nur in die Insolvenzmasse des europäischen Hauptinsolvenzverfahrens und nicht in die Insolvenzmasse eines Partikular- oder Sekundärverfahrens fallen. Damit ist sichergestellt, dass Gemeinschaftspatente und -marken, die stets einen europaweiten Geltungsbereich haben, nur einheitlich in dem ebenfalls europaweit wirkenden Hauptinsolvenzverfahren verwertet werden können.
1
Art. 12 beansprucht aber nur Geltung, wenn sich der COMI (vor §§ 335 – 358 InsO Rz. 2) des Patent- oder Markeninhabers im Anwendungsbereich der EuInsVO befindet. In den Fällen, in denen der Inhaber des Schutzrechts den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen außerhalb der EU hat und daher ein Hauptverfahren nach Art. 3 Abs. 1 gar nicht eröffnet werden kann, können Gemeinschafts-
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Artikel 12 EuInsVO
Gemeinschaftspatente und -marken
sieht. Insolvenzereignis ist dabei jede als Insolvenzeröffnung i. S. von Art. 3 anzusehende Entscheidung, die Wirkungen in Deutschland hat. Ein ausländisches Partikularverfahren, dessen Wirkungen auf das ausländische Hoheitsgebiet und das dort belegene Vermögen des Schuldners beschränkt sind, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Liegt aber die ausländische Eröffnungsentscheidung hinsichtlich eines Hauptverfahrens vor, so ist allein diese für die Berechnung des Insolvenzgeldzeitraums maßgebend; die nachfolgende Eröffnung eines deutschen Sekundärverfahrens ist unbeachtlich.
Artikel 11 Wirkung auf eintragungspflichtige Rechte Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf Rechte des Schuldners an einem unbeweglichen Gegenstand, einem Schiff oder einem Luftfahrzeug, die der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegen, ist das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird. Die Regelung soll verhindern, dass das Recht des Eröffnungsstaates Wirkungen der Insolvenzeröffnung auf eintragungspflichtige Rechte des Schuldners anordnet, die in dem Belegenheits- oder Registerstaat unbekannt sind. Deshalb richtet sich die Art und Weise, in der sich die Insolvenzeröffnung auf das Eigentumsrecht des Schuldners an einem Grundstück oder andere registrierte Gegenstände auswirkt, allein nach dem Recht des Registerstaates. Eintragungen in das Register können nur nach dem in diesem Staat geltenden Recht und nur in dem dort vorgesehenen Umfang erfolgen. Ebenso hat die Verwertung der registrierten Gegenstände nach den maßgebenden Vorschriften des Registerstaates zu erfolgen.
1
Art. 11 regelt nur die Rechte des Schuldners an den unbeweglichen bzw. registrierten Gegenständen. Für die dinglichen Rechte der Gläubiger gilt Art. 5.
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Artikel 12 Gemeinschaftspatente und -marken Für die Zwecke dieser Verordnung kann ein Gemeinschaftspatent, eine Gemeinschaftsmarke oder jedes andere durch Gemeinschaftsvorschriften begründete ähnliche Recht nur in ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 miteinbezogen werden. Die Regelung bestimmt, dass Gemeinschaftspatente und -marken nur in die Insolvenzmasse des europäischen Hauptinsolvenzverfahrens und nicht in die Insolvenzmasse eines Partikular- oder Sekundärverfahrens fallen. Damit ist sichergestellt, dass Gemeinschaftspatente und -marken, die stets einen europaweiten Geltungsbereich haben, nur einheitlich in dem ebenfalls europaweit wirkenden Hauptinsolvenzverfahren verwertet werden können.
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Art. 12 beansprucht aber nur Geltung, wenn sich der COMI (vor §§ 335 – 358 InsO Rz. 2) des Patent- oder Markeninhabers im Anwendungsbereich der EuInsVO befindet. In den Fällen, in denen der Inhaber des Schutzrechts den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen außerhalb der EU hat und daher ein Hauptverfahren nach Art. 3 Abs. 1 gar nicht eröffnet werden kann, können Gemeinschafts-
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1675
EuInsVO Artikel 13
Benachteiligende Rechtshandlungen
patente und -marken in demjenigen Partikularverfahren verwertet werden, das im Anwendungsbereich der EuInsVO zuerst eröffnet wurde.1) _____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 134; Stephan in: HK-InsO, Art. 12 EuInsVO Rz. 2 m. w. N.
Artikel 13 Benachteiligende Rechtshandlungen Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) findet keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, – dass für diese Rechtshandlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und – dass in diesem Falle diese Rechtshandlung in keiner Weise nach diesem Recht angreifbar ist. Literatur: Kemper, Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, ZIP 2001, 1609; Prager/Keller, Die Einrede des Art. 13 EuInsVO, NZI 2011, 697.
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Die Vorschrift enthält eine ergänzende Regelung für die Insolvenzanfechtung und vergleichbare Mechanismen in anderen Mitgliedstaaten (Nichtigkeit, relative Unwirksamkeit) zum Schutz der Gläubiger vor benachteiligenden Rechtshandlungen des Schuldners. Die Zuständigkeit für Anfechtungsklagen richtet sich, wie der Europäische Gerichtshof abschließend entschieden hat, nach der EuInsVO und nicht nach der EuGVVO (vgl. Art. 3 Rz. 11 f).1) Grundsätzlich unterliegt die Frage der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. m dem allgemeinen Insolvenzstatut. Art. 13 gelangt nur zur Anwendung, wenn und soweit eine – vor Insolvenzeröffnung vorgenommene – Rechtshandlung des Schuldners nach dem danach maßgebenden Recht des Eröffnungsstaats anfechtbar, nichtig oder unwirksam wäre. Zum Schutz des Leistungsempfängers (Anfechtungsgegners) kann die Geltung des allgemeinen Insolvenzstatuts in diesen Fällen durch Art. 13 eingeschränkt werden.2) Für Handlungen des Schuldners nach Insolvenzeröffnung gilt weder Art. 13 noch Art. 4 Abs. 2 Buchst. m, sondern Art. 4 Abs. 2 Buchst. c i. V. m. Art. 14. Die Anfechtung ist danach, obwohl sie nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung erfolgreich wäre, ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger zwei Voraussetzungen nachweist, für die er im Streitfall die Darlegungs- und Beweislast trägt: Zunächst muss auf die angefochtene Rechtshandlung nach den für sie maßgebenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts das materielle Recht eines anderen Mitgliedstaates anwendbar sein. Das ist etwa der Fall, wenn etwa bei vertraglichen Leistungen des Schuldners das Vertragsstatut vom allgemeinen Insolvenzstatut abweicht. _____________ 1) 2)
EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07 (Deko Marty), ZIP 2009, 427, dazu EWiR 2009, 411 (K. Müller). Virgós/Schmit, Nr. 138. Zur Sonderproblematik mittelbarer Zuwendungen, etwa bei cash pooling im Konzern s. Prager/Keller, NZI 2011, 697, 701.
1676
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 13
Benachteiligende Rechtshandlungen
patente und -marken in demjenigen Partikularverfahren verwertet werden, das im Anwendungsbereich der EuInsVO zuerst eröffnet wurde.1) _____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 134; Stephan in: HK-InsO, Art. 12 EuInsVO Rz. 2 m. w. N.
Artikel 13 Benachteiligende Rechtshandlungen Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) findet keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, – dass für diese Rechtshandlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und – dass in diesem Falle diese Rechtshandlung in keiner Weise nach diesem Recht angreifbar ist. Literatur: Kemper, Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, ZIP 2001, 1609; Prager/Keller, Die Einrede des Art. 13 EuInsVO, NZI 2011, 697.
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Die Vorschrift enthält eine ergänzende Regelung für die Insolvenzanfechtung und vergleichbare Mechanismen in anderen Mitgliedstaaten (Nichtigkeit, relative Unwirksamkeit) zum Schutz der Gläubiger vor benachteiligenden Rechtshandlungen des Schuldners. Die Zuständigkeit für Anfechtungsklagen richtet sich, wie der Europäische Gerichtshof abschließend entschieden hat, nach der EuInsVO und nicht nach der EuGVVO (vgl. Art. 3 Rz. 11 f).1) Grundsätzlich unterliegt die Frage der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. m dem allgemeinen Insolvenzstatut. Art. 13 gelangt nur zur Anwendung, wenn und soweit eine – vor Insolvenzeröffnung vorgenommene – Rechtshandlung des Schuldners nach dem danach maßgebenden Recht des Eröffnungsstaats anfechtbar, nichtig oder unwirksam wäre. Zum Schutz des Leistungsempfängers (Anfechtungsgegners) kann die Geltung des allgemeinen Insolvenzstatuts in diesen Fällen durch Art. 13 eingeschränkt werden.2) Für Handlungen des Schuldners nach Insolvenzeröffnung gilt weder Art. 13 noch Art. 4 Abs. 2 Buchst. m, sondern Art. 4 Abs. 2 Buchst. c i. V. m. Art. 14. Die Anfechtung ist danach, obwohl sie nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung erfolgreich wäre, ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger zwei Voraussetzungen nachweist, für die er im Streitfall die Darlegungs- und Beweislast trägt: Zunächst muss auf die angefochtene Rechtshandlung nach den für sie maßgebenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts das materielle Recht eines anderen Mitgliedstaates anwendbar sein. Das ist etwa der Fall, wenn etwa bei vertraglichen Leistungen des Schuldners das Vertragsstatut vom allgemeinen Insolvenzstatut abweicht. _____________ 1) 2)
EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07 (Deko Marty), ZIP 2009, 427, dazu EWiR 2009, 411 (K. Müller). Virgós/Schmit, Nr. 138. Zur Sonderproblematik mittelbarer Zuwendungen, etwa bei cash pooling im Konzern s. Prager/Keller, NZI 2011, 697, 701.
1676
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 14 EuInsVO
Schutz des Dritterwerbers
Darüber hinaus muss feststehen, dass die Rechtshandlung nach den Vorschriften dieses Rechts in keiner Weise anfechtbar, nichtig oder unwirksam ist. Dies ist sowohl anhand der insolvenzrechtlichen Vorschriften dieser Rechtsordnung als auch aufgrund ihrer allgemeinen Rechtsnormen zu prüfen.3) Deshalb hat der Anfechtungsgegner nicht nur die anfechtungsrechtlichen Tatbestände, sondern darüber hinaus auch darzulegen, dass das Geschäft nach dem Recht des betreffenden Staates weder sittenwidrig noch in sonstiger Weise angreifbar war.4) Derzeit liegt dem Europäischen Gerichtshof die praktisch relevante Frage vor, ob die durch Art. 13 gegen Anfechtungsansprüche gewährte Einrede auch und bereits dann zum Erfolg führt, wenn die nach der lex fori concursus anfechtbare Handlung infolge des Ablaufs von Verjährungs-, Anfechtungs- oder Ausschlussfristen nach dem Wirkungsstatut nicht mehr angegriffen werden kann, obgleich sie ursprünglich auch insoweit anfechtbar war.5) Es geht, anders gewendet und verallgemeinert, darum, ob eine Anfechtungsklage nur dann zum Erfolg führt, wenn die angefochtene Handlung nach dem Wirkungsstatut zu keinem Zeitpunkt anfechtbar gewesen ist. _____________ 3) 4) 5)
4
Virgós/Schmit, Nr. 137. Vgl. Stephan in: HK-InsO, Art. 13 EuInsVO Rz. 5; Kemper, ZIP 2001, 1609, 1618. BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZR 265/12 (Vorinstanz: OLG Stuttgart), ZIP 2013, 2167, dazu EWiR 2014, 185 (Undritz).
Artikel 14 Schutz des Dritterwerbers Verfügt der Schuldner durch eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung gegen Entgelt –
über einen unbeweglichen Gegenstand,
–
über ein Schiff oder ein Luftfahrzeug, das der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegt, oder
–
über Wertpapiere, deren Eintragung in ein gesetzlich vorgeschriebenes Register Voraussetzung für ihre Existenz ist,
so richtet sich die Wirksamkeit dieser Rechtshandlung nach dem Recht des Staates, in dessen Gebiet dieser unbewegliche Gegenstand belegen ist oder unter dessen Aufsicht das Register geführt wird. Literatur: Reinhart, Die Bedeutung der EuInsVO im Insolvenzeröffnungsverfahren – Besonderheiten paralleler Eröffnungsverfahren, NZI 2009, 201.
Ob eine Verfügung des Schuldners über Grundstücke oder andere Gegenstände, die in einem öffentlichen Register (Grundbuch, Schiffs-, Luftfahrt- oder Wertpapierregister) eingetragen sind, wirksam ist, richtet sich nach dem Recht des Belegenheitsbzw. Registerstaates. Dies dient dem Schutz des öffentlichen Glaubens an die öffentlichen Register der Mitgliedstaaten.1) Deshalb gilt Art. 14 auch nur, wenn der Gegen_____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 141.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1677
1
Artikel 14 EuInsVO
Schutz des Dritterwerbers
Darüber hinaus muss feststehen, dass die Rechtshandlung nach den Vorschriften dieses Rechts in keiner Weise anfechtbar, nichtig oder unwirksam ist. Dies ist sowohl anhand der insolvenzrechtlichen Vorschriften dieser Rechtsordnung als auch aufgrund ihrer allgemeinen Rechtsnormen zu prüfen.3) Deshalb hat der Anfechtungsgegner nicht nur die anfechtungsrechtlichen Tatbestände, sondern darüber hinaus auch darzulegen, dass das Geschäft nach dem Recht des betreffenden Staates weder sittenwidrig noch in sonstiger Weise angreifbar war.4) Derzeit liegt dem Europäischen Gerichtshof die praktisch relevante Frage vor, ob die durch Art. 13 gegen Anfechtungsansprüche gewährte Einrede auch und bereits dann zum Erfolg führt, wenn die nach der lex fori concursus anfechtbare Handlung infolge des Ablaufs von Verjährungs-, Anfechtungs- oder Ausschlussfristen nach dem Wirkungsstatut nicht mehr angegriffen werden kann, obgleich sie ursprünglich auch insoweit anfechtbar war.5) Es geht, anders gewendet und verallgemeinert, darum, ob eine Anfechtungsklage nur dann zum Erfolg führt, wenn die angefochtene Handlung nach dem Wirkungsstatut zu keinem Zeitpunkt anfechtbar gewesen ist. _____________ 3) 4) 5)
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Virgós/Schmit, Nr. 137. Vgl. Stephan in: HK-InsO, Art. 13 EuInsVO Rz. 5; Kemper, ZIP 2001, 1609, 1618. BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZR 265/12 (Vorinstanz: OLG Stuttgart), ZIP 2013, 2167, dazu EWiR 2014, 185 (Undritz).
Artikel 14 Schutz des Dritterwerbers Verfügt der Schuldner durch eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung gegen Entgelt –
über einen unbeweglichen Gegenstand,
–
über ein Schiff oder ein Luftfahrzeug, das der Eintragung in ein öffentliches Register unterliegt, oder
–
über Wertpapiere, deren Eintragung in ein gesetzlich vorgeschriebenes Register Voraussetzung für ihre Existenz ist,
so richtet sich die Wirksamkeit dieser Rechtshandlung nach dem Recht des Staates, in dessen Gebiet dieser unbewegliche Gegenstand belegen ist oder unter dessen Aufsicht das Register geführt wird. Literatur: Reinhart, Die Bedeutung der EuInsVO im Insolvenzeröffnungsverfahren – Besonderheiten paralleler Eröffnungsverfahren, NZI 2009, 201.
Ob eine Verfügung des Schuldners über Grundstücke oder andere Gegenstände, die in einem öffentlichen Register (Grundbuch, Schiffs-, Luftfahrt- oder Wertpapierregister) eingetragen sind, wirksam ist, richtet sich nach dem Recht des Belegenheitsbzw. Registerstaates. Dies dient dem Schutz des öffentlichen Glaubens an die öffentlichen Register der Mitgliedstaaten.1) Deshalb gilt Art. 14 auch nur, wenn der Gegen_____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 141.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1677
1
EuInsVO Artikel 15 Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten
2
3
stand in einem Mitgliedstaat belegen oder registriert ist.2) Der Begriff der Verfahrenseröffnung ist – wie vom Europäischen Gerichtshof in der Eurofood-Entscheidung i. R. der internationalen Zuständigkeit entschieden3) – europarechtlich auszulegen. Er umfasst deshalb auch Verfügungen, die im Eröffnungsverfahren nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden.4) Die Vorschrift gilt nur für entgeltliche Verfügungen des Schuldners. Bei Schenkungen, die der Schuldner nach Verfahrenseröffnung vornimmt, entscheidet über die Wirksamkeit allein das allgemeine Insolvenzstatut, wonach die Verfügungen regelmäßig unwirksam sind, da der Schuldner seine Verfügungsbefugnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in aller Regel verliert. Dagegen sehen die Rechte der meisten Mitgliedstaaten einen Gutglaubensschutz bis zur Eintragung der Insolvenzeröffnung in das betreffende Register vor, sodass (entgeltliche) Verfügungen des Schuldners vor dieser Eintragung wirksam sein können (zum deutschen Recht vgl. § 349 InsO Rz. 2). _____________ 2) 3) 4)
Stephan in: HK-InsO, Art. 14 EuInsVO Rz. 4. EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484. Reinhart, NZI 2009, 201, 202.
Artikel 15 Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Literatur: Reinhart, Die Bedeutung der EuInsVO im Insolvenzeröffnungsverfahren – Besonderheiten paralleler Eröffnungsverfahren, NZI 2009, 201.
1
Art. 15 enthält keine materielle Regelung über die Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten, sondern verweist hierfür entsprechend dem allgemeinen Grundsatz des Internationalen Zivilverfahrensrechts auf das Verfahrensrecht des Staates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist (lex fori).
2
Die Gerichte haben daher stets aufgrund ihres eigenen Prozessrechts zu entscheiden, ob durch die Insolvenzeröffnung eine Unterbrechung oder Aussetzung des Rechtsstreits eintritt bzw. durch wen und unter welchen Voraussetzungen eine Aufnahme oder Fortführung des Verfahrens erfolgen kann.
3
In Deutschland gilt hierfür § 240 ZPO, der für alle Rechtsstreitigkeiten, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, mit der Insolvenzeröffnung eine automatische Unterbrechung anordnet. Diese Unterbrechungswirkung gemäß Art. 15 i. V. m. § 240 ZPO tritt unabhängig vom Recht des Eröffnungsstaates ein.1) Vollstreckbarkeitsverfahren nach Art. 38 ff EuGVVO i. V. m. dem AVAG werden in der ersten Instanz nicht kontradiktorisch geführt und sind daher kein „Rechtsstreit“ i. S. des _____________ 1)
So auch OLG Brandenburg, Zwischen-Urt. v. 25.5.2011 – 13 U 100/07, ZInsO 2011, 1563, 1565.
1678
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 15 Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten
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stand in einem Mitgliedstaat belegen oder registriert ist.2) Der Begriff der Verfahrenseröffnung ist – wie vom Europäischen Gerichtshof in der Eurofood-Entscheidung i. R. der internationalen Zuständigkeit entschieden3) – europarechtlich auszulegen. Er umfasst deshalb auch Verfügungen, die im Eröffnungsverfahren nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden.4) Die Vorschrift gilt nur für entgeltliche Verfügungen des Schuldners. Bei Schenkungen, die der Schuldner nach Verfahrenseröffnung vornimmt, entscheidet über die Wirksamkeit allein das allgemeine Insolvenzstatut, wonach die Verfügungen regelmäßig unwirksam sind, da der Schuldner seine Verfügungsbefugnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in aller Regel verliert. Dagegen sehen die Rechte der meisten Mitgliedstaaten einen Gutglaubensschutz bis zur Eintragung der Insolvenzeröffnung in das betreffende Register vor, sodass (entgeltliche) Verfügungen des Schuldners vor dieser Eintragung wirksam sein können (zum deutschen Recht vgl. § 349 InsO Rz. 2). _____________ 2) 3) 4)
Stephan in: HK-InsO, Art. 14 EuInsVO Rz. 4. EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484. Reinhart, NZI 2009, 201, 202.
Artikel 15 Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Literatur: Reinhart, Die Bedeutung der EuInsVO im Insolvenzeröffnungsverfahren – Besonderheiten paralleler Eröffnungsverfahren, NZI 2009, 201.
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Art. 15 enthält keine materielle Regelung über die Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten, sondern verweist hierfür entsprechend dem allgemeinen Grundsatz des Internationalen Zivilverfahrensrechts auf das Verfahrensrecht des Staates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist (lex fori).
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Die Gerichte haben daher stets aufgrund ihres eigenen Prozessrechts zu entscheiden, ob durch die Insolvenzeröffnung eine Unterbrechung oder Aussetzung des Rechtsstreits eintritt bzw. durch wen und unter welchen Voraussetzungen eine Aufnahme oder Fortführung des Verfahrens erfolgen kann.
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In Deutschland gilt hierfür § 240 ZPO, der für alle Rechtsstreitigkeiten, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, mit der Insolvenzeröffnung eine automatische Unterbrechung anordnet. Diese Unterbrechungswirkung gemäß Art. 15 i. V. m. § 240 ZPO tritt unabhängig vom Recht des Eröffnungsstaates ein.1) Vollstreckbarkeitsverfahren nach Art. 38 ff EuGVVO i. V. m. dem AVAG werden in der ersten Instanz nicht kontradiktorisch geführt und sind daher kein „Rechtsstreit“ i. S. des _____________ 1)
So auch OLG Brandenburg, Zwischen-Urt. v. 25.5.2011 – 13 U 100/07, ZInsO 2011, 1563, 1565.
1678
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 16 EuInsVO
Grundsatz
Art. 15. Anders verhält es sich dagegen beim Beschwerdeverfahren gemäß Art. 43 EuGVVO i. V. m. §§ 11 ff AVAG, das kontradiktorisch ausgestaltet ist und demzufolge durch die ausländische Insolvenzeröffnung unterbrochen wird.2) Für die Aufnahme des Verfahrens gelten ergänzend die §§ 85, 86 InsO. Ob ein deutscher Insolvenzeröffnungsbeschluss ein im Ausland anhängiges Verfahren unterbricht, ist allein nach dem dort geltenden Prozessrecht zu entscheiden. _____________ 2)
OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2007 – 16 W 24/07, ZIP 2007, 2287.
Kapitel II Anerkennung der Insolvenzverfahren Artikel 16 Grundsatz (1) 1Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Artikel 3 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats wird in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. 2Dies gilt auch, wenn in den übrigen Mitgliedstaaten über das Vermögen des Schuldners wegen seiner Eigenschaft ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden könnte. (2) 1Die Anerkennung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 steht der Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats nicht entgegen. 2In diesem Fall ist das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 ein Sekundärinsolvenzverfahren im Sinne von Kapitel III.
Artikel 102 § 3 EGInsO Vermeidung von Kompetenzkonflikten 1
(1) Hat das Gericht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so ist, solange dieses Insolvenzverfahren anhängig ist, ein bei einem inländischen Insolvenzgericht gestellter Antrag auf Eröffnung eines solchen Verfahrens über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen unzulässig. 2Ein entgegen Satz 1 eröffnetes Verfahren darf nicht fortgesetzt werden. 3Gegen die Eröffnung des inländischen Verfahrens ist auch der Verwalter des ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens beschwerdebefugt. (2) Hat das Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, weil nach Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 die deutschen Gerichte zuständig seien, so darf ein deutsches Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ablehnen, weil die Gerichte des anderen Mitgliedstaats zuständig seien.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1679
Artikel 16 EuInsVO
Grundsatz
Art. 15. Anders verhält es sich dagegen beim Beschwerdeverfahren gemäß Art. 43 EuGVVO i. V. m. §§ 11 ff AVAG, das kontradiktorisch ausgestaltet ist und demzufolge durch die ausländische Insolvenzeröffnung unterbrochen wird.2) Für die Aufnahme des Verfahrens gelten ergänzend die §§ 85, 86 InsO. Ob ein deutscher Insolvenzeröffnungsbeschluss ein im Ausland anhängiges Verfahren unterbricht, ist allein nach dem dort geltenden Prozessrecht zu entscheiden. _____________ 2)
OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2007 – 16 W 24/07, ZIP 2007, 2287.
Kapitel II Anerkennung der Insolvenzverfahren Artikel 16 Grundsatz (1) 1Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Artikel 3 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats wird in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. 2Dies gilt auch, wenn in den übrigen Mitgliedstaaten über das Vermögen des Schuldners wegen seiner Eigenschaft ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden könnte. (2) 1Die Anerkennung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 steht der Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats nicht entgegen. 2In diesem Fall ist das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 ein Sekundärinsolvenzverfahren im Sinne von Kapitel III.
Artikel 102 § 3 EGInsO Vermeidung von Kompetenzkonflikten 1
(1) Hat das Gericht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so ist, solange dieses Insolvenzverfahren anhängig ist, ein bei einem inländischen Insolvenzgericht gestellter Antrag auf Eröffnung eines solchen Verfahrens über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen unzulässig. 2Ein entgegen Satz 1 eröffnetes Verfahren darf nicht fortgesetzt werden. 3Gegen die Eröffnung des inländischen Verfahrens ist auch der Verwalter des ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens beschwerdebefugt. (2) Hat das Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, weil nach Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 die deutschen Gerichte zuständig seien, so darf ein deutsches Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ablehnen, weil die Gerichte des anderen Mitgliedstaats zuständig seien.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1679
EuInsVO Artikel 16
Grundsatz
Artikel 102 § 4 EGInsO Einstellung des Insolvenzverfahrens zugunsten der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats 1 (1) Darf das Insolvenzgericht ein bereits eröffnetes Insolvenzverfahren nach § 3 Abs. 1 nicht fortsetzen, so stellt es von Amts wegen das Verfahren zugunsten der Gerichte des anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union ein. 2 Das Insolvenzgericht soll vor der Einstellung den Insolvenzverwalter, den Gläubigerausschuss, wenn ein solcher bestellt ist, und den Schuldner hören. 3 Wird das Insolvenzverfahren eingestellt, so ist jeder Insolvenzgläubiger beschwerdebefugt. 1
(2) Wirkungen des Insolvenzverfahrens, die vor dessen Einstellung bereits eingetreten und nicht auf die Dauer dieses Verfahrens beschränkt sind, bleiben auch dann bestehen, wenn sie Wirkungen eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eröffneten Insolvenzverfahrens widersprechen, die sich nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 auf das Inland erstrecken. 2 Dies gilt auch für Rechtshandlungen, die während des eingestellten Verfahrens vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber in Ausübung seines Amtes vorgenommen worden sind. (3) 1Vor der Einstellung nach Absatz 1 hat das Insolvenzgericht das Gericht des anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, bei dem das Verfahren anhängig ist, über die bevorstehende Einstellung zu unterrichten; dabei soll angegeben werden, wie die Eröffnung des einzustellenden Verfahrens bekannt gemacht wurde, in welchen öffentlichen Büchern und Registern die Eröffnung eingetragen und wer Insolvenzverwalter ist. 2In dem Einstellungsbeschluss ist das Gericht des anderen Mitgliedstaats zu bezeichnen, zu dessen Gunsten 3 das Verfahren eingestellt wird. Diesem Gericht ist eine Ausfertigung des Einstellungsbeschlusses zu übersenden. 4§ 215 Abs. 2 der Insolvenzordnung ist nicht anzuwenden. Literatur: Smid, Vier Entscheidungen englischer und deutscher Gerichte zur europäischen internationalen Zuständigkeit zur Eröffnung von Hauptinsolvenzverfahren, DZWIR 2003, 397.
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Art. 16 bestimmt, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 zuständiges Gericht automatisch und unmittelbar in sämtlichen anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist. Eines besonderen Anerkennungsverfahrens oder einer Entscheidung eines Gerichts des ersuchten Mitgliedstaates bedarf es nicht. Davon zu trennen ist die zwangsweise Durchsetzung der Eröffnungsentscheidung gegen den Schuldner oder Dritte, für die Art. 25 gilt.
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Nach Absatz 1 erfolgt die Anerkennung, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung „wirksam“ ist. Die „Wirksamkeit“ erfordert keine formelle oder materielle Rechtskraft der Entscheidung und ist auch bei vorläufigen Entscheidungen, gegen die noch Rechtsmittel eingelegt werden können, anzuerkennen.1) _____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 16 EuInsVO Rz. 9; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 16 Rz. 10.
1680
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 16 EuInsVO
Grundsatz
Insolvenzeröffnung in diesem Sinne bedeutet jede Entscheidung eines Insolvenzgerichts, die den Vermögensbeschlag gegen den Schuldner zur Folge hat und durch die ein Verwalter bestellt wird.2) Als Konsequenz ist deshalb davon auszugehen, dass bereits die Anordnung der vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwaltung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO andere Eröffnungsentscheidungen in den übrigen Mitgliedstaaten unmöglich macht (vgl. auch Art. 3 Rz. 7).3) Des Weiteren ist Voraussetzung der unmittelbaren Anerkennung, dass die Entscheidung durch ein nach Art. 3 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaates ergangen ist. Hierfür reicht aus, dass das Gericht seine internationale Zuständigkeit – wenn auch nur implizit – angenommen hat. Dabei ist unerheblich, ob sich das entscheidende Gericht möglicherweise zu Unrecht für zuständig i. S. der Verordnung gehalten hat. Auch in diesem Fall darf wegen des Grundsatzes des gemeinschaftlichen Vertrauens, der als einer der maßgeblichen Grundprinzipien in der Verordnung verankert ist, keine inhaltliche Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates erfolgen. Unter Bezugnahme auf den von Art. 3, Art. 16 und Art. 25 gesteckten rechtlichen Rahmen hat der Europäische Gerichtshof in einer grundlegenden Entscheidung die bisherige Zuständigkeitslücke für Annexverfahren dahin gehend geschlossen, dass der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch für Klagen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, international zuständig ist (vgl. Art. 3 Rz. 11 f).
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Die Anerkennung der Eröffnungsentscheidung in einem anderen Mitgliedstaat hat auch dann zu erfolgen, wenn dort wegen fehlender Insolvenzfähigkeit des Schuldners ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden könnte (Abs. 1 Satz 2).4)
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Gemäß Absatz 2 bleibt nach Anerkennung eines eröffneten Hauptinsolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 1 die Eröffnung eines Sekundär- bzw. Partikularinsolvenzverfahrens i. S. des Art. 3 Abs. 2 in einem anderen Mitgliedstaat zulässig. Die zeitlich vorangehende Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens schließt die Eröffnung weiterer Hauptinsolvenzen aus.
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Alleiniger Versagungsgrund für die Anerkennung der Eröffnungsentscheidung kann ein Verstoß gegen den ordre public i. S. des Art. 26 sein.5) Ein Mitgliedstaat ist nur dann nicht zur Anerkennung verpflichtet, soweit diese dazu führen würde, dass
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_____________ 2)
3)
4) 5)
EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484; Arrondissementsgericht Amsterdam, Beschl. v. 31.1.2007 – FT RK 07-93, FT RK 07122, ZIP 2007, 492, dazu EWiR 2007, 143 (Paulus) – gerichtliche Bewilligung eines vorläufigen Zahlungsaufschubes als Eröffnung eines Insolvenzverfahrens; LG Patra (Griechenland), Beschl. v. 2.5.2007 – 316/07, ZIP 2007, 1875, dazu EWiR 2007, 563 (Paulus). Wohl h. M. in Deutschland, vgl. Paulus, EWiR 2007, 563 m. w. N. Bejahend jedenfalls für den Fall der Einsetzung eines starken vorläufigen Verwalters: OLG Innsbruck, Beschl. v. 8.7.2008 – 1 R 176/08d, ZIP 2008, 1647 = NZI 2008, 700, dazu EWiR 2008, 653 – 654 (Paulus). In diesem Fall liegt insbesondere kein Verstoß gegen den ordre public vor, Virgós/Schmit, Nr. 148. Vgl. hierzu die Brochier-Beschlüsse des AG Nürnberg v. 15.8.2006 und 1.10.2006 – 8004 IN 1326–1331/06, ZIP 2007, 81, 84, 87, m. Anm. Kebekus = ZInsO 2007, 668. dazu EWiR 2007, 81 (Duursma-Kepplinger).
Bornemann/Sabel/Schlegel
1681
EuInsVO Artikel 16
Grundsatz
seine öffentliche Ordnung, insbesondere die Grundprinzipien oder die verfassungsmäßig garantierten Rechte und Freiheiten des Einzelnen, verletzt würden. Eine solche Verletzung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Eröffnungsentscheidung unter offensichtlichem Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör einer von einem solchen Verfahren betroffenen Person ergangen ist.6) 7
Auf nationaler Ebene wird Art. 16 durch Art. 102 §§ 3 und 4 EGInsO ergänzt: Gemäß Art. 102 § 3 Abs. 1 EGInsO haben inländische Insolvenzgerichte einen zeitlich vorher verfassten Eröffnungsbeschluss über ein Hauptinsolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedstaat zwingend zu berücksichtigen, eine inhaltliche Überprüfungskompetenz steht ihnen nicht zu.7) Die Eröffnung eines weiteren Hauptinsolvenzverfahrens in Deutschland ist in diesen Fällen – wenn nicht ein ordrepublic-Verstoß festgestellt wird – ausgeschlossen, ein entsprechend lautender Eröffnungsantrag als unzulässig zurückzuweisen bzw. ein dennoch in fehlerhafter Weise eröffnetes Hauptinsolvenzverfahren im Inland einzustellen.8)
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Art. 102 § 3 Abs. 2 EGInsO verhindert den negativen Kompetenzkonflikt, der im Fall des Streits zweier Mitgliedstaaten über die internationale Zuständigkeit eintreten könnte. Er bewirkt aber nicht unbedingt, dass die deutschen Gerichte an die Rechtsauffassung des ausländischen Gerichts hinsichtlich der Zuständigkeit gebunden sind, sondern ermöglicht eine Ablehnung der eigenen internationalen Zuständigkeit mit der Begründung, dass weder die Gerichte des ersten Mitgliedstaates noch die deutschen Gerichte, sondern die Gerichte eines Drittstaates zuständig sind.
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Eine bindende Verweisung oder Abgabe des Insolvenzverfahrens an ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates ist mangels einer Regelung in der EuInsVO und auch mit Blick auf die entstandenen Verfahrenskosten nicht möglich und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen.9) Vielmehr ist der Antrag in diesem Fall als unzulässig zurückzuweisen und muss bei dem international und örtlich zuständigen Gericht erneut gestellt werden. „Verweist“ ein ausländisches Gericht ein Verfahren an ein deutsches Gericht, sollte das deutsche Insolvenzgericht den Antragsteller auffordern, den Antrag bei dem deutschen Insolvenzgericht – unter Darlegung der internationalen Zuständigkeit – erneut zu stellen.
10
Art. 102 § 4 EGInsO regelt die Einzelheiten im Falle der Einstellung eines Insolvenzverfahrens. In der Praxis von besonderer Bedeutung ist Art. 102 § 4 Abs. 2 EGInsO, der bestimmt, dass die Einstellung des Insolvenzverfahrens Wirkungen nur ex nunc auslösen kann und alle bis zur Einstellung vorgenommene Rechtshandlungen, insbesondere des zuvor bestellten Verwalters, wirksam bleiben. Ab der Einstellung des inländischen Territorialverfahrens erstrecken sich die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens ebenso und unmittelbar auf die inländischen Vermö_____________ 6) 7) 8) 9)
EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 102 § 3 EGInsO Rz. 7; Leonhardt/Smid/ Zeuner-Smid, IIR, Art. 102 § 3 EGInsO Rz. 3. AG Düsseldorf, Beschl. v. 7.4.2004 – 502 IN 124/03, ZIP 2004, 866, dazu EWiR 2004, 909 (Westpfahl/Wilkens). A. A. AG Hamburg, Beschl. v. 9.5.2006 – 67c IN 122/06, ZIP 2006, 1105 = NZI 2006, 486, m. abl. Anm. Mankowski, dazu EWiR 2006, 433 (Wagner).
1682
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 17 EuInsVO
Wirkungen der Anerkennung
genswerte des Schuldners.10) Wurde ein Insolvenzverfahren im Inland in Kenntnis eines früheren ausländischen Insolvenzverfahrens eröffnet, kann Art. 102 § 4 EGInsO keine Anwendung finden.11) _____________ 10) Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 102 § 3 EGInsO Rz. 3. 11) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 103/07, ZIP 2008, 2029 = ZInsO 2008, 754, dazu EWiR 2009, 17 (Herchen).
Artikel 17 Wirkungen der Anerkennung (1) Die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 entfaltet in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne dass es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte, die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt und solange in diesem anderen Mitgliedstaat kein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet ist. (2) 1Die Wirkungen eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen in den anderen Mitgliedstaten nicht in Frage gestellt werden. 2Jegliche Beschränkung der Rechte der Gläubiger, insbesondere eine Stundung oder eine Schuldbefreiung infolge des Verfahrens, wirkt hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen Vermögens nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung hierzu erteilt haben. Die Vorschrift enthält Regelungen über den Umfang und die Reichweite der Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat eröffneten Insolvenzverfahrens. Dabei wird zwischen dem Hauptinsolvenzverfahren (Abs. 1), und dem Sekundärbzw. Partikularverfahren (Abs. 2) unterschieden.
1
Der Regelung in Absatz 1 liegt das Universalitätsprinzip zugrunde, nach dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das gesamte in der Gemeinschaft belegene Vermögen die Wirkungen entfaltet, die ihr das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung beimisst. Dieser Grundsatz gilt sowohl hinsichtlich der materiell-rechtlichen als auch der verfahrensrechtlichen Auswirkungen, wie Art. 4 (allgemeines Insolvenzstatut) zu entnehmen ist.1)
2
Ausnahmetatbestände finden sich in den Art. 5–15, die Einschränkungen der lex fori concursus enthalten. Darüber hinaus sind weitere Sonderbestimmungen in der EuInsVO – wie z. B. Art. 18 Abs. 3, Art. 24 – zu beachten.2)
3
Absatz 2 befasst sich mit der Wirkung der Anerkennung von Partikularverfahren i. S. des Art. 3 Abs. 2, zu denen als Sonderfall auch die Sekundärinsolvenzverfahren gehören. Im Unterschied zu einem Hauptinsolvenzverfahren entfaltet das
4
_____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 17 EuInsVO Rz. 4; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 17 Rz. 7. Stephan in: HK-InsO, Art. 17 EuInsVO Rz. 5.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1683
Artikel 17 EuInsVO
Wirkungen der Anerkennung
genswerte des Schuldners.10) Wurde ein Insolvenzverfahren im Inland in Kenntnis eines früheren ausländischen Insolvenzverfahrens eröffnet, kann Art. 102 § 4 EGInsO keine Anwendung finden.11) _____________ 10) Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 102 § 3 EGInsO Rz. 3. 11) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 103/07, ZIP 2008, 2029 = ZInsO 2008, 754, dazu EWiR 2009, 17 (Herchen).
Artikel 17 Wirkungen der Anerkennung (1) Die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 entfaltet in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne dass es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte, die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt und solange in diesem anderen Mitgliedstaat kein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet ist. (2) 1Die Wirkungen eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen in den anderen Mitgliedstaten nicht in Frage gestellt werden. 2Jegliche Beschränkung der Rechte der Gläubiger, insbesondere eine Stundung oder eine Schuldbefreiung infolge des Verfahrens, wirkt hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen Vermögens nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung hierzu erteilt haben. Die Vorschrift enthält Regelungen über den Umfang und die Reichweite der Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat eröffneten Insolvenzverfahrens. Dabei wird zwischen dem Hauptinsolvenzverfahren (Abs. 1), und dem Sekundärbzw. Partikularverfahren (Abs. 2) unterschieden.
1
Der Regelung in Absatz 1 liegt das Universalitätsprinzip zugrunde, nach dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das gesamte in der Gemeinschaft belegene Vermögen die Wirkungen entfaltet, die ihr das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung beimisst. Dieser Grundsatz gilt sowohl hinsichtlich der materiell-rechtlichen als auch der verfahrensrechtlichen Auswirkungen, wie Art. 4 (allgemeines Insolvenzstatut) zu entnehmen ist.1)
2
Ausnahmetatbestände finden sich in den Art. 5–15, die Einschränkungen der lex fori concursus enthalten. Darüber hinaus sind weitere Sonderbestimmungen in der EuInsVO – wie z. B. Art. 18 Abs. 3, Art. 24 – zu beachten.2)
3
Absatz 2 befasst sich mit der Wirkung der Anerkennung von Partikularverfahren i. S. des Art. 3 Abs. 2, zu denen als Sonderfall auch die Sekundärinsolvenzverfahren gehören. Im Unterschied zu einem Hauptinsolvenzverfahren entfaltet das
4
_____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 17 EuInsVO Rz. 4; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 17 Rz. 7. Stephan in: HK-InsO, Art. 17 EuInsVO Rz. 5.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1683
EuInsVO Artikel 18
Befugnisse des Verwalters
Partikularverfahren nur hinsichtlich des im eröffnenden Mitgliedstaat belegenen Vermögens seine Wirkungen, die in den anderen Mitgliedstaaten beachtet werden müssen. Darüber hinausgehende Wirkungen treten nur gegenüber Gläubigern ein, die dem ausdrücklich zugestimmt haben.
Artikel 18 Befugnisse des Verwalters (1) 1Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 1 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats alle Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen, solange in dem anderen Staat nicht ein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet ist oder eine gegenteilige Sicherungsmaßnahme auf einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hin ergriffen worden ist. 2Er kann insbesondere vorbehaltlich der Artikel 5 und 7 die zur Masse gehörenden Gegenstände aus dem Gebiet des Mitgliedstaats entfernen, in dem sich die Gegenstände befinden. (2) 1Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 2 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf in jedem anderen Mitgliedstaat gerichtlich und außergerichtlich geltend machen, dass ein beweglicher Gegenstand nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Gebiet des Staates der Verfahrenseröffnung in das Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats verbracht worden ist. 2Des Weiteren kann er eine den Interessen der Gläubiger dienende Anfechtungsklage erheben. (3) 1Bei der Ausübung seiner Befugnisse hat der Verwalter das Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, zu beachten, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Verwertung eines Gegenstands der Masse. 2Diese Befugnisse dürfen nicht die Anwendung von Zwangsmitteln oder das Recht umfassen, Rechtsstreitigkeiten oder andere Auseinandersetzungen zu entscheiden. 1
Die Vorschrift regelt die Befugnisse des Verwalters in anderen Mitgliedstaaten. Aufgrund der Anerkennung nach Art. 16 und Art. 17 darf der Verwalter, der in einem Mitgliedstaat bestellt wurde, grundsätzlich auch in allen anderen Mitgliedstaaten seine ihm nach dem Recht des Eröffnungsstaats zustehenden Befugnisse ausüben. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter hat im räumlichen Geltungsbereich der EuInsVO die Befugnisse, die ihm nach deutschem Recht zustehen, insbesondere ist er zur Inbesitznahme und zu Herausgabeverlangen befugt.1) Eines besonderen Anerkennungsverfahrens in dem anderen Mitgliedstaat bedarf es nicht.
2
Lediglich deklaratorische Wirkung besitzt Absatz 1 Satz 2, wonach dem Verwalter die Befugnis eingeräumt ist – vorbehaltlich der Regelungen in Art. 5 und 7 – die zur Masse gehörenden Gegenstände aus dem Gebiet des Mitgliedstaates zu entfernen, in dem sich diese befinden.
3
Entsprechend den territorialen Begrenzungen eines Partikularverfahrens nach Art. 3 Abs. 2 sind die Befugnisse des Sekundärinsolvenzverwalters gegenüber denen des _____________ 1)
AG Hamburg, Beschl. v. 19.7.2007 – 67a IE 2/07, ZIP 2007, 1767 = ZInsO 2007, 829.
1684
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 18
Befugnisse des Verwalters
Partikularverfahren nur hinsichtlich des im eröffnenden Mitgliedstaat belegenen Vermögens seine Wirkungen, die in den anderen Mitgliedstaaten beachtet werden müssen. Darüber hinausgehende Wirkungen treten nur gegenüber Gläubigern ein, die dem ausdrücklich zugestimmt haben.
Artikel 18 Befugnisse des Verwalters (1) 1Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 1 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats alle Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen, solange in dem anderen Staat nicht ein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet ist oder eine gegenteilige Sicherungsmaßnahme auf einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hin ergriffen worden ist. 2Er kann insbesondere vorbehaltlich der Artikel 5 und 7 die zur Masse gehörenden Gegenstände aus dem Gebiet des Mitgliedstaats entfernen, in dem sich die Gegenstände befinden. (2) 1Der Verwalter, der durch ein nach Artikel 3 Absatz 2 zuständiges Gericht bestellt worden ist, darf in jedem anderen Mitgliedstaat gerichtlich und außergerichtlich geltend machen, dass ein beweglicher Gegenstand nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Gebiet des Staates der Verfahrenseröffnung in das Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats verbracht worden ist. 2Des Weiteren kann er eine den Interessen der Gläubiger dienende Anfechtungsklage erheben. (3) 1Bei der Ausübung seiner Befugnisse hat der Verwalter das Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, zu beachten, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Verwertung eines Gegenstands der Masse. 2Diese Befugnisse dürfen nicht die Anwendung von Zwangsmitteln oder das Recht umfassen, Rechtsstreitigkeiten oder andere Auseinandersetzungen zu entscheiden. 1
Die Vorschrift regelt die Befugnisse des Verwalters in anderen Mitgliedstaaten. Aufgrund der Anerkennung nach Art. 16 und Art. 17 darf der Verwalter, der in einem Mitgliedstaat bestellt wurde, grundsätzlich auch in allen anderen Mitgliedstaaten seine ihm nach dem Recht des Eröffnungsstaats zustehenden Befugnisse ausüben. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter hat im räumlichen Geltungsbereich der EuInsVO die Befugnisse, die ihm nach deutschem Recht zustehen, insbesondere ist er zur Inbesitznahme und zu Herausgabeverlangen befugt.1) Eines besonderen Anerkennungsverfahrens in dem anderen Mitgliedstaat bedarf es nicht.
2
Lediglich deklaratorische Wirkung besitzt Absatz 1 Satz 2, wonach dem Verwalter die Befugnis eingeräumt ist – vorbehaltlich der Regelungen in Art. 5 und 7 – die zur Masse gehörenden Gegenstände aus dem Gebiet des Mitgliedstaates zu entfernen, in dem sich diese befinden.
3
Entsprechend den territorialen Begrenzungen eines Partikularverfahrens nach Art. 3 Abs. 2 sind die Befugnisse des Sekundärinsolvenzverwalters gegenüber denen des _____________ 1)
AG Hamburg, Beschl. v. 19.7.2007 – 67a IE 2/07, ZIP 2007, 1767 = ZInsO 2007, 829.
1684
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 19 EuInsVO
Nachweis der Verwalterstellung
Hauptinsolvenzverwalters eingeschränkt. Diese beziehen sich allein auf die Vermögenswerte, die im Hoheitsgebiet des Eröffnungsstaates belegen sind.2) Absatz 2 erweitert die Befugnisse des Sekundärinsolvenzverwalters, der danach in einen anderen Mitgliedstaat verbrachte Vermögensgegenstände zurückholen und Anfechtungsklagen auch außerhalb des Geltungsbereiches des Sekundärinsolvenzverfahrens erheben kann.
4
Soweit dem Insolvenzverwalter nach dem Recht des Eröffnungsstaats Hoheitsbefugnisse zustehen, stellt Absatz 3 klar, dass diese in einem anderen Mitgliedstaat nur in dem von diesem Staat zugelassenen Umfang gelten. So ist der ausländische Verwalter, auch wenn er nach dem Recht seines Staates hierzu befugt wäre, nicht dazu berechtigt, selbst als Gerichtsvollzieher oder anderes Vollstreckungsorgan in Erscheinung zu treten oder gar an Stelle des Gerichts zu entscheiden. Für die zwangsweise Durchsetzung seiner Befugnisse gilt stets Art. 25.
5
_____________ 2)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 18 EuInsVO Rz. 14; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 18 Rz. 24.
Artikel 19 Nachweis der Verwalterstellung Die Bestellung zum Verwalter wird durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, durch die er bestellt worden ist, oder durch eine andere von dem zuständigen Gericht ausgestellte Bescheinigung nachgewiesen. 1
Es kann eine Übersetzung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, verlangt werden. 2Eine Legalisation oder eine entsprechende andere Förmlichkeit wird nicht verlangt. Unterabsatz 1 ermöglicht im Interesse eines schnellen Einschreitens des Verwalters in anderen Mitgliedstaaten den Nachweis der Verwalterbestellung durch beglaubigte Abschrift der Entscheidung über die Bestellung. Für den von einem deutschen Insolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalter bedeutet dies, dass er den Nachweis durch Vorlage des beglaubigten Insolvenzeröffnungsbeschlusses oder der beglaubigten Bestallungsurkunde in den anderen Mitgliedstaaten erbringen kann.
1
Allerdings kann nach Unterabsatz 2 Satz 1 eine Übersetzung in die Amtssprache des Landes verlangt werden, in dem der Verwalter tätig werden will. Diese Übersetzung muss den Voraussetzungen entsprechen, die in diesem Land für die Übersetzung offizieller Dokumente gelten.1) Innerhalb der EU gilt hierfür Art. 55 EuGVVO,2) wonach die Beglaubigung der Übersetzung durch eine in diesem Land hierzu befugte Person erforderlich ist. Eine Beglaubigung im Eröffnungsstaat genügt danach –
2
_____________ 1) 2)
Virgós/Schmit, Nr. 169. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), ABl. (EG) L 12/1; vgl. dazu auch Art. 25 Rz. 6.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1685
Artikel 19 EuInsVO
Nachweis der Verwalterstellung
Hauptinsolvenzverwalters eingeschränkt. Diese beziehen sich allein auf die Vermögenswerte, die im Hoheitsgebiet des Eröffnungsstaates belegen sind.2) Absatz 2 erweitert die Befugnisse des Sekundärinsolvenzverwalters, der danach in einen anderen Mitgliedstaat verbrachte Vermögensgegenstände zurückholen und Anfechtungsklagen auch außerhalb des Geltungsbereiches des Sekundärinsolvenzverfahrens erheben kann.
4
Soweit dem Insolvenzverwalter nach dem Recht des Eröffnungsstaats Hoheitsbefugnisse zustehen, stellt Absatz 3 klar, dass diese in einem anderen Mitgliedstaat nur in dem von diesem Staat zugelassenen Umfang gelten. So ist der ausländische Verwalter, auch wenn er nach dem Recht seines Staates hierzu befugt wäre, nicht dazu berechtigt, selbst als Gerichtsvollzieher oder anderes Vollstreckungsorgan in Erscheinung zu treten oder gar an Stelle des Gerichts zu entscheiden. Für die zwangsweise Durchsetzung seiner Befugnisse gilt stets Art. 25.
5
_____________ 2)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 18 EuInsVO Rz. 14; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 18 Rz. 24.
Artikel 19 Nachweis der Verwalterstellung Die Bestellung zum Verwalter wird durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, durch die er bestellt worden ist, oder durch eine andere von dem zuständigen Gericht ausgestellte Bescheinigung nachgewiesen. 1
Es kann eine Übersetzung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, verlangt werden. 2Eine Legalisation oder eine entsprechende andere Förmlichkeit wird nicht verlangt. Unterabsatz 1 ermöglicht im Interesse eines schnellen Einschreitens des Verwalters in anderen Mitgliedstaaten den Nachweis der Verwalterbestellung durch beglaubigte Abschrift der Entscheidung über die Bestellung. Für den von einem deutschen Insolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalter bedeutet dies, dass er den Nachweis durch Vorlage des beglaubigten Insolvenzeröffnungsbeschlusses oder der beglaubigten Bestallungsurkunde in den anderen Mitgliedstaaten erbringen kann.
1
Allerdings kann nach Unterabsatz 2 Satz 1 eine Übersetzung in die Amtssprache des Landes verlangt werden, in dem der Verwalter tätig werden will. Diese Übersetzung muss den Voraussetzungen entsprechen, die in diesem Land für die Übersetzung offizieller Dokumente gelten.1) Innerhalb der EU gilt hierfür Art. 55 EuGVVO,2) wonach die Beglaubigung der Übersetzung durch eine in diesem Land hierzu befugte Person erforderlich ist. Eine Beglaubigung im Eröffnungsstaat genügt danach –
2
_____________ 1) 2)
Virgós/Schmit, Nr. 169. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), ABl. (EG) L 12/1; vgl. dazu auch Art. 25 Rz. 6.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1685
EuInsVO Artikel 20
Herausgabepflicht und Anrechnung
anders als im autonomen Internationalen Insolvenzrecht (§ 347 InsO Rz. 1) – im europäischen Bereich nicht. 3
Eine sonstige formale Legalisierung ist gemäß Unterabsatz 2 Satz 2 nicht erforderlich, insbesondere wird auf die Vorlage einer Apostille gemäß dem Haager Übereinkommen vom 5.10.1961 verzichtet.3)
4
Für den Fall, dass der Umfang der Befugnisse des Verwalters in einem anderen Mitgliedstaat dennoch angezweifelt oder bestritten wird, trägt der Verwalter die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich seiner Kompetenzen.4) _____________ 3) 4)
Wimmer-Wenner/Schuster, InsO, Anh. I zu § 358, Art. 19 EuInsVO Rz. 4; Kübler/ Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 5. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 19 Rz. 7; Stephan in: HK-InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 5.
Artikel 20 Herausgabepflicht und Anrechnung (1) Ein Gläubiger, der nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 auf irgendeine Weise, insbesondere durch Zwangsvollstreckung, vollständig oder teilweise aus einem Gegenstand der Masse befriedigt wird, der in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, hat vorbehaltlich der Artikel 5 und 7 das Erlangte an den Verwalter herauszugeben. (2) Zur Wahrung der Gleichbehandlung der Gläubiger nimmt ein Gläubiger, der in einem Insolvenzverfahren eine Quote auf seine Forderung erlangt hat, an der Verteilung im Rahmen eines anderen Verfahrens erst dann teil, wenn die Gläubiger gleichen Ranges oder gleicher Gruppenzugehörigkeit in diesem anderen Verfahren die gleiche Quote erlangt haben. 1
Die Vorschrift enthält zwei wesentliche Regelungen, die die Gleichbehandlung der Gläubiger in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren sichern sollen.
2
Nach Absatz 1 hat ein Gläubiger, der sich der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens aus einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen und zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswert befriedigt, das Erlangte grundsätzlich an den Hauptinsolvenzverwalter herauszugeben. Als Konsequenz des Universalitätsprinzips und des sich daraus ergebenden gemeinschaftsweiten Vermögensbeschlages können individuelle Befriedigungsmöglichkeiten einzelner Gläubiger an Massegegenständen nach Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens grundsätzlich nicht hingenommen werden. Ausnahmen bestehen für dinglich gesicherte Gläubiger (Art. 5 und Art. 7).
3
Auf Rechtshandlungen, durch die ein Gläubiger bereits vor Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens Befriedigung an Vermögenswerten der Insolvenzmasse erlangt hat, ist Absatz 1 nicht anwendbar. Hinsichtlich deren Anfechtbarkeit gilt Art. 4 Abs. 2 Buchst. m i. V. m. Art. 13.
1686
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 20
Herausgabepflicht und Anrechnung
anders als im autonomen Internationalen Insolvenzrecht (§ 347 InsO Rz. 1) – im europäischen Bereich nicht. 3
Eine sonstige formale Legalisierung ist gemäß Unterabsatz 2 Satz 2 nicht erforderlich, insbesondere wird auf die Vorlage einer Apostille gemäß dem Haager Übereinkommen vom 5.10.1961 verzichtet.3)
4
Für den Fall, dass der Umfang der Befugnisse des Verwalters in einem anderen Mitgliedstaat dennoch angezweifelt oder bestritten wird, trägt der Verwalter die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich seiner Kompetenzen.4) _____________ 3) 4)
Wimmer-Wenner/Schuster, InsO, Anh. I zu § 358, Art. 19 EuInsVO Rz. 4; Kübler/ Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 5. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 19 Rz. 7; Stephan in: HK-InsO, Art. 19 EuInsVO Rz. 5.
Artikel 20 Herausgabepflicht und Anrechnung (1) Ein Gläubiger, der nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 auf irgendeine Weise, insbesondere durch Zwangsvollstreckung, vollständig oder teilweise aus einem Gegenstand der Masse befriedigt wird, der in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, hat vorbehaltlich der Artikel 5 und 7 das Erlangte an den Verwalter herauszugeben. (2) Zur Wahrung der Gleichbehandlung der Gläubiger nimmt ein Gläubiger, der in einem Insolvenzverfahren eine Quote auf seine Forderung erlangt hat, an der Verteilung im Rahmen eines anderen Verfahrens erst dann teil, wenn die Gläubiger gleichen Ranges oder gleicher Gruppenzugehörigkeit in diesem anderen Verfahren die gleiche Quote erlangt haben. 1
Die Vorschrift enthält zwei wesentliche Regelungen, die die Gleichbehandlung der Gläubiger in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren sichern sollen.
2
Nach Absatz 1 hat ein Gläubiger, der sich der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens aus einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen und zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswert befriedigt, das Erlangte grundsätzlich an den Hauptinsolvenzverwalter herauszugeben. Als Konsequenz des Universalitätsprinzips und des sich daraus ergebenden gemeinschaftsweiten Vermögensbeschlages können individuelle Befriedigungsmöglichkeiten einzelner Gläubiger an Massegegenständen nach Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens grundsätzlich nicht hingenommen werden. Ausnahmen bestehen für dinglich gesicherte Gläubiger (Art. 5 und Art. 7).
3
Auf Rechtshandlungen, durch die ein Gläubiger bereits vor Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens Befriedigung an Vermögenswerten der Insolvenzmasse erlangt hat, ist Absatz 1 nicht anwendbar. Hinsichtlich deren Anfechtbarkeit gilt Art. 4 Abs. 2 Buchst. m i. V. m. Art. 13.
1686
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 21 EuInsVO
Öffentliche Bekanntmachung
Der Gläubiger hat „das Erlangte“ an den Hauptinsolvenzverwalter herauszugeben.1) Dies kann zum einen der erhaltene Gegenstand sein zum anderen ein möglicherweise bereits erzielter Verwertungserlös. Fraglich ist, ob im letzten Fall auch die Herausgabe von Zinsen und/oder Nutzungsentschädigungen umfasst ist.2)
4
Absatz 2 gewährleistet, dass keine Überbefriedigung eines Gläubigers stattfindet. Gemäß Art. 32 Abs. 1 kann ein Gläubiger seine Forderung sowohl im Hauptinsolvenzverfahren als auch in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. Etwaige (Teil-)Befriedigungen sind dann in den jeweils anderen Verfahren entsprechend zu berücksichtigen. _____________
5
Stephan in: HK-InsO, Art. 20 EuInsVO Rz. 4. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, Art. 20 Rz. 24; wohl auch Pannen/ Riedemann, EuInsVO, Art. 20 Rz. 22.
1) 2)
EuInsVO,
Artikel 21 Öffentliche Bekanntmachung (1) 1Auf Antrag des Verwalters ist in jedem anderen Mitgliedstaat der wesentliche Inhalt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und gegebenenfalls der Entscheidung über eine Bestellung entsprechend den Bestimmungen des jeweiligen Staates für öffentliche Bekanntmachungen zu veröffentlichen. 2In der Bekanntmachung ist ferner anzugeben, welcher Verwalter bestellt wurde und ob sich die Zuständigkeit aus Artikel 3 Absatz 1 oder aus Artikel 3 Absatz 2 ergibt. (2) 1Jeder Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Schuldner eine Niederlassung besitzt, kann jedoch die obligatorische Bekanntmachung vorsehen. 2In diesem Fall hat der Verwalter oder jede andere hierzu befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet wurde, die für diese Bekanntmachung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Artikel 102 § 5 EGInsO Öffentliche Bekanntmachung 1 (1) Der Antrag auf öffentliche Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts der Entscheidungen nach Artikel 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 ist 2 an das nach § 1 zuständige Gericht zu richten. Das Gericht kann eine Übersetzung verlangen, die von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten der Euro3 päischen Union befugten Person zu beglaubigen ist. § 9 Abs. 1 und 2 und § 30 Abs. 1 der Insolvenzordnung gelten entsprechend.*) 1
(2) Besitzt der Schuldner im Inland eine Niederlassung, so erfolgt die öffentliche 2 Bekanntmachung nach Absatz 1 von Amts wegen. Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt gemacht worden, so ist die Beendigung in gleicher Weise bekannt zu machen. *)
Art. 102 § 5 Abs. 1 Satz 3 geändert durch Art. 6 Nr. 1 des Gesetztes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379) m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Satz 3: „}3 § 3 Abs. 1 und 2 und § 30 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung gelten entsprechend.“
Bornemann/Sabel/Schlegel
1687
Artikel 21 EuInsVO
Öffentliche Bekanntmachung
Der Gläubiger hat „das Erlangte“ an den Hauptinsolvenzverwalter herauszugeben.1) Dies kann zum einen der erhaltene Gegenstand sein zum anderen ein möglicherweise bereits erzielter Verwertungserlös. Fraglich ist, ob im letzten Fall auch die Herausgabe von Zinsen und/oder Nutzungsentschädigungen umfasst ist.2)
4
Absatz 2 gewährleistet, dass keine Überbefriedigung eines Gläubigers stattfindet. Gemäß Art. 32 Abs. 1 kann ein Gläubiger seine Forderung sowohl im Hauptinsolvenzverfahren als auch in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. Etwaige (Teil-)Befriedigungen sind dann in den jeweils anderen Verfahren entsprechend zu berücksichtigen. _____________
5
Stephan in: HK-InsO, Art. 20 EuInsVO Rz. 4. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, Art. 20 Rz. 24; wohl auch Pannen/ Riedemann, EuInsVO, Art. 20 Rz. 22.
1) 2)
EuInsVO,
Artikel 21 Öffentliche Bekanntmachung (1) 1Auf Antrag des Verwalters ist in jedem anderen Mitgliedstaat der wesentliche Inhalt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung und gegebenenfalls der Entscheidung über eine Bestellung entsprechend den Bestimmungen des jeweiligen Staates für öffentliche Bekanntmachungen zu veröffentlichen. 2In der Bekanntmachung ist ferner anzugeben, welcher Verwalter bestellt wurde und ob sich die Zuständigkeit aus Artikel 3 Absatz 1 oder aus Artikel 3 Absatz 2 ergibt. (2) 1Jeder Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Schuldner eine Niederlassung besitzt, kann jedoch die obligatorische Bekanntmachung vorsehen. 2In diesem Fall hat der Verwalter oder jede andere hierzu befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet wurde, die für diese Bekanntmachung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Artikel 102 § 5 EGInsO Öffentliche Bekanntmachung 1 (1) Der Antrag auf öffentliche Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts der Entscheidungen nach Artikel 21 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 ist 2 an das nach § 1 zuständige Gericht zu richten. Das Gericht kann eine Übersetzung verlangen, die von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten der Euro3 päischen Union befugten Person zu beglaubigen ist. § 9 Abs. 1 und 2 und § 30 Abs. 1 der Insolvenzordnung gelten entsprechend.*) 1
(2) Besitzt der Schuldner im Inland eine Niederlassung, so erfolgt die öffentliche 2 Bekanntmachung nach Absatz 1 von Amts wegen. Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt gemacht worden, so ist die Beendigung in gleicher Weise bekannt zu machen. *)
Art. 102 § 5 Abs. 1 Satz 3 geändert durch Art. 6 Nr. 1 des Gesetztes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379) m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Satz 3: „}3 § 3 Abs. 1 und 2 und § 30 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung gelten entsprechend.“
Bornemann/Sabel/Schlegel
1687
EuInsVO Artikel 22
Eintragung in öffentliche Register
Artikel 102 § 7 EGInsO Rechtsmittel 1
Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 5 oder § 6 findet die 2 sofortige Beschwerde statt. Die §§ 574 bis 577 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. 1
Obwohl die öffentliche Bekanntmachung in einem anderen Mitgliedstaat keine konstitutive Wirkung besitzt, ist sie für die Sicherheit des Wirtschaftsverkehrs von Bedeutung. Gleichzeitig zerstört die öffentliche Bekanntmachung den guten Glauben eines Vertragspartners im Falle des Erwerbs eines Vermögenswertes aus dem Vermögen des Schuldners. Regelmäßig wird daher der Verwalter Interesse an einer Bekanntmachung der Eröffnungsentscheidung in den übrigen Mitgliedstaaten haben; seine Antragsbefugnis ergibt sich aus Absatz 1.
2
Für den Fall, dass der Schuldner in einem anderen Mitgliedstaat eine Niederlassung betreibt, kann dieser Staat nach Absatz 2 eine obligatorische Veröffentlichung vorsehen. Der Verwalter hat in diesem Fall die Bekanntmachung zu veranlassen und ggf. das für die amtliche Bekanntmachung zuständige Gericht des Niederlassungsstaates zu unterrichten. Im Falle des Unterlassens macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig.1) Neben dem Verwalter kann auch das Gericht des Eröffnungsstaats die obligatorische Veröffentlichung im Niederlassungsstaat veranlassen.
3
Die Kosten der Eintragung werden gemäß Art. 23 aus der Insolvenzmasse getragen.
4
Die Durchführung des Art. 21 erfolgt im deutschen Recht durch Art. 102 § 5 EGInsO. Danach kann der ausländische Verwalter die Bekanntmachung beim zuständigen Insolvenzgericht beantragen und hat auf Verlangen eine Übersetzung in deutscher Sprache in beglaubigter Form vorzulegen. Dabei genügt, anders als zum Nachweis der Verwalterstellung nach Art. 19, auch die Beglaubigung einer zuständigen Stelle des Eröffnungsstaates (Art. 19 Rz. 2). Nach Absatz 2 hat die öffentliche Bekanntmachung in Deutschland von Amts wegen zu erfolgen, wenn der Schuldner im Inland eine Niederlassung besitzt.
5
Gegen die Entscheidung über die Veröffentlichung oder ihre Ablehnung steht nach Art. 102 § 7 EGInsO sowohl dem ausländischen Verwalter als auch dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu, für die gemäß Satz 2 die Vorschriften über die Rechtsbeschwerde zur Anwendung gelangen. _____________ 1)
Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 21 EuInsVO Rz. 12.
Artikel 22 Eintragung in öffentliche Register (1) Auf Antrag des Verwalters ist die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 in das Grundbuch, das Handelsregister und alle sonstigen öffentlichen Register in den übrigen Mitgliedstaaten einzutragen. (2) Jeder Mitgliedstaat kann jedoch die obligatorische Eintragung vorsehen. In diesem Fall hat der Verwalter oder andere hierzu befugte Stelle des Mitglied1688
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 22
Eintragung in öffentliche Register
Artikel 102 § 7 EGInsO Rechtsmittel 1
Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 5 oder § 6 findet die 2 sofortige Beschwerde statt. Die §§ 574 bis 577 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. 1
Obwohl die öffentliche Bekanntmachung in einem anderen Mitgliedstaat keine konstitutive Wirkung besitzt, ist sie für die Sicherheit des Wirtschaftsverkehrs von Bedeutung. Gleichzeitig zerstört die öffentliche Bekanntmachung den guten Glauben eines Vertragspartners im Falle des Erwerbs eines Vermögenswertes aus dem Vermögen des Schuldners. Regelmäßig wird daher der Verwalter Interesse an einer Bekanntmachung der Eröffnungsentscheidung in den übrigen Mitgliedstaaten haben; seine Antragsbefugnis ergibt sich aus Absatz 1.
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Für den Fall, dass der Schuldner in einem anderen Mitgliedstaat eine Niederlassung betreibt, kann dieser Staat nach Absatz 2 eine obligatorische Veröffentlichung vorsehen. Der Verwalter hat in diesem Fall die Bekanntmachung zu veranlassen und ggf. das für die amtliche Bekanntmachung zuständige Gericht des Niederlassungsstaates zu unterrichten. Im Falle des Unterlassens macht er sich ggf. schadensersatzpflichtig.1) Neben dem Verwalter kann auch das Gericht des Eröffnungsstaats die obligatorische Veröffentlichung im Niederlassungsstaat veranlassen.
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Die Kosten der Eintragung werden gemäß Art. 23 aus der Insolvenzmasse getragen.
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Die Durchführung des Art. 21 erfolgt im deutschen Recht durch Art. 102 § 5 EGInsO. Danach kann der ausländische Verwalter die Bekanntmachung beim zuständigen Insolvenzgericht beantragen und hat auf Verlangen eine Übersetzung in deutscher Sprache in beglaubigter Form vorzulegen. Dabei genügt, anders als zum Nachweis der Verwalterstellung nach Art. 19, auch die Beglaubigung einer zuständigen Stelle des Eröffnungsstaates (Art. 19 Rz. 2). Nach Absatz 2 hat die öffentliche Bekanntmachung in Deutschland von Amts wegen zu erfolgen, wenn der Schuldner im Inland eine Niederlassung besitzt.
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Gegen die Entscheidung über die Veröffentlichung oder ihre Ablehnung steht nach Art. 102 § 7 EGInsO sowohl dem ausländischen Verwalter als auch dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu, für die gemäß Satz 2 die Vorschriften über die Rechtsbeschwerde zur Anwendung gelangen. _____________ 1)
Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 21 EuInsVO Rz. 12.
Artikel 22 Eintragung in öffentliche Register (1) Auf Antrag des Verwalters ist die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 in das Grundbuch, das Handelsregister und alle sonstigen öffentlichen Register in den übrigen Mitgliedstaaten einzutragen. (2) Jeder Mitgliedstaat kann jedoch die obligatorische Eintragung vorsehen. In diesem Fall hat der Verwalter oder andere hierzu befugte Stelle des Mitglied1688
Bornemann/Sabel/Schlegel
Eintragung in öffentliche Register
Artikel 22 EuInsVO
staats, in dem das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet wurde, die für diese Eintragung erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Artikel 102 § 6 EGInsO Eintragung in öffentliche Bücher und Register (1) 1Der Antrag auf Eintragung nach Artikel 22 der Verordnung (EG) Nr. 1346/ 2000 ist an das nach § 1 zuständige Gericht zu richten. 2Dieses ersucht die Register führende Stelle um Eintragung, wenn nach dem Recht des Staats, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurde, die Verfahrenseröffnung ebenfalls eingetragen wird. 3§ 32 Abs. 2 Satz 2 der Insolvenzordnung findet keine Anwendung. 1
(2) Die Form und der Inhalt der Eintragung richten sich nach deutschem Recht. Kennt das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung Eintragungen, die dem deutschen Recht unbekannt sind, so hat das Insolvenzgericht eine Eintragung zu wählen, die der des Staats der Verfahrenseröffnung am nächsten kommt. 2
(3) Geht der Antrag nach Absatz 1 oder nach § 5 Abs. 1 bei einem unzuständigen Gericht ein, so leitet dieses den Antrag unverzüglich an das zuständige Gericht weiter und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Literatur: Bierhenke, Der ausländische Insolvenzverwalter und das deutsche Grundbuch, MittBayNot 2009, 197.
Art. 22 ergänzt die Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung nach Art. 21. Die Eintragung in öffentliche Register wirkt für die Anerkennung des Insolvenzverfahrens nicht konstitutiv. Geschützt wird die Rechtssicherheit des Wirtschaftsverkehrs und das Vertrauen Dritter auf die Publizität des öffentlichen Registers.1) Absatz 1 sieht ein Antragsrecht des Verwalters, Absatz 2 ggf. die obligatorische Eintragung in einem Mitgliedstaat vor (Art. 21 Rz. 2).
1
Art. 102 § 6 EGInsO regelt das Verfahren der Eintragung der Verfahrenseröffnung in deutschen öffentlichen Registern auf Antrag eines ausländischen Verwalters.
2
Nach Art. 102 § 6 Abs. 1 EGInsO ist der Antrag des ausländischen Verwalters nicht unmittelbar an das Grundbuchamt oder die sonstige registerführende Stelle, sondern an das nach Art. 102 § 1 EGInsO zuständige deutsche Insolvenzgericht zu richten. Dieses ersucht nach Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen des ausländischen Verfahrens das zuständige Grundbuchamt um Eintragung. Auf diese Weise bleiben die Registergerichte von jeglichen insolvenzrechtlichen Anerkennungsprüfungen entlastet.
3
Absatz 2 regelt, dass sich Form und Inhalt der Eintragung nach deutschem Recht richten. Ist der Inhalt der ausländischen Entscheidung in Deutschland unbekannt (etwa bei ausländischen Sanierungs- oder Liquidationsverfahren, die das deutsche
4
_____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 22 EuInsVO Rz. 1; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 22 Rz. 1.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1689
EuInsVO Artikel 23
Kosten
Recht nicht kennt), besteht nach Satz 2 eine Substituierungspflicht des deutschen Insolvenzgerichts.2) 5
Wird der Antrag auf Eintragung bei einem unzuständigen Gericht – etwa unmittelbar beim Grundbuchamt – gestellt, so hat dieses den Antrag nach Absatz 3 von Amts wegen zunächst an das zuständige Insolvenzgericht zu verweisen und den ausländischen Insolvenzverwalter hierüber zu unterrichten.3)
6
Für die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidungen nach Art. 22 gilt Art. 102 § 7 EGInsO. _____________ 2) 3)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 102 § 6 EGInsO Rz. 7; Stephan in: HK-InsO, Art. 102 § 6 EGInsO Rz. 8. Allgemein zu grundbuchrechtlichen Fragen bei ausländischem Insolvenzverfahren s. Bierhenke, MittBayNot 2009, 197.
Artikel 23 Kosten Die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21 und der Eintragung nach Artikel 22 gelten als Kosten und Aufwendungen des Verfahrens. 1
Die Kosten sind stets aus der Masse des Hauptverfahrens zu entnehmen, auch wenn im Inland ein Sekundärverfahren eröffnet wird.1) _____________ 1)
Vgl. Stephan in: HK-InsO, Art. 23 EuInsVO Rz. 1.
Artikel 24 Leistung an den Schuldner (1) Wer in einem Mitgliedstaat an einen Schuldner leistet, über dessen Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, obwohl er an den Verwalter des Insolvenzverfahrens hätte leisten müssen, wird befreit, wenn ihm die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war. (2) 1Erfolgt die Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung nicht bekannt war. 2Erfolgt die Leistung nach der Bekanntmachung gemäß Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung bekannt war. 1
Art. 24 enthält in Absatz 1 eine materiell-rechtliche Regelung zur gutgläubigen Leistung an den Schuldner nach Verfahrenseröffnung, die § 82 Satz 1 InsO entspricht, aber nicht in allen Mitgliedstaaten eine ähnlich genaue Entsprechung hat. Absatz 2 enthält eine Beweislastregelung, die in ihrem Anwendungsbereich nationale Vorschriften verdrängt, der Regelung in § 82 Satz 2 InsO aber gleicht. Den Zweck der Vorschrift erläutert Erwägungsgrund 30. 1690
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 23
Kosten
Recht nicht kennt), besteht nach Satz 2 eine Substituierungspflicht des deutschen Insolvenzgerichts.2) 5
Wird der Antrag auf Eintragung bei einem unzuständigen Gericht – etwa unmittelbar beim Grundbuchamt – gestellt, so hat dieses den Antrag nach Absatz 3 von Amts wegen zunächst an das zuständige Insolvenzgericht zu verweisen und den ausländischen Insolvenzverwalter hierüber zu unterrichten.3)
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Für die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidungen nach Art. 22 gilt Art. 102 § 7 EGInsO. _____________ 2) 3)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 102 § 6 EGInsO Rz. 7; Stephan in: HK-InsO, Art. 102 § 6 EGInsO Rz. 8. Allgemein zu grundbuchrechtlichen Fragen bei ausländischem Insolvenzverfahren s. Bierhenke, MittBayNot 2009, 197.
Artikel 23 Kosten Die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21 und der Eintragung nach Artikel 22 gelten als Kosten und Aufwendungen des Verfahrens. 1
Die Kosten sind stets aus der Masse des Hauptverfahrens zu entnehmen, auch wenn im Inland ein Sekundärverfahren eröffnet wird.1) _____________ 1)
Vgl. Stephan in: HK-InsO, Art. 23 EuInsVO Rz. 1.
Artikel 24 Leistung an den Schuldner (1) Wer in einem Mitgliedstaat an einen Schuldner leistet, über dessen Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, obwohl er an den Verwalter des Insolvenzverfahrens hätte leisten müssen, wird befreit, wenn ihm die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war. (2) 1Erfolgt die Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung nicht bekannt war. 2Erfolgt die Leistung nach der Bekanntmachung gemäß Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung bekannt war. 1
Art. 24 enthält in Absatz 1 eine materiell-rechtliche Regelung zur gutgläubigen Leistung an den Schuldner nach Verfahrenseröffnung, die § 82 Satz 1 InsO entspricht, aber nicht in allen Mitgliedstaaten eine ähnlich genaue Entsprechung hat. Absatz 2 enthält eine Beweislastregelung, die in ihrem Anwendungsbereich nationale Vorschriften verdrängt, der Regelung in § 82 Satz 2 InsO aber gleicht. Den Zweck der Vorschrift erläutert Erwägungsgrund 30. 1690
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EuInsVO Artikel 23
Kosten
Recht nicht kennt), besteht nach Satz 2 eine Substituierungspflicht des deutschen Insolvenzgerichts.2) 5
Wird der Antrag auf Eintragung bei einem unzuständigen Gericht – etwa unmittelbar beim Grundbuchamt – gestellt, so hat dieses den Antrag nach Absatz 3 von Amts wegen zunächst an das zuständige Insolvenzgericht zu verweisen und den ausländischen Insolvenzverwalter hierüber zu unterrichten.3)
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Für die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidungen nach Art. 22 gilt Art. 102 § 7 EGInsO. _____________ 2) 3)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 102 § 6 EGInsO Rz. 7; Stephan in: HK-InsO, Art. 102 § 6 EGInsO Rz. 8. Allgemein zu grundbuchrechtlichen Fragen bei ausländischem Insolvenzverfahren s. Bierhenke, MittBayNot 2009, 197.
Artikel 23 Kosten Die Kosten der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21 und der Eintragung nach Artikel 22 gelten als Kosten und Aufwendungen des Verfahrens. 1
Die Kosten sind stets aus der Masse des Hauptverfahrens zu entnehmen, auch wenn im Inland ein Sekundärverfahren eröffnet wird.1) _____________ 1)
Vgl. Stephan in: HK-InsO, Art. 23 EuInsVO Rz. 1.
Artikel 24 Leistung an den Schuldner (1) Wer in einem Mitgliedstaat an einen Schuldner leistet, über dessen Vermögen in einem anderen Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, obwohl er an den Verwalter des Insolvenzverfahrens hätte leisten müssen, wird befreit, wenn ihm die Eröffnung des Verfahrens nicht bekannt war. (2) 1Erfolgt die Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung nach Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung nicht bekannt war. 2Erfolgt die Leistung nach der Bekanntmachung gemäß Artikel 21, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass dem Leistenden die Eröffnung bekannt war. 1
Art. 24 enthält in Absatz 1 eine materiell-rechtliche Regelung zur gutgläubigen Leistung an den Schuldner nach Verfahrenseröffnung, die § 82 Satz 1 InsO entspricht, aber nicht in allen Mitgliedstaaten eine ähnlich genaue Entsprechung hat. Absatz 2 enthält eine Beweislastregelung, die in ihrem Anwendungsbereich nationale Vorschriften verdrängt, der Regelung in § 82 Satz 2 InsO aber gleicht. Den Zweck der Vorschrift erläutert Erwägungsgrund 30. 1690
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 24 EuInsVO
Leistung an den Schuldner
Der Grundsatz, dass der Drittschuldner, der die Verfahrenseröffnung nicht kennt, Leistungen an den Schuldner mit schuldbefreiender Wirkung erbringen kann, gilt sowohl im Haupt- als auch im Partikular- und Sekundärinsolvenzverfahren. Art. 24 erfasst allerdings nur Leistungen, die nicht im Staat der Verfahrenseröffnung erfolgen. Leistet der Drittschuldner im Eröffnungsstaat, so gilt für die Wirksamkeit der Leistung die lex concursus, bei einem in Deutschland eröffneten Verfahren also der insoweit inhaltsgleiche § 82 InsO. Gleiches gilt bei einer Leistung in einem Nichtmitgliedstaat.1) Zahlungen, die im Auftrag des Schuldners an einen Gläubiger dieses Schuldners erfolgt sind, sollen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vom Anwendungsbereich des Art. 24 erfasst sein.2) Dabei wird verkannt, dass in der Ausführung der Zahlung – wirtschaftlich wie rechtlich – auch eine Leistung an diesen Schuldner liegt. Ob dem insoweit vergleichbaren Schutzbedürfnis des Drittschuldners Rechnung getragen werden kann, hängt nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs davon ab, ob das zur Anwendung gelangende nationale Insolvenzrecht die in der Zahlungsdurchführung zu erblickende Leistung an den Schuldner als eine solche erkennt (zum deutschen Recht siehe § 82 InsO Rz. 8 f).
2
Als Ort der Leistung gilt nach Art. 24 derjenige Ort, an dem die Leistung vom Schuldner tatsächlich erbracht wird3) Dies entspricht dem deutschen Verständnis vom Leistungsort.4) Hinsichtlich des Leistungszeitpunkts ist auf den Zeitpunkt abzustellen, bis zu dem der Leistende den Leistungserfolg noch verhindern kann.5)
3
Die Beweislastregelung in Absatz 2 geht über die Regelung in § 81 Satz 2 InsO hinaus. Wie dieser stellt die Vorschrift zunächst auf eine öffentliche Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung ab, allerdings nicht auf die Bekanntmachung im Eröffnungsstaat, sondern auf die nach Art. 21 möglichen zusätzlichen Veröffentlichungen in anderen Mitgliedstaaten. Maßgebend ist in erster Linie die Veröffentlichung in demjenigen Mitgliedstaat, in dem der Drittschuldner seine Leistung vertragsgemäß zu erbringen hatte.6)
4
Daneben muss aber auch jede Veröffentlichung in dem Staat, in dem der Drittschuldner seinen Sitz hat, die Wirkungen des Absatzes 2 herbeiführen.7) Andernfalls könnte die Erbringung der Leistung manipulativ in einen Mitgliedstaat verlegt werden, in dem keine Veröffentlichung erfolgt ist. Aus denselben Gründen muss – über den Wortlaut des Art. 24 hinaus – auch die Veröffentlichung im Eröffnungsstaat für die dort ansässigen Drittschuldner die Wirkungen des Absatzes 2 her-
5
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6) 7)
Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Gruber, EuInsVO, Art. 24 Rz. 9. EuGH, Urt. v. 19.9.2013 – Rs. C-251/12 (van Buggenhout), Rz. 22 ff, ZIP 2013, 1338. Virgós/Schmit, Nr. 188. Palandt-Grüneberg, BGB, § 269 Rz. 1. So schon zur KO Jaeger-Henckel, KO, § 8 Rz. 59; wie hier Stephan in: HK-InsO, Art. 24 EuInsVO Rz. 3; a. A. Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff-Gruber, EuInsVO, Art. 24 Rz. 5, der allein auf den Leistungszeitpunkt abstellt. Stephan in: HK-InsO, Art. 24 EuInsVO Rz. 5; Pannen/Riedemann, EuInsVO, Art. 24 Rz. 25. Vgl. Virgós/Schmit, Nr. 187.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1691
EuInsVO Artikel 25
Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen
beiführen. Nur diese Auslegung entspricht dem Zweck der öffentlichen Bekanntmachung und dem Schutzzweck des Art. 24. 6
Absatz 2 enthält eine doppelte Vermutung, die zwar widerleglich ist, aber in der Praxis nur schwer zu widerlegen sein wird:8) Einerseits wird vermutet, dass der Drittschuldner bei einer Leistung vor der Veröffentlichung die Eröffnung nicht kannte. Andererseits normiert Absatz 2 auch die gegenteilige Vermutung, dass der Drittschuldner die Eröffnung kannte, wenn er nach Veröffentlichung geleistet hat. Dies entspricht, auch wenn § 82 Satz 2 InsO nur die erste Vermutung ausdrücklich regelt, dem deutschen Verständnis, wonach die Beweislast bei einer Leistung vor Veröffentlichung den Insolvenzverwalter, nach Veröffentlichung den Schuldner trifft (§ 82 InsO Rz. 7).
7
Ist streitig, wann die Leistung erfolgt ist, bis zu welchem Zeitpunkt der Leistungserfolg also noch hätte verhindert werden können, so hilft die Vermutung des Art. 24 nicht weiter. Es gilt dann die allgemeine Beweislastregel, wonach der Drittschuldner die für ihn günstige Tatsache der Leistung vor Veröffentlichung zu beweisen hat.9) _____________ 8) 9)
Stephan in: HK-InsO, Art. 24 EuInsVO Rz. 7. Vgl. zum deutschen Recht Wimmer-App, FK-InsO, § 82 Rz. 15.
Artikel 25 Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen (1) 1Die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Artikel 16 anerkannt wird, sowie ein von einem solchen Gericht bestätigter Vergleich werden ebenfalls ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. 2Diese Entscheidungen werden nach den Artikeln 31 bis 51 (mit Ausnahme von Artikel 34 Absatz 2) des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Beitrittsübereinkommen zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung vollstreckt. Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden. Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen über Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens getroffen werden. (2) Die Anerkennung und Vollstreckung der anderen als der in Absatz 1 genannten Entscheidungen unterliegen dem Übereinkommen nach Absatz 1, soweit jenes Übereinkommen anwendbar ist. (3) Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, eine Entscheidung gemäß Absatz 1 anzuerkennen und zu vollstrecken, die eine Einschränkung der persönlichen Freiheit oder des Postgeheimnisses zur Folge hätte.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 25
Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen
beiführen. Nur diese Auslegung entspricht dem Zweck der öffentlichen Bekanntmachung und dem Schutzzweck des Art. 24. 6
Absatz 2 enthält eine doppelte Vermutung, die zwar widerleglich ist, aber in der Praxis nur schwer zu widerlegen sein wird:8) Einerseits wird vermutet, dass der Drittschuldner bei einer Leistung vor der Veröffentlichung die Eröffnung nicht kannte. Andererseits normiert Absatz 2 auch die gegenteilige Vermutung, dass der Drittschuldner die Eröffnung kannte, wenn er nach Veröffentlichung geleistet hat. Dies entspricht, auch wenn § 82 Satz 2 InsO nur die erste Vermutung ausdrücklich regelt, dem deutschen Verständnis, wonach die Beweislast bei einer Leistung vor Veröffentlichung den Insolvenzverwalter, nach Veröffentlichung den Schuldner trifft (§ 82 InsO Rz. 7).
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Ist streitig, wann die Leistung erfolgt ist, bis zu welchem Zeitpunkt der Leistungserfolg also noch hätte verhindert werden können, so hilft die Vermutung des Art. 24 nicht weiter. Es gilt dann die allgemeine Beweislastregel, wonach der Drittschuldner die für ihn günstige Tatsache der Leistung vor Veröffentlichung zu beweisen hat.9) _____________ 8) 9)
Stephan in: HK-InsO, Art. 24 EuInsVO Rz. 7. Vgl. zum deutschen Recht Wimmer-App, FK-InsO, § 82 Rz. 15.
Artikel 25 Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen (1) 1Die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Artikel 16 anerkannt wird, sowie ein von einem solchen Gericht bestätigter Vergleich werden ebenfalls ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. 2Diese Entscheidungen werden nach den Artikeln 31 bis 51 (mit Ausnahme von Artikel 34 Absatz 2) des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Beitrittsübereinkommen zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung vollstreckt. Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden. Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen über Sicherungsmaßnahmen, die nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens getroffen werden. (2) Die Anerkennung und Vollstreckung der anderen als der in Absatz 1 genannten Entscheidungen unterliegen dem Übereinkommen nach Absatz 1, soweit jenes Übereinkommen anwendbar ist. (3) Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, eine Entscheidung gemäß Absatz 1 anzuerkennen und zu vollstrecken, die eine Einschränkung der persönlichen Freiheit oder des Postgeheimnisses zur Folge hätte.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen
Artikel 25 EuInsVO
Artikel 102 § 8 EGInsO Vollstreckung aus der Eröffnungsentscheidung 1 (1) Ist der Verwalter eines Hauptinsolvenzverfahrens nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung befugt, auf Grund der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung die Herausgabe der Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, so gilt für die Vollstreckbarerklärung im Inland Artikel 25 Abs. 1 Unterabs. 1 der 2 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000. Für die Verwertung von Gegenständen der Insolvenzmasse im Wege der Zwangsvollstreckung gilt Satz 1 entsprechend.
(2) § 6 Abs. 3 findet entsprechend Anwendung. Literatur: Mankowski, Insolvenznahe Verfahren und Sicherung eines Eigentumsvorbehalts im Grenzbereich zwischen EuInsVO und EuGVVO, NZI 2008, 606; Mankowski, Keine Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat, NZI 20111, 178; Reinhart, Die Bedeutung der EuInsVO im Insolvenzeröffnungsverfahren – Besonderheiten paralleler Eröffnungsverfahren, NZI 2009, 201; Riewe, Aktuelles ausländisches und internationales Insolvenzrecht – Juni/Juli 2009, NZI 2009, 549; Zenker, Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren, NJ 2010, 159; Zenker, Zur Vollstreckbarkeit insolvenzrechtlicher Titel nach der EuVTVO – zugleich ein Betrag zur Auslegung von Art. 25 EuInsVO, in: Festschrift für Daphne-Ariane Simotta, 2012.
Die Vorschrift, die aufgrund ihres unbestimmten Anwendungsbereichs und der Verweisung auf das EuGVÜ zu den schwierigsten und kompliziertesten Regelungen der EuInsVO gehört,1) regelt die Anerkennung und Vollstreckung der zur Durchführung des Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen.
1
Nach Art. 16 wird (nur) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solche in allen Mitgliedstaaten automatisch anerkannt, ohne dass es eines besonderen Anerkennungsverfahrens bedarf. Alle darüber hinausgehenden Rechtsfolgen der Eröffnung, insbesondere solche, die einer zwangsweisen Durchsetzung bedürfen, werden von der Regelung in Art. 25 erfasst.2)
2
Absatz 1 unterscheidet dabei hinsichtlich des anwendbaren Vollstreckungsverfahrens nicht zwischen Entscheidungen, die zur Durchführung und Beendigung des Insolvenzverfahrens in diesem Verfahren ergehen (Unterabs. 1 Satz 1), solchen, die in einem engen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ergehen und möglicherweise von einem anderen Gericht getroffen werden (Unterabs. 2), und Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung (Unterabs. 3).
3
Unter Art. 25 fällt daher die zwangsweise Durchsetzung des Eröffnungsbeschlusses, die Vollstreckung aus einem Insolvenzplan und die zwangsweise Durchsetzung von Sicherungsanordnungen des Insolvenzgerichts.3) Als praktisch besonders wichtigen Fall der Durchsetzung des Eröffnungsbeschlusses regelt Art. 102 § 8 EGInsO aus-
4
_____________ 1) 2) 3)
Eingehend Mankowski, NZI 2008, 604. Virgós/Schmit, Nr. 189. Vgl. hierzu eingehend Reinhart, NZI 2009, 201. Zu den Befugnissen des deutschen vorläufigen Insolvenzverwalters im europäischen Ausland: AG Hamburg, Beschl. v. 19.7.2007 – 67a IE 2/07, ZIP 2007, 1767 = ZInsO 2007, 829.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1693
EuInsVO Artikel 25
Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen
drücklich, dass die Herausgabe der im Besitz des Schuldners befindlichen Massegegenstände nach Art. 25 zu vollstrecken ist. Diese Regelung hat ebenso ausschließlich klarstellenden Charakter wie die Regelung über die Verwertung der Insolvenzmasse durch den ausländischen Insolvenzverwalter im Wege der Zwangsvollstreckung.4) 5
Als Entscheidungen anderer Gerichte, die nach Unterabsatz 2 im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehen, kommen insbesondere die im Anfechtungsprozess5) oder im Haftungsprozess gegen den Insolvenzverwalter ergehenden Gerichtsentscheidungen in Betracht,6) ferner Urteile in Streitigkeiten zwischen Schuldner und Verwalter über die Massezugehörigkeit von Gegenständen oder Entscheidungen in den nach ausländischem Konkursrecht zulässigen persönlichen Haftungsklagen gegen die Gesellschafter oder Geschäftsführer des Insolvenzschuldners.7)
6
Unter Bezugnahme auf den von Art. 3, Art. 16 und Art. 25 gesteckten rechtlichen Rahmen hat der Europäische Gerichtshof in einer grundlegenden Entscheidung die bisherige Zuständigkeitslücke für Annexverfahren dahingehend geschlossen, dass der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch für Klagen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, international zuständig ist (vgl. hierzu Art. 3 Rz. 11). Wie diese Entscheidungen vollstreckt, also in dem anderen Mitgliedstaat zwangsweise unter Zuhilfenahme staatlichen Zwangs durchgesetzt werden können, regelt Absatz 1 Unterabs. 1 Satz 2 durch einen Verweis auf das EuGVÜ, das zwischenzeitlich durch die EuGVVO ersetzt worden ist. Nach deren Art. 68 Abs. 2 bezieht sich die Verweisung damit nunmehr ohne weiteres auf die entsprechenden Vorschriften der Art. 38 – 52 EuGVVO.
7
Diese Vorschriften sehen vor, dass das für den Wohnsitz des Schuldners oder den Ort der Zwangsvollstreckung zuständige Gericht (Art. 39 – in Deutschland ist der Antrag nach Anhang II der EuGVVO an das örtlich zuständige Landgericht zu richten) die Vollstreckbarerklärung ohne weitere Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausgangsentscheidung vornimmt, wenn die Entscheidung im Ausgangsstaat vollstreckbar ist und ihm eine (vollstreckbare) Ausfertigung dieser Entscheidung vorgelegt wird. Eine eingeschränkte Prüfungskompetenz, insbesondere hinsichtlich eines Verstoßes gegen den ordre public (Art. 26), steht nach Art. 45 EuGVVO erst dem Beschwerdegericht zu.
8
Durch die Regelung in Absatz 2 soll ein lückenloses Ineinandergreifen von EuInsVO und EuGVVO sichergestellt werden.8) Die Vorschrift bildet daher eine Auffangregelung für alle nicht unter Absatz 1 fallenden gerichtlichen Entscheidungen, die nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO fallen. Deshalb ist bei solchen Entscheidungen zunächst zu prüfen, ob der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO _____________ 4) 5)
6) 7) 8)
Begr. RegE IIRNeuRG z. Art. 102 § 8 EGInsO, BT-Drucks. 15/16, S. 17. Zur Anwendbarkeit der EuInsVO bei Anfechtungssachverhalten vgl. jetzt grdl. EuGH, Urt. v. 12.2.2009 – Rs. C-339/07 (Deko Marty), ZIP 2009, 427, dazu EWiR 2009, 411 (K. Müller); hierzu Riewe, NZI 2009, 549. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger, EuInsVO, Art. 25 Rz. 54. Virgós/Schmit, Nr. 195. Virgós/Schmit, Nr. 197.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen
Artikel 25 EuInsVO
(Zivil- und Handelssachen) eröffnet ist.9) Da zudem Insolvenzverfahren nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. b aus dem Anwendungsbereich der EuGVVO ausgenommen sind, muss darüber hinaus geprüft werden, ob ein Verfahren i. S. der EuGVVO „den Konkurs betrifft“; nur wenn dies nicht der Fall ist, gelangt Absatz 2 zur Anwendung. Dabei sind der Ausnahmetatbestand in der EuGVVO und damit der Anwendungsbereich der EuInsVO eng auszulegen.10) Insbesondere allgemeine Klagen, die der Schuldner auch hätte erheben können, wenn kein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre,11) alle Klagen über den Bestand oder die Höhe einer Forderung nach allgemeinem Recht,12) über die Wirksamkeit dinglicher Rechte13) und auf einen Eigentumsvorbehalt gestützte Klagen auf Herausgabe von Gegenständen im Besitz des Schuldners,14) sind nicht insolvenzrechtlicher Natur, sodass der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet ist. Nach Absatz 3 haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Anerkennung ausländischer Entscheidungen einzuschränken oder auszuschließen, die in die persönliche Freiheit des Schuldners oder in das Postgeheimnis eingreifen. Solche Entscheidungen sind aufgrund der Regelung in Absatz 3 nicht automatisch von der Anerkennung und Vollstreckung ausgenommen.15) Vielmehr hat jeder Vertragsstaat autonom über die Anerkennung und Vollstreckung solcher grundrechtseinschränkender Entscheidungen durch ein ausländisches Insolvenzverfahren zu entscheiden.16) Von der in Absatz 3 vorgesehenen Möglichkeit hat Deutschland in Art. 102 EGInsO keinen Gebrauch gemacht. Deshalb kann hier – soweit nicht die ausländische Entscheidung gegen den ordre public verstößt – etwa auch eine ausländische Postsperre für vollstreckbar erklärt und gegen den Schuldner durchgesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit ausdrücklich festgestellt, dass Behörden eines Mitgliedstaates, in dem kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, vorbehaltlich der Nichtanerkennungsgründe der Art. 25 und 26 verpflichtet sind, alle Entscheidungen in Zusammenhang mit einem Hauptinsolvenzverfahren anzuerkennen und zu vollstrecken.17)
_____________ 9) Grundlegend EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-292/08 (German Graphics/Holland Binding), Rz. 14 ff, ZIP 2009, 2345 = NZI 2009, 741. 10) EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-292/08 (German Graphics/Holland Binding), Rz. 22 ff, 25, ZIP 2009, 2345 = NZI 2009, 741. Zur Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestands auf Verfügungsgeschäfte des Verwalters vgl. jetzt EuGH, Beschl. v. 2.7.2009 – Rs. C-111/08 (Högsta domstol; Schweden), ZIP 2009, 1441 = NZI 2009, 570, m. Anm. Riewe, S. 549. 11) Virgós/Schmit, Nr. 196. 12) Pannen/Riedemann, EuInsVO, Art. 25 Rz. 48. 13) Pannen/Riedemann, EuInsVO, Art. 25 Rz. 48. 14) EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – Rs. C-292/08 (German Graphics/Holland Binding), Rz. 32 ff, ZIP 2009, 2345 = NZI 2009, 741. 15) Unklar Stephan in: HK-InsO, Art. 25 EuInsVO Rz. 7. 16) Virgós/Schmit, Nr. 193. 17) EuGH, Urt. v. 21.1.2010 – Rs. C-444/07 (MG Probud Gdynia), ZIP 2010, 187, dazu EWiR 2010, 77 (J. Schmidt); Mankowski, NZI 2010, 178; Zenker, NJ 2010, 159.
Bornemann/Sabel/Schlegel
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EuInsVO Artikel 26
Ordre Public
Artikel 26(1) Ordre Public Jeder Mitgliedstaat kann sich weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder eine in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidung zu vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder diese Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar ist. (1) S. die Erklärung Portugals zur Anwendung der Artikel 26 und 37 (ABl. C 183/1 v. 30.6.2000).1)
Literatur: Leible/Staudinger, Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren, KTS 2000, 533.
1
Art. 26 stellt die einzige Ausnahmeregelung zu dem in der Verordnung verankerten Grundsatz der automatischen Anerkennung eines Insolvenzverfahrens in allen übrigen Mitgliedstaaten dar, wenn dieses durch ein zuständiges Gericht eines Mitgliedstaates eröffnet.
2
Ein Mitgliedstaat kann die Anerkennung einer Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedstaat nur dann verweigern, wenn diese offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung unvereinbar ist. Art. 26 ist restriktiv anzuwenden, da andernfalls eine Aushöhlung der Vorschriften des europäischen Insolvenzrechts stattfinden würde, die gerade nicht dem Willen des Verordnungsgebers entspricht.2) Die Vorschrift ermöglicht keine sachliche Überprüfung der Eröffnungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates (Verbot der révision au fond). Derartige Einwände gegen die Entscheidung können lediglich im Ausgangsverfahren erhoben werden.3) Stets zu berücksichtigen ist, ob und inwieweit das Verfahrensrecht des Ursprungsstaates gegen die geltend gemachten Verstöße seinerseits Abhilfe bereitstellt.4) Der Verstoß muss offensichtlich, d. h. deutlich und massiv sein.
3
Scheinverlegungen des Wohnsitzes von Verbrauchern zum Zwecke rascherer Entschuldung – etwa nach England oder Frankreich – wurden von Gerichten z. T. empfindlich sanktioniert. So hat das Landgericht Köln entschieden, dass hierin ein Verstoß gegen den deutschen ordre public liegt und daher von der englischen Rest_____________ 1) 2) 3) 4)
Zu deren Inhalt vgl. Virgós/Schmit, Nr. 210. Virgós/Schmit, Nr. 204; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 26 EuInsVO Rz. 3. Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 568. Paulus, EuInsVO, Art. 26 Rz. 9. Paulus hält schon aus diesem Grund die Brochier-Entscheidung des AG Nürnberg (vgl. hierzu auch Art. 16 Rz. 6) für unhaltbar. Das AG Nürnberg, Beschl. v. 15.8.2006 – 8004 IN 1326-1331/06, ZIP 2007, 81 = ZInsO 2007, 668. dazu EWiR 2007, 81 (Duursma-Kepplinger), wertete die Anerkennung einer auf Täuschung beruhenden englischen Eröffnungsentscheidung als Verstoß gegen den ordre public und führte zur Begründung der Nichtanerkennung des englischen Eröffnungsbeschlusses u. a. aus: „… entspricht es sowohl den Interessen der deutschen als auch der englischen Gerichte, dass die täuschenden Personen aus ihrem Verhalten auch in der Zeit, bis die Eröffnungsentscheidung durch das englische Gericht wieder aufgehoben wird, keine Vorteile ziehen können …“.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 27 EuInsVO
Verfahrenseröffnung
schuldbefreiung erfasste Forderungen in Deutschland durchsetzbar bleiben,5) ein französisches Gericht hob gar die gewährte Restschuldbefreiung wieder auf.6) Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg zur Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO hingegen, ist selbst dann keine Überprüfung der Zuständigkeit durch das ausländische Gericht statthaft, wenn geltend gemacht wird, der ausländische Wohnsitz des Schuldners sei ein Scheinwohnsitz, um im Ausland ein Insolvenzverfahren durchführen zu können.7) Auch wenn dogmatisch in Anbetracht der Regelung des Art. 16 viel für die letztgenannte Auffassung spricht, besteht für Verbraucher, die zwecks schnellerer Erlangung der Restschuldbefreiung unter zweifelhaften Voraussetzungen ein ausländisches Entschuldungsverfahren durchlaufen, jedenfalls eine erhebliche Rechtsunsicherheit, ob die vermeintliche Entschuldung später im Inland auch tatsächlich anerkannt wird. Der Begriff der öffentlichen Ordnung leitet sich aus dem einzelstaatlichen Recht des jeweiligen Mitgliedstaates, insbesondere aus den Grundprinzipien und den verfassungsmäßig garantierten Rechten des Einzelnen ab und kann somit durchaus uneinheitlich sein. Zu unterscheiden sind Verstöße in verfahrensrechtlicher sowie in materiell-rechtlicher Hinsicht. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt vor, wenn eine Eröffnungsentscheidung unter offensichtlicher Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör einer von einem solchen Verfahren betroffenen Person ergangen ist.8) Der Bundesgerichtshof führte in einer jüngsten Entscheidung im Kontext einer nach englischem Recht erlangten Restschuldbefreiung aus, dass bei der Anwendung des Art. 26 auf eine im Ausland erlangte Befreiung von Ansprüchen Zurückhaltung geboten sei: Die deutsche öffentliche Ordnung sei nur verletzt, wenn das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts zu den Grundgedanken deutscher Regelungen, den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass dies nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (siehe hierzu auch Art. 4 Rz. 4).9) _____________ 5) 6) 7) 8)
9)
LG Köln, Urt. v. 14.10.2011 – 82 O 15/08, n. rkr., ZIP 2011, 2119 = NZI 2011, 957, dazu EWiR 2011, 775 (Vallender). Cour d’appel de Colmar, Urt. v. 13.12.2011 – I A 11/01869, ZInsO 2012, 441. OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.12.2011 – 1 U 2/11, ZIP 2012, 241 = ZVI 2012, 103. EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484; vgl. auch AG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.2004 – 502 IN 126/03, ZIP 2004, 623 = NZI 2004, 269, dazu EWiR 2004, 495 (Herweg/Tschauner); OLG Wien, Beschl. v. 9.11.2004 – 28 R 225/04w, NZI 2005, 56, m. Anm. Paulus. BGH, Urt. v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, ZIP 2014, 394 = NZI 2014, 283, m. Anm. Vallender.
Kapitel III Sekundärinsolvenzverfahren Artikel 27 Verfahrenseröffnung 1 Ist durch ein Gericht eines Mitgliedstaats ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet worden, das in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt ist (Hauptinsol-
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Artikel 27 EuInsVO
Verfahrenseröffnung
schuldbefreiung erfasste Forderungen in Deutschland durchsetzbar bleiben,5) ein französisches Gericht hob gar die gewährte Restschuldbefreiung wieder auf.6) Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg zur Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO hingegen, ist selbst dann keine Überprüfung der Zuständigkeit durch das ausländische Gericht statthaft, wenn geltend gemacht wird, der ausländische Wohnsitz des Schuldners sei ein Scheinwohnsitz, um im Ausland ein Insolvenzverfahren durchführen zu können.7) Auch wenn dogmatisch in Anbetracht der Regelung des Art. 16 viel für die letztgenannte Auffassung spricht, besteht für Verbraucher, die zwecks schnellerer Erlangung der Restschuldbefreiung unter zweifelhaften Voraussetzungen ein ausländisches Entschuldungsverfahren durchlaufen, jedenfalls eine erhebliche Rechtsunsicherheit, ob die vermeintliche Entschuldung später im Inland auch tatsächlich anerkannt wird. Der Begriff der öffentlichen Ordnung leitet sich aus dem einzelstaatlichen Recht des jeweiligen Mitgliedstaates, insbesondere aus den Grundprinzipien und den verfassungsmäßig garantierten Rechten des Einzelnen ab und kann somit durchaus uneinheitlich sein. Zu unterscheiden sind Verstöße in verfahrensrechtlicher sowie in materiell-rechtlicher Hinsicht. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt vor, wenn eine Eröffnungsentscheidung unter offensichtlicher Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör einer von einem solchen Verfahren betroffenen Person ergangen ist.8) Der Bundesgerichtshof führte in einer jüngsten Entscheidung im Kontext einer nach englischem Recht erlangten Restschuldbefreiung aus, dass bei der Anwendung des Art. 26 auf eine im Ausland erlangte Befreiung von Ansprüchen Zurückhaltung geboten sei: Die deutsche öffentliche Ordnung sei nur verletzt, wenn das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts zu den Grundgedanken deutscher Regelungen, den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass dies nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (siehe hierzu auch Art. 4 Rz. 4).9) _____________ 5) 6) 7) 8)
9)
LG Köln, Urt. v. 14.10.2011 – 82 O 15/08, n. rkr., ZIP 2011, 2119 = NZI 2011, 957, dazu EWiR 2011, 775 (Vallender). Cour d’appel de Colmar, Urt. v. 13.12.2011 – I A 11/01869, ZInsO 2012, 441. OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.12.2011 – 1 U 2/11, ZIP 2012, 241 = ZVI 2012, 103. EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484; vgl. auch AG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.2004 – 502 IN 126/03, ZIP 2004, 623 = NZI 2004, 269, dazu EWiR 2004, 495 (Herweg/Tschauner); OLG Wien, Beschl. v. 9.11.2004 – 28 R 225/04w, NZI 2005, 56, m. Anm. Paulus. BGH, Urt. v. 14.1.2014 – II ZR 192/13, ZIP 2014, 394 = NZI 2014, 283, m. Anm. Vallender.
Kapitel III Sekundärinsolvenzverfahren Artikel 27 Verfahrenseröffnung 1 Ist durch ein Gericht eines Mitgliedstaats ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet worden, das in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt ist (Hauptinsol-
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EuInsVO Artikel 27
Verfahrenseröffnung
venzverfahren), so kann ein nach Artikel 3 Absatz 2 zuständiges Gericht dieses anderen Mitgliedstaats ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnen, ohne dass in diesem anderen Mitgliedstaat die Insolvenz des Schuldners geprüft wird. 2Bei diesem Verfahren muss es sich um eines der in Anhang B aufgeführten Verfahren handeln. Seine Wirkungen beschränken sich auf das im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners. 1
Die Vorschrift schränkt den in der Verordnung normierten Grundsatz der Universalität des Hauptinsolvenzverfahrens durch die Zulassung eines zeitlich nachfolgend eröffneten Sekundärinsolvenzverfahrens ein, das in seinen Auswirkungen auf das in dem Territorium des Mitgliedstaates belegene Vermögen begrenzt ist. Mit Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens treten der Insolvenzbeschlag durch das Hauptinsolvenzverfahren und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten des Hauptinsolvenzverwalters – bezogen auf das in dem Mitgliedstaat belegene Vermögen – zurück.1)
2
Das zuständige Insolvenzgericht des Sekundärinsolvenzverfahrens hat die Voraussetzungen der Insolvenzgründe nicht zu prüfen. Deren Vorliegen wird aufgrund des bereits eröffneten und nach Art. 16 international anzuerkennenden Hauptinsolvenzverfahrens unwiderleglich vermutet.2) Die übrigen im nationalen Recht normierten Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind allerdings zu untersuchen (z. B. Deckung der Verfahrenskosten, örtliche Zuständigkeit, Insolvenzfähigkeit). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind unter Beachtung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit auch die Ziele des Hauptinsolvenzverfahrens zu berücksichtigen.3)
3
Hat ein nach Art. 29 Antragsberechtigter trotz eines bereits eröffneten Hauptinsolvenzverfahrens den Insolvenzantrag nicht ausdrücklich auf die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gerichtet, wird das zuständige Insolvenzgericht diesen im Zweifel als solchen ergänzend auszulegen haben. Bedenken bestehen hingegen im umgekehrten Fall, bei dem ein Antragsteller explizit einen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens stellt. In dieser Konstellation bestehen erhebliche Bedenken, ob das zuständige Gericht wegen der unterschiedlichen Auswirkungen von Hauptinsolvenzverfahren und Sekundärinsolvenzverfahren den Antrag als solchen auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens umdeuten darf.4)
_____________ 1) 2) 3) 4)
Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 27 Rz. 5. Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 27 EuInsVO Rz. 16. EuGH, Urt. v. 22.11.2012 – Rs. C-116/11 (Bank Handlowi), Rz. 46 ff, ZIP 2012, 2403, dazu EWiR 2013, 173 (Jopen). So aber AG Mönchengladbach, Beschl. v. 27.4.2004 – 19 IN 54/04, ZIP 2004, 1064 = ZInsO 2004, 563, dazu EWiR 2004, 705 (Kebekus).
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 29 EuInsVO
Antragsrecht
Artikel 28 Anwendbares Recht Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, finden auf das Sekundärinsolvenzverfahren die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Anwendung, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Art. 28 stellt für das Sekundärinsolvenzverfahren klar, dass auf dieses grundsätzlich die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates anzuwenden sind, in dem das Sekundärverfahren eröffnet worden ist (Sekundärinsolvenzstatut, lex [fori] concursus secundariae). Art. 28 wiederholt damit zur Klarstellung die nicht lediglich auf das Sekundärverfahren begrenzte Regelung des Art. 4.1) Auch für das Sekundärverfahren sind die Sonderanknüpfungen in den Art. 5 – 15 sowie die weiteren Sonderregelungen für Sekundärverfahren in Art. 27 – 38 zu berücksichtigen.
1
_____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 225.
Artikel 29 Antragsrecht Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens können beantragen: a) der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens, b) jede andere Person oder Stelle, der das Antragsrecht nach dem Recht des Mitgliedstaats zusteht, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden soll. In der Insolvenzpraxis ist vornehmlich das Antragsrecht des Hauptinsolvenzverwalters von Bedeutung, das insbesondere in grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen die Abwicklung erheblich erleichtern kann, insbesondere wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat umfangreiche Vermögensgegenstände belegen sind und das Vermögen des Schuldners zu verschachtelt ist, um als Ganzes verwaltet zu werden (Erwägungsgrund 19).
1
Weiterhin können sich aufgrund grundlegender Unterschiede der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten Schwierigkeiten i. R. der Verwaltung und Verwertung der Vermögenswerte ergeben, die durch die Einleitung eines Sekundärinsolvenzverfahrens beseitigt werden und die Insolvenzmasse insgesamt bestmöglich zugunsten der Gläubiger sichergestellt und verwertet werden kann.
2
Nach Buchst. a steht dabei das Antragsrecht jedem Verwalter eines Hauptinsolvenzverfahrens i. S. des Art. 3 Abs. 1 zu, also auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter, soweit seine Ernennung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Voraussetzung einer Verfahrenseröffnung i. S. der EuInsVO erfüllt.1)
3
_____________ 1)
EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484.
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Artikel 29 EuInsVO
Antragsrecht
Artikel 28 Anwendbares Recht Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, finden auf das Sekundärinsolvenzverfahren die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Anwendung, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Art. 28 stellt für das Sekundärinsolvenzverfahren klar, dass auf dieses grundsätzlich die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates anzuwenden sind, in dem das Sekundärverfahren eröffnet worden ist (Sekundärinsolvenzstatut, lex [fori] concursus secundariae). Art. 28 wiederholt damit zur Klarstellung die nicht lediglich auf das Sekundärverfahren begrenzte Regelung des Art. 4.1) Auch für das Sekundärverfahren sind die Sonderanknüpfungen in den Art. 5 – 15 sowie die weiteren Sonderregelungen für Sekundärverfahren in Art. 27 – 38 zu berücksichtigen.
1
_____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 225.
Artikel 29 Antragsrecht Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens können beantragen: a) der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens, b) jede andere Person oder Stelle, der das Antragsrecht nach dem Recht des Mitgliedstaats zusteht, in dessen Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden soll. In der Insolvenzpraxis ist vornehmlich das Antragsrecht des Hauptinsolvenzverwalters von Bedeutung, das insbesondere in grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen die Abwicklung erheblich erleichtern kann, insbesondere wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat umfangreiche Vermögensgegenstände belegen sind und das Vermögen des Schuldners zu verschachtelt ist, um als Ganzes verwaltet zu werden (Erwägungsgrund 19).
1
Weiterhin können sich aufgrund grundlegender Unterschiede der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten Schwierigkeiten i. R. der Verwaltung und Verwertung der Vermögenswerte ergeben, die durch die Einleitung eines Sekundärinsolvenzverfahrens beseitigt werden und die Insolvenzmasse insgesamt bestmöglich zugunsten der Gläubiger sichergestellt und verwertet werden kann.
2
Nach Buchst. a steht dabei das Antragsrecht jedem Verwalter eines Hauptinsolvenzverfahrens i. S. des Art. 3 Abs. 1 zu, also auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter, soweit seine Ernennung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Voraussetzung einer Verfahrenseröffnung i. S. der EuInsVO erfüllt.1)
3
_____________ 1)
EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484.
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EuInsVO Artikel 30
Kostenvorschuss
Der vorläufige (Haupt-)Verwalter hat damit die Wahl, ob er Sicherungsmaßnahmen nach Art. 38 beantragt (Art. 38 Rz. 2) oder bereits ein Sekundärverfahren einleitet.2) 4
Weiterhin kann nach Buchst. b jede andere Person oder Stelle ein Sekundärinsolvenzverfahren beantragen, sofern das Recht des betroffenen Mitgliedstaates ein solches Antragsrecht vorsieht. Dies wird in der Regel für Gläubiger der Fall sein.
5
Fraglich ist, ob auch der Schuldner bzw. dessen vertretungsberechtigte Organe ein Antragsrecht haben. Dagegen spricht, dass mit Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Schuldner auf den Verwalter übergeht. Ein eigenes Antragsrecht des Schuldners nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens kann daher – entsprechend den nach Buchst. b insoweit maßgebenden Vorschriften des autonomen Internationalen Insolvenzrechts (§§ 354, 356 Abs. 2 InsO) – nicht angenommen werden.3) _____________ 2)
3)
A. A. – allerdings noch ohne Berücksichtigung der Rspr. des EuGH – Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 38 Rz. 2; wie hier Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, Anh. I nach § 358, Art. 29 EuInsVO Rz. 5 m. w. N. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 29 Rz. 5; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 29 EuInsVO Rz. 9; a. A. AG Köln, Beschl. v. 23.1.2004 – 71 IN 1/04, ZIP 2004, 471, 473 = NZI 2004, 151, m. (insoweit) krit. Anm. Sabel, NZI 2004 126, 128, dazu EWiR 2004, 601 (Blenske).
Artikel 30 Kostenvorschuss Verlangt das Recht des Mitgliedstaats, in dem ein Sekundärinsolvenzverfahren beantragt wird, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der Auslagen ganz oder teilweise durch die Masse gedeckt sind, so kann das Gericht, bei dem ein solcher Antrag gestellt wird, vom Antragsteller einen Kostenvorschuss oder eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen. 1
Nach dem Recht einiger Mitgliedstaaten ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an die Bedingung geknüpft, dass kostendeckendes Vermögen des Schuldners vorhanden ist (vgl. in Deutschland § 26 Abs. 1 InsO). Art. 30 trägt diesen nationalen Regelungen im Hinblick auf die Einleitung eines Sekundärinsolvenzverfahrens Rechnung, sodass auch hier gewährleistet ist, dass ein Verfahren nur eröffnet wird, wenn die Kosten des Verfahrens gedeckt sind.
2
Die Höhe des erforderlichen Kostenvorschusses richtet sich nach dem Recht des Sekundäreröffnungsmitgliedstaates.1)
3
Für die Bewertung der „Masse“ i. S. des Art. 30 ist allein das in dem Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners heranzuziehen.2) _____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 30 EuInsVO Rz. 1; Leonhardt/Smid/ZeunerSmid, IIR, Art. 30 EuInsVO Rz. 7. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 30 Rz. 9.
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EuInsVO Artikel 30
Kostenvorschuss
Der vorläufige (Haupt-)Verwalter hat damit die Wahl, ob er Sicherungsmaßnahmen nach Art. 38 beantragt (Art. 38 Rz. 2) oder bereits ein Sekundärverfahren einleitet.2) 4
Weiterhin kann nach Buchst. b jede andere Person oder Stelle ein Sekundärinsolvenzverfahren beantragen, sofern das Recht des betroffenen Mitgliedstaates ein solches Antragsrecht vorsieht. Dies wird in der Regel für Gläubiger der Fall sein.
5
Fraglich ist, ob auch der Schuldner bzw. dessen vertretungsberechtigte Organe ein Antragsrecht haben. Dagegen spricht, dass mit Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Schuldner auf den Verwalter übergeht. Ein eigenes Antragsrecht des Schuldners nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens kann daher – entsprechend den nach Buchst. b insoweit maßgebenden Vorschriften des autonomen Internationalen Insolvenzrechts (§§ 354, 356 Abs. 2 InsO) – nicht angenommen werden.3) _____________ 2)
3)
A. A. – allerdings noch ohne Berücksichtigung der Rspr. des EuGH – Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 38 Rz. 2; wie hier Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, Anh. I nach § 358, Art. 29 EuInsVO Rz. 5 m. w. N. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 29 Rz. 5; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 29 EuInsVO Rz. 9; a. A. AG Köln, Beschl. v. 23.1.2004 – 71 IN 1/04, ZIP 2004, 471, 473 = NZI 2004, 151, m. (insoweit) krit. Anm. Sabel, NZI 2004 126, 128, dazu EWiR 2004, 601 (Blenske).
Artikel 30 Kostenvorschuss Verlangt das Recht des Mitgliedstaats, in dem ein Sekundärinsolvenzverfahren beantragt wird, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der Auslagen ganz oder teilweise durch die Masse gedeckt sind, so kann das Gericht, bei dem ein solcher Antrag gestellt wird, vom Antragsteller einen Kostenvorschuss oder eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen. 1
Nach dem Recht einiger Mitgliedstaaten ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an die Bedingung geknüpft, dass kostendeckendes Vermögen des Schuldners vorhanden ist (vgl. in Deutschland § 26 Abs. 1 InsO). Art. 30 trägt diesen nationalen Regelungen im Hinblick auf die Einleitung eines Sekundärinsolvenzverfahrens Rechnung, sodass auch hier gewährleistet ist, dass ein Verfahren nur eröffnet wird, wenn die Kosten des Verfahrens gedeckt sind.
2
Die Höhe des erforderlichen Kostenvorschusses richtet sich nach dem Recht des Sekundäreröffnungsmitgliedstaates.1)
3
Für die Bewertung der „Masse“ i. S. des Art. 30 ist allein das in dem Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners heranzuziehen.2) _____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 30 EuInsVO Rz. 1; Leonhardt/Smid/ZeunerSmid, IIR, Art. 30 EuInsVO Rz. 7. Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky-Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 30 Rz. 9.
1700
Bornemann/Sabel/Schlegel
Kooperations- und Unterrichtungspflicht
Artikel 31 EuInsVO
Artikel 31 Kooperations- und Unterrichtungspflicht (1) 1Vorbehaltlich der Vorschriften über die Einschränkung der Weitergabe von Informationen besteht für den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und für die Verwalter der Sekundärinsolvenzverfahren die Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung. 2Sie haben einander unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das jeweilige andere Verfahren von Bedeutung sein können, insbesondere den Stand der Anmeldung und der Prüfung der Forderungen sowie alle Maßnahmen zur Beendigung eines Insolvenzverfahrens. (2) Vorbehaltlich der für die einzelnen Verfahren geltenden Vorschriften sind der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und die Verwalter der Sekundärinsolvenzverfahren zur Zusammenarbeit verpflichtet. (3) Der Verwalter eines Sekundärinsolvenzverfahrens hat dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu gegebener Zeit Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder jede Art der Verwendung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten. Literatur: Beck, Verwertungsfragen im Verhältnis von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren nach der EuInsVO, NZI 2006, 609 – 618 und NZI 2007, 1; Ehricke, Zur Kooperation von Insolvenzgerichten bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO, ZIP 2007, 2395; Ehricke, Das Verhältnis des Hauptinsolvenzverwalters zum Sekundärinsolvenzverwalter bei grenzüberschreitenden Insolvenzen nach der EuInsVO, ZIP 2005, 1104; Staak, Mögliche Probleme im Rahmen der Koordination von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren nach der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO), NZI 2004, 480.
Hieß es zu Zeiten der Konkursordnung häufig, die Wahl des Verwalters sei die Schicksalsfrage des Konkurses,1) so wird man in Bezug auf grenzüberschreitende Insolvenzen heute wohl behaupten dürfen, dass der Erfolg grenzüberschreitender Insolvenzen bei Eröffnung von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren zu einem hohen Maße von der Zusammenarbeit der in den einzelnen Ländern bestellten Insolvenzverwalter abhängt.2) Die Bereitschaft zur Kooperation ist für das Schicksal des Insolvenzverfahrens und damit auch für Gläubiger und Arbeitnehmer entscheidend. Die Rechtsprechung europäischer Insolvenzgerichte hat die Kooperationsverpflichtung des Absatzes 1 auch auf die Gerichte des Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahrens ausgedehnt;3) in Deutschland folgt die Kooperationspflicht für Gerichte auch unmittelbar aus § 348 InsO (vgl. hierzu § 348 InsO Rz. 2). Die Rechtsprechung leitet hieraus die Befugnis ab, zur Vermeidung von Sekundärinsolvenzverfahren Verwaltern in Hauptinsolvenzverfahren die Kontaktierung von potentiell zur Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren befugten Gerichten anderer
_____________ 1) 2) 3)
Jaeger-Weber, KO, § 78 Rz. 7. Erwägungsgrund 20; Ehricke, ZIP 2005, 1104. OLG Wien, Beschl. v. 9.11.2004 – 28 R 225/04w, NZI 2005, 56; a. A: die Gesetzesbegründung zum ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 43.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1701
1
EuInsVO Artikel 32
Ausübung von Gläubigerrechten
Mitgliedstaaten zu gestatten, mit dem Ziel, bei Antragstellungen vor gerichtlichen Entscheidungen gehört zu werden.4) 2
Die in Absatz 1 geregelte Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung erstreckt sich auf die Mitteilung aller wesentlichen Vorgänge und Informationen, die bedeutende Teile der Insolvenzmasse oder wichtige verfahrensleitende Entscheidungen betreffen.5)
3
Absatz 2 normiert die ausdrückliche Pflicht der Verwalter zur gemeinsamen Zusammenarbeit, ohne dass diese im Einzelnen näher bestimmt wird. Im Sinne der Verordnung dürfte dies die gegenseitige Pflicht zur Beschaffung von Unterlagen, die Kooperation und Koordination i. R. der bestmöglichen Verwertung von Massegegenständen oder die Abstimmung von Verfahrenshandlungen bedeuten.6)
4
Absatz 3 manifestiert nochmals den Vorrang des Hauptinsolvenzverfahrens, indem dem Verwalter des Hauptverfahrens ein Vorschlagsrecht für die Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens eingeräumt wird.
5
Die EuInsVO enthält keine ausdrückliche Sanktion für den Fall der Missachtung. Da die Verordnung in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht ist, könnte allerdings bei einem Verstoß gegen Art. 31 das nationale Haftungsrecht (in Deutschland: § 60 InsO) zur Anwendung kommen und ggf. Schadensersatzansprüche gegen den (nicht kooperierenden) Verwalter begründen. _____________ 4)
5) 6)
High Court of Justice London i.S. – Nortel, Beschl. v. 11.2.2009 – [2009] EWHC 206 (Ch), Rz. 10 ff, NZI 2009, 450 unter Berufung auf OLG Wien, Beschl. v. 9.11.2004 – 28 R 225/ 04w, NZI 2005, 56, Court d’appel Versailles i.S. Rover France SAS [2006] I.L.Pr.32, und die Parallelregelungen im UNCITRAL model law; vgl. dazu EWiR, 2009, 177–179 (Paulus). Erhebliche Bedenken gegen Kooperation von Insolvenzgerichten bei Insolvenzverfahren, die in unterschiedlichen Staaten eröffnet sind, äußert Ehricke, ZIP 2007, 2395, 2403. Staak, NZI 2004, 480, 481. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 31 EuInsVO Rz. 6; Stephan in: HK-InsO, Art. 31 EuInsVO Rz. 6.
Artikel 32 Ausübung von Gläubigerrechten (1) Jeder Gläubiger kann seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. (2) Die Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und der Sekundärinsolvenzverfahren melden in den anderen Verfahren die Forderungen an, die in dem Verfahren, für das sie bestellt sind, bereits angemeldet worden sind, soweit dies für die Gläubiger des letztgenannten Verfahrens zweckmäßig ist und vorbehaltlich des Rechts dieser Gläubiger, dies abzulehnen oder die Anmeldung zurückzunehmen, sofern ein solches Recht gesetzlich vorgesehen ist. (3) Der Verwalter eines Haupt- oder eines Sekundärinsolvenzverfahrens ist berechtigt, wie ein Gläubiger an einem anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken, insbesondere indem er an einer Gläubigerversammlung teilnimmt.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 32
Ausübung von Gläubigerrechten
Mitgliedstaaten zu gestatten, mit dem Ziel, bei Antragstellungen vor gerichtlichen Entscheidungen gehört zu werden.4) 2
Die in Absatz 1 geregelte Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung erstreckt sich auf die Mitteilung aller wesentlichen Vorgänge und Informationen, die bedeutende Teile der Insolvenzmasse oder wichtige verfahrensleitende Entscheidungen betreffen.5)
3
Absatz 2 normiert die ausdrückliche Pflicht der Verwalter zur gemeinsamen Zusammenarbeit, ohne dass diese im Einzelnen näher bestimmt wird. Im Sinne der Verordnung dürfte dies die gegenseitige Pflicht zur Beschaffung von Unterlagen, die Kooperation und Koordination i. R. der bestmöglichen Verwertung von Massegegenständen oder die Abstimmung von Verfahrenshandlungen bedeuten.6)
4
Absatz 3 manifestiert nochmals den Vorrang des Hauptinsolvenzverfahrens, indem dem Verwalter des Hauptverfahrens ein Vorschlagsrecht für die Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens eingeräumt wird.
5
Die EuInsVO enthält keine ausdrückliche Sanktion für den Fall der Missachtung. Da die Verordnung in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht ist, könnte allerdings bei einem Verstoß gegen Art. 31 das nationale Haftungsrecht (in Deutschland: § 60 InsO) zur Anwendung kommen und ggf. Schadensersatzansprüche gegen den (nicht kooperierenden) Verwalter begründen. _____________ 4)
5) 6)
High Court of Justice London i.S. – Nortel, Beschl. v. 11.2.2009 – [2009] EWHC 206 (Ch), Rz. 10 ff, NZI 2009, 450 unter Berufung auf OLG Wien, Beschl. v. 9.11.2004 – 28 R 225/ 04w, NZI 2005, 56, Court d’appel Versailles i.S. Rover France SAS [2006] I.L.Pr.32, und die Parallelregelungen im UNCITRAL model law; vgl. dazu EWiR, 2009, 177–179 (Paulus). Erhebliche Bedenken gegen Kooperation von Insolvenzgerichten bei Insolvenzverfahren, die in unterschiedlichen Staaten eröffnet sind, äußert Ehricke, ZIP 2007, 2395, 2403. Staak, NZI 2004, 480, 481. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 31 EuInsVO Rz. 6; Stephan in: HK-InsO, Art. 31 EuInsVO Rz. 6.
Artikel 32 Ausübung von Gläubigerrechten (1) Jeder Gläubiger kann seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden. (2) Die Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und der Sekundärinsolvenzverfahren melden in den anderen Verfahren die Forderungen an, die in dem Verfahren, für das sie bestellt sind, bereits angemeldet worden sind, soweit dies für die Gläubiger des letztgenannten Verfahrens zweckmäßig ist und vorbehaltlich des Rechts dieser Gläubiger, dies abzulehnen oder die Anmeldung zurückzunehmen, sofern ein solches Recht gesetzlich vorgesehen ist. (3) Der Verwalter eines Haupt- oder eines Sekundärinsolvenzverfahrens ist berechtigt, wie ein Gläubiger an einem anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken, insbesondere indem er an einer Gläubigerversammlung teilnimmt.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 32 EuInsVO
Ausübung von Gläubigerrechten
Die Vorschrift regelt die umfassenden Anmeldemöglichkeiten von Gläubigern und Verwaltern in Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren. Neben den Gläubigern, die ihre Forderungen sowohl im Haupt- wie auch im Sekundärinsolvenzverfahren anmelden können (Abs. 1), sind auch die Verwalter des Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahrens berechtigt, in dem jeweils anderen Verfahren diejenigen Forderungen anzumelden, die in „ihren“ Verfahren bereits angemeldet wurden, sofern eine solche Anmeldung für die Gläubiger zweckmäßig ist.
1
Nach Absatz 2 bleibt der Einzelgläubiger berechtigt, die Anmeldung durch den Insolvenzverwalter abzulehnen oder eine bereits erfolgte Anmeldung zurückzunehmen. Die Form der Anmeldung wird gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. h grundsätzlich durch das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung geregelt, allerdings ergänzt um Art. 41 für diejenigen Gläubiger, die ihren gewöhnlichen Sitz nicht im Eröffnungsstaat haben.
2
Die Gefahr einer Überbefriedigung der Gläubiger wird durch Art. 20 Abs. 2 ausgeschaltet, der bestimmt, dass eine Quotenanrechnung hinsichtlich des etwaig bereits Erlangten aus einem anderen Insolvenzverfahren zu berücksichtigen ist.
3
Neben den umfassenden Anmeldemöglichkeiten der Gläubiger sind gemäß Absatz 2 auch die Verwalter berechtigt, wechselseitig die Forderungen in den anderen Verfahren anzumelden, sofern dies zweckmäßig ist. Zweckmäßigkeit soll in der Regel dann angenommen werden, wenn eine Anmeldung durch den Verwalter zumindest Gruppen von Forderungsinhabern eines bestimmten Ranges und nicht nur Einzelforderungen betrifft.1)
4
Da der Verwalter bei der Anmeldung für den Einzelgläubiger handelt und letzterer auch berechtigt ist, die Anmeldung seiner Forderung abzulehnen bzw. eine erfolgte Anmeldung zurückzunehmen, ist es zwingend erforderlich, dass der anmeldende Verwalter die Forderungen hinsichtlich der einzelnen Gläubiger und deren Ansprüche spezifiziert anmeldet und keine Pauschalanmeldung vornehmen kann. Die Anmeldung durch den Verwalter dürfte für die Gläubiger allein deshalb in der Regel zweckmäßig sein, da etwaige Kosten in diesem Fall der Verwalter trägt und dieser möglicherweise über bessere Kenntnisse der Anmeldevoraussetzungen verfügt. Unterschiedliche Fristabläufe für die Anmeldungen in verschiedenen Verfahren können hier zu erheblichen Problemen führen, insbesondere dann, wenn derartige Fristen in anderen Rechtsordnungen als Ausschlussfristen ausgestaltet sind.2)
5
Nimmt ein Verwalter die Anmeldung in einem Parallelverfahren nicht vor, obwohl dies für die Gläubiger zweckmäßig gewesen wäre, z. B. bei Aussicht einer Quotenzahlung oder besseren Einordnung der Ansprüche nach der nationalen Rechtsordnung des Parallelverfahrens, kann sich hieraus eine Haftung des Verwalters ergeben.3)
6
Absatz 3 regelt schließlich die Teilnahmeberechtigung der Verwalter in den jeweiligen Parallelverfahren. Welchen Inhalt dieses Teilnahmerecht im Detail hat, ist ab-
7
_____________ 1) 2) 3)
Virgós/Schmit, Nr. 239. So auch Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 5. A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 6 f.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1703
EuInsVO Artikel 33
Aussetzung der Verwertung
schließend nicht geregelt. Der Verwalter soll „wie ein Gläubiger“ mitwirken. Diese Rechtsstellung beinhaltet ein Gläubigerversammlungsteilnahme-, Äußerungs- und Einsichtsrecht, nicht aber ohne weiteres ein Stimmrecht.4) 8
Die Verweigerung des Stimmrechts für den anmeldenden Verwalter in einem Parallelverfahren ergibt sich jedoch nicht aus dem Gesetzestext und ist deshalb abzulehnen. Allerdings ist dem Verwalter, der ordnungsgemäß die Forderungen aus „seinem“ Verfahren angemeldet hat, auch ein entsprechendes Stimmrecht zu gewähren.5) Zur Vermeidung etwaiger Rechtsunsicherheiten in der Gläubigerversammlung, empfiehlt sich daneben eine gesonderte Bevollmächtigung des Verwalters für etwaige Abstimmungen in der Gläubigerversammlung.6) _____________ 4)
5) 6)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 8; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 32 EuInsVO Rz. 14; A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 8; Kübler/ Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 10. Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 14. A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 8; Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 15.
Artikel 33 Aussetzung der Verwertung (1) 1Das Gericht, welches das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet hat, setzt auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens die Verwertung ganz oder teilweise aus; dem zuständigen Gericht steht jedoch das Recht zu, in diesem Fall vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens alle angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens sowie einzelner Gruppen von Gläubigern zu verlangen. 2Der Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens kann nur abgelehnt werden, wenn die Aussetzung offensichtlich für die Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens nicht von Interesse ist. 3Die Aussetzung der Verwertung kann für höchstens drei Monate angeordnet werden. 4Sie kann für jeweils denselben Zeitraum verlängert oder erneuert werden. (2) Das Gericht nach Absatz 1 hebt die Aussetzung der Verwertung in folgenden Fällen auf: –
auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens,
–
von Amts wegen, auf Antrag eines Gläubigers oder auf Antrag des Verwalters des Sekundärinsolvenzverfahrens, wenn sich herausstellt, dass diese Maßnahme insbesondere nicht mehr mit dem Interesse der Gläubiger des Hauptoder des Sekundärinsolvenzverfahrens zu rechtfertigen ist.
1704
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 33
Aussetzung der Verwertung
schließend nicht geregelt. Der Verwalter soll „wie ein Gläubiger“ mitwirken. Diese Rechtsstellung beinhaltet ein Gläubigerversammlungsteilnahme-, Äußerungs- und Einsichtsrecht, nicht aber ohne weiteres ein Stimmrecht.4) 8
Die Verweigerung des Stimmrechts für den anmeldenden Verwalter in einem Parallelverfahren ergibt sich jedoch nicht aus dem Gesetzestext und ist deshalb abzulehnen. Allerdings ist dem Verwalter, der ordnungsgemäß die Forderungen aus „seinem“ Verfahren angemeldet hat, auch ein entsprechendes Stimmrecht zu gewähren.5) Zur Vermeidung etwaiger Rechtsunsicherheiten in der Gläubigerversammlung, empfiehlt sich daneben eine gesonderte Bevollmächtigung des Verwalters für etwaige Abstimmungen in der Gläubigerversammlung.6) _____________ 4)
5) 6)
Uhlenbruck-Lüer, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 8; Leonhardt/Smid/Zeuner-Smid, IIR, Art. 32 EuInsVO Rz. 14; A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 8; Kübler/ Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 10. Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 14. A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 8; Reinhart in: MünchKomm-InsO, Art. 32 EuInsVO Rz. 15.
Artikel 33 Aussetzung der Verwertung (1) 1Das Gericht, welches das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet hat, setzt auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens die Verwertung ganz oder teilweise aus; dem zuständigen Gericht steht jedoch das Recht zu, in diesem Fall vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens alle angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens sowie einzelner Gruppen von Gläubigern zu verlangen. 2Der Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens kann nur abgelehnt werden, wenn die Aussetzung offensichtlich für die Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens nicht von Interesse ist. 3Die Aussetzung der Verwertung kann für höchstens drei Monate angeordnet werden. 4Sie kann für jeweils denselben Zeitraum verlängert oder erneuert werden. (2) Das Gericht nach Absatz 1 hebt die Aussetzung der Verwertung in folgenden Fällen auf: –
auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens,
–
von Amts wegen, auf Antrag eines Gläubigers oder auf Antrag des Verwalters des Sekundärinsolvenzverfahrens, wenn sich herausstellt, dass diese Maßnahme insbesondere nicht mehr mit dem Interesse der Gläubiger des Hauptoder des Sekundärinsolvenzverfahrens zu rechtfertigen ist.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 34 EuInsVO
Verfahrensbeendende Maßnahmen
Artikel 102 § 10 EGInsO Aussetzung der Verwertung Wird auf Antrag des Verwalter das Hauptinsolvenzverfahren nach Art. 33 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2002 in einem inländischen Sekundärinsolvenzverfahren die Verwertung eines Gegenstandes ausgesetzt, an dem ein Absonderungsrecht besteht, so sind dem Gläubiger laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen. Art. 33 manifestiert die in Art. 31 Abs. 3 normierte Vorrangstellung des Hauptinsolvenzverfahrens. Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ist berechtigt, mit Antrag an das Gericht des Sekundärinsolvenzverfahrens die Aussetzung der Verwertung in der Sekundärinsolvenz zu verlangen. Ein solcher Antrag kann nur dann abgelehnt werden, wenn er nicht im Interesse der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens steht, was in der Regel nicht der Fall sein dürfte. Eine etwaige Verwertungsaussetzung ist zunächst auf drei Monate begrenzt, kann allerdings prolongiert werden.
1
Absatz 2 regelt die Aufhebung der Verwertungsaussetzung. Weiterhin ist Art. 102 § 10 EGInsO zu beachten, der die Umsetzung für das deutsche Recht konkretisiert. Diese Vorschrift bezieht sich insbesondere auf § 169 InsO bzw. § 30 ZVG. Die Vorschrift des Art. 33 ist im Hinblick auf die Leitfunktion des Hauptinsolvenzverfahrens nur konsequent. Sie soll dem Hauptinsolvenzverwalter die Möglichkeit geben, ggf. ein Gesamtsanierungskonzept unter Einbindung der Sekundärinsolvenzmasse zu realisieren, ohne befürchten zu müssen, dass der Sekundärinsolvenzverwalter ein solches Konzept durch eine bereits eingeleitete Liquidation unmöglich macht. Die Antragsbefugnis umfasst allerdings lediglich die Verwertungsaussetzung in Bezug auf einen Vermögensgegenstand, eine Betriebseinheit o. Ä., dagegen nicht die vollständige Suspendierung des Sekundärverfahrens.1) Rechtsmittel gegen die Entscheidung einer Verwertungsaussetzung sind grundsätzlich nicht vorgesehen. In Deutschland kommt die Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG in Betracht, wenn die Aussetzungsentscheidung durch den Rechtspfleger getroffen wurde. _____________
2
1)
LG Leoben, Beschl. v. 31.8.2005 – 17 S 56/05 m, ZIP 2005, 1930 = NZI 2005, 646; bestätigt durch OLG Graz, Beschl. v. 20.10.2005 – 3 R 149/05 i, ZIP 2006, 1544 (LS) = NZI 2006, 660.
Artikel 34 Verfahrensbeendende Maßnahmen (1) Kann das Sekundärinsolvenzverfahren nach dem für dieses Verfahren maßgeblichen Recht ohne Liquidation durch einen Sanierungsplan, einen Vergleich oder eine andere vergleichbare Maßnahme beendet werden, so kann eine solche Maßnahme vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens vorgeschlagen werden. Eine Beendigung des Sekundärinsolvenzverfahrens durch eine Maßnahme nach Unterabsatz 1 kann nur bestätigt werden, wenn der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zustimmt oder, falls dieser nicht zustimmt, wenn die finanziellen Bornemann/Sabel/Schlegel
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3
4
Artikel 34 EuInsVO
Verfahrensbeendende Maßnahmen
Artikel 102 § 10 EGInsO Aussetzung der Verwertung Wird auf Antrag des Verwalter das Hauptinsolvenzverfahren nach Art. 33 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2002 in einem inländischen Sekundärinsolvenzverfahren die Verwertung eines Gegenstandes ausgesetzt, an dem ein Absonderungsrecht besteht, so sind dem Gläubiger laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen. Art. 33 manifestiert die in Art. 31 Abs. 3 normierte Vorrangstellung des Hauptinsolvenzverfahrens. Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ist berechtigt, mit Antrag an das Gericht des Sekundärinsolvenzverfahrens die Aussetzung der Verwertung in der Sekundärinsolvenz zu verlangen. Ein solcher Antrag kann nur dann abgelehnt werden, wenn er nicht im Interesse der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens steht, was in der Regel nicht der Fall sein dürfte. Eine etwaige Verwertungsaussetzung ist zunächst auf drei Monate begrenzt, kann allerdings prolongiert werden.
1
Absatz 2 regelt die Aufhebung der Verwertungsaussetzung. Weiterhin ist Art. 102 § 10 EGInsO zu beachten, der die Umsetzung für das deutsche Recht konkretisiert. Diese Vorschrift bezieht sich insbesondere auf § 169 InsO bzw. § 30 ZVG. Die Vorschrift des Art. 33 ist im Hinblick auf die Leitfunktion des Hauptinsolvenzverfahrens nur konsequent. Sie soll dem Hauptinsolvenzverwalter die Möglichkeit geben, ggf. ein Gesamtsanierungskonzept unter Einbindung der Sekundärinsolvenzmasse zu realisieren, ohne befürchten zu müssen, dass der Sekundärinsolvenzverwalter ein solches Konzept durch eine bereits eingeleitete Liquidation unmöglich macht. Die Antragsbefugnis umfasst allerdings lediglich die Verwertungsaussetzung in Bezug auf einen Vermögensgegenstand, eine Betriebseinheit o. Ä., dagegen nicht die vollständige Suspendierung des Sekundärverfahrens.1) Rechtsmittel gegen die Entscheidung einer Verwertungsaussetzung sind grundsätzlich nicht vorgesehen. In Deutschland kommt die Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG in Betracht, wenn die Aussetzungsentscheidung durch den Rechtspfleger getroffen wurde. _____________
2
1)
LG Leoben, Beschl. v. 31.8.2005 – 17 S 56/05 m, ZIP 2005, 1930 = NZI 2005, 646; bestätigt durch OLG Graz, Beschl. v. 20.10.2005 – 3 R 149/05 i, ZIP 2006, 1544 (LS) = NZI 2006, 660.
Artikel 34 Verfahrensbeendende Maßnahmen (1) Kann das Sekundärinsolvenzverfahren nach dem für dieses Verfahren maßgeblichen Recht ohne Liquidation durch einen Sanierungsplan, einen Vergleich oder eine andere vergleichbare Maßnahme beendet werden, so kann eine solche Maßnahme vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens vorgeschlagen werden. Eine Beendigung des Sekundärinsolvenzverfahrens durch eine Maßnahme nach Unterabsatz 1 kann nur bestätigt werden, wenn der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zustimmt oder, falls dieser nicht zustimmt, wenn die finanziellen Bornemann/Sabel/Schlegel
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3
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EuInsVO Artikel 35
Überschuss im Sekundärinsolvenzverfahren
Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens durch die vorgeschlagene Maßnahme nicht beeinträchtigt werden. (2) Jede Beschränkung der Rechte der Gläubiger, wie zum Beispiel eine Stundung oder eine Schuldbefreiung, die sich aus einer in einem Sekundärinsolvenzverfahren vorgeschlagenen Maßnahme im Sinne von Absatz 1 ergibt, kann nur dann Auswirkungen auf das nicht von diesem Verfahren betroffene Vermögen des Schuldners haben, wenn alle betroffenen Gläubiger der Maßnahme zustimmen. (3) Während einer nach Artikel 33 angeordneten Aussetzung der Verwertung kann nur der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens oder der Schuldner mit dessen Zustimmung im Sekundärinsolvenzverfahren Maßnahmen im Sinne von Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorschlagen; andere Vorschläge für eine solche Maßnahme dürfen weder zur Abstimmung gestellt noch bestätigt werden.
Artikel 102 § 9 EGInsO Insolvenzplan Sieht ein Insolvenzplan eine Stundung, einen Erlass oder sonstige Einschränkungen der Rechte der Gläubiger vor, so darf er vom Insolvenzgericht nur bestätigt werden, wenn alle betroffenen Gläubiger dem Plan zugestimmt haben. 1
Art. 34 ermöglicht es dem Verwalter im Hauptinsolvenzverfahren, vom Liquidationsgrundsatz des Sekundärinsolvenzverfahrens abzuweichen und andere Verwertungsvarianten vorzuschlagen, insbesondere einen Insolvenzplan oder ähnliche Restrukturierungsvarianten, sofern diese durch das Recht des Staates des Sekundärinsolvenzverfahrens vorgesehen werden. Die abweichende Beendigung des Sekundärinsolvenzverfahrens bspw. durch einen Insolvenzplan kann nach Absatz 1 Unterabs. 2 nur mit Zustimmung des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens erfolgen oder alternativ durch die Feststellung, dass die finanziellen Interessen der Gläubiger im Hauptinsolvenzverfahren nicht beeinträchtigt werden.
2
Absatz 2 bestimmt, dass für den Fall, dass das Alternativverwertungskonzept in die Rechte der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens eingreift, dies nur mit Zustimmung sämtlich betroffener Gläubiger erfolgen darf. Diese Regelung wird für Deutschland nochmals in Art. 102 § 9 EGInsO konkret umgesetzt.
3
Im Fall einer Aussetzung gemäß Art. 33 kann ein Vorschlag zur Alternativverwertung nach Absatz 3 nur durch den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens oder mit dessen Zustimmung erfolgen.
Artikel 35 Überschuss im Sekundärinsolvenzverfahren Können bei der Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens alle in diesem Verfahren festgestellten Forderungen befriedigt werden, so übergibt der in diesem Verfahren bestellte Verwalter den verbleibenden Überschuss unverzüglich dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 35
Überschuss im Sekundärinsolvenzverfahren
Interessen der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens durch die vorgeschlagene Maßnahme nicht beeinträchtigt werden. (2) Jede Beschränkung der Rechte der Gläubiger, wie zum Beispiel eine Stundung oder eine Schuldbefreiung, die sich aus einer in einem Sekundärinsolvenzverfahren vorgeschlagenen Maßnahme im Sinne von Absatz 1 ergibt, kann nur dann Auswirkungen auf das nicht von diesem Verfahren betroffene Vermögen des Schuldners haben, wenn alle betroffenen Gläubiger der Maßnahme zustimmen. (3) Während einer nach Artikel 33 angeordneten Aussetzung der Verwertung kann nur der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens oder der Schuldner mit dessen Zustimmung im Sekundärinsolvenzverfahren Maßnahmen im Sinne von Absatz 1 des vorliegenden Artikels vorschlagen; andere Vorschläge für eine solche Maßnahme dürfen weder zur Abstimmung gestellt noch bestätigt werden.
Artikel 102 § 9 EGInsO Insolvenzplan Sieht ein Insolvenzplan eine Stundung, einen Erlass oder sonstige Einschränkungen der Rechte der Gläubiger vor, so darf er vom Insolvenzgericht nur bestätigt werden, wenn alle betroffenen Gläubiger dem Plan zugestimmt haben. 1
Art. 34 ermöglicht es dem Verwalter im Hauptinsolvenzverfahren, vom Liquidationsgrundsatz des Sekundärinsolvenzverfahrens abzuweichen und andere Verwertungsvarianten vorzuschlagen, insbesondere einen Insolvenzplan oder ähnliche Restrukturierungsvarianten, sofern diese durch das Recht des Staates des Sekundärinsolvenzverfahrens vorgesehen werden. Die abweichende Beendigung des Sekundärinsolvenzverfahrens bspw. durch einen Insolvenzplan kann nach Absatz 1 Unterabs. 2 nur mit Zustimmung des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens erfolgen oder alternativ durch die Feststellung, dass die finanziellen Interessen der Gläubiger im Hauptinsolvenzverfahren nicht beeinträchtigt werden.
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Absatz 2 bestimmt, dass für den Fall, dass das Alternativverwertungskonzept in die Rechte der Gläubiger des Hauptinsolvenzverfahrens eingreift, dies nur mit Zustimmung sämtlich betroffener Gläubiger erfolgen darf. Diese Regelung wird für Deutschland nochmals in Art. 102 § 9 EGInsO konkret umgesetzt.
3
Im Fall einer Aussetzung gemäß Art. 33 kann ein Vorschlag zur Alternativverwertung nach Absatz 3 nur durch den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens oder mit dessen Zustimmung erfolgen.
Artikel 35 Überschuss im Sekundärinsolvenzverfahren Können bei der Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens alle in diesem Verfahren festgestellten Forderungen befriedigt werden, so übergibt der in diesem Verfahren bestellte Verwalter den verbleibenden Überschuss unverzüglich dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens.
1706
Bornemann/Sabel/Schlegel
Nachträgliche Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens
Artikel 36 EuInsVO
Art. 35 stellt klar, dass im Falle der Erwirtschaftung eines Überschusses im Sekundärinsolvenzverfahren dieser nicht etwa an den Schuldner herauszugeben ist, sondern an den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens.
1
Ob ein Überschuss i. S. der Vorschrift tatsächlich erwirtschaftet wurde, ist nach der maßgebenden lex fori concursus des Sekundärverfahrens zu ermitteln. Dies bedeutet nach deutschem Recht, dass sämtliche Verfahrenskosten, sonstigen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen (inklusive der Nachrangforderungen gemäß § 39 InsO) in voller Höhe bedient werden konnten und danach noch liquide Mittel zur Verfügung stehen. Dies dürfte nicht häufig der Fall sein.1)
2
_____________ 1)
So zur Parallelvorschrift im autonomen IIR auch Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 358 Rz. 3.
Artikel 36 Nachträgliche Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens Wird ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet, nachdem in einem anderen Mitgliedstaat ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet worden ist, so gelten die Artikel 31 bis 35 für das zuerst eröffnete Insolvenzverfahren, soweit dies nach dem Stand dieses Verfahrens möglich ist. Nach Art. 3 Abs. 2 und 4 kann ein territorial beschränktes Insolvenzverfahren unter bestimmten Voraussetzungen auch dann eröffnet werden, wenn (noch) kein Hauptinsolvenzverfahren anhängig ist (Partikularinsolvenzverfahren, im Einzelnen Art. 3 Rz. 13). Demgegenüber ist jedes territorial beschränkte Insolvenzverfahren, das zeitlich nach einem Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wird, nach Art. 3 Abs. 3 ein Sekundärinsolvenzverfahren, für das besondere Regelungen gelten, die insbesondere dazu dienen, den Vorrang des Hauptverfahrens sicherzustellen.
1
Falls nun ein nach Art. 3 Abs. 1 zuständiges Gericht des Staates, in dem sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, ein Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem bereits ein nach Art. 3 Abs. 2 zuständiges Gericht ein unabhängiges Partikularverfahren eröffnet hat, so ist das am Ort des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen eröffnete Verfahren das Hauptverfahren, während das zuvor am Ort der Niederlassung als Partikularverfahren eröffnete Verfahren zwangsläufig als Sekundärverfahren anzusehen ist.1)
2
Dem trägt Art. 36 Rechnung, indem er die für das Sekundärverfahren geltenden Vorschriften über die Kooperations- und Unterrichtungspflichten der Verwalter (Art. 31), über die wechselseitige Forderungsanmeldung (Art. 32), über das Recht des Hauptinsolvenzverwalters auf Aussetzung der Verwertung (Art. 33), über Vorschlagsrechte und Zustimmungsvorbehalte bei der Beendigung des Sekundärverfahrens durch Plan oder Vergleich (Art. 34) sowie über die Verteilung eines Überschusses im Sekundärverfahren (Art. 35) für anwendbar erklärt, soweit dies nach
3
_____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 254.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1707
Nachträgliche Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens
Artikel 36 EuInsVO
Art. 35 stellt klar, dass im Falle der Erwirtschaftung eines Überschusses im Sekundärinsolvenzverfahren dieser nicht etwa an den Schuldner herauszugeben ist, sondern an den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens.
1
Ob ein Überschuss i. S. der Vorschrift tatsächlich erwirtschaftet wurde, ist nach der maßgebenden lex fori concursus des Sekundärverfahrens zu ermitteln. Dies bedeutet nach deutschem Recht, dass sämtliche Verfahrenskosten, sonstigen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen (inklusive der Nachrangforderungen gemäß § 39 InsO) in voller Höhe bedient werden konnten und danach noch liquide Mittel zur Verfügung stehen. Dies dürfte nicht häufig der Fall sein.1)
2
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So zur Parallelvorschrift im autonomen IIR auch Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, § 358 Rz. 3.
Artikel 36 Nachträgliche Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens Wird ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 eröffnet, nachdem in einem anderen Mitgliedstaat ein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet worden ist, so gelten die Artikel 31 bis 35 für das zuerst eröffnete Insolvenzverfahren, soweit dies nach dem Stand dieses Verfahrens möglich ist. Nach Art. 3 Abs. 2 und 4 kann ein territorial beschränktes Insolvenzverfahren unter bestimmten Voraussetzungen auch dann eröffnet werden, wenn (noch) kein Hauptinsolvenzverfahren anhängig ist (Partikularinsolvenzverfahren, im Einzelnen Art. 3 Rz. 13). Demgegenüber ist jedes territorial beschränkte Insolvenzverfahren, das zeitlich nach einem Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wird, nach Art. 3 Abs. 3 ein Sekundärinsolvenzverfahren, für das besondere Regelungen gelten, die insbesondere dazu dienen, den Vorrang des Hauptverfahrens sicherzustellen.
1
Falls nun ein nach Art. 3 Abs. 1 zuständiges Gericht des Staates, in dem sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, ein Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem bereits ein nach Art. 3 Abs. 2 zuständiges Gericht ein unabhängiges Partikularverfahren eröffnet hat, so ist das am Ort des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen eröffnete Verfahren das Hauptverfahren, während das zuvor am Ort der Niederlassung als Partikularverfahren eröffnete Verfahren zwangsläufig als Sekundärverfahren anzusehen ist.1)
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Dem trägt Art. 36 Rechnung, indem er die für das Sekundärverfahren geltenden Vorschriften über die Kooperations- und Unterrichtungspflichten der Verwalter (Art. 31), über die wechselseitige Forderungsanmeldung (Art. 32), über das Recht des Hauptinsolvenzverwalters auf Aussetzung der Verwertung (Art. 33), über Vorschlagsrechte und Zustimmungsvorbehalte bei der Beendigung des Sekundärverfahrens durch Plan oder Vergleich (Art. 34) sowie über die Verteilung eines Überschusses im Sekundärverfahren (Art. 35) für anwendbar erklärt, soweit dies nach
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_____________ 1)
Virgós/Schmit, Nr. 254.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1707
EuInsVO Artikel 37
Umwandlung des vorhergehenden Verfahrens
dem Stand des zuerst eröffneten Verfahrens möglich ist. Ausgeschlossen ist die Anwendung der Art. 31–35 danach nur, wenn das territorial beschränkte Verfahren bei Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens bereits so weit fortgeschritten ist, dass die Anwendung einzelner Vorschriften – etwa über die Forderungsanmeldung – nicht mehr möglich ist.
Artikel 37(1) Umwandlung des vorhergehenden Verfahrens Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens kann beantragen, dass ein in Anhang A genanntes Verfahren, das zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet wurde, in ein Liquidationsverfahren umgewandelt wird, wenn es sich erweist, dass diese Umwandlung im Interesse der Gläubiger des Hauptverfahrens liegt. Das nach Artikel 3 Absatz 2 zuständige Gericht ordnet die Umwandlung in eines der in Anhang B aufgeführten Verfahren an. (1) S. die Erklärung Portugals zur Anwendung der Artikel 26 und 37 (ABl. C 183/1 v. 30.6.2000).
1
Wie Art. 36 trägt auch Art. 37 dem Umstand Rechnung, dass ein als unabhängiges Partikularverfahren eröffnetes Insolvenzverfahren mit der nachfolgenden Eröffnung eines Hauptverfahrens automatisch die Stellung eines Sekundärverfahrens erlangt.
2
Für Sekundärverfahren regelt nun Art. 3 Abs. 3, dass diese Verfahren in Staaten, die zwischen Sanierungs- und Liquidationsverfahren unterscheiden, nur als Liquidationsverfahren i. S. des Anhangs B (Art. 2 Rz. 2) eröffnet werden dürfen, während die InsO die Differenzierung zwischen Liquidations- und Sanierungsverfahren nicht kennt. Hierin kommt das Verhältnis der Abhängigkeit des Sekundärverfahrens gegenüber dem Hauptverfahren zum Ausdruck; zudem wäre die Abstimmung zwischen einem Hauptverfahren und einem als Sanierungsverfahren betriebenen Sekundärverfahren kompliziert und daher technisch nur schwer zu verwirklichen.1)
3
Diese Gründe gelten grundsätzlich auch, wenn ein Hauptverfahren nachträglich eröffnet wird. In diesen Fällen erhält deshalb der Verwalter des Hauptverfahrens das Recht, die Umwandlung des Sanierungsverfahrens in ein Liquidationsverfahren zu beantragen. Das für das Sekundärverfahren zuständige Gericht muss auf seinen Antrag hin eine Umwandlung des Verfahrens allerdings nur dann anordnen, wenn der antragstellende Verwalter nachgewiesen hat, dass die Umwandlung im Interesse des Hauptverfahrens liegt.2) Stellt der Verwalter keinen Antrag, so wird das Sekundärverfahren – ausnahmsweise – als Sanierungsverfahren weitergeführt.
_____________ 1) 2)
Virgós/Schmit, Nr. 221. Virgós/Schmit, Nr. 258.
1708
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 37
Umwandlung des vorhergehenden Verfahrens
dem Stand des zuerst eröffneten Verfahrens möglich ist. Ausgeschlossen ist die Anwendung der Art. 31–35 danach nur, wenn das territorial beschränkte Verfahren bei Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens bereits so weit fortgeschritten ist, dass die Anwendung einzelner Vorschriften – etwa über die Forderungsanmeldung – nicht mehr möglich ist.
Artikel 37(1) Umwandlung des vorhergehenden Verfahrens Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens kann beantragen, dass ein in Anhang A genanntes Verfahren, das zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet wurde, in ein Liquidationsverfahren umgewandelt wird, wenn es sich erweist, dass diese Umwandlung im Interesse der Gläubiger des Hauptverfahrens liegt. Das nach Artikel 3 Absatz 2 zuständige Gericht ordnet die Umwandlung in eines der in Anhang B aufgeführten Verfahren an. (1) S. die Erklärung Portugals zur Anwendung der Artikel 26 und 37 (ABl. C 183/1 v. 30.6.2000).
1
Wie Art. 36 trägt auch Art. 37 dem Umstand Rechnung, dass ein als unabhängiges Partikularverfahren eröffnetes Insolvenzverfahren mit der nachfolgenden Eröffnung eines Hauptverfahrens automatisch die Stellung eines Sekundärverfahrens erlangt.
2
Für Sekundärverfahren regelt nun Art. 3 Abs. 3, dass diese Verfahren in Staaten, die zwischen Sanierungs- und Liquidationsverfahren unterscheiden, nur als Liquidationsverfahren i. S. des Anhangs B (Art. 2 Rz. 2) eröffnet werden dürfen, während die InsO die Differenzierung zwischen Liquidations- und Sanierungsverfahren nicht kennt. Hierin kommt das Verhältnis der Abhängigkeit des Sekundärverfahrens gegenüber dem Hauptverfahren zum Ausdruck; zudem wäre die Abstimmung zwischen einem Hauptverfahren und einem als Sanierungsverfahren betriebenen Sekundärverfahren kompliziert und daher technisch nur schwer zu verwirklichen.1)
3
Diese Gründe gelten grundsätzlich auch, wenn ein Hauptverfahren nachträglich eröffnet wird. In diesen Fällen erhält deshalb der Verwalter des Hauptverfahrens das Recht, die Umwandlung des Sanierungsverfahrens in ein Liquidationsverfahren zu beantragen. Das für das Sekundärverfahren zuständige Gericht muss auf seinen Antrag hin eine Umwandlung des Verfahrens allerdings nur dann anordnen, wenn der antragstellende Verwalter nachgewiesen hat, dass die Umwandlung im Interesse des Hauptverfahrens liegt.2) Stellt der Verwalter keinen Antrag, so wird das Sekundärverfahren – ausnahmsweise – als Sanierungsverfahren weitergeführt.
_____________ 1) 2)
Virgós/Schmit, Nr. 221. Virgós/Schmit, Nr. 258.
1708
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 39 EuInsVO
Recht auf Anmeldung von Forderungen
Artikel 38 Sicherungsmaßnahmen Bestellt das nach Artikel 3 Absatz 1 zuständige Gericht eines Mitgliedstaats zur Sicherung des Schuldnervermögens einen vorläufigen Verwalter, so ist dieser berechtigt, zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens, das sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, jede Maßnahme zu beantragen, die nach dem Recht dieses Staates für die Zeit zwischen dem Antrag auf Eröffnung eines Liquidationsverfahrens und dessen Eröffnung vorgesehen ist. Die Vorschrift kann grundsätzlich nur relevant werden, wenn der Mitgliedstaat des Hauptinsolvenzverfahrens ein Insolvenzeröffnungsverfahren überhaupt kennt. In diesem Fall soll es dem (vorläufigen) Hauptinsolvenzverwalter möglich sein, auch solches Schuldnervermögen zu sichern, das sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Er kann hierfür die Rechtsposition beanspruchen, die der Mitgliedstaat in seiner Rechtsordnung für solche Fälle vorsieht.
1
Der ausländische (vorläufige) Hauptinsolvenzverwalter kann daher in Deutschland alle in § 21 InsO vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen beantragen. Soweit die Bestellung des vorläufigen Verwalters im Ausland nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs1) bereits als Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzusehen ist, kann der ausländische Verwalter außerdem auch bereits die Eröffnung eines Sekundärverfahrens beantragen (Art. 29 Rz. 3).
2
Art. 38 wird ergänzt durch Art. 25 Abs. 1 Satz 4, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Sicherungsmaßnahmen konkretisiert. _____________
3
1)
EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484.
Kapitel IV Unterrichtung der Gläubiger und Anmeldung ihrer Forderungen Artikel 39 Recht auf Anmeldung von Forderungen Jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, einschließlich der Steuerbehörden und der Sozialversicherungsträger der Mitgliedstaaten, kann seine Forderungen in dem Insolvenzverfahren schriftlich anmelden. Die Vorschrift ist lediglich eine Ergänzung zu Art. 32. Sie bestimmt, dass die Anmeldung der Forderung schriftlich zu erfolgen hat. Der konkrete Inhalt einer Forderungsanmeldung leitet sich aus Art. 41 bzw. dem jeweiligen nationalen Recht her. Das Recht ausländischer Personen einschließlich staatlicher Behörden zur Teilnahme an dem Insolvenzverfahren eines anderen Staates wird ausdrücklich festgestellt. Bornemann/Sabel/Schlegel
1709
1
Artikel 39 EuInsVO
Recht auf Anmeldung von Forderungen
Artikel 38 Sicherungsmaßnahmen Bestellt das nach Artikel 3 Absatz 1 zuständige Gericht eines Mitgliedstaats zur Sicherung des Schuldnervermögens einen vorläufigen Verwalter, so ist dieser berechtigt, zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens, das sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, jede Maßnahme zu beantragen, die nach dem Recht dieses Staates für die Zeit zwischen dem Antrag auf Eröffnung eines Liquidationsverfahrens und dessen Eröffnung vorgesehen ist. Die Vorschrift kann grundsätzlich nur relevant werden, wenn der Mitgliedstaat des Hauptinsolvenzverfahrens ein Insolvenzeröffnungsverfahren überhaupt kennt. In diesem Fall soll es dem (vorläufigen) Hauptinsolvenzverwalter möglich sein, auch solches Schuldnervermögen zu sichern, das sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Er kann hierfür die Rechtsposition beanspruchen, die der Mitgliedstaat in seiner Rechtsordnung für solche Fälle vorsieht.
1
Der ausländische (vorläufige) Hauptinsolvenzverwalter kann daher in Deutschland alle in § 21 InsO vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen beantragen. Soweit die Bestellung des vorläufigen Verwalters im Ausland nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs1) bereits als Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzusehen ist, kann der ausländische Verwalter außerdem auch bereits die Eröffnung eines Sekundärverfahrens beantragen (Art. 29 Rz. 3).
2
Art. 38 wird ergänzt durch Art. 25 Abs. 1 Satz 4, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Sicherungsmaßnahmen konkretisiert. _____________
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1)
EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907 = ZInsO 2006, 484.
Kapitel IV Unterrichtung der Gläubiger und Anmeldung ihrer Forderungen Artikel 39 Recht auf Anmeldung von Forderungen Jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, einschließlich der Steuerbehörden und der Sozialversicherungsträger der Mitgliedstaaten, kann seine Forderungen in dem Insolvenzverfahren schriftlich anmelden. Die Vorschrift ist lediglich eine Ergänzung zu Art. 32. Sie bestimmt, dass die Anmeldung der Forderung schriftlich zu erfolgen hat. Der konkrete Inhalt einer Forderungsanmeldung leitet sich aus Art. 41 bzw. dem jeweiligen nationalen Recht her. Das Recht ausländischer Personen einschließlich staatlicher Behörden zur Teilnahme an dem Insolvenzverfahren eines anderen Staates wird ausdrücklich festgestellt. Bornemann/Sabel/Schlegel
1709
1
EuInsVO Artikel 40
Pflicht zur Unterrichtung der Gläubiger
Artikel 40 Pflicht zur Unterrichtung der Gläubiger (1) Sobald in einem Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, unterrichtet das zuständige Gericht dieses Staates oder der von diesem Gericht bestellte Verwalter unverzüglich die bekannten Gläubiger, die in den anderen Mitgliedstaaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz haben. (2) 1Die Unterrichtung erfolgt durch individuelle Übersendung eines Vermerks und gibt insbesondere an, welche Fristen einzuhalten sind, welches die Versäumnisfolgen sind, welche Stelle für die Entgegennahme der Anmeldungen zuständig ist und welche weiteren Maßnahmen vorgeschrieben sind. 2In dem Vermerk ist auch anzugeben, ob die bevorrechtigten oder dinglich gesicherten Gläubiger ihre Forderungen anmelden müssen.
Artikel 102 § 11 EGInsO Unterrichtung der Gläubiger 1
Neben dem Eröffnungsbeschluss ist den Gläubigern, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz haben, ein Hinweis zuzustellen, mit dem sie über die Folgen einer nachträglichen Forderungsanmeldung nach § 177 der Insolvenzordnung unterrichtet werden. 2§ 8 der Insolvenzordnung gilt entsprechend. 1
Die Vorschrift soll die umfassende Unterrichtung der Gläubiger sicherstellen, um diesen die Möglichkeit einer interessengerechten und effektiven Teilnahme am Verfahren zu eröffnen. Die Information der Gläubiger hat durch das Insolvenzgericht oder durch den bestellten Verwalter zu erfolgen.
2
In Deutschland wird die Unterrichtung der Gläubiger im Regelfall gemäß § 8 Abs. 3 InsO dem Verwalter übertragen, was nach Art. 102 § 11 Satz 2 EGInsO auch in internationalen Verfahren möglich ist. Für den notwendigen Inhalt der Unterrichtung gilt Absatz 2. Für die Form ist Art. 42 zu beachten.
3
Art. 102 § 11 EGInsO konkretisiert die Durchführung in Deutschland dahingehend, dass die Gläubiger im Hinblick auf die nachteiligen Kostenfolgen bei einer nachträglichen Forderungsanmeldung gemäß § 177 InsO über diese Folgen gesondert zu unterrichten sind. Ein diesen Anforderungen entsprechendes Formblatt kann im Internet abgerufen werden.1)
4
Da die Information der Gläubiger nach Absatz 2 „individuell“ zu erfolgen hat, kommen keine Veröffentlichungen in Printmedien oder im Internet in Betracht. Es hat vielmehr eine unmittelbare Zustellung an die Einzelgläubiger, im Regelfall auf dem Postwege, zu erfolgen. Da dies in der Regel einen hohen Zeit- und Kostenaufwand bedingt, sollte der europäische Gesetzgeber künftig regeln, dass die Information in einem gesonderten Internetportal ausreicht, wie dies in vielen Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene bereits Praxis ist. _____________ 1)
Formblatt abrufbar unter www.bmj.bund.de, „Themen – Rechtspflege – Insolvenzordnung“.
1710
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 42 EuInsVO
Sprachen
Artikel 41 Inhalt einer Forderungsanmeldung Der Gläubiger übersendet eine Kopie der gegebenenfalls vorhandenen Belege, teilt die Art, den Entstehungszeitpunkt und den Betrag der Forderung mit und gibt an, ob er für die Forderung ein Vorrecht, eine dingliche Sicherheit oder einen Eigentumsvorbehalt beansprucht und welche Vermögenswerte Gegenstand seiner Sicherheit sind. Der Inhalt der Forderungsanmeldung richtet sich gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. h grundsätzlich nach dem Recht des Eröffnungsstaates. Art. 41 normiert hiervon abweichend die Forderungsanmeldung für Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten. Die Regelung betrifft somit „ausländische“ Gläubiger, die ihren Wohnsitz außerhalb des Staates haben, in dem das Verfahren eröffnet wurde.1)
1
Die Forderungsanmeldung hat entsprechend der Vorgaben des Art. 41 so zu erfolgen, dass eine Prüfung und ggf. Feststellung im Verfahren erfolgen kann. Besonderheiten gegenüber dem deutschen Recht (vgl. § 174 InsO) bestehen nicht. _____________
2
1)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 41 EuInsVO Rz. 3; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma, EuInsVO, Art. 41 Rz. 1.
Artikel 42 Sprachen (1) 1Die Unterrichtung nach Artikel 40 erfolgt in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung. 2Hierfür ist ein Formblatt zu verwenden, das in sämtlichen Amtssprachen der Organe der Europäischen Union mit den Worten „Aufforderung zur Anmeldung einer Forderung. 3 Etwaige Fristen beachten!“ überschrieben ist. (2) 1Jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, kann seine Forderung auch in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen dieses anderen Staates anmelden. 2In diesem Fall muss die Anmeldung jedoch mindestens die Überschrift „Anmeldung einer Forderung“ in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung tragen. 3Vom Gläubiger kann eine Übersetzung der Anmeldung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung verlangt werden. Art 42 regelt, in welchen Sprachen innerhalb des Insolvenzverfahrens zu kommunizieren ist. Durch Absatz 1 soll sichergestellt werden, dass ausländische Gläubiger, auch wenn sie der verwandten Sprache nicht mächtig sind, erkennen können, dass es sich um eine Forderungsanmeldung, für die möglicherweise Fristen zu beachten sind, handelt.
1
Absatz 2 regelt, dass der anmeldende Gläubiger auch lediglich die Überschrift in der Amtssprache des Eröffnungsstaates formulieren muss, für den übrigen Text
2
Bornemann/Sabel/Schlegel
1711
Artikel 42 EuInsVO
Sprachen
Artikel 41 Inhalt einer Forderungsanmeldung Der Gläubiger übersendet eine Kopie der gegebenenfalls vorhandenen Belege, teilt die Art, den Entstehungszeitpunkt und den Betrag der Forderung mit und gibt an, ob er für die Forderung ein Vorrecht, eine dingliche Sicherheit oder einen Eigentumsvorbehalt beansprucht und welche Vermögenswerte Gegenstand seiner Sicherheit sind. Der Inhalt der Forderungsanmeldung richtet sich gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. h grundsätzlich nach dem Recht des Eröffnungsstaates. Art. 41 normiert hiervon abweichend die Forderungsanmeldung für Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten. Die Regelung betrifft somit „ausländische“ Gläubiger, die ihren Wohnsitz außerhalb des Staates haben, in dem das Verfahren eröffnet wurde.1)
1
Die Forderungsanmeldung hat entsprechend der Vorgaben des Art. 41 so zu erfolgen, dass eine Prüfung und ggf. Feststellung im Verfahren erfolgen kann. Besonderheiten gegenüber dem deutschen Recht (vgl. § 174 InsO) bestehen nicht. _____________
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1)
Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 41 EuInsVO Rz. 3; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky-Duursma, EuInsVO, Art. 41 Rz. 1.
Artikel 42 Sprachen (1) 1Die Unterrichtung nach Artikel 40 erfolgt in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung. 2Hierfür ist ein Formblatt zu verwenden, das in sämtlichen Amtssprachen der Organe der Europäischen Union mit den Worten „Aufforderung zur Anmeldung einer Forderung. 3 Etwaige Fristen beachten!“ überschrieben ist. (2) 1Jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, kann seine Forderung auch in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen dieses anderen Staates anmelden. 2In diesem Fall muss die Anmeldung jedoch mindestens die Überschrift „Anmeldung einer Forderung“ in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung tragen. 3Vom Gläubiger kann eine Übersetzung der Anmeldung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Staates der Verfahrenseröffnung verlangt werden. Art 42 regelt, in welchen Sprachen innerhalb des Insolvenzverfahrens zu kommunizieren ist. Durch Absatz 1 soll sichergestellt werden, dass ausländische Gläubiger, auch wenn sie der verwandten Sprache nicht mächtig sind, erkennen können, dass es sich um eine Forderungsanmeldung, für die möglicherweise Fristen zu beachten sind, handelt.
1
Absatz 2 regelt, dass der anmeldende Gläubiger auch lediglich die Überschrift in der Amtssprache des Eröffnungsstaates formulieren muss, für den übrigen Text
2
Bornemann/Sabel/Schlegel
1711
EuInsVO Artikel 43
Zeitlicher Geltungsbereich
aber durchaus seine Landessprache verwenden kann. In diesem Fall wird er ggf. später durch den Insolvenzverwalter aufgefordert, Übersetzungen nachzureichen. 3
Das in Deutschland verwendete Formblatt zur Information der Gläubiger ist im Internet abrufbar.1) Dort sind die Formblätter über das Erfordernis des Art. 42 hinaus in vollständiger Übersetzung in allen Landessprachen der EU verfügbar. Gleichwohl hat stets auch die Übersendung in deutscher Sprache als der Amtssprache des Eröffnungsstaates zu erfolgen. _____________ 1)
Formblatt abrufbar unter www.bmj.bund.de, „Themen – Rechtspflege – Insolvenzordnung“.
Kapitel V Übergangs- und Schlussbestimmungen Artikel 43 Zeitlicher Geltungsbereich 1
Diese Verordnung ist nur auf solche Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten eröffnet worden sind. 2Für Rechtshandlungen des Schuldners vor Inkrafttreten dieser Verordnung gilt weiterhin das Recht, das für diese Rechtshandlungen anwendbar war, als sie vorgenommen wurden. 1
Nach Art. 43 findet die EuInsVO nur Anwendung, wenn die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach ihrem Inkrafttreten am 31.5.2002 getroffen wurde. Entscheidend ist nach der maßgebenden Definition in Art. 2 Buchst. f der Zeitpunkt, in dem die Eröffnungsentscheidung wirksam wird; auf den Zeitpunkt des Eröffnungsantrags kommt es nicht an.1)
2
Als Eröffnungsentscheidung gilt nach den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen2) jede Entscheidung, durch die ein Verwalter bestellt und das Vermögen des Schuldners mit Beschlag belegt wird, sodass auch die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung, die diesen Anforderungen genügt, hierunter fällt. War eine solche Entscheidung vor dem 31.5.2002 getroffen worden, so kann die spätere „endgültige“ Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht auf Grundlage der EuInsVO erfolgen. In diesen Fällen ist auch die spätere Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auf Grundlage der EuInsVO ausgeschlossen.3)
3
Dagegen stellt die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse keine Eröffnung des Insolvenzverfahrens dar, sodass die EuInsVO zur Anwendung gelangt, wenn ein Insolvenzantrag vor ihrem Inkrafttreten abgewiesen, der Abweisungsbeschluss aber erst nach ihrem Inkrafttreten im Beschwerdeweg aufgehoben wird.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
EuGH, Urt. v. 17.1.2006 – Rs. C-1/04, ZIP 2006, 188, m. Anm. Knof/Mock, S. 189 = ZVI 2006, 108, dazu EWiR 2006, 141 (Vogl). EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907, m. Anm. Knof/Mock = ZInsO 2006, 484; vgl. dazu Art. 3 Rz. 8 und Art. 16 Rz. 2. A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 43 EuInsVO Rz. 1. So im Fall BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 418/02, ZIP 2006, 529 = ZVI 2006, 205.
1712
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 43
Zeitlicher Geltungsbereich
aber durchaus seine Landessprache verwenden kann. In diesem Fall wird er ggf. später durch den Insolvenzverwalter aufgefordert, Übersetzungen nachzureichen. 3
Das in Deutschland verwendete Formblatt zur Information der Gläubiger ist im Internet abrufbar.1) Dort sind die Formblätter über das Erfordernis des Art. 42 hinaus in vollständiger Übersetzung in allen Landessprachen der EU verfügbar. Gleichwohl hat stets auch die Übersendung in deutscher Sprache als der Amtssprache des Eröffnungsstaates zu erfolgen. _____________ 1)
Formblatt abrufbar unter www.bmj.bund.de, „Themen – Rechtspflege – Insolvenzordnung“.
Kapitel V Übergangs- und Schlussbestimmungen Artikel 43 Zeitlicher Geltungsbereich 1
Diese Verordnung ist nur auf solche Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten eröffnet worden sind. 2Für Rechtshandlungen des Schuldners vor Inkrafttreten dieser Verordnung gilt weiterhin das Recht, das für diese Rechtshandlungen anwendbar war, als sie vorgenommen wurden. 1
Nach Art. 43 findet die EuInsVO nur Anwendung, wenn die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach ihrem Inkrafttreten am 31.5.2002 getroffen wurde. Entscheidend ist nach der maßgebenden Definition in Art. 2 Buchst. f der Zeitpunkt, in dem die Eröffnungsentscheidung wirksam wird; auf den Zeitpunkt des Eröffnungsantrags kommt es nicht an.1)
2
Als Eröffnungsentscheidung gilt nach den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen2) jede Entscheidung, durch die ein Verwalter bestellt und das Vermögen des Schuldners mit Beschlag belegt wird, sodass auch die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung, die diesen Anforderungen genügt, hierunter fällt. War eine solche Entscheidung vor dem 31.5.2002 getroffen worden, so kann die spätere „endgültige“ Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht auf Grundlage der EuInsVO erfolgen. In diesen Fällen ist auch die spätere Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auf Grundlage der EuInsVO ausgeschlossen.3)
3
Dagegen stellt die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse keine Eröffnung des Insolvenzverfahrens dar, sodass die EuInsVO zur Anwendung gelangt, wenn ein Insolvenzantrag vor ihrem Inkrafttreten abgewiesen, der Abweisungsbeschluss aber erst nach ihrem Inkrafttreten im Beschwerdeweg aufgehoben wird.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
EuGH, Urt. v. 17.1.2006 – Rs. C-1/04, ZIP 2006, 188, m. Anm. Knof/Mock, S. 189 = ZVI 2006, 108, dazu EWiR 2006, 141 (Vogl). EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – Rs. C-341/04 (Parmalat/Eurofood), ZIP 2006, 907, m. Anm. Knof/Mock = ZInsO 2006, 484; vgl. dazu Art. 3 Rz. 8 und Art. 16 Rz. 2. A. Schmidt-Undritz, InsO, Art. 43 EuInsVO Rz. 1. So im Fall BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 418/02, ZIP 2006, 529 = ZVI 2006, 205.
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 44 EuInsVO
Verhältnis zu Übereinkünften
Artikel 44 Verhältnis zu Übereinkünften (1) Nach ihrem Inkrafttreten ersetzt diese Verordnung in ihrem sachlichen Anwendungsbereich hinsichtlich der Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander die zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte, insbesondere a) das am 8. Juli 1899 in Paris unterzeichnete belgisch-französische Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden; b) das am 16. Juli 1969 in Brüssel unterzeichnete belgisch-österreichische Abkommen über Konkurs, Ausgleich und Zahlungsaufschub (mit Zusatzprotokoll vom 13. Juni 1973); c) das am 28. März 1925 in Brüssel unterzeichnete belgisch-niederländische Abkommen über die Zuständigkeit der Gerichte, den Konkurs sowie die Anerkennung und die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden; d) den am 25. Mai 1979 in Wien unterzeichneten deutsch-österreichischen Vertrag auf dem Gebiet des Konkurs- und Vergleichs-(Ausgleichs-)rechts; e) das am 27. Februar 1979 in Wien unterzeichnete französisch-österreichische Abkommen über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet des Insolvenzrechts; f)
das am 3. Juni 1930 in Rom unterzeichnete französisch-italienische Abkommen über die Vollstreckung gerichtlicher Urteile in Zivil- und Handelssachen;
g) das am 12. Juli 1977 in Rom unterzeichnete italienisch-österreichische Abkommen über Konkurs und Ausgleich; h) den am 30. August 1962 in Den Haag unterzeichneten deutsch-niederländischen Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen; i)
das am 2. Mai 1934 in Brüssel unterzeichnete britisch-belgische Abkommen zur gegenseitigen Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen mit Protokoll;
j)
das am 7. November 1993 in Kopenhagen zwischen Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und Irland geschlossene Konkursübereinkommen;
k) das am 5. Juni 1990 in Istanbul unterzeichnete Europäische Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses. l)
das am 18. Juni 1959 in Athen unterzeichnete Abkommen zwischen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen; Bornemann/Sabel/Schlegel
1713
EuInsVO Artikel 44
Verhältnis zu Übereinkünften
m) das am 18. März 1960 in Belgrad unterzeichnete Abkommen zwischen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung von Schiedssprüchen und schiedsgerichtlichen Vergleichen in Handelssachen; n) das am 3. Dezember 1960 in Rom unterzeichnete Abkommen zwischen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und der Republik Italien über die gegenseitige justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen; o) das am 24. September 1971 in Belgrad unterzeichnete Abkommen zwischen der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und dem Königreich Belgien über die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen; p) das am 18. Mai 1971 in Paris unterzeichnete Abkommen zwischen den Regierungen Jugoslawiens und Frankreichs über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; q) das am 22. Oktober 1980 in Athen unterzeichnete Abkommen zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Hellenischen Republik über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen, der zwischen der Tschechischen Republik und Griechenland noch in Kraft ist; r) das am 23. April 1982 in Nikosia unterzeichnete Abkommen zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Republik Zypern über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen, der zwischen der Tschechischen Republik und Zypern noch in Kraft ist; s)
den am 10. Mai 1984 in Paris unterzeichneten Vertrag zwischen der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Regierung der Französischen Republik über die Rechtshilfe und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-, Familien- und Handelssachen, der zwischen der Tschechischen Republik und Frankreich noch in Kraft ist;
t)
den am 6. Dezember 1985 in Prag unterzeichneten Vertrag zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Republik Italien über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen, der zwischen der Tschechischen Republik und Italien noch in Kraft ist;
u) das am 11. November 1992 in Tallinn unterzeichnete Abkommen zwischen der Republik Lettland, der Republik Estland und der Republik Litauen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen; v) das am 27. November 1998 in Tallinn unterzeichnete Abkommen zwischen Estland und Polen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in Zivil-, Arbeitsund Strafsachen; w) das am 26. Januar 1993 in Warschau unterzeichnete Abkommen zwischen der Republik Litauen und der Republik Polen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in Zivil-, Familien-, Arbeits- und Strafsachen. x) das am 19. Oktober 1972 in Bukarest unterzeichnete Abkommen zwischen der Sozialistischen Republik Rumänien und der Hellenischen Republik über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen mit Protokoll; 1714
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 44 EuInsVO
Verhältnis zu Übereinkünften
y) das am 5. November 1974 in Paris unterzeichnete Abkommen zwischen der Sozialistischen Republik Rumänien und der Französischen Republik über die Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen; z) das am 10. April 1976 in Athen unterzeichnete Abkommen zwischen der Volksrepublik Bulgarien und der Hellenischen Republik über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen; aa) das am 29. April 1983 in Nikosia unterzeichnete Abkommen zwischen der Volksrepublik Bulgarien und der Republik Zypern über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen; ab) das am 18. Januar 1989 in Sofia unterzeichnete Abkommen zwischen der Volksrepublik Bulgarien und der Regierung der Französischen Republik über die gegenseitige Rechtshilfe in Zivilsachen; ac) den am 11. Juli 1994 in Bukarest unterzeichneten Vertrag zwischen Rumänien und der Tschechischen Republik über die Rechtshilfe in Zivilsachen; ad) den am 15. Mai 1999 in Bukarest unterzeichneten Vertrag zwischen Rumänien und Polen über die Rechtshilfe und die Rechtsbeziehungen in Zivilsachen. (2) Die in Absatz 1 aufgeführten Übereinkünfte behalten ihre Wirksamkeit hinsichtlich der Verfahren, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung eröffnet worden sind. (3) Diese Verordnung gilt nicht a) in einem Mitgliedstaat, soweit es in Konkurssachen mit den Verpflichtungen aus einer Übereinkunft unvereinbar ist, die dieser Staat mit einem oder mehreren Drittstaaten vor Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossen hat; b) im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, soweit es in Konkurssachen mit den Verpflichtungen aus Vereinbarungen, die im Rahmen des Commonwealth geschlossen wurden und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung wirksam sind, unvereinbar ist. Internationale Übereinkünfte werden durch die EuInsVO nur verdrängt, soweit diese zeitlich und sachlich anwendbar ist. Deshalb bleiben die in Art. 44 nicht abschließend aufgeführten Übereinkünfte nach Abs. 2 auf alle Verfahren anwendbar, die vor dem Inkrafttreten der EuInsVO eröffnet worden sind. Auch soweit die EuInsVO aufgrund der Bereichsausnahme für Kreditinstitute und Versicherungen (Art. 1 Rz. 10) sachlich nicht anwendbar ist, bliebe Raum für die Anwendung der einzelstaatlichen Abkommen, soweit diese nicht ihrerseits – wie etwa der deutschösterreichischen Konkurs- und Vergleichsvertrag (DöKV) in seinem Art. 26 – einen Ausschluss vorsehen.
1
Gelangt allerdings die EuInsVO nach ihrem zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich zur Anwendung, dann bleibt für eine ergänzende Anwendung einzel
2
Bornemann/Sabel/Schlegel
1715
EuInsVO Artikel 45
Änderung der Anhänge
staatlicher Übereinkünfte auch dann kein Raum, wenn diese weiter reichende Regelungen zu Fragen enthalten, die die EuInsVO nicht regelt.1) 3
Ein praktischer Anwendungsbereich für die Fortgeltung des DöKV besteht daher künftig ebenso wenig wie für den deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag, da beide Abkommen durch die EuInsVO verdrängt werden.2) Für die deutsche Rechtsanwendung unbeachtlich ist auch das Europäische Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses („Istanbuler Übereinkommen“), das nicht in Kraft getreten ist, weil es bislang nur von Zypern ratifiziert worden war und der Ratifizierungsprozess durch das Inkrafttreten der EuInsVO wohl endgültig zum Erliegen gekommen ist.
4
Im Einzelfall auch künftig noch von Bedeutung sein kann dagegen die Regelung in Absatz 3. Danach gilt die EuInsVO nicht, wenn sie mit einem zeitlich älteren Übereinkommen unvereinbar ist, das ein Mitgliedstaat mit einem Drittstaat geschlossen hat. Dies betrifft in Deutschland vor allem alte konkursrechtliche Abkommen deutscher Länder mit einzelnen schweizerischen Kantonen.3) _____________ 1)
2)
3)
Überzeugend Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, Anh. I nach § 358, Art. 44 EuInsVO Rz. 2; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 44 EuInsVO Rz. 2 ff; Stephan in: HK-InsO, Art. 44 EuInsVO Rz. 3 ff. Diese Gegenansicht würde zu einem unübersichtlichen Nebeneinander führen. Zudem müsste jeweils geprüft werden, ob die EuInsVO eine bewusste Regelungslücke enthält, und ob die Vorschriften des Übereinkommens im Einklang mit den übrigen Vorschriften der EuInsVO stehen. Folgerichtig wurde daher in Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts v. 14.3.2003, BGBl. I, 345, die Zuständigkeit des Rechtspflegers für Entscheidungen i. R. der DöKV mit der Begründung aufgehoben, dass für nach dem 31.5.2002 eröffnete grenzüberschreitende Insolvenzverfahren zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland nur noch die Verordnung heranzuziehen sei. Stephan in: HK-InsO, Art. 44 EuInsVO Rz. 8 m. w. N.
Artikel 45 Änderung der Anhänge Der Rat kann auf Initiative eines seiner Mitglieder oder auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit die Anhänge ändern. 1
Die Änderung der Anhänge ermöglicht eine Anpassung der EuInsVO an Änderungen des einzelstaatlichen Insolvenzrechts (Erwägungsgrund 31). Die Änderung der Anhänge wirkt konstitutiv. Ein neues Verfahren fällt erst dann unter den Anwendungsbereich der EuInsVO, wenn die Änderung in Kraft getreten ist.
2
Bei neuen Verfahrensarten, die in die Anhänge aufgenommen werden sollen, müssen dabei die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 und des Art. 2 erfüllt sein. Dies gilt etwa, soweit in Deutschland ein neues Entschuldungsverfahren an die Stelle des bisherigen Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens treten sollte. Die Anerkennung eines solchen Verfahrens innerhalb der EU setzt die Änderung der Anhänge voraus, die wiederum nur zulässig ist, wenn das Verbraucherentschuldungsverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren mit vollständi1716
Bornemann/Sabel/Schlegel
EuInsVO Artikel 45
Änderung der Anhänge
staatlicher Übereinkünfte auch dann kein Raum, wenn diese weiter reichende Regelungen zu Fragen enthalten, die die EuInsVO nicht regelt.1) 3
Ein praktischer Anwendungsbereich für die Fortgeltung des DöKV besteht daher künftig ebenso wenig wie für den deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag, da beide Abkommen durch die EuInsVO verdrängt werden.2) Für die deutsche Rechtsanwendung unbeachtlich ist auch das Europäische Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses („Istanbuler Übereinkommen“), das nicht in Kraft getreten ist, weil es bislang nur von Zypern ratifiziert worden war und der Ratifizierungsprozess durch das Inkrafttreten der EuInsVO wohl endgültig zum Erliegen gekommen ist.
4
Im Einzelfall auch künftig noch von Bedeutung sein kann dagegen die Regelung in Absatz 3. Danach gilt die EuInsVO nicht, wenn sie mit einem zeitlich älteren Übereinkommen unvereinbar ist, das ein Mitgliedstaat mit einem Drittstaat geschlossen hat. Dies betrifft in Deutschland vor allem alte konkursrechtliche Abkommen deutscher Länder mit einzelnen schweizerischen Kantonen.3) _____________ 1)
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Überzeugend Wimmer-Wenner/Schuster, FK-InsO, Anh. I nach § 358, Art. 44 EuInsVO Rz. 2; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Kemper, InsO, Art. 44 EuInsVO Rz. 2 ff; Stephan in: HK-InsO, Art. 44 EuInsVO Rz. 3 ff. Diese Gegenansicht würde zu einem unübersichtlichen Nebeneinander führen. Zudem müsste jeweils geprüft werden, ob die EuInsVO eine bewusste Regelungslücke enthält, und ob die Vorschriften des Übereinkommens im Einklang mit den übrigen Vorschriften der EuInsVO stehen. Folgerichtig wurde daher in Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts v. 14.3.2003, BGBl. I, 345, die Zuständigkeit des Rechtspflegers für Entscheidungen i. R. der DöKV mit der Begründung aufgehoben, dass für nach dem 31.5.2002 eröffnete grenzüberschreitende Insolvenzverfahren zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland nur noch die Verordnung heranzuziehen sei. Stephan in: HK-InsO, Art. 44 EuInsVO Rz. 8 m. w. N.
Artikel 45 Änderung der Anhänge Der Rat kann auf Initiative eines seiner Mitglieder oder auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit die Anhänge ändern. 1
Die Änderung der Anhänge ermöglicht eine Anpassung der EuInsVO an Änderungen des einzelstaatlichen Insolvenzrechts (Erwägungsgrund 31). Die Änderung der Anhänge wirkt konstitutiv. Ein neues Verfahren fällt erst dann unter den Anwendungsbereich der EuInsVO, wenn die Änderung in Kraft getreten ist.
2
Bei neuen Verfahrensarten, die in die Anhänge aufgenommen werden sollen, müssen dabei die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 und des Art. 2 erfüllt sein. Dies gilt etwa, soweit in Deutschland ein neues Entschuldungsverfahren an die Stelle des bisherigen Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens treten sollte. Die Anerkennung eines solchen Verfahrens innerhalb der EU setzt die Änderung der Anhänge voraus, die wiederum nur zulässig ist, wenn das Verbraucherentschuldungsverfahren als Gesamtvollstreckungsverfahren mit vollständi1716
Bornemann/Sabel/Schlegel
Artikel 46 EuInsVO
Änderung der Anhänge
gem oder teilweisem Vermögensbeschlag und der Bestellung eines Verwalters i. S. des Art. 1 ausgestaltet ist. Da durch die Änderung der Anhänge der Inhalt der EuInsVO unmittelbar geändert wird, hat jede Änderung der Anhänge ihrerseits durch Verordnung zu erfolgen. Erstmals wurden die Anhänge aus Anlass des EU-Beitritts der zehn neuen Mitgliedstaaten im Jahr 2005 vollständig neu gefasst und auch hinsichtlich der bisherigen Mitgliedstaaten teilweise geändert. Die (vorläufig) letzte Änderung erfolgte im Mai 2013 aus Anlass des Beitritts Kroatiens zur EU.
3
Artikel 46 Bericht 1
Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss bis zum 1. Juni 2012 und danach alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor. 2Der Bericht enthält gegebenenfalls einen Vorschlag zur Anpassung dieser Verordnung.
Literatur: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, External Evaluation of Regulation No. 1346/2000/ EC on Insolvency Proceedings (zit.: Heidelberg-Wien Report); Moss u. a., European Insolvency Regulation – Jurisdiction Issues, Tagungsbericht der Amsterdamer Konferenz v. 28.4.2011, IILR 2011, 237; Paulus, EuInsVO: Änderungen am Horizont und ihre Auswirkungen, NZI 2012, 297; Reinhart, Die Überarbeitung der EuInsVO, NZI 2012, 304.
Die Vorschrift sieht eine laufende Evaluierung der EuInsVO vor, die zunächst zehn Jahre nach ihrem Inkrafttreten, später alle fünf Jahre, auf der Grundlage eines Kommissionsberichts erfolgen und insbesondere Änderungen der EuInsVO vorbereiten soll.1) Ihrer Evaluierungspflicht ist die Kommission mit ihrem Bericht vom 12.12.2012 nachgekommen (näher Vorb. EuInsVO Rz. 19). Dieser basierte auf einer externen Studie, welche von den Universitäten Heidelberg und Wien erstellt wurde.2)
1
Sowohl die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs als auch nationaler Gerichte spiegeln die Hauptthemen wieder, die i. R. der EuInsVO von besonderer praktischer Bedeutung sind und hinsichtlich derer bei der Überarbeitung der EuInsVO in der Praxis Reform- oder Ergänzungsbedarf gesehen wird. Zu diesen Themen gehören insbesondere die Präzisierung des COMI i. S. des Art. 3 Abs. 1 und Fragen des Konzerninsolvenzrechts.
2
Eine Änderung der Anhänge kann nach Art. 45 unabhängig von den in Art. 46 genannten Fristen jederzeit erfolgen.
3
_____________ 1) 2)
Zu den Aktivitäten im Vorfeld der Berichtsvorlage vgl. Moss u. a., IILR, 2011, 237 ff; Paulus, NZI 2012, 297; Reinhart, NZI 2012, 304. S. hierzu auch Art. 1 Rz. 11. Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg-Wien Report.
Bornemann/Sabel/Schlegel
1717
Artikel 46 EuInsVO
Änderung der Anhänge
gem oder teilweisem Vermögensbeschlag und der Bestellung eines Verwalters i. S. des Art. 1 ausgestaltet ist. Da durch die Änderung der Anhänge der Inhalt der EuInsVO unmittelbar geändert wird, hat jede Änderung der Anhänge ihrerseits durch Verordnung zu erfolgen. Erstmals wurden die Anhänge aus Anlass des EU-Beitritts der zehn neuen Mitgliedstaaten im Jahr 2005 vollständig neu gefasst und auch hinsichtlich der bisherigen Mitgliedstaaten teilweise geändert. Die (vorläufig) letzte Änderung erfolgte im Mai 2013 aus Anlass des Beitritts Kroatiens zur EU.
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Artikel 46 Bericht 1
Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss bis zum 1. Juni 2012 und danach alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor. 2Der Bericht enthält gegebenenfalls einen Vorschlag zur Anpassung dieser Verordnung.
Literatur: Hess/Oberhammer/Pfeiffer, External Evaluation of Regulation No. 1346/2000/ EC on Insolvency Proceedings (zit.: Heidelberg-Wien Report); Moss u. a., European Insolvency Regulation – Jurisdiction Issues, Tagungsbericht der Amsterdamer Konferenz v. 28.4.2011, IILR 2011, 237; Paulus, EuInsVO: Änderungen am Horizont und ihre Auswirkungen, NZI 2012, 297; Reinhart, Die Überarbeitung der EuInsVO, NZI 2012, 304.
Die Vorschrift sieht eine laufende Evaluierung der EuInsVO vor, die zunächst zehn Jahre nach ihrem Inkrafttreten, später alle fünf Jahre, auf der Grundlage eines Kommissionsberichts erfolgen und insbesondere Änderungen der EuInsVO vorbereiten soll.1) Ihrer Evaluierungspflicht ist die Kommission mit ihrem Bericht vom 12.12.2012 nachgekommen (näher Vorb. EuInsVO Rz. 19). Dieser basierte auf einer externen Studie, welche von den Universitäten Heidelberg und Wien erstellt wurde.2)
1
Sowohl die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs als auch nationaler Gerichte spiegeln die Hauptthemen wieder, die i. R. der EuInsVO von besonderer praktischer Bedeutung sind und hinsichtlich derer bei der Überarbeitung der EuInsVO in der Praxis Reform- oder Ergänzungsbedarf gesehen wird. Zu diesen Themen gehören insbesondere die Präzisierung des COMI i. S. des Art. 3 Abs. 1 und Fragen des Konzerninsolvenzrechts.
2
Eine Änderung der Anhänge kann nach Art. 45 unabhängig von den in Art. 46 genannten Fristen jederzeit erfolgen.
3
_____________ 1) 2)
Zu den Aktivitäten im Vorfeld der Berichtsvorlage vgl. Moss u. a., IILR, 2011, 237 ff; Paulus, NZI 2012, 297; Reinhart, NZI 2012, 304. S. hierzu auch Art. 1 Rz. 11. Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Heidelberg-Wien Report.
Bornemann/Sabel/Schlegel
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EuInsVO Artikel 47
Inkrafttreten
Artikel 47 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 31. Mai 2002 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. 1
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten und die unmittelbare Geltung der EuInsVO (zum zeitlichen Geltungsbereich vgl. Art. 43 Rz. 1–3).
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Bornemann/Sabel/Schlegel
Erwägungsgründe der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren
(1) Die Europäische Union hat sich die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt.
Maß verwirklicht werden, so dass eine Maßnahme auf Gemeinschaftsebene gerechtfertigt ist.
(6) Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte sich diese Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Darüber hinaus sollte diese Verordnung Vorschriften hinsichtlich der Anerkennung solcher (3) Die Geschäftstätigkeit von UnterEntscheidungen und hinsichtlich des nehmen greift mehr und mehr über die anwendbaren Rechts, die ebenfalls einzelstaatlichen Grenzen hinaus und diesem Grundsatz genügen, enthalten. unterliegt damit in zunehmendem Maß den Vorschriften des Gemein(7) Konkurse, Vergleiche und ähnliche schaftsrechts. Da die Insolvenz solcher Verfahren sind vom AnwendungsbeUnternehmen auch nachteilige Ausreich des Brüsseler Übereinkommens wirkungen auf das ordnungsgemäße von 1968 über die gerichtliche ZuFunktionieren des Binnenmarktes hat, ständigkeit und die Vollstreckung bedarf es eines gemeinschaftlichen gerichtlicher Entscheidungen in ZiRechtsakts, der eine Koordinierung vil- und Handelssachen in der durch der Maßnahmen in Bezug auf das die Beitrittsübereinkommen zu dieVermögen eines zahlungsunfähigen sem Übereinkommen geänderten Schuldners vorschreibt. Fassung ausgenommen. (2) Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes sind effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren erforderlich; die Annahme dieser Verordnung ist zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich, das in den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne des Artikels 65 des Vertrags fällt.
(4) Im Interesse eines ordnungsgemäßen (8) Zur Verwirklichung des Ziels einer Funktionierens des Binnenmarktes Verbesserung der Effizienz und muss verhindert werden, dass es für die Wirksamkeit der Insolvenzverfahren Parteien vorteilhafter ist, Vermögensmit grenzüberschreitender Wirkung gegenstände oder Rechtsstreitigkeiten ist es notwendig und angemessen, die von einem Mitgliedstaat in einen andeBestimmungen über den Gerichtsren zu verlagern, um auf diese Weise stand, die Anerkennung und das aneine verbesserte Rechtsstellung anzuwendbare Recht in diesem Bereich in streben (sog. „forum shopping“). einem gemeinschaftlichen Rechtsakt zu bündeln, der in den Mitgliedstaaten (5) Diese Ziele können auf einzelstaatverbindlich ist und unmittelbar gilt. licher Ebene nicht in hinreichendem 1719
EuInsVO
Erwägungsgründe
(9) Diese Verordnung sollte für alle Insol- (11) Diese Verordnung geht von der Tatvenzverfahren gelten, unabhängig dasache aus, dass aufgrund der großen von, ob es sich beim Schuldner um Unterschiede im materiellen Recht eine natürliche oder juristische Person, ein einziges Insolvenzverfahren mit einen Kaufmann oder eine Privatperuniversaler Geltung für die gesamte son handelt. Die Insolvenzverfahren, Gemeinschaft nicht realisierbar ist. auf die diese Verordnung AnwenDie ausnahmslose Anwendung des dung findet, sind in den Anhängen Rechts des Staates der Verfahrensaufgeführt. Insolvenzverfahren über eröffnung würde vor diesem Hinterdas Vermögen von Versicherungsungrund häufig zu Schwierigkeiten fühternehmen, Kreditinstituten und Wertren. Dies gilt etwa für die in der Gepapierfirmen, die Gelder oder Wertmeinschaft sehr unterschiedlich auspapiere Dritter halten, sowie von Orgeprägten Sicherungsrechte. Aber ganismen für gemeinsame Anlagen auch die Vorrechte einzelner Gläubisollten vom Geltungsbereich dieser ger im Insolvenzverfahren sind teilVerordnung ausgenommen sein. weise völlig verschieden ausgestaltet. Diese Unternehmen sollten von dieDiese Verordnung sollte dem auf ser Verordnung nicht erfasst werden, zweierlei Weise Rechnung tragen: da für sie besondere Vorschriften Zum einen sollten Sonderanknüpgelten und die nationalen Aufsichtsfungen für besonders bedeutsame behörden teilweise sehr weitgehende Rechte und Rechtsverhältnisse vorEingriffsbefugnisse haben. gesehen werden (z. B. dingliche Rechte und Arbeitsverträge). Zum (10) Insolvenzverfahren sind nicht anderen sollten neben einem Hauptzwingend mit dem Eingreifen eines insolvenzverfahren mit universaler Gerichts verbunden. Der Ausdruck Geltung auch innerstaatliche Ver„Gericht“ in dieser Verordnung sollte fahren zugelassen werden, die ledigdaher weit ausgelegt werden und jelich das im Eröffnungsstaat belegene de Person oder Stelle bezeichnen, die Vermögen erfassen. nach einzelstaatlichem Recht befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröff- (12) Diese Verordnung gestattet die nen. Damit diese Verordnung AnEröffnung des Hauptinsolvenzverwendung findet, muss es sich aber um fahrens in dem Mitgliedstaat, in dem ein Verfahren (mit den entsprechenden der Schuldner den Mittelpunkt seiner Rechtshandlungen und Formalitäten) hauptsächlichen Interessen hat. Diehandeln, das nicht nur im Einklang ses Verfahren hat universale Geltung mit dieser Verordnung steht, sondern mit dem Ziel, das gesamte Vermögen auch in dem Mitgliedstaat der Eröffdes Schuldners zu erfassen. Zum nung des Insolvenzverfahrens offiSchutz der unterschiedlichen Interesziell anerkannt und rechtsgültig ist, sen gestattet diese Verordnung die wobei es sich ferner um ein GesamtEröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren handeln muss, das den verfahren parallel zum Hauptinsolvollständigen oder teilweisen Vervenzverfahren. Ein Sekundärinsolmögensbeschlag gegen den Schuldvenzverfahren kann in dem Mitgliedner sowie die Bestellung eines Verstaat eröffnet werden, in dem der walters zur Folge hat. Schuldner eine Niederlassung hat. Seine Wirkungen sind auf das in dem 1720
Erwägungsgründe
betreffenden Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. Zwingende Vorschriften für die Koordinierung mit dem Hauptinsolvenzverfahren tragen dem Gebot der Einheitlichkeit des Verfahrens in der Gemeinschaft Rechnung.
EuInsVO Hauptinsolvenzverfahrens bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter in den Mitgliedstaaten, in denen sich eine Niederlassung des Schuldners befindet, die nach dem Recht dieser Mitgliedstaaten möglichen Sicherungsmaßnahmen beantragen können.
(13) Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen sollte der Ort gelten, an dem (17) Das Recht, vor der Eröffnung des der Schuldner gewöhnlich der VerHauptinsolvenzverfahrens die Eröffwaltung seiner Interessen nachgeht nung eines Insolvenzverfahrens in dem und damit für Dritte feststellbar ist. Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, zu beantragen, (14) Diese Verordnung gilt nur für Versollte nur einheimischen Gläubigern fahren, bei denen der Mittelpunkt der oder Gläubigern der einheimischen hauptsächlichen Interessen des SchuldNiederlassung zustehen beziehungsners in der Gemeinschaft liegt. weise auf Fälle beschränkt sein, in (15) Die Zuständigkeitsvorschriften dieser denen das Recht des Mitgliedstaats, in Verordnung legen nur die internatiodem der Schuldner den Mittelpunkt nale Zuständigkeit fest, das heisst, sie seiner hauptsächlichen Interessen hat, geben den Mitgliedstaat an, dessen die Eröffnung eines HauptinsolvenzGerichte Insolvenzverfahren eröffnen verfahrens nicht zulässt. Der Grund dürfen. Die innerstaatliche Zuständigfür diese Beschränkung ist, dass die keit des betreffenden Mitgliedstaats Fälle, in denen die Eröffnung eines muss nach dem Recht des betreffenden Partikularverfahrens vor dem HauptStaates bestimmt werden. insolvenzverfahren beantragt wird, auf (16) Das für die Eröffnung des Hauptindas unumgängliche Maß beschränkt solvenzverfahrens zuständige Gericht werden sollen. Nach der Eröffnung sollte zur Anordnung einstweiliger des Hauptinsolvenzverfahrens wird Sicherungsmaßnahmen ab dem Zeitdas Partikularverfahren zum Sekundärpunkt des Antrags auf Verfahrensverfahren. eröffnung befugt sein. Sicherungs(18) Das Recht, nach der Eröffnung des maßnahmen sowohl vor als auch Hauptinsolvenzverfahrens die Ernach Beginn des Insolvenzverfahrens öffnung eines Insolvenzverfahrens in sind zur Gewährleistung der Wirkdem Mitgliedstaat, in dem der Schuldsamkeit des Insolvenzverfahrens von ner eine Niederlassung hat, zu beangroßer Bedeutung. Diese Verordnung tragen, wird durch diese Verordnung sollte hierfür verschiedene Möglichnicht beschränkt. Der Verwalter des keiten vorsehen. Zum einen sollte Hauptverfahrens oder jede andere, das für das Hauptinsolvenzverfahren nach dem Recht des betreffenden zuständige Gericht vorläufige SicheMitgliedstaats dazu befugte Person rungsmaßnahmen auch über Versollte die Eröffnung eines Sekundärmögensgegenstände anordnen könverfahrens beantragen können. nen, die im Hoheitsgebiet anderer (19) Ein Sekundärinsolvenzverfahren Mitgliedstaaten belegen sind. Zum kann neben dem Schutz der inländianderen sollte ein vor Eröffnung des 1721
EuInsVO schen Interessen auch anderen Zwecken dienen. Dies kann der Fall sein, wenn das Vermögen des Schuldners zu verschachtelt ist, um als Ganzes verwaltet zu werden, oder weil die Unterschiede in den betroffenen Rechtssystemen so groß sind, dass sich Schwierigkeiten ergeben können, wenn das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung seine Wirkung in den anderen Staaten, in denen Vermögensgegenstände belegen sind, entfaltet. Aus diesem Grund kann der Verwalter des Hauptverfahrens die Eröffnung eines Sekundärverfahrens beantragen, wenn dies für die effiziente Verwaltung der Masse erforderlich ist. (22) (20) Hauptinsolvenzverfahren und Sekundärinsolvenzverfahren können jedoch nur dann zu einer effizienten Verwertung der Insolvenzmasse beitragen, wenn die parallel anhängigen Verfahren koordiniert werden. Wesentliche Voraussetzung ist hierzu eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Verwalter, die insbesondere einen hinreichenden Informationsaustausch beinhalten muss. Um die dominierende Rolle des Hauptinsolvenzverfahrens sicherzustellen, sollten dem Verwalter dieses Verfahrens mehrere Einwirkungsmöglichkeiten auf gleichzeitig anhängige Sekundärinsolvenzverfahren gegeben werden. Er sollte etwa einen Sanierungsplan oder Vergleich vorschlagen oder die Aussetzung der Verwertung der Masse im Sekundärinsolvenzverfahren beantragen können. (21) Jeder Gläubiger, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in der Gemeinschaft hat, sollte das Recht haben, seine Forderungen
1722
Erwägungsgründe
in jedem in der Gemeinschaft anhängigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anzumelden. Dies sollte auch für Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger gelten. Im Interesse der Gläubigergleichbehandlung muss jedoch die Verteilung des Erlöses koordiniert werden. Jeder Gläubiger sollte zwar behalten dürfen, was er im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erhalten hat, sollte aber an der Verteilung der Masse in einem anderen Verfahren erst dann teilnehmen können, wenn die Gläubiger gleichen Rangs die gleiche Quote auf ihre Forderung erlangt haben. In dieser Verordnung sollte die unmittelbare Anerkennung von Entscheidungen über die Eröffnung, die Abwicklung und die Beendigung der in ihren Geltungsbereich fallenden Insolvenzverfahren sowie von Entscheidungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Insolvenzverfahren ergehen, vorgesehen werden. Die automatische Anerkennung sollte somit zur Folge haben, dass die Wirkungen, die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, auf alle übrigen Mitgliedstaaten ausgedehnt werden. Die Anerkennung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten sollte sich auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens stützen. Die zulässigen Gründe für eine Nichtanerkennung sollten daher auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt sein. Nach diesem Grundsatz sollte auch der Konflikt gelöst werden, wenn sich die Gerichte zweier Mitgliedstaaten für zuständig halten, ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen. Die Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts sollte in den an-
Erwägungsgründe
deren Mitgliedstaaten anerkannt werden; diese sollten die Entscheidung dieses Gerichts keiner Überprüfung unterziehen dürfen. (23) Diese Verordnung sollte für den Insolvenzbereich einheitliche Kollisionsnormen formulieren, die die Vorschriften des internationalen Privatrechts der einzelnen Staaten ersetzen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sollte das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex concursus) Anwendung finden. Diese Kollisionsnorm sollte für Hauptinsolvenzverfahren und Partikularverfahren gleichermaßen gelten. Die lex concursus regelt alle verfahrensrechtlichen wie materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsverhältnisse; nach ihr bestimmen sich alle Voraussetzungen für die Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Insolvenzverfahrens.
EuInsVO sich deshalb regelmäßig nach dem Recht des Belegenheitsorts bestimmen und von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werden. Der Inhaber des dinglichen Rechts sollte somit sein Recht zur Aus- bzw. Absonderung an dem Sicherungsgegenstand weiter geltend machen können. Falls an Vermögensgegenständen in einem Mitgliedstaat dingliche Rechte nach dem Recht des Belegenheitsstaats bestehen, das Hauptinsolvenzverfahren aber in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet, sollte der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in dem Zuständigkeitsgebiet, in dem die dinglichen Rechte bestehen, beantragen können, sofern der Schuldner dort eine Niederlassung hat. Wird kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so ist der überschießende Erlös aus der Veräußerung der Vermögensgegenstände, an denen dingliche Rechte bestanden, an den Verwalter des Hauptverfahrens abzuführen.
(24) Die automatische Anerkennung eines Insolvenzverfahrens, auf das regelmäßig das Recht des Eröffnungs(26) Ist nach dem Recht des Eröffnungsstaats Anwendung findet, kann mit staats eine Aufrechnung nicht zuden Vorschriften anderer Mitgliedlässig, so sollte ein Gläubiger gleichstaaten für die Vornahme von Rechtswohl zur Aufrechnung berechtigt handlungen kollidieren. Um in den sein, wenn diese nach dem für die anderen Mitgliedstaaten als dem Forderung des insolventen SchuldStaat der Verfahrenseröffnung Verners maßgeblichen Recht möglich trauensschutz und Rechtssicherheit ist. Auf diese Weise würde die Aufzu gewährleisten, sollten eine Reihe rechnung eine Art Garantiefunktion von Ausnahmen von der allgemeinen aufgrund von Rechtsvorschriften erVorschrift vorgesehen werden. halten, auf die sich der betreffende (25) Ein besonderes Bedürfnis für eine Gläubiger zum Zeitpunkt der Entstevom Recht des Eröffnungsstaats abhung der Forderung verlassen kann. weichende Sonderanknüpfung be(27) Ein besonderes Schutzbedürfnis steht bei dinglichen Rechten, da diese besteht auch bei Zahlungssystemen für die Gewährung von Krediten von und Finanzmärkten. Dies gilt etwa erheblicher Bedeutung sind. Die Befür die in diesen Systemen anzutrefgründung, Gültigkeit und Tragweite fenden Glattstellungsverträge und eines solchen dinglichen Rechts sollten
1723
EuInsVO
Erwägungsgründe
Nettingvereinbarungen sowie für die (29) Im Interesse des Geschäftsverkehrs Veräußerung von Wertpapieren und sollte auf Antrag des Verwalters der die zur Absicherung dieser Transakwesentliche Inhalt der Entscheidung tionen gestellten Sicherheiten, wie über die Verfahrenseröffnung in den dies insbesondere in der Richtlinie anderen Mitgliedstaaten bekannt ge98/26/EG des Europäischen Parlamacht werden. Befindet sich in dem ments und des Rates vom 19. Mai betreffenden Mitgliedstaat eine Nie1998 über die Wirksamkeit von Abderlassung, so kann eine obligatorechnungen in Zahlungs- sowie rische Bekanntmachung vorgeschrieWertpapierliefer- und -abrechnungsben werden. In beiden Fällen sollte systemen geregelt ist. Für diese Transdie Bekanntmachung jedoch nicht aktionen soll deshalb allein das Recht Voraussetzung für die Anerkennung maßgebend sein, das auf das betrefdes ausländischen Verfahrens sein. fende System bzw. den betreffenden (30) Es kann der Fall eintreten, dass Markt anwendbar ist. Mit dieser Voreinige der betroffenen Personen tatschrift soll verhindert werden, dass im sächlich keine Kenntnis von der VerFall der Insolvenz eines Geschäftsfahrenseröffnung haben und gutgläupartners die in Zahlungs- oder Aufbig im Widerspruch zu der neuen rechnungssystemen oder auf den geSachlage handeln. Zum Schutz solregelten Finanzmärkten der Mitcher Personen, die in Unkenntnis der gliedstaaten vorgesehenen Mechaausländischen Verfahrenseröffnung nismen zur Zahlung und Abwicklung eine Zahlung an den Schuldner leisvon Transaktionen geändert werden ten, obwohl diese an sich an den auskönnen. Die Richtlinie 98/26/EG entländischen Verwalter hätte geleistet hält Sondervorschriften, die den allwerden müssen, sollte eine schuldbegemeinen Regelungen dieser Verfreiende Wirkung der Leistung bzw. ordnung vorgehen sollten. Zahlung vorgesehen werden. (28) Zum Schutz der Arbeitnehmer und (31) Diese Verordnung sollte Anhänge der Arbeitsverhältnisse müssen die enthalten, die sich auf die OrganiWirkungen der Insolvenzverfahren sation der Insolvenzverfahren bezieauf die Fortsetzung oder Beendigung hen. Da diese Anhänge sich ausvon Arbeitsverhältnissen sowie auf schließlich auf das Recht der Mitdie Rechte und Pflichten aller an einem gliedstaaten beziehen, sprechen spesolchen Arbeitsverhältnis beteiligten zifische und begründete Umstände Parteien durch das gemäß den allgedafür, dass der Rat sich das Recht meinen Kollisionsnormen für den vorbehält, diese Anhänge zu ändern, Vertrag maßgebliche Recht bestimmt um etwaigen Änderungen des innerwerden. Sonstige insolvenzrechtliche staatlichen Rechts der MitgliedstaaFragen, wie etwa, ob die Forderungen ten Rechnung tragen zu können. der Arbeitnehmer durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang die- (32) Entsprechend Artikel 3 des Protokolls über die Position des Vereinigses Vorrecht gegebenenfalls erhalten ten Königreichs und Irlands, das dem soll, sollten sich nach dem Recht des Vertrag über die Europäische Union Eröffnungsstaats bestimmen. und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beige1724
Erwägungsgründe
fügt ist, haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (33) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks, das dem Vertrag über die
EuInsVO Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die diesen Mitgliedstaat somit nicht bindet und auf ihn keine Anwendung findet.
1725
Anh. EuInsVO
Anhang A
Anhang A
Insolvenzverfahren nach Artikel 2 Buchstabe a
BELGIË/BELGIQUE
ǼȁȁǹȈ
–
Het faillissement/La faillite
–
Ǿ ʌIJȫȤİȣıȘ
–
De gerechtelijke reorganisatie door een collectief akkoord/La réorganisation judiciaire par accord collectif
–
Ǿ İȚįIJțȒ İțțĮșȐȡȚıȘ
–
Ǿ ʌȡȠıȦȡȚȞȒ įȚĮȤİȓȡȚıȘ İIJĮȚȡİȓĮȢ. Ǿ įȚȠȓțȘıȘ țĮȚ įȚĮȤİȓȡȚıȘ IJȦȞ ʌȚıIJȦIJȫȞ Ǿ ȣʌĮȖȦȖȒ İʌȚȤİȓȡȘıȘȢ ȣʌȩ İʌȓIJȡȠʌȠ μİ ıțȠʌȩ IJȘ ıȪȞĮȥȘ ıȣμȕȚȕĮıμȠȪ μİ IJȠȣȢ ʌȚıIJȦIJȑȢ
–
De gerechtelijke reorganisatie door overdracht onder gerechtelijk gezag/ La réorganisation judiciaire par transfert sous autorité de justice
–
–
De collectieve schuldenregeling/ Le règlement collectif de dettes
ESPAÑA
–
De vrijwillige vereffening/ La liquidation volontaire
FRANCE
–
De gerechtelijke vereffening/ La liquidation judiciaire
– –
Sauvegarde Redressement judiciaire
–
De voorlopige ontneming van beheer, bepaald in artikel 8 van de faillissementswet/Le dessaisissement provisoire, visé à l’article 8 de la loi sur les faillites
–
Liquidation judiciaire
ȻɔɅȽȺɊɂə –
ɉɪɨɢɡɜɨɞɫɬɜɨ ɩɨ ɧɟɫɴɫɬɨɹɬɟɥɧɨɫɬ
–
HRVATSKA –
Konkurs
–
Reorganizace
–
Oddlužení
DEUTSCHLAND –
Das Konkursverfahren
–
Das gerichtliche Vergleichsverfahren
–
Das Gesamtvollstreckungsverfahren
–
Das Insolvenzverfahren
Steþajni postupak
IRELAND –
Compulsory winding-up by the court
– –
Bankruptcy The administration in bankruptcy of the estate of persons dying insolvent
–
Winding-up in bankruptcy of partnerships
–
Creditors’ voluntary winding-up (with the confirmation of a court)
–
Arrangements under the control of the court which involve the vesting of all or part of the property of the debtor in the Official Assignee for realisation and distribution
–
Company examinership
ýESKÁ REPUBLIKA –
Concurso
EESTI
ITAzLIA
–
–
Pankrotimenetlus
Fallimento 1727
Anh. EuInsVO
Anhang A
–
Concordato preventivo
MALTA
–
Liquidazione coatta amministrativa
–
Xoljiment
–
Amministrazione straordinaria
– –
Amministrazzjoni Stralƛ volontarju mill-membri jew mill-kredituri
ȊʌȠȤȡİȦIJȚțȒ İțțĮșȐȡȚıȘ Įʌȩ IJȠ ǻȚțĮıIJȒȡȚȠ
–
Stralƛ mill-Qorti
–
ǼțȠȪıȚĮ İțțĮșȐȡȚıȘ Įʌȩ ʌȚıIJȦIJȑȢ țĮIJȩʌȚȞ ǻȚțĮıIJȚțȠȪ ǻȚĮIJȐȖμĮIJȠȢ
–
Falliment f’kaĪ ta’ negozjant
NEDERLAND
–
ǼțȠȪıȚĮ İțțĮșȐȡȚıȘ Įʌȩ μȑȜȘ
–
ǼțțĮșȐȡȚıȘ μİ IJȘȞ İʌȠʌIJİȓĮ IJȠȣ ǻȚțĮıIJȘȡȓȠȣ
– –
Het faillissement De surséance van betaling
–
De schuldsaneringsregeling natuurlijke personen
ȀȊȆȇȅȈ –
–
ȆIJȫȤİȣıȘ țĮIJȩʌȚȞ ǻȚțĮıIJȚțȠȪ ǻȚĮIJȐȖμĮIJȠȢ
–
ǻȚĮȤİȓȡȚıȘ IJȘȢ ʌİȡȚȠȣıȓĮȢ ʌȡȠıȫʌȦȞ ʌȠȣ ĮʌİȕȓȦıĮȞ ĮijİȡȑȖȖȣĮ
ÖSTERREICH –
Das Konkursverfahren (Insolvenzverfahren)
–
Das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (Insolvenzverfahren)
–
Das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (Insolvenzverfahren)
– –
Das Schuldenregulierungsverfahren Das Abschöpfungsverfahren
–
Das Ausgleichsverfahren
LATVIJA –
TiesiskƗs aizsardzƯbas process
–
JuridiskƗs personas maksƗtnespƝjas process
–
FiziskƗs personas maksƗtnespƝjas process
LIETUVA –
Ʋmonơs restruktnjrizavimo byla
–
Ʋmonơs bankroto byla
–
Ʋmonơs bankroto procesas ne teismo tvarka
LUXEMBOURG –
Faillite
–
Gestion contrôlée
–
Concordat préventif de faillite (par abandon d’actif)
–
Régime spécial de liquidation du notariat
POLSKA –
PostĊpowanie upadáoĞciowe
–
PostĊpowanie ukáadowe
–
UpadáoĞü obejmująca likwidacjĊ
–
UpadáoĞü z moĪliwoĞcią zawarcia ukáadu
PORTUGAL – –
Processo de insolvência Processo de falência
–
Processos especiais de recuperação de empresa, ou seja:
MAGYARORSZÁG
– –
Concordata Reconstituição empresarial
–
CsĘdeljárás
–
Reestruturação financeira
–
Felszámolási eljárás
–
Gestão controlada
1728
Anh. EuInsVO
Anhang A
ROMÂNIA
SVERIGE
–
Procedura insolvenĠei
–
Konkurs
–
Reorganizarea judiciară
–
Företagsrekonstruktion
–
Procedura falimentului
UNITED KINGDOM
SLOVENIJA –
Steþajni postopek
–
Skrajšani steþajni postopek
–
Postopek prisilne poravnave
–
Prisilna poravnava v steþaju
SLOVENSKO –
Konkurzné konanie
–
Reštrukturalizaþné konanie
–
Winding-up by or subject to the supervision of the court
–
Creditors’ voluntary winding-up (with confirmation by the court)
–
Administration, including appointments made by filing prescribed documents with the court Voluntary arrangements under insolvency legislation Bankruptcy or sequestration
– –
SUOMI/FINLAND –
Konkurssi/konkurs
–
Yrityssaneeraus/företagssanering
1729
Anh. EuInsVO
Anhang B
Anhang B
Liquidationsverfahren nach Artikel 2 Buchstabe c
BELGIË/BELGIQUE –
Het faillissement/La faillite
– –
–
De vrijwillige vereffening/ La liquidation volontaire
–
–
De gerechtelijke vereffening/ La liquidation judiciaire
–
–
De gerechtelijke reorganisatie door overdracht onder gerechtelijk gezag/ La réorganisation judiciaire par transfert sous autorité de justice
Creditors’ voluntary winding-up (with the confirmation of a court)
–
Arrangements under the control of the court which involve the vesting of all or part of the property of the debtor in the Official Assignee for realisation and distribution
ȻɔɅȽȺɊɂə –
ɉɪɨɢɡɜɨɞɫɬɜɨ ɩɨ ɧɟɫɴɫɬɨɹɬɟɥɧɨɫɬ
Bankruptcy The administration in bankruptcy of the estate of persons dying insolvent Winding-up in bankruptcy of partnerships
ITALIA
ýESKÁ REPUBLIKA
–
Fallimento
–
–
Concordato preventivo con cessione dei beni
–
Liquidazione coatta amministrativa
–
Amministrazione straordinaria con programma di cessione dei complessi aziendali
–
Amministrazione straordinaria con programma di ristrutturazione di cui sia parte integrante un concordato con cessione die beni
Konkurs
DEUTSCHLAND –
Das Konkursverfahren
–
Das Gesamtvollstreckungsverfahren
–
Das Insolvenzverfahren
EESTI –
Pankrotimenetlus
ǼȁȁǹȈ –
Ǿ ʌIJȫȤİȣıȘ
ȀȊȆȇȅȈ
–
Ǿ İȚįIJțȒ İțțĮșȐȡȚıȘ
–
ȊʌȠȤȡİȦIJȚțȒ İțțĮșȐȡȚıȘ Įʌȩ IJȠ ǻȚțĮıIJȒȡȚȠ
– –
ǼțțĮșȐȡȚıȘ μİ IJȘȞ İʌȠʌIJİȓĮ IJȠȣ ǻȚțĮıIJȘȡȓȠȣ ǼțȠȪıȚĮ İțțĮșȐȡȚıȘ Įʌȩ ʌȚıIJȦIJȑȢ (μİ IJȘȞ İʌȚțȪȡȦıȘ IJȠȣ ǻȚțĮıIJȘȡȓȠȣ)
–
ȆIJȫȤİȣıȘ
–
ǻȚĮȤİȓȡȚıȘ IJȘȢ ʌİȡȚȠȣıȓĮȢ ʌȡȠıȫʌȦȞ ʌȠȣ ĮʌİȕȓȦıĮȞ ĮijİȡȑȖȖȣĮ
ESPAÑA –
Concurso
FRANCE –
Liquidation judiciaire
HRVATSKA –
Steþajni postupak
IRELAND –
Compulsory winding-up
1731
Anh. EuInsVO LATVIJA – –
Anhang B
POLSKA
JuridiskƗs personas maksƗtnespƝjas process
–
PostĊpowanie upadáoĞciowe
–
UpadáoĞü obejmująca likwidacjĊ
FiziskƗs personas maksƗtnespƝjas process
PORTUGAL
LIETUVA –
Ʋmonơs bankroto byla
–
Ʋmonơs bankroto procesas ne teismo tvarka
–
Processo de insolvência
–
Processo de falência
ROMÂNIA –
Procedura falimentului
LUXEMBOURG
SLOVENIJA
–
Faillite
–
Steþajni postopek
–
Régime spécial de liquidation du notariat
–
Skrajšani steþajni postopek
MAGYARORSZÁG –
Felszámolási eljárás
MALTA –
Stralƛ volontarju
–
Stralƛ mill-Qorti
–
Falliment inkluĪ il-ƫruƥ ta’ mandat ta’ qbid mill-Kuratur f’kaĪ ta’ negozjant fallut
NEDERLAND –
Het faillissement
–
De schuldsaneringsregeling natuurlijke personen
ÖSTERREICH –
Das Konkursverfahren (Insolvenzverfahren)
1732
SLOVENSKO –
Konkurzné konanie
SUOMI/FINLAND –
Konkurssi/konkurs
SVERIGE –
Konkurs
UNITED KINGDOM –
Winding-up by or subject to the supervision of the court
–
Winding-up through administration, including appointments made by filing prescribed documents with the court
–
Creditors’ voluntary winding-up (with confirmation by the court)
–
Bankruptcy or sequestration
Anh. EuInsVO
Anhang C
Anhang C
Verwalter nach Artikel 2 Buchstabe b
BELGIË/BELGIQUE
–
Treuhänder
–
De curator/Le curateur
–
Vorläufiger Insolvenzverwalter
–
De gedelegeerd rechter/ Le juge-délégué
EESTI –
Pankrotihaldur
–
De gerechtsmandataris/ Le mandataire de justice
–
Ajutine pankrotihaldur
–
Usaldusisik
–
De schuldbemiddelaar/ Le médiateur de dettes
–
De vereffenaar/Le liquidateur
–
ȅ ıȪȞįȚțȠȢ
–
De voorlopige bewindvoerder/ L’administrateur provisoire
–
ȅ ʌȡȠıȦȡȚȞȩȢ įȚĮȤİȚȡȚıIJȒȢ. Ǿ įȚȠȚțȠȪıĮ İʌȚIJȡȠʌȒ IJȦȞ ʌȚıIJȦIJȫȞ
ȻɔɅȽȺɊɂə –
ɇɚɡɧɚɱɟɧ ɩɪɟɞɜɚɪɢɬɟɥɧɨ ɜɪɟɦɟɧɟɧ ɫɢɧɞɢɤ
–
ȼɪɟɦɟɧɟɧ ɫɢɧɞɢɤ
–
(ɉɨɫɬɨɹɧɟɧ) ɫɢɧɞɢɤ
–
ɋɥɭɠɟɛɟɧ ɫɢɧɞɢɤ
ýESKÁ REPUBLIKA –
Insolvenþní správce
–
PĜedbČžný insolvenþní správce
–
OddČlený insolvenþní správce
–
Zvláštní insolvenþní správce
–
Zástupce insolvenþního správce
DEUTSCHLAND
ǼȁȁǹȈ
–
ȅ İȚįȚțȩȢ İțțĮșĮȡȚıIJȒȢ
–
ȅ İʌȓIJȡȠʌȠȢ
ESPAÑA –
Administradores concursales
FRANCE –
Mandataire judiciaire
–
Liquidateur
–
Administrateur judiciaire
–
Commissaire à l’exécution du plan
HRVATSKA –
Steþajni upravitelj
–
Privremeni steþajni upravitelj
–
Steþajni povjerenik
–
Povjerenik
–
Konkursverwalter
–
Vergleichsverwalter
–
Sachwalter (nach der Vergleichsordnung)
–
Liquidator
–
Verwalter
–
Official Assignee
–
Insolvenzverwalter
–
Trustee in bankruptcy
Sachwalter (nach der Insolvenzordnung)
–
Provisional Liquidator
–
Examiner
–
IRELAND
1733
Anh. EuInsVO
Anhang C
ITALIA
NEDERLAND
–
Curatore
–
De curator in het faillissement
–
Commissario giudiziale
–
–
Commissario straordinario
De bewindvoerder in de surséance van betaling
–
Commissario liquidatore
–
–
Liquidatore giudiziale
De bewindvoerder in de schuldsaneringsregeling natuurlijke personen
ȀȊȆȇȅȈ
ÖSTERREICH –
Masseverwalter
– –
Sanierungsverwalter Ausgleichsverwalter
– –
Besonderer Verwalter Einstweiliger Verwalter
LATVIJA
– –
Sachwalter Treuhänder
–
–
Insolvenzgericht
–
Konkursgericht
–
ǼțțĮșĮȡȚıIJȒȢ țĮȚ ȆȡȠıȦȡȚȞȩȢ ǼțțĮșĮȡȚıIJȒȢ
–
ǼʌȓıȘμȠȢ ȆĮȡĮȜȒʌIJȘȢ
–
ǻȚĮȤİȚȡȚıIJȒȢ IJȘȢ ȆIJȫȤİȣıȘȢ
–
ǼȟİIJĮıIJȒȢ
MaksƗtnespƝjas procesa administrators
LIETUVA
POLSKA
–
Bankrutuojanþiǐ Ƴmoniǐ administratorius
–
–
Restruktnjrizuojamǐ Ƴmoniǐ administratorius
–
Nadzorca sądowy
–
Zarządca
Syndyk
LUXEMBOURG
PORTUGAL
–
Le curateur
–
Administrador da insolvência
–
Le commissaire
–
Gestor judicial
–
Le liquidateur
–
Liquidatário judicial
Le conseil de gérance de la section d’assainissement du notariat
–
Comissão de credores
–
ROMÂNIA
MAGYARORSZÁG
–
Practician în insolvenĠă
–
VagyonfelügyelĘ
–
Administrator judiciar
–
Felszámoló
–
Lichidator
MALTA
SLOVENIJA
–
Amministratur ProviĪorju
–
Upravitelj prisilne poravnave
–
Riƛevitur Uffiƛjali
–
Steþajni upravitelj
–
Stralƛjarju
–
Sodišþe, pristojno za postopek prisilne poravnave
–
Sodišþe, pristojno za steþajni postopek
–
Manager Speƛjali
–
Kuraturi f’kaĪ ta‘ proƛeduri ta‘ falliment
1734
Anh. EuInsVO
Anhang C
SLOVENSKO
UNITED KINGDOM
–
Predbežný správca
–
Liquidator
–
Správca
–
Supervisor of a voluntary arrangement
–
Administrator
–
Official Receiver
–
Trustee
SUOMI/FINLAND –
Pesänhoitaja/boförvaltare
–
Selvittäjä/utredare
SVERIGE –
Förvaltare
–
Rekonstruktör
–
Provisional Liquidator
–
Judicial factor
1735
Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) vom 19. August 1998, BGBl. I, 2205, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 15. Juli 2013, BGBl. I, 2379
Erster Abschnitt Vergütung des Insolvenzverwalters §1 Berechnungsgrundlage (1) 1Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. 2Wird das Verfahren nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben oder durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist die Vergütung nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen. (2) Die maßgebliche Masse ist im Einzelnen wie folgt zu bestimmen: 1.
1 Massegegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind, werden berücksichtigt, wenn sie durch den Verwalter verwertet werden. 2Der Mehrbetrag der Vergütung, der auf diese Gegenstände entfällt, darf jedoch 50 vom Hundert des Betrages nicht übersteigen, der für die Kosten ihrer Feststellung in die Masse geflossen ist. 3Im Übrigen werden die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände nur insoweit berücksichtigt, als aus ihnen der Masse ein Überschuss zusteht.
2.
Werden Aus- und Absonderungsrechte abgefunden, so wird die aus der Masse hierfür gewährte Leistung vom Sachwert der Gegenstände abgezogen, auf die sich diese Rechte erstreckten.
3.
Steht einer Forderung eine Gegenforderung gegenüber, so wird lediglich der Überschuss berücksichtigt, der sich bei einer Verrechnung ergibt.
4.
1
Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt. 2Es gelten jedoch folgende Ausnahmen: a) Beträge, die der Verwalter nach § 5 als Vergütung für den Einsatz besonderer Sachkunde erhält, werden abgezogen. b) Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt.
5.
Ein Vorschuss, der von einer anderen Person als dem Schuldner zur Durchführung des Verfahrens geleistet worden ist, und ein Zuschuss, den ein Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans geleistet hat, bleiben außer Betracht.
Kalkmann
1737
InsVV § 1
Berechnungsgrundlage
Literatur: Grote/Pape, Das Ende der Diskussion? Die wichtigsten Neuregelungen zur Restschuldbefreiung, ZInsO 2013, 1433. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Zeitpunkt der Bestimmung der Masse ............................................... 4 1. Aufhebung des Verfahrens (§ 200 InsO) .......................................... 8 2. Einstellung des Verfahrens ................. 16 a) Masseinsuffizienz (§§ 207, 208 ff InsO) ................... 17 b) Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) ................................. 19 c) Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) ......... 20 III. Einzelne Bewertungsmaßstäbe (Abs. 2) ................................................ 21 1. Behandlung von Absonderungsrechten (Nr. 1) .................................... 22
I.
a) Verwertung durch den Verwalter ...................................... 23 b) Verwertung durch Gläubiger ....... 33 2. Abfindung von Aus- und Absonderungsrechten (Nr. 2) ............ 35 3. Aufrechnung (Nr. 3) ........................... 38 4. Kosten – Masseverbindlichkeiten (Nr. 4) .................................................. 39 a) Einsatz besonderer Sachkunde (Nr. 4 Buchst. a) .......................... 41 b) Fortführung des Unternehmens (Nr. 4 Buchst. b) .......... 42 5. Vorschüsse ........................................... 46 IV. Vorzeitige Beendigung des Amtes des Verwalters ..................................... 47
Vorbemerkung
1
Grundlage jeder Vergütungsberechnung ist der Wert der Insolvenzmasse. Sie stellt einen wesentlichen Parameter für die zu vergütende Tätigkeit des Insolvenzverwalters dar: je größer die Insolvenzmasse desto höher die Vergütung. Grundsätzlich ist die Vergütung von der konkreten Tätigkeit des Insolvenzverwalters abhängig. Ähnlich anderen Vergütungsregelungen, z. B. des RVG, leitet sich von einer großen Masse ein höherer Aufwand und eine größere Verantwortung, d. h. ggf. Haftung, des Verwalters ab.
2
Unangemessen hohe Vergütungen sollen nach dem Willen des Verordnungsgebers vermieden werden. Realisiert wird dies zum einen bei der Bestimmung der vergütungsrelevanten Masse durch die Anwendung des Überschussprinzips bei Vermögenswerten, die mit Absonderungsrechten belastet sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 2) oder denen Gegenforderungen gegenüberstehen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3), sowie beim Ergebnis einer Betriebsfortführung (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b). Zum anderen bietet die Degression der Regelvergütung (§ 2 Abs. 1) sowie die Anwendung von Minderungstatbeständen (§ 3 Abs. 2) eine weitere Möglichkeit, unangemessene Vergütungen zu vermeiden.
3
Uneingeschränkt gelten die Regelungen des § 1 nur für den Insolvenzverwalter und den Sachwalter (§ 12). § 1 bildet Regeln für die Bestimmung der Insolvenzmasse ausgehend von einer verwertenden Tätigkeit des Insolvenzverwalters. Findet keine Verwertung statt, kommt es nicht auf einen möglichen Erlös, sondern auf die Verwaltung der Masse an. Deutlich wird die unterschiedliche Ausrichtung im Aufgabenbereich des vorläufigen Insolvenzverwalters. Er hat in erster Linie das Vermögen des Schuldners zu erhalten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 InsO). Seine Tätigkeit ist durch die Verwaltung der Masse geprägt. Dementsprechend ist Grundlage seiner Vergütung die verwaltete Insolvenzmasse.
1738
Kalkmann
§ 1 InsVV
Berechnungsgrundlage
II. Zeitpunkt der Bestimmung der Masse Absatz 1 legt den Zeitpunkt, zu dem die Bestimmung der vergütungsrelevanten Masse zu erfolgen hat, mit dem der Schlussrechnungslegung fest. Dies ist nach § 66 Abs. 1 InsO das Ende des Amtes, da der Insolvenzverwalter zu diesem Zeitpunkt seine Verwertungstätigkeit beendet hat.
4
Im Allgemeinen dient die Schlussrechnung der Vorbereitung der Beendigung des jeweiligen Verfahrensabschnitts, erfolgt also deutlich vor dem eigentlichen Ende des Amtes. Das Amt des Insolvenzverwalters endet tatsächlich erst mit der Aufhebung des Verfahrens nach Vollzug der Schlussverteilung bzw. mit der Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§ 207 InsO), nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff InsO), wegen Wegfall des Eröffnungsgrundes oder mit Zustimmung der Gläubiger (§ 214 InsO). Gleiches gilt für den Sachwalter. Zu berücksichtigen sind außerdem die Fälle, in denen der Insolvenzverwalter vorzeitig aus dem Amt ausscheidet.
5
Das Amt des vorläufigen Verwalters endet mit der Eröffnung des Verfahrens (§ 27 Abs. 1 InsO) oder mit der Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen. Für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist eine gesonderte Rechnungslegung zu erstellen, insbesondere wenn ein Betrieb fortgeführt wurde.1) Die Insolvenzmasse ist jedoch nicht als Bestand zum Stichtag der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung zu ermitteln, vielmehr sind Vermögensschwankungen im Verlauf der vorläufigen Verwaltung bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 InsO).
6
Das Amt des Treuhänders nach § 292 InsO endet mit Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 300 InsO) oder durch Versagung der Restschuldbefreiung (§ 299 InsO). Auch hier erfolgt eine Rechnungslegung (§ 292 Abs. 3 Satz 1 InsO).
7
1.
Aufhebung des Verfahrens (§ 200 InsO)
Ist die Verwertung der Insolvenzmasse beendet, leitet der Insolvenzverwalter durch Einreichung der Schlussrechnung bei dem Insolvenzgericht die Schlussverteilung ein. Mit der Zustimmung zur Schlussverteilung bestimmt das Insolvenzgericht den Schlusstermin (§ 197 Abs. 1 Satz 1 InsO), in dem u. a. die Gläubiger zur Schlussrechnung des Verwalters zu hören sind. Zwischen Vorlage der Schlussrechnung und dem Schlusstermin können durchaus mehrere Monate liegen.
8
Dieser Zeitraum wirkt sich grundsätzlich nicht wesentlich auf die der Vergütungsberechnung zugrunde liegende Masse aus, da die Verwertungsmaßnahmen abgeschlossen sind. Bezieht der Schuldner jedoch laufendes Einkommen oder wird das schuldnerische Unternehmen fortgeführt, findet die daraus resultierende Massemehrung unmittelbar keine Berücksichtigung. Dem Insolvenzverwalter obliegt aber die Verpflichtung, jedwede Masse, die seinem Amt unterliegt, gegenüber dem Insolvenzgericht und gegenüber den Gläubigern i. R. einer Rechnungslegung darzustellen. Er sollte in der abschließenden Gläubigerversammlung daher auch über die zwischen Einreichung und Erörterung der Schlussrechnung eingehenden Werte
9
_____________ 1)
BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 47/10, ZInsO 2011, 1519.
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InsVV § 1
Berechnungsgrundlage
Rechnung legen. Da sein Amt faktisch erst mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet, ist er weiterhin zur Verwertung verpflichtet. 10
Es ist zulässig, zum Schlusstermin einen ergänzenden, auf der erhöhten Masse basierenden Vergütungsantrag zu stellen, wenn sich die Masse zwischen Einreichung der Schlussrechnung und Schlusstermin erhöht hat.2)
11
Massezuflüsse, die sich gesichert nach Einreichung der Schlussrechnung noch ergeben werden, wie z. B. der Anspruch auf Vorsteuererstattung auf die Verwaltervergütung, müssen bereits vor dem tatsächlichen Zahlungseingang i. R. des Vergütungsantrags in die Bemessungsgrundlage der Verwaltervergütung einbezogen werden; eine nachträgliche Geltendmachung ist ausgeschlossen.3) Das setzt allerdings voraus, dass sie bei Einreichung der Schlussrechnung schon bezifferbar sind.
12
Erhöht sich die Masse nach dem Schlusstermin, ist zu differenzieren: Handelt es sich um Massezuflüsse zwischen Schlusstermin und Vollzug der Schlussverteilung, erhöhen die nachträglichen Einnahmen die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters. Eine ergänzende Festsetzung ist zulässig, wenn die Massezuflüsse nicht bereits bei der Vergütungsfestsetzung absehbar waren.4) Einnahmen aus der Zeit nach Vollzug der Schlussverteilung führen zu einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 InsO, diese wird nach § 6 Abs. 1 besonders vergütet.
13
Da die InsVV die Vergütung durchgehend – beginnend mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters bis zur Aufhebung des Verfahrens einschließlich möglicher Nachtragsverteilungen – regelt, ist eine vergütungsfreie zeitliche Lücke systemfremd.
14
Wird das Verfahren nach Annahme eines Insolvenzplans aufgehoben, ist umstritten, ob eine Schlussrechnungslegung gegenüber der Gläubigerversammlung zu erfolgen hat. Regelmäßig wird im Insolvenzplan ein Verzicht der Gläubiger auf eine abschließende Rechnungslegung vereinbart, um eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses durch eine u. U. langwierige Rechnungsprüfung zu vermeiden. Absehbar ist das Ende des Amtes aber in jedem Fall erst, wenn dem Insolvenzplan zugestimmt worden ist (§§ 235 ff InsO). In die Vergütungsberechnung müssen die Werte Eingang finden, auf die sich der Insolvenzplan bezieht, d. h. insbesondere Fortführungswerte, wenn der Plan die Fortführung vorsieht.5)
15
Bei der Erstellung des Plans sind alle Masseansprüche zu berücksichtigen, denn sie müssen durch den Verwalter vor Aufhebung berichtigt werden (§ 258 Abs. 2 InsO). Die Vergütungsansprüche des Verwalters müssen im Plan hinreichend berücksichtigt werden. Dies erfolgt zumeist durch eine Rückstellung i. H. der zu erwartenden Vergütungsansprüche, da diese erst nach der Planbestätigung durch das Insolvenzgericht festgesetzt werden. Der Verwalter hat hierzu seine Vergütungsansprüche zunächst zu beziffern und ist insoweit an seine Aussagen gebunden, da er ansonsten die Planerfüllung durch nachträgliche Erhöhung seiner Vergütungsansprüche verhindern könnte. _____________ 2) 3) 4) 5)
BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZB 12/11, ZIP 2011, 2115, dazu EWiR 2011, 785 (Kalkmann). BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 147/06, ZIP 2008, 81 = ZVI 2008, 88. BGH, Beschl. v. 19.12.2013 – IX ZB 9/12, ZIP 2014, 334, dazu EWiR 2014, 183 (Zimmer). Kübler/Prütting/Bork-Eickmann/Prasser, InsO, § 1 InsVV Rz. 12.
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Kalkmann
§ 1 InsVV
Berechnungsgrundlage
2.
Einstellung des Verfahrens
Wird das Verfahren eingestellt, ist ebenfalls Schlussrechnung zu legen. Das Amt des Verwalters endet auch hier mit der rechtskräftigen Einstellung. Die vergütungsrelevante Masse ist auf den Zeitpunkt der Beendigung zu schätzen. Nicht verwertete Massegegenstände sind mit ihrem voraussichtlichen Verwertungserlös bzw. im Falle einer Belastung mit einem Absonderungsrecht mit dem voraussichtlichen Übererlös zu berücksichtigen, es sei denn, die Gegenstände wären auch ohne die vorzeitige Beendigung des Verfahrens nicht verwertet worden.6)
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a) Masseinsuffizienz (§§ 207, 208 ff InsO) Ist das Verfahren massearm, reicht die Masse nicht zur Deckung der Verfahrenskosten nach § 54 InsO aus (§ 207 Abs. 1 InsO). Das Verfahren wird daher schnellstmöglich eingestellt. Der Einstellung geht u. a. die Feststellung der Massearmut durch den Verwalter oder das Insolvenzgericht voraus. Bereits zu diesem Zeitpunkt wird die Masse festgestellt. Weitere Maßnahmen, mit Ausnahme der Verteilung der vorhandenen Masse vor Einstellung, werden dem Verwalter nicht abverlangt. Letztlich ist die Schlussrechnung, die die Massearmut feststellt, Grundlage der Wertbestimmung für die Berechnung der Vergütung.
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Masseunzulänglichkeit (§§ 208 ff InsO) führt nicht zur Beendigung der Aufgaben des Verwalters, seine Pflichten bestehen grundsätzlich fort (§ 208 Abs. 3 InsO). Das masseunzulängliche Verfahren sieht keinen Schlusstermin vor. Allerdings kann hier aufgrund der Fortdauer der Verwalterpflichten mit Massezuwächsen bis zur Einstellung gerechnet werden. Entsprechend dem normalen Verlauf des eröffneten Verfahrens werden die Massezuflüsse zwischen Schlussrechnung und Einstellung des Verfahrens nicht berücksichtigt. Erhöht sich die Masse in diesem Zeitraum, ist es durchaus gerechtfertigt, auch hier eine ergänzende Festsetzung zuzulassen.
18
b) Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) Kann der Insolvenzschuldner den Wegfall der Eröffnungsgründe glaubhaft machen, ändern sich die Aufgaben des Verwalters. Er hat im Wesentlichen die Masse zu erhalten, da ansonsten die Absichten des Schuldners, z. B. die Fortführung des Unternehmens, vereitelt würden. Wenn der Schuldner den Wegfall der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht hat, wird das Verfahren danach kurzfristig eingestellt (§ 214 InsO). Eine Rechnungslegung erfolgt dann gegenüber dem Schuldner und nicht gegenüber dem Insolvenzgericht. Eine Nachtragsverteilung kann nicht in Betracht kommen, da der Schuldner mit Aufhebung des Verfahrens wieder die Verfügungsbefugnis erlangt.
19
c) Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) Eine Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger ist während des gesamten eröffneten Verfahrens möglich, setzt aber keinen Schlusstermin voraus. Initiativ wird der Schuldner, der die Voraussetzungen darzulegen hat. Bedarf für eine Schlussrechnung besteht erst, wenn die Voraussetzung, d. h. die Zustimmung der Gläubiger, _____________ 6)
BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 153/06, ZIP 2007, 1070 = ZVI 2007, 438.
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InsVV § 1
Berechnungsgrundlage
nachgewiesen und das Verfahren tatsächlich eingestellt ist. Die Rechnungslegung erfolgt gegenüber dem Schuldner bei Aushändigung der Masse. III. Einzelne Bewertungsmaßstäbe (Abs. 2) 21
Grundsätzlich soll die der Vergütung zugrunde liegende Masse nur aus Massegegenständen gebildet werden, die die Masse tatsächlich mehren. Absatz 2 sieht daher einige Regelungen vor, die dann eingreifen, wenn der Wert eines Gegenstandes nicht in vollem Umfang der Masse zugerechnet werden kann. Daneben werden Wertansätze relativiert, die bereits aus anderem Grund zu einer Erhöhung der Vergütung des Verwalters führen. Bei der Berechnung ist jeweils vom Bruttoerlös auszugehen, d. h. die Umsatzsteuer ist einzubeziehen.7) Die Aufzählung der Begrenzungen in Absatz 2 ist abschließend; insbesondere ist die vergütungsrelevante Masse nicht durch den Gesamtbetrag der Insolvenzforderungen nach oben begrenzt.8) 1.
22
Behandlung von Absonderungsrechten (Nr. 1)
Absonderungsrechte (§§ 49 ff InsO) gewähren dem Berechtigten das Recht, sich vorrangig vor den ungesicherten Insolvenzgläubigern aus dem Verwertungserlös der mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstände zu befriedigen. Eine Massemehrung tritt nur dann ein, wenn der Verwalter den Gegenstand verwertet oder der durch das Absonderungsrecht gesicherte Anspruch einen geringeren Wert als der Gegenstand hat. a) Verwertung durch den Verwalter
23
Hat der Verwalter die bewegliche belastete Sache in Besitz, ist er berechtigt, sie zu verwerten (§ 166 Abs. 1 InsO). Aus dem Erlös hat der Verwalter den Gläubiger zu befriedigen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 InsO), nachdem er dem Erlös die Kosten der Feststellung (§ 171 Abs. 1 InsO) und Verwertung (§ 171 Abs. 2 InsO) sowie die Umsatzsteuer, wenn die Verwertung zu einer umsatzsteuerlichen Belastung der Insolvenzmasse geführt hat (§ 171 Abs. 2 Satz 3 InsO), entnommen hat. In diesem Fall ist der Wert des belasteten Gegenstandes in die vergütungsrelevante Masse einzubeziehen. Vergütungsrechtlich wird nicht zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen unterschieden. Es kommt lediglich darauf an, ob eine Sache mit einem Absonderungsrecht belastet ist oder nicht. Die zu § 171 Abs. 1 InsO korrespondierende Vorschrift bei unbeweglichem Vermögen findet sich in § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG.
24
In Insolvenzverfahren, deren Masse überwiegend aus mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen besteht, führt dies jedoch zu einer deutlichen Erhöhung der Regelvergütung, obwohl eine entsprechende freie Masse nicht zur Verfügung steht. In Einzelfällen könnte dies zur Masseinsuffizienz führen. Daher darf der Mehrbetrag der Vergütung, der durch die Berücksichtigung der Absonderungsgegenstände entsteht, die Hälfte der Feststellungskosten nicht überschreiten.
_____________ 7) 8)
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 1 Rz. 56. BGH, Beschl. v. 1.3.2007 – IX ZB 280/05, ZIP 2007, 639 = ZVI 2007, 285.
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§ 1 InsVV
Berechnungsgrundlage
Zur Ermittlung der zulässigen Erhöhung der Vergütung ist eine vergleichende Berechnung vorzunehmen: Einerseits nach der Masse unter Einbeziehung des Absonderungsgegenstandes und andererseits nach dem Wert der Masse abzüglich des an den Absonderungsgläubiger ausgeschütteten Betrages und abzüglich der Feststellungskosten des § 171 Abs. 1 InsO.9) Die Differenz darf 50 % der Feststellungskosten nicht überschreiten.
25
Beispiel:
26
Die Insolvenzmasse beträgt insgesamt 300 000 € und beinhaltet einen Absonderungsgegenstand mit einem Wert von brutto 180 000 €. Vergütung mit Absonderungsgegenstand: 31 750,00 € Vergütung ohne Absonderungsgegenstand: 23 791,77 € (Wert 300 000,00 € abzgl. 180 000,00 € zzgl. 28 739,50 € MwSt. zzgl. 9 000,00 € Verwertungskostenbeitrag) Differenz: 7 958,23 € Kosten der Feststellung (§ 171 Abs. 1 Satz 2): 7 200,00 € Zulässige Vergütung: (23 791,77 € + 3 600,00 €) 27 391,77 € Die Vergleichsrechnung ist bereits bei der Festlegung der vergütungsrelevanten Masse, die immer am Anfang einer jeden Vergütungsberechnung steht, vorzunehmen und dient der Berechnung der Regelvergütung, die danach erst der Anwendung von Erhöhungs- oder Minderungstatbeständen nach § 3 unterliegt. Bei der Berechnung der sog. „Kappungsgrenze“ handelt es sich um eine Kürzung der Regelvergütung zur Masseschonung und nicht etwa um einen (nicht erhöhungs- oder kürzungsfähigen) Vergütungszuschlag für die Verwertung von Absonderungsgut.10)
27
Ist die Masse ohne Absonderungsrechte so gering, dass lediglich eine Mindestvergütung anfällt, ist diese dem Vergleich zugrunde zu legen. Zu vergleichen ist die Vergütung, die der Verwalter ohne Berücksichtigung der Absonderungsrechte erhält. Dies ist nicht nur die Vergütung nach § 2 Abs. 1, sondern die Vergütung nach § 2, die die Regelvergütung beschreibt. Hierzu gehört auch die Mindestvergütung.11)
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Alternativ zur vorstehend darstellten Ermittlung der Regelvergütung durch Vergleichsberechnung kann der Verwalter seine Vergütung nach der Insolvenzmasse abzüglich des an den Absonderungsgläubiger ausgeschütteten Betrages, also einschließlich aller Kostenbeiträge und der Mehrwertsteuer, vornehmen und auf die anschließende Berechnung der Kappungsgrenze verzichten. Das Insolvenzgericht ist i. R. seiner Entscheidung über den Vergütungsantrag nicht verpflichtet, eine Günstigerprüfung vorzunehmen.12)
29
Ein der Masse aus der Verwertung zufließender Überschuss fließt ohne Einschränkung in die Vergütungsberechnung ein. Eine Vergleichsberechnung wie vorstehend dargestellt, findet in diesem Fall nicht statt.
30
_____________ 9) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 169/11, ZInsO 2013, 2288. 10) BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 = ZVI 2006, 409. 11) BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 = NZI 2008, 361; BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 118/08, ZInsO 2009, 1511 m. w. N. 12) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 169/11, ZInsO 2013, 2288.
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InsVV § 1
Berechnungsgrundlage
31
Im Zusammenhang mit der Verwertung von Immobilien, die mit Absonderungsrechten belastet sind, werden mit Absonderungsgläubigern häufig Massebeiträge vereinbart. Gläubiger können durch die Zustimmung zur freihändigen Verwertung durch den Verwalter eigenen Aufwand vermeiden und meist ein besseres Verwertungsergebnis erzielen als in einer Zwangsversteigerung. Im Gegenzug gewähren die Gläubiger der Insolvenzmasse einen Anteil am Erlös als Entlohnung für die geleistete Arbeit. Dieser Anteil fließt in voller Höhe in die Masse und wirkt sich so vergütungserhöhend aus. Ein Zusammenhang mit der Regelung aus Nummer 1 besteht nicht.13)
32
Führt der Insolvenzverwalter die Mietverwaltung massezugehöriger, mit Grundpfandrechten belasteter Immobilien im Auftrag des Grundpfandgläubigers gemäß besonderer Vereinbarung mit diesem durch (sog. „kalte Zwangsverwaltung“), erfolgt diese Tätigkeit nach der herrschenden Meinung außerhalb des Insolvenzverfahrens allein im Interesse des Grundpfandgläubigers, so dass die Tätigkeit für die Vergütung als Insolvenzverwalter unbeachtlich ist.14) Folgt man dieser Auffassung, ist es inkonsequent, ein mit dem Grundpfandgläubiger für die Tätigkeit vereinbartes Entgelt nicht als originäre Vergütung für die Tätigkeit als Zwangsverwalter sondern als Bestandteil der Insolvenzmasse zu behandeln.15) b) Verwertung durch Gläubiger
33
Erfolgt die Verwertung durch den Gläubiger des Absonderungsrechts, der alleine zur Verwertung berechtigt ist (§ 173 InsO), hat die Masse keinen Anspruch auf Feststellungs- oder Verwertungskostenbeiträge. Eine Berücksichtigung erfolgt daher nur insoweit, als nach Begleichung des Sicherungsrechts ein Überschuss verbleibt, der die Masse tatsächlich mehrt (Nr. 1 Satz 3).
34
Davon abzugrenzen ist die Freigabe an den Sicherungsgläubiger zur Eigenverwertung durch den grundsätzlich selbst zur Verwertung berechtigten Verwalter. In diesem Fall ist der Sicherungsgläubiger verpflichtet, die vereinnahmte Umsatzsteuer und die Feststellungskosten auf den Bruttoerlös an die Masse abzuführen; diese Beträge finden Berücksichtigung in der Berechnungsgrundlage. Eine Berechnung der sog. „Kappungsgrenze“ (vgl. Rz. 25 ff) muss in diesem Fall nicht vorgenommen werden. 2.
35
Abfindung von Aus- und Absonderungsrechten (Nr. 2)
Werden Aus- und Absonderungsrechte abgefunden, wird zu diesem Zweck eine Leistung aus der Masse gewährt, im Gegenzug verzichtet der Berechtigte auf sein Absonderungsrecht. Der Wert des belasteten Gegenstandes für die Masse bestimmt sich demnach aus der Differenz von Gegenstandswert und Abfindungsbetrag. Vergütungsrelevant ist nur dieser Differenzbetrag. Damit wird die Tätigkeit des Verwalters honoriert, der eine besonders günstige Abfindung realisieren kann.
_____________ 13) Kübler/Prütting/Bork-Eickmann/Prasser, InsO, § 1 InsVV Rz. 31. 14) Keller, Vergütung, Rz. 274; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 3 Rz. 22. 15) So z. B. LG Heilbronn, Beschl. v. 4.4.2012 – 1 T 89/12, ZIP 2012, 2077.
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§ 1 InsVV
Berechnungsgrundlage
Zahlungen auf Ersatzaussonderungsansprüche sind zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage nicht in Abzug zu bringen, wenn die Verwertungserlöse Massebestandteil geworden und nicht mehr unterscheidbar vorhanden sind. Der Ersatzaussonderungsanspruch wird in diesem Fall zur Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, die nach Nummer 4 Satz 1 zu behandeln ist.
36
Werden unpfändbare Einkommensanteile des Schuldners zunächst zur Masse gezogen und sodann an diesen ausgekehrt, werden die Beträge durch die unberechtigte Einziehung nicht zu vergütungsrelevanten Bestandteilen der Masse.16) Gleiches gilt für Beträge, die im Zuge der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft (§ 84 Abs. 1 InsO) zunächst vereinnahmt und sodann an die anderen Mitglieder der Gemeinschaft herausgegeben werden. Nur der nach der Auseinandersetzung auf den Schuldner entfallende Nettoanteil ist vergütungsrelevant. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Zahlungen auf einen Ersatzaussonderungsanspruch.
37
3.
Aufrechnung (Nr. 3)
Nummer 3 schließt an die Regelung der Nummer 2 an. Auch hier gilt, dass nur der wirkliche Wert einer Forderung Berücksichtigung findet. Er ergibt sich aus der Differenz zwischen Masseforderung und Verbindlichkeit. Unbeachtlich ist, von welcher Seite die Aufrechnung erklärt wird. Ist die Aufrechnung nach § 96 InsO unzulässig, ist die Masseforderung uneingeschränkt vergütungsrelevant.17) 4.
38
Kosten – Masseverbindlichkeiten (Nr. 4)
Nach den Grundsätzen der Nummer 2 und 3 wäre es denkbar, die vergütungsrelevante Masse aus der Differenz zwischen Masse und Masseverbindlichkeiten (Kosten des Verfahrens, § 54 InsO, und sonstige Masseverbindlichkeiten, § 55 InsO) zu bilden, da nur dies den wirklichen Wert der Masse darstellt.
39
Hiervon wurde ausdrücklich abgesehen, denn eine massemindernde Berücksichtigung ist gleichbedeutend mit einer völlig unangemessenen Vergütung. Sie stünde außerdem im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers, auch masseunzulängliche Verfahren abzuwickeln, was mit einer so reduzierten Vergütung kaum zu realisieren ist. Lediglich in zwei Fällen werden Masseverbindlichkeiten in Abzug gebracht:
40
a) Einsatz besonderer Sachkunde (Nr. 4 Buchst. a) Soweit der Verwalter aufgrund seiner besonderen Qualifikation Vergütungen nach § 5 geltend machen und vorweg aus der Masse entnehmen kann, werden diese Beträge von der Masse abgezogen. Der Abzug erfolgt i. H. der Nettovergütung, wenn die Insolvenzmasse zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Dadurch soll eine „Doppelvergütung“ vermieden werden. Dies gilt jedoch nur für Vergütungen, die der Verwalter persönlich erhält, nicht aber für Vergütungen, die an einen Sozius oder die
_____________ 16) BGH, Beschl. v. 5.7.2007 – IX ZB 83/03, ZInsO 2007, 766. 17) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 197/06, ZIP 2010, 436; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 1 Rz. 79.
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Berechnungsgrundlage
Sozietät des Verwalters gezahlt werden, da es sich insoweit um eine andere Rechtspersönlichkeit handelt.18) b) Fortführung des Unternehmens (Nr. 4 Buchst. b) 42
Eine Unternehmensfortführung kann durch aktive Tätigkeit des Insolvenzverwalters oder durch Duldung der Fortführung durch den Schuldner verursacht sein. Zu berücksichtigen ist der gesamte Zeitraum der Fortführung, allerdings nach Verfahrensabschnitten differenziert. Wird das schuldnerische Unternehmen mit Ziel der Weiterführung nach Aufhebung des Verfahrens fortgeführt, sind ggf. die für den vorläufigen Verwalter geltenden Grundsätze anzuwenden,19) d. h. nicht verwertete Gegenstände sind zu berücksichtigen, wenn sie der Verwaltung des Verwalters unterlagen.
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Auch hier gilt der Grundsatz, dass nur der tatsächliche Wert eines Gegenstandes bei der Bestimmung der vergütungsrelevanten Masse berücksichtigt wird. Der Wert des Gegenstandes „Unternehmensfortführung“ ergibt sich aus der Differenz zwischen dem konkreten Aufwand für die Fortführung und den erzielten Einnahmen sowie den noch offenen Forderungen. Von den Einnahmen abzuziehen sind alle durch die Fortführung veranlassten Ausgaben einschließlich der bereits begründeten jedoch noch nicht ausgeglichenen oder nicht fakturierten Verbindlichkeiten.20) Nur ein Überschuss fließt in die Masse, nicht ein möglicher negativer Wert.21)
44
Durch den Verwalter ist eine genaue Abgrenzung vorzunehmen, welche Kosten durch die Unternehmensfortführung begründet wurden und welche Ausgaben nicht im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung entstanden sind.22) Um den Überschuss korrekt zu ermitteln, bedarf es einer gesonderten Fortführungsbuchhaltung. In Einzelfällen kann es problematisch sein, die einzelnen Posten der Betriebsfortführung oder der Verwertung korrekt zuzuordnen, insbesondere bei den Ausgaben ist die Abgrenzung zu den „Sowieso-Kosten“ oftmals schwierig. Grundsätzlich sind alle Ausgaben, die für die Unternehmensfortführung verwendet wurden, zur Ermittlung des Überschusses in Abzug zu bringen. Dazu zählen z. B. Mieten oder Löhne im Auslauf der Kündigungsfrist, wenn die Gegenleistung noch für die Masse in Anspruch genommen wurde.23)
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Führt der selbstständig tätige Schuldner das Unternehmen fort oder arbeitet er in dem vom Verwalter fortgeführten Unternehmen mit, gehört seine Entlohnung zu den Betriebsausgaben. Solche Beträge mindern den Überschuss und damit die Berechnungsgrundlage.24) _____________ 18) BGH, Beschl. v. 5.7.2007 – IX ZB 305/04, ZIP 2007, 1958 = ZVI 2007, 37 und BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZB 154/05. 19) BGH, Beschl. v. 24.5.2005 – IX ZB 6/03, ZVI 2005, 388 = ZInsO 2005, 760. 20) BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 106/06, ZIP 2077, 784. 21) Kübler/Prütting/Bork-Eickmann/Prasser, InsO, § 1 InsVV Rz. 52; BGH, Beschl. v. 24.5.2005 – IX ZB 6/03, ZVI 2005, 388 = ZInsO 2005, 760. 22) BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 148/10, ZIP 2011, 1835 (LS) = NZI 2011, 714. 23) BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZB 179/07, ZIP 2008, 2222 = ZInsO 2008, 1262, dazu EWiR 2007, 761 (H. Schröder). 24) BGH, Beschl. v. 4.5.2006 – IX ZB 202/05, ZIP 2006, 1307 = ZVI 2006, 474.
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Kalkmann
§ 2 InsVV
Regelsätze
5.
Vorschüsse
Unberücksichtigt bleiben Beträge, die ein Dritter der Masse zur Verfahrenskostendeckung oder zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung stellt. Beträge, die dem Schuldner zur Erfüllung der Mindestquote zwecks Verkürzung des Verfahrens zur Restschuldbefreiung gemäß § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Verfügung gestellt werden, fallen jedoch nicht unter die Regelung; solche Zahlungen sind uneingeschränkt vergütungsrelevant.25) Dies ist auch sachgerecht, da der Verwalter die Angaben des Schuldners zur Herkunft der Mittel (§ 300 Abs. 2 InsO) prüfen und somit diesbezüglich tätig werden muss.
46
IV. Vorzeitige Beendigung des Amtes des Verwalters Bei vorzeitiger Beendigung des Amtes des Verwalters ist die seiner Verwaltung zugrunde liegende Masse zur Vergütungsberechnung heranzuziehen.26) Bis zur Entscheidung über seinen Vergütungsantrag zufließende Masse ist zu seinen Gunsten i. R. der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, wenn der Zufluss allein auf seine Tätigkeit zurückgeführt werden kann; im Übrigen kann ein Zuschlag gewährt werden. Mögliche Zuflüsse sind erst dann einzubeziehen, wenn sie tatsächlich die Masse erhöht haben. Ggf. kann der Verwalter nachträglich eine Ergänzung seiner Vergütung beantragen. Eine Minderung der Vergütung ergibt sich u. U. aus der verkürzten Dauer des Amtes (§ 3 Abs. 2 Buchst. c). _____________ 25) Begr. RegE GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 30; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433. 26) BGH, Beschl. v. 10.11.2005 – IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93 = ZVI 2005, 646.
§2 Regelsätze (1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel 1.
von den ersten 25 000 Euro der Insolvenzmasse
40 vom Hundert,
2.
von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 Euro
25 vom Hundert,
3.
von dem Mehrbetrag bis zu 250 000 Euro
7 vom Hundert,
4.
von dem Mehrbetrag bis zu 500 000 Euro
3 vom Hundert,
5.
von dem Mehrbetrag bis zu 25 000 000 Euro
2 vom Hundert,
6.
von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 000 Euro
7.
von dem darüber hinausgehenden Betrag
1 vom Hundert, 0,5 vom Hundert.
(2) 1Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 000 Euro betragen. 2 Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 150 Euro. 3Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 100 Euro. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Regelvergütung (Abs. 1) ..................... 2
III. Mindestvergütung (Abs. 2) ................. 6 1. Berechnung ............................................ 9
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§ 2 InsVV
Regelsätze
5.
Vorschüsse
Unberücksichtigt bleiben Beträge, die ein Dritter der Masse zur Verfahrenskostendeckung oder zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung stellt. Beträge, die dem Schuldner zur Erfüllung der Mindestquote zwecks Verkürzung des Verfahrens zur Restschuldbefreiung gemäß § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Verfügung gestellt werden, fallen jedoch nicht unter die Regelung; solche Zahlungen sind uneingeschränkt vergütungsrelevant.25) Dies ist auch sachgerecht, da der Verwalter die Angaben des Schuldners zur Herkunft der Mittel (§ 300 Abs. 2 InsO) prüfen und somit diesbezüglich tätig werden muss.
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IV. Vorzeitige Beendigung des Amtes des Verwalters Bei vorzeitiger Beendigung des Amtes des Verwalters ist die seiner Verwaltung zugrunde liegende Masse zur Vergütungsberechnung heranzuziehen.26) Bis zur Entscheidung über seinen Vergütungsantrag zufließende Masse ist zu seinen Gunsten i. R. der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, wenn der Zufluss allein auf seine Tätigkeit zurückgeführt werden kann; im Übrigen kann ein Zuschlag gewährt werden. Mögliche Zuflüsse sind erst dann einzubeziehen, wenn sie tatsächlich die Masse erhöht haben. Ggf. kann der Verwalter nachträglich eine Ergänzung seiner Vergütung beantragen. Eine Minderung der Vergütung ergibt sich u. U. aus der verkürzten Dauer des Amtes (§ 3 Abs. 2 Buchst. c). _____________ 25) Begr. RegE GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 30; Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433. 26) BGH, Beschl. v. 10.11.2005 – IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93 = ZVI 2005, 646.
§2 Regelsätze (1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel 1.
von den ersten 25 000 Euro der Insolvenzmasse
40 vom Hundert,
2.
von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 Euro
25 vom Hundert,
3.
von dem Mehrbetrag bis zu 250 000 Euro
7 vom Hundert,
4.
von dem Mehrbetrag bis zu 500 000 Euro
3 vom Hundert,
5.
von dem Mehrbetrag bis zu 25 000 000 Euro
2 vom Hundert,
6.
von dem Mehrbetrag bis zu 50 000 000 Euro
7.
von dem darüber hinausgehenden Betrag
1 vom Hundert, 0,5 vom Hundert.
(2) 1Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 000 Euro betragen. 2 Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 150 Euro. 3Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 100 Euro. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Regelvergütung (Abs. 1) ..................... 2
III. Mindestvergütung (Abs. 2) ................. 6 1. Berechnung ............................................ 9
Kalkmann
1747
47
InsVV § 2 2.
1
Regelsätze
3. 4.
Ermittlung der Anzahl der Gläubiger ............................................. 11 Vorzeitige Beendigung ........................ 13 Keine Obergrenze ............................... 14
I.
Vorbemerkung
5. IV. 1. 2.
Verfahrenskostenstundung ................. 15 Sonderfälle .......................................... 16 Sonderinsolvenzverwalter ................... 16 Vorzeitige Beendigung des Amtes ..... 18
Die Vergütung des Verwalters wird grundsätzlich aus einem prozentualen Anteil der Masse gebildet (Abs. 1). Diese ist damit Indikator für den Aufwand des Verwalters in einem Insolvenzverfahren. Gleichzeitig wirkt das System als Anreiz für den Verwalter, der seine Vergütung unmittelbar dadurch steigern kann, dass er die Masse mehrt und damit den Zweck des Insolvenzverfahrens, eine bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu verwirklichen, fördert. II. Regelvergütung (Abs. 1)
2
Absatz 1 bestimmt die Regelvergütung des Insolvenzverwalters. Ausgehend von Wertstufen erhält der Verwalter i. d. R. einen prozentualen Teil der Insolvenzmasse als angemessene Vergütung. Mit der Regelvergütung werden die allgemeinen Aufwendungen des Verwalters sowie sein eigenes Einkommen abgegolten.
3
Die Vergütung muss den gesamten Aufwand des Verwalters decken und ihm zusätzlich ein angemessenes Auskommen sichern. Grundsätzlich muss dies in jedem Einzelfall gewährleistet sein. Ebenso wie ein Verweis auf profitable Verfahren zur Rechtfertigung einer geringeren Vergütung ist es unzulässig, im Einzelfall eine höhere Vergütung mit Blick auf die Gesamtsituation der Kanzlei des Verwalters zu gewähren. Der Gedanke der „Querfinanzierung“ ist überholt. Aus der Erwartungshaltung der Gerichte, die eine ständige Verfügbarkeit des Verwalters sowohl für Klein- als auch Großverfahren und die Vorhaltung entsprechender Kapazitäten erwarten, folgt die Gewährung einer im Einzelfall angemessenen Vergütung und der Verzicht auf kleinliche Handhabung der Regeln der Vergütungsfestsetzung.
4
Die Regelvergütung nach § 2 deckt die Tätigkeit des Verwalters ab, beginnend mit Bestellung und endend mit der Schlussverteilung. Ergibt sich danach Anlass zu einer weiteren Tätigkeit, kann es sich nur um eine Nachtragsverteilung handeln, die nach § 6 besonders vergütet wird. Den konkreten Umfang der Regelvergütung regelt § 4.
5
Die einzelnen Wertstufen umfassen jeweils einzelne Wertebereiche, denen ein bestimmter Prozentsatz zugeordnet ist. Während die Wertebereiche aufsteigend geordnet sind, nehmen die Prozentsätze ab. Dadurch wird zunächst der Grundaufwand gesichert, der sich in jedem Einzelfall ergibt.1) Durch die geringeren Anteile bei höheren Massewerten wird verhindert, dass der Verwalter zu einer unangemessen hohen Vergütung gelangt. Führen die Regelsätze zu einer dem Aufwand des Verfahrens unangemessenen Vergütung, ist das über einen Zu- oder Abschlag nach § 3 auszugleichen. Eine Gewährung abweichender Prozentsätze i. R. der Regelvergütung ist unzulässig.2) _____________ 1) 2)
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 4 Rz. 3. BGH, Beschl. v. 8.11.2012 – IX ZB 139/10, ZIP 2012, 2407, dazu EWiR 2012 803 (Blersch).
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Kalkmann
§ 2 InsVV
Regelsätze
III. Mindestvergütung (Abs. 2) Aus dem Recht des Insolvenzverwalters, eine angemessene Vergütung zu erlangen, folgt der Anspruch auf eine Mindestvergütung. Sie stellt sicher, dass auch in Verfahren mit minimaler Masse die Leistung des Verwalters finanzierbar bleibt. Die Mindestvergütung wird, wenn sich aus der Berechnung nach Absatz 1 ein geringerer Betrag ergibt, Regelvergütung.
6
Die Mindestvergütung setzt sich aus einem Sockelbetrag i. H. von 1 000 € und einem Zuschlag zusammen. Durch den Zuschlag, der von einem Indikator für den Aufwand in einem eröffneten Insolvenzverfahren abhängig ist, wird die Mindestvergütung flexibel gestaltet. Indikator ist die Anzahl der Anmeldegläubiger im Verfahren. Anmeldegläubiger sind Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO), die ihre Forderung zum Insolvenzverfahren anmelden (§ 175 InsO). Anhand der Zahl dieser Gläubiger lassen sich Rückschlüsse auf Umfang oder Aufwand ziehen. Damit ist keine sichere Methode zur Bestimmung der Vergütung definiert. Dies ist auch nicht Ziel der Regelung. Ausdrücklich sollten „unbestimmte Rechtsbegriffe“ vermieden werden, die letztlich die Vergütungsfestsetzung verkompliziert hätten.
7
Die Zahl der Anmeldegläubiger lässt sich ohne weiteres anhand der Insolvenztabelle ermitteln. Dabei ist von der Kopfzahl der Anmeldegläubiger auszugehen, nicht von der Zahl der angemeldeten Forderungen,3) da es weitestgehend von der Arbeitsweise des Verwalters abhängt, wie differenziert die Forderungsanmeldungen erfasst werden.
8
1.
Berechnung
Zu berechnen ist die Regelvergütung stets nach Bestimmung der Berechnungsgrundlage (§ 1) unter Anwendung der Staffelvergütung des § 2 Abs. 1. Nach abschließender Berechnung ist ein Vergleich zur Mindestvergütung vorzunehmen. Erhöhungs- oder Minderungstatbestände (§ 3) gehen von der Regelvergütung aus; dies kann auch die Mindestvergütung sein.4)
9
Die Mindestvergütung beträgt 1 000 € und umfasst die Bearbeitung von zehn Anmeldegläubigern. Haben mehr als zehn Anmeldegläubiger Forderungen angemeldet, erhöht sich die Vergütung für je fünf angefangene Gläubiger. Eine Erhöhung tritt also schon bei elf Gläubigern ein. Von elf bis dreißig Gläubigern wird eine Erhöhung von jeweils 150 € gewährt, darüber hinaus von 100 €. Bei mehr als dreißig Gläubigern sollen Rationalisierungseffekte greifen, die den Aufwand je Gläubiger reduzieren.
10
2.
Ermittlung der Anzahl der Gläubiger
Gezählt werden Anmeldegläubiger nach der Insolvenztabelle.5) Bei der Bestimmung der Gläubigeranzahl muss die ermittelte Zahl durch das Insolvenzgericht geprüft und ggf. berichtigt werden. _____________ 3) 4) 5)
BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – IX ZB 39/10, ZIP 2011, 132 = ZVI 2011, 267; Begr. zu § 2 InsVV v. 6.10.2004, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Anh. III zur InsVV, S. 10. BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 = NZI 2008, 361; BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 118/08, ZInsO 2009, 1511 m. w. N. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 104/05, ZIP 2006, 1403 = ZInsO 2006, 811, m. Anm. Blersch, ZIP 2006, 1605; a. A. (Anzahl Gläubiger im Schlussverzeichnis) AG Potsdam Beschl. v. 5.12.2006 – 35 IN 1058/05, ZInsO 2007, 1262 = NZI 2007, 179.
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InsVV § 2 12
Öffentliche Kassen eines Landes, z. B. Finanzämter, Gerichtskassen u. Ä. sind rechtlich einem Bundesland, das sie vertreten, zugeordnet. Eigentlicher Gläubiger ist also das jeweilige Bundesland. Daher wird die durch mehrere nachgeordnete Behörden vertretene Gebietskörperschaft nach Ansicht des Bundesgerichtshofes vergütungsrechtlich zu einem Anmeldegläubiger zusammengefasst.6) Diese Entscheidung steht im Widerspruch zum Sinn der Regelung. Danach soll die Zahl der Anmeldegläubiger ein Anhaltspunkt für die Komplexität eines Verfahrens sein. Jeder Gläubiger verursacht aufgrund seiner Eigenheiten einen bestimmten Aufwand, weil mit jedem Gläubiger Abstimmungen durchzuführen, Anmeldungen zu prüfen sind usw. Dieser Aufwand entsteht jeweils in Bezug auf die selbständig handelnde Behörde und nicht auf das übergeordnete Land. 3.
13
Keine Obergrenze
Eine Obergrenze, etwa bei einer besonders hohen Zahl von Anmeldegläubigern, ist nicht normiert. Grundsätzlich sind daher alle Anmeldegläubiger in die Berechnung einzubeziehen. 5.
15
Vorzeitige Beendigung
Schwierig gestaltet sich die Ermittlung der Anmeldegläubiger bei vorzeitiger Beendigung des Verfahrens, z. B. wegen Massearmut oder Einstellung nach den §§ 208 ff InsO. Maßgebend sind die Gläubiger, die bis zum Zeitpunkt des Vergütungsantrags eine Forderung beim Verwalter angemeldet haben, und zwar ungeachtet dessen, ob für diese Forderungen noch ein gerichtlicher Prüfungstermin stattgefunden hat. Der Verwalter hat unabhängig von der Abhaltung eines gerichtlichen Prüfungstermins Tätigkeiten auf die Forderungsanmeldungen zu entfalten, indem er sie unmittelbar nach Erhalt in die Tabelle einträgt und möglichst bereits zu diesem Zeitpunkt einer Vorab-Prüfung unterzieht. Soweit das Gericht noch keine Kenntnis von den weiteren Forderungsanmeldungen hat, weil keine nachträgliche Forderungsprüfung mehr stattgefunden hat, ist ihre Anzahl i. R. des Vergütungsantrags darzulegen und glaubhaft zu machen. 4.
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Regelsätze
Verfahrenskostenstundung
Ist dem Schuldner Verfahrenskostenstundung bewilligt worden, hat dies nur zur Folge, dass die Vergütung, soweit die Masse nicht ausreicht, aus der Staatskasse erstattet wird. Auch wenn dies die öffentlichen Haushalte stark belastet, besteht kein Anlass, die Mindestvergütung abweichend von Absatz 2 zu bestimmen. IV. Sonderfälle 1.
16
Sonderinsolvenzverwalter
Sonderinsolvenzverwalter werden durch das Insolvenzgericht bestellt, wenn der Insolvenzverwalter im Einzelfall gehindert ist, seine Aufgaben wahrzunehmen. Typisches Beispiel ist die Geltendmachung der persönlichen Haftung der Gesellschafter nach § 93 InsO, wenn der Insolvenzverwalter sowohl im Verfahren der Gesellschaft als auch des Gesellschafters bestellt ist. _____________ 6)
BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 27/10, ZIP 2011, 1479 = ZInsO 2011, 1251.
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§ 3 InsVV
Zu- und Abschläge
Der Sonderinsolvenzverwalter ist ein Insolvenzverwalter i. S. der §§ 56 ff InsO mit einem beschränkten Aufgabenbereich. Seine Tätigkeit ist nach § 63 InsO zu vergüten, seine Vergütung bemisst sich in Abhängigkeit vom Aufgabenbereich auf der Grundlage der von ihm verwalteten Masse. Dem Umfang seiner Tätigkeit ist wie beim Insolvenzverwalter auch durch Gewährung eines angemessenen Bruchteils der Regelvergütung und/oder durch entsprechende Zu- oder Abschläge Rechnung zu tragen. Hat der Sonderinsolvenzverwalter lediglich die Aufgabe, einzelne Forderungen zu prüfen oder rechtlich durchzusetzen, d. h. ist seine Tätigkeit der eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters vergleichbar, ist der Vergütungssatz so anzupassen, dass im Ergebnis keine höhere Vergütung festgesetzt wird, als dem Verwalter gemäß § 5 nach dem RVG oder der StBGebV zustünde.7) 2.
Vorzeitige Beendigung des Amtes
Endet das Amt des Verwalters vorzeitig, z. B. durch Wahl eines neuen Verwalters, ist der Prozentsatz der Regelvergütung (= 100 %) ausgehend vom konkreten Einzelfall entsprechend anzupassen.8) Es muss also zunächst festgestellt werden, welche Arbeiten durch den ersten Verwalter bereits erledigt sind. Daraus wird im Vergleich zu einem Verwalter, der das gesamte Verfahren abgewickelt hätte, ein angemessener Prozentsatz ermittelt. Der so errechnete Bruchteil der Vergütung kann unmittelbar durch Zu- oder Abschläge gemäß § 3 einzelfallbezogen den besonderen Schwierigkeiten der bereits erbrachten Leistungen angepasst werden. _____________ 7) 8)
17
BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294 = ZInsO 2008, 847, m. Anm. Graeber. BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 = ZVI 2005, 150, dazu EWiR 2005, 401 (Rendels).
§3 Zu- und Abschläge (1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn a) die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne dass ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist, b) der Verwalter das Unternehmen fortgeführt oder Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist, c) die Masse groß war und die Regelvergütung wegen der Degression der Regelsätze keine angemessene Gegenleistung dafür darstellt, dass der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusätzliche Masse festgestellt hat, d) arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in Bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder
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§ 3 InsVV
Zu- und Abschläge
Der Sonderinsolvenzverwalter ist ein Insolvenzverwalter i. S. der §§ 56 ff InsO mit einem beschränkten Aufgabenbereich. Seine Tätigkeit ist nach § 63 InsO zu vergüten, seine Vergütung bemisst sich in Abhängigkeit vom Aufgabenbereich auf der Grundlage der von ihm verwalteten Masse. Dem Umfang seiner Tätigkeit ist wie beim Insolvenzverwalter auch durch Gewährung eines angemessenen Bruchteils der Regelvergütung und/oder durch entsprechende Zu- oder Abschläge Rechnung zu tragen. Hat der Sonderinsolvenzverwalter lediglich die Aufgabe, einzelne Forderungen zu prüfen oder rechtlich durchzusetzen, d. h. ist seine Tätigkeit der eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters vergleichbar, ist der Vergütungssatz so anzupassen, dass im Ergebnis keine höhere Vergütung festgesetzt wird, als dem Verwalter gemäß § 5 nach dem RVG oder der StBGebV zustünde.7) 2.
Vorzeitige Beendigung des Amtes
Endet das Amt des Verwalters vorzeitig, z. B. durch Wahl eines neuen Verwalters, ist der Prozentsatz der Regelvergütung (= 100 %) ausgehend vom konkreten Einzelfall entsprechend anzupassen.8) Es muss also zunächst festgestellt werden, welche Arbeiten durch den ersten Verwalter bereits erledigt sind. Daraus wird im Vergleich zu einem Verwalter, der das gesamte Verfahren abgewickelt hätte, ein angemessener Prozentsatz ermittelt. Der so errechnete Bruchteil der Vergütung kann unmittelbar durch Zu- oder Abschläge gemäß § 3 einzelfallbezogen den besonderen Schwierigkeiten der bereits erbrachten Leistungen angepasst werden. _____________ 7) 8)
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BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294 = ZInsO 2008, 847, m. Anm. Graeber. BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 = ZVI 2005, 150, dazu EWiR 2005, 401 (Rendels).
§3 Zu- und Abschläge (1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn a) die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne dass ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist, b) der Verwalter das Unternehmen fortgeführt oder Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist, c) die Masse groß war und die Regelvergütung wegen der Degression der Regelsätze keine angemessene Gegenleistung dafür darstellt, dass der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusätzliche Masse festgestellt hat, d) arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in Bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder
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InsVV § 3
Zu- und Abschläge
e) der Verwalter einen Insolvenzplan ausgearbeitet hat. (2) Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere gerechtfertigt, wenn a) ein vorläufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tätig war, b) die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt übernahm, c) das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet, d) die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte, oder e) die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist. )
)
Absatz 2 Buchst. c und Buchst. d geändert, Absatz 2 Buchst. e eingefügt durch Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lauteten Absatz 2 Buchst. c und Buchst. d: „(2) … c) das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet oder d) die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte.“ Übersicht
I. II. III. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... 1 Die Berechnung ................................... 7 Erhöhungstatbestände ......................... 9 Aus- und Absonderungsrechte ............ 9 Unternehmensfortführung/ Hausverwaltung .................................. 11 3. Große Masse ........................................ 18 4. Arbeitsrecht ......................................... 20 5. Insolvenzplan ...................................... 21 IV. Weitere Erhöhungstatbestände ........ 22 1. Mangelhafte Buchhaltung ................... 22 2. Übertragung der Zustellungen (§ 8 Abs. 3 InsO) ................................ 23 V. Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ............................................. 24 1. Tätigkeit des vorläufigen Verwalters .................................................. 24 2. Verwertete Masse bei Amtsübernahme ........................................... 27 3. Vorzeitige Beendigung ........................ 28
I. 1
4. 5. 6.
Vorzeitige Beendigung des Amtes ..... 29 Große Masse ........................................ 30 Überschaubare Vermögensverhältnisse .......................................... 31 7. Weitere Minderungstatbestände ........ 32 VI. Der vorläufige Insolvenzverwalter .............................................. 33 1. Bestellung eines starken vorläufigen Verwalters ............................................ 34 2. Bestellung eines vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt .............................................. 35 3. Betriebsfortführung ............................ 36 4. Gegenstände, die mit Aus- und Absonderungsrechten belastet sind ........ 37 5. Ausschluss von Erhöhungstatbeständen bei bestelltem Sachverständigen .............................................. 38 6. Verwertungsmaßnahmen .................... 40
Vorbemerkung
Durch die Regelvergütung nach § 2 sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Standardtätigkeiten für den Insolvenzverwalter abgegolten sein. Um auch Besonderheiten in einzelnen Insolvenzverfahren abgelten zu können, bietet § 3 die Möglichkeit, von der Regelvergütung abzuweichen. Dies basiert auf § 63 InsO, wonach bei der Festsetzung der Vergütung dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung 1752
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§ 3 InsVV
Zu- und Abschläge
des Verwalters Rechnung getragen werden muss. Tatsachen, die ihren Grund außerhalb der Tätigkeit des Insolvenzverwalters haben, können keine Erhöhung oder Minderung der Vergütung rechtfertigen. So kann weder die lange Bearbeitung des Vergütungsantrags durch das Insolvenzgerichts zur Erhöhung der Vergütung führen noch eine zu hohe Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Abschlag auf die Vergütung des Insolvenzverwalters rechtfertigen.1) Maßgebend sind jeweils die Besonderheiten des Einzelfalls.2) Weicht die Tätigkeit des Insolvenzverwalters signifikant3) vom Normalen ab, hat er einen Anspruch auf Gewährung eines angemessenen Zuschlags. Ein Vergütungszuschlag ist gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit einen überdurchschnittlichen Umfang oder besondere Schwierigkeiten aufgewiesen hat,4) ein Abschlag von der Vergütung dementsprechend bei unterdurchschnittlicher Belastung. Wenn auch in der Kommentierung verschiedentlich ein Normalfall eingehend beschrieben worden ist,5) kann dies nicht als Grundlage für beliebige andere Fälle herangezogen werden. Die Definitionen basieren teilweise auf Untersuchungen, die noch zu Zeiten der KO durchgeführt worden sind, und müssen deshalb unter Berücksichtigung der aktuellen Verhältnisse stets überprüft werden.
2
Konkrete Sachverhalte sind tatrichterlich zu würdigen.6) Die Listung von Einzelfällen, die für bestimmte Tätigkeiten bestimmte Prozentsätze als Erhöhungsfaktor vorgeben, führt u. U. zu exorbitanten Vergütungen, denn diese Prozentsätze müssten konsequenterweise in jedem Fall gewährt werden. Die Anwendung solcher „Faustregeltabellen“7) wäre nicht mehr auf einen konkreten Einzelfall bezogen und ist daher ebenso abzulehnen wie der Vergleich mit Entscheidungen desselben Amtsgerichts in ähnlich gelagerter Sache.8)
3
Nicht zwingend ist die Berücksichtigung aller möglichen Erhöhungstatbestände. Eine angemessene Vergütung wird erreicht, indem insgesamt nach Umfang und Schwierigkeit der Geschäftsführung Abweichungen vom Regelsatz vorgenommen werden (§ 63 Abs. 1 Satz 3 InsO). Dabei ist die Tätigkeit des Verwalters einer Gesamtwürdigung zu unterziehen,9) die Bestimmung einzelner Zu- und Abschläge ist nicht erforderlich.10)
4
_____________ 1) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 38/11, ZIP 2013, 2164; dazu EWiR 2014, 21 (Prasser). 2) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 = ZVI 2005, 150. 3) D. h. die Abweichung muss einen Zuschlag von mindestens 5 % rechtfertigen, vgl. BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 = ZVI 2006, 409. 4) BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZB 246/11. 5) Z. B. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann/Prasser, InsO, § 3 InsVV Rz. 9 ff, 60 ff; Haarmeyer/ Wutzke/Förster, InsVV, § 2 Rz. 7 ff. 6) BGH, Beschl. v. 23.9.2004 – IX ZB 215/03, NZI 2004, 665. 7) Kübler/Prütting/Bork-Eickmann/Prasser, InsO, § 3 InsVV Rz. 116, 142, vgl. auch Haarmeyer/ Wutzke/Förster, InsVV, § 3 Rz. 78; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 63 Rz. 5. 8) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 201/05, ZInsO 2007, 370; BGH, Beschl. v. 13.11.2008 – IX ZB 141/07, ZInsO 2009, 55; BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – IX ZB 172/08, JurionRS 2010, 15006. 9) BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 = ZVI 2006, 409. 10) BGH, Beschl. v. 14.2.2008 – IX ZB 181/04, ZIP 2008, 618 = ZVI 2008, 226.
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InsVV § 3
Zu- und Abschläge
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Zu- oder auch Abschläge sollen einen Ausgleich für den tatsächlich gestiegenen oder geminderten Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters darstellen, sodass z. B. eine lange oder besonders kurze Verfahrensdauer für sich allein kein Kriterium für einen Zu- oder Abschlag ist.11) Führt die die Erhöhung auslösende Tätigkeit auch zu einer Massemehrung, ist sie nicht allein deshalb mit dieser Begründung außer Acht zu lassen,12) allerdings ist in solchen Fällen stets eine vergleichende Berechnung vorzunehmen, inwieweit der zu vergütende Mehraufwand durch die erhöhte Regelvergütung, die auf der Massemehrung basiert, bereits abgegolten ist.13)
6
Es ist Aufgabe des Verwalters, die einen Zuschlag rechtfertigenden Tatsachen in seinem Vergütungsantrag vorzutragen.14) Ein allgemeiner Verweis auf die bisherige Berichterstattung reicht nicht aus. II. Die Berechnung
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Auszugehen ist grundsätzlich von der Regelvergütung nach § 2, dies kann auch die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 sein.15) Rein rechnerisch wird dieser Betrag mit 100 % angenommen. Ab- oder Zuschläge werden ebenfalls prozentual ausgedrückt. Ein Zuschlag von 5 % führt zu einer Endvergütung von 105 %. Entsprechendes gilt auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter. Er erhält als Regelvergütung einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren. Nach § 63 Abs. 3 Satz 2 InsO sind dies 25 %. Bei der Berechnung von Erhöhungstatbeständen sind diese 25 % unmittelbar zu erhöhen, ein Zuschlag von 5 % führt deshalb zu einer Gesamtvergütung von 30 %.16) Entsprechendes gilt für den Sachwalter (§ 12 Abs. 1, 60 %).
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Der endgültige Vergütungssatz, also die Summe aller Zu- und Abschläge, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung. Mehrere Erhöhungstatbestände können zu einer rechnerischen Größe zusammengefasst werden. Liegt neben mehreren Erhöhungstatbeständen auch ein Minderungstatbestand vor, darf die Summe der Zuschläge nicht pauschal um den Abschlag gekürzt werden, wenn der Umstand, der zu dem Abschlag führt, nicht alle Erhöhungstatbestände in gleicher Weise relativiert.17) III. Erhöhungstatbestände 1.
9
Aus- und Absonderungsrechte
Aus- und Absonderungsrechte (§§ 47, 49 – 51 InsO) werden bereits bei der Ermittlung der vergütungsrelevanten Masse berücksichtigt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1). Allein durch die Berücksichtigung dieser Rechte wird die Vergütung erhöht. Musste sich _____________ 11) BGH, Beschl. v. 16.9.2010 – IX ZB 154/09, ZIP 2010, 2056, dazu EWiR 2010, 791 (Prasser/Rendels); Begr. zum Entwurf einer InsVV (§ 2) v. 19.8.1998, abgedr. in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, Anh. II zur InsVV, S. 11. 12) BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – IX ZB 50/03, ZIP 2004, 518 = ZVI 2004, 203. 13) Z. B. BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/06, ZIP 2007, 826 oder BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZB 162/11, ZIP 2012, 682. 14) BGH, Beschl. v. 16.6.2005 – IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371 = ZVI 2005, 385. 15) BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976; BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 118/08, ZInsO 2009, 1511 m. w. N. 16) BGH, Beschl. v. 27.9.2012 – IX ZB 243/11, ZInsO 2013, 840. 17) BGH, Beschl. v. 26.4.2007 – IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330 = ZVI 2008, 317.
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§ 3 InsVV
Zu- und Abschläge
der Verwalter in erheblichem Umfang mit derartigen Rechten auseinandersetzen, ohne dass deren Berücksichtigung bei der vergütungsrelevanten Masse zu einer angemessenen Vergütung der Tätigkeiten führt, ist ein Zuschlag zu gewähren. Ein erheblicher Umfang kann sich daraus ableiten, dass die Masse zu einem überwiegenden Teil aus Gegenständen besteht, die mit Aus- und Absonderungsrechten belastet sind, aber auch aus einer umfangreichen Tätigkeit bezogen nur auf einen Gegenstand. Auch hier ist der konkrete Einzelfall maßgebend. Durch die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten muss der Verwalter über das übliche Maß hinaus beansprucht worden sein. Ein Zuschlag, der sich an einer festen Quote hinsichtlich der Rechte oder der Anzahl der Aus- und Absonderungsgläubiger orientiert, ist abzulehnen.18) Denn schon die Bearbeitung eines Absonderungsrechts kann den Verwalter erheblich in Anspruch nehmen, während andererseits ein Grundstück, das mit mehreren Absonderungsrechten belastet ist, möglicherweise auch problemlos veräußert werden kann. 2.
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Unternehmensfortführung/Hausverwaltung
Zwar gehört die Unternehmensfortführung zu den allgemeinen Aufgaben (§ 1 InsO) des Insolvenzverwalters, nach der Konzeption der InsVV ist diese Tätigkeit jedoch immer durch eine Erhöhung der Vergütung zu honorieren. Die Erhöhung kann allerdings zu kürzen sein, wenn der Verwalter die Geschäftsführung vor Ort einem Interimsmanager überträgt, der gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 aus der Masse bezahlt wird.19) Eine Kürzung ist immer einzelfallbezogen von der Größe des Unternehmens, dem Umfang der übertragenen Aufgaben und der Kooperationsbereitschaft des bisherigen Managements des schuldnerischen Unternehmens abhängig zu machen.
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Eine Unternehmensfortführung wirkt sich durch den Überschuss, der aus der Unternehmensfortführung erwirtschaftet werden kann (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b), erhöhend auf die vergütungsrelevante Masse und damit auch auf die Vergütung aus. Kann kein wesentlicher Überschuss erwirtschaftet werden oder ist der Überschuss und die damit verbundene Erhöhung der Regelvergütung im Verhältnis zum Aufwand unangemessen gering, muss der Aufwand des Verwalters durch einen Zuschlag abgegolten werden.20) Charakterisiert wird der Aufwand im Wesentlichen durch die Dauer der Betriebsfortführung und die Größe des fortgeführten Betriebs. Wird das Unternehmen nicht fortgeführt, rechtfertigt dies indes keinen Abschlag.21)
12
Bei der Bemessung des Zuschlags ist eine Vergleichsberechnung durchzuführen: Der Wert, um den sich die vergütungsrelevante Masse durch die Überschüsse der Unternehmensfortführung vergrößert hat, und die dadurch bedingte Zunahme der Regelvergütung ist der Vergütung gegenüber zu stellen, die ohne die Massemehrung durch den dann – in Abhängigkeit vom getätigten Aufwand im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung – zu gewährenden Zuschlag erreicht würde.22) _____________
13
18) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 607/02, ZIP 2003, 1757 = NZI 2003, 603. 19) BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 122/08, ZIP 2010, 1909, m. Anm. Prasser. 20) BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZB 179/07, ZIP 2008, 2222 = ZInsO 2008, 1262, dazu EWiR 2007, 761 (H. Schröder). 21) BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 = ZVI 2006, 409. 22) BGH, Beschl. v. 24.1.2008 – IX ZB 120/07, ZIP 2008, 514 = ZVI 2008, 406.
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InsVV § 3
Zu- und Abschläge
Der Zuschlag zur Regelvergütung auf der Basis der um die Überschüsse der Betriebsfortführung erhöhten Berechnungsgrundlage ist ggf. so zu kürzen, dass die Vergütung insgesamt den Betrag nicht übersteigt, der sich auf der Berechnungsgrundlage ohne die Überschüsse der Betriebsfortführung einschließlich des zuvor ermittelten angemessenen Zuschlags errechnet. 14
Beispiel: Die Verwertungseinnahmen betragen insgesamt 20 000 €, darüber hinaus wurde aus der Betriebsfortführung ein Überschuss von 35 000 € generiert. Regelvergütung nach 20 000 €: 8 000 € Zuschlag für die Betriebsfortführung (150 %): 12 000 € angemessene Vergütung: 20 000 € Regelvergütung nach 55.000 €: 17 500 € (gekürzter) Zuschlag für die Betriebsfortführung (14,3 %, gerundet auf 15 %): 2 625 € angemessene Vergütung: 20 125 €
15
Sind neben dem Zuschlag für die Betriebsfortführung weitere Zuschläge für andere Erschwernisse gerechtfertigt, sind diese auf Basis der Berechnungsgrundlage einschließlich des Überschusses aus der Betriebsfortführung zu ermitteln; die Vergleichsrechnung ist ausschließlich zur Bemessung des Zuschlags für die Betriebsfortführung vorzunehmen.23)
16
Eine Immobilienbewirtschaftung ist ebenfalls nicht generell von der Regelvergütung abgedeckt.24) Eine solche liegt allerdings nur vor, wenn der Verwalter tatsächlich z. B. Verkehrssicherungspflichten erfüllt, Mieten einzieht, die Erfüllung von Hausverwaltungsaufgaben und die Energieversorgung sicherstellt. Maßgebend für die Höhe des Zuschlags ist der Umfang des Grundbesitzes sowie der Grad der besonderen Schwierigkeiten. Es ist ebenfalls eine Vergleichsberechnung vorzunehmen wie vorstehend bei der Betriebsfortführung (Rz. 13 ff) beschrieben.
17
Hausverwaltungen i. R. einer kalten Zwangsverwaltung kommen überwiegend den Grundpfandgläubigern und nicht der Insolvenzmasse zugute. Die h. M. zieht daraus den Schluss, dass eine Erhöhung der Vergütung zulasten der Insolvenzgläubiger ausscheidet.25) Die Vergütung dieser Tätigkeit erfolgt gesondert durch die Grundpfandgläubiger. Die Vergütung ist nicht Bestandteil der Insolvenzmasse; sie ist auch nicht auf die Vergütung des Insolvenzverwalters anzurechnen.26) 3.
18
Große Masse
Nach § 2 Abs. 1 verringert sich der prozentuale Anteil der Vergütung mit zunehmendem Wert der Masse. Erwirtschaftet der Verwalter mit erheblichem Aufwand _____________ 23) BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 143/08, ZIP 2011, 1373. 24) BGH, Beschl. v. 24.1.2008 – IX ZB 120/07, ZIP 2008, 514 = ZVI 2008, 406. 25) LG Heilbronn, Beschl. v. 4.4.2012 – 1 T 89/12, ZIP 2012, 20; Keller, Vergütung, Rz. 274; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 3 Rz. 22; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann/ Prasser, InsO, § 3 InsVV Rz. 97, insgesamt konsequent für Massezugehörigkeit der Vergütung als „kalter“ Zwangsverwalter und Zuschlagsfähigkeit der Tätigkeit. 26) LG Leipzig, Beschl. v. 23.1.2007 – 12 T 763/06, ZInsO 2007, 148.
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§ 3 InsVV
Zu- und Abschläge
weitere Masse, wird diese Tätigkeit daher alleine durch die Regelvergütung nicht angemessen vergütet. Ein Zuschlag wird für erheblichen Einsatz, der zu einer Massemehrung führt, gewährt und unterstreicht den Zweck der sog. Anspornvergütung. Die Zuschlagsgewährung zwecks Degressionsausgleich kommt allerdings erst ab einer Berechnungsgrundlage von mehr als 250 000 € in Betracht.27) Eine besonders große Masse und eine hohe Befriedigungsquote sind dagegen für sich genommen keine Erhöhungstatbestände. 4.
Arbeitsrecht
Arbeitsrechtliche Fragen betreffen ein besonderes Rechtsgebiet, das allein aus diesem Grund als besonders schwierig einzustufen ist. War der Verwalter hiermit in besonderem Maße beschäftigt, rechtfertigt dies einen Zuschlag. Die in der Vorschrift genannten Bereiche Insolvenzgeld, Kündigungsschutz und Sozialplan sind beispielhaft. Besondere Schwierigkeiten können sich auch aus der Befassung mit Betriebsrenten, der Senkung von Arbeitskosten oder aus der Verhandlung über Betriebsvereinbarungen ergeben. Dass der Insolvenzverwalter eine besondere Vergütung nach § 5 beanspruchen kann, schließt einen Zuschlag nach Absatz 1 Buchst. d nicht aus.28) 5.
19
20
Insolvenzplan
Die Erarbeitung eines Insolvenzplans (§§ 217 ff InsO) ist stets mit besonderem Aufwand verbunden, sodass alleine die Tatsache, dass der Verwalter einen Plan erarbeitet hat, einen Zuschlag auf die Regelvergütung rechtfertigt.
21
IV. Weitere Erhöhungstatbestände 1.
Mangelhafte Buchhaltung
Erschwerend wirkt sich eine unvollständige oder ungeordnete Buchhaltung aus, wenn die Mängel nicht nur geringfügig sind.29) Die Art der Buchführung ist ohne Bedeutung, es kann sich also um eine reine Bilanzbuchhaltung oder eine Personalbuchhaltung handeln. War im Verfahren ein vorläufiger Insolvenzverwalter oder ein Sachverständiger tätig, kann der Zuschlag teilweise oder in vollem Umfang entfallen, sofern aufgrund deren Tätigkeit keine Ermittlungen anhand der Buchhaltung mehr durchgeführt werden müssen. 2.
22
Übertragung der Zustellungen (§ 8 Abs. 3 InsO)
Die Gewährung eines Zuschlags kommt lediglich in Verfahren in Betracht, die vor dem 1.1.2004 eröffnet wurden, da in diesen Verfahren eine gesonderte Erstattung der Zustellungsauslagen neben der Auslagenpauschale nach § 8 nicht zulässig ist. In den neueren Verfahren wird die Durchführung der Zustellungen im Auftrag des Gerichts mit einem angemessenen Gesamt-Pauschalbetrag abgegolten, der neben _____________ 27) BGH, Beschl. v. 8.11.2012 – IX ZB 139/10, NZI 2012, 981, dazu EWiR 2012, 803 (Blersch). 28) BAG, Beschl. v. 28.4.2003 – 2 AZB 78/02, ZIP 2003, 1947 = ZVI 2003, 556. 29) BGH, Beschl. v. 23.9.2004 – IX ZB 215/03, NZI 2004, 665 = DZWIR 2005, 32.
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InsVV § 3
Zu- und Abschläge
den Porto- und Materialkosten auch die Personalkosten beinhaltet.30) Hierdurch wird bereits eine einzelfallbezogene Vergütung der Mehrbelastung erreicht. V. Zurückbleiben hinter dem Regelsatz 1.
Tätigkeit des vorläufigen Verwalters
24
War im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden, kann dies für den Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz rechtfertigen. Maßgebend ist auch hier, ob konkrete Arbeitserleichterungen durch die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters für den Insolvenzverwalter festzustellen sind. Die Arbeitserleichterung muss deutlich zutage treten und vom Normalfall abweichen.31)
25
Allein die Tatsache der Bestellung eines vorläufigen Verwalters rechtfertigt keine Reduzierung der Regelvergütung. Daran ändert auch der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.5.200632) nichts, der im Leitsatz u. a. postuliert, ein Abschlag sei regelmäßig vorzunehmen. Zur Begründung verweist der Bundesgerichtshof auf die Begründung zu § 3.33) Dort heißt es, der vorläufige Insolvenzverwalter könne dem Verwalter erhebliche Arbeiten ersparen. Die Erheblichkeitsgrenze sieht der Bundesgerichtshof bei Tätigkeiten, die einen Zuschlag von mehr als 5 % rechtfertigen würden.
26
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich beide Aufgabengebiete stark unterscheiden: Der vorläufige Verwalter hat in erster Linie die Insolvenzmasse zu sichern, der Insolvenzverwalter zu verwerten. Tätigkeiten, die grundsätzlich zu den Aufgaben des vorläufigen Verwalters gehören, z. B. die Feststellung der zu sichernden Masse, die Fortführung des Unternehmens oder die Aufnahme des Inventars, führen nicht zur Reduzierung der Vergütung des endgültigen Verwalters. Werden dem vorläufigen Verwalter dagegen Zuschläge für Tätigkeiten gewährt, die dem Aufgabenbereich des endgültigen zuzuordnen sind (Verwertungsmaßnahmen), führt dies zu einem entsprechenden Abschlag bei der Vergütung des endgültigen Verwalters.34) 2.
27
3. 28
Verwertete Masse bei Amtsübernahme
Zu den wesentlichen Aufgaben des Verwalters gehört die Verwertung des dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögens (§ 159 InsO). Ist die Verwertung zum Zeitpunkt der Amtsübernahme bereits zu einem erheblichen Teil erfolgt, ist der Aufwand des neuen Verwalters entsprechend geringer. In der Regel wird dies bei einem Wechsel der Person des Insolvenzverwalters zu einem Abschlag führen. Vorzeitige Beendigung
Wird das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet (Massearmut, Masseunzulänglichkeit, Einstellung des Verfahrens; vgl. im Einzelnen § 1 Rz. 16 ff), reduziert sich der Aufwand des Verwalters, sodass ein Abschlag geboten ist. Insbesondere bei Masse_____________ BGH, Beschl. v. 21.3.2013 – IX ZB 209/10, ZIP 2013, 833, dazu EWiR 2013, 383 (Keller). LG Potsdam, Beschl. v. 22.11.2007 – 5 T 523/06, ZInsO 2008, 154. BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 = ZVI 2006, 409. Begr. zum Entwurf einer InsVV (§ 3) v. 19.8.1998, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Anh. II zur InsVV, S. 12. 34) BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 = ZVI 2006, 409.
30) 31) 32) 33)
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§ 3 InsVV
Zu- und Abschläge
armut (§ 207 InsO) entfällt jede Verpflichtung zu Verwertungsmaßnahmen. Maßgebend ist wiederum die im konkreten Einzelfall erbrachte Leistung des Verwalters, die tatrichterlich zu würdigen ist. 4.
Vorzeitige Beendigung des Amtes
Endet das Amt des Verwalters nicht durch die Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens, sondern z. B. durch Abwahl des Verwalters, kann er lediglich eine eingeschränkte Vergütung geltend machen. Ähnlich dem vorläufigen Verwalter steht ihm ein angemessener Bruchteil der Vergütung des Verwalters zu.35) Die Höhe des Abschlags ist von der konkret erbrachten Leistung des Verwalters abhängig. Weitere Erschwernisse oder Erleichterungen können durch weitere Zu- oder Abschläge i. S. von § 3 Berücksichtigung finden, die den zuvor ermittelten Bruchteil unmittelbar erhöhen oder mindern. 5.
Große Masse
Eine große Masse führt bereits zu einer hohen Regelvergütung. Steht der Masse keine entsprechende Verwertungstätigkeit des Verwalters gegenüber, ist ein Abschlag vorzunehmen. Anzunehmen ist dies etwa, wenn der Verwalter das Vermögen in Form von unbelasteten Kontenguthaben vorfindet, der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erbt oder im Lotto gewinnt.36) 6.
31
Weitere Minderungstatbestände
Zu einem Abschlag können alle Sachverhalte führen, die die Arbeit des Verwalters erleichtern, z. B. die Beschäftigung von Personal der Insolvenzschuldnerin nach § 4 Abs. 1 Satz 2 zulasten der Masse. Grundsätzlich gilt, dass einfache, nur geringe Anforderungen stellende Verfahren zu einer Minderung führen.38)
_____________ 35) 36) 37) 38)
30
Überschaubare Vermögensverhältnisse
Um auch für weniger arbeitsintensive Verfahren eine Anpassung der Vergütung auf ein angemessenes Maß zu gewährleisten, wurde § 3 Abs. 2 unter Buchst. e um einen weiteren Abschlagstatbestand ergänzt. Dieser wiederholt die Formulierung des § 5 Abs. 2 Satz 1 InsO und findet damit nach seinem Wortlaut auf alle schriftlich durchführbaren Verfahren Anwendung. Eine pauschale Anwendung auf alle schriftlich durchgeführten Verfahren beinhaltet jedoch die Gefahr unangemessener Vergütungskürzungen, da die Gerichte aufgrund der hohen Arbeitsbelastung erfahrungsgemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 InsO weit auslegen. Selbst bei schriftlich durchgeführten Verfahren ist eine Einzelfallbetrachtung unerlässlich. Auch nach der Begründung des Verordnungsgebers begründet § 3 Abs. 2 Buchst. e daher lediglich eine Möglichkeit, die Vergütung in einfach gelagerten Verfahren zu kürzen, nicht aber ein Verpflichtung.37) 7.
29
BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 301/03, ZIP 2005, 180 = ZVI 2005, 150. AG Göttingen, Beschl. v. 8.9.2011 – 74 IN 235/09, ZIP 2012, 539. Begr. RegE z. GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 36. BGH, Beschl. v. 23.3.2006 – IX ZB 20/05, ZIP 2006, 858 = ZVI 2006, 262.
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InsVV § 3
Zu- und Abschläge
VI. Der vorläufige Insolvenzverwalter 33
Besondere Erschwernisse oder Erleichterungen führen auch beim vorläufigen Verwalter zu Zu- oder Abschlägen. Einzelne Tätigkeiten des vorläufigen Verwalters können im Einzelfall denen des Insolvenzverwalters entsprechen. Unzulässig ist es daher, einen Zuschlag im Vergleich zum Insolvenzverwalter grundsätzlich zu kürzen.39) Führt der vorläufige Insolvenzverwalter das schuldnerische Unternehmen fort, hat er ebenfalls noch nicht abgeschlossene Arbeiten, z. B. halbfertige Bauobjekte, fertigzustellen. Im Eröffnungsverfahren ist eine Fortführung sogar mit größeren Risiken behaftet, da der vorläufige Insolvenzverwalter den Bestand der Insolvenzmasse nicht kennt und unter einem besonderen Zeitdruck steht. Ungewiss ist zudem, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird.40) 1.
34
2. 35
Betriebsfortführung
Die Bemessung des Zuschlags richtet sich im Falle einer Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nach den gleichen Grundsätzen wie bei dem Insolvenzverwalter, der den Geschäftsbetrieb des Schuldners fortführt, vgl. vorstehend § 3 Rz. 11 ff.44) 4.
37
Bestellung eines vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt
Ebenso unzulässig ist die Berücksichtigung einer pauschalen Erhöhung für die Bestellung als vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO), denn auch ein solcher Zuschlag gründet sich nicht auf eine konkrete Erschwernis in der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters.42) Der Verwalter muss vielmehr darlegen, dass er sich in erheblichem Umfang mit Verfügungen des Schuldners auseinander setzen musste.43) 3.
36
Bestellung eines starken vorläufigen Verwalters
Wird dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen (§ 22 Abs. 1 InsO, „starker Verwalter“), rechtfertigt dies alleine noch keinen Zuschlag.41) Mit seiner Ernennung kann ein höheres Haftungsrisiko verbunden sein. Vergütungsrechtlich wird es nur relevant, wenn das Risiko aufgrund der konkreten Tätigkeit tatsächlich zutage tritt.
Gegenstände, die mit Aus- und Absonderungsrechten belastet sind
Gegenstände, die mit Aus- und Absonderungsrechten belastet sind, können bei dem vorläufigen Verwalter nur in Ausnahmefällen Erhöhungen auslösen. Hat der vorläufige Verwalter sich in erheblichem Umfang mit diesen Gegenständen befasst, _____________ 39) BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 52/04, ZIP 2004, 2448 = ZVI 2005, 227. 40) Eine Auflistung der in Rspr. und Literatur anerkannten Erhöhungstatbestände findet sich bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 11 Rz. 71. 41) BGH, Beschl. v. 24.6.2003 – IX ZB 453/02, ZIP 2003, 1759 = ZVI 2003, 484. 42) BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 10/03, ZIP 2003, 1612 = ZVI 2003, 430. 43) BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 268/04, ZIP 2006, 625 = ZVI 2006, 70. 44) BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 182/04, ZInsO 2008, 1265; BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/06, ZIP 2007, 826 = ZVI 2007, 332; BGH, Beschl. v. 13.4.2006 – IX ZB 158/05, ZIP 2006, 1008 = ZVI 2006, 261.
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§ 3 InsVV
Zu- und Abschläge
finden diese i. d. R. bereits mit ihrem gesamten Wert (und nicht nur mit einem eventuellen Überschuss oder den Kostenbeiträgen des § 171 InsO) als Bestandteil der Berechnungsgrundlage Berücksichtigung, § 11 Abs. 1 Satz 2. Denkbar ist die Gewährung eines Zuschlags nach § 3 Abs. 1 Buchst. a daher nur, wenn Aussonderungsgut nach § 11 Abs. 1 Satz 3 in der Berechnungsgrundlage keine Berücksichtigung gefunden hat, aber gleichwohl erhebliche Tätigkeit auf diese Gegenstände zu entfalten war. 5.
Ausschluss von Erhöhungstatbeständen bei bestelltem Sachverständigen
Erhöhungen nach § 3 sind ausgeschlossen, wenn die zu bewertende Tätigkeit bereits durch die Vergütung des Sachverständigen nach dem JVEG abgegolten ist.45) In Betracht kommen hier die Prüfung der Eröffnungsgründe und der Fortführungsaussichten (§ 11 Abs. 4) und, wie häufig von den Gerichten verlangt, die Prüfung der Deckung der Verfahrenskosten. Um Letzteres festzustellen, muss der Sachverständige vorhandene Massegegenstände auf ihre Werthaltigkeit prüfen, z. B. das Vorhandensein und die Durchsetzbarkeit von Anfechtungsansprüchen. Diese Tätigkeiten werden bereits gesondert vergütet und können deshalb keinen Erhöhungstatbestand rechtfertigen.46) Die Beschäftigung mit Anfechtungsrechten kann nur dann eine Erhöhung begründen, wenn nur der vorläufige Verwalter aufgrund seiner besonderen Befugnisse tätig werden konnte oder er besondere Maßnahmen zur Sicherung der Ansprüche getroffen hat.47)
38
Eine Erhöhung ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn die Inventarisierung und Bewertung von Gegenständen durch den Verwalter einem Sachverständigen übertragen wird und dessen Vergütung als Masseverbindlichkeit aus der Masse gezahlt wird. Hier fehlt es an der Erschwernis, die den Verwalter selbst treffen muss.48)
39
6.
Verwertungsmaßnahmen
Verwertungsmaßnahmen gehören grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters. Wird ein Unternehmen fortgeführt, stellen die damit verbundenen Veräußerungen oder die Einziehung von Forderungen allerdings keine insolvenztypische Verwertung dar, denn sie dienen vorrangig der Erhaltung, nicht der Massemehrung. Maßnahmen, die nicht im Zusammenhang mit einer Fortführung stehen, etwa der Einzug verjährungsbedrohter Forderungen, sind hingegen zulässig und können einen Zuschlag rechtfertigen.49) Hat der vorläufige Verwalter an der Veräußerung des Unternehmens mit Zustimmung des Gerichts oder der Gläubiger mitgewirkt, kann dies durch einen Zuschlag gesondert vergütet werden.50)
_____________ 45) 46) 47) 48) 49) 50)
BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653 = ZInsO 2004, 672. BGH, Beschl. v. 26.4.2007 – ZX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330 = ZInsO 2007, 766. BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 268/04, ZIP 2006, 625 = ZVI 2006, 70. BGH, Beschl. v. 14.2.2008 – IX ZB 181/04, ZIP 2008, 618 = ZVI 2008, 226. BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – IX ZB 28/03, NZI 2004, 381. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672 = ZVI 2006, 165, m. Anm. Prasser, ZIP 2006, 675.
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InsVV § 4
Geschäftskosten, Haftpflichtversicherung
§4 Geschäftskosten, Haftpflichtversicherung (1) 1Mit der Vergütung sind die allgemeinen Geschäftskosten abgegolten. 2Zu den allgemeinen Geschäftskosten gehört der Büroaufwand des Insolvenzverwalters einschließlich der Gehälter seiner Angestellten, auch soweit diese anlässlich des Insolvenzverfahrens eingestellt worden sind. 3Unberührt bleibt das Recht des Verwalters, zur Erledigung besonderer Aufgaben im Rahmen der Verwaltung für die Masse Dienst- oder Werkverträge abzuschließen und die angemessene Vergütung aus der Masse zu zahlen. (2) Besondere Kosten, die dem Verwalter im Einzelfall, zum Beispiel durch Reisen, tatsächlich entstehen, sind als Auslagen zu erstatten. (3) 1Mit der Vergütung sind auch die Kosten einer Haftpflichtversicherung abgegolten. 2Ist die Verwaltung jedoch mit einem besonderen Haftungsrisiko verbunden, so sind die Kosten einer angemessenen zusätzlichen Versicherung als Auslagen zu erstatten. Literatur: Graeber, Reloaded: Auswirkungen der Übertragungen der Zustellungen auf den Insolvenzverwalter nach § 8 Abs. 3 InsO auf die Vergütung und den Auslagenersatz des Insolvenzverwalters in Neuverfahren, ZInsO 2007, 204. Übersicht
1
I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Allgemeine Geschäftsunkosten ......... Büroaufwand ......................................... Angestellte .............................................
I.
Vorbemerkung
1 2 3 4
III. Verträge zulasten der Masse ............... 5 IV. Besondere Kosten (Abs. 2) ................ 13 V. Haftpflichtversicherung ................... 16
§ 4 legt fest, welche Kosten durch die Vergütung abgegolten sind. Zweck der Vorschrift ist es, Unsicherheiten zu beseitigen und die Gerichte von schwierigen Abgrenzungsfragen zu entlasten. II. Allgemeine Geschäftsunkosten
2
Der Begriff „allgemeine Geschäftsunkosten“ umfasst den Büroaufwand sowie die bei dem Verwalter beschäftigten Angestellten. 1.
3
2. 4
Büroaufwand
Hierzu gehören die Unkosten, die durch den Betrieb einer Büroorganisation ausgelöst werden. Zu nennen sind etwa anfallende Mietkosten, Verbrauchskosten (z. B. Strom), Leasingraten für EDV-Ausstattung, Büromaterial usw. Auch Bewirtungskosten für die Abhaltung einer Gläubigerausschusssitzung in den Räumen der Verwalterkanzlei sind hiervon erfasst. Angestellte
Eindeutig der Deckung durch die Vergütung zugeordnet sind die Kosten der Arbeitsverhältnisse, die der Verwalter für sich begründet. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Einstellung aus Anlass eines größeren Insolvenzverfahrens erfolgt. Dadurch wird eine Einschätzung darüber vermieden, inwieweit Personalausgaben einem konkreten Insolvenzverfahren zugeordnet werden können. 1762
Kalkmann
Geschäftskosten, Haftpflichtversicherung
§ 4 InsVV
III. Verträge zulasten der Masse Beschäftigt der Verwalter zur Erfüllung seiner Aufgaben Personen zulasten der Masse, begründet er Masseverbindlichkeiten, die vorab aus der Masse zu erstatten sind. Das ist grundsätzlich zulässig, solange er keine höchstpersönlich zu erledigenden Aufgaben überträgt. Überträgt er jedoch Regelaufgaben oder wird er durch die Übertragung besonderer Aufgaben von Regelaufgaben entlastet, kann dies zu einer Kürzung seiner Vergütung führen.1)
5
Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, in seinem Vergütungsantrag anzugeben, welche Subunternehmer er beauftragt und welche Vergütungen er ihnen gezahlt hat. Es besteht eine Verpflichtung des Insolvenzgerichts, bei der Vergütungsfestsetzung zu prüfen, ob es sich um besondere Aufgaben und nicht um Tätigkeiten handelt, die zu den normalen Aufgaben des Verwalters gehören.
6
Grundsätzlich gilt, dass besondere Aufgaben, wie sie in § 5 beschrieben sind, zu einer angemessenen Vergütung auf Dritte übertragen werden dürfen, ohne dass dies zu einer Kürzung der Verwaltervergütung führt. Denn kann der Verwalter selbst die Vergütung für sich beanspruchen, ergibt sich kein Unterschied zur Beauftragung Dritter. Es handelt sich dann um besondere Aufgaben i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 3, die denen des § 5 gleichzustellen sind.
7
Die Verwertung der Insolvenzmasse gehört zu den Regelaufgaben des Insolvenzverwalters. Ob Verwertungsmaßnahmen dennoch als delegationsfähige Sonderaufgaben anzuerkennen sind, ist anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Überträgt der Verwalter Verwertungen, die er selbst nicht oder nur mit geringerem Erfolg bewerkstelligen könnte (z. B. Kunstgegenstände, Verwertungen im Ausland, Maklertätigkeit, etc.) einem gewerblichen Verwerter, handelt es sich um eine zulässige Ausnahme. Sind dagegen nur wenige Gegenstände zu verwerten, deren Veräußerung auch Laien geläufig ist, führt die Beauftragung eines Dienstleisters dazu, dass die Vergütung des Verwalters um die Provision des Verwerters zu kürzen ist.2)
8
Einen externen Steuerberater mit der Führung der Buchhaltung zu beauftragen, ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie vor Insolvenzeröffnung bereits außerhalb des Unternehmens geführt worden ist.3) Dagegen soll die Erstellung – im Verhältnis zur Größe des Verfahrens – weniger, einfacher Steuererklärungen, insbesondere die Anfertigung von Einkommensteuererklärungen abhängig beschäftigter Schuldner, von der Regelvergütung des Verwalters abgegolten sein.4)
9
Die Ermittlung der für eine Insolvenzanfechtung erheblichen Tatbestände (Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung, Kapitalentwicklung, etc.) stellt eine Aufgabe dar, die üblicherweise von besonders qualifizierten
10
_____________ 1)
2) 3) 4)
BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 234/06, ZIP 2007, 2323 = ZInsO 2007, 1268; BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36 = ZVI 2005, 152, dazu EWiR 2005, 833 (Henssler/Deckenbrock). BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 234/06, ZIP 2007, 2323 = ZInsO 2007, 1268; BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36 = ZVI 2005, 152. BGH, Beschl. v. 3.3.2005 – IX ZB 261/03, ZVI 2005, 143. BGH, Beschl. v. 14.11.2013 – IX ZB 161/11, ZIP 2013, 2413.
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InsVV § 4
Geschäftskosten, Haftpflichtversicherung
Personen, zumeist Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, vorgenommen wird, und die daher delegationsfähig ist, ohne dass dies zu einer Kürzung der Vergütung führt.5) 11
Verfügt der Insolvenzverwalter über eigene Gesellschaften oder Unternehmen, die von der Verwalterkanzlei rechtlich unabhängig, aber wirtschaftlich dem Verwalter zuzurechnen sind, z. B. eine Steuerberatungsgesellschaft, ergeben sich grundsätzlich keine Unterschiede. Kann der Verwalter einen Fremden zulasten der Masse verpflichten, gilt dies auch für Unternehmungen, an denen er beteiligt ist.6) Auch mit eigenen qualifizierten Mitarbeitern kann der Verwalter Verträge zulasten der Masse abschließen.7) Dem Insolvenzgericht obliegt in diesem Fall jedoch eine besondere Prüfungspflicht im Hinblick auf einen möglichen Masseschaden.8)
12
Einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen die Verträge mit Subunternehmern auch außerhalb der InsVV, etwa i. R. der Überprüfung der Rechnungslegung (§ 66 InsO) oder der Aufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58 InsO). IV. Besondere Kosten (Abs. 2)
13
Über die Vergütung hinaus hat der Verwalter Anspruch auf die Erstattung angemessener Auslagen. Sie sind im Einzelnen zu belegen und müssen tatsächlich entstanden sein. Es müssen besondere Kosten angefallen sein, die über die in Absatz 1 beschriebenen Geschäftskosten hinausgehen. So gehört es zu den Aufgaben des Verwalters, die in seinem Geschäftsbereich ansässige Insolvenzschuldnerin aufzusuchen oder Gerichtstermine wahrzunehmen. Ist der Verwalter bereit, Verfahren am Ort eines von seiner Kanzlei weit entfernten Insolvenzgerichtes zu übernehmen, kann er die laufenden Reisekosten zur Insolvenzschuldnerin oder zum Insolvenzgericht nicht als besondere Kosten geltend machen. Dies kann nur ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn das Insolvenzgericht einen im Einzelfall mit besonderen Fachkenntnissen ausgestatteten Verwalter in einem Großverfahren bestellt.
14
Liegen keine außergewöhnlichen Auslagen vor, kann der Verwalter auf eine Einzeldarlegung verzichten und sich zur Vereinfachung auf eine Pauschale beschränken, vgl. nachfolgend § 8 Rz. 14 ff.
15
Zustellungen, die der Insolvenzverwalter aufgrund eines besonderen Auftrages nach § 8 Abs. 3 InsO durchführt, gehören nicht zu den allgemeinen Aufgaben des Insolvenzverwalters. Die Auslagen der Zustellungen können in den nach dem 1.1.2004 eröffneten Verfahren neben den Pauschalauslagen des § 8 Abs. 3 als besondere Auslagen i. S. des § 4 Abs. 2 geltend gemacht werden, soweit sie nicht als sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) beglichen werden können.9) Neben den reinen Portokosten sind nicht nur die Materialkosten für Papier, Umschläge, Kopien etc. _____________ 5) 6) 7) 8) 9)
LG Aachen, Beschl. v. 8.5.2007 – 6 T 67/07, ZInsO 2007, 768. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann/Prasser, InsO, § 1 InsVV Rz. 48; A. Schmidt-Büttner, InsO, § 4 InsVV Rz. 7. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 198/05, ZIP 2006, 1501 = ZVI 2006, 407, dazu EWiR 2006, 569 (Prasser). Vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 4 Rz. 21. BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 129/05, ZIP 2007, 440 = ZVI 2007, 213; BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – IX ZB 60/05, ZVI 2008, 271 = ZInsO 2008, 555.
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Kalkmann
§ 5 InsVV
Einsatz besonderer Sachkunde
sondern auch die Personalkosten zu erstatten. Dies gilt für jede Zustellung, die der Insolvenzverwalter im Auftrag des Gerichts durchgeführt hat.10) Insgesamt ist ein Betrag von 2,80 € je Zustellung nicht unangemessen.11) Für die vor dem 1.1.2004 eröffneten Verfahren ist eine gesonderte Erstattung der Zustellungsauslagen neben der Pauschale nicht zulässig. V. Haftpflichtversicherung Rechtsanwälte sind nach § 51 BRAO verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung in dem dort beschriebenen Umfang abzuschließen. Die Kosten dieser Versicherung gehören zu den allgemeinen Geschäftskosten. Ergibt sich in einem einzelnen Insolvenzverfahren ein besonderes Haftungsrisiko, z. B. weil ein Geschäftsbetrieb fortzuführen ist oder keine auskunftsbereite Geschäftsführung zur Verfügung steht,12) können die zusätzlichen Kosten der Versicherung des Risikos als Auslagen erstattet werden. Die Versicherung muss angemessen sein. Der gerichtlichen Prüfung der Angemessenheit sind allerdings Grenzen gesetzt, da eine enge Auslegung zu einer Unterversicherung und damit zu einem Haftungsrisiko des Insolvenzgerichts führen kann.
16
_____________ 10) BGH, Beschl. v. 21.3.2013 – IX ZB 209/10, ZIP 2013, 833, dazu EWiR 2013, 383 (Keller). 11) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 25/11, ZInsO 2012, 269; Graeber, ZInsO 2007, 204. 12) LG Gießen, Beschl. v. 29.3.2012 – 7 T 434/11, ZIP 2012, 1677 = ZInsO 2012, 755.
§5 Einsatz besonderer Sachkunde (1) Ist der Insolvenzverwalter als Rechtsanwalt zugelassen, so kann er für Tätigkeiten, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren und Auslagen gesondert aus der Insolvenzmasse entnehmen. (2) Ist der Verwalter Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater oder besitzt er eine andere besondere Qualifikation, so gilt Absatz 1 entsprechend. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Voraussetzungen .................................. 2 1. Zulassung als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater .................................................... 2
I.
2. 3.
Angemessenheit der Beauftragung ...... 3 Erledigung der Tätigkeiten durch den Insolvenzverwalter ......................... 7 III. Vergütung ............................................. 8
Vorbemerkung
Auch der Insolvenzverwalter kann sich, soweit es nach allgemeiner Praxis üblich ist, eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers bedienen. Die Beauftragung bedingt allerdings, dass sich z. B. ein Rechtsanwalt mit dem Sachverhalt auseinander setzen muss, obwohl diese Kenntnisse beim Insolvenzverwalter bereits vorhanden sind. Kosten für eine Beauftragung sind als sonstige MasseverbindlichKalkmann
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§ 5 InsVV
Einsatz besonderer Sachkunde
sondern auch die Personalkosten zu erstatten. Dies gilt für jede Zustellung, die der Insolvenzverwalter im Auftrag des Gerichts durchgeführt hat.10) Insgesamt ist ein Betrag von 2,80 € je Zustellung nicht unangemessen.11) Für die vor dem 1.1.2004 eröffneten Verfahren ist eine gesonderte Erstattung der Zustellungsauslagen neben der Pauschale nicht zulässig. V. Haftpflichtversicherung Rechtsanwälte sind nach § 51 BRAO verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung in dem dort beschriebenen Umfang abzuschließen. Die Kosten dieser Versicherung gehören zu den allgemeinen Geschäftskosten. Ergibt sich in einem einzelnen Insolvenzverfahren ein besonderes Haftungsrisiko, z. B. weil ein Geschäftsbetrieb fortzuführen ist oder keine auskunftsbereite Geschäftsführung zur Verfügung steht,12) können die zusätzlichen Kosten der Versicherung des Risikos als Auslagen erstattet werden. Die Versicherung muss angemessen sein. Der gerichtlichen Prüfung der Angemessenheit sind allerdings Grenzen gesetzt, da eine enge Auslegung zu einer Unterversicherung und damit zu einem Haftungsrisiko des Insolvenzgerichts führen kann.
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_____________ 10) BGH, Beschl. v. 21.3.2013 – IX ZB 209/10, ZIP 2013, 833, dazu EWiR 2013, 383 (Keller). 11) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 25/11, ZInsO 2012, 269; Graeber, ZInsO 2007, 204. 12) LG Gießen, Beschl. v. 29.3.2012 – 7 T 434/11, ZIP 2012, 1677 = ZInsO 2012, 755.
§5 Einsatz besonderer Sachkunde (1) Ist der Insolvenzverwalter als Rechtsanwalt zugelassen, so kann er für Tätigkeiten, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren und Auslagen gesondert aus der Insolvenzmasse entnehmen. (2) Ist der Verwalter Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater oder besitzt er eine andere besondere Qualifikation, so gilt Absatz 1 entsprechend. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Voraussetzungen .................................. 2 1. Zulassung als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater .................................................... 2
I.
2. 3.
Angemessenheit der Beauftragung ...... 3 Erledigung der Tätigkeiten durch den Insolvenzverwalter ......................... 7 III. Vergütung ............................................. 8
Vorbemerkung
Auch der Insolvenzverwalter kann sich, soweit es nach allgemeiner Praxis üblich ist, eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers bedienen. Die Beauftragung bedingt allerdings, dass sich z. B. ein Rechtsanwalt mit dem Sachverhalt auseinander setzen muss, obwohl diese Kenntnisse beim Insolvenzverwalter bereits vorhanden sind. Kosten für eine Beauftragung sind als sonstige MasseverbindlichKalkmann
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InsVV § 5
Einsatz besonderer Sachkunde
keiten (§ 55 InsO) zu erstatten, mindern also nicht die Vergütung des Verwalters. Ohne die besondere Regelung des § 5 würde der Verwalter, soweit er solche Tätigkeiten selbst wahrnimmt, nur seine Vergütung erhalten. Die Folge wäre eine verstärkte Vergabe von Aufträgen an Dritte und damit eine Verzögerung des Verfahrens. § 5 räumt dem Verwalter daher das Recht ein, in diesen Fällen eine besondere Vergütung vereinnahmen zu können. II. Voraussetzungen 1. 2
Zulassung als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater
Der Insolvenzverwalter muss als Rechtsanwalt zugelassen sein. Ausgehend vom Geltungsbereich der Insolvenzordnung bezieht sich dies nur auf in der Bundesrepublik zugelassene Anwälte (§ 4 BRAO). Dem Rechtsanwalt sind insbesondere gleichgestellt Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, aber auch andere Berufe einer besonderen Qualifikation. 2.
Angemessenheit der Beauftragung
3
Abgedeckt sind die Fälle, in denen ein nicht als Rechtsanwalt bzw. Steuerberater zugelassener Verwalter vernünftigerweise einen Rechtsanwalt bzw. Steuerberater beauftragen würde, d. h. wenn ein erfahrener Verwalter, der kein Jurist oder Betriebswirt ist, eine Aufgabe selbst nicht angemessen lösen kann. Die Tätigkeiten dürfen nicht bereits durch die Vergütung selbst gedeckt sein (§ 4 Abs. 1 Sätze 1, 2). Es muss sich vielmehr um besondere Aufgaben handeln.1)
4
Darunter ist nicht nur die typische Beauftragung i. R. der Prozessführung zu verstehen, sondern auch die Wahrnehmung außergerichtlicher Geschäfte. Regelmäßig wird ein Rechtsanwalt beauftragt, wenn besondere Sachkenntnisse erforderlich sind, wie bei der Führung eines Arbeitsrechtsstreits, eines Anfechtungsrechtsstreits oder der Vertretung im Zwangsversteigerungsverfahren. Die Vorbereitung von Grundstücksgeschäften erfordert nicht grundsätzlich die Beauftragung eines Rechtsanwalts, sondern nur dann, wenn sie mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden ist.
5
Nicht angemessen ist es, zur Fertigung von Mahnungen (gegen Debitoren) einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Einziehungsmaßnahmen, die durch einfachen Schriftverkehr erfolgen, rechtfertigen ebenfalls nicht die Beauftragung eines Rechtsanwalts. Gleiches gilt für einfache Vollstreckungsmaßnahmen.
6
Kerngeschäfte des Insolvenzverwalters werden durch die eigentliche Vergütung nach § 2 abgedeckt und können nicht Gegenstand der Beauftragung eines Rechtsanwalts sein, z. B. die Überprüfung, ob eine Stammeinlage erbracht worden ist, oder die Verwertung des Schuldnervermögens. Die Ausarbeitung eines Insolvenzplans wird häufig auch als Kernaufgabe des Insolvenzverwalters angesehen; ein Insolvenzplan beinhaltet jedoch meist eine so umfassende Neuordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Schuldners, dass ein Verwalter, der nicht über eine juristische oder betriebswirtschaftliche Vorbildung verfügt, externe Berater hinzuziehen müsste. Die Ausarbeitung eines Insolvenzplans stellt daher – _____________ 1)
BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36 = ZVI 2005, 152, 1348, dazu EWiR 2005, 833 (Henssler/Deckenbrock).
1766
Kalkmann
Nachtragsverteilung. Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans
§ 6 InsVV
in Abhängigkeit vom Umfang der Restrukturierung – eine delegationsfähige besondere Aufgabe dar. 3.
Erledigung der Tätigkeiten durch den Insolvenzverwalter
Die jeweiligen Geschäfte muss der Insolvenzverwalter selbst durchgeführt haben. Abgrenzungsfragen ergeben sich, wenn der Insolvenzverwalter einen Rechtsanwalt der eigenen Kanzlei beauftragt und die hierfür entstandenen Kosten i. R. des § 5 geltend machen will. Das Verwalteramt ist ein an die Person des Verwalters gebundenes Amt. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass er jedwede Tätigkeit selbst wahrnimmt. Besonders deutlich wird dies in Großverfahren, die durch eine einzelne Person gar nicht abgewickelt werden können. Allerdings ist der Insolvenzverwalter persönlich gegenüber Gerichten und Gläubigern verantwortlich und muss sich mögliche Fehler seiner Mitarbeiter zurechnen lassen. Anwaltliche Tätigkeiten, die durch seine unmittelbaren Mitarbeiter wahrgenommen werden und für die er persönlich verantwortlich ist, führen daher zu einem Vergütungsanspruch nach dem RVG.
7
III. Vergütung Die Vergütung kann aus der Insolvenzmasse gesondert entnommen werden. Einer Genehmigung des Insolvenzgerichts bedarf es nicht. Allerdings trifft das Insolvenzgericht eine Prüfungspflicht i. R. der Schlussrechnungsprüfung, die auch die Prüfung der Entnahmen aus der Masse zum Gegenstand hat. Lässt sich feststellen, dass der Verwalter in unangemessener Weise Vergütungen nach § 5 entnommen hat, muss das Insolvenzgericht seiner Aufsichtspflicht nachkommen. Es kann den Verwalter auffordern, die entnommenen Beträge an die Masse zu erstatten oder aber die bereits entnommenen Beträge von der Vergütung nach § 2 absetzen.
8
Da dem Verwalter die Entscheidung allein überlassen wird, Vergütungen nach § 5 aus der Masse zu entnehmen, und dies eine Ermessenentscheidung ist, darf der Maßstab für Beanstandungen seitens des Insolvenzgerichts nicht kleinlich bemessen sein.2) Es müssen deutliche Anhaltspunkte für eine unangemessene Handhabung oder gar einen Missbrauch erkennbar sein.
9
Für die Höhe der Vergütung gilt § 2 RVG. Vereinbarungen einer höheren Vergütung nach § 4 RVG kommen nicht in Betracht, da mangels Auftraggeber eine Vereinbarung nicht möglich ist. _____________
10
2)
BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36 = ZVI 2005, 152.
§6 Nachtragsverteilung. Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (1) 1Für eine Nachtragsverteilung erhält der Insolvenzverwalter eine gesonderte Vergütung, die unter Berücksichtigung des Werts der nachträglich verteilten Insolvenzmasse nach billigem Ermessen festzusetzen ist. 2Satz 1 gilt nicht, wenn die Nachtragsverteilung voraussehbar war und schon bei der Festsetzung der Vergütung für das Insolvenzverfahren berücksichtigt worden ist.
Kalkmann
1767
Nachtragsverteilung. Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans
§ 6 InsVV
in Abhängigkeit vom Umfang der Restrukturierung – eine delegationsfähige besondere Aufgabe dar. 3.
Erledigung der Tätigkeiten durch den Insolvenzverwalter
Die jeweiligen Geschäfte muss der Insolvenzverwalter selbst durchgeführt haben. Abgrenzungsfragen ergeben sich, wenn der Insolvenzverwalter einen Rechtsanwalt der eigenen Kanzlei beauftragt und die hierfür entstandenen Kosten i. R. des § 5 geltend machen will. Das Verwalteramt ist ein an die Person des Verwalters gebundenes Amt. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass er jedwede Tätigkeit selbst wahrnimmt. Besonders deutlich wird dies in Großverfahren, die durch eine einzelne Person gar nicht abgewickelt werden können. Allerdings ist der Insolvenzverwalter persönlich gegenüber Gerichten und Gläubigern verantwortlich und muss sich mögliche Fehler seiner Mitarbeiter zurechnen lassen. Anwaltliche Tätigkeiten, die durch seine unmittelbaren Mitarbeiter wahrgenommen werden und für die er persönlich verantwortlich ist, führen daher zu einem Vergütungsanspruch nach dem RVG.
7
III. Vergütung Die Vergütung kann aus der Insolvenzmasse gesondert entnommen werden. Einer Genehmigung des Insolvenzgerichts bedarf es nicht. Allerdings trifft das Insolvenzgericht eine Prüfungspflicht i. R. der Schlussrechnungsprüfung, die auch die Prüfung der Entnahmen aus der Masse zum Gegenstand hat. Lässt sich feststellen, dass der Verwalter in unangemessener Weise Vergütungen nach § 5 entnommen hat, muss das Insolvenzgericht seiner Aufsichtspflicht nachkommen. Es kann den Verwalter auffordern, die entnommenen Beträge an die Masse zu erstatten oder aber die bereits entnommenen Beträge von der Vergütung nach § 2 absetzen.
8
Da dem Verwalter die Entscheidung allein überlassen wird, Vergütungen nach § 5 aus der Masse zu entnehmen, und dies eine Ermessenentscheidung ist, darf der Maßstab für Beanstandungen seitens des Insolvenzgerichts nicht kleinlich bemessen sein.2) Es müssen deutliche Anhaltspunkte für eine unangemessene Handhabung oder gar einen Missbrauch erkennbar sein.
9
Für die Höhe der Vergütung gilt § 2 RVG. Vereinbarungen einer höheren Vergütung nach § 4 RVG kommen nicht in Betracht, da mangels Auftraggeber eine Vereinbarung nicht möglich ist. _____________
10
2)
BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36 = ZVI 2005, 152.
§6 Nachtragsverteilung. Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (1) 1Für eine Nachtragsverteilung erhält der Insolvenzverwalter eine gesonderte Vergütung, die unter Berücksichtigung des Werts der nachträglich verteilten Insolvenzmasse nach billigem Ermessen festzusetzen ist. 2Satz 1 gilt nicht, wenn die Nachtragsverteilung voraussehbar war und schon bei der Festsetzung der Vergütung für das Insolvenzverfahren berücksichtigt worden ist.
Kalkmann
1767
InsVV § 6
Nachtragsverteilung. Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans
(2) 1Die Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans nach den §§ 260 bis 269 der Insolvenzordnung wird gesondert vergütet. 2Die Vergütung ist unter Berücksichtigung des Umfangs der Tätigkeit nach billigem Ermessen festzusetzen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Nachtragsverteilung ............................ 2 1. Grundlage der Vergütung ..................... 5
I. 1
2. Höhe der Vergütung ............................. 6 III. Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans ...................................... 9
Vorbemerkung
Aufgaben i. R. einer Nachtragsverteilung oder der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplanes sind grundsätzlich außerhalb des eröffneten Insolvenzverfahrens zu erledigen und werden daher nicht von der Regelvergütung des § 2 erfasst. Sie sind deshalb gesondert und nach billigem Ermessen festzusetzen. II. Nachtragsverteilung
2
Voraussetzung für eine gesonderte Vergütung ist die Anordnung der Nachtragsverteilung durch das Insolvenzgericht (§ 203 Abs. 1, § 211 Abs. 3 InsO) und die tatsächliche Durchführung der Nachtragsverteilung.1) Liegt eine solche Anordnung nicht vor, darf der Verwalter die nach dem Schlusstermin ermittelte Masse nicht an die Gläubiger, sondern nur an den Schuldner ausschütten. Nicht ausreichend ist die vielfach geübte Praxis, bei einer sich dem Hauptverfahren anschließenden Wohlverhaltensperiode die Nachtragsverteilung gemeinsam mit einer der jährlichen Ausschüttungen (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO) vorzunehmen, ohne eine Nachtragsverteilung anzuordnen. Eine Vergütung kann dann nicht gesondert festgesetzt werden.
3
Eine besondere Vergütung entfällt, wenn die Massezuflüsse, für die die Nachtragsverteilung angeordnet wurde, bereits bei der Festsetzung der Vergütung des Verwalters berücksichtigt worden sind, z. B. weil es sich um an die Masse zurückfließende Beträge handelt, oder wenn sie bei Festsetzung der Vergütung des Verwalters hätten berücksichtigt werden können, weil sie bereits absehbar und auch bezifferbar waren, vgl. vorstehend § 1 Rz. 11.
4
Masse, die zwischen Schlussrechnungslegung und Schlusstermin ermittelt wird, fließt durch Ergänzung des Vergütungsantrages zur Schlussrechnungslegung in die Vergütung des Verwalters ein.2) Massezuflüsse zwischen Schlusstermin und Vollzug der Schlussverteilung werden ebenfalls durch ergänzende Festsetzung der Vergütung des Verwalters berücksichtigt.3) 1.
5
Grundlage der Vergütung
Maßgebend ist der Wert der Masse, die der Nachtragsverteilung unterfällt. Das ist nicht zwingend der Betrag, der zur Ausschüttung gelangt. Eine Erbschaft, die nach _____________ 1) 2) 3)
BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZB 12/11, ZIP 2011, 2115 = ZInsO 2011, 2049, dazu EWiR 2011, 785 (Kalkmann). BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – IX ZB 183/04, ZIP 2006, 486 = ZVI 2006, 129; BGH, Beschl. v. 12.10.2006 – IX ZB 294/05, ZIP 2006, 2131 = ZVI 2006, 524. BGH, Beschl. v. 19.12.2013 – IX ZB 9/12 – ZIP 2014, 334, dazu EWiR 2014, 183 (Zimmer).
1768
Kalkmann
Nachtragsverteilung. Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans
§ 6 InsVV
Abhaltung des Schlusstermins bekannt wird, ist etwa mit Erbschaftsteuer belastet, die vorab aus der Masse zu entrichten ist. § 1 gilt insoweit entsprechend. 2.
Höhe der Vergütung
Die Abwicklung einer Nachtragsverteilung ist regelmäßig nicht so aufwendig wie die Verteilung zum Ende des Hauptverfahrens. So liegt das Verteilungsverzeichnis bereits vor und bedarf keiner weiteren Bearbeitung. Verwertungsmaßnahmen sind nur ausnahmsweise erforderlich. Es ist deshalb gerechtfertigt, für eine normale Nachtragsverteilung einen die Regelvergütung unterschreitenden Satz anzusetzen. Auch hier ist der konkrete Aufwand des Einzelfalls maßgebend. Die Entscheidung hierüber ist nach billigem Ermessen zu treffen, kann sich also nicht auf einen festen Prozentsatz und damit auf eine rechnerische Größe beschränken.
6
Anders als etwa die Regelungen zur Vergütung des vorläufigen Verwalters, für den ein ein Satz von 25 % normiert ist (§ 63 Abs. 1 Satz 2 InsO), ist kein Bezug zu § 2 gewählt worden. Insoweit scheidet ein fester Bruchteil aus.4)
7
Erhöhungs- oder Minderungstatbestände kommen nicht in Betracht, da es an einer Regelvergütung, die zu erhöhen oder zu mindern ist, fehlt. Die Vergütung für eine Nachtragsverteilung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Erschwernisse oder Erleichterungen werden bereits bei der Bildung der Vergütung berücksichtigt.5)
8
III. Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans Die Überwachung der Planerfüllung ist nicht Teil der Aufgaben des Insolvenzverwalters des eröffneten Insolvenzverfahrens und ist daher nicht durch die Regelvergütung nach § 2 gedeckt. Eine Vergütung ist nach billigem Ermessen festzusetzen. Zu berücksichtigen ist dabei der Umfang der Tätigkeit. Erhöhend wirkt sich z. B. der Zustimmungsvorbehalt bei bestimmten Rechtsgeschäften (§ 263 InsO) oder die Mitwirkung bei Rangänderungen der Insolvenzgläubiger gegenüber Kreditgebern (§ 264 Abs. 2 InsO) aus. Dabei kann die Berechnung der Vergütung entsprechend der §§ 2, 3 auf der Grundlage der nach dem Insolvenzplan zu erfüllenden Ansprüche erfolgen, als Bruchteil der Vergütung aus der bei Aufhebung vorhandenen Insolvenzmasse6) oder durch einen angemessenen Stundensatz für die tatsächlich aufgewendeten Stunden.7) Auch die Festsetzung einer Pauschale ist denkbar.
_____________ 4)
5) 6) 7)
BGH, Beschl. v. 12.10.2006 – IX ZB 294/05, ZIP 2006, 2131 = ZVI 2006, 524; a. A. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 6 Rz. 7; Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 6 InsVV Rz. 6; Stephan in MünchKomm-InsO, § 6 InsVV Rz. 9, die jeweils für eine durchschnittliche Nachtragsverteilung 25 % des Regelsatzes ansetzen. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 6 Rz. 8; Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 6 InsVV Rz. 7. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 6 InsVV Rz. 12; Keller, Vergütung, Rz. 359. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 6 Rz. 17, wonach beide Berechnungsmethoden alternativ bestehen.
Kalkmann
1769
9
InsVV § 7
Umsatzsteuer
§7 Umsatzsteuer Zusätzlich zur Vergütung und zur Erstattung der Auslagen wird ein Betrag in Höhe der vom Insolvenzverwalter zu zahlenden Umsatzsteuer festgesetzt. 1
Insolvenzverwalter unterliegen ebenso wie Rechtsanwälte dem allgemeinen Steuersatz. Es ist deshalb folgerichtig, die auf Vergütung und Auslagen entfallene Umsatzsteuer wie bei Rechtsanwälten auch zu berücksichtigen. Die Umsatzsteuer ist sowohl im Antrag des Verwalters als auch im Beschluss des Gerichts gesondert auszuweisen.1)
2
Die Höhe der Umsatzsteuer richtet sich für den gesamten Vergütungsanspruch einschließlich der Auslagen nach dem bei Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit gültigen Steuersatz, selbst wenn zuvor Vorschüsse unter Berücksichtigung eines – zu diesem Zeitpunkt gültigen – niedrigeren Steuersatzes festgesetzt wurden. _____________ 1)
BFH, Beschl. v. 7.4.2005 – V B 187/04, ZVI 2005, 280.
§8 Festsetzung von Vergütung und Auslagen (1) 1Die Vergütung und die Auslagen werden auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht festgesetzt. 2Die Festsetzung erfolgt für Vergütung und Auslagen gesondert. 3Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlussrechnung an das Gericht gesandt wird. (2) In dem Antrag ist näher darzulegen, wie die nach § 1 Abs. 2 maßgebliche Insolvenzmasse berechnet worden ist und welche Dienst- oder Werkverträge für besondere Aufgaben im Rahmen der Insolvenzverwaltung abgeschlossen worden sind (§ 4 Abs. 1 Satz 3). (3) 1Der Verwalter kann nach seiner Wahl anstelle der tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz fordern, der im ersten Jahr 15 vom Hundert, danach 10 vom Hundert der Regelvergütung, höchstens jedoch 250 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit des Verwalters beträgt. 2Der Pauschsatz darf 30 vom Hundert der Regelvergütung nicht übersteigen. Übersicht
1
I. II. 1. 2. 3.
Vorbemerkung ..................................... 1 Antrag ................................................... 2 Inhalt ...................................................... 3 Zeitpunkt ............................................... 9 Bearbeitung des Festsetzungsantrages durch das Gericht ................. 12
I.
Vorbemerkung
III. 1. 2. 3.
Auslagen .............................................. 14 Auslagenpauschale .............................. 16 Entstehen des Anspruchs ................... 19 Zustellungsauslagen ............................ 20
Durch § 8 wird § 64 InsO näher spezifiziert, insbesondere werden Formalien und Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung bestimmt. 1770
Kalkmann
InsVV § 7
Umsatzsteuer
§7 Umsatzsteuer Zusätzlich zur Vergütung und zur Erstattung der Auslagen wird ein Betrag in Höhe der vom Insolvenzverwalter zu zahlenden Umsatzsteuer festgesetzt. 1
Insolvenzverwalter unterliegen ebenso wie Rechtsanwälte dem allgemeinen Steuersatz. Es ist deshalb folgerichtig, die auf Vergütung und Auslagen entfallene Umsatzsteuer wie bei Rechtsanwälten auch zu berücksichtigen. Die Umsatzsteuer ist sowohl im Antrag des Verwalters als auch im Beschluss des Gerichts gesondert auszuweisen.1)
2
Die Höhe der Umsatzsteuer richtet sich für den gesamten Vergütungsanspruch einschließlich der Auslagen nach dem bei Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit gültigen Steuersatz, selbst wenn zuvor Vorschüsse unter Berücksichtigung eines – zu diesem Zeitpunkt gültigen – niedrigeren Steuersatzes festgesetzt wurden. _____________ 1)
BFH, Beschl. v. 7.4.2005 – V B 187/04, ZVI 2005, 280.
§8 Festsetzung von Vergütung und Auslagen (1) 1Die Vergütung und die Auslagen werden auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht festgesetzt. 2Die Festsetzung erfolgt für Vergütung und Auslagen gesondert. 3Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlussrechnung an das Gericht gesandt wird. (2) In dem Antrag ist näher darzulegen, wie die nach § 1 Abs. 2 maßgebliche Insolvenzmasse berechnet worden ist und welche Dienst- oder Werkverträge für besondere Aufgaben im Rahmen der Insolvenzverwaltung abgeschlossen worden sind (§ 4 Abs. 1 Satz 3). (3) 1Der Verwalter kann nach seiner Wahl anstelle der tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz fordern, der im ersten Jahr 15 vom Hundert, danach 10 vom Hundert der Regelvergütung, höchstens jedoch 250 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit des Verwalters beträgt. 2Der Pauschsatz darf 30 vom Hundert der Regelvergütung nicht übersteigen. Übersicht
1
I. II. 1. 2. 3.
Vorbemerkung ..................................... 1 Antrag ................................................... 2 Inhalt ...................................................... 3 Zeitpunkt ............................................... 9 Bearbeitung des Festsetzungsantrages durch das Gericht ................. 12
I.
Vorbemerkung
III. 1. 2. 3.
Auslagen .............................................. 14 Auslagenpauschale .............................. 16 Entstehen des Anspruchs ................... 19 Zustellungsauslagen ............................ 20
Durch § 8 wird § 64 InsO näher spezifiziert, insbesondere werden Formalien und Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung bestimmt. 1770
Kalkmann
Festsetzung von Vergütung und Auslagen
§ 8 InsVV
II. Antrag Eine Vergütungsfestsetzung erfolgt nur auf Antrag des Insolvenzverwalters. Der Antrag ist an das Insolvenzgericht zu richten. 1.
2
Inhalt
In den Antrag ist die konkret beantragte Vergütung sowie die Höhe der Auslagen aufzunehmen. Inhalt des Antrages ist weiterhin die Darstellung der Berechnungsgrundlage und die Berechnung selbst, um die Prüfung des Antrags zu vereinfachen (Abs. 2). Berechnungsgrundlage ist die nach § 1 ermittelte vergütungsrelevante Masse. Dabei kann auf die jeweilige Schlussrechnung hinsichtlich der Ermittlung von Endbeträgen Bezug genommen werden, wenn die Schlussrechnung eine entsprechende Gliederung aufweist. Lassen sich diese Bezüge nicht herstellen, sind die entsprechenden Beträge einzeln auszuwerfen. Aus dem Antrag muss hervorgehen, welche Gesamtbeträge in die Vergütungsberechnung einfließen.
3
Detaillierte Ausführungen sind zu den Sondertatbeständen des § 1 Abs. 2 erforderlich, da sie unmittelbar erhöhend oder mindernd auf die zu berechnende Vergütung wirken.
4
Macht der Verwalter Erhöhungstatbestände geltend, müssen die dies begründenden Tatsachen im Vergütungsantrag selbst enthalten sein. Verweise auf eine frühere Berichterstattung sind nicht allgemein, sondern nur konkret als Bezugnahme auf einen bestimmten Bericht und den darin enthaltenen Abschnitt möglich.
5
Hat der Insolvenzverwalter Aufträge nach § 4 Abs. 1 Satz 3 erteilt, sind diese Aufträge sämtlich im Vergütungsantrag darzustellen. Nur so kann das Insolvenzgericht in die Lage versetzt werden, zu überprüfen, ob diese aus der Masse vergüteten Tätigkeiten nicht zu den allgemeinen Aufgaben des Verwalters gehören. Sind allgemeine Aufgaben aus der Masse vergütet worden, ist die Vergütung unmittelbar und nicht etwa die Berechnungsgrundlage um den als Masseverbindlichkeit gezahlten Betrag zu kürzen, siehe vorstehend § 4 Rz. 5 ff. Eine Zweckmäßigkeitsprüfung des Verwalterhandelns ist nur in Missbrauchsfällen zulässig.
6
Grundsätzlich ist das Gericht an den Antrag des Verwalters gebunden, kann also nicht über ihn hinausgehen. Eine Ausnahme ergibt sich lediglich bei offenkundigen Rechenfehlern. Ergibt die rechnerische Überprüfung des Insolvenzgerichts einen deutlich höheren Betrag, ist dem Verwalter Gelegenheit zur Einreichung eines berichtigten Antrages zu geben.
7
Unzulässig ist es, den Verwalter auf weitere Möglichkeiten zur Erhöhung der Vergütung hinzuweisen, z. B. übersehene Erhöhungstatbestände. Das Insolvenzgericht entscheidet über einen konkreten Antrag, auf dessen Umfang es beschränkt ist.
8
2.
Zeitpunkt
Maßgeblicher Zeitpunkt der Antragstellung ist im Regelfall die Einreichung der Schlussrechnung (Abs. 1 Satz 3). Anhand der Schlussrechnung ist außerdem die vergütungsrelevante Masse zu ermitteln (§ 1 Abs. 1). Da es sich um eine Sollbestimmung handelt, kann der Vergütungsantrag auch zu einem späteren Zeitpunkt eingereicht werden.
Kalkmann
1771
9
InsVV § 8
Festsetzung von Vergütung und Auslagen
10
Erfolgt keine Schlussrechnungslegung gegenüber dem Insolvenzgericht (vgl. § 1 Rz. 14 f und 20 f), ist der Vergütungsantrag dann zu stellen, wenn die bevorstehende Beendigung des Amtes für den Verwalter absehbar ist, also wenn das Insolvenzgericht den Einstellungsantrag des Schuldners öffentlich bekannt macht oder wenn der Insolvenzplan bestätigt wird. Da in diesen Fällen die Berechnungsgrundlage der Vergütung nicht nach dem Wert der Insolvenzmasse laut Schlussrechnung zu bestimmen ist, kann die Stellung des Vergütungsantrags nicht an die Schlussrechnungslegung geknüpft werden.
11
Die Vergütung des vorläufigen Verwalters bestimmt sich grundsätzlich nach der Schlussrechnung des vorläufigen Verfahrens bzw. nach den im Eröffnungsgutachten dargestellten Werten. Da es sich bei den Wertangaben im Gutachten im Regelfall lediglich um Schätzungen handelt und der Vergütung nach dem Willlen des Gesetzgebers die tatsächlichen Verwertungserlöse zugrunde gelegt werden sollen, sind bei der Vergütungsberechnung auch neuere Erkenntnisse zur Werthaltigkeit einzelner Vermögensgegenstände zu berücksichtigen, die sich erst im Laufe des Hauptverfahrens ergeben haben (§ 63 Abs. 3 Satz 4 InsO). 3.
Bearbeitung des Festsetzungsantrages durch das Gericht
12
Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Verwalters beschleunigt zu bearbeiten,1) d. h. regelmäßig innerhalb von sechs Wochen.2) Sein Anspruch entsteht bereits mit Erbringung seiner Tätigkeit und nicht erst mit Antragstellung. Allerdings führt eine Verzögerung, die das Gericht zu verantworten hat, zu keinem Verzinsungsanspruch. In Betracht kommt lediglich ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Häufig ist die Festsetzung der Vergütung an die Prüfung der jeweiligen Schlussrechnung gebunden. Ist die Schlussrechnung umfangreich, verzögert sich die Festsetzung der Vergütung. Der Verwalter hat in solchen Fällen die Möglichkeit, Vorschüsse zu beantragen.
13
Die Entscheidung des Gerichts ergeht durch Beschluss. Da dieser Beschluss vorläufig vollstreckbar ist (§§ 64 Abs. 3, 4 InsO, § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), kann der Verwalter die festgesetzte Vergütung sofort und unabhängig von dem späteren Eintritt der Rechtskraft entnehmen.3) III. Auslagen
14
Neben der Vergütung hat der Verwalter einen Anspruch auf den Ersatz der ihm entstandenen Auslagen. Es handelt sich dabei um Ausgaben, die unmittelbar mit der Ausübung des Amtes in Zusammenhang stehen, z. B. Kosten für Büromaterialien, Telefonkosten etc.
15
Auslagen können entweder in Form einer Pauschale oder als tatsächliche Auslagen geltend gemacht werden.
_____________ 1) 2) 3)
BGH, Beschl. v. 4.12.2003 – IX ZB 48/03, ZIP 2004, 574 = ZVI 2004, 207, dazu EWiR 2004, 611 (Schumacher). Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 8 Rz. 25. BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, ZIP 2006, 36 = NZI 2006, 94.
1772
Kalkmann
§ 9 InsVV
Vorschuss
1.
Auslagenpauschale
Dem Verwalter stehen für das erste Jahr des Amtes 15 % und für jedes weitere Jahr jeweils 10 % der Regelvergütung zu. Zuschläge aber auch Abschläge nach § 3 InsVV bleiben außer Betracht. Die Pauschale entsteht für jedes begonnene Jahr. Erstreckt sich die Tätigkeit des Verwalters nicht über das ganze Jahr, entsteht die Auslagenpauschale dennoch in voller Höhe.4) Fristen sind nach dem BGB zu berechnen (§§ 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB).
16
Begrenzt ist die jährliche Auslagenpauschale durch einen monatlichen Höchstbetrag von 250 €, d. h. maximal 3 000 € pro Jahr. Der Höchstbetrag bezieht sich auf einen angefangenen Monat, in dem der Verwalter tatsächlich tätig war. Zur Überprüfung des Höchstbetrages ist jedes Jahr der Tätigkeit einzeln zu betrachten. Der Höchstbetrag ist also nicht nach Anzahl der Monate der gesamten Tätigkeit zu bestimmen.5)
17
Neben dem monatlichen Höchstbetrag von 250 € darf die Auslagenpauschale insgesamt 30 % der Regelvergütung nicht überschreiten. Dadurch soll vermieden werden, dass ein Verfahrensabschluss zur Erreichung möglichst hoher Auslagen verzögert wird.
18
2.
Entstehen des Anspruchs
Voraussetzung für das Entstehen der Pauschale ist, dass die Verwaltertätigkeit tatsächlich andauert. Ist das Verfahren abschlussreif und kann die Schlussrechnung vorgelegt werden, entsteht in dem nach diesem Zeitpunkt beginnenden Jahr keine neue Auslagenpauschale.6) Ist der Verwalter allerdings gehalten, zwischen Schlussrechnungslegung und Schlusstermin weitere Tätigkeiten zu entfalten, hat er auch für diesen Zeitraum Anspruch auf eine Auslagenpauschale.7) Gegebenenfalls ist diese neu zu berechnen. Ein Beschwerdeverfahren, das der Verwalter gegen die Festsetzung der Vergütung initiiert hat, löst keine neue Pauschale aus. 3.
Zustellungsauslagen
Zur Erstattungsfähigkeit von Auslagen für Zustellungen, die im Auftrag des Gerichts durchgeführt werden, vgl. vorstehend § 4 Rz. 15. _____________ 4) 5) 6) 7)
19
BGH, Beschl. v. 24.5.2005 – IX ZB 6/03, ZVI 2005, 388 = ZInsO 2005, 760. BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZB 257/03, ZIP 2004, 1715 = ZVI 2004, 502. BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZB 255/03, ZIP 2004, 1716 = ZVI 2004, 555. BGH, Beschl. v. 9.3.2006 – IX ZB 103/04, ZInsO 2006, 424; BGH, Beschl. v. 2.2.2006 – IX ZB 167/04, ZIP 2006, 483 = NZI 2006, 232.
§9 Vorschuss 1
Der Insolvenzverwalter kann aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss auf die Vergütung und die Auslagen entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimmt. 2 Die Zustimmung soll erteilt werden, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert oder wenn besonders hohe Auslagen erforderlich werden. 3Sind die Kosten des Verfahrens nach § 4a der Insolvenzordnung gestundet, so Kalkmann
1773
20
§ 9 InsVV
Vorschuss
1.
Auslagenpauschale
Dem Verwalter stehen für das erste Jahr des Amtes 15 % und für jedes weitere Jahr jeweils 10 % der Regelvergütung zu. Zuschläge aber auch Abschläge nach § 3 InsVV bleiben außer Betracht. Die Pauschale entsteht für jedes begonnene Jahr. Erstreckt sich die Tätigkeit des Verwalters nicht über das ganze Jahr, entsteht die Auslagenpauschale dennoch in voller Höhe.4) Fristen sind nach dem BGB zu berechnen (§§ 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB).
16
Begrenzt ist die jährliche Auslagenpauschale durch einen monatlichen Höchstbetrag von 250 €, d. h. maximal 3 000 € pro Jahr. Der Höchstbetrag bezieht sich auf einen angefangenen Monat, in dem der Verwalter tatsächlich tätig war. Zur Überprüfung des Höchstbetrages ist jedes Jahr der Tätigkeit einzeln zu betrachten. Der Höchstbetrag ist also nicht nach Anzahl der Monate der gesamten Tätigkeit zu bestimmen.5)
17
Neben dem monatlichen Höchstbetrag von 250 € darf die Auslagenpauschale insgesamt 30 % der Regelvergütung nicht überschreiten. Dadurch soll vermieden werden, dass ein Verfahrensabschluss zur Erreichung möglichst hoher Auslagen verzögert wird.
18
2.
Entstehen des Anspruchs
Voraussetzung für das Entstehen der Pauschale ist, dass die Verwaltertätigkeit tatsächlich andauert. Ist das Verfahren abschlussreif und kann die Schlussrechnung vorgelegt werden, entsteht in dem nach diesem Zeitpunkt beginnenden Jahr keine neue Auslagenpauschale.6) Ist der Verwalter allerdings gehalten, zwischen Schlussrechnungslegung und Schlusstermin weitere Tätigkeiten zu entfalten, hat er auch für diesen Zeitraum Anspruch auf eine Auslagenpauschale.7) Gegebenenfalls ist diese neu zu berechnen. Ein Beschwerdeverfahren, das der Verwalter gegen die Festsetzung der Vergütung initiiert hat, löst keine neue Pauschale aus. 3.
Zustellungsauslagen
Zur Erstattungsfähigkeit von Auslagen für Zustellungen, die im Auftrag des Gerichts durchgeführt werden, vgl. vorstehend § 4 Rz. 15. _____________ 4) 5) 6) 7)
19
BGH, Beschl. v. 24.5.2005 – IX ZB 6/03, ZVI 2005, 388 = ZInsO 2005, 760. BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZB 257/03, ZIP 2004, 1715 = ZVI 2004, 502. BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZB 255/03, ZIP 2004, 1716 = ZVI 2004, 555. BGH, Beschl. v. 9.3.2006 – IX ZB 103/04, ZInsO 2006, 424; BGH, Beschl. v. 2.2.2006 – IX ZB 167/04, ZIP 2006, 483 = NZI 2006, 232.
§9 Vorschuss 1
Der Insolvenzverwalter kann aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss auf die Vergütung und die Auslagen entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimmt. 2 Die Zustimmung soll erteilt werden, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert oder wenn besonders hohe Auslagen erforderlich werden. 3Sind die Kosten des Verfahrens nach § 4a der Insolvenzordnung gestundet, so Kalkmann
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InsVV § 9
Vorschuss
bewilligt das Gericht einen Vorschuss, sofern die Voraussetzungen nach Satz 2 gegeben sind. Übersicht
1
I. II. III. 1.
Vorbemerkung ..................................... Voraussetzungen .................................. Berechnung des Vorschusses .............. Grundsatz ..............................................
I.
Vorbemerkung
1 2 5 5
2. Verfahrenskostenstundung ................... 6 3. Vorschuss für besondere Auslagen ...... 7 IV. Rechtsmittel ......................................... 8
Fällig wird die Vergütung mit Schlussrechnungslegung, also zum Ende des Amtes. Insbesondere das eröffnete Insolvenzverfahren kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Während der gesamten Zeit stellt der Insolvenzverwalter seine Arbeitskraft und seine Kanzlei in den Dienst der Masse. Es wäre unbillig, ihm diese (Vor-)Leistung abzuverlangen und die Vergütung erst zum Verfahrensende zu gewähren. Er trägt zudem mit fortschreitender Dauer des Verfahrens ein besonderes Risiko des Ausfalls. Neben dem Insolvenzverwalter können der vorläufige Insolvenzverwalter und der Sachwalter einen Vorschuss verlangen (§ 10 InsO). II. Voraussetzungen
2
Ein Vorschuss kann der Masse vom Verwalter entnommen werden, wenn das Gericht zustimmt. Vor Entnahme ist ein entsprechender Antrag an das Insolvenzgericht zu stellen. Inhalt des Antrags ist eine Vergütungsberechnung nach den §§ 1 – 3 bezogen auf die bisher geleistete Arbeit.1) Der Verwalter ist jedoch nicht gezwungen, diesen Rahmen auszuschöpfen. Insbesondere dann, wenn die bare Masse eine entsprechende Entnahme nicht zulässt, kann sich der Verwalter auf einen Teilbetrag beschränken.
3
Zur Entnahme bedarf es der Zustimmung des Insolvenzgerichts, das insoweit seiner Aufsichtspflicht nachkommt (§ 58 InsO). Im Grundsatz handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, der allerdings durch Satz 2 Grenzen gesetzt sind, wenn das Verfahren länger als sechs Monate andauert oder besonders hohe Auslagen entstanden sind.2) Die Erteilung der Zustimmung muss nicht in Beschlussform erfolgen.
4
Ein Vorschuss hat den Charakter einer Vergütung für bisher geleistete Arbeit.3) Insoweit ist der Vergütungsanspruch befriedigt worden. Tritt später Massearmut ein, kann das Entnommene nicht zurückverlangt werden.4) III. Berechnung des Vorschusses 1.
5
Grundsatz
Zur Berechnung ist die voraussichtliche Berechnungsgrundlage darzulegen, die endgültige Vergütung, ggf. einschließlich möglicher Zu- und Abschläge nach § 3 InsVV, _____________ 1) 2) 3) 4)
BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 = ZInsO 2002, 1133. BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 = ZInsO 2002, 1133; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 9 InsVV Rz. 9 ff. A. Schmidt-Büttner, InsO, § 9 InsVV Rz. 2. BVerfG, Beschl. v. 30.3.1993 – 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, ZIP 1993, 838.
1774
Kalkmann
§ 10 InsVV
Grundsatz
zu prognostizieren und ein der bisherigen Tätigkeit entsprechender Bruchteil zu bestimmen.5) Daraus folgt, dass der Vorschuss die Gesamtvergütung nicht übersteigen darf. Ergibt sich zum Ende des Verfahrens, dass die bisher entnommenen Vorschüsse die Endvergütung überschreiten, ist der Verwalter zur Erstattung verpflichtet. 2.
Verfahrenskostenstundung
Ein Vorschuss ist auch bei Verfahrenskostenstundung zu gewähren; an die Stelle der Entnahme tritt die Zahlung aus der Staatskasse. Auch in einem Stundungsverfahren ist es dem Verwalter nicht zuzumuten, über längere Zeit ohne Entgelt tätig zu sein und notwendige Auslagen vorzufinanzieren.6) 3.
6
Vorschuss für besondere Auslagen
Ist der Insolvenzverwalter gezwungen, gegenüber der Finanzverwaltung eine Steuererklärung abzugeben (vgl. § 63 InsO Rz. 8), kann er i. R. der Verfahrenskostenstundung einen entsprechenden Vorschuss gegen die Landeskasse geltend machen. Entsprechendes gilt für Zustellungsauslagen, die durch die Beauftragung durch das Insolvenzgericht entstehen (vgl. vorstehend § 4 Rz. 15).
7
IV. Rechtsmittel Gegen die einen Vorschuss ablehnende Entscheidung ist, wenn sie durch den Rechtspfleger getroffen wird, die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG, ansonsten wegen § 6 InsO kein Rechtsmittel gegeben.7) Beschwerdeberechtigt ist nur der Insolvenzverwalter. Wird die Vorschussentnahme gestattet, ist ein Rechtsmittel mangels Beschwer unzulässig. _____________ 5) 6) 7)
BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 = ZInsO 2002, 1133. Begr. zu § 9 InsVV v. 6.10.2004, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Anh. III zur InsVV, S. 12. BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 = ZInsO 2002, 1133.
Zweiter Abschnitt Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren )
)
Überschrift geändert durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete diese: „Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren“
§ 10 ) Grundsatz Für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren gelten die Vorschriften
Kalkmann
1775
8
§ 10 InsVV
Grundsatz
zu prognostizieren und ein der bisherigen Tätigkeit entsprechender Bruchteil zu bestimmen.5) Daraus folgt, dass der Vorschuss die Gesamtvergütung nicht übersteigen darf. Ergibt sich zum Ende des Verfahrens, dass die bisher entnommenen Vorschüsse die Endvergütung überschreiten, ist der Verwalter zur Erstattung verpflichtet. 2.
Verfahrenskostenstundung
Ein Vorschuss ist auch bei Verfahrenskostenstundung zu gewähren; an die Stelle der Entnahme tritt die Zahlung aus der Staatskasse. Auch in einem Stundungsverfahren ist es dem Verwalter nicht zuzumuten, über längere Zeit ohne Entgelt tätig zu sein und notwendige Auslagen vorzufinanzieren.6) 3.
6
Vorschuss für besondere Auslagen
Ist der Insolvenzverwalter gezwungen, gegenüber der Finanzverwaltung eine Steuererklärung abzugeben (vgl. § 63 InsO Rz. 8), kann er i. R. der Verfahrenskostenstundung einen entsprechenden Vorschuss gegen die Landeskasse geltend machen. Entsprechendes gilt für Zustellungsauslagen, die durch die Beauftragung durch das Insolvenzgericht entstehen (vgl. vorstehend § 4 Rz. 15).
7
IV. Rechtsmittel Gegen die einen Vorschuss ablehnende Entscheidung ist, wenn sie durch den Rechtspfleger getroffen wird, die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG, ansonsten wegen § 6 InsO kein Rechtsmittel gegeben.7) Beschwerdeberechtigt ist nur der Insolvenzverwalter. Wird die Vorschussentnahme gestattet, ist ein Rechtsmittel mangels Beschwer unzulässig. _____________ 5) 6) 7)
BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 = ZInsO 2002, 1133. Begr. zu § 9 InsVV v. 6.10.2004, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Anh. III zur InsVV, S. 12. BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 = ZInsO 2002, 1133.
Zweiter Abschnitt Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren )
)
Überschrift geändert durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete diese: „Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren“
§ 10 ) Grundsatz Für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren gelten die Vorschriften
Kalkmann
1775
8
InsVV § 11
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
des Ersten Abschnitts entsprechend, soweit in den §§ 11 bis 13 nichts anderes bestimmt ist.
)
§ 10 geändert durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 10: „Für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts entsprechend, soweit in den §§ 11 bis 13 nichts anderes bestimmt ist.“
1
Die Aufgaben der in der Insolvenzordnung geregelten weiteren Typen des Verwalters stimmen im Wesentlichen mit denen des Insolvenzverwalters überein. Deshalb können die Vorschriften über die Vergütung des Insolvenzverwalters für diesen Personenkreis im Grundsatz Anwendung finden. Dazu gehören insbesondere –
die Berechnung der Vergütung nach der vergütungsrelevanten Masse (§ 1)
–
die Anwendung von Erhöhungs- und Minderungstatbeständen (§ 3)
–
die Beschreibung der durch die Vergütung gedeckten Kosten (§ 4)
–
der Einsatz besonderer Sachkunde (§ 5)
–
die Gewährung von Umsatzsteuer (§ 7)
–
das Festsetzungsverfahren (§ 8)
–
die Gewährung eines Vorschusses (§ 9).
2
Eine Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 greift lediglich bei dem vorläufigen Insolvenzverwalter, da für Sachwalter und Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren gesonderte Tatbestände normiert sind.
3
Soweit Besonderheiten zu berücksichtigen sind, werden Anpassungen durch die §§ 11 – 13 vorgenommen. In den Fällen des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Sachwalters ist der Aufgabenbereich eingeschränkt. Dem wird durch geringere Prozentsätze bei der Berechnung der Vergütung Rechnung getragen. Im Falle des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren wird die Tätigkeit durch die vom Schuldner und seinem Berater vor Antragstellung zu leistenden Vorarbeiten erleichtert. Aufgrund dessen soll der Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren eine geringere Mindestvergütung erhalten. Abweichungen von den Vorschriften des ersten Abschnitts dürfen nach dem Wortlaut der Vorschrift nur i. R. der §§ 11 – 13 vorgenommen werden.
§ 11 Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (1) 1Für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist das Vermögen zugrunde zu legen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. 2Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, werden dem Vermögen nach Satz 1 hinzugerechnet, sofern sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. 3Sie bleiben unberücksichtigt, sofern der
1776
Kalkmann
InsVV § 11
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
des Ersten Abschnitts entsprechend, soweit in den §§ 11 bis 13 nichts anderes bestimmt ist.
)
§ 10 geändert durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 10: „Für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Sachwalters und des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts entsprechend, soweit in den §§ 11 bis 13 nichts anderes bestimmt ist.“
1
Die Aufgaben der in der Insolvenzordnung geregelten weiteren Typen des Verwalters stimmen im Wesentlichen mit denen des Insolvenzverwalters überein. Deshalb können die Vorschriften über die Vergütung des Insolvenzverwalters für diesen Personenkreis im Grundsatz Anwendung finden. Dazu gehören insbesondere –
die Berechnung der Vergütung nach der vergütungsrelevanten Masse (§ 1)
–
die Anwendung von Erhöhungs- und Minderungstatbeständen (§ 3)
–
die Beschreibung der durch die Vergütung gedeckten Kosten (§ 4)
–
der Einsatz besonderer Sachkunde (§ 5)
–
die Gewährung von Umsatzsteuer (§ 7)
–
das Festsetzungsverfahren (§ 8)
–
die Gewährung eines Vorschusses (§ 9).
2
Eine Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 greift lediglich bei dem vorläufigen Insolvenzverwalter, da für Sachwalter und Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren gesonderte Tatbestände normiert sind.
3
Soweit Besonderheiten zu berücksichtigen sind, werden Anpassungen durch die §§ 11 – 13 vorgenommen. In den Fällen des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Sachwalters ist der Aufgabenbereich eingeschränkt. Dem wird durch geringere Prozentsätze bei der Berechnung der Vergütung Rechnung getragen. Im Falle des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren wird die Tätigkeit durch die vom Schuldner und seinem Berater vor Antragstellung zu leistenden Vorarbeiten erleichtert. Aufgrund dessen soll der Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren eine geringere Mindestvergütung erhalten. Abweichungen von den Vorschriften des ersten Abschnitts dürfen nach dem Wortlaut der Vorschrift nur i. R. der §§ 11 – 13 vorgenommen werden.
§ 11 Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (1) 1Für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist das Vermögen zugrunde zu legen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. 2Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, werden dem Vermögen nach Satz 1 hinzugerechnet, sofern sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. 3Sie bleiben unberücksichtigt, sofern der
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Kalkmann
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
§ 11 InsVV
Schuldner die Gegenstände lediglich aufgrund eines Besitzüberlassungsvertrages in Besitz hat. ) (2) Wird die Festsetzung der Vergütung beantragt, bevor die von Absatz 1 Satz 1 erfassten Gegenstände veräußert wurden, ist das Insolvenzgericht spätestens mit Vorlage der Schlussrechnung auf eine Abweichung des tatsächlichen Werts von dem der Vergütung zugrunde liegenden Wert hinzuweisen, sofern die Wertdifferenz 20 vom Hundert bezogen auf die Gesamtheit dieser Gegenstände übersteigt.
) (3) Art, Dauer und der Umfang der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters sind bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen. (4) Hat das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter als Sachverständigen beauftragt zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen, so erhält er gesondert eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.
)
Absatz 1 neugefasst durch Art. 5 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 19.7.2013. In der bis zum 18.7.2013 geltenden Fassung lautete Absatz 1: „(1) 1Die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters wird besonders vergütet. 2Er erhält in der Regel 25 vom Hundert der Vergütung nach § 2 Abs. 1 bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. 3Maßgebend für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung oder der Zeitpunkt, ab dem der Gegenstand nicht mehr der vorläufigen Verwaltung unterliegt. 4Vermögensgegenstände, an denen bei Verfahrenseröffnung Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, werden dem Vermögen nach Satz 2 hinzugerechnet, sofern sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst. 5Eine Berücksichtigung erfolgt nicht, sofern der Schuldner die Gegenstände lediglich aufgrund eines Besitzüberlassungsvertrages in Besitz hat.“
) Absatz 2 Satz 1 geändert, Absatz 2 Satz 2 aufgehoben durch Art. 5 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 19.7.2013. In der bis zum 18.7.2013 geltenden Fassung lautete Absatz 2: „(2) 1Wird die Festsetzung der Vergütung beantragt, bevor die von Absatz 1 Satz 2 erfassten Gegenstände veräußert wurden, ist das Insolvenzgericht spätestens mit Vorlage der Schlussrechnung auf eine Abweichung des tatsächlichen Werts von dem der Vergütung zugrunde liegenden Wert hinzuweisen, sofern die Wertdifferenz 20 vom Hundert bezogen auf die Gesamtheit dieser Gegenstände übersteigt. 2Bei einer solchen Wertdifferenz kann das Gericht den Beschluss bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters ändern.“
Literatur: Amery/Kästner, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters als Streitfrage – eine Betrachtung aus systematischer und verfassungsrechtlicher Perspektive, ZIP 2013, 2041; Graeber, Der neue § 11 InsVV: Seine Auswirkungen auf vorläufige Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte, ZInsO 2007, 133; Küpper/ Heinze, Die Verfassungswidrigkeit der Abänderungsbefugnis nach § 11 Abs. 2 Satz 2 InsVV, ZInsO 2007, 231; Pape, Haftungsrechtliche Folgen der Nichtinanspruchnahme von Gesellschaftsorganen und Geschäftsführern, ZInsO 2007, 1080; Smid, Systematische Probleme der Ermittlung der Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Verwalters, ZInsO 2013, 1509.
Kalkmann
1777
InsVV § 11
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters Übersicht
I. II. 1. 2.
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3.
Vorbemerkung ..................................... 1 Regelvergütung .................................... 2 Wertgrundlage ....................................... 5 Hinweispflicht (Abs. 2) und Abänderungsbefugnis ......................... 16 Rechtslage bis zum 18.7.2013 ............. 19
I.
Vorbemerkung
III. Mindestvergütung .............................. 24 IV. Sachverständigenentschädigung (Abs. 4) ................................................ 26 V. Vergütungsfestsetzung im Fall der Nichteröffnung .................................. 29
Auch die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters ist zu vergüten. Sie unterliegt allerdings anderen Grundsätzen als die Tätigkeit des Verwalters im eröffneten Insolvenzverfahren. Wesentlicher Unterschied ist, dass der vorläufige Verwalter das vorhandene Vermögen zu sichern und nicht zu verwerten hat. Diesem Unterschied wird bei der Vergütungsberechnung Rechnung getragen. II. Regelvergütung
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Die Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 InsO mit 25 % der Vergütung nach § 2 Abs. 1 festgelegt. Dieser Satz kann sich erhöhen, wenn Art, Dauer und Umfang der vorläufigen Verwaltung dies erfordern (§ 3 Rz. 33 ff). Auch beim vorläufigen Verwalter sind die Umstände im Einzelfall tatrichterlich zu würdigen und hieraus eine leistungsangemessene Vergütung abzuleiten.1) Abweichungen von der Regelvergütung werden nach § 3 ausschließlich durch Zu- oder Abschläge realisiert (§ 3 Rz. 7 ff).2) Ausgangspunkt ist die Regelvergütung von 25 %, die unmittelbar zu erhöhen oder zu mindern ist. Treffen den vorläufigen Insolvenzverwalter die gleichen Erschwernisse wie den endgültigen Insolvenzverwalter, hat er auch Anspruch auf die gleichen Zuschläge zum Regelsatz.3)
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Auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter wird in der Literatur ein Normalfall beschrieben,4) der jedoch nur als Orientierungshilfe für Abweichungen von der Regelvergütung dienen kann.
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Vergütungsrechtlich wird nicht unterschieden zwischen starkem und schwachem Verwalter. Wird dem vorläufigen Verwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen, rechtfertigt dies keine generelle Überschreitung der Regelvergütung von 25 %.5) Entsprechendes gilt für die Bestellung mit Zustimmungsvorbehalt.6) Für die Bemessung der Zuschläge zur Vergütung des vorläufigen Verwalters kommt es jeweils auf die konkrete Erschwernis der Tätigkeit an. Unabhängig davon, ob dem vorläufigen Verwalter die Verfügungsbefugnis übertragen oder lediglich ein Zu-
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 31/02, ZIP 2002, 1459 = NZI 2002, 509. BGH, Beschl. v. 1.3.2007 – IX ZB 278/05, ZInsO 2007, 371. BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 52/04, ZIP 2004, 2448 = ZVI 2005, 227. Beispielhaft: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 11 Rz. 13 ff. BGH, Beschl. v. 24.6.2003 – IX ZB 453/02, ZIP 2003, 1759 = ZVI 2003, 484. BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 10/03, ZIP 2003, 1612 = ZVI 2003, 430.
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§ 11 InsVV
stimmungsvorbehalt angeordnet wurde, rechtfertigt die Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren in jedem Fall einen Zuschlag.7) 1.
Wertgrundlage
Wesentliche Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es, das vorhandene Vermögen bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag zu sichern (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Grundlage für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist – abweichend vom § 1 Satz 1 unter Berücksichtigung der Eigenheiten der vorläufigen Insolvenzverwaltung – der Wert des Vermögens, das im gesamten Zeitraum des Eröffnungsverfahrens der Verwaltung des vorläufigen Verwalters unterlegen hat (vgl. § 63 InsO Rz. 13 ff).
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Auch mit Aus- und Absonderungsrechten belastete Gegenstände müssen vom vorläufigen Insolvenzverwalter gesichert und erhalten werden. Die i. R. der vorläufigen Verwaltung darauf entfaltete Tätigkeit unterscheidet sich nicht von derjenigen Tätigkeit, die auf drittrechtsfreie Gegenstände zu entfalten ist. Die Verdichtung der Ist-Masse zur freien Masse erfolgt grundsätzlich erst im eröffneten Verfahren durch den Insolvenzverwalter. Da sich die Aufgaben des vorläufigen und des endgültigen Verwalters insoweit unterscheiden, scheidet die Anwendung der Regelungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1, 2 und des § 3 Abs. 1 Buchst. a für die Vergütung des vorläufigen Verwalters aus. Der Verordnungsgeber hat daher die vergütungsrechtliche Behandlung mit Aus- und Absonderungsrechten belasteter Gegenstände, die der vorläufigen Verwaltung unterfallen, in § 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3 gesondert geregelt.
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Mit Aus- und Absonderungsrechten belastete Gegenstände werden nur dann in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters einbezogen, wenn dieser sich in erheblicher Weise damit befasst hat. Eine erhebliche Befassung liegt grundsätzlich dann vor, wenn der vorläufige Verwalter durch die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte oder durch die Verwaltung der Gegenstände, die diesen Rechten unterlagen, über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch genommen worden ist.8) Je nach den Umständen des Einzelfalles kann eine erhebliche Beschäftigung des vorläufigen Insolvenzverwalters z. B. vorliegen, wenn ein Grundpfandgläubiger die Zwangsversteigerung einer schuldnereigenen Immobilie betreibt und der vorläufige Insolvenzverwalter Verhandlungen führt mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung zu stoppen.
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Routinetätigkeiten, die mit geringem Aufwand zu erledigen sind, stellen regelmäßig keine erhebliche Befassung dar. Solche Routinetätigkeiten sind z. B. die Inbesitznahme und die Inventarisierung, die Prüfung des Versicherungsschutzes, die Feststellung der Eigentumsverhältnisse oder die Ermittlung der Fremdrechte.9) Aber auch Routinetätigkeiten können, wenn sie in Summe einen außerordentlichen Umfang entwickeln, die Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Maßgebliches Kriteri-
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_____________ 7)
8) 9)
BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 182/04, ZInsO 2008, 1265; BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/06, ZIP 2007, 826 = ZVI 2007, 332; BGH, Beschl. v. 13.4.2006 – IX ZB 158/05, ZIP 2006, 1008 = ZVI 2006, 261. BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 230/05, ZIP 2006, 2134 = ZVI 2006, 600. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 104/05, ZIP 2006, 1403 = ZInsO 2006, 811, m. Anm. Blersch, ZIP 2006, 1605.
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um ist immer der tatsächliche Arbeitsaufwand,10) der im Vergütungsantrag konkret darzulegen ist. 9
Ist die Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht, können die Gegenstände nicht mit ihrem vollen Wert in die Berechnungsgrundlage einbezogen werden, auch die Berücksichtigung über die Gewährung eines Zuschlages über § 3 Abs. 1 Buchst. a scheidet aus. In diesem Fall können lediglich Beträge, die der freien Masse aus der Verwertung voraussichtlich verbleiben werden (Übererlöse, Kostenbeiträge, etc.), der Vergütungsberechnung zugrunde gelegt werden.
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Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, die nach Insolvenzeröffnung der Anfechtung der §§ 129 ff InsO unterliegen, sollen nach der Vorstellung des Bundesgerichtshofs genauso wie unanfechtbar absonderungsrechtsbelastete Vermögenswerte nur bei erheblicher Befassung in der Berechnungsgrundlage Berücksichtigung finden.11) Die Begründung, dass erst im Wege der Insolvenzanfechtung eine Rückübertragung durchgesetzt werden muss, trägt nur eingeschränkt. Soweit das Verwertungsrecht für die anfechtbar belasteten Vermögenswerte beim Insolvenzverwalter liegt und im vorläufigen Verfahren Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO angeordnet wurden, besteht für den Sicherungsgläubiger nach § 146 Abs. 2 InsO keine Möglichkeit, sein anfechtbares Absonderungsrecht durchzusetzen, selbst wenn der Verwalter die Insolvenzanfechtung nicht aktiv verfolgt. In diesem Fall ist es nicht gerechtfertigt, die anfechtbar absonderungsrechtsbelasteten Vermögenswerte anders zu behandeln als unbelastete Vermögenswerte.
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Gegenstände, bei denen von vornherein klar ist, dass sie nicht zur Masse des späteren Insolvenzverfahrens gehören werden, sollen nicht in die Berechnungsgrundlage einfließen. Absatz 1 Satz 3 nimmt daher Gegenstände, die dem Schuldner lediglich aufgrund eines Besitzüberlassungsvertrages zur Verfügung standen – unabhängig vom Umfang der Befassung – aus der Berechnungsgrundlage heraus. Eine differenzierende Betrachtungsweise ist geboten, wenn das zugrunde liegende Vertragsverhältnis über die bloße Gebrauchsüberlassung hinaus dem Schuldner eine weitergehende Rechtsposition einräumt, wie z. B. beim Finanzierungsleasing mit Kaufoption oder beim Mietkaufvertrag. Dann unterfällt der Gegenstand Absatz 1 Satz 2, d. h. eine Berücksichtigung in der Berechnungsgrundlage ist bei erheblicher Befassung möglich.
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Im Fall einer Betriebsfortführung unterscheiden sich die Tätigkeiten des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters nicht wesentlich, sodass § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b auch für die Vergütungsberechnung des vorläufigen Verwalters Anwendung findet.12) Vergütungsrelevant ist auch für den vorläufigen Verwalter nur das bereinigte Betriebsergebnis.
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Anfechtungsansprüche nach den §§ 129 ff InsO oder Ansprüche aus Gesellschafterhaftung nach den Vorschriften über den Kapitalersatz (§ 135 i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5, § 44a InsO) entstehen erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens _____________ 10) BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 230/05, ZIP 2006, 2134 = ZVI 2006, 600. 11) BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 286/11, ZIP 2013, 468. 12) BGH, Beschl. v. 26.4.2007 – IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330 = ZVI 2008, 317; BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – IX ZB 120/06, ZIP 2007, 826 = ZVI 2007, 332.
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und gehören damit nicht zur verwalteten Masse des vorläufigen Verfahrens. Sie können daher nicht in die Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Verwalters einbezogen werden.13) Der vorläufige Insolvenzverwalter hat sich aber mit der Prüfung zu befassen, ob im Falle einer Eröffnung solche Ansprüche existieren, und ob hieraus eine Massemehrung erwartet werden kann.14) Haben die Ermittlungen zum Vorliegen und zur Werthaltigkeit der insolvenzspezifischen Ansprüche einen erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausgemacht, kann er dafür analog § 3 einen Zuschlag erhalten, es sei denn, er ist dafür bereits in seiner Eigenschaft als Sachverständiger entschädigt worden.15) Ansprüche gegen Geschäftsführer aus § 64 GmbHG entstehen dagegen bereits mit Vornahme der verbotenen Zahlung. Diese Ansprüche sind daher vergütungsrelevant, soweit sie werthaltig sind.16)
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Im Eröffnungsverfahren unbekannt gebliebene Vermögenswerte können nicht in die Berechnungsgrundlage einbezogen werden.17) Zu berücksichtigen sind alle Vermögenswerte, die zu dem zu sichernden und zu verwaltenden Vermögen gehört haben, ohne dass es auf den entfalteten Tätigkeitsumfang ankommt.18) Dazu gehört zwar rein formell auch das Vermögen, das der vorläufige Verwalter nicht kennt. Der Wortlaut des Absatz 1 Satz 2 ist aber eindeutig: seine Tätigkeit muss sich auf den Vermögenswert erstreckt haben, um ihn in die Berechnungsgrundlage einbeziehen zu können. Das setzt die Kenntnis von dem Vermögensgegenstand zwingend voraus.
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2.
Hinweispflicht (Abs. 2) und Abänderungsbefugnis
Um eine Auszehrung der Insolvenzmassen durch unangemessen hohe Vergütungen auf der Grundlage unrealistischer Schätzwerte zu vermeiden, wurde durch § 63 Abs. 3 Satz 4 InsO dem Insolvenzgericht die Befugnis eingeräumt, die Vergütungsfestsetzungen nachträglich zu korrigieren (vgl. § 63 InsO Rz. 21 ff).
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Nach Absatz 2 muss das Insolvenzgericht darauf hingewiesen werden, wenn der Vergütungsantrag des vorläufigen Verwalters auf Schätzwerten beruhte und die nachfolgend erzielten Verwertungserlöse erheblich von diesen Schätzwerten abweichen. Erheblich ist eine Abweichung von 20 % bezogen auf die Gesamtheit aller Gegenstände, die in die Berechnungsgrundlage eingeflossen sind; dies gilt einschließlich der aus- und absonderungsrechtsbelasteten Gegenstände, die nach
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_____________ 13) BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZB 225/03, ZIP 2004, 1653 = NZI 2004, 444; a. A. AG Göttingen, Beschl. v. 18.12.2006 – 74 IN 223/06, ZIP 2007, 37 = ZInsO 2007, 89; A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 53 f m. umfass. Zusammenstellung der Rspr. 14) BGH, Urt. v. 15.1.2009 – IX ZR 56/08, ZIP 2009, 571 = ZInsO 2009, 433, dazu EWiR 2009, 247 (Voss); BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZB 225/07, ZIP 2008, 1793 = ZInsO 2008, 859, dazu EWiR 2008, 723 (Voss), sowie Pape, ZInsO 2007, 1080. 15) BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 268/04, ZIP 2006, 625 = ZVI 2006, 70. 16) BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 204/09, ZIP 2010, 2107 = ZInsO 2010, 2101, dazu EWiR 2010, 759 (Keller). 17) Keller, Vergütung, Rz. 598; i. E. richtig, aber mit unzutreffender Begr. auch: LG Mönchengladbach, Beschl. v. 12.7.2006 – 5 T 22/06, NZI 2006, 598; a. A. A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 49. 18) BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – IX ZB 230/03, ZIP 2005, 1324 = ZVI 2005, 386.
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Absatz 1 Satz 2 Berücksichtigung gefunden haben.19) Durch wen die Verwertung letztlich vorgenommen wurde, ob durch den Verwalter selbst oder durch einen Sicherungsgläubiger (z. B. gemäß § 170 Abs. 2 InsO), ist dabei unerheblich. 18
Der Hinweis hat spätestens mit der Einreichung der Schlussrechnung, allerdings in einem gesonderten Schreiben, zu erfolgen. Ein früherer Hinweis ist grundsätzlich zulässig aber wenig praxisrelevant, da die Wertdifferenz über die Gesamtheit aller Vermögensgegenstände zu ermitteln ist, die Grundlage des Vergütungsantrags waren. Die Verwertung muss somit weitestgehend abgeschlossen sein, um diese Gesamtschau vornehmen zu können. Die Hinweispflicht trifft den Insolvenzverwalter, und zwar unabhängig davon, ob Personenidentität mit dem ehemaligen vorläufigen Verwalter besteht. Der Hinweis sollte in nachvollziehbarer Weise den im Vergütungsantrag ursprünglich zugrunde gelegten Werten die tatsächlich realisierten Werte, die aus dem Schlussbericht ersichtlich sind, gegenüberstellen. 3.
Rechtslage bis zum 18.7.2013
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Die Neuregelung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist am 19.7.2013 mit der 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform in Kraft getreten. Sie gilt nach der Überleitungsvorschrift des Art. 103h Satz 3 EGInsO (die allerdings selbst erst am 1.7.2014 in Kraft getreten ist) für alle Verfahren, die ab dem 19.7.2013 beantragt wurden. Auf Verfahren, die bis zum 18.7.2013 beantragt wurden, sind demnach § 63 InsO und § 11 in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.
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§ 11 a. F. enthielt zwar in Absatz 1 Sätze 1 bis 3 und Absatz 2 Satz 2 Regelungen, die inhaltlich unverändert in den nunmehrigen § 63 Abs. 3 InsO übernommen wurden. Es bestanden jedoch erhebliche Bedenken, ob die vom Bundesministerium der Justiz auf der Ermächtigungsgrundlage des § 65 InsO durch die 2. ÄndVOInsVV (BGBl. I 2006, 3389) mit Wirkung zum 29.12.2006 eingeführte Fassung des § 11 verfassungskonform ist.20) Diese konzentrierten sich auf Absatz 2 Satz 2, die nachträgliche Abänderungsbefugnis.
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Am 15.11.2012 hat der Bundesgerichtshof § 11 Abs. 1 a. F. für nicht verfassungskonform erklärt, soweit bei erheblicher Befassung die Berücksichtigung von Gegenständen, an denen Aus- oder Absonderungsrechte bestehen, als Teil der Berechnungsgrundlage normiert ist. Nach § 63 InsO a. F. gilt hinsichtlich der Berechnungsgrundlage für die Insolvenzverwaltervergütung das Überschussprinzip; da § 63 InsO a. F. zu der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters keine abweichenden Regelungen enthält, gilt dieses daher auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter. § 11 Abs. 1 Satz 4 a. F. weicht davon ab, so dass seine Einführung nicht durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt war und die Vorschrift daher nichtig ist.
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Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, werden danach mit den voraussichtlichen Massezuflüssen in der Berechnungsgrundlage berücksichtigt, die _____________ 19) A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 101 f. 20) Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken ausführl. Küpper/Heinze, ZInsO 2007, 231, die die nachträgliche Änderung als nicht verfassungsgemäß ablehnen; Graeber, ZInsO 2007, 133, 139, mit dem Vorschlag einer Festsetzung unter Vorbehalt; a. A. A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 89, der in Anlehnung an § 164 AO eine Unterscheidung zwischen formeller und materieller Rechtskraft treffen will.
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§ 11 InsVV
zur Begleichung der späteren Masseverbindlichkeiten zur Verfügung stehen.21) In Betracht kommen neben einem eventuellen Übererlös also auch bei wertausschöpfender Belastung die Kostenbeiträge des § 171 InsO und ggf. die Umsatzsteuer nach § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO. Bei erheblicher Befassung mit dem Absonderungsgut kann dem vorläufigen Insolvenzverwalter ein Zuschlag zur Regelvergütung nach § 3 Abs. 1 Buchst. a zugebilligt werden. Gegenstände, an denen Aussonderungsrechte bestehen, werden grundsätzlich nicht Bestandteil der Berechnungsgrundlage. Allerdings kann ein Anwartschaftsrecht, das ein Schuldner an einem auszusondernden Gegenstand erworben hat, berücksichtigt werden, wenn es einen wirtschaftlichen Wert darstellt.22)
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III. Mindestvergütung Für den vorläufigen Verwalter gilt über den Verweis in § 10 die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2. Sie findet immer dann Anwendung, wenn die Regelvergütung die Mindestvergütung nicht erreicht.
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Hinsichtlich der Höhe der Mindestvergütung kann nicht auf die Anzahl der Anmeldegläubiger abgestellt werden, weil Forderungsanmeldungen im Eröffnungsverfahren noch nicht vorliegen und die Anzahl der Anmeldegläubiger regelmäßig noch nicht bekannt ist.23) Im Eröffnungsverfahren ist deshalb die Zahl der Gläubiger heranzuziehen, mit deren Forderungsanmeldung nach Insolvenzeröffnung zu rechnen ist. Das sind im Zweifelsfall alle bei Insolvenzeröffnung bekannten Gläubiger. Dabei sind Arbeitnehmerforderungen, die voraussichtlich auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen, zusammenfassend als Forderungen eines Gläubiger zu berücksichtigen.24) Auch mehrere nachgeordnete Behörden einer Gebietskörperschaft sind lediglich als ein Gläubiger zu berücksichtigen (vgl. § 2 Rz. 12).25)
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IV. Sachverständigenentschädigung (Abs. 4) Über die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters hinaus kann der Verwalter zum Sachverständigen bestellt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO). Inhalt des Auftrages ist die Prüfung, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und ob Aussichten bestehen, das schuldnerische Unternehmen fortzuführen.
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Hierfür erhält der Sachverständige, der zugleich zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde, nach § 9 Abs. 2 JVEG einen Stundensatz i. H. von 80 €. Wird nur ein Sachverständiger bestellt, ist der Stundensatz nach billigem Ermessen durch Zuordnung zu einer Honorargruppe zu bestimmen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG).
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Der Anspruch auf Sachverständigenentschädigung verjährt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 JVEG binnen drei Monaten nach Einreichung des Insolvenzgutachtens bei Gericht.
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_____________ 21) BGH, Beschl. v. 15.11.2013 – IX ZB 130/10, ZIP 2013, 30, dazu EWiR 2013, 125 (Kalkmann). 22) BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 88/09, ZIP 2012, 2515, dazu EWiR 2013, 61 (Keller). 23) BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 104/05, ZIP 2006, 1403 = ZInsO 2006, 811, m. Anm. Blersch, ZIP 2006, 1605. 24) BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486, dazu EWIR 2010, 399 (Blersch). 25) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 27/10, ZIP 2011, 1479 = ZInsO 2011, 1251.
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InsVV § 12
Vergütung des Sachwalters
V. Vergütungsfestsetzung im Fall der Nichteröffnung 29
Die Vergütung des vorläufigen Verwalters ist als Teil der Kosten des Verfahrens (§ 54 InsO) grundsätzlich aus der Masse zu decken. Führt das Insolvenzeröffnungsverfahren jedoch nicht zur Eröffnung, sondern endet es auf andere Weise (Antragsrücknahme, Erledigung in der Hauptsache, Abweisung wegen Unbegründetheit oder mangels Masse), erfolgt die Vergütungsfestsetzung nach § 26a InsO gleichwohl durch das Insolvenzgericht.
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Wird der Eröffnungsantrag mangels Kostendeckung abgewiesen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO) und reichen die vorhandenen liquiden Mittel nicht zur Deckung der Vergütung des vorläufigen Verwalters aus, hat dieser keinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse,26) obwohl seiner Tätigkeit ein gerichtlicher Auftrag zugrunde liegt. Ansprüche gegen die Landeskasse ergeben sich ausschließlich i. R. der Verfahrenskostenstundung (§ 63 Abs. 2, § 4a InsO). _____________ 26) BGH, Beschl. v. 22.1.2004 – IX ZB 123/03, ZIP 2004, 571 = ZVI 2004, 200, dazu EWiR 2004, 609 (Vallender).
§ 12 Vergütung des Sachwalters (1) Der Sachwalter erhält in der Regel 60 vom Hundert der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung. (2) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 277 Abs. 1 der Insolvenzordnung angeordnet hat, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind. (3) § 8 Abs. 3 gilt mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Betrags von 250 Euro der Betrag von 125 Euro tritt. Literatur: Schur, Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters – Regelvergütung, Berechnungsgrundlage, Zuschläge, ZIP 2014, 757. Übersicht
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I. II. III. IV.
Vorbemerkung ..................................... Regelvergütung (Abs. 1) ..................... Auslagenpauschale ............................... Mindestvergütung ...............................
I.
Vorbemerkung
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V. Vergütung des vorläufigen Sachwalters ........................................... 9 VI. Festsetzung der Vergütung ............... 13
Der Aufgabenbereich des Sachwalters (§ 274 InsO) unterscheidet sich deutlich von dem des Insolvenzverwalters. Ihm sind im Wesentlichen Überwachungs- und Prüfungspflichten auferlegt. Typische Verwalteraufgaben, wie Verwertung und Verwaltung der Insolvenzmasse, treffen ihn nicht.
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Vergütung des Sachwalters
V. Vergütungsfestsetzung im Fall der Nichteröffnung 29
Die Vergütung des vorläufigen Verwalters ist als Teil der Kosten des Verfahrens (§ 54 InsO) grundsätzlich aus der Masse zu decken. Führt das Insolvenzeröffnungsverfahren jedoch nicht zur Eröffnung, sondern endet es auf andere Weise (Antragsrücknahme, Erledigung in der Hauptsache, Abweisung wegen Unbegründetheit oder mangels Masse), erfolgt die Vergütungsfestsetzung nach § 26a InsO gleichwohl durch das Insolvenzgericht.
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Wird der Eröffnungsantrag mangels Kostendeckung abgewiesen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO) und reichen die vorhandenen liquiden Mittel nicht zur Deckung der Vergütung des vorläufigen Verwalters aus, hat dieser keinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse,26) obwohl seiner Tätigkeit ein gerichtlicher Auftrag zugrunde liegt. Ansprüche gegen die Landeskasse ergeben sich ausschließlich i. R. der Verfahrenskostenstundung (§ 63 Abs. 2, § 4a InsO). _____________ 26) BGH, Beschl. v. 22.1.2004 – IX ZB 123/03, ZIP 2004, 571 = ZVI 2004, 200, dazu EWiR 2004, 609 (Vallender).
§ 12 Vergütung des Sachwalters (1) Der Sachwalter erhält in der Regel 60 vom Hundert der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung. (2) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn das Insolvenzgericht gemäß § 277 Abs. 1 der Insolvenzordnung angeordnet hat, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind. (3) § 8 Abs. 3 gilt mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Betrags von 250 Euro der Betrag von 125 Euro tritt. Literatur: Schur, Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters – Regelvergütung, Berechnungsgrundlage, Zuschläge, ZIP 2014, 757. Übersicht
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I. II. III. IV.
Vorbemerkung ..................................... Regelvergütung (Abs. 1) ..................... Auslagenpauschale ............................... Mindestvergütung ...............................
I.
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V. Vergütung des vorläufigen Sachwalters ........................................... 9 VI. Festsetzung der Vergütung ............... 13
Der Aufgabenbereich des Sachwalters (§ 274 InsO) unterscheidet sich deutlich von dem des Insolvenzverwalters. Ihm sind im Wesentlichen Überwachungs- und Prüfungspflichten auferlegt. Typische Verwalteraufgaben, wie Verwertung und Verwaltung der Insolvenzmasse, treffen ihn nicht.
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§ 12 InsVV
Vergütung des Sachwalters
II. Regelvergütung (Abs. 1) Die Regelvergütung des Sachwalters beträgt 60 % der Vergütung des Insolvenzverwalters. Ähnlich der Vergütungsberechnung bei der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters muss der besondere Aufgabenkreis des Sachwalters berücksichtigt werden.
2
Grundlage der Vergütung ist die nach § 1 zu bestimmende Insolvenzmasse. Da ein Verweis entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 2 fehlt, ist die Masse ohne Einschränkungen nach § 1 zu bestimmen.
3
Absatz 2 ergänzt die Regelungen des § 3, wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt. Wird angeordnet, dass bestimmte Rechtsgeschäfte der Zustimmung des Sachwalters bedürfen (§ 277 Abs. 1 Satz 1 InsO), ist erhöhend vom Regelsatz abzuweichen. Der Umfang der Erhöhung ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Hierzu gehört u. a., welche Rechtsgeschäfte der Zustimmung bedürfen. Zuschläge kommen weiterhin in Betracht, wenn an den Sachwalter besondere Anforderungen bei Zustimmungen zu Rechtshandlungen des Schuldners gestellt werden (z. B. Mitwirkung bei der Erfüllung gegenseitiger Verträge, § 279 Satz 2 InsO) oder sich seine Mitwirkungspflichten, etwa seine Stellungnahme zum Bericht des Schuldners im Berichtstermin (§ 281 Abs. 2 Satz 2 InsO), besonders schwierig gestalten. Zuschläge sind selbst dann gerechtfertigt, wenn Regelaufgaben wie die Überwachung der Geschäftsführung und die Prüfung der wirtschaftlichen Lage aufgrund qualitativer und/oder quantitativer Kriterien den Sachwalter überdurchschnittlich in Anspruch nehmen.1)
4
Spezifische Abschläge sind vorzunehmen, wenn der Umfang der schuldnerischen Tätigkeit gering ist oder der Sachwalter nur in geringem Umfang zur Mitwirkung herangezogen werden muss.2)
5
Im Übrigen können sich Minderungs- oder Erhöhungstatbestände nach § 3 ergeben. Entsprechend der Vergütung des vorläufigen Verwalters sind Zu- und Abschläge so zu berechnen, dass sie den Regelsatz von 60 % unmittelbar erhöhen oder mindern.3)
6
III. Auslagenpauschale Auch die Auslagen werden im Hinblick auf den geringeren Aufwand stärker begrenzt als bei einem Insolvenzverwalter. Während Letzterer maximal 250 € monatlich beanspruchen kann, ist die Auslagenpauschale des Sachwalters auf monatlich 125 € begrenzt.
7
IV. Mindestvergütung Über § 10 gilt mangels einer Ausnahmeregelung auch die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2. Eine Reduzierung der Mindestvergütung auf 60 % scheidet aus, da Absatz 1 lediglich auf die Regelsätze nach § 2 Abs. 1 verweist. _____________ 1) 2) 3)
Keller, Vergütung, Rz. 676. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 12 InsVV Rz. 10; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 12 Rz. 12. Keller, Vergütung, Rz. 677.
Kalkmann
1785
8
InsVV § 12
Vergütung des Sachwalters
V. Vergütung des vorläufigen Sachwalters 9
Mit dem ESUG wurden erstmalig das Schutzschirmverfahren und das Institut des vorläufigen Sachwalters eingeführt. Jedoch hat es der Gesetzgeber versäumt, gleichzeitig die Vergütungsansprüche des vorläufigen Sachwalters zu regeln. Dass die Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter nicht unvergütet bleiben kann, ergibt sich bereits aus dem Grundgedanken des Art. 12 GG.4)
10
Die Tätigkeit als vorläufiger Sachwalter bezieht sich ebenso wie die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf das bei Insolvenzantragstellung vorhandene und während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erworbene Vermögen. Es ist daher gerechtfertigt, für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage die Regelungen des § 1 Abs. 2 mit den in § 11 Abs. 1 Sätze 2, 3 normierten Abweichungen analog anzuwenden.
11
§ 270a Abs. 1 Satz 2 InsO verweist auf die §§ 274, 275 InsO. Aufgabe des vorläufigen Sachwalters ist die Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners, die Überwachung der Geschäftsführung und die Zustimmung zur Eingehung von Verbindlichkeiten. Diese Überwachungstätigkeit macht auch den wesentlichen Anteil der Tätigkeit als Sachwalter im eröffneten Verfahren aus; Abweichungen ergeben sich daraus, dass dem Sachwalter zusätzlich die Tabellenführung und Forderungsprüfung obliegt (§ 270c Satz 2 InsO) und er zur Geltendmachung der Anfechtungsansprüche, der Gesellschafterhaftung und der Ansprüche auf Ausgleich eines Gesamtschadens berechtigt ist (§ 280 InsO). Demgegenüber ist der vorläufige Sachwalter im Schutzschirmverfahren zusätzlich verpflichtet, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen, § 270 Abs. 4 Satz 2 InsO. Die Tätigkeitsbilder des vorläufigen Sachwalters und des Sachwalters unterscheiden sich somit nicht wesentlich, so dass die Anwendung eines einheitlichen Vergütungssatzes von 60 % sowohl im eröffneten als auch im Eröffnungsverfahren gerechtfertigt ist. Den Abweichungen im Aufgabenbereich kann durch Abschläge nach § 3 Rechnung getragen werden.5)
12
Anderslautende Entscheidungen und Literaturmeinungen,6) die dem vorläufigen Sachwalter lediglich 25 % der Regelvergütung von 60 % (rein mathematisch also nur 15 % der Staffelvergütung nach § 2 Abs. 1) zubilligen, führen im Ergebnis zu einer dem Aufwand eines vorläufigen Sachwalters unangemessenen, zu geringen Vergütung, die auch durch die Gewährung von Zuschlägen nicht auf eine angemessene Gesamtvergütung angehoben werden kann. Sie stehen damit im Widerspruch zum Angemessenheitsgrundsatz des § 63 Abs. 1 InsO.
_____________ 4) 5) 6)
BVerfG, Beschl. v. 30.3.1993 – 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, ZIP 1993, 838. AG Göttingen, Beschl. v. 28.11.2012 – 74 IN 160/12, ZIP 2013, 36; AG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2013 – 67g IN 419/12, ZIP 2014, 237, dazu EWiR 2014, 155 (Hofmann). AG Köln, Beschl. v. 13.11.2012 – 71 IN 109/12, ZIP 2013, 426; LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13, ZIP 2014, 694; AG Essen, Beschl. v. 17.1.2014 – 164 IN 135/13, ZIP 2014, 839; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., 2014, § 270a Rz. 9; Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 270a Rz. 26 f; Wimmer-Foltis, FK-InsO, § 270a Rz. 32.
1786
Kalkmann
Vergütung des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren
§ 13 InsVV
VI. Festsetzung der Vergütung Das Festsetzungsverfahren richtet sich grundsätzlich nach § 8. Zu beachten ist, dass der Festsetzungsbeschluss den Schuldner verpflichtet, die Vergütung an den Sachwalter zu zahlen, da bei Eigenverwaltung der Sachwalter nicht zur Entnahme der Vergütung berechtigt ist (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO).
13
§ 13 ) Vergütung des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 800 Euro.
)
§ 13 neugefasst durch Art. 5 Nr. 4 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 13: „§ 13 Vergütung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren (1) Der Treuhänder erhält in der Regel 15 vom Hundert der Insolvenzmasse. Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das vereinfachte Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird. Haben in dem Verfahren nicht mehr als 5 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 600 Euro betragen. Von 6 bis zu 15 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 150 Euro. Ab 16 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 100 Euro. (2) §§ 2 und 3 finden keine Anwendung.“ Übersicht
I. Regelvergütung .................................... 1 II. Kürzung der Regelvergütung ............. 3
I.
III. Mindestvergütung ................................ 4
Regelvergütung
Im Verbraucherinsolvenzverfahren nach den §§ 304 ff InsO hat der Insolvenzverwalter in allen seit dem 1.7.2014 beantragten Verfahren die gleichen Aufgaben zu erfüllen wie in einem Regelinsolvenzverfahren. Folgerichtig wurde die bisherige Differenzierung in der Struktur der Vergütungsberechnung abgeschafft. Auch der Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren erhält die Regelvergütung, die sich gemäß § 2 Abs. 1 nach der gemäß § 1 zu ermittelnden Wertgrundlage berechnet.
1
Allerdings wird dem Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren durch die mit dem Insolvenzantrag vorzulegenden Verzeichnisse nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu Beginn des Verfahrens eigener Ermittlungsaufwand zur Vermögenssituation des Schuldners erspart. Zudem sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners in der Regel überschaubar sowie die Anzahl der Gläubiger und die Höhe der Verbindlichkeiten gering. Die Vorschriften über die Regelvergütung des Insolvenzverwalters sollen daher nicht uneingeschränkt auch im Verbraucherinsolvenzverfahren Anwendung finden:
2
Kalkmann
1787
Vergütung des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren
§ 13 InsVV
VI. Festsetzung der Vergütung Das Festsetzungsverfahren richtet sich grundsätzlich nach § 8. Zu beachten ist, dass der Festsetzungsbeschluss den Schuldner verpflichtet, die Vergütung an den Sachwalter zu zahlen, da bei Eigenverwaltung der Sachwalter nicht zur Entnahme der Vergütung berechtigt ist (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO).
13
§ 13 ) Vergütung des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 800 Euro.
)
§ 13 neugefasst durch Art. 5 Nr. 4 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 13: „§ 13 Vergütung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren (1) Der Treuhänder erhält in der Regel 15 vom Hundert der Insolvenzmasse. Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das vereinfachte Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird. Haben in dem Verfahren nicht mehr als 5 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 600 Euro betragen. Von 6 bis zu 15 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 150 Euro. Ab 16 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 100 Euro. (2) §§ 2 und 3 finden keine Anwendung.“ Übersicht
I. Regelvergütung .................................... 1 II. Kürzung der Regelvergütung ............. 3
I.
III. Mindestvergütung ................................ 4
Regelvergütung
Im Verbraucherinsolvenzverfahren nach den §§ 304 ff InsO hat der Insolvenzverwalter in allen seit dem 1.7.2014 beantragten Verfahren die gleichen Aufgaben zu erfüllen wie in einem Regelinsolvenzverfahren. Folgerichtig wurde die bisherige Differenzierung in der Struktur der Vergütungsberechnung abgeschafft. Auch der Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren erhält die Regelvergütung, die sich gemäß § 2 Abs. 1 nach der gemäß § 1 zu ermittelnden Wertgrundlage berechnet.
1
Allerdings wird dem Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren durch die mit dem Insolvenzantrag vorzulegenden Verzeichnisse nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu Beginn des Verfahrens eigener Ermittlungsaufwand zur Vermögenssituation des Schuldners erspart. Zudem sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners in der Regel überschaubar sowie die Anzahl der Gläubiger und die Höhe der Verbindlichkeiten gering. Die Vorschriften über die Regelvergütung des Insolvenzverwalters sollen daher nicht uneingeschränkt auch im Verbraucherinsolvenzverfahren Anwendung finden:
2
Kalkmann
1787
InsVV § 14
Grundsatz
II. Kürzung der Regelvergütung 3
§ 3 Abs. 2 Buchst. e sieht einen Abschlag auf die Regelvergütung für alle Kleinverfahren vor. Diese Vorschrift wird insbesondere in den Verbraucherinsolvenzverfahren zur Anwendung kommen, wenn die Regelvergütung die Mindestvergütung übersteigt. III. Mindestvergütung
4
Der Sockelbetrag der Mindestvergütung für die Prüfung der Forderungen von bis zu zehn Anmeldegläubigern ist abweichend von § 2 Abs. 2 auf 800 € festgelegt. Das entspricht einer Regelvergütung nach einer Masse von 2 000 €. Haben mehr als zehn Gläubiger Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet, gelten ohne jegliche Abweichung wieder die Regelungen des § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3, vgl. vorstehend § 2 Rz. 6 ff.
Dritter Abschnitt Vergütung des Treuhänders nach § 293 der Insolvenzordnung § 14 Grundsatz (1) Die Vergütung des Treuhänders nach § 293 der Insolvenzordnung wird nach der Summe der Beträge berechnet, die aufgrund der Abtretungserklärung des Schuldners (§ 287 Abs. 2 der Insolvenzordnung) oder auf andere Weise zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners beim Treuhänder eingehen. (2) Der Treuhänder erhält: 1.
von den ersten 25 000 Euro
5 vom Hundert,
2.
von dem Mehrbetrag bis 50 000 Euro
3 vom Hundert,
3.
von dem darüber hinausgehenden Betrag
1 vom Hundert.
(3) 1Die Vergütung beträgt mindestens 100 Euro für jedes Jahr der Tätigkeit des Treuhänders. 2Hat er die durch Abtretung eingehenden Beträge an mehr als 5 Gläubiger verteilt, so erhöht sich diese Vergütung je 5 Gläubiger um 50 Euro. Übersicht
1
I. II. 1. 2. III. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... 1 Vergütung ............................................. 3 Wertgrundlage ....................................... 5 Höhe der Vergütung ............................. 8 Mindestvergütung ............................... 9 Grund-Mindestvergütung .................... 9 Pauschale für die Durchführung von Verteilungen ................................. 11
I.
Vorbemerkung
3.
Vergleich zwischen Mindestvergütung und Vergütung nach Absatz 2 ............................................... 13 4. Mindestvergütung im Fall des § 300a InsO ......................................... 14 IV. Erhöhungs- und Minderungstatbestände .......................................... 15
Aufgabe des Treuhänders in der sog. Wohlverhaltensperiode ist es, die ihm aufgrund der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) zufließenden Beträge 1788
Kalkmann
InsVV § 14
Grundsatz
II. Kürzung der Regelvergütung 3
§ 3 Abs. 2 Buchst. e sieht einen Abschlag auf die Regelvergütung für alle Kleinverfahren vor. Diese Vorschrift wird insbesondere in den Verbraucherinsolvenzverfahren zur Anwendung kommen, wenn die Regelvergütung die Mindestvergütung übersteigt. III. Mindestvergütung
4
Der Sockelbetrag der Mindestvergütung für die Prüfung der Forderungen von bis zu zehn Anmeldegläubigern ist abweichend von § 2 Abs. 2 auf 800 € festgelegt. Das entspricht einer Regelvergütung nach einer Masse von 2 000 €. Haben mehr als zehn Gläubiger Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet, gelten ohne jegliche Abweichung wieder die Regelungen des § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3, vgl. vorstehend § 2 Rz. 6 ff.
Dritter Abschnitt Vergütung des Treuhänders nach § 293 der Insolvenzordnung § 14 Grundsatz (1) Die Vergütung des Treuhänders nach § 293 der Insolvenzordnung wird nach der Summe der Beträge berechnet, die aufgrund der Abtretungserklärung des Schuldners (§ 287 Abs. 2 der Insolvenzordnung) oder auf andere Weise zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners beim Treuhänder eingehen. (2) Der Treuhänder erhält: 1.
von den ersten 25 000 Euro
5 vom Hundert,
2.
von dem Mehrbetrag bis 50 000 Euro
3 vom Hundert,
3.
von dem darüber hinausgehenden Betrag
1 vom Hundert.
(3) 1Die Vergütung beträgt mindestens 100 Euro für jedes Jahr der Tätigkeit des Treuhänders. 2Hat er die durch Abtretung eingehenden Beträge an mehr als 5 Gläubiger verteilt, so erhöht sich diese Vergütung je 5 Gläubiger um 50 Euro. Übersicht
1
I. II. 1. 2. III. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... 1 Vergütung ............................................. 3 Wertgrundlage ....................................... 5 Höhe der Vergütung ............................. 8 Mindestvergütung ............................... 9 Grund-Mindestvergütung .................... 9 Pauschale für die Durchführung von Verteilungen ................................. 11
I.
Vorbemerkung
3.
Vergleich zwischen Mindestvergütung und Vergütung nach Absatz 2 ............................................... 13 4. Mindestvergütung im Fall des § 300a InsO ......................................... 14 IV. Erhöhungs- und Minderungstatbestände .......................................... 15
Aufgabe des Treuhänders in der sog. Wohlverhaltensperiode ist es, die ihm aufgrund der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) zufließenden Beträge 1788
Kalkmann
§ 14 InsVV
Grundsatz
an die Gläubiger zu verteilen. Die Verteilung soll grundsätzlich einmal jährlich erfolgen, kann jedoch auch bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung ausgesetzt werden, wenn die auszuschüttenden Beträge so gering sind, dass eine Verteilung unwirtschaftlich wäre (§ 292 Abs. 1 InsO). Diese Tätigkeit ist mit geringem Aufwand umzusetzen. Dementsprechend liegt die Höhe der Vergütung deutlich unter der des Insolvenzverwalters des eröffneten Insolvenzverfahrens. Ein § 10 entsprechender Verweis auf die Vorschriften des ersten Abschnitts fehlt. Daher ist die Vergütung ausschließlich nach den §§ 14 – 16 zu bestimmen. § 14 findet auch im Insolvenzhauptverfahren Anwendung, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung noch im eröffneten Insolvenzverfahren endet. Der Verwalter hat den Neuerwerb, der zwischen dem Ablauf der Abtretungserklärung und der rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung entsteht, treuhänderisch zu vereinnahmen und zu verwalten (§ 300a Abs. 2 InsO). Hierfür hat er gegenüber dem Schuldner Anspruch auf eine Vergütung und Auslagen nach § 293 InsO (§ 300a Abs. 3 InsO).
2
II. Vergütung Die Vergütung deckt die Tätigkeiten, die der Treuhänder vom Beginn bis zum Ende der Wohlverhaltensperiode erbringt. Sowohl in der Regel- als auch in der Verbraucherinsolvenz wird der Treuhänder mit dem Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung ernannt (§ 291 Abs. 2 InsO). Der eigentliche Amtsantritt erfolgt jedoch erst mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens bzw. mit Einstellung (§§ 211, 289 Abs. 3 InsO). Dieser Zeitpunkt ist als Beginn des Amtes maßgeblich.
3
Die Eröffnung des Verfahrens führt zu einem Insolvenzbeschlag, der auch die laufenden pfändbaren Einkünfte umfasst (§§ 35, 36 Abs. 1 InsO). Für die Tätigkeit eines Treuhänders nach § 293 InsO ist während des Insolvenzhauptverfahrens kein Raum.
4
1.
Wertgrundlage
Während der Wohlverhaltensperiode gelangen die aus laufendem Einkommen monatlich nach § 850c ZPO pfändbaren Beträge oder diesen gleichgestellte Beträge (§ 295 Abs. 2 InsO) in die Masse. Anderes Vermögen hat der Treuhänder nicht zu verwalten. Daher wird die Vergütung ausgehend von den Beträgen, die der Treuhänder aufgrund der Abtretung erlangt, berechnet. Erhält der Treuhänder darüber hinaus Beträge, die der Schuldner nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO herauszugeben hat, fließen diese in die Berechnungsgrundlage mit ein.
5
Gelder, die ihren Ursprung im eröffneten Insolvenzverfahren haben, z. B. eine Steuererstattung, die schon während des eröffneten Verfahrens entstanden ist, sind nach den Regeln der Nachtragsverteilung an die Gläubiger zu verteilen. Hierfür erhält der Insolvenzverwalter eine besondere Vergütung (§ 6 Abs. 1).
6
Im Falle des § 300a InsO ist Wertgrundlage der gesamte Neuerwerb, der nach Beendigung der Laufzeit der Abtretungserklärung zugunsten des Schuldners zu separieren ist.
7
Kalkmann
1789
InsVV § 14 2. 8
Grundsatz
Höhe der Vergütung
Aus der verwalteten Masse erhält der Treuhänder einen wertabhängigen Prozentsatz (Abs. 2). Der Wert errechnet sich aus allen eingenommenen Beträgen während der gesamten Dauer des Amtes und ist nicht auf ein Jahr o. Ä. bezogen. Berücksichtigt werden muss dieser Umstand bei der Abrechnung von Vorschüssen. III. Mindestvergütung 1.
Grund-Mindestvergütung
9
Auch vom Treuhänder der Wohlverhaltensperiode kann nicht erwartet werden, ohne Deckung der wirklichen Aufwendungen zu arbeiten. Der Treuhänder erhält eine Mindestvergütung von 100 € pro Jahr der Tätigkeit. Um zu vermeiden, dass das Verfahrensziel Restschuldbefreiung aufgrund einer überhöhten Mindestvergütung nicht erreicht wird, wurde sie bewusst mit nur 100 € pro Jahr angesetzt. Denn zahlt der Schuldner die Mindestvergütung nicht, kann dies zur Versagung der Restschuldbefreiung führen (§ 298 InsO).
10
Die Mindestvergütung ist pro angefangenes Jahr anzusetzen. Sie entspricht einer wertabhängigen Vergütung aus eingehenden Beträgen von jährlich 2 000 €. Entgegen den Erwartungen zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung werden während der Wohlverhaltensperiode nur geringe Beträge erwirtschaftet. Damit muss der Treuhänder häufig Verteilungen deutlich unter 2 000 € vornehmen und hätte also lediglich einen Anspruch auf die Mindestvergütung i. H. von 100 €. Dies deckt den Aufwand einer Verteilung nicht. 2.
Pauschale für die Durchführung von Verteilungen
11
Eine auskömmliche und damit verfassungsgemäße Vergütung ergibt sich aus der Koppelung von Grund-Mindestvergütung und einer Pauschale, die in Abhängigkeit von der Zahl der Gläubiger, an die verteilt wird, entsteht. Nach Absatz 2 deckt der Sockelbetrag der Mindestvergütung die Kosten einer Verteilung an bis zu fünf Gläubiger. Wird an mehr als fünf Gläubiger verteilt, wird ein Zuschlag von 50 € für je volle fünf Gläubiger gewährt, und zwar auch für die ersten fünf.1) Damit ergibt sich ab einer Zahl von sechs Gläubigern eine Mindestvergütung von 150 €, ab elf Gläubigern von 200 € usw.
12
Voraussetzung für das Entstehen der Pauschale ist eine tatsächliche Verteilung. Nimmt der Treuhänder nur geringe Beträge ein und verzichtet er auf eine Verteilung, hat er keinen Anspruch auf eine Erhöhung des Sockelbetrages. Der Erhöhungsbetrag soll lediglich den Aufwand einer Verteilung abdecken. 3.
13
Vergleich zwischen Mindestvergütung und Vergütung nach Absatz 2
Da der Anspruch auf die Mindestvergütung für jedes Jahr der Tätigkeit entsteht, muss er für jedes Jahr ermittelt werden. Sie muss nicht jedes Jahr in gleicher Höhe anfallen. So können im ersten Jahr abgetretene Beträge fließen, in den weiteren Jahren nicht, weil der Schuldner seine Arbeitsstelle verloren hat. Bei der endgültigen Festsetzung der Vergütung sind die Mindestvergütungen für jedes Jahr der Tätigkeit _____________ 1)
BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 140/10, Jurion RS 2011, 22324.
1790
Kalkmann
§ 15 InsVV
Überwachung der Obliegenheiten des Schuldners
zu ermitteln und zu addieren, um die Gesamtmindestvergütung zu ermitteln. Sie wird dem Regelsatz nach Absatz 1 Satz 1 gegenübergestellt. 4.
Mindestvergütung im Fall des § 300a InsO
Zieht der Insolvenzverwalter Neuerwerb ein, den er nach § 300a Abs. 2 InsO an den Schuldner herausgeben muss, sobald die Erteilung der Restschuldbefreiung rechtskräftig geworden ist, ist sein Pflichtenkreis gering. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen daher die Vorschriften über die Mindestvergütung nach Absatz 3 nicht anwendbar sein.2) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt indes.
14
IV. Erhöhungs- und Minderungstatbestände Die Vergütung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift keine Regelvergütung. Durch § 293 Abs. 2 InsO ist die eine Abweichung begründende Vorschrift des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich ausgenommen, da nur § 63 Abs. 2 InsO (Sekundäranspruch bei Verfahrenskostenstundung) entsprechend gilt.
15
Damit wird dem vorhersehbaren Aufwand nach § 292 InsO Rechnung getragen, wonach der Treuhänder lediglich die von der Abtretung erfassten Beträge anzunehmen und zu verteilen hat. Ob die Durchsetzung der Abtretung gegenüber dem Drittschuldner zu den Aufgaben des Treuhänders gehört, ist angesichts der klaren Aufgabenbeschreibung nach § 292 InsO zweifelhaft. Soweit dies bejaht wird,3) muss bei einer Durchsetzung ein Erhöhungstatbestand in Erwägung gezogen werden, da eine jährliche Mindestvergütung von 100 € diesen Aufwand in keinem Fall deckt.
16
_____________ 2) 3)
Begr. RegE z. GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 32. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 14 InsVV Rz. 7; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 14 Rz. 7.
§ 15 Überwachung der Obliegenheiten des Schuldners (1) 1Hat der Treuhänder die Aufgabe, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen (§ 292 Abs. 2 der Insolvenzordnung), so erhält er eine zusätzliche Vergütung. 2Diese beträgt regelmäßig 35 Euro je Stunde. (2) 1Der Gesamtbetrag der zusätzlichen Vergütung darf den Gesamtbetrag der Vergütung nach § 14 nicht überschreiten. 2Die Gläubigerversammlung kann eine abweichende Regelung treffen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Entstehung des Anspruchs ................. 2
I.
III. Höhe der Vergütung ........................... 4
Vorbemerkung
Wird der Treuhänder durch die Gläubigerversammlung beauftragt, die Erfüllung der Obliegenheiten zu überwachen, erbringt er über den normalen Umfang hinaus Leistungen, die nicht durch die Regelvergütung gedeckt sind.
Kalkmann
1791
1
§ 15 InsVV
Überwachung der Obliegenheiten des Schuldners
zu ermitteln und zu addieren, um die Gesamtmindestvergütung zu ermitteln. Sie wird dem Regelsatz nach Absatz 1 Satz 1 gegenübergestellt. 4.
Mindestvergütung im Fall des § 300a InsO
Zieht der Insolvenzverwalter Neuerwerb ein, den er nach § 300a Abs. 2 InsO an den Schuldner herausgeben muss, sobald die Erteilung der Restschuldbefreiung rechtskräftig geworden ist, ist sein Pflichtenkreis gering. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen daher die Vorschriften über die Mindestvergütung nach Absatz 3 nicht anwendbar sein.2) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt indes.
14
IV. Erhöhungs- und Minderungstatbestände Die Vergütung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift keine Regelvergütung. Durch § 293 Abs. 2 InsO ist die eine Abweichung begründende Vorschrift des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich ausgenommen, da nur § 63 Abs. 2 InsO (Sekundäranspruch bei Verfahrenskostenstundung) entsprechend gilt.
15
Damit wird dem vorhersehbaren Aufwand nach § 292 InsO Rechnung getragen, wonach der Treuhänder lediglich die von der Abtretung erfassten Beträge anzunehmen und zu verteilen hat. Ob die Durchsetzung der Abtretung gegenüber dem Drittschuldner zu den Aufgaben des Treuhänders gehört, ist angesichts der klaren Aufgabenbeschreibung nach § 292 InsO zweifelhaft. Soweit dies bejaht wird,3) muss bei einer Durchsetzung ein Erhöhungstatbestand in Erwägung gezogen werden, da eine jährliche Mindestvergütung von 100 € diesen Aufwand in keinem Fall deckt.
16
_____________ 2) 3)
Begr. RegE z. GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 32. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 14 InsVV Rz. 7; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 14 Rz. 7.
§ 15 Überwachung der Obliegenheiten des Schuldners (1) 1Hat der Treuhänder die Aufgabe, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen (§ 292 Abs. 2 der Insolvenzordnung), so erhält er eine zusätzliche Vergütung. 2Diese beträgt regelmäßig 35 Euro je Stunde. (2) 1Der Gesamtbetrag der zusätzlichen Vergütung darf den Gesamtbetrag der Vergütung nach § 14 nicht überschreiten. 2Die Gläubigerversammlung kann eine abweichende Regelung treffen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Entstehung des Anspruchs ................. 2
I.
III. Höhe der Vergütung ........................... 4
Vorbemerkung
Wird der Treuhänder durch die Gläubigerversammlung beauftragt, die Erfüllung der Obliegenheiten zu überwachen, erbringt er über den normalen Umfang hinaus Leistungen, die nicht durch die Regelvergütung gedeckt sind.
Kalkmann
1791
1
InsVV § 16
Festsetzung der Vergütung. Vorschüsse
II. Entstehung des Anspruchs 2
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 15 ist ein Beschluss der Gläubigerversammlung (§ 292 Abs. 2 Satz 1 InsO).1) Eine Anordnung des Insolvenzgerichts reicht hierzu nicht aus. Der Beschluss der Gläubigerversammlung bedingt, dass die Kosten der Überwachung gedeckt sind, d. h. die durch die Abtretung erlangten Beträge müssen sowohl die Vergütung nach § 14 als auch die Kosten der Überwachung decken. Reichen die Gelder nicht aus, ist der Treuhänder zur Überwachung nur verpflichtet, wenn ein entsprechender Geldbetrag vorgeschossen wird (§ 292 Abs. 2 Satz 3 InsO). Er muss sich zur Erlangung des Vorschusses nicht an alle Gläubiger wenden, da diese als Gesamtschuldner haften (§ 427 BGB).2) Ein von den Gläubigern geleisteter Vorschuss wird nicht Bestandteil der Masse. Endet der Überwachungsauftrag vorzeitig und ist der Vorschuss nicht verbraucht, ist der Restbetrag an den Vorschussleistenden zu erstatten.
3
Die Überwachung ist eine Aufgabe, die ausschließlich im Interesse der Gläubiger wahrgenommen wird. Eine Vorschusspflicht ergibt sich daher nur für die Gläubiger. Kosten der Überwachung können nicht i. R. der Verfahrenskostenstundung aus der Staatskasse verlangt werden. Leisten die Gläubiger bei unzureichender Masse keinen Vorschuss, entfällt für den Treuhänder die Verpflichtung zur Überwachung. III. Höhe der Vergütung
4
Die Vergütung wird in Form eines Stundensatzes von aktuell 35 € gewährt. Der Stundensatz ist ein regelmäßiger Satz, d. h. er kann den Umständen des Einzelfalls angepasst werden.
5
Der Gesamtbetrag der Vergütung für die Überwachung darf den Gesamtbetrag der Vergütung nach § 14 nicht überschreiten (Abs. 2 Satz 1). Durch diese Deckelung soll verhindert werden, dass die Vergütung in nicht vorhersehbarer Weise steigt. Gläubiger sollen die Höhe bereits bei ihrer Entscheidung kalkulieren können. Sie können jedoch von dieser Regelung abweichen, also eine Überschreitung zulassen (Abs. 2 Satz 2). Eine Abweichung vom Regelstundensatz steht nicht zur Disposition der Gläubiger. Die Entscheidung hierüber obliegt dem festsetzenden Insolvenzgericht. _____________ 1) 2)
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 15 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 15 InsVV Rz. 6; Stephan in: MünchKommInsO, § 15 InsVV Rz. 11.
§ 16 Festsetzung der Vergütung. Vorschüsse (1) 1Die Höhe des Stundensatzes der Vergütung des Treuhänders, der die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners überwacht, wird vom Insolvenzgericht bei der Ankündigung der Restschuldbefreiung festgesetzt. 2Im Übrigen werden die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen auf Antrag des Treuhänders bei der Beendigung seines Amtes festgesetzt. 3Auslagen sind einzeln anzuführen und zu belegen. 4Soweit Umsatzsteuer anfällt, gilt § 7 entsprechend.
1792
Kalkmann
InsVV § 16
Festsetzung der Vergütung. Vorschüsse
II. Entstehung des Anspruchs 2
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 15 ist ein Beschluss der Gläubigerversammlung (§ 292 Abs. 2 Satz 1 InsO).1) Eine Anordnung des Insolvenzgerichts reicht hierzu nicht aus. Der Beschluss der Gläubigerversammlung bedingt, dass die Kosten der Überwachung gedeckt sind, d. h. die durch die Abtretung erlangten Beträge müssen sowohl die Vergütung nach § 14 als auch die Kosten der Überwachung decken. Reichen die Gelder nicht aus, ist der Treuhänder zur Überwachung nur verpflichtet, wenn ein entsprechender Geldbetrag vorgeschossen wird (§ 292 Abs. 2 Satz 3 InsO). Er muss sich zur Erlangung des Vorschusses nicht an alle Gläubiger wenden, da diese als Gesamtschuldner haften (§ 427 BGB).2) Ein von den Gläubigern geleisteter Vorschuss wird nicht Bestandteil der Masse. Endet der Überwachungsauftrag vorzeitig und ist der Vorschuss nicht verbraucht, ist der Restbetrag an den Vorschussleistenden zu erstatten.
3
Die Überwachung ist eine Aufgabe, die ausschließlich im Interesse der Gläubiger wahrgenommen wird. Eine Vorschusspflicht ergibt sich daher nur für die Gläubiger. Kosten der Überwachung können nicht i. R. der Verfahrenskostenstundung aus der Staatskasse verlangt werden. Leisten die Gläubiger bei unzureichender Masse keinen Vorschuss, entfällt für den Treuhänder die Verpflichtung zur Überwachung. III. Höhe der Vergütung
4
Die Vergütung wird in Form eines Stundensatzes von aktuell 35 € gewährt. Der Stundensatz ist ein regelmäßiger Satz, d. h. er kann den Umständen des Einzelfalls angepasst werden.
5
Der Gesamtbetrag der Vergütung für die Überwachung darf den Gesamtbetrag der Vergütung nach § 14 nicht überschreiten (Abs. 2 Satz 1). Durch diese Deckelung soll verhindert werden, dass die Vergütung in nicht vorhersehbarer Weise steigt. Gläubiger sollen die Höhe bereits bei ihrer Entscheidung kalkulieren können. Sie können jedoch von dieser Regelung abweichen, also eine Überschreitung zulassen (Abs. 2 Satz 2). Eine Abweichung vom Regelstundensatz steht nicht zur Disposition der Gläubiger. Die Entscheidung hierüber obliegt dem festsetzenden Insolvenzgericht. _____________ 1) 2)
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 15 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 15 InsVV Rz. 6; Stephan in: MünchKommInsO, § 15 InsVV Rz. 11.
§ 16 Festsetzung der Vergütung. Vorschüsse (1) 1Die Höhe des Stundensatzes der Vergütung des Treuhänders, der die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners überwacht, wird vom Insolvenzgericht bei der Ankündigung der Restschuldbefreiung festgesetzt. 2Im Übrigen werden die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen auf Antrag des Treuhänders bei der Beendigung seines Amtes festgesetzt. 3Auslagen sind einzeln anzuführen und zu belegen. 4Soweit Umsatzsteuer anfällt, gilt § 7 entsprechend.
1792
Kalkmann
§ 16 InsVV
Festsetzung der Vergütung. Vorschüsse
(2) 1Der Treuhänder kann aus den eingehenden Beträgen Vorschüsse auf seine Vergütung entnehmen. 2Diese dürfen den von ihm bereits verdienten Teil der Vergütung und die Mindestvergütung seiner Tätigkeit nicht überschreiten. 3 Sind die Kosten des Verfahrens nach § 4a der Insolvenzordnung gestundet, so kann das Gericht Vorschüsse bewilligen, auf die Satz 2 entsprechend Anwendung findet. Übersicht I. II. III. IV.
Vorbemerkung ..................................... Antrag des Treuhänders ...................... Überwachung der Obliegenheiten .... Festsetzung der Vergütung ................
I.
Vorbemerkung
1 2 3 4
V. Vorschüsse ............................................ 6 1. Grundsatz .............................................. 6 2. Vorschüsse bei Verfahrenskostenstundung ................................................ 9
§ 16 regelt die Festsetzung der Vergütung während der Wohlverhaltensperiode. Dem Treuhänder (§ 293 InsO) kann neben der Vergütung eine besondere Vergütung für die Überwachung der Obliegenheiten zustehen in Form von Stundensätzen, wenn er von der Gläubigerversammlung mit der Überwachung beauftragt worden ist (§ 292 Abs. 2 InsO).
1
II. Antrag des Treuhänders Die Festsetzung setzt einen konkreten Antrag des Treuhänders voraus. In dem Antrag sind alle vergütungsrelevanten Tatsachen darzustellen. Hierzu gehören insbesondere die Berechnungsgrundlage, der Nachweis der entstandenen Auslagen und ggf. eine vergleichende Berechnung zwischen Regel- und Mindestvergütung.
2
III. Überwachung der Obliegenheiten Zur Überwachung der Obliegenheiten ist der Treuhänder nur verpflichtet, wenn die Kosten durch die aus der Abtretung (§ 287 Abs. 2 InsO) fließenden Beträge gedeckt sind oder ein entsprechender Betrag vorgeschossen wird. Die Vergütung wird in Form eines Stundensatzes gezahlt. Daher ist der Verwalter verpflichtet, seinen zeitlichen Aufwand nachzuweisen.1) Der Stundensatz wird zeitgleich mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 289 InsO) festgesetzt, d. h. im oder unmittelbar nach dem Schlusstermin.
3
IV. Festsetzung der Vergütung Ebenso wie bei anderen Vergütungsarten erfolgt die Festsetzung der Vergütungen nach § 14 und § 15 durch das Insolvenzgericht auf Antrag des Treuhänders. Auslagen werden festgesetzt, wenn ihre Entstehung im Einzelnen nachgewiesen ist. Während der Wohlverhaltensphase hat der Treuhänder lediglich die von der Abtretung (§ 287 Abs. 2 InsO) erfassten Beträge oder die sonstigen Beträge (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 InsO) zu vereinnahmen und in der Regel einmal jährlich an die Gläubiger auszuschütten sowie ggf. einen erweiterten Selbstbehalt an den Schuldner auszukehren. Auslagen entstehen im Wesentlichen aus der Führung eines Bankkontos. Damit sind die Auslagen überschaubar. Ein Einzelnachweis führt nicht zu _____________ 1)
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 16 Rz. 4.
Kalkmann
1793
4
InsVV § 16
Festsetzung der Vergütung. Vorschüsse
einem Aufwand wie etwa im eröffneten Insolvenzverfahren, sodass eine Pauschale nicht gerechtfertigt ist. Neben Vergütung und Auslagen kann der Treuhänder die Erstattung der Umsatzsteuer (§ 7) verlangen. 5
Die Festsetzung erfolgt zum Ende des Amtes, d. h. mit rechtskräftiger Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung, Tod des Schuldners oder des Treuhänders und der Entlassung des Treuhänders.2) V. Vorschüsse 1.
Grundsatz
6
Die Wohlverhaltensperiode erstreckt sich meist über mehrere Jahre. Dem Treuhänder kann nicht zugemutet werden, die Kosten für seine Tätigkeit bis zum Ende des Amtes zu verauslagen. Er kann daher aus den zur Verfügung stehenden Beträgen einen Vorschuss entnehmen. Ausgehend von einer ihm zustehenden jährlichen Mindestvergütung (§ 14 Abs. 3 Satz 1) und der Möglichkeit, bei Nichtdeckung der Mindestvergütung die Restschuldbefreiung zu versagen (§ 298 InsO), wird der Vorschuss regelmäßig nach Ablauf eines Tätigkeitsjahres entnommen. Dieser Zeitraum ist i. R. des Vergütungsrechts nicht zwingend. Durch den Vorschuss wird die bisher von dem Treuhänder erbrachte Tätigkeit bzw. die Mindestvergütung entgolten.
7
Bei der Entnahme ist daher zu beachten, dass der jeweilige Vorschuss – ggf. in Summe mit den zuvor entnommenen Vorschüssen – die bereits verdiente Vergütung nicht überschreitet. Während die Gesamtvergütung den gesamten Zeitraum der Wohlverhaltensphase umfasst, muss die Mindestvergütung einer jährlichen Betrachtung unterzogen werden, da sie auf ein Jahr bezogen ist (§ 14 Rz. 9 ff).
8
Neben dem Vergütungsvorschuss können auch die bereits entstandenen Auslagen und die für die bisherige Überwachung anzusetzenden Stundensätze entnommen werden.3) Zur Entnahme des Vorschusses bedarf es, anders als nach § 9 Abs. 2, keiner Zustimmung des Insolvenzgerichts.4) 2.
9
Vorschüsse bei Verfahrenskostenstundung
Auch in masselosen Wohlverhaltensphasen hat der Treuhänder einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses (Abs. 2 Satz 3). Es handelt sich nicht um eine Ermessensentscheidung des Gerichts.5)
_____________ 2) 3) 4) 5)
Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 16 InsVV Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 16 InsVV Rz. 13; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 16 Rz. 7. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 16 InsVV Rz. 15. LG Köln, Beschl. v. 14.7.2004 – 19 T 112/04, ZVI 2005, 103 = NZI 2004, 597; LG Chemnitz, Beschl. v. 21.7.2004 – 3 T 2796/04, ZVI 2004, 558.
1794
Kalkmann
§ 17 InsVV
Berechnung der Vergütung
Vierter Abschnitt Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses § 17 Berechnung der Vergütung (1) 1Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses beträgt regelmäßig zwischen 35 und 95 Euro je Stunde. 2Bei der Festsetzung des Stundensatzes ist insbesondere der Umfang der Tätigkeit zu berücksichtigen. (2) 1Die Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses für die Erfüllung der ihm nach § 56a und § 270 Absatz 3 der Insolvenzordnung zugewiesenen Aufgaben beträgt einmalig 300 Euro. 2Nach der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines vorläufigen Sachwalters richtet sich die weitere Vergütung nach Absatz 1. )
)
Absatz 2 Satz 1 geändert durch Art. 5 Nr. 5 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 1 Satz 1: „(2) 1Die Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses für die Erfüllung der ihm nach § 56 Absatz 2 und § 270 Absatz 3 der Insolvenzordnung zugewiesenen Aufgaben beträgt einmalig 300 Euro.“ Übersicht
I. Vorbemerkungen ................................. 1 II. Vergütung ............................................. 3 1. Entstehung des Anspruchs ................... 3
I.
2. Höhe der Vergütung ............................. 4 3. Festsetzung ............................................ 9 III. Vorschüsse .......................................... 10
Vorbemerkungen
Der (vorläufige) Gläubigerausschuss ist Ausfluss der Gläubigerautonomie. Er vertritt gewissermaßen die Gesamtheit der Gläubiger. Zu den wesentlichen Aufgaben des Gläubigerausschusses im eröffneten Verfahren gehören die Überwachung und die Unterstützung des Insolvenzverwalters (§ 69 Satz 1 InsO). Daneben trägt er in Einzelfällen eine besonders hohe Verantwortung, etwa bei der Entscheidung über die Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens vor dem Berichtstermin (§ 158 Abs. 1 InsO). Gläubigerausschussmitglieder unterliegen einem besonderen Haftungsrisiko (§ 71 InsO).
1
Der vorläufige Gläubigerausschuss soll nicht nur den vorläufigen Insolvenzverwalter bei der Ausübung seines Amtes überwachen und unterstützen, sondern er hat insbesondere dann, wenn das Insolvenzgericht von der durch das ESUG neu eingeführten Sicherungsmaßnahme des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO Gebrauch macht, das Recht, auf die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters Einfluss zu nehmen.
2
II. Vergütung 1.
Entstehung des Anspruchs
Ein Anspruch auf Vergütung setzt eine ordnungsgemäße Bestellung voraus, die entweder durch das Insolvenzgericht (§§ 22a Abs. 1, 67 Abs. 1 InsO) oder die Gläubigerversammlung (§ 68 Abs. 1 InsO) erfolgt. Kalkmann
1795
3
InsVV § 17 2.
Berechnung der Vergütung
Höhe der Vergütung
4
Die Vergütung wird in Form von Stundensätzen gewährt, die regelmäßig zwischen 35 und 95 € liegen.
5
Es handelt sich um Regelsätze, von denen abgewichen werden kann. Maßgebend sind dabei Zeitaufwand und Umfang der Tätigkeit (§ 73 Abs. 1 Satz 2 InsO). Zur Festlegung des konkreten Stundensatzes kommt es auf die Schwierigkeit des Verfahrens selbst und auf den konkreten Einsatz und die Qualifikation des Gläubigerausschussmitgliedes an. Abweichungen sind z. B. denkbar bei Fortführung des Unternehmens, hohem Umsatz, schwierigen Rechtsgebieten, mit denen sich die Gläubigerausschussmitglieder befassen müssen, ausländischen Niederlassungen oder besonderen Haftungsrisiken.
6
Zu berücksichtigen ist nach Ansicht des Verordnungsgebers, dass der Gläubigerausschuss den Interessen der Gläubiger dient und deshalb eine bescheidene Vergütung zumutbar ist.1) Andererseits sieht § 67 Abs. 3 InsO ausdrücklich die Möglichkeit vor, Personen zu bestellen, die keine Gläubiger sind. Ziel dieser Regelung ist die Schaffung des Zugangs zum Amt für hochqualifizierte Personen, die ihre besonderen Kenntnisse einbringen. In Erwartung einer bescheidenen Vergütung werden sie sich nur ausnahmsweise bereitfinden. In Einzelfällen kann deshalb ein den Regelsatz deutlich überschreitender Stundensatz angezeigt sein.2)
7
Abweichend vom Wortlaut der Verordnung ist in Einzelfällen auch die Festsetzung einer Pauschalvergütung, die nicht auf den Zeitaufwand abstellt, zulässig. Dies ist nicht nur dann gerechtfertigt, wenn die Festsetzung nach Stundensätzen anhand des nachgewiesenen Zeitaufwands zu einer unangemessen geringen Vergütung führte, die zu der erheblichen Verantwortung des Gläubigerausschussmitglieds in keinem Verhältnis stünde, sondern auch dann, wenn die Abrechnung selbst nach den geringsten Stundensätzen zur Festsetzung einer überhöhten Vergütung führte, weil der erhebliche Zeiteinsatz gemessen an der Bedeutung der Sache unverhältnismäßig erscheint. Der Pauschalbetrag kann sich an der Vergütung des Insolvenzverwalters bzw. des Treuhänders orientieren.3)
8
Für die Mitwirkung des vorläufigen Gläubigerausschusses bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder bei der Entscheidung über die Anordnung einer Eigenverwaltung und der Auswahl eines (vorläufigen) Sachwalters, erhalten die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses pauschal eine Vergütung von 300 €. Die Pauschale wurde unter Zugrundelegung einer geschätzten Tätigkeitsdauer von drei Stunden für die zu treffenden Entscheidungen und des in Absatz 1 vorgesehenen regelmäßigen Höchststundensatzes von 95 € festgelegt. Die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses erhalten die Pauschale zusätzlich zur Ver_____________ 1) 2) 3)
Begr. zu § 17 InsVV, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Anh. II zur InsVV, S. 23. A. Schmidt-Büttner, InsO, § 17 InsVV Rz. 12. BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZB 11/08, ZIP 2009, 2453 = ZVI 2009, 473, dazu EWiR 2010, 255 (Ferslev); Begr. zu § 17 InsVV, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Anh. II zur InsVV, S. 23; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 17 Rz. 26; Stephan in: MünchKommInsO, § 17 InsVV Rz. 25; a. A. A. Schmidt-Büttner, InsO, § 17 InsVV Rz. 27; UhlenbruckUhlenbruck, InsO, § 73 Rz. 16.
1796
Kalkmann
§ 18 InsVV
Auslagen. Umsatzsteuer
gütung nach Absatz 1 für die Überwachung und Unterstützung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters. Wird der vorläufige Gläubigerausschuss allerdings erst eingesetzt, nachdem bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachverwalter vom Gericht bestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die Pauschale. 3.
Festsetzung
Die Festsetzung erfolgt auf Antrag durch das Insolvenzgericht (§ 73 Abs. 2, § 64 InsO).
9
III. Vorschüsse Obwohl § 17 eine Vorschussgewährung nicht vorsieht, wird diese durch entsprechende Anwendung des § 9 allgemein bejaht.4)
10
_____________ 4)
Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 17 InsVV Rz. 18 m. w. N.
§ 18 Auslagen. Umsatzsteuer (1) Auslagen sind einzeln anzuführen und zu belegen. (2) Soweit Umsatzsteuer anfällt, gilt § 7 entsprechend. Gläubigerausschussmitglieder haben Anspruch auf Erstattung angemessener Auslagen. Im Gegensatz zum Insolvenzverwalter gestalten sich diese Auslagen weniger komplex, sodass auf eine pauschalierte Lösung verzichtet wurde. Sie müssen daher die entstandenen Auslagen einzeln darlegen und nachweisen. In Betracht kommen in erster Linie Reisekosten zur Teilnahme an Gläubigerausschusssitzungen. Zu den erstattungsfähigen Auslagen gehören auch die Kosten einer Haftpflichtversicherung.1)
1
Soweit die Leistungen des Gläubigerausschussmitgliedes der Umsatzsteuerpflicht unterliegen, wird diese ebenfalls entsprechend § 7 festgesetzt.
2
Die Festsetzung erfolgt auf Antrag durch das Insolvenzgericht (§ 73 Abs. 2, § 64 InsO). Jedes Gläubigerausschussmitglied muss einen eigenen und konkreten Antrag, der eine vollständige Berechnung seiner Vergütung sowie der Auslagen enthalten muss, stellen.2) Der Antrag ist schriftlich einzureichen.
3
Auch Gläubigerausschussmitglieder haben nach h. M. einen Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses.3) Das Verfahren richtet sich nach § 9.
4
_____________ 1) 2) 3)
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 18 Rz. 4. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 17 Rz. 11. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 18 InsVV Rz. 8.
Kalkmann
1797
§ 18 InsVV
Auslagen. Umsatzsteuer
gütung nach Absatz 1 für die Überwachung und Unterstützung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters. Wird der vorläufige Gläubigerausschuss allerdings erst eingesetzt, nachdem bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachverwalter vom Gericht bestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die Pauschale. 3.
Festsetzung
Die Festsetzung erfolgt auf Antrag durch das Insolvenzgericht (§ 73 Abs. 2, § 64 InsO).
9
III. Vorschüsse Obwohl § 17 eine Vorschussgewährung nicht vorsieht, wird diese durch entsprechende Anwendung des § 9 allgemein bejaht.4)
10
_____________ 4)
Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 17 InsVV Rz. 18 m. w. N.
§ 18 Auslagen. Umsatzsteuer (1) Auslagen sind einzeln anzuführen und zu belegen. (2) Soweit Umsatzsteuer anfällt, gilt § 7 entsprechend. Gläubigerausschussmitglieder haben Anspruch auf Erstattung angemessener Auslagen. Im Gegensatz zum Insolvenzverwalter gestalten sich diese Auslagen weniger komplex, sodass auf eine pauschalierte Lösung verzichtet wurde. Sie müssen daher die entstandenen Auslagen einzeln darlegen und nachweisen. In Betracht kommen in erster Linie Reisekosten zur Teilnahme an Gläubigerausschusssitzungen. Zu den erstattungsfähigen Auslagen gehören auch die Kosten einer Haftpflichtversicherung.1)
1
Soweit die Leistungen des Gläubigerausschussmitgliedes der Umsatzsteuerpflicht unterliegen, wird diese ebenfalls entsprechend § 7 festgesetzt.
2
Die Festsetzung erfolgt auf Antrag durch das Insolvenzgericht (§ 73 Abs. 2, § 64 InsO). Jedes Gläubigerausschussmitglied muss einen eigenen und konkreten Antrag, der eine vollständige Berechnung seiner Vergütung sowie der Auslagen enthalten muss, stellen.2) Der Antrag ist schriftlich einzureichen.
3
Auch Gläubigerausschussmitglieder haben nach h. M. einen Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses.3) Das Verfahren richtet sich nach § 9.
4
_____________ 1) 2) 3)
Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 18 Rz. 4. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 17 Rz. 11. Stephan in: MünchKomm-InsO, § 18 InsVV Rz. 8.
Kalkmann
1797
InsVV § 19
Übergangsregelung
Fünfter Abschnitt Übergangs- und Schlussvorschriften § 19 Übergangsregelung (1) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Januar 2004 eröffnet wurden, sind die Vorschriften dieser Verordnung in ihrer bis zum Inkrafttreten der Verordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) am 7. Oktober 2004 geltenden Fassung weiter anzuwenden. (2) Auf Vergütungen aus vorläufigen Insolvenzverwaltungen, die zum 29. Dezember 2006 bereits rechtskräftig abgerechnet sind, sind die bis zum Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3389) geltenden Vorschriften anzuwenden. (3) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. März 2012 beantragt worden sind, sind die Vorschriften dieser Verordnung in ihrer bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2582) am 1. März 2012 geltenden Fassung weiter anzuwenden. (4) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Juli 2014 beantragt worden sind, sind die Vorschriften dieser Verordnung in ihrer bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2379) am 1. Juli 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden. )
)
Absatz 4 eingefügt durch Art. 5 Nr. 6 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014. Übersicht
I.
Neuregelung der Mindestvergütung .............................................. 1 II. Vergütung des vorläufigen Verwalters ............................................. 3
I. 1
III. Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses ..... 9 IV. Neuregelung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ........................... 10
Neuregelung der Mindestvergütung
Durch seine Beschlüsse vom 15.1.2004 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass die Mindestvergütungen nach § 2 Abs. 2, § 13 Abs. 1 Satz 3 verfassungswidrig sind,1) da die Mindestregelsätze den durchschnittlichen Bearbeitungsaufwand nicht abdecken und deshalb in das Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 GG) eingreifen. Dem Verordnungsgeber wurde für diese Feststellung ein angemessener Zeitraum zugebilligt. Erst das Verstreichenlassen dieses Zeitraums ohne Überprüfung und Anpassung führt letztlich zur Verfassungswidrigkeit der Verordnung. Der Bundesgerichtshof sah diesen Zeitraum mit Ablauf des Jahres 2003 als verstrichen an. _____________ 1)
BGH, Beschl. v. 15.1.2004 – IX ZB 96/03, ZIP 2004, 417 = ZVI 2004, 133, dazu EWiR 2004, 985 (Blersch) und BGH, Beschl. v. 15.1.2004 – IX ZB 46/03, ZIP 2004, 424 = ZVI 2004, 132.
1798
Kalkmann
§ 19 InsVV
Übergangsregelung
Mit den am 6.10.2004 veröffentlichten Neuregelungen der Vergütungsverordnung ist der Verordnungsgeber diesen Vorgaben gefolgt. Das neue Recht ist nur auf Verwalter-/Treuhänderbestellungen, die nach dem 31.12.2003 erfolgten, anwendbar. Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder, die vor dem 1.1.2004 bestellt worden sind, werden unverändert nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vergütet.2)
2
II. Vergütung des vorläufigen Verwalters Die vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 14.12.20003) maßgebend geprägte Methodik zur Berechnung der Vergütung des vorläufigen Verwalters hat der Verordnungsgeber durch die Änderung des § 11 im Oktober 2004 nachvollzogen. Mit seinen Entscheidungen vom 14.12.2005 und 13.7.20064) erklärte der Bundesgerichtshof jedoch die Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung, da diese durch unsachgemäße Anwendung zu unangemessen hohen Vergütungen geführt haben soll.
3
§ 11 wurde daraufhin durch die 2. ÄndVO-InsVV vom 21.12.2006 dahingehend neu gefasst, dass die Vergütungsberechnung wieder – weitgehend – in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu erfolgen hat. Den Bedenken des Bundesgerichtshofes, die zur Änderung seiner Rechtsprechung geführt haben, wurde in zwei Punkten Rechnung getragen:
4
Zum einen wurde mit der Einführung des § 11 Abs. 2 die Möglichkeit eingeräumt, die festgesetzte Vergütung nachträglich anzupassen, sollten die der Vergütungsberechnung zugrunde liegenden Schätzwerte erheblich von den nachfolgend tatsächlich realisierten Werten abweichen.
5
Die Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 2 ordnet an, dass auf bei Inkrafttreten der 2. ÄndVO-InsVV am 29.12.2006 rechtskräftig abgeschlossene Vergütungsverfahren die bis dahin geltenden Vorschriften Anwendung finden. Eine Nachbewertung des verwalteten Vermögens findet in diesen Fällen nicht statt.
6
Die Vorschrift beinhaltet jedoch nicht den Umkehrschluss, dass § 11 Abs. 2 auf nicht rechtskräftig abgeschlossene Vergütungsverfahren anwendbar ist. Zwar diente die Änderung nach ihrer Begründung lediglich zur Klarstellung,5) und sollte daher auf alle bei Inkrafttreten der 2. ÄndVO-InsVV noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Vergütungsverfahren Anwendung finden. Die Neufassung des § 11 beinhaltete jedoch nicht nur eine Klarstellung, sondern eine Neuregelung der Vergütungsgrundlagen. Eine Anwendung auf Vergütungsverfahren, die am 29.12.2006 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren, würde zu einer rückwirkenden Änderung der dem Grund nach bereits entstandenen Vergütungsansprüche führen. Das
7
_____________ 2)
3) 4)
5)
BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 144/04, ZIP 2005, 675 (LS) = NZI 2005, 333, m. Anm. Blersch, ZIP 2005, 675; BGH, Beschl. v. 20.1.2005 – IX ZB 134/04 = ZIP 2005, 447 = ZVI 2005, 146, dazu EWiR 2005, 609 (Rendels). BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 = ZInsO 2001, 165, m. Anm. Keller, ZIP 2001, 1749, dazu EWiR 2001, 281 (Keller). BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 256/04, ZIP 2006, 621 = NZI 2006, 284, m. Anm. Blersch, ZIP 2006, 598; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 104/05, ZIP 2006, 1403 = ZInsO 2006, 811, m. Anm. Blersch, ZIP 2006, 1605. Begr. zu § 11 InsVV, abgedr. in: Keller, Vergütung, Anh. V, S. 467.
Kalkmann
1799
InsVV § 20
Inkrafttreten
ist nicht zulässig.6) Eine nachträgliche Abänderungsbefugnis besteht daher nur, soweit die vorläufige Verwaltung ab dem 29.12.2006 angeordnet wurde. 8
Zum anderen wurde für die Einbeziehung der aus- und absonderungsrechtsbelasteten Gegenstände in die Berechnungsgrundlage die Schwelle der „nennenswerten“ Befassung wieder durch die Grenze der „erheblichen“ Befassung ersetzt. Mit seinen Entscheidungen vom 15.11.20127) hat der Bundesgerichtshof diese Regelung in § 11 Abs. 1 für nicht verfassungskonform erklärt (vgl. vorstehend § 11 Rz. 19 ff). Ob die Neufassung des § 11 durch die 2. ÄndVO-InsVV vom 21.12.2006 verfassungskonform ist, ist bereits vielfach diskutiert worden, bevor sich der Bundesgerichtshof am 15.11.2012 dazu geäußert hat. Der Gesetzgeber hat die Regelungen zur Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit mit der 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform zum Teil als Absatz 3 dem § 63 InsO angefügt und die Ermächtigungsgrundlage des § 65 InsO um den Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters erweitert.8) Die Regelungen sind am 19.7.2013 in Kraft getreten und gelten nach der Überleitungsvorschrift des Art. 103h Satz 3 EGInsO (die allerdings selbst erst am 1.7.2014 in Kraft getreten ist) für alle Verfahren, die ab dem 19.7.2013 beantragt wurden. III. Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses
9
Die Änderung des § 17, nämlich die Einführung einer pauschalen Vergütung für die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses für ihre Mitwirkung bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder Sachwalters bzw. bei der Entscheidung über die Anordnung einer Eigenverwaltung, trat gleichzeitig mit der Änderung der Insolvenzordnung durch das ESUG in Kraft. Sie betrifft alle Verfahren, die nach dem 1.3.2012 beantragt wurden (vgl. Art. 103g EGInsO). IV. Neuregelung des Verbraucherinsolvenzverfahrens
10
Im Verbraucherinsolvenzverfahren nach den §§ 304 ff InsO hat der Insolvenzverwalter in allen seit dem 1.7.2014 beantragten Verfahren die gleichen Aufgaben zu erfüllen wie in einem Regelinsolvenzverfahren. Die auf den unterschiedlichen Aufgaben beruhenden Unterschiede in der Vergütungsberechnung wurden zugleich abgeschafft. Absatz 4 regelt, dass diese Änderung im Vergütungsrecht nur auf die seit dem 1.7.2014 beantragten Verfahren anzuwenden ist. _____________ 6) 7)
8)
BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 35/05, ZIP 2008, 2323 = ZInsO 2008, 1321. BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 130/10, ZIP 2013, 30, dazu EWiR 2013, 125 (Kalkmann) und BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 88/09, ZIP 2012, 2515, dazu EWiR 2013, 61 (Keller). Begr. RegE z. GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 22.
§ 20 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1999 in Kraft. 1
§ 20 koordiniert lediglich das Inkrafttreten der Insolvenzordnung und der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung und stellt damit klar, dass diese Verordnung nur in Verfahren nach der Insolvenzordnung Anwendung findet. 1800
Kalkmann
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
§ 4a Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens Kexel
(1) 1Ist der Schuldner eine natürliche Person und hat er einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, so werden ihm auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet, soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird, um diese Kosten zu decken. 2 Die Stundung nach Satz 1 umfasst auch die Kosten des Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan und des Verfahrens zur Restschuldbefreiung. 3Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Versagungsgrund des § 290 Absatz 1 Nummer 1*) vorliegt. 4Liegt ein solcher Grund vor, ist eine Stundung ausgeschlossen. (2) 1Werden dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet, so wird ihm auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. 2§ 121 Abs. 3 bis 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. (3) 1Die Stundung bewirkt, dass 1.
die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten, b) die auf sie übergegangenen Ansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen den Schuldner geltend machen kann;
2.
der beigeordnete Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen den Schuldner nicht geltend machen kann.
2 Die Stundung erfolgt für jeden Verfahrensabschnitt besonders. 3Bis zur Entscheidung über die Stundung treten die in Satz 1 genannten Wirkungen einstweilig ein. § 4b Abs. 2 gilt entsprechend.
)
Absatz 1 Satz 3 geändert durch Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete diese Passage: „} einer der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 }“.
Literatur: Ahrens, Versagung oder Aufhebung der Kostenstundung, ZVI 2003, 268; Ernst, Gläubigerbenachteiligung durch Wahl einer ungünstigen Steuerklasse, ZVI 2003, 107; Göbel, Die Auswirkungen der geplanten Überleitungsvorschrift auf laufende Insolvenzverfahren, ZInsO 2001, 500; Graf-Schlicker, Schwachstellenanalyse und Änderungsvorschläge zum Regelinsolvenzverfahren, ZIP 2002, 1166; Pape, Eröffnungsantrag des Schuldners als Voraussetzung für die Restschuldbefreiung, NZI 2004, 543; Pape, Aktuelle Entwicklungen im Verbraucherinsolvenzverfahren und Erfahrungen mit den Neuerungen des InsO-Änderungsgesetzes 2001, ZVI 2002, 225; Vallender, Die Vorschusspflicht des Ehegatten im Stundungsverfahren, ZVI 2003, 505; Vallender, Die bevorstehenden Änderungen des Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens aufgrund des InsOÄndG 2001 und ihre Auswirkungen auf die Praxis, NZI 2001, 561.
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§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens Übersicht
I. II. III. 1.
2.
I. 1
Anwendungsbereich ............................ 1 Normzweck ........................................... 2 Stundung ............................................... 3 Formelle Voraussetzungen der Stundung ................................................ 3 a) Natürliche Person .......................... 4 b) Antrag auf Restschuldbefreiung ............................................. 5 c) Eröffnungsantrag ........................... 6 d) Antrag auf Verfahrenskostenstundung ......................................... 7 aa) Antragsberechtigung ..................... 7 bb) Form ............................................... 8 cc) Erklärung zu Versagungsgründen ........................................... 9 dd) Inhalt ............................................. 10 e) Hinweispflicht des Gerichts ........ 12 Materielle Voraussetzungen der Stundung .............................................. 16 a) Keine Ausschlussgründe ............. 16
aa) Rechtslage in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ................. 16 bb) Rechtslage in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ................. 20 cc) Weitere „Ausschlussgründe“? ..... 24 b) Mangelnde Verfahrenskostendeckung ......................................... 26 aa) Stundung je Verfahrensabschnitt ....................................... 27 bb) Kosten des Verfahrens ................. 28 cc) Vermögen des Schuldners ........... 29 dd) Verfahrenskostendeckung durch Vorschuss ........................... 38 3. Entscheidung des Gerichts ................. 43 IV. Wirkungen der Stundung ................. 46 V. Beiordnung ......................................... 51 1. Antrag .................................................. 52 2. Verfahrenskostenstundung ................ 53 3. Erforderlichkeit der Vertretung ......... 54 4. Entscheidung ....................................... 59
Anwendungsbereich
Die mit dem InsOÄndG 2001 eingefügten §§ 4a – 4d ermöglichen eine Stundung der Kosten des Verfahrens für alle natürlichen Personen, die Restschuldbefreiung begehren. Sie gelten daher sowohl für das Verbraucher- als auch das Regelinsolvenzverfahren. Die Verfahrenskostenstundung kann nach Art. 103 EGInsO nur in den Verfahren erfolgen, die ab dem 1.12.2001 eröffnet werden, nicht auf zu diesem Zeitpunkt bereits eröffnete Verfahren.1) II. Normzweck
2
Die Stundungslösung soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch völlig mittellosen natürlichen Personen den Weg zu einem wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Diesen kann nur mit dem Einsatz öffentlicher Mittel über die „Kostenhürde“ in der Insolvenz, nämlich der bei Massearmut drohenden Abweisung eines Eröffnungsantrags nach § 26 Abs. 1, geholfen werden. Durch die Stundung wird der Zugang zum Insolvenzverfahren und damit auch zum Restschuldbefreiungsverfahren gewährleistet. Das Stundungsmodell unterscheidet sich dabei von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Wesentlichen dadurch, dass die Kosten des Verfahrens bei vorhandenem Vermögen oder pfändbarem Einkommen des Schuldners ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand der Gerichte von dem Insolvenz-
_____________ 1)
18
BGH, Beschl. v. 23.7.2004 – IX ZA 9/04, ZVI 2004, 753 = NZI 2004, 635; BGH, Beschl. v. 1.10.2010 – IX ZB 155/09, ZVI 2010, 109 = ZInsO 2010, 492; OLG Celle, Beschl. v. 30.7.2001 – 2 W 79/01, ZInsO 2001, 799 = NZI 2001, 603; Kirchhof in: HK-InsO, § 4a Rz. 4; Landfermann in: HK-InsO, Art. 103a EGInsO Rz. 1 ff; Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 4a Rz. 2a; Göbel, ZInsO 2001, 500; Vallender, NZI 2001, 561, 568; a. A. nur AG Duisburg, Beschl. v. 30.4.2003 – 62 IN 91/00, ZVI 2003, 360 = ZInsO 2003, 386.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
verwalter oder Treuhänder vorrangig an die Staatskasse zurückzuführen sind.2) Die Stundungslösung soll damit auch deutlich machen, dass eine Restschuldbefreiung ohne zumutbaren finanziellen Beitrag des Schuldners nicht zu erreichen ist.3) III. Stundung 1.
Formelle Voraussetzungen der Stundung
Der Weg zu einer Stundungsbewilligung führt über eine Reihe von Verfahrensvoraussetzungen, die in Absatz 1 nur knapp erwähnt werden und ohne Gesamtüberblick über das Gesetzeswerk kaum erfasst werden können. Der antragstellende Schuldner, stets eine natürliche Person (a), muss insgesamt drei Anträge stellen: einen Antrag auf Restschuldbefreiung (b), einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (c) und den eigentlichen Stundungsantrag (d). Mit der Komplexität der Regelung korrespondiert eine besondere Fürsorgepflicht des Gerichts, welches den Schuldner vor der Abweisung eines Stundungsantrags als unzulässig umfänglich auf Mängel hinzuweisen hat (e).
3
a) Natürliche Person Antragsteller können nur natürliche Personen sein. Die Stundung differenziert jedoch nicht nach Verbrauchern oder Unternehmern, sondern soll allen mittellosen Personen den Zugang zum Verfahren ermöglichen.
4
b) Antrag auf Restschuldbefreiung Der Stundungsantrag ist nur zulässig, wenn zugleich ein Antrag auf Restschuldbefreiung vorliegt. Dies erklärt sich bereits aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die gerade den wirtschaftlichen Neuanfang des Schuldners ermöglichen will.4)
5
c) Eröffnungsantrag Der Antrag auf Restschuldbefreiung setzt wiederum einen Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, selbst wenn bereits ein Gläubigerantrag vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein Verbraucher- oder Regelinsolvenzverfahren handelt.5)
6
d) Antrag auf Verfahrenskostenstundung aa) Antragsberechtigung Der Antrag kann nur vom Schuldner selbst gestellt werden, wie sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut, aber nach Sinn und Zweck der Norm ergibt.6) Andere Verfahrensbeteiligte dürfen dem Schuldner nicht die Belastung der sich aus der Stundung ergebenden Obliegenheiten aufdrängen.7) _____________ 2) 3) 4) 5)
6) 7)
Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 2. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 13. Vgl. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Ducks. 14/5680, S. 12. BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, ZVI 2004, 492 = NZI 2004, 593, dazu EWiR 2005, 481 (Pape); BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 24/03, ZVI 2003, 606, 607 = NZI 2004, 511; Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 9 m. w. N.; a. A. Landfermann in: HK-InsO, § 287 Rz. 2c; Pape, ZVI 2002, 225, 231; Pape, NZI 2004, 543, 545 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 20; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 40. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 40.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
bb) Form 8
Der Antrag auf Stundung ist schriftlich, elektronisch (§ 130a ZPO) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 129a ZPO) zu stellen.8) Es gibt keinen Formularzwang; weder die auf Grundlage des § 305 Abs. 5 erlassene VbrInsVV9) noch § 117 ZPO sind der analogen Anwendung auf den Stundungsantrag zugänglich.10) Der Schuldner kann, muss sich aber nicht der Vordrucke des Gerichts bedienen, es genügt auch eine formlose Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. cc) Erklärung zu Versagungsgründen
9
In vor dem 1.7.2014, dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte,11) beantragten Verfahren hat der Schuldner dem Stundungsantrag weiterhin nach Absatz 1 Satz 3 eine Erklärung beizufügen, ob einer der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 (Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat) oder § 290 Abs. 1 Nr. 3 (keine Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) vorliegt. In ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ist eine Erklärung des Schuldners zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 nicht mehr erforderlich, weil das Gericht die Frage der Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren bereits von Amts wegen nach § 287 a Abs. 2 Nr. 1 als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Restschuldbefreiungsantrag, der seinerseits Voraussetzung für die Stundung der Verfahrenskosten ist, zu prüfen hat.12) dd) Inhalt
10
Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Schuldner dem Gericht in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt, dass sein Vermögen voraussichtlich zur Deckung der Kosten nicht ausreicht; eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist dabei nicht zu verlangen.13) Aus § 20 Abs. 1 folgt, dass der Schuldner dem Insolvenzgericht umfassend Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu erteilen hat, insbesondere ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner sowie eine geordnete Übersicht über seine Vermögensgegenstände vorzulegen hat.14) Auch die Bezug_____________ 8) Kirchhof in: HK-InsO, § 4a Rz. 22. 9) Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz zur Einführung von Vordrucken für das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren vom 17.2.2002 (VbrInsVV), BGBl. I 2002, 703, abgedr. in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, Bd. Texte. 10) BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 70/03, ZVI 2004, 745 = ZInsO 2004, 1307; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574, 575. 11) Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379. 12) BT-Drucks. 17/11268, S. 20. 13) BGH, Beschl. v. 3.2.2005 – IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 = ZInsO 2005, 264. 14) BGH, Beschl. v. 3.2.2005 – IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 = ZInsO 2005, 264; BGH, Beschl. v. 27.1.2005 – IX ZB 270/03, ZVI 2005, 120 = ZInsO 2005, 265, dazu EWiR 2005, 435 (Pape); BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
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nahme auf ein bereits vorliegendes, zeitnah erstelltes Gutachten kann genügen.15) Der Schuldner hat jedoch nur insoweit Auskunft zu erteilen, als diese für die Beurteilung benötigt wird, ob sein Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht.16) Soweit ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehepartner (oder Lebenspartner, § 5 LPartG) in Betracht kommt, gehört zur umfassenden Auskunft auch die Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse desselben.17)
11
e) Hinweispflicht des Gerichts Aus der in Absatz 2 Satz 1 ausdrücklich erwähnten Fürsorgepflicht des Gerichts folgt, dass es den Schuldner auf Mängel des Stundungsantrags hinweisen und ihm Gelegenheit zur Abhilfe einräumen muss, bevor es einen Stundungsantrag als unzulässig abweisen darf.
12
Sind Angaben – etwa zur Vermögenslage – unvollständig, hat das Insolvenzgericht zunächst die Mängel konkret zu bezeichnen und dem Schuldner aufzugeben, binnen einer angemessenen Frist die Angaben zu ergänzen oder Nachweise zu erbringen.18) Es darf aber nicht unbeachtet bleiben, dass die Prüfung des Gerichts in diesem Verfahrensstadium lediglich summarisch erfolgt; die Stundung der Kosten darf nicht durch übersteigerte Informationsauflagen erschwert werden. Bestehen aufgrund eines in sich stimmigen Stundungsantrags objektiv keine Zweifel, dass der Antragsteller voraussichtlich nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu decken, ist in der Regel Stundung zu gewähren.19) So hat das Insolvenzgericht vor der Entscheidung über den Stundungsantrag auch nicht etwa die Ursachen der Insolvenz aufzuklären und daher auch nicht zu prüfen, aus welchem Grund der Schuldner nicht in der Lage ist, die Verfahrenskosten aufzubringen.20)
13
Besondere Hinweispflichten treffen das Gericht auch im Hinblick auf die Notwendigkeit des Restschuldbefreiungs- und ggf. Eigenantrages und die hierbei zu beachtenden Fristen. So beginnt die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 1 zur Stellung des Restschuldbefreiungsantrags erst zu laufen, wenn der Schuldner über das Antragserfordernis21) sowie über den Zeitpunkt des Ablaufs der Frist belehrt worden ist und diese Belehrung dem Schuldner nachweisbar zugegangen ist.22) Notwendig für den Beginn des Fristablaufs ist außerdem, dass der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat.
14
_____________ 15) BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 70/03, ZInsO 2004, 1307, 1308 = ZVI 2004, 745. 16) BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 254/09, ZInsO 2011, 931. 17) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 21. 18) BGH, Beschl. v. 4.11.2004 – IX ZB 70/03, ZInsO 2004, 1307, 1308 = ZVI 2004, 745; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911. 19) BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 254/09, ZInsO 2011, 931. 20) BGH, Beschl. v. 3.2.2005 – IX ZB 37/04, ZVI 2005, 119 = ZInsO 2005, 264; BGH, Beschl. v. 27.1.2005 – IX ZB 270/03, ZVI 2005, 120 = ZInsO 2005, 265. 21) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311, dazu EWiR 2005, 311 (Smode); BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, NZI 2004, 593, 594 = ZVI 2004, 492. 22) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311; BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, NZI 2004, 593, 594 = ZVI 2004, 492.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
Fehlt der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist der Schuldner darüber zu belehren, dass ein solcher Antrag für die Bewilligung der Stundung notwendig ist. Ihm ist darüber hinaus eine Frist zur Stellung des Insolvenzantrags zu setzen. Dafür ist nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 maßgebend.23) Denn bei der Frage, ob der Schuldner einen Eigenantrag stellen will, reicht diese kurze Frist, die als gesetzliche Frist nicht verlängerbar ist, nicht aus. Vielmehr muss der Schuldner, wenn er der Meinung ist, er sei nicht insolvenzreif, die Möglichkeit haben, den Rat eines Rechtsanwalts oder Wirtschaftsprüfers einzuholen. Im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens sollte die Frist jedoch nicht zu lang sein. Sie sollte deshalb nicht über vier Wochen hinausgehen, jedoch bei Bedarf verlängerbar sein (§ 4 InsO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO).24) Sie stellt aber ohnehin keine Ausschlussfrist dar, auf die § 230 ZPO entsprechend anzuwenden ist; der Schuldner kann auch nach Ablauf der richterlichen Frist bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Gläubigers einen Eigenantrag stellen.25) 2.
Materielle Voraussetzungen der Stundung
a) Keine Ausschlussgründe aa) Rechtslage in vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren 16
Absatz 1 Satz 3 und 4 a. F. bestimmen, dass eine Stundung nicht in Betracht kommt, soweit entweder der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 (Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, §§ 280c–283c StGB) oder des § 290 Abs. 1 Nr. 3 (Versagung oder Erteilung der Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag bzw. nach diesem) vorliegt. Die Regelung beschränkt sich auf diese beiden Tatbestände, da hier an leicht feststellbare und auch für den Schuldner offensichtliche Tatsachen angeknüpft werden kann und keine aufwendigen Prüfungen das Verfahren verzögern.26)
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Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung soll aber trotz der abschließend erscheinenden Aufzählung in Absatz 1 Satz 3 die Versagung der Stundung auch dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen irgendeines weiteren der in § 290 Abs. 1 genannten Versagungsgründe bereits zum Zeitpunkt der Stundungsentscheidung zweifelsfrei und ohne Notwendigkeit umfangreicher Prüfungen vorliegen.27) Dies ist mit dem Gesetzeswortlaut und insbesondere auch der Begründung schwerlich _____________ 23) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311; Schmahl in: MünchKomm-InsO, § 20 Rz. 98; Stephan in: MünchKomm-InsO § 287 Rz. 18; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 20 Rz. 50. 24) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, ZVI 2005, 220, 221 = ZInsO 2005, 310, 311. 25) BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2008, 1976 = ZInsO 2008, 924, dazu EWiR 2009, 155 (Sailer). 26) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 12, 20. 27) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124 = ZInsO 2005, 207, dazu EWiR 2005, 397 (Pape); BGH, Beschl. v. 27.1.2005 – IX ZA 20/04, – juris; BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346; BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 52/07, ZVI 2008, 179, 180 = ZInsO 2008, 319; BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 205/07, ZVI 2008, 515 f = ZInsO 2008, 860; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4a Rz. 31; Kirchhof in: HK-InsO, § 4a Rz. 8; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 38a; a. A. LG Berlin, Beschl. v. 22.5.2002 – 86 T 267/02, ZInsO 2002, 680, 681; Ahrens, ZVI 2003, 268, 269.
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Kexel
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
zu vereinbaren.28) Es mag allein zu dem sicher praxisgerechten Ergebnis führen, dass nicht öffentliche Mittel für eine Stundung eingesetzt werden, wenn das Scheitern der Restschuldbefreiung bereits absehbar ist.29) Bei Anwendung dieser Rechtsprechungsvorgabe trifft die Insolvenzgerichte jedoch in ganz besonderem Maße die Verantwortung, die Stundung auch wirklich nur bei tatsächlich und rechtlich eindeutigen, also eben „zweifelsfreien“ Sachverhalten zu versagen.30) Mit der genannten Prämisse kann die Stundung versagt werden, wenn die Restschuldbefreiung aus anderen Gründen, die nicht unter § 290 fallen, offensichtlich nicht erreicht werden kann.31) Dies kommt etwa bei einem unzulässigen Schuldnerantrag,32) auch einem offensichtlich unbegründeten Eröffnungsantrag33) oder für den Fall, dass die wesentlichen Forderungen gemäß § 302 von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind,34) in Betracht.
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Die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung dürften aber spätestens dann (mindestens) erreicht sein, wenn der Bundesgerichtshof die Verfahrenskostenstundung auch in den Fällen ablehnt, in denen er einen erneuten Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrag nach einem Scheitern eines früheren Restschuldbefreiungsantrags desselben Schuldners allein auf der Grundlage der in einer doppelten Analogie zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 etablierten dreijährigen Sperrfrist für für unzulässig erachtet.35)
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bb) Rechtslage in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren Nach Absatz 1 Satz 3 und 4 n. F. allein kommt eine Stundung lediglich dann nicht in Betracht, wenn der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 (Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, §§ 280c – 283c StGB) vorliegt. Ebenfalls ab dem 1.7.2014 sind jedoch im neugeschaffenen § 287a ausdrücklich die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen ein Restschuldbefreiungsantrag unzulässig ist; ist dies der Fall, kommt auch eine Stundung nicht in Betracht. Die damit angeordnete Prüfung des Gerichts von Amts wegen hat sich also auf folgende Tatbestände, für die – gestuft _____________ 28) S. Pape, EWiR 2005, 397; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 39; vgl. auch die Voraufl.; BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 24/06, ZVI 2006, 511, 512 = ZInsO 2006, 1103, 1104 sieht immerhin „die der Auslegung … gesetzten Grenzen erreicht“. 29) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207. 30) In diesem Sinne auch Pape, EWiR 2005, 397; diese Voraussetzung ebenfalls betonend BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 205/07, ZVI 2008, 515 f = ZInsO 2008, 860. 31) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 38a. 32) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207; AG Köln, Beschl. v. 19.9.2002 – 71 IN 292/02, ZVI 2002, 414 = NZI 2002, 618. 33) LG Bochum, Beschl. v. 25.10.2005 – 10 T 44/05, n. v. 34) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZVI 2005, 124, 125 = ZInsO 2005, 207; AG München, Beschl. v. 16.1.2003 – 1502 IN 1870/02, ZVI 2003, 369, 370; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 38a; zu weitgehend AG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.2007 – 503 IN 301/06, ZInsO 2008, 334 f. 35) BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 45/09, ZVI 2010, 100 f = ZInsO 2010, 490; BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZA 40/09, ZInsO 2010, 491 f; BGH, Beschl. v. 9.3.2010 – IX ZA 7/10, ZInsO 2010, 783f = NZI 2010, 445. Zu der Frage der Sperrfrist s. näher unten Anm. zu § 287 Rz. 4 ff.
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nach ihrem „Unrechtsgehalt“ – unterschiedliche Sperrfristen für einen erneuten Antrag gelten, zu erstrecken: 21
Eine zehnjährige Sperrfrist ist gemäß 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 vorgesehen, wenn dem Schuldner vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag bereits Restschuldbefreiung innerhalb dieses Zeitraums erteilt wurde. fünf Jahre beträgt die Sperrfrist gemäß § 287a Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 297 wegen einer Verurteilung nach §§ 283 – 283c StGB zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder zwischen der Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist versagt wurde.
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Eine Sperrfrist von drei Jahren für einen wiederholten Restschuldbefreiungsantrag hat der Gesetzgeber in § 287a Abs. 2 Nr. 2 vorgesehen, wenn dem Schuldner in einem früheren Verfahren die Restschuldbefreiung versagt worden ist, weil er seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 5), er unzutreffende Angaben in den vorzulegenden Unterlagen gemacht (§ 290 Abs. 1 Nr. 6) oder Obliegenheiten nach § 290 Abs. 1 Nr. 7, § 296 Abs. 1 nicht beachtet hat. Das gilt auch, wenn die Restschuldbefreiung erst nach dem Schlusstermin oder nach der Einstellung mangels Masseunzulänglichkeit (§ 211) wegen der in §§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6, 7 aufgeführten Gründen versagt wurde (§ 287a Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2).
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Für weitere Fälle hat der Gesetzgeber Sperrfristen bei wiederholten Restschuldund Stundungsanträgen ausdrücklich ausgeschlossen und insoweit bewusst die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht kodifiziert, weil er keinen vergleichbaren Unrechtsgehalt mit den in § 287a Abs. 2 Nr. 2 aufgeführten Versagungsgründen gesehen hat.36) Das gilt für die Nichtzahlung der Mindestvergütung für den Treuhänder,37) weil es insoweit „bereits an einem im ersten Verfahren gestellten Versagungsantrag eines Gläubigers und an der Feststellung, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wurde“,38) fehlt. Ebenso gilt das in den Fällen eines als unzulässig abgelehnten Restschuldbefreiungsantrages39) oder eines trotz Hinweises des Gerichts unterlassenen Eigenantrags des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Vorliegen eines Gläubigerantrags.40) In diesen Fällen liegt zwar ein nachlässiges Verhalten des Schuldners vor, daraus muss jedoch nicht auf ein unredliches Verhalten geschlossen werden.41) Grund für die Sperrfristenregelung ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nur ein durch das Gericht auf den Versagungsantrag eines Gläubigers festgestelltes Fehlverhalten des Schuldners.42) Deshalb ist die Sperrfristenregelung auch nicht auf den Fall ausgedehnt worden, in _____________ 36) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 37) Anders – schon unter Bezugnahme auf den seinerzeit vorliegenden, aber noch nicht realisierten Gesetzesentwurf – BGH, Beschl. v. 7.5.2013 – IX ZB 51/12, NZI 2013, 846; die Entwurfsbegründung ist dabei aber offenbar nicht vollständig berücksichtigt worden. 38) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 39) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 89/09, ZInsO 2010, 140. 40) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, NZI 2010, 195. 41) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 42) BT-Drucks. 17/11268, S. 25.
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dem „eine Verfahrenskostenstundung im Vorverfahren versagt wird, weil nach Feststellung des Gerichts ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 zweifelsfrei gegeben ist.“43) Für den Fall des Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 hat der Gesetzgeber ebenfalls bewusst keine Sperrfristenregelung vorgesehen. Die Frist für die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners bei der Begründung unangemessener Verbindlichkeiten oder der Verschwendung von Vermögen, wodurch er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt, ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte von einem auf drei Jahre angehoben worden. Angesichts dieser Anhebung hätte sich eine unverhältnismäßig lange Sperrfrist ergeben. Das gilt ebenso für die Tatbestände des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 2.44) cc) Weitere „Ausschlussgründe“? Sowohl in vor als auch ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren hat eine Stundung aber auch keinen Sinn, wenn die Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 4c bereits zum Zeitpunkt der Stundungsentscheidung offensichtlich vorliegen.45)
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Das Gericht hat jedoch nicht zu untersuchen, ob der Schuldner sich redlich i. S. des § 1 Satz 2 verhalten hat.46) Für eine derartige Prüfung findet sich in der InsO keine Grundlage.47) Ebenso wenig kann ihm in diesem Verfahrensstadium vorgehalten werden, er habe keine Rücklagen für die Verfahrenskosten angespart.48)
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b) Mangelnde Verfahrenskostendeckung Die Stundung setzt voraus, dass das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Die Prüfung durch das Gericht, die sich jeweils auf einzelne Verfahrensabschnitte (a) bezieht, erfolgt also in zwei Schritten: Zunächst werden die absehbaren Verfahrenskosten (b) ermittelt, denen anschließend das „Vermögen“ des Schuldners (c) i. S. des § 4a gegenübergestellt wird. Beiden Positionen wohnt ein prognostisches Element inne, da die tatsächliche Entwicklung nicht umfassend vorhersehbar ist. Daher lässt die Regelung es für die Bewilligung der Stundung auch ausreichen, wenn voraussichtlich eine Deckungslücke besteht; auch wenn diese nur teilweise besteht, muss die Stun_____________ 43) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 44) BT-Drucks. 17/11268, S. 25. 45) In diesem Punkt sicher richtig LG München I, Beschl. v. 26.9.2003 – 14 T 13149/03, ZVI 2003, 544, 545; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 37. 46) Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 40; a. A. AG München, Beschl. v. 20.5.2003 – 1506 IN 748/02, ZVI 2003, 292; offenbar auch AG Hannover, Beschl. v. 20.1.2004 – 905 IK 643/03-0, ZVI 2004, 501 = NZI 2004, 391. 47) Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 40; Braun-Buck, InsO, § 4a Rz. 22. 48) Unbeschadet der Möglichkeit einer späteren Feststellung einer Vermögensverschwendung: BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 24/06, ZVI 2006, 511, 512 = NZI 2006, 712, 714; BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46, 47; anders noch AG Duisburg, Beschl. v. 13.12.2005 – 60 IN 82/05, ZVI 2006, 34 f; AG Leipzig, Beschl. v. 23.10.2006 – 401 IN 1281/06, InVo 2007, 64 ff; zutreffend hingegen AG Hamburg, Beschl. v. 17.12.2007 – 68c IK 910/07, ZVI 2008, 35, 37 = ZInsO 2008, 51 für einen eindeutigen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungspflicht unmittelbar vor Antragstellung.
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dung in vollem Umfang für den jeweiligen Verfahrensabschnitt ausgesprochen werden.49) Vorab ist jedoch noch an einen Verfahrenskostenvorschuss zu denken (d). aa) Stundung je Verfahrensabschnitt 27
Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass die Stundung für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu erfolgen hat. Bei der Prüfung der Verfahrenskostendeckung ist dementsprechend der jeweilige Verfahrensabschnitt isoliert zu betrachten. Unter „Verfahrensabschnitt“ ist jeder Teil des gesamten Insolvenzverfahrens zu verstehen, der besondere Kosten verursacht und für den bei der ursprünglichen Stundung noch nicht alle einer Restschuldbefreiung möglicherweise entgegenstehenden Umstände geprüft werden konnten.50) Im Verbraucherverfahren fallen hierunter das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren, das Eröffnungsverfahren, das eröffnete Insolvenzverfahren und die Restschuldbefreiungsphase.51) Die Entscheidung über die Stundung der Kosten für den jeweiligen Verfahrensabschnitt ist erst dann zu treffen, wenn der entsprechende Abschnitt durchgeführt werden soll. So kann nicht über die Stundung der Kosten für das Schuldenbereinigungsplanverfahren entschieden werden, bevor nicht feststeht, dass dieser Verfahrensabschnitt tatsächlich durchgeführt wird. Dasselbe gilt für die Restschuldbefreiungsphase.52) bb) Kosten des Verfahrens
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Nach oben (Rz. 27) Ausgeführtem müssen die Kosten des jeweiligen Verfahrensabschnitts gesondert ermittelt werden. Folgende Positionen sind dabei jeweils zu beachten: –
Eröffnungsverfahren: 5/10 Gerichtsgebühr gemäß Nr. 2310 GKG-KV (immer) sowie ggf. Auslagen, insbesondere Veröffentlichungskosten (Nr. 9004 GKG-KV), Sachverständigenkosten (Nr. 9005 GKG-KV, die den Verweis auf das JVEG enthält),53) Kosten eines vorläufigen Insolvenzverwalters.
–
Schuldenbereinigungsplanverfahren: Keine Gerichtskosten, sondern im Wesentlichen nur Auslagen für Zustellungen. Es wird aber kein Auslagenvorschuss erhoben (§ 17 Abs. 4 Satz 3 GKG). Stundungsrelevant könnten also nur Kosten eines beigeordneten Rechtsanwalts sein.
–
Insolvenzverfahren: Relevant sind die in § 54 aufgeführten Kosten, also die Gerichtskosten sowie die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des
_____________ 49) BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZVI 2006, 285, 286 = ZInsO 2006, 773. 50) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 21; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 21; Ganter in: MünchKomm-InsO, §§ 4a bis 4d Rz. 13; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4a Rz. 28. 51) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, NJW 2003, 3780, 3781 = NZI 2002, 665, 666. 52) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 71/03, ZVI 2004, 121 = ZBB 2004, 160; LG Kiel, Beschl. v. 11.8.2006 – 13 T 56/06, ZInsO 2006, 1007 f; Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 33; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 21. 53) Zum Stundensatz des SV: ehedem str., LG Bochum, Beschl. v. 28.1.2005 – 10 T 97/04, ZInsO 2005, 308 (80 €); a. A. OLG Bamberg, Beschl. v. 25.1.2005 – 1 W 1/05, ZInsO 2005, 202 = NZI 2005, 266 (65 €); durch die Neuregelung im Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts, die am 1.8.2013 in Kraft getreten ist, geklärt: Nach § 9 Abs. 2 80 €.
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Insolvenzverwalters (im Verbraucherinsolvenzverfahren des Treuhänders) und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Dagegen bleiben die sonstigen Masseverbindlichkeiten außer Betracht.54) Auch Umsatzsteuer aus der Verwertung von Massegegenständen fällt nicht unter den Begriff der Verfahrenskosten des § 54, der Gesetzgeber hat diesen Begriff bewusst eng gefasst.55) Für die Durchführung des Insolvenzverfahrens fallen 2,5 Gerichtsgebühren an (Nr. 2320 GKG-KV), beim Gläubigerantrag drei Gerichtsgebühren (Nr. 2330 KV-GKG). Sie werden gemäß § 58 GKG nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens erhoben. Die Kosten müssen geschätzt werden, weil die genaue Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch nicht feststeht.56) Das gilt auch für die Vergütungen des Insolvenzverwalters und des Treuhänders, die sonst gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 InsVV an dem in der Schlussrechnung ausgewiesenen Wert der Insolvenzmasse zu bemessen sind. –
Restschuldbefreiungsphase: Mindestvergütung des Treuhänders (§ 14 Abs. 3 InsVV).
cc) Vermögen des Schuldners Es ist sodann zu prüfen, ob die so ermittelten Kosten des Verfahrensabschnitts vom Schuldnervermögen gedeckt werden können. Das Vermögen i. S. des § 4a ist gleichzusetzen mit der (künftigen) Insolvenzmasse, sodass §§ 35 – 37 zur Bestimmung heranzuziehen sind.57) Da nach § 35 auch der Neuerwerb, also auch das pfändbare Einkommen, zur Insolvenzmasse zählt,58) hat das Gericht zu prüfen, ob während des Insolvenzverfahrens bzw. des konkreten Verfahrensabschnitts aus dem pfändbaren Einkommen des Schuldners und seinem sonstigen Vermögen voraussichtlich genügend Insolvenzmasse erzielt wird, um die Kosten zu decken.59)
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Bei der Berechnung des Vermögens bleiben also zunächst die auch in der Einzelzwangsvollstreckung unpfändbaren Vermögenswerte nach § 36 Abs. 1 außer Betracht. Pfändbare Gegenstände können hingegen vollumfänglich mit ihrem Wert in die Berechnung eingestellt werden, weil sie grundsätzlich der Verwertung i. R. des Insolvenzverfahrens unterliegen. Anders als bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss nicht im Einzelfall nach der Zumutbarkeit der Verwertung von
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_____________ 54) Begr. RegE § 30/§ 26 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 118, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 188; vgl. zum Meinungsstand Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 26 Rz. 10 f. 55) BGH, Beschl. v.14.10.2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252; BT-Drucks. 16/3227, S. 12; Graf-Schlicker, ZIP 2002, 1166, 1174. 56) Braun-Herzig, InsO, § 26 Rz. 8. 57) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 20; BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665. 58) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665; KraemerGraf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 16, Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 32. 59) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 71/03, ZVI 2004, 121 = ZBB 2004, 160; Kübler/ Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 32; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 24, KraemerGraf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 16; a. A. BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, NZI 2003, 665, 666 = ZVI 2004, 58.
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Vermögensgegenständen, etwa bei der Veräußerung von Grundbesitz,60) gefragt werden. 31
Rechtlich begründete Ansprüche des Schuldners selbst gegen Dritte – dies können auch Pflichtteilsansprüche sein61) sind dann zum Vermögen des Schuldners zu rechnen, wenn die gerichtliche Prüfung ergibt, dass sie kurzfristig realisiert werden können.62) Im Regelfall ist hierbei auf die Fälligkeit des Anspruchs abzustellen.63) Dies gilt aber dann nicht, wenn der Schuldner davon absieht, eine lediglich von seinem Handeln abhängige Fälligkeit herbeizuführen (§ 162 BGB). Daher kann dem Schuldner i. R. der Vermögensprüfung etwa entgegengehalten werden, bislang ihm zustehende Steuererstattungsansprüche nicht geltend gemacht zu haben.64)
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Bleiben jedoch Zweifel an der Realisierbarkeit, dürfen sie dem Vermögen i. R. der ersten Stundungsentscheidung nicht zugerechnet werden.65) Gleiches gilt für mögliche Rückzahlungsansprüche, die infolge einer Anfechtung zur Insolvenzmasse gelangen können. Dabei dürfen im Interesse eines beschleunigten Verfahrens die Anforderungen an die Prüfungspflicht des Gerichts aber nicht überspannt werden;66) ggf. kommt eine spätere Korrektur der Stundungsentscheidung in Betracht.
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Der Schwerpunkt der Prüfung dürfte regelmäßig auf der Frage liegen, welcher Anteil der vom Schuldner angegebenen – und ggf. belegten – Einkünfte pfändbar ist und damit zur Insolvenzmasse gerechnet werden kann; hier sind die § 36 Abs. 1, § 850c ZPO i. V. m. §§ 850a und 850e ZPO maßgebend. Das Gericht hat zunächst das Nettoeinkommen i. S. des § 850e ZPO zu bestimmen. Regelmäßig ist dies das Bruttoarbeitseinkommen abzüglich der Positionen nach § 850e Abs. 1 ZPO: –
Nach § 850a ZPO unpfändbare Beträge, z. B. die Hälfte der Mehrarbeitsvergütung, Urlaubsgelder, Weihnachtsvergütungen bis höchstens 500 €, Erziehungsgelder und Studienbeihilfen;
–
sodann die „unmittelbar aufgrund steuer- und sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen“ abzuführenden Beträge, also Lohn-, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung;
–
diesen Beträgen stehen gleich Leistungen des Schuldners nach den Vorschriften des Sozialversicherungsgesetzes zur Weiterversicherung und Beträge, die er an
_____________ 60) LG Kleve, Beschl. v. 2.2.2011 – 4 T 6/11, NZI 2011, 332; AG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2002 – 21 IN 277/02, MDR 2003, 176; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 26. 61) LG Koblenz, Beschl. v. 7.5.2004 – 2 T 230/04, ZInsO 2004, 690, 691 = Rpfleger 2004, 649; LG Aschaffenburg, Beschl. v. 3.1.2003 – 5 T 260/02, ZVI 2003, 346, 347 = ZInsO 2003, 236; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 33a. 62) BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46; JaegerEckardt, InsO, § 4a Rz. 33; insofern sehr fraglich LG Kleve, Beschl. v. 2.2.2011 – 4 T 6/11, NZI 2011, 332, das eine solche auch noch bei einem Zeitraum von einem halben Jahr annehmen will. 63) BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46. 64) BGH, Beschl. v. 8.6.2010 – IX ZB 156/08, ZVI 2010, 298 f = ZInsO 2010, 1224. 65) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 33 u. 31. 66) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 33a.
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eine Ersatzkasse oder an eine private Krankenversicherung entrichtet hat, sofern sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen; –
vermögenswirksame Leistungen (§ 851 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 2 Abs. 7 5. VermBG bzw. § 13 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 5. VermBG).
Nicht abgezogen werden i. R. der Stundung weitere Lebenshaltungskosten, wie etwa Miete, Kreditraten, Werbungskosten, z. B. Fahrtkosten zur Arbeit; diese hat der Schuldner regelmäßig aus dem ihm zustehenden pfändungsfreien Betrag zu bestreiten. Es ist daher auch nicht möglich, aber auch nicht notwendig, den Schuldner etwa auf eine günstigere Wohnmöglichkeit zu verweisen. Zuzumuten ist dem Schuldner jedoch die Wahrnehmung einkommenserhöhender Handlungsmöglichkeiten, so etwa der Wechsel in eine günstigere Steuerklasse.67)
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Auf das so gefundene monatliche Nettoeinkommen kann nun die jeweils aktuelle Tabelle zu § 850c ZPO angewendet werden, um unter Berücksichtigung der Zahl der gegenüber dem Schuldner unterhaltsberechtigten Personen den unpfändbaren Betrag zu bestimmen. Das Gericht hat dabei nicht von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages nach § 36 Abs. 1 InsO, § 850 f Abs. 1 ZPO vorliegen.68) Was als pfändbarer Betrag verbleibt, wird in die Insolvenzmasse fließen und damit das Vermögen i. S. des § 4a bilden können; für die Berechnung kann das Gericht eine geschätzte, durchschnittliche Verfahrensdauer zugrunde legen, so z. B. sechs Monate für ein normales Verbraucherinsolvenzverfahren.69)
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In vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren funktioniert dies dann nicht, wenn die Bezüge aus einem Dienstverhältnis vor Insolvenzeröffnung bereits abgetreten oder verpfändet wurden, weil sie nach – dem bis zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden und geltenden – § 11470) zwei Jahre lang der Masse nicht zur Verfügung stehen.71) Unerheblich ist dabei, ob ein Arbeitgeber die Wirksamkeit der Abtretung verkannt und den Betrag während des Eröffnungsverfahrens noch an den Schuldner ausgezahlt hat.72)
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Die Möglichkeit eines Gläubigers, gegenüber einer Forderung des Schuldners aufzurechnen, kann dagegen vermögensmindernd nur berücksichtigt werden, wenn die Aufrechnung auch tatsächlich erklärt ist.73)
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_____________ 67) BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, ZVI 2009, 13, 14 = NZI 2008, 624, 625; AG Kaiserslautern, Beschl. v. 12.9.2002 – IK 48/02, ZVI 2002, 378, 380; Kübler/Prütting/ Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 33a; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 26; Ernst, ZVI 2003, 107, 109. 68) Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 28. 69) LG Bochum, Beschl. v. 10.10.2003 – 10 T 74/03, n. v.; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 28.5.2001 – 1 T 33/01, ZInsO 2001, 628, 629; Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4a Rz. 10. 70) § 114 m. W. v. 1.7.2014 aufgehoben durch Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379. 71) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 41/03, ZVI 2004, 51 = ZInsO 2003, 1152. 72) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 41/03, ZVI 2004, 51 = ZInsO 2003, 1152. 73) LG Bochum, Beschl. v. 23.9.2003 – 10 T 71/03, ZVI 2004, 121 = ZBB 2004, 160.
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§ 4a
Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
dd) Verfahrenskostendeckung durch Vorschuss 38
Ergibt sich eine Unterdeckung der Verfahrenskosten, so bleibt für die ultima ratio74) der Stundung dennoch kein Raum, wenn die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses, etwa von interessierten Dritten oder einer karitativen Einrichtung, sicher erwartet werden kann. Oftmals wird hier auch an einen Anspruch des Schuldners auf Verfahrenskostenvorschuss gegen seinen Ehepartner gemäß § 1360a Abs. 4 BGB zu denken sein.75)
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Voraussetzung dieses Anspruches ist, dass das Insolvenzverfahren in Zusammenhang mit den aus der Ehe erwachsenden persönlichen oder wirtschaftlichen Bindungen und Beziehungen steht. Ein Ehegatte ist daher nicht vorschusspflichtig, wenn die Insolvenz seines Ehepartners im Wesentlichen auf vorehelichen Schulden oder Verbindlichen beruht, die weder zum Aufbau oder zur Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz der Eheleute eingegangen wurden noch aus sonstigen Gründen mit der gemeinsamen Lebensführung der Eheleute in Zusammenhang stehen.76) Weiterhin besteht der Anspruch nur bei entsprechender Leistungsfähigkeit des Ehepartners und einer Aussicht auf baldige Realisierbarkeit des Anspruchs.77)
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Zur Beurteilung dieser Umstände hat der Schuldner dem Gericht daher Auskunft auch über die Einkünfte und das Vermögen seines Ehepartners zu erteilen78) und seine Angaben durch entsprechende Nachweise zu belegen.79) Kommt der Schuldner dieser Verpflichtung nicht nach, so hat das Insolvenzgericht ihn detailliert darauf hinzuweisen, welche ergänzenden Angaben er zu machen hat.80)
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Weigert sich der Ehepartner, den geschuldeten Vorschuss zu leisten, hat der Schuldner den Anspruch – auch im Eilwege – gerichtlich durchzusetzen; ihm ist insoweit zuzumuten, dass das Gericht die Entscheidung über den Stundungsantrag und damit der Eröffnung des Verfahrens jedenfalls bis zur Bescheidung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinausschiebt.81)
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Die vorgenannten Voraussetzungen gelten gemäß § 5 LPartG entsprechend für die Verpflichtungen zwischen Lebenspartnern.82) Dagegen sind volljährige Kinder nicht verpflichtet, den Eltern einen Vorschuss zur Finanzierung der Kosten des Insolvenzverfahrens zu leisten, weil in diesem Verwandtschaftsverhältnis, anders als bei _____________ 74) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 20. 75) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 6/06, ZVI 2007, 187, 188 = NZI 2007, 298, 299. 76) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911; Vallender, ZVI 2003, 505. 77) Vgl. hierzu Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 30; auch LG Duisburg, Beschl. v. 29.7.2011 – 7 T 97/11, NZI 2011, 949 – Stundung aber trotzdem dann, wenn der Ehepartner dem Anspruch nur durch Ratenzahlungen nachkommen kann. 78) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911. 79) LG Bochum, Beschl. v. 3.2.2003 – 10 T 112/02, ZVI 2003, 130, 131. 80) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 407 = NJW 2003, 2910, 2911. 81) BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 6/06, ZVI 2007, 187, 188 = NZI 2007, 298, 299; nachvollziehbar abgrenzend hierzu AG Dresden, Beschl. v. 18.9.2007 – 531 IK 1781/07, ZVI 2008, 120 f für den Fall, dass zuvor auch noch ein Auskunftsanspruch geltend gemacht werden muss. 82) Ahrens, NZI 2003, 558 (Urteilsanm.).
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
Ehegatten, regelmäßig Einwirkungsmöglichkeiten auf die finanziellen und wirtschaftlichen Entscheidungen der Eltern fehlen.83) 3.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht entscheidet – unverzüglich nach Entscheidungsreife84) – durch Beschluss85) über den Stundungsantrag, verwirft diesen als unzulässig, weist ihn als unbegründet zurück oder, soweit die Voraussetzungen der Stundung vorliegen, stundet dem Schuldner die Kosten des jeweiligen Verfahrensabschnitts. Dabei spricht es die Stundung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung aus (Absatz 1 Satz 1).86)
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Eine Ratenzahlungsanordnung kommt nach § 4a nicht in Betracht; eine dem § 4b Abs. 1 entsprechende Regelung fehlt.87) Ohnehin fehlt dem Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, sodass er dann entsprechende Ratenzahlungen rechtlich gar nicht leisten dürfte bzw. könnte.88) Davon streng zu unterscheiden ist die Frage, ob die Verfahrenskosten nach der Prognose des Gerichts insofern aufgebracht werden können, als ein entsprechender Massezuwachs in einem absehbaren Zeitraum zu erwarten ist.89)
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Der Beschluss des Gerichts ist zu begründen und muss ggf. eine nachvollziehbare Darstellung der Berechnung enthalten, um die Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz (§ 4d) zu ermöglichen. Bei Versagung ist er dem Schuldner, bei Bewilligung der Staatskasse zuzustellen.
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IV. Wirkungen der Stundung Die Stundung der Verfahrenskosten führt in erster Linie dazu, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gemäß § 26 Abs. 1 mangels Masse abgewiesen (§ 26 Abs. 1 Satz 2) oder das Insolvenzverfahren nicht gemäß § 207 Abs. 1 mangels Masse eingestellt wird (§ 207 Abs. 1 Satz 2). Die Restschuldbefreiung kann nicht wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders versagt werden (§ 298 Abs. 1 Satz 1).
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Rein technisch bewirkt die Stundung gemäß Absatz 3 Satz 1, dass die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) gegenüber dem Schuldner bis zum Ende des Bewilli_____________
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83) So i. E. LG Duisburg, Beschl. v. 1.9.2003 – 7 T 180/03, ZVI 2004, 40 = NZI 2003, 616; Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 19. 84) Pape, ZVI 2002, 225, 226. 85) Eine konkludente Bescheidung kommt nicht in Betracht, BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 149/05, ZVI 2007, 615 f = ZInsO 2007, 1277. 86) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 44 m. w. N. 87) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665; BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZVI 2006, 285, 286 = ZInsO 2006, 773; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 6/06, ZVI 2007, 187 = NZI 2007, 298, 299; Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 4a Rz. 32. 88) LG Bochum, Beschl. v. 10.10.2003 – 10 T 74/03, n. v. 89) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 32; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 4a Rz. 11; insofern widersprüchlich BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58 = NZI 2003, 665; zuvor LG Essen, Beschl. v. 23.8.2002 – 5 T 77/02, ZVI 2003, 132 = ZInsO 2002, 1039; unklar auch BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZVI 2006, 285, 286 = ZInsO 2006, 773, wo weiterhin der Begriff „Einmalzahlung“ verwandt wird.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
gungszeitraums nicht geltend gemacht werden können. Der Fälligkeitszeitpunkt wird hinausgeschoben. Regelmäßig wird die Stundung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gewährt. Endet das Verfahren vorher anderweitig, so erfolgt die Stundung längstens bis zum Abschluss des Verfahrens. Als Masseverbindlichkeiten fallen die gestundeten Kosten nicht unter die Restschuldbefreiung. 48
Eine unmittelbare Stundung der Vergütungsansprüche des vorläufigen Insolvenzverwalters oder Treuhänders, des Insolvenzverwalters und Treuhänders oder der Mitglieder des Gläubigerausschusses ist nicht möglich, weil es sich um selbständige Ansprüche Dritter handelt. Diesen Personen wird für ihre Vergütungen ein Sekundäranspruch gegen die Staatskasse eingeräumt (§§ 63 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 1, 293 Abs. 2, 73 Abs. 2).90) Hat die Staatskasse diese Vergütungen gezahlt, kann sie nach Nr. 9018 GKG-KV diese Aufwendungen als Auslagen des gerichtlichen Verfahrens gegen die Masse oder – nach Ablauf der Stundung – gegen den Schuldner (§ 23 Abs. 2 GKG) geltend machen.
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Der nach Absatz 2 beigeordnete Rechtsanwalt kann gemäß Absatz 3 Nr. 2 seinen Vergütungsanspruch nicht gegen den Schuldner geltend machen. Er hat vielmehr gemäß §§ 12, 45 RVG einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung gegen die Staatskasse. Mit der Zahlung der Vergütung an den Rechtsanwalt geht dieser Anspruch gemäß §§ 12, 59 RVG auf die Staatskasse über. Nach Absatz 3 Nr. 1 Buchst. b kann die Bundes- oder Landeskasse diese Ansprüche jedoch nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen den Schuldner geltend machen. Maßgeblich sind insoweit die Bestimmungen des Gerichts i. R. der Stundungsentscheidungen. Absatz 3 Nr. 1 Buchst. b soll auch sicherstellen, dass die Staatskasse die auf sie übergegangenen Ansprüche wie Gerichtskosten gegen den Schuldner geltend machen kann,91) ohne dass ihr gemäß §§ 412, 404 BGB gegen den bisherigen Gläubiger begründete Einwendungen entgegengehalten werden können.92)
50
Die vorgenannten Wirkungen der Stundung treten erst mit der Bewilligung ein. Um zu verhindern, dass bis zu diesem Zeitpunkt Vorschüsse eingefordert werden müssen,93) ordnet Absatz 3 Satz 3 an, dass die beschriebenen Wirkungen der Stundung bereits ab Antragstellung einstweilen eintreten. Dieser einstweilige Zustand kann allerdings nicht zur Verfahrenseröffnung führen, wenn ohne Stundung eine Abweisung mangels Masse erfolgen müsste.94)
_____________ 90) Wobei sich die Ansprüche gegen die Staatskasse nach § 63 Abs. 2 der Höhe nach auf die Mindestvergütung beschränken, soweit hierfür die Masse nicht ausreicht, BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 245/11, ZIP 2013, 631 ff. 91) Begr. RegE InsoÄndG, BT-Drucks. 14/5680 (zu Nr. 1 und 5), S. 21. 92) Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 62. 93) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 46; Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 63. 94) AG Göttingen, Beschl. v. 20.2.2002 – 74 IK 14/02, ZVI 2002, 69, 70 = NZI 2002, 567; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 46.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
§ 4a
V. Beiordnung Nach Absatz 2 ist dem Schuldner auf dessen Antrag ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich erscheint. 1.
Antrag
Die Beiordnung setzt wiederum einen Antrag voraus; aus der dem Gericht obliegenden Fürsorgepflicht dürfte jedoch konsequenterweise folgen, dass eine entsprechende Anregung ergeht, wenn das Gericht erkennt, dass der Schuldner einer anwaltlichen Vertretung dringend bedarf. 2.
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Verfahrenskostenstundung
Eine Beiordnung setzt die Stundung der Verfahrenskosten voraus; sie kommt nicht in Betracht, wenn dem Schuldner die Verfahrenskosten – zu denen Anwaltskosten nicht zählen – nicht gestundet werden.95) Bereits hieraus folgt, dass der Schuldner eine Anwaltsbeiordnung weder für das Stundungsverfahren selbst noch für die Stellung der verfahrenseinleitenden Anträge verlangen kann; hier kommt allenfalls die Bewilligung von Beratungshilfe in Betracht.96) 3.
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Erforderlichkeit der Vertretung
Das Gericht ordnet den Anwalt bei, wenn es die Beiordnung für erforderlich erachtet. Dabei ist stets die Einschätzung des Gesetzgebers im Auge zu behalten, dass der Schuldner im Insolvenzverfahren regelmäßig selbst seine Rechte wahrnehmen kann.97)
54
Allgemein sind bei der Beurteilung der Erforderlichkeit die besonderen Umstände des Einzelfalls zu beachten, namentlich die Person des Schuldners, der Umfang der Insolvenzsache, die Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sowie die jeweiligen Fürsorgemöglichkeiten des zuständigen Insolvenzgerichts.98) Dabei sollten aber auch die über das Insolvenzverfahren hinausgehenden Gesamtumstände Berücksichtigung finden können.99)
55
Bei der Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage scheiden solche Gesichtspunkte aus, die typischerweise bei einem Insolvenzverfahren vorliegen, so
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_____________ 95) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27, 28 = NZI 2003, 647, 648; BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 94/06, ZVI 2007, 468 = ZInsO 2007, 492; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 84/06, VuR 2008, 154; Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 50; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 87; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4a Rz. 33. 96) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27, 28 = NZI 2003, 647, 648; BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 94/06, ZVI 2007, 468 = ZInsO 2007, 492; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 84/06, VuR 2008, 154. 97) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 21; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 47 m. w. N.; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 89; krit. Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4a Rz. 44. 98) BGH, Beschl. v. 18.12.2002 – IX ZA 22/02, ZVI 2003, 225 = ZInsO 2003, 124; BGH, Beschl. v. 5.12.2002 – IX ZA 20/02, ZVI 2003, 226 = NZI 2003, 270. 99) Ein anschauliches Beisp. hierfür LG Bonn, Beschl. v. 2.9.2009 – 6 T 239/09, ZVI 2009, 444 f = ZInsO 2010, 61.
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Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens
etwa eine hohe Anzahl von Gläubigern oder Forderungen100) oder der mit einem Insolvenzverfahren verbundene hohe Zeit- und Arbeitsaufwand.101) In der Person des Schuldners liegende, besondere Umstände rechtfertigen die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht, soweit hierfür typischerweise andere Berufsgruppen zur Unterstützung zur Verfügung stehen; so ist die Beiordnung etwa abgelehnt worden bei Sprachproblemen des Schuldners,102) einer Erkrankung des Schuldners oder bei bestehender Betreuungsbedürftigkeit.103) Vom Schuldner jenseits der Pflichtaufgaben beabsichtigte Maßnahmen vermögen die Erforderlichkeit einer Beiordnung regelmäßig nicht zu begründen, etwa die Vorlage eines Insolvenzplans104) oder die Eigenverwaltung,105) 57
In den meisten Verfahrensabschnitten dürfte die Beiordnung allein deswegen die Ausnahme darstellen, weil vorrangig die dem Gericht obliegende Fürsorge eingreift. Größere Relevanz erfährt die Beiordnung in „quasi-kontradiktorischen“ Verfahrensabschnitten, wo die Fürsorgepflicht des Gerichts durch das Neutralitätsgebot zurückgedrängt wird. Klassisches Beispiel ist hier das Versagungsverfahren;106) eine von der Bedeutung für den Schuldner her ähnliche Konstellation kann sich im Einzelfall auch bei der Frage der Einlegung eines Widerspruchs gegen die Forderungsanmeldung aus unerlaubter Handlung ergeben.107) Weiterhin kann bei der Erörterung von Rechtsfragen im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 309108) oder bei dem Streit um die Wirksamkeit von Entgeltabtretungen die Erforderlichkeit bestehen.109)
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Allein der Umstand, dass Gläubiger anwaltlich vertreten sind oder über eine mit Volljuristen besetzte Rechtsabteilung verfügen, reicht dagegen nicht aus,110) wie bereits aus der fehlenden Verweisung auf § 121 Abs. 2 ZPO geschlossen werden kann. 4.
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Entscheidung
Die Beiordnung wird regelmäßig mit dem die Stundung anordnenden Beschluss erfolgen. Ebenso wie die Stundung ist auch die Frage der Beiordnung für jeden
_____________ 100) LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119 = ZInsO 2003, 89. 101) LG Göttingen, Beschl. v. 14.1.2003 – 10 T 71/02, ZVI 2003, 226, 227 = NZI 2003, 454. 102) BVerfG, Beschl. v. 18.3.2003 – 1 BvR 329/03, ZVI 2003, 223, 224 = ZInsO 2003, 653; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405, 406 = NJW 2003, 2910; LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119, 121 = ZInsO 2003, 89, 91. 103) LG Bochum, Beschl. v. 27.12.2002 – 10 T 24/02, ZVI 2003, 67, 69 = ZInsO 2003, 131. 104) LG Bochum, Beschl. v. 30.12.2002 – 10 T 64/02, ZVI 2003, 119, 121 = ZInsO 2003, 89. 105) Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 52. 106) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680 S. 21; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 48; Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 53, jeweils m. w. N.; LG Bochum, Beschl. v. 28.5.2004 – 10 T 41/04, n. v. 107) BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 44/03, ZVI 2003, 601, 603 = ZInsO 2003, 1044; LG Bochum, Beschl. v. 6.8.2004 – 10 T 50/04, n. v. 108) AG Göttingen, Beschl. v. 17.2.2003 – 74 IK 153/01, ZVI 2003, 132, 133 = ZInsO 2003, 241. 109) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 48 m. w. N. 110) BGH, Beschl. v. 5.12.2002 – IX ZA 20/02, ZVI 2003, 226 = NZI 2003, 270; LG Bochum, Beschl. v. 27.12.2002 – 10 T 24/02, ZVI 2003, 67, 69 = ZInsO 2003, 131.
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§ 4b
Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
Verfahrensabschnitt gesondert zu entscheiden.111) § 121 Abs. 3–5 ZPO gelten entsprechend; die praktische Bedeutung dürfte jedoch gering sein112) (zur Wirkung der Beiordnung betreffend die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts vgl. oben Rz. 47). _____________ 111) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 565/02, NJW 2004, 3260, 3261 = ZIP 2004, 1922, dazu EWiR 2005, 81 (Römermann); Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4a Rz. 31. 112) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 50.
§ 4b Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge (1) 1Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem Vermögen zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlängern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen. 2§ 115 Absatz 1 bis 3 sowie § 120 Absatz 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) 1Das Gericht kann die Entscheidung über die Stundung und die Monatsraten jederzeit ändern, soweit sich die für sie maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. 2Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gericht eine wesentliche Änderung dieser Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen. 3§ 120a Absatz 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 4Eine Änderung zum Nachteil des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Literatur: Graf-Schlicker, Analysen und Änderungsvorschläge zum neuen Insolvenzrecht, WM 2000, 1984. Übersicht I. Regelungsgehalt ................................... II. Verlängerung der Stundung (Abs. 1) .................................................. 1. Antrag .................................................... 2. Wirtschaftliches Unvermögen ............. a) Einkommen .................................... b) Vermögen .......................................
I.
1 2 2 3 4 5
3. III. 1. 2. 3. 4. 5.
Entscheidung, Ratenzahlung ................ 6 Anpassung der Stundung (Abs. 2) ..... 8 Verfahren ............................................... 9 Auskunftspflicht des Schuldners ........ 10 Wesentliche Änderungen .................... 11 Ausschlussfrist .................................... 13 Entscheidung ....................................... 14
Regelungsgehalt
Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung endet die nach § 4a erfolgte Stundung und der Schuldner sieht sich fälligen Rückzahlungsansprüchen der Staatskasse ausgesetzt. Damit für den Fall weiter fortbestehender, notleidender Vermögensverhältnisse des Schuldners nun der erstrebte Neuanfang nicht an dieser Schuldenlast scheitert, ermöglicht Absatz 1 eine Verlängerung der Stundung und ggf. die Anordnung von Ratenzahlungen. Absatz 2 dient einer Anpassung der Stundungsbzw. Ratenzahlungsanordnung bei veränderten Verhältnissen.
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1
InsVV § 20
Inkrafttreten
ist nicht zulässig.6) Eine nachträgliche Abänderungsbefugnis besteht daher nur, soweit die vorläufige Verwaltung ab dem 29.12.2006 angeordnet wurde. 8
Zum anderen wurde für die Einbeziehung der aus- und absonderungsrechtsbelasteten Gegenstände in die Berechnungsgrundlage die Schwelle der „nennenswerten“ Befassung wieder durch die Grenze der „erheblichen“ Befassung ersetzt. Mit seinen Entscheidungen vom 15.11.20127) hat der Bundesgerichtshof diese Regelung in § 11 Abs. 1 für nicht verfassungskonform erklärt (vgl. vorstehend § 11 Rz. 19 ff). Ob die Neufassung des § 11 durch die 2. ÄndVO-InsVV vom 21.12.2006 verfassungskonform ist, ist bereits vielfach diskutiert worden, bevor sich der Bundesgerichtshof am 15.11.2012 dazu geäußert hat. Der Gesetzgeber hat die Regelungen zur Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit mit der 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform zum Teil als Absatz 3 dem § 63 InsO angefügt und die Ermächtigungsgrundlage des § 65 InsO um den Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters erweitert.8) Die Regelungen sind am 19.7.2013 in Kraft getreten und gelten nach der Überleitungsvorschrift des Art. 103h Satz 3 EGInsO (die allerdings selbst erst am 1.7.2014 in Kraft getreten ist) für alle Verfahren, die ab dem 19.7.2013 beantragt wurden. III. Vergütung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses
9
Die Änderung des § 17, nämlich die Einführung einer pauschalen Vergütung für die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses für ihre Mitwirkung bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder Sachwalters bzw. bei der Entscheidung über die Anordnung einer Eigenverwaltung, trat gleichzeitig mit der Änderung der Insolvenzordnung durch das ESUG in Kraft. Sie betrifft alle Verfahren, die nach dem 1.3.2012 beantragt wurden (vgl. Art. 103g EGInsO). IV. Neuregelung des Verbraucherinsolvenzverfahrens
10
Im Verbraucherinsolvenzverfahren nach den §§ 304 ff InsO hat der Insolvenzverwalter in allen seit dem 1.7.2014 beantragten Verfahren die gleichen Aufgaben zu erfüllen wie in einem Regelinsolvenzverfahren. Die auf den unterschiedlichen Aufgaben beruhenden Unterschiede in der Vergütungsberechnung wurden zugleich abgeschafft. Absatz 4 regelt, dass diese Änderung im Vergütungsrecht nur auf die seit dem 1.7.2014 beantragten Verfahren anzuwenden ist. _____________ 6) 7)
8)
BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 35/05, ZIP 2008, 2323 = ZInsO 2008, 1321. BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 130/10, ZIP 2013, 30, dazu EWiR 2013, 125 (Kalkmann) und BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 88/09, ZIP 2012, 2515, dazu EWiR 2013, 61 (Keller). Begr. RegE z. GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 22.
§ 20 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1999 in Kraft. 1
§ 20 koordiniert lediglich das Inkrafttreten der Insolvenzordnung und der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung und stellt damit klar, dass diese Verordnung nur in Verfahren nach der Insolvenzordnung Anwendung findet. 1800
Kalkmann
Insolvenzordnung (InsO) vom 5. Oktober 1994, BGBl. I, 2866, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Juli 2013, BGBl. I, 2379
Erster Teil Allgemeine Vorschriften §1 Ziele des Insolvenzverfahrens Kexel
1
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. 2Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Literatur: Funke, Die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger als Hauptziel des Insolvenzverfahrens, BFuP 1995, 26. Übersicht I. Allgemeines, Normzweck ................... 1 II. Die Ziele im Einzelnen ........................ 2 1. Gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger ............................................... 2
I.
2. 3. 4.
Einheitlichkeit des Verfahrens ............. 3 Restschuldbefreiung .............................. 4 Weitere Besonderheiten ........................ 5
Allgemeines, Normzweck
§ 1 hebt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit1) – Ziele des in der InsO geregelten Verfahrens hervor, die dieses insgesamt und in besonderer Weise prägen.2) Die erwähnten Ziele sind nicht justiziabel; die Norm kann gleichsam als Präambel3) verstanden werden. Die ausdrückliche Nennung mahnt jedoch die besondere Beachtung eben dieser Verfahrensziele bei der Auslegung der Einzelregelungen durch die Gerichte an, was auch in der Praxis Berücksichtigung findet.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 1 Rz. 3; vgl. auch unten Fn. 6; a. A. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 1 Rz. 6; Kirchhof in: HK-InsO, § 1 Rz. 1 – „umfassend“. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 108, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 149 f. Funke, BFuP 1995, 26. Vgl. etwa BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034, dazu EWiR 2005, 603 (Flitsch); BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 – 6 C 4.04, NJW-RR 2005, 1207, 1210 = ZIP 2005, 1145, dazu EWiR 2005, 747 (Herchen/Herchen), zur Konkretisierung von Rechten und Pflichten des Insolvenzverwalters; dazu auch BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531 f: „Insolvenzzweck“ als Beschränkung der Rechtsmacht.
Kexel
1
1
§1
Ziele des Insolvenzverfahrens
II. Die Ziele im Einzelnen 1. 2
2. 3
Restschuldbefreiung
Einen besonderen Schwerpunkt der InsO stellt die Möglichkeit der in den §§ 286 ff geregelten Restschuldbefreiung dar, die dem „redlichen“ Schuldner die Chance auf einen schuldenfreien Neubeginn nach der Durchführung eines Insolvenzverfahrens und dem Durchlaufen einer mehrjährigen „Wohlverhaltensperiode“, während derer ein Treuhänder das Arbeitseinkommen des Schuldners verwaltet und weiter an die Gläubiger verteilt, eröffnet. Die Definition der „Redlichkeit“ lässt sich in einem Umkehrschluss den Regelungen zu den Versagungsgründen der §§ 290, 296 und 297 entnehmen, die ihrerseits gerichtliche Konkretisierung und Ergänzung erfahren. 4.
5
Einheitlichkeit des Verfahrens
Im Gegensatz zu der früheren Aufspaltung in Konkurs- und Vergleichsverfahren lässt das Insolvenzverfahren sowohl die Verwertung des Schuldnervermögens durch Liquidation als auch die Sanierung und den Erhalt des Unternehmens zu. § 1 betont die Gleichwertigkeit dieser Maßnahmen zur Gläubigerbefriedigung und weist zudem ausdrücklich auf die Möglichkeit weiterer, kreativer Gestaltungen i. R. eines Insolvenzplans hin. 3.
4
Gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger
Das – zunächst selbstverständlich anmutende – Ziel der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung verdient seine besondere Nennung dem Umstand, dass gegenüber der Rechtslage vor Inkrafttreten der InsO einige Regelungen getroffen wurden, die gerade der „gemeinschaftlichen“, auch i. S. einer „gleichmäßigen“ Befriedigung weiter entgegenkommen sollen.5) Zu nennen sind hier insbesondere die Stärkung der Gläubigerautonomie durch teilweise erheblich weitergehende Befugnisse der Gläubigerversammlung, der Entzug tradierter Verwertungsrechte der gesicherten Gläubiger und die Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit durch weitgehende Abschaffung von Konkursvorrechten.
Weitere Besonderheiten
Keinen ausdrücklichen Niederschlag in § 1 haben weitere wesentliche und realisierte Anliegen des Gesetzgebers gefunden, etwa die Einführung eines speziell auf Verbraucher zugeschnittenen Verfahrens sowie die das Insolvenzverfahren ebenfalls prägenden zahlreichen Maßnahmen und Möglichkeiten zur Steigerung der Haftungsverwirklichung, etwa durch verschärfte Anfechtungsvorschriften, Erweiterung der Insolvenzmasse auf Neuerwerb und Neuvermögen und den Verfahrenskostenbeitrag der gesicherten Gläubiger. Als Nebenziele des Insolvenzverfahrens sind weiterhin zu nennen z. B. die Vollbeendigung der Gesellschaft bzw. der juristischen Person,6) ebenso die schlichte Ordnungsfunktion.7) _____________ 5) 6)
7)
2
Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 1 Rz. 13. So noch ausdrücklich die Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 109, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 151 f, zur ursprünglich vorgeschlagenen Fassung des § 1, die dann auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des RA lediglich redaktionell gestrafft wurde (RA, BT-Drucks. 12/7302, S. 155). Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 1 Rz. 2.
Kexel
§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
durch das Gericht festsetzen lassen; ist dies nicht möglich, kann er entsprechend § 9 InsVV einen Vorschuss entnehmen.109) Auf Verlangen des Schuldners hat er ihm gegenüber Rechnung zu legen;110) ggf. haftet er trotz der Aufhebung nach § 60 wie in einem rechtmäßig eröffneten Verfahren.111) 3.
Bekanntmachung und Mitteilung der Entscheidung
45
Wegen der Bedeutung der Aufhebungsentscheidung, die mit Eintritt der Rechtskraft die oben beschriebenen Wirkungen zeitigt, muss diese umgehend den Beteiligten zur Kenntnis gebracht werden. Nach Absatz 3 Satz 1 ist sie nunmehr gemäß § 9 öffentlich bekannt zu machen. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger findet nach den Änderungen durch das InsOVereinfG vom 13.4.2007 nicht mehr statt.
46
Gemäß Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 200 Abs. 2 Satz 2, § 31 hat die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts dem Registergericht eine Ausfertigung des aufhebenden Beschlusses zu übermitteln, sodass dieses die entsprechende Registereintragung vornimmt. Ebenso hat das Insolvenzgericht gemäß Absatz 3 Satz 2 i. V. m. §§ 200 Abs. 2 Satz 2, 32, 33 von Amts wegen das Grundbuchamt bzw. das Registergericht um die Löschung eventueller Eintragungen im Grundbuch bzw. in den in § 33 genannten Registern zu ersuchen. Ferner hat das Insolvenzgericht die Mitteilungen nach Ziff. XIIa/4 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 3 MiZi vorzunehmen. Weitere Benachrichtigungen, etwa an Gläubiger oder Drittschuldner, liegen im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts.112) _____________ 109) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 34 Rz. 64; Braun-Herzig, InsO, § 34 Rz. 33. 110) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 34 Rz. 63; Jaeger-Schilken, InsO, § 34 Rz. 38. 111) BGH, Urt. v. 30.11.1989 – III ZR 189/88, ZIP 1990, 1141, 1142, dazu EWiR 1991, 127 (Eickmann); Jaeger-Schilken, InsO, § 34 Rz. 38. 112) Jaeger-Schilken, InsO, § 34 Rz. 32.
Zweiter Abschnitt Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger § 35 Begriff der Insolvenzmasse (1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). (2) 1Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. 2§ 295 Absatz 3 gilt entsprechend. ) 3 Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist,
270
Graf-Schlicker/Kexel
§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an. (3) 1Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen. 2
)
In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung (geändert durch Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379) lautete Absatz 2 Satz 2: „(2) … 2§ 295 Abs. 2 gilt entsprechend. …
Literatur: Ahrens, Negativerklärung zur selbständigen Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 InsO, NZI 2007, 622; Bork, Massezugehörigkeit von Rückgabe- und Entschädigungsansprüchen aus §§ 3 ff VermG, ZIP 1991, 988; Förster, Klartext: Die Freigabe bleibt zulässig!, ZInsO 2000, 315; Gutsche, Die schicksalhafte Begegnung der Dauerschuldverhältnisse mit der „Freigabe“ gem. § 35 Abs. 2 InsO, ZVI 2008, 41; Haarmeyer, Die Freigabe selbständiger Tätigkeit des Schuldners und die Erklärungspflichten des Insolvenzverwalters, ZInsO 2007, 696; Heinze, Die neue Freigabe des Unternehmens aus der Insolvenzmasse, ZVI 2007, 347; Holzer, Erklärungen des Insolvenzverwalters bei Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit des Schuldners, ZVI 2007, 289; Kexel, Zur Beurteilung der Massezugehörigkeit von Neuerwerb, EWiR 2008, 183; Rößler, Anforderungen an die Insolvenzfestigkeit eines Contractual Trust Arrangements, DB 2013, 1607; Schmidt, K., „Altlasten in der Insolvenz“ – unendliche Geschichte oder ausgeschriebenes Drama?, ZIP 2000, 1913; Schmidt, K./Schulz, Konkursfreies Vermögen insolventer Handelsgesellschaften? – Systemfragen des Unternehmenskonkurses, ZIP 1982, 1015; Wischemeyer/Schur, Zur Reichweite der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO bei bereits ausgeübter selbständiger Tätigkeit des Schuldners, ZInsO 2007, 1240. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Rechtliche Bedeutung der Insolvenzmasse ..................................... 4 III. Umfang der Insolvenzmasse ............... 6 1. … das gesamte Vermögen, … .............. 7 2. … das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung gehört, … .......................... 11 3. … das er während des Verfahrens erlangt .................................................. 14 4. Unpfändbare Gegenstände (§ 36) ...... 16 5. Freigabe ............................................... 17 6. „Freigabe“ der selbständigen Tätigkeit (Abs. 2, 3) ............................ 21 a) Negativerklärung ......................... 24 b) Positiverklärung ........................... 27 c) Erklärung des Insolvenzverwalters ...................................... 28 d) Unwirksamkeit der Erklärung (Abs. 2 Satz 3) .............................. 30
I.
e) Zweites Insolvenzverfahren bei „Freigabe“ der selbständigen Tätigkeit ........................................ 32 IV. Klärung des Umfangs der Insolvenzmasse ................................... 34 V. Steuerrecht .......................................... 36 1. Steuererstattungen als Gegenstand der Masse ............................................. 36 a) Einkommensteuer ........................ 37 b) Umsatzsteuer ............................... 38 2. Steuerliche Wirkungen der Freigabe von Gegenständen ............................... 39 3. Steuerliche Wirkungen der Freigabe der selbständigen Tätigkeit ................. 41 a) Umsatzsteuer ............................... 41 b) Einkommensteuer ........................ 42 c) Kraftfahrzeugsteuer ..................... 43 d) Aufrechnung ................................ 44
Normzweck
Die Vorschrift definiert in Absatz 1 die Vermögensmasse, die als Grundlage für die vom Gesetz gewollte gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger dient, sei es in
Graf-Schlicker/Kexel
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1
§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
Form ihrer Verwertung und Erlösverteilung oder durch eine sie betreffende, abweichende Regelung in einem Insolvenzplan.1) Die vorgenommene Definition ist aber nicht vollständig; erst in Zusammenschau mit § 36, der nicht der Zwangsvollstreckung unterliegende Gegenstände größtenteils ausnimmt, und mit § 37, der im Falle der Gütergemeinschaft unter Umständen auch das Gesamtgut der Masse zuschlägt, kann die Insolvenzmasse exakt bestimmt werden. § 35 enthält mit der Erstreckung der Insolvenzmasse auf das während des Verfahrens erlangte Vermögen, den sog. Neuerwerb, eine der wesentlichen Neuerungen gegenüber den Vorgängerregelungen. 2
Die in §§ 35, 36 bestimmte Masse wird auch als Soll-Masse bezeichnet; dies soll die vorgenommene rechtliche Zuordnung abgrenzen von der sog. Ist-Masse, die der Verwalter tatsächlich „in Besitz nimmt“. Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es u. a., diese Ist-Masse der Soll-Masse anzunähern.2)
3
Der später angefügte Absatz 2 schafft in Anlehnung an das Institut der von der InsO vorausgesetzten und allgemein anerkannten Freigabe von Vermögensgegenständen durch den Insolvenzverwalter (vgl. unten Rz. 17 ff) die Möglichkeit, dem Schuldner die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu ermöglichen und zugleich eine Gefährdung der Masse zu verhindern.3) Absatz 2 Satz 2 bezweckt mit der Verweisung auf § 295 Abs. 34) die Gleichstellung mit dem nicht selbständig tätigen Schuldner;5) Satz 3 wahrt die Rechte der Gläubiger.6) Absatz 3 sichert die Publizität der Erklärung des Insolvenzverwalters und ggf. ihrer Unwirksamkeit zur Information der Geschäftspartner des Schuldners und des Geschäftsverkehrs allgemein.7) II. Rechtliche Bedeutung der Insolvenzmasse
4
Die Insolvenzmasse ist das der Verwaltung und Verwertung im Insolvenzverfahren unterliegende Vermögen des Schuldners. Sie dient der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger; nach einer weithin verwandten Formel ist sie, obwohl sie auch nach Eröffnung Vermögen des Schuldners bleibt, jenen haftungsrechtlich zugewiesen. Die Insolvenzmasse ist damit aber weder eigenständiges Rechtssubjekt, noch wird sie zum Gläubigervermögen; sie bleibt Rechtsobjekt und ist damit auch im Prozess nicht parteifähig.8)
5
Die haftungsrechtliche Zuweisung wird mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter nach § 80 rechtlich dokumentiert. Verfügungen des Schuldners über zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände sind ab sofort unwirksam (§ 81 Abs. 1 Satz 1); der Insolvenzverwalter ist nun – als Partei kraft Amtes9) – allein verfügungs- und prozessführungsbefugt. _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
272
Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 1. Kilger/K. Schmidt, KO, § 1 Anm. 4) A. RegE InsOVereinfG, BR-Drucks. 549/06, S. 16. Die Verweisung auf § 295 Abs. 3 stellt ein Redaktionsversehen dar. RegE InsOVereinfG, BR-Drucks. 549/06, S. 16. RegE InsOVereinfG, BR-Drucks. 549/06, S. 32. RegE InsOVereinfG, BR-Drucks. 549/06, S. 32. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 50 Rz. 28; Lindacher in: MünchKomm-ZPO, § 50 Rz. 41. Ständige Rspr., so z. B. BGH, Urt. v. 4.6.1996 – IX ZR 261/95, ZIP 1996, 1307 – 1309, dazu EWiR 1996, 797 (Weitzmann); Zöller-Vollkommer, ZPO, Vor § 50 Rz. 21.
Graf-Schlicker/Kexel
§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
III. Umfang der Insolvenzmasse Nach § 35 ist Insolvenzmasse zunächst „das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt.“ Unpfändbare Gegenstände sind – mit wenigen Ausnahmen – nach § 36 Abs. 1 – 3 ausgenommen, ebenso Vermögensrechte, die nicht pfändbar sind.10) Die so gesetzlich bestimmte Soll-Masse (gelegentlich auch als Bruttovermögen oder Teilungsmasse bezeichnet)11) kann noch Modifikationen erfahren; so hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, einzelne Gegenstände aus der Masse „freizugeben“ oder eine selbständige Tätigkeit des Schuldners außerhalb der Insolvenz nach Absatz 2 anzuerkennen. 1.
6
… das gesamte Vermögen, …
Vermögen kann nach einer dem Straf- und Zivilrecht entlehnten Definition als „Inbegriff aller geldwerten Güter“12) einer Person angesehen werden. Nach dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise sind zur Insolvenzmasse also sämtliche Aktiva zu zählen: unbewegliches Vermögen, bewegliche Sachen, Rechte, Forderungen und sonstige Vermögenswerte.13) Es wird das gesamte Vermögen erfasst, also nicht nur das im Inland, sondern auch das im Ausland belegene Vermögen.14)
7
Nicht diesem Vermögensbegriff und damit auch nicht dem Insolvenzbeschlag unterfallen danach aber dem höchstpersönlichen Rechtskreis des Schuldners zugewiesene Gegenstände und Rechte, so etwa spezifisch familienrechtliche An-
8
_____________ 10) So fällt etwa der vom EGMR zugesprochene Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer nicht in die Insolvenzmasse, weil er aufgrund des höchstpersönlichen Anspruchs nicht übertragbar und daher nicht pfändbar ist, BGH, Urt. v. 24.3.2011 – IX ZR 180/10, ZIP 2011, 820; ebenso wenig die Entschädigungsleistung, die die Kirche i. R. der „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ zahlt, LG Frankenthal, Beschl. v. 19.6.2012 – 1 T 5/12, – juris. Nicht zur Insolvenzmasse gehört auch der Anspruch auf besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17a Abs. 1 StrRehaG, weil dieser gemäß § 17a Abs. 5 StrRehaG unpfändbar ist. Dagegen genießt der Anspruch auf Kapitalentschädigung gemäß § 17 StrRehaG für eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren Freiheitsentziehung – ebenso wie in der Regel ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens – keinen Pfändungsschutz und gehört daher zur Insolvenzmasse, BGH, Beschl. v. 18.10.2012 – IX ZB 263/10, – juris, Bestätigung von BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – IX ZA 99/11, ZInsO 2012, 147. Auch der Anspruch eines Strafgefangenen auf Auszahlung seines Eigengeldes ist nach Maßgabe des § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG pfändbar und ist insoweit Teil der Insolvenzmasse, BGH, Beschl. v. 19.7.2004 – IXa ZB 287/03, ZVI 2004, 735; ebenso die Ausbildungsbeihilfe gemäß § 44 StVollzG, weil sie nicht zu den unpfändbaren Bezügen nach § 850a ZPO zählt, LG Kleve, Beschl. v. 4.2.2013 – 4 T 12/13, ZVI 2013, 273. 11) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 17. 12) Fischer, StGB, § 263 Rz. 91; § 283 Rz. 3a. 13) Eine umfassende Darstellung der denkbaren Vermögensbestandteile und ihrer Massezugehörigkeit findet sich bei Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rz. 8 ff. 14) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 20; BAG, Urt. v. 5.11.2009 – 2 AZR 609/08, ZInsO 2010, 438; vgl. auch – noch zur VglO – BGH, Urt. v. 14.11.1996 – IX ZR 339/95, ZIP 1997, 39, 42, dazu EWiR 1997, 83 (Hanisch).
Graf-Schlicker/Kexel
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
sprüche wie das Recht auf Ehescheidung,15) das Recht auf Ausschlagung einer Erbschaft16) oder die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen; ähnlich verhält es sich mit einem potentiellen Rückforderungsanspruch des Schenkers oder eines entsprechenden Widerrufsrechts.17) Ausgeschlossen ist – selbstverständlich – die Persönlichkeit des Schuldners selbst, sein Leib und seine Arbeitskraft,18) die aus der potentiellen Arbeitskraft herzuleitende Erwerbsmöglichkeit19) sowie das Arbeitsverhältnis als solches.20) Der Rückkaufwert einer Direktversicherung der betrieblichen Altersvorsorge fällt nicht unter die Insolvenzmasse, wenn die Versicherungsbeiträge ausschließlich vom Arbeitgeber gezahlt wurden.21) 9
Mit der Persönlichkeit gehören auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Namensrecht und hieraus abgeleitete Rechte und Ansprüche nicht zur Insolvenzmasse.22) Ein Sonderfall ist die Firma (= der Firmenname), in der der Name des Schuldners enthalten ist; sie gehört zunächst zum Unternehmen und fällt mit diesem in die Insolvenzmasse, kann also zumindest während einer Fortführung durch den Verwalter weiter benutzt werden.23) Im Hinblick auf den offenkundig auch persönlichkeitsrechtlichen Charakter dieser Firma bedarf es für die Veräußerung des Unternehmens mitsamt der Firma aber der Zustimmung des betroffenen Schuldners.24) Wegen des teilweise persönlichkeitsrechtlichen Charakters des Urheberrechts (und verwandter Rechte,25) etwa des Patents) ist auch dieses als solches nicht Bestandteil der Insolvenzmasse.26)
10
Die Insolvenzfreiheit dieser und ähnlicher Rechte findet ihre Grenze aber jeweils dort, wo der Schuldner selbst diese Rechte kommerzialisiert (bezüglich der Arbeitskraft etwa durch Aufnahme einer gewinn- bzw. entgeltbringenden Tätigkeit) oder seine Einwilligung hierzu erteilt (so etwa bei Urheberrechten die Nutzungserlaubnis).27) _____________ 15) 16) 17) 18)
19) 20) 21) 22) 23) 24)
25)
26) 27)
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Blersch/Goetsch/Haas-Amelung/Wagner, InsR, § 35 InsO Rz. 100. Blersch/Goetsch/Haas-Amelung/Wagner, InsR, § 35 InsO Rz. 100. Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 32. BAG, Urt. v. 5.11.2009 – 2 AZR 609/08, ZInsO 2010, 438; BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZB 249/07, ZVI 2009, 170; daraus zieht der BFH (Urt. v. 27.7.2011 – VI R 9 /11, ZIP 2011, 2118) den Schluss, dass die Einkommensteuernachzahlung eines Arbeitnehmers keine Masseverbindlichkeit darstellt, vgl. dazu auch Steinhauff, jurisPR-SteuerR 47/2011 Anm. 5; Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rz. 19. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.12.1981 – 3 Ws 243/81, ZIP 1982, 720 f. BAG, Urt. v. 20.6.2013 – 6 AZR 789/11, ZVI 2013, 433. BGH, Beschl. v. 5.12.2013 – IX ZR 165/13, ZIP 2014, 86. Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rz. 19. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rz. 17, 302, 379; Peters in: MünchKomm-InsO, § 35 Rz. 484; Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rz. 23; BGH, Urt. v. 27.9.1982 – II ZR 51/82, ZIP 1983, 193. BGH, Urt. v. 26.2.1960 – I ZR 159/58, BGHZ 32, 103 = NJW 1960, 1008; JaegerHenckel, InsO, § 35 Rz. 23 m. w. N.; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 71a. Z. B. das Recht zur Inanspruchnahme einer Diensterfindung nach § 6 ArbnErfG, bei dem es sich um ein höchstpersönliches Recht des Arbeitgebers handelt, OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.9.2012 – 6 U 126/11, ZIP 2013, 380. Zum Urheberrecht vgl. die ausführl. Darstellung bei Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rz. 42 ff. Jaeger-Henckel, InsO, § 35 Rz. 44.
Graf-Schlicker/Kexel
§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
2.
… das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung gehört, …
Gegenstände, die dem Schuldner nicht gehören, sind grundsätzlich auch nicht Bestandteil der Insolvenzmasse.28) Fremdes Eigentum ist regelmäßig nach § 47 auszusondern; eine Ausnahme gilt für vom Schuldner sicherungsübereignete Gegenstände, welche lediglich zur abgesonderten Befriedigung (§§ 50, 51) berechtigen, aber der Masse zuzurechnen sind.29) Letzteres gilt auch für sonstige dingliche Belastungen (z. B. Pfandrechte) oder rein schuldrechtliche Bindungen. Ist der Schuldner Miteigentümer – oder Mitinhaber sonstiger Rechte – fällt nur der ihm zustehende Anteil in die Masse; bei Gesamthandsgemeinschaften ist dies mangels rechtlich abgrenzbaren Anteils der „ideelle Anteil“ des Schuldners am Gesamthandsvermögen.30)
11
Eine Ausnahme von diesem Merkmal des § 35 stellt § 37 dar, wonach als Kriterium für die Massezugehörigkeit des Gesamtguts einer ehelichen Gütergemeinschaft allein auf die Verwaltungsbefugnis des Schuldners abgestellt wird.
12
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Gegenstand zur Masse zählt, ist der – im Eröffnungsbeschluss gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 angegebene – Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Ob ein dem Schuldner gehörender Vermögenswert zu diesem Zeitpunkt vorhanden ist, richtet sich danach, ob der Rechtsgrund für den Erwerb bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschaffen wurde.31) So gehört etwa auch ein Steuererstattungsanspruch zur Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor (oder während, dann aber unten Rz. 14 f) Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.32)
13
3.
… das er während des Verfahrens erlangt
Als wesentliche Neuerung der Insolvenzordnung fällt auch der Neuerwerb des Schuldners, also das Vermögen, das er während des Verfahrens erlangt, in die Insolvenzmasse. Wichtigstes Beispiel ist das Erwerbseinkommen,33) sei es aus selbständiger – vgl. hierzu aber unten Rz. 21 ff – oder unselbständiger Tätigkeit; die erzielten Einkünfte gehören in vollem Umfang und nicht lediglich i. H. des nach _____________ 28) Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.6.2013 – I-5 U 43/13, 5 U 43/13, ZInsO 2013, 1742, das ein vor dem Insolvenzantrag übertragenes Anwartschaftsrecht auf den Eigentumserwerb an einem sicherungsübereigneten PKW – zutreffend – aus der Insolvenzmasse ausnimmt. Dazu Smid, jurisPR-InsR 19/2013 Anm. 6. 29) BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374, dazu EWiR 2013, 421 (Dahl/ D. Schmitz) für die Abtretung künftiger Ruhegehaltsansprüche. Bei der „doppelten Treuhand“ zur Sicherung der Ansprüche von Arbeitnehmern auf erdientes, aber erst später fällig werdendes Entgelt nimmt das LG Nürnberg ein Absonderungsrecht an, Urt. v. 14.11.2012 – 2 Sa 837/10, ZIP 2013, 1094, während LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.6.2012 – 16 Sa 2205/11, – juris, ein Aussonderungsrecht bejaht. Dazu auch Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 23/2013 Anm. 5, ferner Rößler, DB 2013, 1607. 30) A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 35 Rz. 22. 31) BGH, Beschl. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, ZIP 2013, 1181, dazu EWiR 2013, 551 (M. Hofmann); vgl. im Einzelnen Bork, ZIP 1991, 988. 32) BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340 f = ZVI 2006, 58. 33) Nicht zum Einkommen zählt, was bei der Deckung des Bedarfs nach dem SGB II zu berücksichtigen ist, z. B. die Gutschrift einer Nebenkostenabrechung, so BSG, Urt. v. 16.10.2012 – B 14 AS 188/11 R, ZVI 2013, 244.
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Begriff der Insolvenzmasse
Abzug der Ausgaben verbleibenden Gewinns zur Insolvenzmasse,34) wie überhaupt immer auch das gesamte Neuvermögen vom Insolvenzbeschlag erfasst wird, selbst wenn es zur Erfüllung von Neuverbindlichkeiten benötigt wird.35) So kommen des Weiteren – vom Schuldner angenommene (vgl. § 83 Abs. 1 Satz 1) – Erbschaften, Schenkungen oder auch Lottogewinne in Betracht. Zum Neuerwerb zählt ebenfalls der Erwerb eines Gegenstandes mit insolvenzfreien Mitteln,36) der Erlös aus dem Verkauf einer unpfändbaren Sache37) sowie Vermögen, das der Schuldner – über die Ansparmöglichkeit aus § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO hinaus – aus pfändungsfreiem Arbeitseinkommen auf ein Konto bei einem Kreditinstitut einzahlt.38) Kein Neuerwerb sind vom Insolvenzverwalter freigegebene Gegenstände, denn der Schuldner erlangt lediglich die ihm mit der Insolvenzeröffnung entzogene Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über den nach wie vor seinem Vermögen zugewiesenen Gegenstand wieder zurück.39) 15
Maßgeblicher Zeitpunkt, bis zu dem Neuerwerb des Schuldners in die Insolvenzmasse fällt, ist der im Aufhebungs- oder Einstellungsbeschluss genannte Zeitpunkt oder gemäß § 27 Abs. 3 analog die Mittagsstunde des Tages dieser Beschlussfassung;40) wiederum muss darauf abgestellt werden, ob der Rechtsgrund für den Erwerb noch vor diesem gelegt wurde.41) 4.
16
Unpfändbare Gegenstände (§ 36)
Nicht zur Insolvenzmasse gehören unpfändbare Gegenstände, wie § 36 ausdrücklich bestimmt. Die Haftungsmasse des Insolvenzverfahrens ist so grundsätzlich nicht größer als die der Einzelzwangsvollstreckung. Lediglich die Geschäftsbücher des Schuldners und das Inventar für einen landwirtschaftlichen Betrieb oder eine Apotheke gehören davon abweichend zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs. 2).
_____________ 34) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170 ff, dazu EWiR 2003, 539 (Tetzlaff); BGH, Beschl. v. 18.5.2004 – IX ZB 189/03, ZVI 2004, 518 f, dazu EWiR 2004, 987 (Hölzle). 35) BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 178/05, ZIP 2007, 1020, dazu EWiR 2008, 183 (Kexel) – betr. eines vorfinanzierten Prozesskostenerstattungsanspruchs. 36) Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 36; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rz. 115. 37) BGH, Beschl. vom 26.9.2013 – IX ZB 247/11, ZIP 2013, 2112, kritisch dazu Ganter, NZI 2013, 969; Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 36; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rz. 115. 38) BGH, Beschl. vom 26.9.2013 – IX ZB 247/11, ZIP 2013, 2112, kritisch dazu Ganter, NZI 2013, 969. 39) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 6 f. 40) BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610. 41) Das gilt auch für den Pflichtteils- und den Erbschaftsanspruch, entscheidend für die Zuordnung zur Insolvenzmasse ist, dass der Erbfall vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat, BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 184/09, ZIP 2011, 135, dazu EWiR 2011, 157 (Storz) – zum Pflichtteilsanspruch; BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 – zum Erbschaftsanspruch.
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
5.
Freigabe42)
Ein nach obigen Kriterien zur Insolvenzmasse gehöriger Gegenstand kann für diese auch eine Belastung darstellen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Kosten für Verwaltung oder Verwertung den zu erwartenden Erlös voraussichtlich übersteigen oder wenn Masseverbindlichkeiten aus zivilrechtlichen43) oder öffentlich-rechtlichen44) Pflichten zu befürchten sind. Gerade für solche Fälle wird dem Insolvenzverwalter das Recht eingeräumt, den betreffenden Gegenstand freizugeben. Die Freigabe wird nicht ausdrücklich vom Gesetz geregelt, aber – etwa durch die Erwähnung in § 32 Abs. 3 Satz 1 – erkennbar vorausgesetzt; nach allgemeiner Meinung ist sie grundsätzlich zulässig.45) Sie löst den freigegebenen Gegenstand oder das freigegebene Recht aus dem Insolvenzbeschlag und lässt insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners wieder aufleben.46)
17
Auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person ist der Insolvenzverwalter befugt, einzelne Gegenstände aus der Masse freizugeben.47) Soweit eingewandt wird, dies ließe sich mit dem ebenfalls angestrebten Ziel der Voll-
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_____________ 42) Auch als „echte Freigabe“ bezeichnet, im Unterschied zur „unechten Freigabe“, bei der ein nicht zur Insolvenzmasse gehöriger Gegenstand an den Aussonderungsberechtigten (§ 47) herausgegeben wird; ferner zur „Freigabe“ des Vermögens aus selbständiger Tätigkeit nach § 35 Abs. 2, vgl. Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 42; Wimmer-Bornemann, FKInsO, § 35 Rz. 29 ff; s. im Übrigen § 35 Rz. 20. 43) Durch die Freigabe auf dem Grundstück befindlicher Gegenstände kann der Insolvenzverwalter aber einer bereits bestehenden mietvertraglichen Räumungspflicht der Masse nicht entgehen, BGH, Beschl. v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, ZIP 2006, 583, 584, dazu EWiR 2006, 311 (Henkel). 44) Zur speziellen Frage, ob sich der Insolvenzverwalter mit der Freigabe eines altlastenbehafteten Grundstückes seiner Beseitigungspflicht als Zustandsstörer entziehen kann, vgl. Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 34a grds. bejahend BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 ff, dazu EWiR 2005, 439 (Kreft); einschränkend hingegen zuletzt BVerwG, Beschl. v. 5.10.2005 – 7 B 65.05, ZInsO 2006, 495 in Bestätigung von BayVGH, Urt. v. 4.5.2005 – 22 B 99.2208, 22 B 99.209, ZInsO 2006, 496 ff – Fortbestand der Ordnungspflicht, soweit sich mit der Freigabe faktisch nichts an den Besitzverhältnissen ändert. Beachte zudem auch BFH, Urt. v. 16.8.2001 – V R 59/99, ZIP 2002, 230, dazu EWiR 2002, 301 (Büteröwe) – Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit bei Veräußerung durch Schuldner. 45) Zuletzt BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 178/05, ZIP 2007, 1020; BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034, dazu EWiR 2005, 603 (Flitsch); Kübler/Prütting/BorkHolzer, InsO, § 35 Rz. 21; Förster, ZInsO 2000, 315, 316; Wimmer-Bornemann, FKInsO, § 35 Rz. 29; vgl. auch schon BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296, dazu EWiR 2001, 281 (Keller). 46) BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 178/05, ZIP 2007, 1020; BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 30; BVerwG, Urt. v. 20.1.1984 – 4 C 37.80, ZIP 1984, 722, 723. 47) BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034; BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469, 1471, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst); OLG Rostock, Urt. v. 12.10.2000 – 7 U 125/99, ZInsO 2000, 604, 605; Peters in: MünchKomm-InsO, § 35 Rz. 104 – 112; Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 47; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 80 Rz. 9; Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 29; a. A. K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017; K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916 f; Jaeger-Müller, InsO, § 35 Rz. 148.
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beendigung der Gesellschaft nicht vereinbaren,48) hat dieses Interesse neben dem hauptsächlichen Zweck des Insolvenzverfahrens, nämlich dem Ziel der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger, zurückzutreten.49) 19
Über die Freigabe hat allein der Insolvenzverwalter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.50) Sie setzt eine einseitige empfangsbedürftige Willlenserklärung des Insolvenzverwalters voraus,51) die auch durch schlüssiges Handeln erfolgen kann.52) Aus Gründen der Rechtssicherheit ist sie unwiderruflich.53) Sie ist nur dann unwirksam, wenn sie offensichtlich dem Insolvenzzweck, eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen, zuwiderläuft und wenn dies unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für einen verständigen Menschen offensichtlich ist.54)
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Neben der hier beschriebenen Form der Freigabe, die auch als „echte“ Freigabe bezeichnet wird, sind noch weitere Begriffe gebräuchlich:55) So wird die Anerkennung der Rechtslage durch den Insolvenzverwalter etwa in Bezug auf Aussonderungsrechte auch als „unechte Freigabe“ bezeichnet;56) die modifizierte Freigabe hingegen stellt eine echte Freigabe dar, die mit der Nebenabrede verbunden ist, dass der Schuldner die durch den freigegebenen Gegenstand erlangten Werte an die Masse abführen muss.57) In erster Linie wird hier an die Ermächtigung des Schuldners gedacht, einen Prozess über den freigegebenen Gegenstand im eigenen Namen – und auf eigenes Risiko – zu führen.58) Soweit damit allein das Kostenrisiko für die _____________ 48) K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017; K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916 f; JaegerMüller, InsO, § 35 Rz. 148. 49) BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034; BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469, 1471; Peters in: MünchKomm-InsO, § 35 Rz. 113, 114; Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 47; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 80 Rz. 9; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145, 2147. 50) BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356, dazu EWiR 2011, 123 (Fuchs); BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 178/05, ZIP 2007, 1020, wonach sich auch eine Einschränkung zugunsten des Schuldners mit Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens nicht in Einklang bringen lässt; a. A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.4.2006 – I-3 Wx 299/05, ZIP 2007, 687, 689; Jaeger-Windel, InsO, § 80 Rz. 28, der bei nutzlosem Aufwand eine Amtspflicht des Insolvenzverwalters zur Freigabe bejaht. 51) BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 178/05, ZIP 2007, 1020; BGH, Urt. v. 7.12.2006 – IX ZR 161/04, ZIP 2007, 194. 52) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 29. 53) RG, Urt. v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 107, 109; Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 35; RG, Urt. v. 3.2.1905 – VII 497/04, RGZ 60, 107, 109. 54) BVerwG, Urt. v. 20.1.1984 – 4 C 37.80, ZIP 1984, 722, 723; BGH, Urt. v. 13.1.1983 – III ZR 88/81, ZIP 1983, 589 = NJW 1983, 2018; auch BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 178/05, ZIP 2007, 1020: Nichtigkeit bei Insolvenzzweckwidrigkeit. 55) Echte, unechte, modifizierte und erkaufte Freigabe (= entgeltliche echte Freigabe, z. B. in § 314 a. F., der durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379) ab 1.7.2014 aufgehoben ist); Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 29 ff, außerdem wird die Freigabe von Sicherungsgut genannt, Peters in: MünchKomm-InsO, § 35 Rz. 87; A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 35 Rz. 58. 56) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rz. 85; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 25. 57) Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 49; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 26. 58) Vgl. hierzu Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 32.
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
Masse auf den vermögenslosen Schuldner abgewälzt werden soll, dürfte eine entsprechende Vereinbarung jedoch bereits nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig sein.59) 6.
„Freigabe“ der selbständigen Tätigkeit (Abs. 2, 3)
Mit den Absätzen 2 und 3 hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit geschaffen, die Rechtsbeziehungen aus einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners zur Masse zu kappen. Dies soll in erster Linie die Masse vor Schädigungen durch verlustreiches Wirken des Schuldners bewahren60) (ihm ein Tätigkeitsverbot durch den Insolvenzverwalter auszusprechen, kommt wegen Art. 12 GG nicht in Betracht), aber auch den Schuldner – etwa zur Ermöglichung eines erfolgreichen „fresh start“ im Anschluss an das Insolvenzverfahren – zu einer selbständigen Tätigkeit motivieren.61) Schon aus letzterem Gedanken wie auch aus dem Wortlaut wird deutlich, dass Absätze 2 und 3 nur auf natürliche Personen anwendbar sind; eine juristische Person kann nicht „selbständig“ tätig sein.62)
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Durch die „Freigabe“ der selbständigen Tätigkeit im Insolvenzverfahren werden berufsrechtliche Regelungen, z. B. § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO,63) § 12 GewO, § 6 Satz 1 Buchst. d i. V. m. § 5 Abs. 1 BauKaG NRW,64) zum Schutze des Rechtsverkehrs wegen Vermögensverfall nicht berührt.65) Nach § 12 Satz 2 GewO ist die Untersagung eines Gewerbes aber nur zulässig, wenn die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden mit Tatsachen begründet wird, die nach der Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 eingetreten sind.66)
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_____________ 59) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 26; K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1022; vgl. dazu zur KO BGH, Urt. v. 29.5.1961 – VII ZR 46/60, NJW 1961, 1528. 60) Begr. RegE InsOVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 11. Dagegen bezweckt die Regelung nicht den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung abgetreten sind. Die Regelung des § 114 InsO greift in diesen Fällen nicht, BGH, Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZR 61/09, ZIP 2010, 587; Bestätigung von BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, ZIP 2006, 1254. § 114 ist durch Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379) aufgehoben worden, der Abtretungsvorrang besteht nicht mehr für Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt werden, Art. 103h Satz 1 EGInsO. 61) Begr. RegE InsOVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 11. 62) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 107; Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 54; Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 12a; Ahrens, NZI 2007, 622 ff; a. A. Heinze, ZVI 2007, 347 ff. 63) BGH, Beschl. v. 28.9.2011 – AnwZ (Brfg) 29/11, ZInsO 2012, 140. 64) OVG NRW, Beschl. v. 5.1.2012 – 4 B 1250/11, – juris. 65) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 14. 66) Vgl. BT-Drucks. 17/10961, S. 7; VG Neustadt (Weinstraße), Beschl. v. 15.1.2013 – 4 L 1076/12. NW, ZVI 2013, 182. Dagegen gibt es im Berufsrecht der Architekten keine ensprechende Regelung, das OVG NRW, Beschl. v. 5.1.2012 – 4 B 1250/11, – juris, nimmt daher an, dass eine Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 das Vorliegen eines Vermögensverfalls bzw. die daraus folgende Vermutung der Unzuverlässigkeit nicht entkräftet.
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§ 35 23
Begriff der Insolvenzmasse
Übt der Schuldner also eine selbständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er die Aufnahme einer solchen, hat sich der Insolvenzverwalter zu erklären: Entweder er bestimmt – und das in konstitutivem Sinne –, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehört (Negativerklärung) oder er bestätigt – insoweit rein deklaratorisch – dass dieses Vermögen zur Masse gehört (Positiverklärung).67) Trotz des irreführenden Wortlauts des Absatzes 2 – zweimalige Verwendung des Wortes „ob“ – bestimmt die Wahl dieser Möglichkeiten zugleich das Schicksal der „Ansprüche aus dieser Tätigkeit“: bei der Negativerklärung kommen Ansprüche aus dieser Tätigkeit gegen die Masse nicht in Betracht, bei der – auch insoweit deklaratorischen – Positiverklärung haftet die Masse nach allgemeinen Grundsätzen auch für die Verbindlichkeiten aus dieser Tätigkeit. Weitere Mischformen sind nicht zulässig.68) a) Negativerklärung
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„Das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit“, welches nach der Erklärung des Insolvenzverwalters nicht mehr zur Insolvenzmasse gehören soll, geht über den bloßen Neuerwerb in Form des Gewinns hinaus. Es handelt sich insofern um eine unbestimmte Rechtsgesamtheit, die jedenfalls auch sonstiges Betriebsvermögen umfassen kann.69) Hier sollte der von einer Negativerklärung erfasste Vermögensverbund indes im Interesse der Masse nicht zu weit verstanden werden: es allein auf die in der Gesetzesbegründung erwähnte „Widmung“ des Vermögens ankommen zu lassen,70) würde sowohl zu großer Unbestimmtheit als auch nicht unbeträchtlichen Gefahren für die Masse führen; dem Schuldner muss aber andererseits auch das belassen werden, was ihm nach allgemeinen zwangsvollstreckungsrechtlichen Grundsätzen zur Ermöglichung seiner Tätigkeit belassen würde, sodass eine Erklärung ohne weitere Zusätze immer beschränkt ist auf das, was grundsätzlich den Pfändungsschutzbestimmungen zugänglich ist.71) Dem Insolvenzverwalter steht es i. R. des ihm zustehenden Ermessens jederzeit frei, auch weitere Vermögensgegenstände im Wege der herkömmlichen Freigabe aus der Masse zu entlassen; hier kann ggf. auch an eine Entschädigungsregelung gedacht werden.72)
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Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen auch Vertragsverhältnisse unter die Erklärung fallen,73) was insoweit unproblematisch ist, als künftige Verpflichtungen nur den Schuldner treffen sollen; fraglich ist indes die Wirkung auf bereits bestehende Verträge, insbesondere i. R. der selbständigen Tätigkeit eingegangene Dauerschuldverhältnisse. Dass diese, weil sie schon nicht den Wirkungen des _____________ 67) Terminologie wie Ahrens, NZI 2007, 622 ff; vgl. dazu auch die Ausführungen WimmerBornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 13, 19, 20. 68) Allg. M.; statt aller vgl. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 111 f. 69) Begr. RegE InsOVereinfG, BT-Drucks. 16/3227 S. 17 spricht von einer „Art ‚Freigabe’ des Vermögens, das der selbständigen Tätigkeit gewidmet ist“. 70) So wohl Ahrens, NZI 2007, 622, 625 f. 71) Heinze, ZVI 2007, 347 ff, 354. 72) So i. E. auch Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 18, 18a. 73) Begr. RegE InsOVereinfG, BT-Drucks. 16/3227 S. 17 – „einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse“.
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
Insolvenzbeschlags gemäß § 80 unterliegen, auch nicht im eigentlichen Sinne „freigegeben“ werden können,74) liegt auf der Hand; dies führt jedoch nicht zu der Annahme, die Erklärung des Insolvenzverwalters könne insofern keine Wirkung entfalten.75) Vielmehr bedeutet die Erklärung des Insolvenzverwalters nichts anderes als eine „Freizeichnung“ der Masse für die künftig hieraus erwachsenden Verbindlichkeiten; Vorbild der gesetzlichen Regelung ist insofern § 109 Abs. 1 Satz 2.76) Die ausdrückliche Kündigung solcher Vertragsverhältnisse durch den Insolvenzverwalter, um die Entstehung von Masseverbindlichkeiten zu verhindern, ist daher im Falle der Negativerklärung entbehrlich.77) Den Schuldner trifft im Falle der Negativerklärung (bzw. Freigabe) gemäß Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 295 Abs. 2 eine Abführungspflicht. Es obliegt ihm, durch Zahlungen an den Verwalter (= in die Masse) die Gläubiger so zu stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis78) eingegangen wäre (hierzu können die zu § 295 entwickelten Grundsätze uneingeschränkt herangezogen werden, vgl. § 295 Rz. 15 ff),79) er ist jedoch nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.80) Verletzt der die Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner diese Obliegenheit und/oder seine Verpflichtung zur Auskunftserteilung über seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit,81) kommt eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 in Betracht;82) gleiches sollte für den Fall gelten, dass der Schuldner die selbständige Tätigkeit verschweigt.
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b) Positiverklärung Die Erklärung, dass das Vermögen zur Masse gehört, kann nur deklaratorischer Natur sein;83) unabhängig vom Verständnis des Vermögensbegriffs an dieser Stelle kommt eine Erweiterung des grundsätzlich durch §§ 35, 36 definierten Insolvenz-
_____________ 74) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 114; Eickmann in: HK-InsO, § 35 Rz. 59; Holzer, ZVI 2007, 289, 292. 75) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 13c; a. A. Wischemeyer/Schur, ZInsO 2007, 1240 f. 76) So ausdrücklich Begr. RegE InsOVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 17; Gutsche, ZVI 2008, 41 ff. 77) BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, ZIP 2012, 533 ff, dazu EWiR 2012, 287 (Henkel); LG Krefeld, 24.2.2010 – 2 O 346/09, ZIP 2010, dazu EWiR 2010, 541 (Henkel); ArbG Berlin, Urt. v. 3.6.2010 – 53 Ca 2104/10, ZIP 2010, 1914, dazu EWiR 2010, 675 (Priebe); Uhlenbruck-Hirte, InsO § 35 Rz. 101; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 698; Gutsche, ZVI 2008, 41 ff; a. A. Wischemeyer/Schur, ZInsO 2007, 1240 f. 78) Nicht entscheidend sind dagegen die pfändungsfreien Beträge, LG Göttingen, Beschl. v. 8.8.2011 – 10 T 53/11, NZI 2011, 775. 79) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 24. 80) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZVI 2013, 346, dazu EWiR 2013 725 (Harder). 81) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZVI 2013, 346. 82) AG Hamburg, Beschl. v. 16.7.2012 – 67g IN 512/08, ZVI 2012, 357; AG Wuppertal, Beschl. v. 17.8.2011 – 145 IN 453/04, NZI 2011, 695. 83) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 113; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696 f.
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
beschlags nicht in Betracht. Ausweislich der Gesetzesbegründung84) sieht der Gesetzgeber Verbindlichkeiten aus dieser Tätigkeit per se als Masseverbindlichkeiten85) an, die durch die „Duldung“ seitens des Verwalters begründet worden seien;86) diese Begründung dürfte jedenfalls seit dem Inkrafttreten der neuen Regelung tragen. Absatz 2 Satz 2 findet auf diesen Fall keine Anwendung, eine Abführungspflicht passt funktional nicht, wenn der Neuerwerb ohnehin Massebestandteil ist.87) c) Erklärung des Insolvenzverwalters 28
Die für jeden der beiden Fälle erforderliche Erklärung hat der Insolvenzverwalter, auch wenn der Gesetzeswortlaut insofern keine Vorgaben enthält, zur Vermeidung eigener Haftung unverzüglich abzugeben, also ohne schuldhaftes Zögern, was eine gebotene sorgfältige Prüfung nicht ausschließen kann.88) Die dem Schuldner gegenüber abzugebende Erklärung sollte zu Beweiszwecken schriftlich erfolgen;89) vom Moment des Zugangs bei diesem ist sie auch wirksam mit den angeordneten Rechtsfolgen90) (was indes nur bei der konstitutiven Negativerklärung eine Rolle spielt; die Positiverklärung bestätigt lediglich den bereits bestehenden Rechtszustand).91)
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Die in Absatz 3 Satz 1 normierte Verpflichtung des Insolvenzverwalters, dem Gericht die Erklärung anzuzeigen, soll lediglich den Nachweis seiner Handlung erleichtern. Das Gericht hat die Erklärung sodann gemäß § 9 öffentlich bekannt zu machen, was der Information des Geschäftsverkehrs und der künftigen Neugläubiger dienen soll.92) Weder die Anzeige des Insolvenzverwalters noch die Bekanntmachung stellen aber Wirksamkeitsvoraussetzungen der Erklärung dar. d) Unwirksamkeit der Erklärung (Abs. 2 Satz 3)
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Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist grundsätzlich – wie bei der „echten“ Freigabe (siehe oben Rz. 17 ff) – einseitig, bedingungsfeindlich und unwiderruflich.93) Weder Insolvenzgericht noch Insolvenzverwalter haben von sich aus die Möglichkeit, sie rückgängig zu machen; dem Schuldner steht ein Rechtsbehelf _____________ 84) Die allerdings im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens etwas „unscharf“ ist, vgl. hierzu Heinze, ZVI 2007, 347, 352. 85) Vgl. Dazu auch Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 19. 86) Begr. RegE InsOVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 17. 87) Ahrens, NZI 2007, 622, 626. 88) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 15; Eickmann, in HK-InsO, § 35 Rz. 55; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696 f. 89) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 118. 90) Leistet ein gutgläubiger Gläubiger in Unkenntnis der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters an diesen statt an den Schuldner, so kann dennoch in entsprechender Anwendung des § 82 Befreiung eintreten, BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – IX ZA 30/10, ZIP 2011, 234 = ZVI 2011, 225. 91) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 16. 92) RegE InsOVereinfG, BR-Drucks. 549/06, S. 32. 93) Begr. RegE InsOVereinfG, BT-Drucks. 16/3227, S. 17; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697.
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
nicht zu.94) Allein dem Gläubigerausschuss bzw. der Gläubigerversammlung wird nach Absatz 2 Satz 3 das Recht der „Rückholung“ der Erklärung und ihrer Wirkungen zugestanden. Ein entsprechender Antrag eines Gläubigerorgans, veranlasst etwa durch eine anderweitige Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung oder eine Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten, führt zwangsläufig zur Unwirksamkeitserklärung durch das Insolvenzgericht; das Gesetz räumt dem Gericht hier keine eigene Prüfungskompetenz ein.95) Allein Fälle eines evidenten Missbrauchs könnten das Gericht von der Pflicht eines entsprechenden Ausspruchs entbinden.96) Den Beschluss über die Unwirksamkeit der Erklärung des Insolvenzverwalters hat das Gericht sodann nach Absatz 3 Satz 2 von Amts wegen öffentlich bekannt zu machen. Die Anordnung wirkt ex nunc von diesem Zeitpunkt an.97)
31
e) Zweites Insolvenzverfahren bei „Freigabe“ der selbständigen Tätigkeit Im Falle der „Freigabe“ der selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter gemäß Absatz 2 ist für Neugläubiger – im Gegensatz zur Fortführung des Unternehmens im Insolvenzverfahren98) – ein zweites Insolvenzverfahren über das in diesem Rahmen erlangte Vermögen des Schuldners zulässig.99) Der durch diese Tätigkeit erzielte Neuerwerb haftet grundsätzlich nur den Neugläubigern, nicht den Insolvenzgläubigern,100) die lediglich einen Ausgleichsanspruch nach § 295 Abs. 2 gegen den Insolvenzverwalter haben. Wird dieser Anspruch auf Abführung nicht erfüllt, hat der Insolvenzverwalter des ersten Verfahrens die Forderung im Zweitverfahren ggf. zur Insolvenztabelle anzumelden.101)
32
Für die Antragstellung und Eröffnung eines solches Zweitverfahrens gelten die in der Insolvenzordnung vorgesehenen allgemeinen Regelungen.102) Zur Bejahung des Rechtsschutzinteresses ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger in dem Verfahren Befriedigung erlangen kann. Notwendig ist aber, dass die Verfahrenskosten gedeckt sind.103)
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_____________ 94) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 26. 95) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 25; a. A. offenbar Eickmann, in HK-InsO, § 35 Rz. 62 ff. 96) Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 698. 97) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 35 Rz. 25; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 698. 98) Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt Neugläubigern in solchen Fällen das Rechtsschutzbedürfnis für ein weiteres Insolvenzverfahren, wenn der selbständig tätige Schuldner während des Insolvenzverfahrens Verbindlichkeiten begründet, die er nicht erfüllen kann, weil das gesamte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworbene Vermögen in die Insolvenzmasse fällt, BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326, dazu EWiR 2011, 751 (R. Weiß/Rußwurm); BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, ZIP 2008, 1976, dazu EWiR 2009, 155 (Sailer). 99) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 116; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rz. 107. 100) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326. 101) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326. 102) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326. 103) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326.
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
IV. Klärung des Umfangs der Insolvenzmasse 34
Über die Frage der Zugehörigkeit von Gegenständen zur Insolvenzmasse haben im Streitfall grundsätzlich die ordentlichen Prozessgerichte zu entscheiden.104) Hier kann insbesondere der Schuldner gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung, Leistung oder Unterlassung klagen. Der Insolvenzverwalter selbst benötigt die ordentlichen Gerichte, um die Herausgabe eines Massegegenstands von einem Dritten zu erzwingen; bezüglich der Sachen im Gewahrsam des Schuldners hat er in Gestalt des Eröffnungsbeschlusses bereits einen vollstreckbaren Titel (§ 148 Abs. 1). Dritte können ihre Aus- oder Absonderungsansprüche durch Klage gegen den Verwalter geltend machen.
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Die sachliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts beschränkt sich auf die in der InsO selbst festgelegten Befugnisse: nach § 36 Abs. 4 ist es zur Entscheidung über die Frage, ob ein Gegenstand der Zwangsvollstreckung unterliegt (und damit der Masse angehört), berufen.105) Mit der Frage, ob ein Gegenstand der Masse hinzuzurechnen ist, kann das Insolvenzgericht ferner in den ihm nach § 89 Abs. 3 und § 148 Abs. 2 übertragenen Streitigkeiten befasst werden, bei denen es jeweils über die Zulässigkeit bestimmter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu entscheiden hat. Paul
V. Steuerrecht 1. 36
Steuererstattungen als Gegenstand der Masse
Steuererstattungen können z. B. durch überhöhte Steuervorauszahlungen entstehen. Sie stellen Vermögen i. S. des § 35 Abs. 1 dar und fallen deshalb in die Insolvenzmasse, wenn sie vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sind.106) a) Einkommensteuer
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Im Falle der Einkommensteuer (ESt) entsteht der Anspruch auf Erstattung zwar erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums (§ 38 AO, § 36 Abs. 1 EStG); der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch ist jedoch bereits mit der Abführung der auf die Einkommensteuerschuld anzurechnenden Lohnsteuer gelegt. Dementsprechend existiert im Jahresverlauf ein Anwartschaftsrecht, das am Ende des Veranlagungszeitraums zum Erstattungsanspruch erstarken kann. Die ESt-Erstattung fällt folglich in die Insolvenzmasse, wenn der ihn begründende Sachverhalt vor oder im Insolvenzverfahren verwirklicht wird.107) Das gilt auch dann, wenn das Arbeitseinkommen des Schuldners (aus dem die Lohnsteuer abgeführt wurde) _____________ 104) 105) 106) 107)
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BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZA 23/08, ZIP 2008, 2135 f. S. dazu auch die Ausführungen zu § 36 Rz. 28. BGH, Urt. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340, dazu EWiR 2006, 245 (Beck). BGH, Urt. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340, dazu EWiR 2006, 245 (Beck); BFH, Beschl. v. 7.6.2006 – VII B 329/05, ZIP 2006, 1593; BFH, Beschl. v. 4.9.2008 – VII B 239/07, BFH/NV 2009, 6 = BeckRS 2008, 25014074; BFH, Urt. 28.2.2012 – VII R 36/11, ZIP 2012, 933 = DStRE 2012, 829, dazu EWiR 2012, 463 (Sinz/Hiebert).
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§ 35
Begriff der Insolvenzmasse
unter den Pfändungsgrenzen gelegen hat.108) Resultiert die Einkommensteuererstattung aus Vorauszahlungen, die der Schuldner i. R. seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit geleistet hat, ist der Anspruch dem insolvenzfreien Vermögen zugehörig.109) Für das Jahr der Aufhebung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht von Amts wegen die Anordnung der Nachtragsverteilung wegen eines etwaigen Einkommensteuererstattungsanspruchs zu prüfen, da diese Forderung nicht von der Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 erfasst wird.110) b) Umsatzsteuer Im Bereich der Umsatzsteuer (USt) steht der Erstattungsanspruch bei erfolgter Freigabe nach § 35 Abs. 2 dem Schuldner zu. Das Finanzamt kann, da insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote nicht zu berücksichtigen sind, allerdings mit Steuerinsolvenzforderungen verrechnen.111) Ohne Freigabe fällt ein vom Schuldner während des Insolvenzverfahrens im Zusammenhang mit seiner freiberuflichen Tätigkeit erlangter Vorsteueranspruch in die Masse. Das gilt selbst dann, wenn bei der selbständigen Tätigkeit ausschließlich unpfändbare schuldnerische Gegenstände genutzt und verwertet werden.112) 2.
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Steuerliche Wirkungen der Freigabe von Gegenständen
Die Freigabe von Gegenständen spielt insbesondere im Zusammenhang mit der Freigabe von vollständig mit Grundpfandrechten belasteten Grundstücken eine wichtige Rolle in der Insolvenzpraxis. Eine derartige echte Freigabe kann umsatzsteuerliche Wirkungen zeitigen. Der BFH bejaht z. B. eine Masseverbindlichkeit aus Umsatzsteuer, wenn die freigegebene Sache vom Schuldner verwertet und der Verkaufserlös dem Absonderungsgläubiger zufließt.113) Die Freigabe eines Grundstücks hat neben diesen umsatzsteuerlichen Konsequenzen auch Bedeutung für die Grundsteuer. Wurde die Immobilie freigegeben, ist spätestens die mit Beginn des nächsten Kalenderjahres entstehende Grundsteuer (Stichtagsprinzip) nicht mehr Masseverbindlichkeit.114) Zum Teil wird bereits ab dem Zeitpunkt der Freigabe der Immobilie der Charakter der Grundsteuer als Masseverbindlichkeit verneint.115)
_____________ 108) BFH, Beschl. v. 29.1.2010 – VII B 188/09, ZInsO 2010, 768. 109) FG Münster, Urt. v. 27.9.2013 – 14 K 1917/12 AO, BeckRS 2013, 96398. 110) BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, NZI 2005, 565 = VuR 2005, 395; BGH, Urt. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340, dazu EWiR 2006, 245 (Beck). 111) BFH, Beschl. v. 1.9.2010 – VII R 35/08, ZIP 2010, 2359, dazu EWiR 2011, 53 (Kahlert). 112) BFH, Urt. v. 15.12.2009 – VII R 18/09, ZIP 2010, 635, dazu EWiR 2010, 545 (Lau). 113) BFH, Urt. v. 16.8.2001 – V R 59/99, ZIP 2002, 230, dazu EWiR 2002, 301 (Büteröwe). 114) Eingehend zur Grundsteuer als Masseverbindlichkeit: § 55 Rz. 55 ff. 115) OVG Berlin-Bramdenburg, Urt. v. 21.12.2005 – 9 B 23/05, BeckRS 2009, 04794.
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§ 35 40
Begriff der Insolvenzmasse
Gibt der Insolvenzverwalter ein zur Insolvenzmasse gehörendes Fahrzeug formlos aus dem Insolvenzbeschlag frei, beendet das allein noch nicht die Kraftfahrzeugsteuerschuld. Ohne den Eingang der verkehrsrechtlich vorgeschriebenen Veräußerungsanzeige beim Straßenverkehrsamt, bleibt die Kfz-Steuer Masseverbindlichkeit.116) Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Fahrzeug unpfändbar ist (§ 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). In diesem Fall hat die (unechte) Freigabe des Fahrzeugs nur deklaratorische Wirkung. Die Kfz-Steuer ist ohnehin keine Masseverbindlichkeit, sondern gegen den Schuldner festzusetzen.117) 3.
Steuerliche Wirkungen der Freigabe der selbständigen Tätigkeit
a) Umsatzsteuer 41
Gibt der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit des Schuldners aus dem Insolvenzbeschlag frei, verbleibt es dennoch bei einem Unternehmen i. S. des Umsatzsteuergesetzes. Das Unternehmen besteht – auch wenn Schuldner der Umsatzsteuer allein der Insolvenzschuldner ist – aus dem vorinsolvenzrechtlichen, dem nachinsolvenzrechtlichen und dem freigegebenen Unternehmensteil.118) Wegen des Grundsatzes der Unternehmenseinheit kann bei erfolgter Freigabe i. S. von § 35 Abs. 2 z. B. von der Möglichkeit des § 19 UStG (Kleinunternehmerregelung) auch nur einheitlich für das Gesamtunternehmen Gebrauch gemacht werden.119) Wegen der Unternehmensidentität scheiden des weiteren umsatzsteuerpflichtige Umsätze zwischen Schuldner und Insolvenzmasse aus (Binnenumsätze).120) Für die freigegebene selbständige Tätigkeit wird regelmäßig eine weitere (dritte) Steuernummer erteilt. Hinsichtlich der Rechtslage vor Einführung von § 35 Abs. 2 hat der BFH entschieden, dass dann, wenn der Insolvenzschuldner unberechtigt einen zur Masse gehörenden Gegenstand für seine nach Insolvenzeröffnung aufgenommene Erwerbstätigkeit nutzt, die durch sonstige Leistungen des Schuldners begründete Umsatzsteuer jedenfalls dann keine Masseverbindlicheit ist, wenn die Umsätze im Wesentlichen auf dem Einsatz seiner persönlichen Arbeitskraft und nicht im Wesentlichen auf der Nutzung des Massegegenstands beruhen.121)
_____________ 116) BFH, Urt. v. 10.3.2010 – II B 172/09, ZIP 2010, 1302. 117) BFH, Urt. v. 13.4.2011 – II R 49/09, ZIP 2011, 1882, dazu EWiR 2011, 573 (Sinz/ Hiebert). 118) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782, dazu EWiR 2011, 323 (Mitlehner). 119) BFH, Urt. v. 20.12.2012 – V R 23/11, ZIP 2013, 469 = DStR 2013, 359, dazu EWiR 2013, 285 (Paul). 120) Kahlert/Rühland-Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 9.12. 121) BFH, Urt. v. 8.9.2011 – V R 38/10, ZIP 2012, 88, dazu EWiR 2012, 209 (Berger).
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
b) Einkommensteuer Im Zusammenhang mit einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners entstehende Einkommensteuer ist keine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1. Deshalb sind Einkommensteuervorauszahlungen in diesem Fall nur gegen den Schuldner festzusetzen.122) Gleiches gilt, wenn der Schuldner nach Verfahrenseröffnung eine Tätigkeit ohne Wissen und Billigung des Verwalters aufnimmt und hieraus tatsächlich keine Erträge zur Masse gelangen.123)
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c) Kraftfahrzeugsteuer Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit berührt die Qualifizierung der KfzSteuerschuld als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung nicht. Sie knüpft nicht an die selbständige Tätigkeit, sondern an das Halten eines inländischen Fahrzeugs an.124)
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d) Aufrechnung Da Forderungen, die der Schuldner während eines laufenden Insolvenzverfahrens aus einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit erwirbt, nicht – auch nicht im Durchgangserwerb – in die Insolvenzmasse fallen, unterliegen sie keinen insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverboten. Aus diesem Grund kann die Finanzverwaltung gegenüber einem Umsatzsteuererstattungsanspruch des Schuldners, den dieser aus seiner freigegebenen Tätigkeit hat, mit Insolvenzforderungen aufrechnen.125) _____________ 122) 123) 124) 125)
BFH, Urt. v. 18.9.2012 – VIII R 47/09, BeckRS 2013, 94219. BFH, Urt. v. 18.5.2010 – X R 11/09, ZIP 2010, 2014, dazu EWiR 2010, 751 (Kahlert). BFH, Urt. v. 8.9.2011 – II R 54/10, ZIP 2012, 42. BFH, Beschl. v. 23.8.2011 – VII B 8/11, ZIP 2011, 2067, dazu EWiR 2012, 55 (Dahl/ Thomas); BFH, Beschl. v. 1.9.2010 – VII R 35/08, ZIP 2010, 2359 = ZVI 2011, 59, dazu EWiR 2011, 53 (Kahlert).
§ 36 Unpfändbare Gegenstände Graf-Schlicker/Kexel
(1) 1Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. 2Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850k, 851c und 851d der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch 1.
die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt;
2.
die Sachen, die nach § 811 Abs. 1 Nr. 4 und 9 der Zivilprozeßordnung nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen.
(3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht. (4) 1Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. 2Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. 3Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. Literatur: Ahrens, Die private Berufsunfähigkeitsversicherung in der Insolvenz, VuR 2010, 445; Bitter, Das neue Pfändungsschutzkonto (P-Konto) – eine Zwischenbilanz, ZIP 2011, 149; Büchel, Das neue Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2010, 20; Graf-Schlicker/Linder, Die Reform des Kontopfändungsschutzes – ein Gewinn für alle Beteiligten, ZIP 2009, 989; Jacoby, Die Insolvenzfestigkeit von Lastschriften gestern, heute und morgen, ZIP 2010, 1725; Jaquemoth/Zimmermann, Grundzüge und Funktionsweise des Pfändungsschutzkontos (sog. P-Konto), ZVI 2010, 113; Jungmann, Die Genehmigung von Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren, ZIP 2008, 295; Obermüller/Kuder, SEPA-Lastschriften in der Insolvenz nach dem neuen Recht der Zahlungsdienste, ZIP 2010, 349. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Massefreiheit bei Unpfändbarkeit ..... 4 1. Bewegliche Sachen ................................ 6 a) Pfändungsverzicht und vollstreckungshemmende Vereinbarungen .................................... 7 b) Austauschpfändung ....................... 9 c) Unpfändbare Sachen .................... 10 d) Geschäftsbücher des Schuldners .................................... 11 e) Sonderfälle .................................... 13 f) Hausrat ......................................... 14 2. Unbewegliches Vermögen .................. 15
I.
3.
Forderungen und sonstige Vermögensrechte ................................ 16 a) Arbeitseinkommen ...................... 18 b) Sonstige Einkünfte ....................... 22 c) Altersvorsorgevermögen ............. 23 d) Sonstige Forderung nach § 851 ZPO .................................... 24 e) Einzugsermächtigungslastschriftverfahren ...................... 26 4. Nichtvermögensrechte ........................ 29 III. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, Verfahren ............................ 30 IV. Entsprechende Anwendung im Eröffnungsverfahren ......................... 35
Normzweck und -inhalt
1
Die Vorschrift ergänzt die mit § 35 begonnene Definition der Insolvenzmasse und schränkt die Haftung des Schuldnervermögens ein. Dem Schuldner soll auch im Insolvenzverfahren nicht mehr genommen werden als dies bei der Einzelzwangsvollstreckung der Fall wäre; mit der Anknüpfung an die bestehenden Pfändungsverbote soll der Schuldner vor einem Verlust sämtlicher Vermögensgegenstände geschützt und ein unantastbarer Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahrt werden.1)
2
Absatz 1 Satz 2 regelt – vor dem Hintergrund einer vor seiner Anfügung geführten Diskussion2) über die Anwendbarkeit der §§ 850 ff ZPO im Insolvenzverfahren3) – die entsprechende Anwendung der aufgeführten Vorschriften. Absatz 2 erweitert _____________ 1)
2) 3)
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BGH, Beschl. v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258, 1260, dazu EWiR 2006, 659 (Stahlschmidt); Peters in: MünchKomm-InsO, § 36 Rz. 1; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 2. Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 16.10.2000 – 2 W 189/00, ZIP 2000, 2074, 2076. Begr. RA z. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/6468, S. 17.
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
die Insolvenzmasse – im Interesse einer möglichen Fortführung eines Schuldnerbetriebes – auf Geschäftsbücher des Schuldners und zum Betrieb einer Apotheke oder eines landwirtschaftlichen Betriebes notwendiger Gegenstände. Absatz 3 übernimmt sinngemäß die Regelung des § 812 ZPO betreffend gewöhnlichen Hausrat. In Absatz 4 wird wegen der vom Gesetzgeber angenommenen größeren Sachnähe der Insolvenzgerichte4) deren Zuständigkeit für Streitigkeiten bzw. Anträge betreffend die Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften begründet.
3
II. Massefreiheit bei Unpfändbarkeit So umfassend die Haftung des Schuldnervermögens nach § 35 scheint, so umfassend wird sie durch Absatz 1 Satz 1 eingeschränkt. Dabei meint der verwendete Begriff „Gegenstände“ nicht nur körperliche Gegenstände, sondern bezieht alle Vermögensbestandteile mit ein:5) Alles, was nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt,6) gehört auch nicht zur Insolvenzmasse.7) Nur gesetzlich ausdrücklich bestimmte Pfändungsverbote schließen grundsätzlich die anfängliche Zugehörigkeit zur Masse aus;8) Gegenstände, die erst auf einen Antrag des Schuldners von der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen werden können, sind bis zu einer entspre_____________ 4) 5) 6)
7)
8)
Begr. RA z. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/6468, S. 17. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 36 Rz. 13; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 6. In die Insolvenzmasse fällt der vom Schuldner durch einen Erbfall während des Insolvenzverfahrens erworbene Pflichtteilsanspruch, BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 184/09, ZIP 2011, 135, dazu EWiR 2011, 157 (Storz); Vermögen, das der Schuldner – über die Ansparmöglichkeit aus § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO hinaus – aus pfändungsfreiem Arbeitseinkommen auf ein Konto bei einem Kreditinstitut einzahlt, BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZB 247/11, ZIP 2013, 2112, kritisch dazu Ganter, NZI 2013, 969; das Eigengeld, welches der arbeitspflichtige Strafgefangene für die Ausübung der ihm zugewiesenen Arbeit erhält, BGH, Beschl. v. 20.6.2013 – IX ZB 50/12, ZVI 2013, 430; ebenso das Auseinandersetzungsguthaben aus der Kündigung des Genossenschaftsanteils, BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 120/10, ZIP 2011, 90; nach der Neuregelung in § 67c durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I 2013, 2379, 2385) ist die Kündigung allerdings ausgeschlossen, wenn die Mitgliedschaft in der Genossenschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung des Mitglieds ist und sein Geschäftsguthaben höchstens das Vierfache des auf den Monat entfallenden Nutzungsentgelts (ohne Betriebskosten) oder höchstens 2 000 € beträgt. BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 46/11, NZI 2011, 979. Dazu zählen auch Ansprüche des Schuldners auf eine höchstpersönliche Dienstleistung, BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 69/12, ZIP 2013, 586, dazu EWiR 2013, 449 (Junghans); weiter die unpfändbaren sozialrechtlichen Leistungen der §§ 54, 55 SGB I und des § 17 SGB II, LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.10.2011 – L 5 AS 1546/09, – juris; Keller in: HK-InsO, § 36 Rz. 6, 75. Nicht in die Insolvenzmasse fällt auch das Wohnungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit, sofern keine Ausübungsgestattung über den Kreis der nach § 1093 Abs. 2 BGB berechtigten Personen vorliegt, OLG München, Beschl. v. 14.9.2010 – 34 Wx 72/10 und 34 Wx 072/10, ZIP 2010, 2520, dazu EWiR 2011, 223 (Schaefer). Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt, gehören zur Insolvenzmasse, BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 94/09, ZInsO 2011, 1412. Beiträge eines Selbständigen zu einem berufsständischen Versorgungswerk gehören als Masseverbindlichkeiten i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 zur Insolvenzmasse, sie können aber nach § 36 Abs. 1 Satz 2, 4 durch eine Entscheidung des Gerichts aus der Insolvenzmasse ausgenommen werden, OVG NRW, Beschl. v. 28.9.2011 – 17 A 1258/10, GesR 2011, 701.
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
chenden Entscheidung zur Masse zu zählen.9) Auf der anderen Seite sind nur bedingt pfändbare (Teil-)Ansprüche (§ 850b Abs. 1 ZPO) bis zu einer Entscheidung des Gerichts als unpfändbar zu betrachten10) und unterfallen damit (zunächst)11) nicht dem Insolvenzbeschlag. Das Insolvenzgericht12) kann sie auf Antrag des Insolvenzverwalters aber für vollstreckbar erklären, soweit dies der Billigkeit entspricht.13) Nicht entscheidend ist dabei, dass § 850b ZPO keine Erwähnung in Absatz 1 Satz 2 findet. Die Grundregel des Absatzes 1 Satz 1, wonach die §§ 850 ff ZPO anwendbar sein sollen, „wenn der Zweck der jeweiligen zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelung mit dem Ziel der Gesamtvollstreckung in Einklang steht“,14) sollte durch die gesetzliche Neufassung im Dezember 2011 nicht in Frage gestellt werden.15) Abgewogen werden können i. R. der Billigkeitsentscheidung zwar nicht die Interessen des Schuldners und das Einzelinteresse des Gläubigers, jedoch die Interessen des Schuldners gegen das Gesamtinteresse der Gläubiger.16) 5
Zur weiteren Ausfüllung der Norm muss insbesondere auf die sich aus der ZPO ergebenden Pfändungsschranken zurückgegriffen werden. Im Einzelnen: 1.
6
Bewegliche Sachen
Die Unpfändbarkeit – und damit Massefreiheit – beweglichen Vermögens beurteilt sich nach den speziellen Regelungen der §§ 811 – 811d ZPO. Sie können grundsätzlich wie in der Einzelzwangsvollstreckung angewendet werden.17) Wie in der Einzelzwangsvollstreckung kann auch für das Insolvenzverfahren von der Zulässigkeit eines Pfändungsverzichts (Rz. 7), der Möglichkeit einer Austauschpfändung (Rz. 9) und der Verwertung von Surrogaten (Rz. 10 f) ausgegangen werden; Besonderheiten ergeben sich in Ansehung der Regelungen in den Absätzen 2 und 3 (Rz. 11 – 14). _____________ 9) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 5; LG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1999 – 326 T 178/99, ZInsO 2000, 108, 109. 10) BGH, Urt. v. 11.11.1959 – IV ZR 88/59, BGHZ 31, 210, 218 = NJW 1960, 572; BGH, Urt. v. 25.1.1978 – VIII ZR 137/76, BGHZ 70, 206, 212. Zu den bedingt pfändbaren Ansprüchen zählt auch die private Krankenversicherung, OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.5.2013 – 12 W 68/12, ZVI 2013, 310; vgl. dazu die Entscheidungsbesprechung von Busch, ZVI 2013, 303; LG Köln, Urt. v. 15.5.2013 – 23 S 29/12, VersR 2013, 1389; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 19.9.2012 – I-20 W 9/12, 20 W 9/12, NZI 2012, 922. 11) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293, dazu EWiR 2010, 331 (Fliegner) – private Berufsunfähigkeitsrente; A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 36 Rz. 28; a. A. JaegerHenckel, InsO, § 36 Rz. 18 f; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 36 Rz. 9, die § 850b ZPO für unanwendbar im Insolvenzverfahren halten. 12) Das Prozessgericht ist zuständig, wenn die Massezugehörigkeit zwischen Insolvenzverwalter und Schuldner streitig ist oder die Frage der Pfändbarkeit i. R. eines Anfechtungsprozesses zu klären ist, BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293. 13) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293 – private Berufsunfähigkeitsrente; BGH, Urt. v. 15.7.2010 – IX ZR 132/09, ZIP 2010, 1656, dazu EWiR 2011, 55 (Lau) – Berufsunfähigkeitsrente von Selbständigen; Ahrens, VuR 2010, 445. 14) Begr. des RA zu § 36 InsO, BT-Drucks. 14/6468, S. 17. 15) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293 unter Berufung auf die Begr. des RA zu § 36 InsO, BT-Drucks. 14/6468, S. 17. 16) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293. 17) Zur (umfangreichen) Kasuistik sei etwa auf die entsprechende Kommentierung in ZöllerStöber, ZPO, § 811, Rz. 28; Keller in: HK-InsO, § 36 Rz. 26, verwiesen.
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
a) Pfändungsverzicht und vollstreckungshemmende Vereinbarungen Ein Pfändungsverzicht des Schuldners mit der Folge, dass unpfändbare Gegenstände dennoch der Masse anheimfallen, ist mit der weit überwiegenden Meinung jedenfalls dann als zulässig zu erachten, wenn er gleichzeitig mit oder nach der Inbesitznahme durch den Insolvenzverwalter erfolgt.18) Bedenken gegen die Möglichkeit eines Verzichts resultieren aus der Überlegung, dass die Pfändungsschutzvorschriften auch den Allgemeininteressen dienen; diesen Bedenken kann aber ausreichend mit der Argumentation begegnet werden, dass diese Interessen den Schuldner insbesondere vor der zwangsweisen Preisgabe schützen wollen,19) ihn aber nicht in seiner Verfügungsfreiheit über die ihm gehörenden Gegenstände beschränken wollen.20) Eine Grenze wäre dort zu ziehen, wo der Verzicht des Schuldners im Ergebnis zu einer Inanspruchnahme öffentlicher Mittel führt; dies ist im Bereich der Sachpfändung aber kaum denkbar.
7
Eine vor Insolvenzeröffnung zwischen dem späteren Insolvenzschuldner und einem Gläubiger geschlossene vollstreckungshemmende Vereinbarung bindet den Insolvenzverwalter nicht, weil schuldrechtliche Vereinbarungen grundsätzlich nur zwischen den Parteien wirken.21) Das gilt im Interesse der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auch dann nicht, wenn ein Gegenstand wertausschöpfend zugunsten des an der vollstreckungshemmenden Vereinbarung beteiligten Gläubigers belastet ist.22)
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b) Austauschpfändung Die in §§ 811a, 811b ZPO vorgesehene Möglichkeit der Austauschpfändung gibt es auch im Insolvenzverfahren. Sie wird ohne Hinzuziehung von Vollstreckungsoder Insolvenzgericht vom Insolvenzverwalter vollzogen.23)
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c) Unpfändbare Sachen Veräußert der Schuldner eine unpfändbare Sache, fällt der Erlös als Neuerwerb in die Insolvenzmasse. Entsprechendes gilt, wenn er mit freigestellten Barmitteln nicht dem Pfändungsschutz unterliegende Gegenstände erwirbt. Die Unpfändbarkeit setzt sich nicht etwa im Wege der Surrogation fort; nach ihrem Sinn und Zweck muss die Privilegierung durch § 36 und die Pfändungsschutzvorschriften erlöschen.24) Entsprechendes wird auch dann zu erwägen sein, wenn der Schuldner Ersatz für beschädigte oder zerstörte pfändungsfreie Gegenstände erlangt.25) _____________ 18) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 9; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 36 Rz. 39; Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 65; Peter in: MünchKomm-InsO, § 36 Rz. 59; Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 6 m. w. N.; vgl. auch KG, Beschl. v. 24.11.1959 – 1 W 1857/59, NJW 1960, 682. 19) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 36 Rz. 39; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 9; A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 36 Rz. 20. 20) Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 6; ihm folgend A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 36 Rz. 20. 21) BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387, dazu EWiR 2011, 357 (Köster). 22) BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387; Cranshaw, jurisPR-InsR 17/2011 Anm. 1. 23) Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 7; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 36 Rz. 40. 24) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 3a; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 36 Rz. 51a. 25) Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 3.
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
d) Geschäftsbücher des Schuldners 11
Geschäftsbücher des Schuldners gehören gemäß Absatz 2 Nr. 1 abweichend von § 811 Abs. 1 Nr. 11 ZPO zur Insolvenzmasse. Ausgehend vom Sinn der Ausnahme, die Fortführung des Unternehmens nicht zu erschweren, sind dazu grundsätzlich alle Unterlagen und Aufzeichnungen über das Geschäft, ggf. auch elektronischer Art,26) zu zählen, die die Fortführung oder Bewertung des schuldnerischen Unternehmens erleichtern; dies können etwa Kontobücher, Kundenlisten, Quittungen, Schriftwechsel, Bilanzen, Inventare, Jahresabschlüsse, Buchungsbelege sowie die gesamte Buchführung sein.27) Die so in die Masse fallenden Vermögensgegenstände unterliegen grundsätzlich keiner Verwertungsbeschränkung; sie können auch einzeln veräußert oder verwertet werden.28)
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Grenzen findet die isolierte Verwertung im Hinblick auf die – worauf Absatz 2 Nr. 1 klarstellend hinweist – weiterhin fortbestehenden gesetzlichen Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen. Zu denken ist hier in erster Linie an die handelsund steuerrechtlichen Pflichten nach § 257 HGB, § 147 AO.29) Die Aufbewahrungspflicht trifft den Insolvenzverwalter.30) e) Sonderfälle
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Die Pfändungsschutzvorschriften des § 811 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 9 ZPO finden keine Anwendung; damit fallen Inventar und Betriebsmittel sowohl des landwirtschaftlichen Betriebs des Schuldners als auch seiner Apotheke in vollem Umfang in die Insolvenzmasse. f)
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2. 15
Hausrat
Der im Haushalt des Schuldners gebrauchte, gewöhnliche Hausrat gehört kraft ausdrücklicher Bestimmung in Absatz 3 dann nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, dass durch seine Verwertung nur ein Erlös erzielt werden könnte, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht. Die Vorschrift übernimmt die Regelung des § 812 ZPO für das Insolvenzverfahren; der Unterschied im Wortlaut („gehören nicht“ im Gegensatz zu „soll nicht“) wirkt sich sachlich nicht aus.31) Unbewegliches Vermögen
Für das unbewegliche Vermögen i. S. des Vollstreckungsrechts (Grundstücke, eingetragene Schiffe und Luftfahrzeuge; Sachen und Rechte, auf die sich eine entsprechende Hypothek bzw. bei Luftfahrzeugen das Registerpfandrecht erstreckt, _____________ 26) Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 10. 27) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 67. 28) OLG Saarbrücken, Urt. v. 8.11.2000 – 1 U 513/00-115, ZIP 2001, 164, 165; vgl. auch Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 223, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 204 f – zur Nichtübernahme der Altregelung in § 117 Abs. 2 KO. 29) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 67. 30) Braun-Bäuerle, InsO, § 36 Rz. 22. 31) Blersch/Goetsch/Haas-Zilkens, InsR, § 36 InsO Rz. 11, mit zutr. Hinweis darauf, dass § 812 ZPO vom Gerichtsvollzieher ebenfalls wie eine „Muss-Vorschrift“ beachtet werden muss.
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
sowie Berechtigungen, für die die auf Grundstücke bezogenen Regelungen gelten32)), gibt es – auch in den §§ 864 ff ZPO – keine gesetzlichen Vorschriften, die eine Unpfändbarkeit mit der Folge der Insolvenzfreiheit bestimmen. Lediglich bei der Verwertung zu beachten sind ggf. vereinbarte Zustimmungserfordernisse (Erbbaurecht: §§ 5 ff ErbbauVO;33) Wohnungseigentum: § 12 WEG) oder gesetzliche Beschränkungen (Grundstücksverkehrsgesetz).34) 3.
Forderungen und sonstige Vermögensrechte
Für die Beurteilung der Unpfändbarkeit von Forderungen des Schuldners sind grundsätzlich die §§ 850 ff ZPO heranzuziehen, wie die nachträgliche Einfügung von Absatz 1 Satz 2 verdeutlicht.35) Die dortige Aufzählung ist aber nicht abschließend, entscheidend für die Anwendbarkeit weiterer Normen aus der Einzelzwangsvollstreckung ist, dass der Zweck der jeweiligen zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelung mit dem Ziel der Gesamtvollstreckung in Einklang steht.36)
16
Eine grundlegende Norm für die Beurteilung der Pfändbarkeit sonstiger Forderungen ist § 851 ZPO. Für sonstige Vermögensrechte (z. B. Anteilsrechte, beschränkt dingliche Rechte, Anwartschaftsrechte, immaterielle Schutzrechte) sind die §§ 857 Abs. 3, 859 und 860 ZPO besonders zu beachten.37)
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a) Arbeitseinkommen Arbeitseinkommen38) – und diesem in § 850 ZPO gleichgestellte Einkünfte39) des Schuldners – ist insoweit (und nur in dieser Höhe) massezugehörig, als es den Pfändungsschutz gemäß den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften übersteigt. Dabei bestimmt sich der pfändungs- und damit massefreie Betrag zunächst grundsätzlich ausgehend von den pauschalierten Sätzen des § 850c ZPO.40) Das gilt auch für die Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen, die mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft leben, unabhängig davon, ob tatsächlich an _____________ 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39)
40)
Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 67. BGH, Beschl. v. 8.7.1960 – V ZB 8/59, BGHZ 33, 76, 85 ff. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 63 – 68. Eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung (InsOÄndG) vom 26.10.2010, BGBl. I 2001, 2710. Dazu auch § 36 Rz. 4; BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293 sowie die Begr. des RA zu § 36 InsO, BT-Drucks. 14/6468, S. 17. Eine umfassende Katalogisierung findet sich bei Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 15 – 62. Dazu zählt auch verschleiertes Arbeitseinkommen i. S. von § 850h Abs. 2 ZPO, BAG, Urt. v. 16.5.2013 – 6 AZR 556/11, ZIP 2013, 1433, dazu EWiR 2013, 723 (Schröder). Z. B. Altersrente, Bayer. LSG, Urt. v. 23.4.2013 – L 20 R 819/09, ZInsO 2013, 2321. Zum Arbeitseinkommen zählen nicht private Versicherungsrenten von selbstständig oder freiberuflich tätig gewesenen Personen, jedoch Versorgungsbezüge von Beamten und Ruhegelder von Arbeitnehmern sowie deren Versicherungsrenten, BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 34/06, ZIP 2008, 338, dazu EWiR 2008, 383 (Walker). Vgl. zur Berechnung BGH, Beschl. v. 21.12.2004 – IXa ZB 142/04, ZVI 2005, 194 ff; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 211/08, ZVI 2009, 331. Die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850c, 850f, 850k ZPO gelten nicht für das Eigengeld, das durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet wird, welches der arbeitspflichtige Strafgefangene für die Ausübung der ihm zugewiesenen Arbeit erhält, BGH, Beschl. v. 20.6.2013 – IX ZB 50/12, ZVI 2013, 430.
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diese ein Geldbetrag gezahlt wird.41) Der getrennt lebende Ehegatte wird dagegen bei der Bemessung des unpfändbaren Einkommens des Schuldners nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO nur berücksichtigt, wenn der Schuldner diesen Unterhalt auch tatsächlich leistet.42) Unpfändbar und daher nicht massezugehörig sind auch die in § 850a ZPO aufgeführten Bezüge, wie z. B. ein im üblichen Rahmen bleibendes Urlaubsgeld43) oder die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten.44) 19
Die für die Berechnung der Pfändungsfreigrenzen maßgeblichen Beträge sind gemäß § 850 c Abs. 2a ZPO45) alle zwei Jahre entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrages nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG zu überprüfen und – soweit notwendig – anzupassen. Die letzte Anpassung ist zum 1.7.2013 erfolgt.46) Danach beträgt der monatliche Grundfreibetrag 1 045,04 €, der wöchentliche 240,50 € und der tägliche 48,10 €.47)
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Im Rahmen der ausdrücklich für anwendbar erklärten Folgevorschriften kommen sowohl eine Erweiterung als auch eine Einschränkung des Insolvenzbeschlags in Betracht.48) So eröffnen § 850e Nr. 2 und Nr. 2a ZPO die Möglichkeit einer Zusammenrechnung mehrerer Leistungen49) an den Schuldner vor der Anwendung des § 850c ZPO, sodass insgesamt ein größerer Betrag der Insolvenzmasse zufließen kann. Mit dem gleichen Ergebnis kann über § 850c Abs. 4 ZPO die Anrechnung der Einkünfte unterhaltsberechtigter Personen beantragt werden.50) Auf der anderen Seite kann der Antrag des Schuldners nach § 850f Abs. 1 ZPO, den ihm verbleibenden Pfändungsfreibetrag bei gesteigerten Unterhalts- oder sonstigen besonderen persönlichen und beruflichen (zwingenden) Bedürfnissen51) zu er_____________ 41) BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 45/11, ZIP 2012, 95, dazu EWiR 2012, 529 (Fliegner). 42) BAG, Urt. v. 28.8.2013 – 10 AZR 323/12, ZInsO 2013, 2381. 43) BGH, Beschl. v. 26.4.2012 – IX ZB 239/10, ZIP 2012, 1086, dazu EWiR 2012, 563 (Budnik). 44) LG Hannover, Beschl. v. 21.3.2012 – 11 T 6/12, – juris; VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.6.2012 – 26 K 5884/11, – juris. 45) Eingefügt durch das Gesetz v. 13.12.2001, BGBl. I, 3638. 46) Bekanntmachung des BMJ v. 26.3.2013, BGBl. I, 710. Zu den Pfändungsfreigrenzen, die vom 1.7.2011 – 20.6.1013 galten: Ahrens, NZI 2011, 440, und Bekanntmachung des BMJ v. 9.5.2011, BGBl. I, 825. 47) Bekanntmachung des BMJ v. 26.3.2013, BGBl. I, 710. 48) Hierzu Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 28c. Beiträge für die Krankenversicherung sind gemäß § 850e Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ZPO i. R. des sog. Basistarifs der privaten Krankenversicherung und des Höchstbeitragssatzes der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pfändungsfrei, so AG Montabaur, Beschl. v. 25.4.2013 – 14 IK 20/13, – juris. 49) Arbeitslosengeld II ist mit Arbeitseinkommen nicht zusammenzurechnen, wenn der Schuldner es nur deshalb erhält, weil sein Arbeitseinkommen bei anderen Personen berücksichtigt wird, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, BGH, Beschl. v. 25.12.2012 – IX ZB 263/11, ZInsO 2013, 1274. 50) Dabei hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu entscheiden, BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 45/11, ZIP 2012, 95; LAG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2012 – 11 Sa 1004/11, ZInsO 2012, 1685. 51) Z. B. auch für medizinische Behandlungen; vgl. hierzu ausführl. BGH, Beschl. v. 23.4.2009 – IX ZB 35/08, ZVI 2009, 290.
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Unpfändbare Gegenstände
höhen, zu einer Verringerung der Insolvenzmasse führen. Vergleichbare Änderungen des Insolvenzbeschlags können auch §§ 850g und 850h ZPO mit sich bringen. Mit Wirkung vom 1.7.2010 wurde der Verweis in Absatz 1 Satz 2 – als Folgeänderung der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Reform des Kontopfändungsschutzrechts52) – auf die Vorschriften der §§ 850k und 850l ZPO erstreckt. Seit dem 1.1.2012 ist die Verweisung auf § 850l ZPO entfallen, weil Pfändungsschutz nur noch auf dem Pfändungsschutzkonto (P-Konto) und nicht mehr durch gerichtliche Freigabe der unpfändbaren Beträge möglich ist.53) Auf dem P-Konto, dass die Bank auf Antrag für jeden Inhaber eines Girokontos – bei dessen Pfändung innerhalb von vier Geschäftstagen (§ 850k Abs. 7 ZPO) – einzurichten hat, ist ein Guthaben i. H. des Grundfreibetrages nach § 850c ZPO (derzeit 1 045,04 €)54) pfändungsfrei (§ 850k Abs. 1 ZPO).55) Antragsberechtigt ist auch im Insolvenzverfahren nur der Schuldner oder sein gesetzlicher Vertreter, nicht aber der Insolvenzverwalter.56) Geht in einem Monat der Arbeitslohn für den laufenden und den Folgemonat auf dem Pfändungsschutzkonto ein, ist auch letzterer bis zum Ende des Folgemonates für den Kontoinhaber geschützt (§ 850k Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 835 Abs. 4 ZPO)57) und fällt auch insoweit nicht in die Insolvenzmasse. Der Basispfändungsschutz kann sich gemäß § 850k Abs. 2 ZPO bei Unterhaltsverpflichtungen, Kindergeld und bestimmten Sozialleistungen erhöhen, wenn der Bank durch Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle i. S. von § 305 Abs. 1 Nr. 1 die Pfändungsfreiheit nachgewiesen wird (§ 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO). Darüber hinaus kann das Vollstreckungsgericht in besonderen Fällen (§ 850k Abs. 4 ZPO) den pfandfreien Betrag erhöhen. Das Pfändungsschutzkonto gehört – entsprechend seinem Sinn und Zweck, dem Pfändungsschuldner die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr zu ermöglichen – nicht zur Insolvenzmasse und erlischt daher auch nicht nach §§ 115, 116.58)
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b) Sonstige Einkünfte Für sonstige Vergütungen, insbesondere Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die in die Insolvenzmasse fallen, besteht gemäß § 850 Abs. 2 ZPO seit dem _____________ 52) Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes v. 7.7.2009, BGBl. I, 1707. 53) Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes v. 7.7.2009, Art. 10 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 Nr. 6, BGBl. I, 1707. 54) Bekanntmachung des BMJ v. 26.3.2013, BGBl. I, 710. 55) Das den Freibetrag übersteigende Einkommen ist Teil der Insolvenzmasse, so zu Recht AG Neubrandenburg, Urt. v. 17.1.2013 – 103 C 514/12, – juris; dazu Cranshaw, jurisPRInsR 21/2013 Anm. 4. 56) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 46; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Ahrens, InsO, § 36 Rz. 76. 57) Die Regelung wurde durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung v. 12.4.2011, BGBl. I, 615, eingefügt. 58) LG Verden, Urt. v. 19.9.2013 – 4 S 3/13, ZIP 2013, 1954; AG Nienburg, Urt. v. 24.1.2013 – 6 C 516/12, ZVI 2013, 198; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Ahrens, InsO, § 36 Rz. 76; Büchel, ZInsO 2010, 20, 26; Jaquemoth/Zimmermann, ZVI 2010, 113, 116; Bitter, ZIP 2011, 149, 158; a. A. Keller in: HK-InsO, § 36 Rz. 82.
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1.7.201059) derselbe Pfändungsschutz wie bei abhängig Beschäftigten. Bezieht der Schuldner kein regelmäßiges Einkommen, hat das Insolvenzgericht ihm auf seinen Antrag Pfändungsschutz nach Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 850i ZPO zu gewähren. Maßstab für die Höhe des Pfändungsfreibetrages während eines angemessenen Zeitraums sind die vergleichbaren Einkünfte eines Arbeitnehmers, also § 850c ZPO.60) Bei seiner Entscheidung hat das Gericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten frei zu würdigen. Dabei spielt der Aspekt des § 850i Abs. 1 Satz 3 – überwiegende Belange eines Gläubigers – regelmäßig keine Rolle, weil die Gläubiger nur in ihrer Gesamtheit betrachtet werden können. Unter § 850i ZPO fallen z. B. Abfindungsansprüche bei Arbeitsplatzverlust des Schuldners61) sowie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.62) c) Altersvorsorgevermögen 23
Um die politisch gewollte selbständige Altersvorsorge durch private Versicherungsverträge auch im Vollstreckungs- und Insolvenzfall zu schützen, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge63) mit Wirkung vom 31.3.2007 die §§ 851c und 851d in die ZPO eingefügt64) und zugleich durch deren Aufnahme in den Katalog des Absatzes 1 Satz 2 klargestellt, dass die Vorschriften auch in Insolvenzverfahren und Treuhandperiode Anwendung finden. Die Normen enthalten Pfändungsschutzregeln für näher bestimmte Renten- und Kapitalversicherungsverträge, und zwar sowohl betreffend Anrechte in der Ansparphase (§ 851c Abs. 2 ZPO) wie auch in der Leistungsphase (§ 851c Abs. 1) und § 851d, letzterer speziell für Auszahlungen i. R. von „Riester“- und „Rürup“Renten.65) Die Voraussetzungen für den Pfändungsschutz bei solchen Verträgen sind im Wesentlichen in § 851c Abs. 1 Nr. 1 – 4 ZPO festgelegt: die Leistungen müssen in regelmäßigen Abständen lebenslang nach Eintritt des 60. Lebensjahres oder bei Berufsunfähigkeit erbracht werden, ihre Abtretung muss vertraglich ausgeschlossen sein, bezugsberechtigt dürfen außer Hinterbliebenen keine Dritten sein und es darf kein Kapitalwahlrecht vereinbart sein. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, anderenfalls entfällt der Pfändungsschutz für die Alters- und Berufsunfähigkeitsrente.66) Der Pfändungsschutz erstreckt sich nur auf das vom Versicherungsnehmer aufgebaute Deckungskapital und die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erbringenden Leistungen, nicht jedoch auf die Beiträge, _____________ 59) Eingeführt durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes v. 7.7.2009, BGBl. I 2009, 1707, in Kraft getreten am 1.7.2010. 60) Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 36 Rz. 26; Keller in: HK-InsO, § 36 Rz. 81. 61) Vgl. etwa LG Bochum, Beschl. v. 18.8.2010 – I-7 T 433/09, ZVI 2010, 479. 62) LG Bonn, Beschl. v. 30.8.2012 – 6 T 140/12, ZVI 2013, 73; a. A. LAG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.5.2012 – L 5 AS 114/12 B ER, – juris. 63) Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge v. 26.3.2007, BGBl. I 2007, 368. 64) Die Regelungen gelten nicht für Insolvenzverfahren, die vor dem 31.3.2007 eröffnet wurden; so auch Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 30 unter Bezugnahme auf BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 34/06, ZIP 2008, 338, dazu EWiR 2008, 383 (Walker), der die neue Rechtslage nicht heranzieht. 65) Ausführl. Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 30 ff. 66) BGH, Urt. v. 15.7.2010 – IX ZR 132/09, ZIP 2010, 1656.
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die in die Versicherung einzuzahlen sind.67) Der Rückkaufwert einer Direktversicherung, in die zur betrieblichen Altersvorsorge allein Mittel des Arbeitgebers geflossen sind, genießt ebenfalls Pfändungsschutz.68) Eine zeitlich beschränkte Berufsunfähigkeitsrente fällt ebenfalls unter § 851c ZPO, wenn sie Bestandteil einer Altersrente ist.69) Versicherungsrenten Selbständiger, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 nicht genügen, sind nicht pfändungsgeschützt. Sie können jedoch nach § 167 Satz 1 VVG für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode70) in eine dem Pfändungsschutz unterliegende Altersvorsorgeversicherung umgewandelt werden. d) Sonstige Forderung nach § 851 ZPO Für sonstige Forderungen gilt insbesondere die grundlegende Bestimmung des § 851 Abs. 1 ZPO, nach der sie nur insoweit gepfändet werden können, als sie übertragbar sind. Unpfändbarkeit und damit Insolvenzfreiheit kommt danach insbesondere in Betracht, wenn die Abtretung kraft Gesetzes schlechthin verboten ist oder wenn der Gläubigerwechsel den Inhalt der Leistung ändern (§ 399 Alt. 1 BGB) oder deren rechtlich gesicherte Zweckbindung vereiteln würde.71) Hingegen genügt es für § 851 Abs. 1 ZPO nicht ohne weiteres, wenn eine Forderung ihrem Inhalt und ihrer Zweckbestimmung nach übertragbar ist und lediglich bestimmten Gläubigern die Abtretung verboten oder diese nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet wird, wie etwa in § 64b Abs. 2 Satz 2 StBerG und in § 49b BRAO für Honorarforderungen von Steuerberatern und Rechtsanwälten. In derartigen Fällen kann erst eine Auslegung des beschränkenden Gesetzes ergeben, ob es sich zwingend auch gegen eine Pfändbarkeit richtet, wofür hohe Anforderungen zu stellen sind.72) Rechtsgeschäftlich begründete Abtretungsverbote begründen ebenso grundsätzlich kein Pfändungsverbot, wenn die Forderung als solche übertragbar ist, § 851 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 399 Alt. 2 BGB.73)
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Zu beachten sind ferner die Unpfändbarkeitsbestimmungen außerhalb der ZPO, so etwa betreffend staatliche Sozialleistungen in §§ 54, 55 SGB I und § 17 SGB XII.74)
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_____________ 67) 68) 69) 70)
71)
72)
73) 74)
BGH, Beschl. 12.5.2011 – IX ZB 181/10, ZIP 2011, 1235. BGH, Beschl. v. 5.12.2013 – IX ZR 165/13, ZIP 2014, 86. BGH, Urt. v. 15.7.2010 – IX ZR 132/09, ZIP 2010, 1656 = ZInsO 2010, 1485. LG Hamburg, Urt. v. 14.8.2009 – 332 O 55/09, ZInsO 2011, 1018; a. A. Braun-Bäuerle, InsO, § 36 Rz. 16a; Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 31, die den Zugang des Umwandlungsantrags beim Versicherer für das Eintreten des Pfändungsschutzes als ausreichend ansehen. Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 24.3.2011 – IX ZR 180/10, ZIP 2011, 820; BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – IX ZA 99/11, ZInsO 2012, 147; BGH, Urt. v. 30.3.1978 – VII ZR 331/75, MDR 1978, 747; BGH, Urt. v. 15.5.1985 – IVb ZR 33/84, NJW 1985, 2263, 2264. Zuletzt BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – IX ZR 69/12, ZIP 2013, 586, der eine Pfändbarkeit von Ansprüchen des Schuldners auf eine höchstpersönliche Dienstleistung verneint, dazu EWiR 2013, 449 (Junghans); BGH, Beschl. v. 16.10.2003 – IX ZB 133/03, ZIP 2003, 2176 – RA-Honorar; grundlegend BGH, Urt. v. 25.3.1999 – IX ZR 223/97, ZIP 1999, 621, 624, dazu EWiR 1999, 857 (Johlke) – Steuerberater. Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 52; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 36 Rz. 10. Vgl. die weitreichende Aufzählung bei Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 60.
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e) Einzugsermächtigungslastschriftverfahren 26
Die Frage, ob eine Zahlung, die mittels Lastschriftverfahrens erfolgt, insolvenzfest ist, war lange Zeit zwischen dem IX. und dem XI. Senat des Bundesgerichtshofs streitig.75) Dieser Streit ist durch die Entscheidung des XI. Senats vom 20.7.2010,76) dessen Rechtsausführungen der IX. Senat mitträgt, beendet.
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Danach ist wie folgt zu differenzieren: Beim Einzugsermächtigungslastschriftverfahren, das ab 1.2.201477) durch das SEPA-Lastschriftverfahren abgelöst worden ist (siehe Rz. 28), hängt die Wirksamkeit der Kontobelastung davon ab, dass der Lastschriftschuldner diese gegenüber seinem Kreditinstitut genehmigt (§ 684 Satz 2 BGB). Die Genehmigung kann auch konkludent erfolgen. Eine konkludente Genehmigung ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung78) im unternehmerischen Geschäftsverkehr anzunehmen, wenn der Lastschriftschuldner bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen aus Dauerschuldverhältnissen, Steuervorauszahlungen, Sozialversicherungsbeiträgen oder laufenden Geschäftsbeziehungen in Kenntnis der Belastung dem Einzug nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist79) nicht widerspricht und der Lastschrifteinzug sich in der Schwankungsbreite früherer genehmigter Einzüge bewegt.
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Eine Zahlung, die mittels des zum 1.11.2009 angebotenen, ab 1.2.2014 für Unternehmen und ab 1.2.2016 für Verbraucher verbindlich geltenden SEPA-Lastschrift_____________ 75) Der IX. Senat hat auf der Grundlage der Genehmigungstheorie die Auffassung vertreten, ein vorläufiger Insolvenzverwalter könne – auch wenn keine sachlichen Einwendungen gegen die eingezogenen Forderungen bestehen – die Genehmigung sowie den Eintritt der Genehmigungsfiktion durch Widerspruch verhindern und somit die im Lastschriftverfahren gutgeschriebenen Geldbeträge zur Insolvenzmasse ziehen, BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273, dazu Bespr. Jungmann, ZIP 2008, 295. Der XI. Senat hat – ebenfalls auf der Basis der Genehmigungstheorie – die Insolvenzfestigkeit der im Lastschriftverfahren erfolgten Zahlungen verneint, weil der Schuldner sich bei einem nicht auf anerkennenswerten Gründen beruhendem Widerspruch nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig mache. Gleichzeitig hat er erwogen, in der Zustimmung zum Einzugsermächtigungsverfahren eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner anzunehmen, dass im Valutaverhältnis mit der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto Erfüllung eintritt, BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZIP 2008, 1977, m. Anm. Bork, ZIP 2008, 1984, dazu EWiR 2008, 625 (Keller). 76) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556, dazu EWiR 2010, 539 (Lenhardt/ Priebe). 77) Den Zahlungsdienstleistern ist es für eine Übergangsfrist bis zum 1.8.2014 gestattet Zahlungsvorgänge in Euro, deren Format nicht den Vorgaben des Sepa-Verfahrens entspricht, abzuwickeln, Art. 1 der VO(EU) Nr 248/2014 v. 26.2.2014, Abl. L 84 v. 30.3.2014, S. 1. 78) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 58/11, ZIP 2012, 167; BGH, Urt. v. 27.9.2011 – XI ZR 328/09, ZIP 2011, 2400, dazu EWiR 2012, 77 (Mordhorst); BGH, Urt. v. 27.9.2011 – XI ZR 215/10, ZInsO 2011, 1980, dazu EWiR 2011, 739 (Kalomiris); BGH, Urt. v. 26.7.2011 – XI ZR 197/10, ZIP 2011, 1557, dazu EWiR 2011, 701 (Dörrscheidt); BGH, Urt. v. 3.5.2011 – XI ZR 152/09, ZIP 2011, 1252, dazu EWiR 2011, 493 (Jungmann); BGH, Urt. v. 1.3.2011 – XI ZR 320/09, ZIP 2011, 826, dazu EWiR 2011, 413 (Wagner); BGH, Urt. v. 25.1.2011 – XI ZR 171/09, ZIP 2011, 482, dazu EWiR 2011, 221 (Hiebert); BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, ZIP 2010, 2407, dazu EWiR 2011, 153 (Wagner). 79) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 58/11, ZIP 2012, 167, hat bei wiederkehrenden Sozialversicherungsbeiträgen eine Überlegungsfrist von 14 Tagen angenommen.
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§ 36
Unpfändbare Gegenstände
verfahrens80) bewirkt wird, fällt dagegen – in entsprechender Anwendung des § 377 Abs. 1 BGB – nicht in die Insolvenzmasse, weil das Verfahren so ausgestaltet ist, dass der Zahlungspflichtige mit der Erteilung des SEPA-Mandats nicht nur dem Zahlungsempfänger gestattet, den Betrag vom seinem Konto einzuziehen, sondern auch die Zahlstelle anweist, die vom Zahlungsempfänger auf das Schuldnerkonto gezogene SEPA-Lastschrift einzulösen. Aufgrund dieser vorherigen Autorisierung des Zahlungsvorgangs findet der Vermögensabfluss beim Schuldner bereits mit Belastung seines Kontos statt. Die Zahlung hat auch in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren Bestand, wenn der Zahlungspflichtige beim SEPA-BasisLastschriftverfahren81) innerhalb des achtwöchigen Zeitraums von seinem Recht zur Erstattung des Lastschriftbetrags Gebrauch macht, weil der Erstattungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse fällt (§ 377 Abs. 1 BGB analog).82) 4.
Nichtvermögensrechte
Persönlichkeitsrechte, Familienrechte, rein ideelle Mitgliedsrechte u. Ä. sind regelmäßig nicht pfändbar; sie gehören jedoch im Hinblick darauf, dass ihnen kein Vermögenswert beigemessen wird, schon nach § 35 nicht zur Insolvenzmasse, sodass es des Rückgriffs auf Absatz 1 Satz 1 nicht bedarf.83)
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III. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, Verfahren Nach Absatz 4 Satz 1 ist – wegen der vom Gesetzgeber vermuteten größeren Sachnähe84) – statt des sonst zuständigen Vollstreckungsgerichts das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht zur Entscheidung über die Zugehörigkeit eines Gegen_____________ 80) Single Euro Payments Area (SEPA), ein vom European Payments Council (EPC) geschaffenes Interbankenregelwerk für den vollautomatisierten Einzug von Lastschriften in Euro innerhalb des Gebiets des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums, dessen Rechtsrahmen die Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (ABl. L 319 v. 5.12.2007, S. 1) und die Verordnung (EG) Nr. 924/2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der EU (ABl. L 266 v. 9.10.2009, S. 11) bilden, vgl. dazu Obermüller/Kuder, ZIP 2010, 349 ff. Zur weiteren Verwirklichung des einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrs ist die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 v. 30.3.2012, S. 22) erlassen worden. Die nötigen nationalen ergänzenden Bestimmungen sind durch das Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPABegleitgesetz) vom 3.4.2013 (BGBl. I, 610) festgelegt worden. Für eine Übergangsfrist bis zum 1.8.2014 ist es den Zahlungsdienstleistern gestattet Zahlungsvorgänge in Euro, deren Format nicht den Vorgaben des Sepa-Verfahrens entspricht, weiterhin abzuwickeln, Art. 1 VO(EU) Nr. 248/2014 v. 26.2.2014, Abl. L 84 v. 30.3.2014, S. 1. 81) Im SEPA-Basislastschriftverfahren kann der Zahlungspflichtige binnen einer Frist von acht Wochen ab Belastungsbuchung die Rückerstattung des belasteten Betrages verlangen (§ 675x Abs. 2 BGB i. V. m. Nr. 2.5 Bedingungen für SEPA-Basislastschriftverfahren). Dies ist beim SEPA-Firmenlastschriftverfahren ausgeschlossen (§ 675e Abs. 4 BGB i. V. m. Nr. 2.5 Bedingungen für SEPA-Firmenlastschriftverfahren). 82) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556; vgl. dazu auch Jacoby, ZIP 2010, 1725. 83) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 55, § 35 Rz. 5; Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 1. 84) Begr. RA z. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/6468, S. 17.
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standes zur Insolvenzmasse85) nach den in Absatz 1 Satz 2 aufgezählten Normen berufen.86) Das Insolvenzgericht ist auch für Entscheidungen nach § 850b Abs. 2 ZPO zuständig, wenn der Insolvenzverwalter beantragt, bedingt pfändbare Bezüge zur Masse zu ziehen87) und er um die Erweiterung der Pfändbarkeit des Einkommens des Schuldners nach § 850 Abs. 4 ZPO nachsucht.88) Dagegen sind die Prozessgerichte zuständig, wenn Insolvenzverwalter und Schuldner um die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse als solcher streiten,89) z. B. ob Einkünfte nach § 850b Abs. 1 ZPO zur Masse gehören oder sich die Frage der Pfändbarkeit i. R. eines Anfechtungsprozesses stellt.90) Soweit der Schuldner über den geltend gemachten Pfändungsschutz hinaus einen Vollstreckungsschutzantrag gestellt hat, ist wiederum das Insolvenzgericht zur Entscheidung berufen.91) 31
Die funktionelle Zuständigkeit für die Entscheidungen nach Absatz 4 Satz 1 richtet sich nicht nach dem jeweiligen Verfahrensstand im Insolvenzverfahren (§ 18 RPflG), sondern es gilt § 20 Nr. 17 RPflG, weil insoweit das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht tätig wird.92) Funktionell zuständig ist also grundsätzlich der Rechtspfleger, lediglich für eine Vollstreckungserinnerung i. S. des § 766 ZPO ist der Richter zuständig (§ 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG).93) Die Entscheidungen ergehen regelmäßig durch Beschluss, der sich im Inhalt und Tenor an die Vorgaben der ZPO anlehnt.94)
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Auch der Rechtsmittelzug gegen diese Entscheidung richtet sich nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften: Das Insolvenzgericht entscheidet kraft besonderer Zuweisung, aber funktional als Vollstreckungsgericht, sodass die Über_____________ 85) Zu Recht nimmt das LG Göttingen, Beschl. v. 7.3.2013 – 10 T 18/13, ZVI 2013, 159, die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts an für die Feststellung, ob ein Pkw als unpfändbarer Gegenstand . S. des § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO anzusehen ist. 86) So ist das Insolvenzgericht zuständig für die Frage, ob die Pfändbarkeit des Arbeitseinkommens des Schuldners nach § 850 Abs. 4 ZPO zu erweitern ist, BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 46/11, NZI 2011, 979; BGH, Beschl. v. 16.6.2011 – IX ZB 166/11, WuM 2011, 486 – zur Höhe des pfändungsfreien Einkommens des Schuldners nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850c ZPO. Dagegen ist das Prozessgericht zuständig, wenn um die Zugehörigkeit von Lohnbestandteilen aus einem ausländischen Arbeitsverhältnis gestritten wird, BGH, Beschl. v. 5.6.2012 – IX ZB 31/10, ZIP 2012, 1371. 87) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293. 88) BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 45/11, ZIP 2012, 95. 89) BGH, Beschl. v. 5.6.2012 – IX ZB 31/10, ZIP 2012, 1371. Für eine niedrigere Bewertung der Naturalleistung bei Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens aus Geld- und Naturalleistungen durch den Drittschuldner, ist ebenfalls das Prozessgericht zuständig, BGH, Beschl. v. 13.12.2012 – IX ZB 7/12, ZVI 2013, 64. 90) BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 45/11, ZIP 2012, 95; BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 189/08, ZIP 2010, 293. 91) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 34/06, ZIP 2008, 338. 92) BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – IX ZB 287/03, ZIP 2005, 1616; BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732, dazu EWiR 2004, 1231 (Lüke/Ellke); Keller in: HK-InsO, § 36 Rz. 103; Peters in: MünchKomm-InsO, § 36 Rz. 79; A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 36 Rz. 56; a. A. – je nach dem Stand des Verfahrens der Richter oder der Rechtspfleger, § 18 RPflG – Braun-Bäuerle, InsO, § 36 Rz. 28; Keller in: HK-InsO, § 36 Rz. 60. 93) BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – IX ZB 287/03, ZIP 2005, 1616; BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732. 94) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 38.
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Unpfändbare Gegenstände
prüfung einer bloßen Maßnahme zunächst durch den Richter des Insolvenzgerichts i. R. einer Erinnerung nach § 766 ZPO stattfindet, gegen eine Entscheidung (z. B. über einen Antrag oder über die Vollstreckungserinnerung) aber die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO gegeben ist.95) Diese Norm ist spezieller als § 6, nach dem gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur bei besonderer gesetzlicher Anordnung innerhalb der InsO der Rechtsmittelzug eröffnet ist.96) Gegen die Beschwerdeentscheidung ist die Rechtsbeschwerde eröffnet, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).97)
33
Das Insolvenzgericht wird i. R. seiner Zuständigkeit nur auf Antrag tätig.98) Die außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehende Antragsberechtigung des Gläubigers nach §§ 850 ff ZPO wird für das Insolvenzverfahren – auch das Eröffnungsverfahren – durch die des Insolvenzverwalters ersetzt (Abs. 4 Satz 2). Für die ihm günstigen Abänderungsmöglichkeiten bleibt der Schuldner antragsbefugt.99)
34
IV. Entsprechende Anwendung im Eröffnungsverfahren Nach Absatz 4 Satz 3 gelten Satz 1 und 2 schon im Eröffnungsverfahren. Die damit vorausgesetzte Anwendung der in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften kann in diesem Stadium nur Bedeutung für die Frage haben, ob und inwieweit das Arbeitseinkommen des Schuldners den Sicherungsmaßnahmen des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 21 unterworfen ist.100) Die Antragsbefugnis für die Gläubiger nach Absatz 4 Satz 2 ist dann vom vorläufigen Insolvenzverwalter wahrzunehmen.101)
35
Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach Absatz 4 Satz 1 besteht aber nicht nur während des Eröffnungs- und laufenden Insolvenzverfahrens, sondern ist auch nach Aufhebung gegeben, sodass es etwa über die jeweilige Festsetzung der Höhe der i. R. des Restschuldbefreiungsverfahrens vom Schuldner abgetretenen pfändbaren Dienstbezüge zu entscheiden hat (§ 292 Abs. 1 Satz 3).102)
36
_____________ 95) BGH, Beschl. v. 11.11.2010 – IX ZA 39/10, WuM 2011, 321; BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732; BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 220/04, KTS 2007, 353; BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 169/04, ZVI 2007, 78 f; BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340; Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 15; Lüke/Ellke, EWiR 2004, 1231, 1232; WimmerBornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 72; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 37. 96) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732; BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; i. E. zust., die teleologische Reduktion des § 6 aber nicht für erforderlich haltend, Lüke/Ellke, EWiR 2004, 1231, 1232; ebenso Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 15 m. N. 97) BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; Hintzen, EWiR, 2004, 1003, 1004; BGH, Beschl. v. 6.7.2006 – IX ZB 220/04, KTS 2007, 353; A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 36 Rz. 60. 98) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 41. 99) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 36 Rz. 40. 100) Jaeger-Henckel, InsO, § 36 Rz. 15; A. Schmidt-Lüdtke, InsO, § 36 Rz. 55. 101) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 36 Rz. 72. 102) Vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZR 202/06, ZVI 2008, 262, zugleich auch die Zuständigkeit für entsprechende Fragestellungen aus einem gerichtlich festgestellten Schuldenbereinigungsplan bejahend.
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301
§ 37
Gesamtgut bei Gütergemeinschaft
§ 37 Gesamtgut bei Gütergemeinschaft (1) 1Wird bei dem Güterstand der Gütergemeinschaft das Gesamtgut von einem Ehegatten allein verwaltet und über das Vermögen dieses Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, so gehört das Gesamtgut zur Insolvenzmasse. 2Eine Auseinandersetzung des Gesamtguts findet nicht statt. 3Durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des anderen Ehegatten wird das Gesamtgut nicht berührt. (2) Verwalten die Ehegatten das Gesamtgut gemeinschaftlich, so wird das Gesamtgut durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Ehegatten nicht berührt. (3) Absatz 1 ist bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle des Ehegatten, der das Gesamtgut allein verwaltet, der überlebende Ehegatte, an die Stelle des anderen Ehegatten die Abkömmlinge treten. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Alleinverwaltung eines Ehegatten (Abs. 1) .................................................. 2 III. Gemeinschaftliche Verwaltung (Abs. 2) .................................................. 6
I. 1
IV. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft (Abs. 3) ....................................... 7 V. Entsprechende Anwendung ............... 9
Normzweck
Leben Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) oder haben sie diese ausgeschlossen und Gütertrennung (§ 1414 BGB) vereinbart, bestehen weiterhin individuelle Vermögensmassen; das Vermögen des Mannes und das der Frau. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten erfasst also jeweils auch nur dessen eigenes Vermögen. Haben die Ehegatten hingegen durch Ehevertrag die Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff BGB) vereinbart, wird das Vermögen des Mannes und der Frau nach § 1416 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten, das Gesamtgut. Davon ausgenommen sind nur das Sondergut (§ 1417 BGB) und das Vorbehaltsgut (§ 1418 BGB), die weiterhin dem Vermögen nur eines Ehegatten zuzurechnen und dementsprechend auch im Falle der Insolvenz eindeutig zuzuordnen sind. § 37 beantwortet die Frage, ob und inwieweit bei der Insolvenz über das Vermögen eines Ehegatten das Gesamtgut zur Insolvenzmasse gehört, in Abhängigkeit davon, wem die Verwaltungsbefugnis für das Gesamtgut nach § 1421 BGB übertragen ist. II. Alleinverwaltung eines Ehegatten (Abs. 1)
2
Nach Absatz 1 erstreckt sich der Insolvenzbeschlag in dem Verfahren über das Vermögen des alleinverwaltenden Ehegatten nicht nur auf dessen Sonder- und Vorbehaltsgut, sondern auch auf das vollständige Gesamtgut. Es entsteht eine einheitliche Insolvenzmasse, aus der sowohl die Gesamtguts- als auch die individuellen Gläubiger anteilmäßig befriedigt werden.1) _____________ 1)
302
Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 37 Rz. 7.
Graf-Schlicker/Kexel
§ 37
Gesamtgut bei Gütergemeinschaft
Eine Auseinandersetzung des Gesamtguts findet nicht statt (Abs. 1 Satz 2); diese Anordnung ist allein dem bürgerlichen Recht für den Fall der Beendigung der Gütergemeinschaft vorbehalten.
3
In konsequent fortgeführter Anknüpfung an die Verwaltungsbefugnis bestimmt Absatz 1 Satz 3, dass das Gesamtgut von der Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten nicht berührt wird, also sein Anteil am Gesamtgut nicht zu seiner Insolvenzmasse gehört.2) In der Folge führt dies dazu, dass seine zum Gesamtgut gehörenden Gegenstände nach § 47 ausgesondert werden können.3) Dies gilt auch für den Fall, dass der nicht verwaltende Ehegatte ein Erwerbsgeschäft betreibt; die eindeutige Regelung in § 37 enthält keine Ausnahmebestimmung, die angesichts der nahezu unveränderten Übernahme der Vorgängerregelung in § 2 KO durch den Gesetzgeber4) auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt werden kann.5)
4
Für Gesamtgutansprüche der Gläubiger haftet aber weiter auch der verwaltende Ehegatte – und mit ihm das Gesamtgut – als Gesamtschuldner;6) die Gläubiger werden an einem Vorgehen gegen das Gesamtgut und den verwaltenden Ehegatten nicht durch das Vollstreckungsverbot des § 89 gehindert.7)
5
III. Gemeinschaftliche Verwaltung (Abs. 2) Auch bei gemeinschaftlicher Verwaltung wird das Gesamtgut von der Insolvenz über das Vermögen eines Ehegatten nicht berührt. Über die Vermögensmasse des Gesamtguts kann in diesem Fall aber ein Sonderinsolvenzverfahren gemäß § 333 durchgeführt werden. Dies ist solange möglich, wie noch keine Auseinandersetzung stattgefunden hat.8)
6
IV. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft (Abs. 3) Bei entsprechender Vereinbarung durch Ehevertrag nach § 1483 BGB wird die Gütergemeinschaft im Falle des Todes eines Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt. Schon nach den Regeln des bürgerlichen Rechts hat der überlebende Ehegatte in diesem Fall die rechtliche Stellung des alleinverwaltenden Ehegatten, die anteilsberechtigten Abkömmlinge diejenige des „anderen“ Ehegatten (§ 1487 Abs. 1 BGB). Nichts anderes bestimmt Absatz 3 in Ansehung der Regelungen über die Massezugehörigkeit des Gesamtguts nach Absatz 1, die daher entsprechend Anwendung finden.
7
Über das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist aber – auf Antrag des überlebenden Ehegatten oder eines Gesamtgutgläubigers, dessen Forderung schon zum Zeitpunkt des Eintritts der Fortsetzung bestand (§ 332 Abs. 1 i. V. m. § 317 _____________
8
2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
BGH, Beschl. v. 4.5.2006 – IX ZB 285/04, ZIP 2006, 1145; allg. M., vgl. etwa WimmerBornemann, FK-InsO, § 37 Rz. 6; Jaeger-Henckel, InsO, § 37 Rz. 21; Kübler/Prütting/ Bork-Holzer, InsO, § 37 Rz. 10. BGH, Beschl. v. 4.5.2006 – IX ZB 285/04, ZIP 2006, 1145. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 122 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 206. BGH, Beschl. v. 4.5.2006 – IX ZB 285/04, ZIP 2006, 1145. § 1437 BGB; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4.5.2006 – IX ZB 285/04, ZIP 2006, 1145. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 37 Rz. 12. Uhlenbruck-Knof, InsO, § 37 Rz. 17; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 37 Rz. 14.
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§ 38
Begriff der Insolvenzgläubiger
Abs. 1) – ein Insolvenzverfahren entsprechend den Regeln über die Nachlassinsolvenz möglich (§ 332). V. Entsprechende Anwendung 9
Über Art. 234 § 4a Abs. 2 Satz 1 EGBGB ist Absatz 2 entsprechend für den gesetzlichen Güterstand der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des Familiengesetzbuches der DDR anzuwenden, sofern sich die Eheleute nach Art. 234 § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB für dessen Fortgeltung entschieden haben.9)
10
Nach § 7 Satz 2 LPartG gelten die Vorschriften über die Gütergemeinschaft und damit auch § 37 entsprechend für die eingetragene Lebenspartnerschaft.10) _____________ 9) Eickmann in: HK-InsO, § 37 Rz. 1. 10) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 37 Rz. 11.
§ 38 Begriff der Insolvenzgläubiger Bremen
Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Kalkmann Literatur: Lüke, Umweltrecht und Insolvenz, in: Kölner Schrift für Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2000, S. 859; Häsemeyer, Die Altlasten – Ein Prüfstein für wechselseitige Abstimmungen zwischen dem Insolvenzrecht und dem Verwaltungsakt, in: Festschrift für Wilhelm Uhlenbruck, 2000, S. 97; Onusseit, Das Urteil des BFH vom 9.12.2010 – V R 22/10, DZWIR 2011, 353; Sämisch/Adam, Fiskalische Begehrlichkeiten: Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit?, ZInsO 2010, 934. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Vermögensanspruch, Haftungsmasse ...................................................... 4 III. Persönliche Forderung ...................... 14
I. 1
IV. Begründetheit zum Zeitpunkt der Eröffnung ............................................ 16 V. Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen ....................................... 21
Vorbemerkung
§ 38 weist der Insolvenzmasse die Funktion als Liquidationsvermögen zur gemeinschaftlichen (§ 1) Befriedigung der Gläubiger zu1) und definiert den Begriff des Insolvenzgläubigers, der alleine Befriedigung aus dem Schuldnervermögen suchen darf. Die Rechtsstellung als Insolvenzgläubiger ist materiell-rechtlicher Natur und hängt nicht von der Teilnahme am Insolvenzverfahren ab.2) § 38 wird durch §§ 39 – 46 ergänzt.
_____________ 1) 2)
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Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 38 Rz. 1; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 1. BGH, Beschl. v. 14.10.2004 – IX ZB 114/04, ZIP 2004, 2339 = ZVI 2004, 750, dazu EWiR 2005, 359 (Gundlach/Schirrmeister).
Bremen
§ 38
Begriff der Insolvenzgläubiger
In bewusster Abkehr von den früheren Konkursvorrechten gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz (par condicio creditorum)3): alle Insolvenzgläubiger werden im Verhältnis ihrer Forderungen an der Haftungsmasse gleichmäßig beteiligt. Ausnahmen sind die Forderungen mit Nachrang (§ 39), deren Inhaber nach der gesetzlichen Definition gleichwohl auch Insolvenzgläubiger sind.
2
Von der Rechtsstellung der Insolvenzgläubiger ist abzugrenzen die der Sonderrechtsgläubiger mit einem Anspruch auf vorzugsweiser Befriedigung aus einem bestimmten Haftungsgegenstand (siehe unten Rz. 14 f), die der Massegläubiger, die gemäß § 53 grundsätzlich vorweg aus der Masse zu befriedigen sind, und die der Neugläubiger (soweit diese keine Massegläubiger sind), die keine Befriedigung aus der Insolvenzmasse erlangen dürfen.
3
II. Vermögensanspruch, Haftungsmasse § 38 knüpft für die Insolvenzgläubigereigenschaft an das Bestehen eines Vermögensanspruchs gegen den Schuldner an in Abgrenzung zur dinglichen Haftung, die die Belastung eines Gegenstandes mit einem besonderen Haftungsrecht beschreibt. Nur der persönliche Gläubiger hat einen Anspruch auf Zahlung von Geld oder einen Anspruch, der in einen solchen Zahlungsanspruch umwandelbar ist (§ 45), aus dem Vermögen des Schuldners und ist wegen der haftungsrechtlichen Zuweisung der Liquidationsmasse mit diesen Ansprüchen Insolvenzgläubiger. Seine Stellung ist insoweit nicht nur verfahrens-, sondern materiell-rechtlicher Natur mit der Folge, dass der Gläubiger den gesetzlichen Beschränkungen z. B. der §§ 87 – 89, 55 Abs. 1, 96 unterliegt und es ihm freisteht, sich dieser durch Verzicht auf seine Teilnahme am Verfahren und damit auf Befriedigung aus der Liquidationsmasse zu entledigen.
4
Der Rechtsgrund des vermögensrechtlichen Anspruchs ist unerheblich;4) denkbar sind schuld-, familien- oder auch öffentlich-rechtliche Ansprüche.
5
Der vermögensrechtliche Anspruch muss zumindest bestehen; wegen erloschener oder Forderungen, die rechtskräftig aberkannt wurden, ist der Gläubiger kein Insolvenzgläubiger nach § 38 mehr.5) Gleiches gilt für Forderungen, für die dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wurde, obwohl diese materiell-rechtlich nicht das Erlöschen der Forderung bewirkt:6) insoweit haftet der Schuldner seinem Gläubiger mit seinem Vermögen nicht mehr. Unvollkommene Forderungen (z. B. aus Spiel und Wette, § 762 BGB) begründen „kein Forderungsrecht, sondern haben die Funktion eines Rechtsgrundes für die empfangene Leistung“;7) sie sind daher keine Insolvenzforderungen.
6
_____________ 3)
4) 5) 6) 7)
§ 55 Abs. 4 (zum 1.1.2011 eingeführt durch das Haushaltsbegleitgesetz 2012) ist insoweit systemwidrig, als Steuerforderungen aus dem vorläufigen Insolvenzverfahren unter bestimmten Voraussetzungen als Masseverbindlichkeiten gelten. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 38 Rz. 8; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 5. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 17 m. w. N.; a. A. Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rz. 16 f. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 38 Rz. 22. Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rz. 13.
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§ 38
Begriff der Insolvenzgläubiger
7
Ist eine Forderung dagegen einredebehaftet, ist dies für ihre Qualifikation als Insolvenzforderung unbeachtlich;8) die Einrede berührt die Forderung nicht in ihrem Bestand. Der Verwalter wird die Einrede im Wege des Bestreitens nach §§ 176 Satz 2, 178 Abs. 1 geltend machen.
8
Nicht zu den Insolvenzforderungen gehören gegen die Person des Schuldners gerichtete Ansprüche wie solche auf Vornahme unvertretbarer Handlungen, die nur durch den Schuldner persönlich bewirkt und deshalb nicht aus seinem Vermögen beigetrieben werden können (z. B. Auskunftserteilung, Abgabe persönlicher Erklärungen, Erbringung ärztlicher oder künstlerischer Leistungen).
9
Ist jedoch der Auskunftsanspruch Nebenpflicht eines gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnisses, aus dem das den Insolvenzgläubigern zugewiesene Liquidationsvermögen als Masse- oder als Insolvenzforderung haftet, trifft die Auskunftspflicht den Insolvenzverwalter.9) Im Übrigen bleibt der Schuldner in Person verpflichtet.
10
Auch die Durchsetzung zivil- oder öffentlich-rechtlicher Unterlassungsansprüche hängt ausschließlich vom Verhalten des Schuldners persönlich ab. Die den Insolvenzgläubigern zugewiesene Haftungsmasse haftet hierfür nicht. Der Unterlassungsanspruch selbst ist daher kein vermögensrechtliche Anspruch,10) wohl aber die aus seiner Verletzung ggf. resultierenden Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz, Vertragsstrafe oder Kosten einer Ersatzvornahme bei Unterlassen der Störungsbeseitigung, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind.
11
Keine Insolvenzforderungen sind höchstpersönliche und familienrechtliche Ansprüche z. B. das Namensrecht, der Anspruch auf Ehescheidung oder auf Aufhebung oder Nichtigkeitserklärung der Ehe, das Umgangsrecht, der Anspruch auf Vaterschaftsanerkennung, der Anspruch auf Zustimmung des anderen Ehegatten zur steuerlichen Zusammenveranlagung,11) und erbrechtliche Ansprüche aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen (§§ 1939 ff, 2147 ff, 2192 ff, 2303 ff BGB) usw.12) Vermögensrechtlicher Art sind aber Unterhaltsansprüche aus famlienrechtlichen Verhältnissen und Schadensersatzansprüche aus der Verletzung der Intimsphäre.
12
Mitgliedschaftsrechte von Gesellschaftern in der Insolvenz der Gesellschaft gehören ebenfalls nicht zu den Insolvenzforderungen. Der Anspruch eines stillen Gesellschafters auf Rückgewähr seiner Einlage stellt eine Insolvenzforderung dar, soweit diese den vertragsmäßigen Verlustanteil übersteigt oder der stille Gesellschafter am Verlust überhaupt nicht beteiligt ist (dann darf er aber nicht gleichzeitig als _____________ 8) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 18, Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rz. 13, 14. 9) BGH, Urt. v. 2.6.2005 – IX ZR 221/03, ZIP 2005, 1325 = ZVI 2005, 429, dazu EWiR 2006, 147 (Schröder). 10) KG, Beschl. v. 17.12.1999 – 5 W 5591/99, NZI 2000, 228; OLG Stuttgart, Urt. v. 2.5.2002 – 2 U 203/01, NZI 2002, 489, dazu EWiR 2003, 127 (Gundlach/Frenzel); Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 38 Rz. 38. 11) BGH, Urt. v. 18.5.2011 – XII ZR 67/09, ZIP 2011, 1527 = NZI 2011, 647. 12) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 11.
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§ 38
Begriff der Insolvenzgläubiger
Kommanditist beteiligt und seine stille Einlage nicht als Eigenkapital zu qualifizieren sein).13) Gestaltungsrechte wie z. B. das Recht zum Rücktritt vom Vertrag (§ 346 BGB), zur Wandlung (§§ 437, 634 BGB) usw. ermöglichen die Herbeiführung einer Rechtsänderung und verschaffen keinen Anspruch; sie sind daher keine Insolvenzforderungen.
13
III. Persönliche Forderung § 38 setzt für das Vorliegen einer Insolvenzforderung des Weiteren voraus, dass es sich um eine persönliche Forderung handelt, für deren Erfüllung der Schuldner mit seinem Gesamtvermögen haften muss. Der Gegensatz zu der persönlichen Forderung sind die dinglichen Ansprüche, die dem Gläubiger das Recht zur Befriedigung aus einem bestimmten Gegenstand des Schuldnervermögens einräumen.14) Diese Sonderbefriedigung findet außerhalb des Insolvenzverfahrens statt und führt dazu, dass der betreffende Gegenstand der gemeinschaftlichen Befriedigung entzogen ist. Dingliche Ansprüche berechtigen zur Aussonderung (§ 47), wenn der Gläubiger aufgrund seines Anspruchs geltend machen kann, dass der Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, oder zur abgesonderten Befriedigung (§§ 49, 50), wenn der Gegenstand dem Gläubiger als besonderes Haftungsobjekt, z. B. aufgrund eines Pfandrechts, zugewiesen ist.
14
Die zur abgesonderten Befriedigung berechtigten Gläubiger können gleichwohl auch Insolvenzgläubiger sein, nämlich dann, wenn der Schuldner ihnen gleichzeitig auch persönlich haftet. In diesem Fall sind die absonderungsberechtigen Gläubiger zur Befriedigung aus der Insolvenzmasse berechtigt, soweit die Realisierung der Sonderhaftung nicht zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderung führt (§ 52).
15
IV. Begründetheit zum Zeitpunkt der Eröffnung § 38 setzt schließlich voraus, dass der Vermögensanspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung bereits begründet war; der Rechtsgrund der Entstehung der Forderung muss zu diesem Zeitpunkt bereits gelegt, also der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein.15) Das Schuldverhältnis, aus dem der Gläubiger seinen Anspruch geltend macht, muss daher vor Verfahrenseröffnung bestanden haben. Ob die daraus resultierende Forderung bei Insolvenzeröffnung fällig ist, schon als aufschiebend bedingte Forderung existiert16) oder erst nach Verfahrenseröffnung durch Erbringung der geschuldeten Leistung seitens des Gläubigers entsteht,17) ist für ihre Einordnung als Insolvenzforderung nicht relevant. _____________ 13) BGH, Urt. v. 21.3.1983 – II ZR 139/82, ZIP 1983, 561 = NJW 1983, 1855; BGH, Urt. v. 9.2.1981 – II ZR 38/80, ZIP 1981, 734. 14) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 38 Rz. 9. 15) BGH, Urt. v. 6.11.1978 – VIII ZR 179/77, BGHZ 72, 263; BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – IX ZB 121/12, NZI 2011, 953. 16) BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 100/06, JurionRS 2010, 14865. 17) BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – IX ZB 195/03, ZVI 2005, 364 = NZI 2005, 403; BGH, Beschl. v. 7.4.2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537.
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Begriff der Insolvenzgläubiger
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Auch betagte, aufschiebend bedingte oder aufschiebend befristete Forderungen, die selbst erst nach der Eröffnung entstehen, sind Insolvenzforderungen i. S. des § 38, wenn das forderungsbegründende Rechtsgeschäft bei Insolvenzeröffnung bereits abgeschlossen war; war dieses dagegen nur in Aussicht genommen, kann der künftig daraus entstehende Anspruch keine Insolvenzforderung sein.18)
18
Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Zahlung von Wohngeldvorschüssen, die vor der Eröffnung begründet und fällig waren, bleiben Insolvenzforderungen selbst dann, wenn über die Jahresabrechnung erst nach Eröffnung beschlossen wird.19) Lediglich die nach Eröffnung fällig werdenden Vorauszahlungen und die sog. Abrechnungsspitze, die durch die Vorschüsse nicht gedeckt ist, sind Masseverbindlichkeiten.20) Eine nach Insolvenzeröffnung beschlossene Sonderumlage wird dagegen erst durch den Beschluss der Eigentümerversammlung erstmalig begründet und ist daher Masseverbindlichkeit, selbst wenn die Notwendigkeit der Sonderumlage aufgrund der Zahlungsausfälle des Insolvenzschuldners erforderlich wurde.21)
19
Ob öffentlich-rechtliche Ansprüche auf Erstattung der Kosten einer Ersatzvornahme Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeit sind, hängt davon ab, ob den Insolvenzverwalter die Ordnungspflicht für die Störung trifft, die von einem Massegegenstand ausgeht. Während unter der insolvenzrechtlichen Verursachersicht konsequenterweise auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Gefahrentatbestandes abgestellt werden müsste,22) trifft den Insolvenzverwalter nach der maßgeblichen verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung eine Ordnungspflicht aufgrund seiner Eigenschaft als Zustandsstörer, wenn er die tatsächliche Sachherrschaft über den Gegenstand ausübt, von dem die Gefährdung ausgeht. In diesem Falle sollen die Kosten der Ersatzvornahme Masseverbindlichkeiten sein, selbst wenn der Gefahrentatbestand vor Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.23)
20
Wegen der Abgrenzung von Steuerforderungen als Insolvenz- oder Masseforderungen wird auf die Kommentierung zu § 55 Rz. 18 ff verwiesen.
_____________ 18) Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO § 38 Rz. 12, ausführlich Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 33, 35. 19) OLG Stuttgart, Urt. v. 18.9.2002 – 3 U 89/02, ZIP 2002, 1955 = ZInsO 2001, 1089, dazu EWiR 2002, 1051 (H.-G. Huber); AG Berlin-Neukölln, Urt. v. 23.5.2005 – 70 II 222/04 WEG, ZMR 2005, 659 = JurionRS 2005, 35347; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 61. 20) BGH, Urt. v. 10.3.1994 – IX ZR 98/93, ZIP 1994, 720 = NJW 1994, 1866, dazu EWiR 1994, 473 (Grub). 21) AG Moers, Beschl. v. 15.8.2006 – 63 II 13/06 WEG, ZInsO 2007, 722 = NZI 2007, 118. 22) Lüke in: Kölner Schrift, S. 875 f; Häsemeyer in: FS Uhlenbruck, S. 97, 101 f u. 108 ff; zust. wohl auch BGH, Urt. v. 18.4.2002 – IX ZR 161/01, BGHZ 150, 305 = ZIP 2002, 1043, dazu EWiR 2002, 573 (Tetzlaff). 23) BVerwG, Urt. v. 10.2.1999 – 11 C 9.97, ZIP 1999, 538, dazu EWiR 2000, 629 (Lüke/ Blenske); BVerwG, Urt. v. 22.7.2004 – 7 C 17.03, ZIP 2004, 1766 m. Anm. Pape; BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 = ZfIR 2005, 27, dazu EWiR 2005, 439 (Kreft); VG Frankfurt/O., Urt. v. 6.3.2007 – 7 K 2193/02, JurionRS 2007, 50450.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
V. Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen Resultieren die Ansprüche aus einem vor der Eröffnung entstandenen einheitlichen „Stammrecht“, z. B. Rentenansprüche aus einem Vertrag oder aus einer betrieblichen Altersversorgung, so waren die nach Eröffnung erst fällig werdenden Ansprüche bereits vor Eröffnung begründet i. S. von § 38 und sind somit Insolvenzforderungen.24) Gleiches gilt für Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung eines Vertrags oder Ansprüche, die bereits als Teil eines Rechtsverhältnisses durch den Vertragsschluss vor Insolvenzeröffnung begründet wurden, wie z. B. der Räumungsanspruch aus einem Mietverhältnis oder ein Schadensersatzanspruch wegen nicht ordnungsgemäßer Rückgabe der Mietsache, es sei denn, der Insolvenzverwalter hat den nicht vertragsgemäßen Zustand der Mietsache aufgrund eigenen Handelns zu vertreten.25)
21
Bei teilbaren Leistungen, z. B. aus Sukzessivlieferungsverträgen, entstehen die Einzelansprüche, für die eine Gegenleistung in Anspruch genommen wird, immer neu; daher sind nur die Ansprüche Insolvenzforderungen, für die die Gegenleistungen vor der Eröffnung erbracht wurden. Ansprüche für Leistungen, die nach der Eröffnung erbracht wurden, sind entweder Masseforderung, wenn die Masse von der Leistung profitiert hat (vgl. § 55 Abs. 2, §§ 103, 105 und 108), oder Neuverbindlichkeiten (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2). _____________
22
24) Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 58; Jaeger-Henckel, InsO, § 38 Rz. 158. 25) BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469 = ZInsO 2001, 751, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst).
§ 39 Nachrangige Insolvenzgläubiger (1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: Kalkmann/Neußner 1.
die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;
2.
die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;
3.
Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
4.
Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;
5.
nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
(2) Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt. (3) Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger. (4) 1Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. 2Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 4 Satz 1, der mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist. Literatur: Altmeppen, Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen in der Praxis, NJW 2008, 3601; Bitter, Teufelskreis – Ist das Sanierungsprivileg des § 29 Abs. 4 Satz 2 InsO zu sanieren? ZIP 2013, 398; Bitter, Die Nutzungsüberlassung in der Insolvenz nach dem MoMiG (§ 135 Abs. 3 InsO) – Dogmatische Grundlagen und Einzelfragen der Praxis, ZIP 2010, 1; Bork, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts zugunsten des Insolvenzrechts?, ZGR 2007, 250; Budde, Die doppelnützige Treuhand in der Restrukturierungspraxis, ZInsO 2011, 1369; Cranshaw, Konkurrenzen zwischen Gesellschafts-, Insolvenzund Gemeinschaftsrecht bei der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DZWIR 2008, 89; Ganter, Rechtliche Risiken der Mezzanine-Finanzierung, WM 2011, 1585; Gehrlein, Anfechtung versus Sanierung – Anfechtungsgefahren für Sanierungszahlungen, WM 2011, 577; Gehrlein, Das Eigenkapitalersatzrecht im Wandel seiner gesetzlichen Kodifikationen, BB 2011, 3;Gehrlein, Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG, BB 2008, 846; Goette/ Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009; Gutmann/Nawroth, Der zeitliche Anwendungsbereich des MoMiG aus insolvenzrechtlicher Sicht – oder das Ende von Ansprüchen aus Eigenkapitalersatzrecht?, ZInsO 2009, 174; Haas, Fragen zur „kapitalersetzenden“ Nutzungsüberlassung nach neuem Recht, in: Festschrift für Hans Gerhard Ganter, 2010, S. 189; Haas, Das neue Kapitalersatzrecht nach dem RegE-MoMiG, ZInsO 2007, 617; Habersack, Die Erstreckung des Rechts der Gesellschafterdarlehen auf Dritte, insbesondere im Unternehmensverbund, Überlegungen im Anschluss an BGH ZIP 2008, 1230 und OLG Brandenburg ZIP 2006, 184, ZIP 2008, 2385; Habersack, Gesellschafterdarlehen nach MoMiG: Anwendungsbereich, Tatbestand und Rechtsfolgen der Neuregelung, ZIP 2007, 2145; Hamann, Aufsteigende Darlehen im Cash Pool im System des § 135 InsO, NZI 2008, 667; Henkel, Die Insolvenzanfechtung fristgemäß gezahlter Nutzungsentgelte nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, ZInsO 2010, 2209; Hirte, Das „neue“ Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, WM 2009, 1961; Hirte, Die Neuregelung des Rechts der (früher: kapitalersetzenden) Gesellschafterdarlehen durch das „Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“ (MoMiG), WM 2008, 1429; Hölzle, Die Legitimation des Gesellschaftersonderopfers in der insolvenzrechtlichen Finanzierungsverstrickung, Zur Vermeidung von missbräuchlichen Finanzierungspraktiken im MoMiG, ZIP 2010, 913; Hölzle, Gibt es noch eine Finanzierungsfolgenverantwortung im MoMiG? Dogmatische Grundlagen
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
und rechtspraktische Folgen für eine gesellschafterfinanzierte Nutzungsüberlassung auf Grundlage eines behavioural law and economics approach, ZIP 2009, 1939; Huber, Gesellschafterdarlehen im GmbH- und Insolvenzrecht nach der MoMiG-Reform, in: Liber amicorum für Martin Winter, 2011, S. 261; Huber, Finanzierungsfolgenverantwortung de lege lata und de lege ferenda in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 259; Huber/Habersack, GmbH-Reform: Zwölf Thesen zu einer möglichen Reform des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, BB 2006, 1; Klinck/Gärtner, Versetzt das MoMiG dem Cash-Pooling den Todesstoß?, NZI 2008, 457; Knof/Hirte, Das „neue“ Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, WM 2009, 1961; Marotzke, Gesellschaftsinterne Nutzungsverhältnisse nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, ZInsO 2008, 1281; Obermüller/Kuder, Gelöste und ungelöste Probleme des Kapitalersatzrechts nach dem MoMiG, in: Festschrift für Klaus Hubert Görg, 2010, S. 335; Petershagen, Erzwingungshaft und Ersatzfreiheitsstrafe trotz. Zwangsvollstreckungsverbot im Insolvenzverfahren?, ZInsO 2007, 703; Rühle, Die Nutzungsüberlassung durch Gesellschafter in Zeiten des MoMiG, ZIP 2009, 1358; Schall, Deutscher Gläubigerschutz und Europarecht, NJW 2011, 3745; K. Schmidt, Gesellschafterdarlehen im GmbH- und Insolvenzrecht: Was hat sich geändert, in: Liber amicorum für Martin Winter, 2011, S. 601; K. Schmidt, Nutzungsüberlassung nach der GmbH-Reform, DB 2008, 1727; Thole, Konzernfinanzierung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht, ZInsO 2011, 1425; Wittig, Das Sanierungsprivileg für Gesellschafterdarlehen im neuen § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1743. Übersicht I. II. III. 1. 2. 3.
4. 5.
I.
Vorbemerkung ..................................... 1 Rangfolge .............................................. 6 Nachrangige Forderungen ................. 7 Zinsen (Abs. 1 Nr. 1) ............................ 7 Kosten der Verfahrensteilnahme (Abs. 1 Nr. 2) ...................................... 10 Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder und Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit (Abs. 1 Nr. 3) ...................................... 11 Unentgeltliche Leistungen (Abs. 1 Nr. 4) ...................................... 13 Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen (Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5) ..................... 14 a) Neuregelung ................................. 14 b) Zeitlicher Anwendungsbereich ..... 17 c) Insolvenzrechtlicher Anwendungsbereich (Abs. 4 Satz 1) ...... 19 d) Persönlicher Anwendungsbereich .......................................... 22
6.
aa) Gesellschafter ............................... 22 bb) Erweiterter persönlicher Anwendungsbereich ................... 25 cc) Sanierungsprivileg (Abs. 4 Satz 2) .............................. 28 dd) Kleinbeteiligtenprivileg (Abs. 5) ......................................... 35 ee) Vorrang europarechtlichen Beihilferechts ................................ 37 e) Sachlicher Anwendungsbereich ........................................... 38 aa) Darlehensforderungen ................. 38 bb) Erweiterter sachlicher Anwendungsbereich .......................... 40 cc) Sonderregelungen ......................... 43 dd) Doppelinsolvenz .......................... 45 f) Streitiger Nachrang ...................... 46 Forderungen, für die der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart wurde (Abs. 2) ..................................... 47 Bremen
Vorbemerkung
§ 38 definiert den Begriff des Insolvenzgläubigers materiell-rechtlich und ordnet die Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger an. § 39 schränkt diese Grundsätze ein. Die in § 39 aufgeführten Forderungen sind nach der Definition Insolvenzforderungen; durch § 39 wird ihnen ein Nachrang gegenüber den sonstigen Insolvenzgläubigern zugewiesen und die Befriedigungsreihenfolge unter diesen nachrangingen Forderungen geordnet. Bremen
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1
§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
2
Die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse (§ 35) ist wesentlicher Grund für die Einführung des § 39. Die Gläubiger des § 39 können nicht mehr wie noch zu Zeiten der KO in insolvenzfreies Vermögen nach Verfahrenseröffnung vollstrecken; daher „musste nach einem Weg gesucht werden, ihnen durch Einstellung der Forderungen in den Kreis der Insolvenzforderungen zumindest eine theoretische Befriedigungsmöglichkeit zu gewähren.“1)
3
In seltenen Fällen einer Vollbefriedigung aller übrigen Gläubiger nach § 38 ist folgerichtig kein Überschuss an den Schuldner herauszugeben, solange nicht die in § 39 aufgeführten Forderungen ebenfalls getilgt sind. Damit die Einbeziehung der nachrangigen Gläubiger nicht zu unnötigen Verzögerungen in der Mehrzahl aller Verfahren führt, in denen diese sowieso keine Befriedigung erwarten können, sind die nachrangigen Gläubiger nur zur Anmeldung ihrer Forderungen berechtigt, wenn sie gemäß § 174 Abs. 3 vom Insolvenzgericht zur Anmeldung aufgefordert wurden.2)
4
Die Einbeziehung der nachrangigen Insolvenzgläubiger ermöglicht es zum anderen, im Insolvenzverfahren selbst die vollständige Liquidation schuldnerischer Unternehmen durchzuführen, ohne dass es noch einer anschließenden gesellschaftsrechtlichen Liquidation bedarf. Auch eine Sanierung des Schuldners durch Insolvenzplan (§§ 222 Abs. 1 Nr. 3, 225) kann durch die Einbeziehung der nachrangigen Insolvenzgläubiger als Verfahrensbeteiligte umfassend ausgestaltet werden.
5
Die nachrangigen Gläubiger unterliegen als Insolvenzgläubiger den gleichen Beschränkungen, die auch für die Insolvenzgläubiger des § 38 gelten, insbesondere dem Vollstreckungsverbot des § 89 oder den Anfechtungsregelungen der §§ 129 ff, ohne dass dies ausdrücklicher Regelungen bedarf. Als Insolvenzgläubiger steht den nachrangigen Gläubiger aber auch das Antragsrecht zu, auch wenn sie keinerlei Quotenaussicht haben.3) II. Rangfolge
6
Die Befriedigungsreihenfolge der nachrangigen Insolvenzforderungen in § 39 ist zwingend und nicht durch gerichtliche Entscheidungen veränderbar oder unter Heranziehung der alten Rechtsprechung zu den sog. Zwischenrangklassen einer ergänzenden Auslegung zugänglich.4) Dem steht, wie Absatz 2 der Vorschrift zeigt, eine rechtsgeschäftliche Nachrangvereinbarung nicht entgegen. Ohne eine solche gilt allerdings: Erst wenn die Forderungen einer Rangklasse vollständig getilgt sind, dürfen Verteilungen auf Forderungen der nächsten Rangklasse vorgenommen werden. Können Forderungen einer Rangklasse nicht vollständig befriedigt werden, haben die Forderungen dieser Rangklasse untereinander Gleichrang.
_____________ 1) 2) 3) 4)
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Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 3. Begr. z. § 46 RegE/§ 39 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 123, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 208. OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.2012 – 12 AktG 778/12, ZIP 2012, 2052, dazu EWiR 2013, 55 (Göz/Hoffmann). BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – BvR 485, 486/80, NJW 1984, 475.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
III. Nachrangige Forderungen 1.
Zinsen (Abs. 1 Nr. 1)
An erster Rangstelle nach den Forderungen des § 38 sind deren Zinsen ab der Eröffnung des Verfahrens zu berichtigen. Zinsen zu Hauptforderungen, die selbst gemäß Absatz 1 Nr. 3 – 5 und Absatz 2 nachrangig sind, gehören nicht dazu; sie teilen vielmehr gemäß Absatz 3 den Rang ihrer nachrangigen Hauptforderung.
7
Zu den gemäß Absatz 1 Nr. 1 zu berücksichtigenden Zinsen gehören alle vertraglichen oder gesetzlichen (§ 288 BGB, § 352 HGB) Zinsen aus dem der Hauptforderung zugrunde liegenden Schuldverhältnis, ferner die nach § 41 Abs. 2 Satz 2 abgezinsten Zinsen unverzinslicher Forderungen, nicht jedoch (i) Zinsen für Forderungen absonderungsberechtiger Gläubiger, soweit sich deren Rechte – wie regelmäßig – auch auf die laufenden Zinsen beziehen,5) und (ii) Vorfälligkeitsentschädigungen für entgangene Zinszahlungen, da es sich hierbei nicht um einen Zins-, sondern vielmehr um einen Schadensersatzanspruch handelt.6)
8
Die nach Verfahrenseröffnung anfallenden Säumniszuschläge der Finanzämter und der Sozialversicherungsträger fallen ebenfalls unter Absatz 1 Nr. 1, da die Funktion von Säumniszuschlägen und Verzugszinsen im Wesentlichen übereinstimmt.7) Dies ist durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens8) klargestellt. Verspätungszuschläge sind nach wie vor als Insolvenzforderungen anzusehen (s. Rz. 12).9)
9
2.
Kosten der Verfahrensteilnahme (Abs. 1 Nr. 2)Kalkmann
Die zweite Nachrangstelle nehmen die Kosten ein, die den Insolvenzgläubigern des § 38 durch die Teilnahme am (Antrags-)Verfahren10) entstehen. Nachrangig sind auch die Kosten, die dem absonderungsberechtigten Gläubiger während des Verfahrens zur Durchsetzung seiner Absonderungsrechte entstehen.11) Genau wie bei den Zinsen gilt, dass die Kosten der Verfahrensteilnahme, die nachrangigen Gläubigern des Absatzes 1 Nr. 3 – 5 und Absatz 2 entstehen, den Rang der Hauptforderung teilen (Abs. 3).
_____________ 5) BGH, Urt. v. 5.12.1996 – IX ZR 53/96, ZIP 1997, 120 = Rpfleger 1997, 228, dazu EWiR 1997, 227 (Henckel); BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 83/10, ZIP 2011, 579 = WM 2011, 561, dazu EWiR 2011, 321 (Flitsch). 6) BGH, Urt. v. 1.7.1997 – XI ZR 197/96, ZIP 1997, 1646, dazu EWiR 1997, 923 (Metz); BGH, Urt. v. 1.7.1997 – XI ZR 267/96, ZIP 1997, 1641 = ZfIR 1997, 596, dazu EWiR 1997, 921 (Medicus). 7) RegE Vereinfachung, BR-Drucks. 549/06, S. 4; BSG, Urt. v. 18.12.2003 – B 11 AL 37/03 R, ZIP 2004, 521 = ZInsO 2004, 350; BSG, Urt. v. 26.1.2005 – B 12 KR 23/03 R, SozR 4-0000; sowie BMF-Schreiben v. 17.12.1998 – IV A 4 – S 0550–28/98, BStBl. I 1998, 1500, unter 4.4. 8) Gesetz v. 13.4.2007, BGBl. I, 509. 9) Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 18. 10) Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 14. 11) Jäger-Henckel, InsO, § 39 Rz. 18.
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10
§ 39 3.
Nachrangige Insolvenzgläubiger
Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder und Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit (Abs. 1 Nr. 3)
11
An der dritten Nachrangstelle zu befriedigen sind Geldstrafen und ähnliche Forderungen, nämlich sämtliche dem Schuldner aufgrund von Rechtsverstößen auferlegte Geldleistungen wie Geldstrafen (§§ 40, 41, 43a StGB)12) und Geldbußen (§ 17 OWiG), aber auch Geldauflagen zur Einstellung eines Strafverfahrens (§ 153a StPO),13) der Verfall oder die Einziehung des Wertersatzes (§§ 73 ff StGB, § 25 OWiG)14) oder Bewährungsauflagen (§ 56b StGB). Hierzu gehören ebenso Ordnungsgelder (z. B. §§ 141 Abs. 3, 380, 390, 409 ZPO, §§ 15, 392 FamFG, § 37 HGB, §§ 456, 178 GVG, §§ 28, 46 Abs. 2, 51 Abs. 1 ArbGG) und Zwangsgelder (z. B. §§ 888, 890 ZPO, § 35 FamFG). Die Aufzählung ist nicht abschließend; Absatz 1 Nr. 3 muss vielmehr dahingehend ausgelegt werden, dass grundsätzlich sämtliche Forderungen mit Sanktionscharakter erfasst sein sollen.15)
12
Steuerliche Verspätungszuschläge gemäß § 152 AO (zu unterscheiden von den Säumniszuschlägen des § 240 AO, vgl. Rz. 9) sind zwar Sanktion für die Nichtabgabe einer Steuererklärung, werden aber nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht von Absatz 1 Nr. 3 erfasst, da sie ein Druckmittel eigener Art darstellen, das den Zwangsgeldern nicht gleichgesetzt werden kann und sich daher der Einreihung in den als abschließend zu betrachtenden Katalog des Absatzes 1 Nr. 3 entzieht. Vor der Verfahrenseröffnung entstandene Verspätungszuschläge unterfallen daher nicht § 39, sondern vielmehr § 38.16) 4.
13
Unentgeltliche Leistungen (Abs. 1 Nr. 4)
Ansprüche auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners nehmen die vierte Nachrangstelle ein; solche liegen immer dann vor, wenn der vom Schuldner zu erbringenden Leistung bei objektiver Betrachtungsweise keine Gegenleistung des Gläubigers gegenübersteht, z. B. bei einer Schenkung (§§ 516, 2301 BGB) oder einer Gewinnzusage (§ 661a BGB),17) und dies von den Beteiligten des Rechtsgeschäfts auch so gewollt ist. Nach h. M. muss Unentgeltlichkeit i. S. des Absatzes 1 Nr. 4 auch dann angenommen werden, wenn der Leistung des Schuldners keine zumindest annähernd adäquate Gegenleistung gegenübersteht.18) Auch die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses oder eine Wechselbegebung durch den Schuldner zur Verschleierung der Unentgeltlichkeit kann die Nachrangigkeit einer solchen Forderung nicht beseitigen. Ist eine nach diesen Grundsätzen unentgeltliche _____________ 12) 13) 14) 15)
BGH, Urt. v. 14.10.2010 – IX ZR 16/10, ZIP 2010, 2358. BGH, Urt. v. 5.6.2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 = ZVI 2008, 533. BGH, Urt. v. 11.5.2010 – IX ZR 138/09, ZIP 2010, 1250 = ZInsO 2010, 1183. Inwieweit die Einordnung der Geldstrafen und Ordnungsgelder als Insolvenzforderungen und das damit verbundene Vollstreckungsverbot des § 89 die Anordnung von Erzwingungshaft (§ 96 OWiG) oder Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB) hindert, ist umstritten; ausführl. dazu Petershagen, ZInsO 2007, 703. 16) BFH, Beschl. v. 19.1.2005 – VII B 286/04, ZIP 2005, 1035 = ZVI 2005, 375. 17) BGH, Urt. v. 23.10.2008 – IX ZR 111/07, ZIP 2009, 37 = ZInsO 2009, 32; BGH, Urt. v. 13.3.2008 – IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975 = ZInsO 2008, 505, m. Anm. Kriegel. 18) Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 39 Rz. 28 f m. w. N.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
Leistung bei Verfahrenseröffnung erbracht, ist der Anwendungsbereich von §§ 129, 134, 143 eröffnet. Neußner
5.
Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen (Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5)
a) Neuregelung Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wurde das Recht der Gesellschafterdarlehen neu geregelt.19) Aufgegeben wurde durch das „Nichtanwendungsgesetz“ des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG das an das gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltungsgebot anknüpfende Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG a. F. analog).20) Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen sind nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG nicht mehr wie Stammkapital zu behandeln.21) Aufgehoben wurden auch die sog. Novellenregeln der §§ 32a, 32b GmbHG a. F. und ihr Regelungsgehalt in das beibehaltene und ausgebaute, nunmehr rein insolvenzrechtlich platzierte Sonderrecht für Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Forderungen, §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 und 5, 44a, 135 und 143 Abs. 3, verlagert.22)
14
Das neue Sonderrecht unterscheidet nicht mehr zwischen „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Gesellschafterdarlehen;23) in Absatz 1 Nr. 5 wurde daher das Merkmal „kapitalersetzend“ gestrichen. Jede Gesellschafterkreditforderung ist bei Eintritt der Insolvenz nachrangig. Auf ein Gewähren oder Stehenlassen des Darlehens in der „Krise“ der Gesellschaft und eine hieraus abzuleitende „Finanzierungsfolgenverantwortung“ des Gesellschafters kommt es nicht mehr an.24)
15
Die Nachranganordnung schützt i. V. m. den sie flankierenden Anfechtungstatbeständen des § 135 die Insolvenzgläubiger. Sie verhindert, dass Gesellschafterkreditforderungen im Falle des Zusammenbruchs des Unternehmens vor- oder gleichrangig mit den außenstehenden Gläubigern aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Umstritten und für Fragen der Fortgeltung der Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nicht ohne Bedeutung ist, ob das neue Sonderrecht lediglich als vereinfachtes, weil pauschaliertes Eigenkapitalersatzrecht zu verstehen ist25) oder ob ihm tatsächlich ein neuer Begründungsansatz zugrunde liegt, dergestalt, dass die insolvenzrechtliche Sonderbehandlung Ausgleich für die Beschränkung der Haftung
16
_____________ 19) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26, abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 99. 20) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 42, abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 172; BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 260/07, ZIP 2009, 615, 617 Rz. 14 = ZInsO 2009, 674, dazu EWiR 2009, 303 (Habighorst). 21) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 10, dazu EWiR 2013, 217 (Bork). 22) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 10; Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 42, abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 173. 23) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26, abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 99. 24) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 10. 25) Bork, ZGR 2007, 250, 258; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3602; K. Schmidt-K. Schmidt/ Herchen, InsO, § 39 Rz. 33.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
auf das Gesellschaftsvermögen ist.26) Die Gesetzesbegründung schwankt zwischen „Aufgabe“ und bloßer „Vereinfachung“ des Eigenkapitalersatzrechts.27) Der Gesellschaftsrechtssenat hat das neue Recht noch vor seinem Inkrafttreten in Bezug zum Eigenkapitalersatzrecht gesetzt.28) Allein der Insidergedanke kann jedenfalls die Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen nicht begründen, da ein Informationsvorsprung allenfalls den Abzug des gewährten Darlehens in der Krise zur Folge haben kann, nicht aber dessen Gewährung und Stehenlassen bis zur Verfahrenseröffnung.29) Auch wenn die Finanzierungsfolgenverantwortung „nicht mehr rechtsbegründend“ ist, so ist sie doch auch nach Auffassung des Insolvenzrechtssenat weiterhin beachtlich, da das neue Recht mit der bisherigen Legitimationsgrundlage zumindest „harmoniert“.30) Im Ergebnis ist jedenfalls von einer Lösung vom gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungskonzept31) hin zu einer insolvenzrechtlichen Anknüpfung an die Inanspruchnahme einer Haftungsbeschränkung i. S. von Absatz 4 Satz 1 (Rz. 19) auszugehen, die schon im Interesse der Anwendbarkeit auch auf Auslandsgesellschaften erforderlich und vom Gesetzgeber bezweckt war.32) b) Zeitlicher Anwendungsbereich 17
Nach der Überleitungsnorm des Art. 103d Satz 2 EGInsO findet Absatz 1 Nr. 5 n. F. in allen „nach“, d. h. seit33) dem 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren Anwendung, unabhängig davon, ob die Gesellschafterforderung vor oder nach diesem Zeitpunkt begründet wurde. Ausnahmen bzw. einen Vertrauensschutz für Altfälle sieht Art. 103d Satz 2 EGInsO nur für den Bereich der Insolvenzanfechtung vor, nicht dagegen für die Nachranganordnung.34)
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Dagegen ist gemäß Art. 103d Satz 1 EGInsO auf alle vor dem 1.11.2008 eröffnete Insolvenzverfahren weiterhin das „alte“ Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungs- und der Novellenregeln anwendbar, sodass in Altfällen weiterhin _____________ 26) Huber/Habersack, BB 2006, 1, 2; Huber in: FS Priester, S. 259, 283; Schall, ZIP 2011, 2177, 2178 enger Zusammenhang. 27) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26, 56 abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 99, http://www.bmj.bund/de/media/archive/2601.pdf, S. 26, 56. 28) BGH, Urt. v. 30.1.2006 – II ZR 357/03, ZIP 2006, 466, 467 = ZInsO 2006, 492, dazu EWiR 2006, 247 (Noack); Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 42 abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 172, http://www.bmj.bund/de/media/archive/2601.pdf, S. 42. 29) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575, 577 Rz. 17 = DB 2011, 699, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt). 30) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734, 735 Rz. 9, dazu EWiR 2013, 393 (Delaveaux); BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 18. 31) So der nun zuständige IX. Senat, BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10, ZIP 2011, 1775, 1778 Rz. 35 = DB 2011, 2140, dazu EWiR 2011, 643 (Bork) schon für die Novellenregel. 32) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 26 abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 99, http://www.bmj.bund/de/media/archive/2601.pdf, S. 26; Gehrlein, BB 2008, 846, 849; Haas, ZInsO 2007, 617, 618; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 47. 33) Gutmann/Nawroth, ZInsO 2009, 174, 175. 34) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575 Rz. 8 = DB 2011, 699, dazu EWiR 2011, 285 (Spliedt); BGH, Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86, 88 Rz. 11, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels); Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 31; A. Schmidt-A. Schmidt, InsO, § 39 Rz. 20.
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nur i. S. von Absatz 1 Nr. 5 a. F., § 32a GmbH a. F. kapitalersetzende Darlehen nachrangig sind.35) c) Insolvenzrechtlicher Anwendungsbereich (Abs. 4 Satz 1) Die Sonderregeln für Gesellschafterdarlehen setzen gemäß Absatz 1 Nr. 5 i. V. m. Absatz 4 Satz 1 die Insolvenz einer Gesellschaft voraus, für deren Verbindlichkeiten weder unmittelbar noch mittelbar eine natürliche Person im Außenverhältnis gegenüber Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet.36) Eine unbeschränkt haftende natürliche Person auf der dritten oder gar höheren Ebene einer mehrstöckigen Gesellschaft schließt dagegen nach dem Wortlaut des Absatzes 4 die Anwendbarkeit des Sonderrechts nicht aus.37) Der insolvenzrechtliche Anwendungsbereich ist in Absatz 4 Satz 1 rechtsformneutral formuliert, womit Sonderregelungen in den Gesellschaftsgesetzen überflüssig geworden sind. Auch in einem nach Art. 3 EuInsVO im Inland eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer europäischen Gesellschaft oder einer Auslandsgesellschaft mit entsprechender Haftungsverfassung, ist die Nachrangregelung aufgrund ihrer europarechtlich insolvenzrechtlichen Qualifikation in Art. 4 Abs. 2 Buchst. i und g EuInsVO anwendbar.38) Dasselbe gilt aufgrund der insolvenzrechtlichen Anknüpfung der Nachrangregelung für im Inland abgewickelte Insolvenzen von Nicht-EU-Gesellschaften gemäß § 335.39)
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Im Einzelnen sind unter Absatz 4 Satz 1 alle Gesellschaften ohne persönlich haftenden Gesellschafter überhaupt zu subsumieren, also die juristischen Personen deutschen Rechts, AG, Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, GmbH einschließlich der gGmbH40) und der UG haftungsbeschränkt, die eG, die echte Vor-Gesellschaft41), die europäischen Gesellschaften in Form der SE und der SCE sowie die entsprechenden ausländischen Gesellschaftsrechtsformen wie z. B. die Limited. Wird eine juristische Person nach Erbringung der Gesellschafterleistung aber vor Verfahrenseröffnung in eine typische KG umgewandelt, findet das Sonderrecht keine
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_____________ 35) BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 260/07, ZIP 2009, 615, 617 f Rz. 16, 17 = ZInsO 2009, 674; BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 213/07, ZIP 2009, 471, 472 Rz. 9 = ZInsO 2009, 530, dazu EWiR 2009, 241 (Schodder). 36) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57, http://www.bmj.bund/de/media/archive/ 2601.pdf, S. 57. 37) Haas, ZInsO 2007, 617, 628; a. A. K. Schmidt-K. Schmidt/Herchen, InsO, § 39 Rz. 36. 38) BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10, ZIP 2011, 1775 ff Rz. 18, 49 = DB 2011, 2140; zust. Bork, EWiR 2011, 643, 644; Mankowski, NZI 2010, 1004 (Urteilsanm.); Riedemann, EWiR 2011, 19 f. 39) BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 185/10, ZIP 2011, 1775 ff Rz. 27, 30 = DB 2011, 2140, wobei sich das Problem des Auseinanderfallens von Gesellschafts- und Insolvenzstatut und die Frage der Qualifikation des Sonderrechts bei Anwendung der Sitztheorie (hierzu BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 Rz. 21, 22 = NJW 2009, 289, dazu EWiR 2009, 355 [Tepfer]) so nicht stellt. 40) OLG Thüringen, Urt. v. 23.1.2013 – 7 U 336/12, GmbHR 2013, 1142, 1144. 41) BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 277/07, ZIP 2009, 1273, 1276 = NZG 2009, 782; Goette/ Habersack-Habersack, S. 169 Rz. 5.20; K. Schmidt-K. Schmidt/Herchen, InsO, § 39 Rz. 34.
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Nachrangige Insolvenzgläubiger
Anwendung.42) Aufgrund seines Zwecks unterfällt der Idealverein regelmäßig nicht dem Absatz 4 Satz 1.43) Bei der Stiftung fehlt es schon an der mit dem Begriff des „Haftkapitals“ in Absatz 5 vorausgesetzten vermögensmäßigen Beteiligung von Mitgliedern.44) 21
Erfasst werden weiterhin die atypischen Personengesellschaften, die keine natürliche Person als Komplementärin haben, sondern eine juristische Personen deutschen oder ausländischen Rechts, insbesondere also die GmbH & Co. KG, Ltd. & Co. KG, GmbH & Co. OHG oder GmbH & Co. GbR,45) sowie die sog. mehrstöckige GmbH & Co., deren einzige Komplementärin wiederum eine Kapitalgesellschaft & Co. ist.46) d) Persönlicher Anwendungsbereich aa) Gesellschafter
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Adressat der Sonderregeln sind zunächst die formalen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin. Die Nichteintragung in die Gesellschafterliste schadet dabei nicht, da die §§ 39, 44a und 135 die Rechtsstellung des Gesellschafters als Darlehensgeber betreffen und nicht das Gesellschaftsverhältnis.47) Auf eine bestimmte Höhe der Beteiligung oder die Verfolgung bestimmter Interessen kommt es – abgesehen von den Privilegierungen für Kleinbeteiligte (Rz. 35) und Sanierungsgesellschafter (Rz. 28) – nicht an. Die frühere Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht, die bei der AG eine Beteiligung von mehr als 25 % verlangte,48) ist obsolet.49) Bei den atypischen Personengesellschaften unterfällt künftig der Darlehensrückzahlungsanspruch des Komplementärs wie auch des (Nur-)Kommanditisten unmittelbar den Sonderregeln.50)
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Nach dem neuen Konzept ist die Gesellschafter- oder vergleichbare Stellung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ausreichend.51) Erwirbt ein Drittdarlehensgeber bis zur Verfahrenseröffnung eine Beteiligung, sog. künftiger Gesellschafter,
_____________ 42) OLG Dresden, Urt. v. 7.8.2008 – 1 U 1317/07, ZIP 2009, 1382, 1383 = ZInsO 2009, 339, dazu EWiR 2009, 445 (Heckschen); Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.Bd., § 30 Rz. 40. 43) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; a. A. Hirte, WM 2008, 1429, 1432. 44) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; Haas, ZInsO 2007, 617, 628; a. A. Hirte, WM 2008, 1429, 1432. 45) BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 213/07, ZIP 2009, 471, 472 Rz. 8 = ZInsO 2009, 530. 46) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148. 47) Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 370. 48) BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572 = NJW 1984, 1893; BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316 = ZInsO 2005, 989. 49) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57, http://www.bmj.bund/de/media/archive/ 2601.pdf, S. 57. 50) BGH, Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, ZIP 1990, 578 ff = NJW 1990, 1725, dazu EWiR 1990, 479 (Bergmann); Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 48 weiterführend auch zum Kleinbeteiligungsprivileg. 51) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149 Altmeppen NJW 2008, 3601, 3603; Gottwald-Haas/ Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 371; K. Schmidt-K. Schmidt/Herchen, InsO, § 39 Rz. 38.
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Nachrangige Insolvenzgläubiger
unterfällt er dem Sonderrecht.52) Etwas anderes gilt nur dann, wenn er sich auf das Sanierungsprivileg des Absatzes 4 Satz 2 berufen kann. Bei Mezzanine-Finanzierungen wird im Regelfall des „Equity Kickers“ der Geschäftsanteil erst durch die Ausübung einer Option oder eines Wandlungsrechts am Ende der Laufzeit des Darlehens als „Erfolgsprämie“ erworben, sodass hier zu keiner Zeit ein Gesellschafterdarlehen vorliegt.53) Zur Verhinderung von Umgehungsversuchen ist nach der Wertung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 der Zeitraum vor Verfahrenseröffnung mit einzubeziehen.54) Hat ein Kreditgeber die Gesellschafterstellung im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung oder danach aufgegeben, sog. früherer Gesellschafter, unterfällt er gleichfalls dem Sonderrecht.55) Überträgt ein Gesellschafter seine Darlehensforderung in diesem Zeitraum auf einen Dritten, unterfällt der Zessionar nach dem Gedanken des § 404 BGB dem Sonderrecht (zur Anfechtung gegenüber Zessionar und Gesellschafter § 135 Rz. 19).56) Dasselbe gilt bei einer der Abtretung im wirtschaftlichen Ergebnis gleichkommenden vertraglichen Gestaltung, z. B. mittels Übernahme der Darlehensrückzahlungsschuld der Gesellschaft durch einen Dritten und Begründung eines neuen Ausgleichsanspruchs des Übernehmers gegen die Gesellschaft.57) Frühere Gesellschafterdarlehensforderungen unterliegen dagegen dann nicht dem Sonderrecht, wenn die Trennung von Gesellschafter- und Gläubigerstellung außerhalb des Anfechtungszeitraums des § 135 Abs. 1 Nr. 2 erfolgt ist.58) Auch Treuhänder und Strohmänner, die Geschäftsanteile im eigenen Namen aber für fremde Rechnung halten, unterliegen aufgrund ihrer formalen Gesellschafterstellung unmittelbar dem Sonderrecht.59) Zwischen der fremdnützigen und der eigennützigen bzw. Verwaltungs- und Sicherungstreuhand sowie der doppelnützigen Treuhand60) bestehen keine Unterschiede.61) Dem Sonderrecht unterliegen danach _____________ 52) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, ZIP 2014, 584, 586 Rz. 15; Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 64. 53) Ausführl. Ganter, WM 2011, 1585, 1593 auch zur Beteiligung zugleich mit der Darlehensgewährung und der Frage des Sanierungsprivilegs; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 21; a. A. Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 371, die für § 135 Erwerb der Gesellschaftereigenschaft nach Darlehensrückzahlung genügen lassen. 54) Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rz. 239 zeitraumbezogenes Konzept. 55) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 585 Rz. 25; BGH, Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86, 88 Rz. 14 ff; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 64; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 38. 56) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 585 Rz. 25; zustimmend Bork, EWiR 2013, 217, 218; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 38; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 65; Preuß, ZIP 2013, 1145, 1149: Rückgriffsanspruch i. H. der (hypothetischen) Quote; a. A. Haasl, NZG 2013, 1241, 1245. 57) BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 157/09, ZIP 2011, 328, 331 Rz. 24 = NZI 2011, 198, dazu EWiR 2011, 463 (Siepmann). 58) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 585 Rz. 25. 59) BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258, 266 = NJW 1960, 285, zum Treugeber vgl. Rz. 26; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 370. 60) Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 903. 61) BGH, Urt. v. 14.11.1988 – II ZR 115/88, ZIP 1989, 93 = NJW 1989, 1219, dazu EWiR 1989, 369 (Martens); Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 39 Rz. 41; A. Schmidt-A. Schmidt, InsO, § 39 Rz. 30.
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auch Forderungen institutioneller Kreditgeber, die Geschäftsanteile treuhänderisch als Sicherheit für Kredite halten und die Ausübung der Gesellschafterrechte dem Sicherungsgeber überlassen haben.62) Bei der Gewährung eines Konsortialkredits durch einen als Konsortialführer auftretenden Gesellschafter mit lediglich interner Verteilung unter mehreren Konsorten, sog. Innenkonsortium, ist der gesamte Kredit als Gesellschafterkredit einzuordnen.63) Ist der Gesellschafter dagegen nur einer der im Innenverhältnis beteiligten sonstigen Konsorten, unterliegt nur sein Kreditanteil dem Nachrang des Absatzes 1 Nr. 5.64) bb) Erweiterter persönlicher Anwendungsbereich 25
Obgleich Absatz 1 Nr. 5 Rechtshandlungen Dritter, die der Darlehensgewährung eines Gesellschafters wirtschaftlich entsprechen, anders als § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a. F. nicht mehr ausdrücklich erwähnt, übernimmt er dessen erweiterten Anwendungsbereich auch in personeller Hinsicht.65) Einbezogen werden Personen, deren Stellung wirtschaftlich derjenigen eines Gesellschafters vergleichbar ist. Der Anwendungsbereich ist weiterhin auf der Grundlage der Rechtsprechung zum alten Eigenkapitalersatzrecht unter Beachtung des neuen Begründungsansatzes des Sonderrechts zu bestimmen.66) Die Gleichstellung kann entweder darauf beruhen, dass der darlehensgebende Dritte von einem Gesellschafter beherrscht wird67) oder dass der Dritte selbst mittelbar an der Gesellschaft beteiligt ist.68)
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Wirtschaftliche Gesellschafter sind: Der darlehensgebende Treugeber oder Hintermann,69) wobei der Insolvenzverwalter die Beweislast für das treuhänderische Halten des Gesellschaftsanteils für den Dritten trägt, der Dritte für eine behauptete Auflösung des zu_____________ –
62) BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, ZIP 1988, 1248, 1250 = NJW 1988, 3143, dazu EWiR 1988, 1095 (Fleck). 63) BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, ZIP 1988, 1248, 1253 = NJW 1988, 3143; v. Gerkan/Hommelhoff-v. Gerkan, Kapitalersatzrecht, Rz. 3.71; a. A. Lösler, ZInsO 2003, 773, 778. 64) v. Gerkan/Hommelhoff-v. Gerkan, Kapitalersatzrecht, Rz. 3.72. 65) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 11; BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575 Rz. 10 = DB 2011, 699; Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 56, http://www.bmj.bund/de/media/archive/2601.pdf, S. 26, 56. 66) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 11; BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575 Rz. 1 = DB 2011, 699; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 40; Kübler/ Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 59; a. A. zum Anfechtungsrecht Goette, WPg 2008, 231, 236; Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rz. 58. 67) A. A. Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 44: Konzept der Haftungsbeschränkung, daher beherrschender Einfluss nicht mehr ausreichend. 68) Bauer, ZInsO, 2011, 1379, 1382. 69) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; Gehrlein, BB 2008, 846, 850; BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258, 266 = NJW 1960, 285, Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 44; BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279, 282 Rz. 20 = ZInsO 2006, 148, dazu EWiR 2006, 525 (Westpfahl/Janjuah); Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 398; BGH, Urt. v. 11.10.2011 – II ZR 242/09, NZG 2011, 1432, 1434 = ZIP 2011, 2299, dazu EWiR 2012, 79 (Wertenbruch) zu „Quasi-Gesellschaftern“ bei Verzahnung von Gesellschafts- und Treuhandvertrag.
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nächst bestehenden Treuhandverhältnisses außerhalb des Anfechtungszeitraums des § 135 Abs. 1 Nr. 2 (zum Treuhänder vgl. Rz. 24).70) Dies gilt bei der doppelnützigen Treuhand nicht für Kreditgeber, für die der Treuhänder nur Sicherungszwecke wahrnimmt und denen keine Einflussnahmemöglichkeiten eingeräumt sind.71) –
Drittgläubiger, die mit Mitteln des Gesellschafters der Gesellschaft ein Darlehen gewähren, sog. Zahlungsmittlungsfälle.72) Die Beweislast, dass die Mittel vom Gesellschafter stammen und von diesem dem Dritten zur Verfügung gestellt wurden, liegt beim Insolvenzverwalter. Mit Mitteln und für Rechnung des Gesellschafters handelt auch derjenige, dem hinsichtlich der gewährten Kapitalhilfe ein Freistellungs- und Erstattungsanspruch gegen den Gesellschafter zusteht, etwa aus § 110 HGB, § 670 BGB oder § 426 BGB.73)
–
Auch Darlehensforderungen naher Angehöriger sind nur subordiniert, wenn entweder die Mittel des Dritten aus dem Gesellschaftervermögen stammen oder der Gesellschafter den Geschäftsanteil treuhänderisch für den Darlehensgeber hält.74) Der Insolvenzverwalter trägt hierfür die Beweislast. Eine Erleichterung in Form eines Anscheinsbeweises kommt nicht allein aufgrund des Eheoder Verwandtschaftsverhältnisses, sondern nur bei konkreten Hinweisen in Bezug auf die Mittelherkunft oder das treuhänderische Halten in Betracht.75)
–
Atypische Pfandgläubiger, die sich durch weitergehende Nebenabreden eine Position einräumen lassen, die nach ihrer konkreten Ausgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters gleich- oder jedenfalls nahekommt.76)
_____________ 70) BGH, Urt. v. 14.11.1988 – II ZR 115/88, ZIP 1989, 93, 94 = NJW 1989, 1219. 71) OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.1997 – 11 U 233/96, WM 1997, 1846; Budde, ZInsO 2011, 1369, 1377; Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 903, beide zur doppelnützigen Treuhand in der Restrukturierungspraxis. 72) BGH, Urt. v. 18.2.1991 – II ZR 259/89, ZIP 1991, 366, 367 = WM 1991, 678, dazu EWiR 1991, 681 (Frey); Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 41; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 44. 73) Zum EK-Ersatz BGH, Urt. v. 18.11.1996 – II ZR 207/95, ZIP 1997, 115, 116 = NJW 1997, 740; BGH, Urt. v. 26.6.2000 – II ZR 21/99, ZIP 2000, 1489, 1490 = ZInsO 2000, 498, dazu EWiR 2001, 19 (v. Gerkan). 74) Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 41; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 44. 75) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575, 577 Rz. 23 = DB 2011, 699; BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 277/07, ZIP 2009, 1273, 1274 Rz. 9 = NZG 2009, 782; BGH, Urt. v. 18.2.1991 – II ZR 259/89, ZIP 1991, 366, 367 = WM 1991, 678; GottwaldHaas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 398. 76) BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, ZIP 1992, 1300, 1301 = NJW 1992, 3035, dazu EWiR 1992, 999 (v. Gerkan); Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Hirte, WM 2008, 1429, 1431; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 39 Rz. 41; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 45; Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 901; a. A. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; Ulmer/Habersack/ Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 45.
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–
Nießbraucher am gesamten Geschäftsanteil oder gesamten Ertrag, denen Mitwirkungs-, Teilnahme- und Kontrollrechte übertragen sind, sodass sie wie ein Gesellschafter Einfluss nehmen können auf die Gesellschaft.77)
–
Unterbeteiligte aufgrund des treuhänderischen Elements sowie aufgrund der Einräumung von zumindest indirekten Informations-, Kontroll- und Mitwirkungsrechten.78) Durch Financial Covenants sowie Informationspflichten lediglich gesicherte Gläubiger unterfallen nicht dem erweiterten Anwendungsbereich.79)
–
Atypisch stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG als „Quasi-Kommanditist“ mit ihrem Einlagenerstattungsanspruch, wenn nach einer Gesamtbetrachtung die Rechtsstellung des Stillen nach dem Beteiligungsvertrag der eines Kommanditisten im Innenverhältnis weitgehend angenähert ist.80) Dies ist der Fall, wenn im Innenverhältnis das Vermögen der KG und die Einlage des Stillen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden, die Gewinnermittlung wie bei einem Kommanditisten stattfindet, die Mitwirkungsrechte der Beschlusskompetenz eines Kommanditisten in Grundlagenangelegenheiten jedenfalls in ihrer schuldrechtlichen Wirkung gleichkommen und die Informations- und Kontrollrechte denen eines Kommanditisten nachgebildet sind, sog. InnenKG.81) Ein Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH kann dagegen nicht maßgeblich sein, da auch ein Kommanditist einen solchen nicht hat.82) Wandelt ein Gesellschafter ein Darlehen in eine stille Einlage um, indem er im Anfechtungszeitraum des § 135 Abs. 1 Nr. 2 aus der Gesellschaft ausscheidet und es i. R. der Gründung einer stillen Gesellschaft in eine Einlage des stillen Gesellschafters umwandelt, ist die Forderung gleichermaßen gemäß Absatz 1 Nr. 5 subordiniert.83)
In den erweiterten Anwendungsbereich können insbesondere auch mit einem Gesellschafter oder aber mit der Gesellschaft vertikal oder horizontal verbundene Unternehmen fallen.84) Voraussetzung ist eine „wirtschaftliche Einheit“.85) Für ein
_____________ 77) BGH, Hinweisbeschl. v. 5.4.2011 – II ZR 173/10, ZIP 2011, 1411, 1412 Rz. 4, 5; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148. 78) v. Gerkan/Hommelhoff-Johlke/Schröder, Kapitalersatzrecht, Rz. 5.34; Gottwald-Haas/ Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 400. 79) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149; Hirte, WM 2008, 1429, 1431; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 395; Grenze bei Ausweitung der Befugnisse auf Geschäftsführungsmaßnahmen: Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 902; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 44; K. Schmidt-K. Schmidt/Herchen, InsO, § 39 Rz. 48; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Gehrlein, InsO, § 135 Rz. 6. 80) Haas/Vogel, NZI 2012, 875, 876. 81) BGH, Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, ZIP 2012, 1869, dazu EWiR 2012, 669 (Spliedt). 82) BGH, Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, ZIP 2012, 1869, 1871 Rz. 17, dazu EWiR 2012, 669 (Spliedt); Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 136 Rz. 6; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 44; K. Schmidt in: FS Winter, S. 601, 618. 83) BGH, Urt. v. 8.11.2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82 ff = NZI 2005, 283. 84) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 15.
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Konzernprivileg i. S. der Verdrängung des Sonderrechts durch die besonderen Vorschriften über den Vertragskonzern ist kein Raum.86) –
Bei einer Betriebsaufspaltung bildet die von denselben Gesellschaftern getragene Besitzgesellschaft mit der Betriebsgesellschaft (Insolvenzschuldnerin) – unabhängig von der jeweiligen Beteiligung der einzelnen Gesellschafter – eine wirtschaftliche Einheit.87)
–
Sind an einer darlehensgewährenden Schwestergesellschaft oder im Fall einer sonstigen horizontalen Verbindung neben dem Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin auch Dritte beteiligt, ist für die Einbeziehung eine beherrschende Beteiligung des Gesellschafters Voraussetzung.88) Eine maßgebliche Beteiligung liegt vor, wenn der Gesellschafter auf die Entwicklung des darlehensgebenden Unternehmens bestimmenden Einfluss ausüben kann, insbesondere durch Gesellschaftsbeschluss gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG. Auch ein Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin, der an der hilfeleistenden GmbH zwar nur zu 50 % beteiligt ist, aber zugleich als deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer fungiert, kann einen bestimmenden Einfluss ausüben.89) Die Einbeziehung einer Darlehensgeberin in der Rechtsform der AG, scheidet daher aus, da bei dieser der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung entscheidet, sodass ein Gesellschafter nicht in der Lage ist, bestimmenden Einfluss zu nehmen.90)
–
Bei atypischen Personengesellschaften unterfällt der (Nur-)KomplementärGesellschafter dem auf mittelbare Gesellschafter erweiterten Anwendungsbereich.91) Der mittelbar an einer Gesellschaft Beteiligte wird nach der Recht-
_____________ 85) BGH, Urt. v. 5.5.1988 – II ZR 108/07, ZIP 2008, 1230, 1232 Rz. 9, dazu EWiR 2008, 463 (Jungclaus/Keller); BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, ZIP 1988, 1248, 1250 = NJW 1988, 3143; BGH, Urt. v. 18.11.1996 – II ZR 207/95, ZIP 1997, 115, 116 = NJW 1997, 740; BGH, Urt. v. 24.9.1990 – II ZR 174/89, ZIP 1990, 1467, 1468 f = NJW 1991, 357, dazu EWiR 1990, 1211 (G. Müller); BGH, Urt. v. 22.10.1990 – II ZR 238/89, ZIP 1990, 1593, 1595 = NJW 1991, 1057, dazu EWiR 1991, 67 (v. Gerkan); v. Gerkan/HommelhoffJohlke/Schröder, Rz. 5.41; Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rz. 252 ff, 263 ff; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 403. 86) Goette/Habersack-Habersack, Eigenkapitalersatzrecht, S. 174 f Rz. 5.33; Ulmer/Habersack/ Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 41. 87) BGH, Urt. v. 14.12.1992 – II ZR 298/91, ZIP 1993, 189, 190 = NJW 1993, 392, dazu EWiR 1993, 155 (Fleck); BGH, Urt. v. 11.7.1994 – II ZR 146/92, ZIP 1994, 1261, 1263 = NJW 1994, 2349, dazu EWiR 1994, 1201 (Timm). 88) BGH, Urt. v. 28.2.2012 – II ZR 115/11, ZIP 2012, 865, 866 Rz. 18, dazu EWiR 2012, 417 (Ch. Keller); BGH, Urt. v. 28.2.2005 – II ZR 103/02, ZIP 2005, 660, 661 = ZInsO 2005, 653; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 70/98, ZIP 1999, 1314, 1315 = ZInsO 1999, 472; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 43; a. A. Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 44: keine Einbeziehung allein wegen beherrschenden Einflusses. 89) BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 219/11, ZIP 2013, 1579, 1582 Rz. 24, dazu EWiR 2013, 521 (Bork); BGH, Urt. v. 28.2.2012 – II ZR 115/11, ZIP 2012, 865, 866 Rz. 19. 90) BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, ZIP 2008, 1230, 1232 Rz. 13; abl. Jungclaus, EWiR 2008, 463, 464. 91) Begr. zu RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 56, http://www.bmj.bund/de/media/ archive/2601.pdf, S. 57; BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 36/08, ZIP 2009, 1806 = ZInsO 2009, 1774, dazu EWiR 2010, 81 (Steffek/Schmidt).
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sprechung jedenfalls dann wie ein unmittelbarer Gesellschafter behandelt, wenn er aufgrund einer qualifizierenden Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf den Gesellschafter ausüben kann.92) Generell sollte bei einer vertikalen Verbindung, wie z. B. im Falle der Zwischenschaltung einer Holding, nach dem neuen Konzept für die Einbeziehung des darlehensgewährenden Gesellschafter-Gesellschafters mangels schutzwürdiger Drittinteressen auch eine nicht beherrschende Stellung ausreichend sein.93) Als alleinige Schwelle erscheint auch hier das Kleinbeteiligtenprivileg des Absatz 5 (Rz. 35) ausreichend.94) –
Da die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit nicht notwendig eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit voraussetzt, unterfällt auch eine Gebietskörperschaft dem erweiterten Anwendungsbereich, wenn die von ihr abhängige öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Landesbank oder Sparkasse, als Sicherungstreuhänder dem Sonderrecht unterfällt.95)
cc) Sanierungsprivileg (Abs. 4 Satz 2) 28
Das Privileg des Absatz 4 Satz 2 ermöglicht die Übernahme von Geschäftsanteilen zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens, ohne Gefahr zu laufen, infolge der Beteiligung mit Alt- oder Neukrediten dem Sonderrecht für Gesellschafterdarlehen zu unterfallen. Der durch das MoMiG neu eingefügte Absatz 4 Satz 2 übernimmt § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a. F. Infolge der durchgängigen Aufgabe des Merkmals der Krise wurde der Wortlaut allerdings dahingehend geändert, dass das Sanierungsprivileg künftig erst ab dem Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung greift.96) Bei der Prüfung dieser Eröffnungsgründe i. R. des Sanierungsprivilegs ist die in Aussicht stehende Leistung des Beitrittskandidaten außer Betracht zu lassen.97)
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Das Sanierungsprivileg schützt den Neugesellschafter nur solange, bis es zu einer nachhaltigen Sanierung gekommen ist, d. h. grundsätzlich bei gescheiterten Sanierungen.98) Kommt es zunächst zu einer nachhaltigen Sanierung und nicht _____________ 92) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 21. 93) Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 42; offengelassen BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279, 282 Rz. 20 = ZInsO 2006, 148; a. A. Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 403. 94) So wohl auch OLG Naumburg, Urt. v. 6.10.2010 – 5 U 73/10, ZIP 2011, 677, 679 = ZInsO 2010, 2325, dazu EWiR 2011, 709 (Knof); hierzu tendierend auch BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 22 „was naheliegt“. 95) BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, ZIP 1988, 1248, 1250 = NJW 1988, 3143; BGH, Nichtzulassungsbeschluss v. 12.6.2006 – II ZR 47/05, n. v., zu OLG Brandenburg, Urt. v. 12.1.2005 – 7 U 97/04, ZIP 2006, 184, dazu EWiR 2006, 73 (Schodder); Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht, Rz. 145; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 39 Rz. 36; JaegerHenckel, InsO, § 39 Rz. 89; a. A. Habersack, ZIP 2008, 2385, 2391 f; Ulmer/Habersack/ Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 44; K. Schmidt in: FS Winter, S. 601, 617. 96) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57, http://www.bmj.bund/de/media/archive/ 2601.pdf, S. 57. 97) Bitter, ZIP 2013, 298, 399. 98) Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 415; Hirte/Knof, WM 2009, 1961, 1970.
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nur zu einer Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit, gerät die Gesellschaft jedoch später in eine erneute Schieflage, unterfallen die bis dahin nicht abgezogenen Gesellschafterkredite dem Sonderrecht.99) Von einer nachhaltigen Sanierung kann in Anlehnung an § 135 Abs. 1 Nr. 2 in der Regel ausgegangen werden, wenn die drohende Zahlungsunfähigkeit oder materielle Insolvenz über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr beseitigt war.100) Die Privilegierung knüpft nach dem Wortlaut des Absatzes 4 Satz 1 weiterhin an den Beteiligungserwerb und nicht an den Sanierungskredit an.101) Privilegiert wird daher nur derjenige, der eine „Sanierungsbeteiligung“ erwirbt, nicht dagegen derjenige, der schlicht einen Sanierungskredit gewährt.102) Umgekehrt ist nicht Voraussetzung, dass der Neugesellschafter neues Haftkapital oder eine sonstige Leistung zuführt.103) Die Art des Erwerbs, Zeichnung von Geschäftsanteilen aus einer Kapitalerhöhung oder Übertragung bestehender Anteile von einem Alteigentümer, spielt keine Rolle.104)
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Privilegierte „Gläubiger“ sind nur Dritte, die vor dem Anteilserwerb nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Absatzes 1 Nr. 5 unterfielen, d. h. Neugesellschafter und Altgesellschafter sowie gleichgestellte Dritte, die sich bis zur Aufstockung ihrer Beteiligung auf das Kleinbeteiligtenprivileg berufen konnten.105) Im Übrigen können Altgesellschafter oder gleichgestellte Dritter nicht in den Genuss des Privilegs kommen.106) Die Privilegierung ist nicht auf Kreditinstitute beschränkt. Entgegen dem Wortlaut des Absatzes 4 Satz 2 muss der Dritte im Zeitpunkt des Anteilserwerbs nicht schon Gläubiger sein. Das Sanierungsprivileg gilt auch für denjenigen, der erst nach dem Erwerb der Gesellschafterstellung erstmals ein Darlehen gewährt, ohne dass er auch Altkredite gegeben hätte.107) Bei der Mezzanine-Finanzierung spielt das Sanierungsprivileg dann eine Rolle, wenn der Kapitalgeber die Beteiligung am Schuldnerunternehmen nicht erst nach Abschluss der Finanzierungsperiode als Erfolgsprämie, sondern schon mit der Darlehensgewährung übernimmt.108)
31
Der Erwerb der Geschäftsanteile muss zum Zwecke der Sanierung erfolgen, wobei eine entsprechende subjektive Motivation nicht ausreicht. Der Sanierungszweck
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_____________ 99) Gehrlein, BB 2008, 846, 851; Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1758 f. 100) Gehrlein, WM 2011, 577, 585 und Michalski-Dahl, GmbHG, Anh. II §§ 32a, 32b a. F. Rz. 22, die beide auf die Kreditwürdigkeit abstellen. 101) Krit. Gehrlein, BB 2008, 846, 851; Bork, ZGR 2007, 250, 259. 102) Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 407; Gehrlein, WM 2011, 577, 584. 103) Begr. RA z. Art. 9a KonTraG, BT-Drucks. 13/10038; Gehrlein, WM 2011, 577, 584. 104) Hirte/Knof, WM 2009, 1961, 1966. 105) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57, http://www.bmj.bund/de/media/archive/ 2601.pdf, S. 57; Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1752, 1755; Gehrlein, WM 2011, 577, 584; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 408, 410; K. Schmidt-K. Schmidt/ Herchen, InsO, § 39 Rz. 45; Hirte/Knof, WM 2009, 1961, 1963. 106) A. A. Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3605. 107) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.12.2003 – I-17 U 77/03, ZIP 2004, 508, 509 f Rz. 27–32 = GmbHR 2004, 564; Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1743, 1756; Hirte/Knof, WM 2009, 1961, 1964 f; a. A. Pentz, GmbHR 1999, 437, 449. 108) Ausführl. Ganter, WM 2011, 1585, 1593.
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ist vielmehr vorrangig objektiv zu bestimmen. Erforderlich ist, dass – neben dem im Regelfall als selbstverständlich zu vermutenden Sanierungswillen – nach der pflichtgemäßen Einschätzung eines Dritten im Augenblick des Anteilserwerbs die Gesellschaft objektiv sanierungsfähig ist und die für ihre Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sind, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren.109) Dies wird bei einem bloßen Anteilserwerb durch Altkreditgeber nicht der Fall sein.110) Regelmäßig ist für die ex ante Prognose ein dokumentiertes Sanierungskonzept notwendig, das in der Regel auch eine zeitliche Komponente zu enthalten hat.111) Von dem tatsächlichen Eintritt des Sanierungserfolgs hängt die Privilegierung dagegen nicht ab, sie ist im Gegenteil zeitlich befristet bis zur nachhaltigen Sanierung (Rz. 29).112) Gläubiger, die im Planverfahren nach dem durch das ESUG neu eingeführten § 225a durch Umwandlung von Forderungen zu Anteilsinhabern wurden, sog. Debt Equity Swap, können in einer nachfolgenden Insolvenz in den Genuss des Sanierungsprivilegs kommen. Bei ihnen ist davon auszugehen, dass der Anteilserwerb zum Zwecke der Sanierung erfolgt ist (siehe auch § 225a Rz. 9).113) 33
Privilegiert werden Altkredite und nach dem Anteilserwerb ausgereichte Neukredite einschließlich der Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen (Rz. 40).114)
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Weiterhin sieht das FMStBG in § 18 Abs. 1 bis 3 eine Privilegierung des Bundes und der von ihnen errichteten Körperschaften, Anstalten, Sondervermögen etc. sowie deren Rechtsnachfolger bei Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes vor. Sowohl eine Anfechtbarkeit als auch eine Nachrangigkeit ist hier kraft Gesetzes ausgeschlossen. dd) Kleinbeteiligtenprivileg (Abs. 5)
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Nichtgeschäftsführende Gesellschafter mit einer Beteiligung von höchstens 10 % am Haftkapital unterfallen gemäß Absatz 5 nicht dem Sonderrecht. Geschäftsführende Gesellschafter einschließlich der faktischen Geschäftsführer werden somit unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung nicht privilegiert.115) Der neu eingefügte Absatz 5 übernimmt den früheren § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG.116) Er gilt nach dem neuen Recht auch für Aktionäre (Rz. 22). Obgleich Absatz 5 nur
_____________ 109) BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279, 281 Rz. 14 = ZInsO 2006, 148 m. Anm. Pentz, ZIP 2006, 1169; Hirte/Knof, WM 2009, 1961, 1963. 110) Gehrlein, WM 2011, 577, 584; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 413. 111) Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rz. 176. 112) BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279, 281 Rz. 15 = ZInsO 2006, 148. 113) Begr. RegE, BT-Drucks. 17/5712, S. 47. 114) Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 414; Hirte/Knof, WM 2009, 1961, 1970. 115) A. Schmidt-Lüdtke, InsO § 39 Rz. 61; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 26; Lutter/Hommelhoff-Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §§ 32a/b Rz. 73. 116) Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57, http://www.bmj.bund/de/media/archive/ 2601.pdf, S. 57.
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von den „Gesellschaftern“ spricht, muss das Privileg auch den nach Absatz 1 Nr. 5 in den erweiterten Anwendungsbereich einbezogenen Dritten zugute kommen.117) Die 10 %-Schwelle knüpft an die Kapitalbeteiligung, nicht an die Stimmkraft oder die Gewinnbeteiligung an.118) Eine geringere formale Beteiligung von z. B. genau 10 % schützt den – mittelbaren – Gesellschafter ausnahmsweise dann nicht, wenn sich die weiteren 90 % im Eigenbesitz der Gesellschaft befinden.119) Bei der GmbH & Co. KG kommt es in Bezug auf die der KG gewährten Darlehen nur auf die Beteiligung an dieser an.120) Maßgeblich ist nach neuem Recht auch hier grundsätzlich der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung, nicht der Darlehensgewährung.121) Erwirbt ein Kleinbeteiligter zusätzliche Geschäftsanteile, sodass er die 10 % Schwelle überschreitet, unterliegen – vorbehaltlich einer Privilegierung nach Absatz 4 Satz 2 – auch Altkredite dem Sonderrecht.122) Nach der Wertung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 ist wiederum der Zeitraum von einem Jahr vor Insolvenzantragstellung in die Betrachtung mit einzubeziehen (Rz. 23). Reduziert ein Gesellschafter seine Beteiligung im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung oder danach unter den Schwellenwert, ist dies nach der Wertung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 ohne Auswirkung.123) Dasselbe gilt für die Aufgabe der Geschäftsführerstellung.124) Bei einer koordinierten Kreditgewährung durch mehrere Kleinbeteiligte, die zusammen den Schwellenwert überschreiten, scheidet eine Privilegierung aus.125)
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ee) Vorrang europarechtlichen Beihilferechts Auch der Vorrang des europäischen Rechts führt zur Nichtanwendung des Absatzes 1 Nr. 5 auf Rückforderungsansprüche aufgrund rechtswidriger Beihilfen. Der Gesellschafter bleibt Insolvenzgläubiger nach § 38, wenn er aufgrund einer Kommissionsentscheidung verpflichtet ist, von ihm gewährte unerlaubte Beihilfen zurückzufordern.126) _____________ 117) BGH, Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, ZIP 2012, 1869, 1870 Rz. 12; zur Ermittlung des Schwellenwertes in diesen Fällen Pentz, GmbHR 1999, 437, 445 ff; v. Gerkan, GmbHR 1997, 677, 680. 118) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2149; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.Bd., § 30 Rz. 49; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 26; a. A. GottwaldHaas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 386: widerlegliche Vermutung. 119) OLG Naumburg, Urt. v. 6.10.2010 – 5 U 73/10, ZIP 2011, 677, 679 = ZInsO 2010, 2325; Schall, ZIP 2011, 2177, 2178. 120) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 27. 121) Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 26; a. A. Hirte, WM 2008, 1429, 1433. 122) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 26; Hirte, WM 2008, 1429, 1433. 123) Michalski-Dahl, GmbHG, Anh. II §§ 32a, 32b a. F. Rz. 19; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 388; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 26. 124) Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150: ohne zeitliche Einschränkung. 125) BGH, Beschl. v. 19.3.2007 – II ZR 106/06, ZIP 2007, 1407 = DStR 2007, 684; BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316, 1318 = ZInsO 2005, 989; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 389; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a/b a. F. Rz. 26. 126) BGH, Urt. v. 5.7.2007 – IX ZR 221/05, ZIP 2007, 1760, 1763 Rz. 29 = ZInsO 2007, 989, dazu EWiR 2008, 25 (Henkel/Mock); Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 49; MichalskiDahl, GmbHG, Anh. II §§ 32a, 32b a F. Rz. 35; a. A. Cranshaw, DZWIR 2008, 89 ff; zur Anfechtbarkeit von Rückzahlungen vgl. § 135 Rz. 7.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
e) Sachlicher Anwendungsbereich aa) Darlehensforderungen 38
Gesellschafterdarlehen i. S. der §§ 488, 607 BGB, Gelddarlehen einschließlich des Vereinbarungsdarlehens sowie Sachdarlehen, sind bei Eintritt der Insolvenz nachrangig. Eine Ausnahme gilt lediglich mangels Finanzierungsfunktion für Durchleitungskredite, die ein Kreditinstitut einem anderen zur Weiterreichung an Endkreditnehmer gewährt.127) Ob das Rechtsverhältnis wirksam ist oder nicht, ist gleichgültig.128) Unerheblich ist auch, ob das Darlehen verzinslich oder unverzinslich ist;129) auch Beteiligungsdarlehen (partiarische Darlehen) werden erfasst.130) Für den Umfang der Subordination bei Konsortialkrediten kommt es darauf an, ob der Gesellschafter Konsortialführer oder nur intern beteiligter Konsorte ist (Rz. 24). Darlehenscharakter hat auch das unechte Factoring.131) Ein ausgereichter Finanzplankredit unterfällt mindestens dem gesetzlichen Nachrang, bei entsprechender Vereinbarung dem vereinbarten Nachrang gemäß Absatz 2.132) Dasselbe gilt für Darlehen, die ein Gesellschafter aufgrund eines Versprechens im Gesellschaftsvertrag neben der Einlage gewährt hat, sog. gesplittete Einlage.133) Auch kurzfristige Überbrückungskredite unterliegen dem Sonderrecht.134) Im Falle einer Konzerninnenfinanzierung im Wege des Cash-Poolings werden die absteigenden Darlehen (downstream loans) vom Sonderrecht erfasst (zur Anfechtbarkeit vgl. § 135 Rz. 17, 22).135)
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Dem Rang des Absatzes 1 Nr. 5 unterfallen neben der Darlehensrückzahlungsforderung bzw. dem in Geld umzurechnenden Anspruch auf Sachen gleicher Art, Güte und Menge beim Sachdarlehen gemäß Absatz 3 auch die Darlehenszinsen sowie die Rechtsverfolgungskosten.136) _____________ 127) Goette/Habersack-Habersack, S. 167 Rz. 5.16; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 53. 128) Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 418. 129) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734, 735. 130) OLG Köln, Urt. v. 27.10.2011 – I-18 U 34/11, ZIP 2011, 2208, 2209, dazu EWiR 2012, 27 (Hölzle); Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 375. 131) v. Gerkan/Hommelhoff-Johlke/Schröder, Kapitalersatzrecht, Rz. 3.55; Kübler/Prütting/ Bork-Preuß, InsO, § 39 Rz. 82. 132) Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 34; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 70; zum EK-Ersatz a. F. BGH, Urt. v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, ZIP 1999, 1623 = DStR 1999, 1198, dazu EWiR 1999, 843 (Dauner-Lieb). 133) BGH, Hinweisbeschl. v. 1.3.2010 – II ZR 13/09, ZIP 2010, 1078 Rz. 12 = ZInsO 2010, 1069, dazu EWiR 2010, 491 (Schodder). 134) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734, 735 Rz. 14, zum Umfang der Anfechtung bei wechselseitigen Aus- und Rückzahlungen vgl. § 135 Rz. 22; BGH, Urt. v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629, 1631 Rz. 29, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/ Luttmann); a. A. Bitter, ZInsO 2013, 2289, 2294 für Zeiträume bis vier Wochen. 135) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Gehrlein, InsO, § 135 Rz. 4; Klinck/Gärtner, NZI 2008, 457, 458; Hamann, NZI 2008, 667, 668; K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 135 Rz. 21; Thole, ZInsO 2011, 1425, 1429. 136) A. Schmidt-A. Schmidt, InsO, § 39 Rz. 47; Ehricke, in: MünchKomm-InsO, § 39 Rz. 65; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 55; Huber in: FS Winter, S. 261, 263; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 442; i. E. auch Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 39, der in Rz. 57 auf Abs. 1 Nr. 5 und in Rz. 38 auf Abs. 3 abstellt.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
bb) Erweiterter sachlicher Anwendungsbereich Mit der Anordnung der Nachrangigkeit von Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen, wird der bisherige § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG auch in sachlicher Hinsicht übernommen.137) Von einer Vergleichbarkeit mit der Darlehensgewährung ist bei allen Gesellschaftermaßnahmen auszugehen, die die Liquidität der Gesellschaft schützen und damit Kreditfunktion haben.
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Forderungen aus Verkehrsgeschäften können aufgrund einer vom Verkehrsüblichen abweichenden Fälligkeitsabrede oder Stundung darlehensähnlichen Charakter haben.138) Der Rechtsgrund der Gesellschafterforderung ist unerheblich. In Betracht kommen insbesondere Kaufpreisforderungen139) sowie Miet- und Pachtzins. Eine besondere Finanzierungsabrede oder rechtsgeschäftlich verbindliche Vereinbarung ist nicht Voraussetzung für die wirtschaftliche Vergleichbarkeit.140) Auch das bloße Unterlassen der Geltendmachung eines Anspruchs durch den Gesellschafter kann eine „Rechtshandlung“ i. S. von Absatz 1 Nr. 5 darstellen.141) Stehenlassen und damit kreditieren kann der Gesellschafter insbesondere auch Abfindungsguthaben, Vergütungsansprüche für Arbeits-142) oder Dienstleistungen143) etc.144) Der Anspruch des Alleingesellschafters auf den Bilanzgewinn unterfällt dem Nachrang, wenn er aus einem Gewinnvortrag oder der Auflösung einer Gewinnrücklage resultiert.145) Dies muss auch für den Minderheitsgesellschafter gelten, wenn dieser in Bezug auf die Thesaurierung zumindest „verhinderungsbefugt“ war.146) Die Abgrenzung zwischen einem verkehrsüblichen Umsatzgeschäft und einem Kreditgeschäft wird auch i. R. des § 142 nach der Verkehrsanschauung entschieden (§ 142 Rz. 4). Für die Frage, wie lange der Charakter eines Ver-
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_____________ 137) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582, 583 Rz. 11; Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 56, http://www.bmj.bund/de/media/archive/2601.pdf, S. 56. 138) BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23, 26, m. Anm. Altmeppen =NJW 1995, 457, dazu EWiR 1995, 367 (Fleck); OLG Celle, Urt. v. 13.7.1977 – 2 U 31/77, GmbHR 1977, 222 = DB 1977, 1839; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.9.1995 – 12 U 98/93, GmbHR 1996, 201, 204 = ZIP 1995, 1907; Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 135 Rz. 18; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 418. 139) LG Krefeld, Zwischenurt. v. 11.12.2013 – 20 225/12, ZInsO 2014, 360, 361. 140) BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23 = NJW 1995, 457; BGH, Urt. v. 17.2.2003 – II ZR 281/00, ZIP 2003, 625, 627 = ZInsO 2003, 323, m. Anm. Blöse, ZIP 2003, 1687. 141) BGH, Urt. v. 28.11.1994 – II ZR 77/93, ZIP 1995, 23 = NJW 1995, 457; LAG Niedersachsen, Urt. v. 27.11.2012 – 6 Sa 1145/11, ZIP 2012, 1925, 1927; Gottwald-Haas/ Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 421. 142) BAG, Urt. v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, ZIP 2014, 927, 930 Rz. 30 ff. 143) OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. 29.5.2013 – 9 U 15/13, ZIP 2013, 1485 = NZI 2013, 936, dazu EWiR 2013, 689 (d’Avoine); BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07, ZIP 2009, 713, 717 Rz. 24 = ZInsO 2009, 775, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 144) Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 421. 145) OLG Koblenz, Urt. v. 15.10.2013 – 3 U 635/13, ZIP 2013, 2325, 2326 f, dazu EWiR 2014, 57 (Spliedt); a. A. für Kapitalrücklage Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Gehrlein, InsO, § 135 Rz. 4: nur §§ 130, 133. 146) Spliedt, EWiR 2014, 57, 58.
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§ 39
Nachrangige Insolvenzgläubiger
kehrsgeschäfts erhalten bleibt und wann es zu einem Kreditgeschäft wird, kann daher auf die zum Bargeschäft entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden.147) 42
Erfasst wird weiterhin die stille Beteiligung eines formellen Gesellschafters gemäß § 236 HGB.148) Subordiniert ist auch der Regressanspruch eines Gesellschafters nach der Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers aus der Gesellschaftersicherheit (§ 44a Rz. 8, § 143 Rz. 34).149) Für die wirtschaftliche Vergleichbarkeit kommt es hier auch nicht auf eine Stundung der Regressforderung durch den Gesellschafter an, da die Gesellschaftersicherheit ja selbst schon von den Sonderregeln erfasst war. Bei Sicherheitsleistung eines Mitgesellschafters für ein Gesellschafterdarlehen ist der Erstattungsanspruch infolge seiner Inanspruchnahme nachrangig.150) cc) Sonderregelungen
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Anders als nach dem Eigenkapitalersatzrecht werden Nutzungsüberlassungen durch Gesellschafter nicht mehr in den erweiterten Anwendungsbereich einbezogen.151) Aufgenommen wurde statt dessen in § 135 Abs. 3 ein zeitlich befristetes Recht zur weiteren Nutzung im Insolvenzverfahren. Miet- und Pachtzins unterfallen dementsprechend nur noch dann dem Absatz 1 Nr. 5, wenn sie kreditiert wurden (hierzu Rz. 40 f).152) Trotz der Finanzierungsfunktion des Finanzierungsleasings sowie des sale-and-lease-back- Verfahrens spricht viel dafür, auch Leasingraten nicht mehr generell, sondern nur im Fall ihrer Kreditierung dem erweiterten sachlichen Anwendungsbereich des Absatzes 1 Nr. 5 zu unterwerfen (zum Nutzungsrecht vgl. § 135 Rz. 38).153)
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Sonderregeln für eine Gesellschafterleistung in Form der Sicherung eines Drittdarlehens enthalten die §§ 44a, 135 Abs. 2 und 143 Abs. 3. Ein Regressanspruch des Gesellschafters aufgrund der Inanspruchnahme aus der Sicherheit unterfällt _____________ 147) OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. 29.5.2013 – 9 U 15/13, ZIP 2013, 1485 = NZI 2013, 936, 937; Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 135 Rz. 16; Bitter, ZIP 2010, 1, 10; wohl auch Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 422. 148) K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 236 Rz. 7, 25; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 39 Rz. 44; Jaeger-Henckel, InsO, § 39 Rz. 81; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 424; Begr. RegE GmbH-Reform, BT-Drucks. 8/1347, S. 40. 149) BGH, Urt. v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629, 1630 Rz. 21; BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417, 2418 Rz. 9, 10, dazu EWiR 2012, 57 (Henkel). 150) BGH, Urt. v. 15.2.1996 – IX ZR 245/94, ZIP 1996, 538, 541 = NJW 1996, 1341, dazu EWiR 1996, 501 (v. Gerkan). 151) K. Schmidt-K. Schmidt/Herchen, InsO, § 39 Rz. 53; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3607; a. A. Marotzke, ZInsO 2008, 1281, 1284; Haas, NZI 2012, 601, 603. 152) OLG Hamm, Urt. v. 21.11.2013 – 18 U 145/12, ZIP 2014, 186, 188; OLG Schleswig, Urt. v. 13.1.2012 – 4 U 57/11, ZIP 2012, 885, 887, dazu EWiR 20112, 321 (Lutz); LG Freiburg, Urt. v. 7.1.2014 – 120 133/13, ZIP 2014, 336; Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, Erg.-Bd., § 30 Rz. 61; Bitter, ZIP 2010, 1, 10; Gehrlein, BB 2011, 3, 9; Rühle, ZIP 2009, 1358, 1360; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 39 Rz. 37, 38; A. Schmidt-Schröder, InsO, § 135 Rz. 22; K. Schmidt-K. Schmidt/Herchen, InsO, § 139 Rz. 52; Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rz. 36, § 135 Rz. 9 ff, 23; A. Schmidt-A. Schmidt, InsO, § 39 Rz. 46; a. A. Marotzke, ZInsO 2008, 1281, 1285 f; Bauer, ZInsO 2011, 1379, 1385; Haas in: FS Ganter, S. 189, 199; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 436; Henkel, ZInsO, 2010, 2209 ff; Hölzle, ZIP 2010, 913, 915. 153) Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 32a Rz. 214; a. A. h. M. zum EK-Ersatz Ulmer/Habersack/Winter-Habersack, GmbHG, §§ 32a, 32b Rz. 116, 117 m. w. N.
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Nachrangige Insolvenzgläubiger
dem erweiterten Anwendungsbereich des Absatzes 1 Nr. 5 (vgl. Rz. 42 sowie § 44a Rz. 8, § 143 Rz. 34). dd) Doppelinsolvenz In der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter soll nach der Rechtsprechung zum alten Eigenkapitalersatzrecht das Stehenlassen einer Gesellschafterleistung, das zur Umqualifizierung in Eigenkapital führt, gegenüber der Gesellschaft als unentgeltliche Leistung gemäß § 134 anfechtbar sein.154) Nach dem neuen Recht sind alle Darlehensforderungen mit Verfahrenseröffnung kraft Gesetzes nachrangig, sodass es schon an einem Stehenlassen mit besonderer Rechtswirkung als Rechtshandlung i. S. von § 129 fehlt.155) Die Darlehenshingabe selbst erfolgt in der Regel entgeltlich. Auch bei einer Gewährung in der bereits bestehenden Krise kann nicht mehr ohne weiteres von einer Unentgeltlichkeit ausgegangen werden, da es zur Rückstufung erst später durch die Verfahrenseröffnung kommt. Aber auch soweit dem Stehenlassen nach dem neuen Recht überhaupt noch eine grundsätzlich anfechtbare Rechtswirkung zukommt, wie im Falle der Nachrangigkeit von Forderungen aus Verkehrgeschäften, überzeugt diese Rechtsprechung nicht.156) Vielmehr haben die Gläubiger des Gesellschafters dessen Insolvenzrisiko einschließlich der Nachrangigkeit seiner offenen Forderungen zu tragen. Im Übrigen würde auch der erweiterte sachliche Anwendungsbereich bei Doppelinsolvenzen leerlaufen. f)
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Streitiger Nachrang
Ist die Subordination einer Forderung gemäß Absatz 1 Nr. 5 streitig und meldet der Gläubiger sie daher als normale Insolvenzforderung zur Tabelle an, darf der Verwalter die Forderungsanmeldung nicht zurückweisen (§ 175 Rz. 5 f). Er hat die Forderungsanmeldung vielmehr zunächst zuzulassen und zu bestreiten. Die Frage der Nachrangigkeit ist sodann entsprechend den Regelungen des § 179 Abs. 1 auf dem Prozessweg zu klären.157)
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6.
Forderungen, für die der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart wurde (Abs. 2)
Jeder Insolvenzgläubiger kann frei entscheiden, ob er seine Forderung im Insolvenzverfahren geltend machen will. Genauso kann er durch privatrechtliche Vereinbarung mit dem Schuldner auf eine ihm gesetzlich zugewiesene Rangstelle ver-
_____________ 154) BGH, Urt. v. 2.4.2009 – IX ZR 236/07, ZIP 2009, 1080, 1081 = NZI 2009, 429, dazu EWiR 2009 (Brinkmann). 155) Obermüller/Kuder in: FS Görg, S. 335, 356; Haas, DStR 2009, 1592, 1594; Burmeister/ Nohlen, NZI 2010, 41, 44; a. A. Dahl/Schmitz, NZI 2009, 433, 434 (Urteilsanm.); MichalskiDahl, GmbHG, Anh. II §§ 32a, 32b a. F. Rz. 31. 156) A. A. Michalski-Dahl, GmbHG, Anh. II §§ 32a, 32b a. F. Rz. 32; Burmeister/Nohlen, NZI 2010, 41, 44. 157) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 39 Rz. 12.
Bremen
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§ 40
Unterhaltsansprüche
zichten; möglich ist jedoch nur ein Rangrücktritt, eine Besserstellung ist ausgeschlossen.158) 48
Durch den Rangrücktritt erhält die Forderung des zurücktretenden Gläubigers den vereinbarten Rang;159) ist keine Rangstelle vereinbart, stellt Absatz 2 eine gesetzliche Auslegungsregel dahingehend auf, dass die Forderung den Rang nach den Forderungen des Absatzes 1 erhält. _____________ 158) OLG Hamm, Urt. v. 4.6.2009 – 21 U 158/08, JurionRS 2009, 37480. 159) OLG Hamm, Urt. v. 4.6.2009 – 21 U 158/08, JurionRS 2009, 37480.
§ 40 Unterhaltsansprüche Kexel
1
Familienrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner können im Insolvenzverfahren für die Zeit nach der Eröffnung nur geltend gemacht werden, soweit der Schuldner als Erbe des Verpflichteten haftet. 2§ 100 bleibt unberührt.
Literatur: Kohte, Die Behandlung von Unterhaltsansprüchen nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 781. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Nicht erfasste Ansprüche .................... 2 1. Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung ...................... 2
I. 1
2.
Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Verfahrenseröffnung .................... 3 3. Sonstige nicht erfasste Ansprüche ....... 5 III. Erfasste Ansprüche (Satz 1) ................ 8
Normzweck
In Ergänzung des § 38 bestimmt die Vorschrift, dass auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdende bzw. entstehende familienrechtliche Ansprüche auf Unterhalt Insolvenzforderungen sind, soweit der Schuldner als Erbe haftet. Damit wird einer atypischen Situation Rechnung getragen, weil Unterhaltsansprüche im Regelfall mit dem Tod des Unterhaltsschuldners erlöschen. Die Norm stellt darüber hinaus implizit klar, dass – abgesehen von diesem Sonderfall – Gläubiger des Unterhalts für die Zeit nach Verfahrenseröffnung Neugläubiger des Schuldners sind. II. Nicht erfasste Ansprüche 1.
2
Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung
Vor Verfahrenseröffnung entstandene Unterhaltsansprüche sind nach § 38 Insolvenzforderungen.1) Für sie gilt das Gleiche wie für jede andere Insolvenzforderung. Unterhaltsansprüche entstehen fortlaufend neu, sobald ein Unterhaltsbedarf ein-
_____________ 1)
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BGH, Urt. v. 23.2.2005 – XII ZR 114/03, ZVI 2005, 188 = NZI 2005, 342; OLG Thüringen, Beschl. v. 29.8.2011 – 1 UF 324/11, – juris.
Kexel
§ 40
Unterhaltsansprüche
tritt.2) Soweit der Unterhalt (vgl. § 1361 Abs. 4 Satz 2, § 1585 Abs. 1 Satz 2 und § 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB) monatlich im Voraus zu leisten ist, ist der für den Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, geschuldete Unterhalt nicht teilweise als Insolvenzforderung und teilweise gegen das insolvenzfreie Vermögen, sondern einheitlich als Insolvenzforderung gemäß § 38 geltend zu machen.3) Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ist der Eröffnungsbeschluss nach § 312 maßgebend; die Beschränkungen des § 40 finden im Schuldenbereinigungsplanverfahren noch keine Anwendung.4) 2.
Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Verfahrenseröffnung
Unterhaltsansprüche für den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung können von dem Gläubiger grundsätzlich nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden, es sei denn, Satz 1 greift ein (unten Rz. 8 f). Der Gläubiger kann so grundsätzlich nur auf das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zugreifen.
3
Die durch die Beschlagnahme auch des Neuerwerbs gemäß § 35 Abs. 1 so nur sehr eingeschränkte Möglichkeit, während des laufenden Insolvenzverfahrens Unterhalt erlangen zu können, soll teilweise dadurch kompensiert werden, dass dem (Neu-)Gläubiger nach § 89 Abs. 2 Satz 2 eine privilegierte Vollstreckung in erweitert pfändbare Bezüge des Schuldners offensteht.5) Außerdem hat der Gesetzgeber mit § 100 eine Möglichkeit geschaffen, dass neben dem Schuldner auch seinen Familienangehörigen Unterhalt aus der Masse gewährt werden kann. Satz 2 stellt insoweit klar, dass diese Möglichkeit von der Regelung in Satz 1 unberührt bleibt.
4
3.
Sonstige nicht erfasste Ansprüche
Wird anstelle einer Unterhaltsrente eine Kapitalabfindung (§ 1585 Abs. 2 BGB) geschuldet, so handelt es sich um eine Insolvenzforderung i. S. von § 38, wenn diese vor Verfahrenseröffnung vereinbart und fällig ist.6)
5
Hat ein gesetzlicher Forderungsübergang stattgefunden, so handelt es sich nicht mehr um eine Unterhaltsforderung, sodass Satz 1 nicht anzuwenden ist.7)
6
Der Anspruch aus einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich stellt keinen familienrechtlichen Unterhaltsanspruch dar; § 40 ist auf ihn weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.8)
7
_____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.10.2004 – 11 WF 2713/04, NZI 2005, 638 f = NJW-RR 2005, 776. OLG Koblenz, Teil-Urt. v. 15.5.2002 – 9 UF 440/01, ZInsO 2003, 832, 833.= ZVI 2003, 354. Kohte in: Kölner Schrift, S. 781, 798, Rz. 59. BGH, Beschl. v. 20.12.2007 – IX ZB 280/04, FamRZ 2008, 684; BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – IX ZB 16/06, ZIP 2007, 2330 f = ZVI 2008, 17. Kohte in: Kölner Schrift, S. 781, 799, Rz. 62. Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 40 Rz. 7; a. A. Kohte in: Kölner Schrift, S. 781, 800 Rz. 66; Eickmann in: HK-InsO, § 40 Rz. 5. BGH, Beschl. v. 13.10.2011 – IX ZB 80/10, WM 2011, 2188 f = ZInsO 2011, 2184.
Kexel
333
§ 41
Nicht fällige Forderungen
III. Erfasste Ansprüche (Satz 1) 8
Unterhaltsansprüche sind, soweit sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen bzw. fällig werden, gemäß Satz 1 Insolvenzforderungen, wenn die Unterhaltspflicht vom Erblasser des Schuldners begründet und nicht nach § 1615 Abs. 1 BGB erloschen, sondern auf den Schuldner übergegangen ist, so nach § 1586b BGB (Unterhalt des geschiedenen Ehegatten), § 1615l Abs. 3 Satz 4 BGB (Unterhaltsansprüche der Mutter aus Anlass der Geburt des nichtehelichen Kindes, unter Umständen des Vaters, § 1615l Abs. 4 BGB), § 1615n BGB (wie vor).
9
Eine entsprechende Haftung kann zudem auch i. R. einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft in Betracht kommen, vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 LPartG für den nachpartnerschaftlichen Unterhalt.
§ 41 Nicht fällige Forderungen (1) Nicht fällige Forderungen gelten als fällig. (2) 1Sind sie unverzinslich, so sind sie mit dem gesetzlichen Zinssatz abzuzinsen. 2Sie vermindern sich dadurch auf den Betrag, der bei Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen für die Zeit von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Fälligkeit dem vollen Betrag der Forderung entspricht. Übersicht
1
I. II. III. IV.
Vorbemerkung ..................................... Grundsatz ............................................. Abzinsung ............................................. Fälligkeit von Steuerforderungen .....
I.
Vorbemerkung
1 2 3 6
1. 2.
Bei Insolvenzeröffnung fällige Steuern ................................................... 7 Bei Insolvenzeröffnung nicht fällige Steuern ................................................... 8
Castrup
Die gesetzliche Regelung zur Behandlung fälliger Forderungen bildet eine verlässliche Grundlage zur Stellung der Gläubiger solcher Forderungen im Insolvenzverfahren, z. B. inwieweit sie an einer Abstimmung teilnehmen können.1) Einer klaren Regelung bedarf es auch im Hinblick auf die Abschlags- oder Schlussverteilung durch den Verwalter. II. Grundsatz
2
Alle Forderungen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung noch nicht fällig sind, gelten als fällig. Aus der Ordnung des Gesetzestextes ergibt sich, dass nur Insolvenzforderungen nach den §§ 38, 39 gemeint sind.2) Unerheblich ist, auf welchem Rechtsgrund eine Forderung beruht.3) § 41 gilt nicht im Zusammenhang mit Auf-
_____________ 1) 2) 3)
334
Begr. z. § 48 RegE/§ 41 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 124, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 209. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 41 Rz. 4; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 41 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 41 Rz. 4.
Castrup
§ 41
Nicht fällige Forderungen
rechnungen (§ 95 Abs. 1 Satz 2). Wirkung entfaltet die Fälligstellung der Forderungen auch auf die Zeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens.4) III. Abzinsung Eine Abzinsung kommt nur bei unverzinslichen Forderungen in Betracht. Durch die Abzinsung soll eine Gleichstellung mit verzinslichen Forderungen vorgenommen werden. Zinsen einer verzinslichen Forderung sind, soweit sie ab Eröffnung anfallen, nachrangig, kommen also in der Regel nicht zum Zuge (vgl. § 174 Abs. 3 Satz 1).
3
Berechnet wird der Abzinsungsbetrag nach der sog. Hoffmann’schen Formel:5)
4
X
36500 u Forderungsbetrag 36500 (Zinssatz u Tage ab Eröffnung bis Fälligkeit)
Maßgeblicher Zinssatz ist der gesetzliche, also im Allgemeinen 4 % (§ 246 BGB) und bei Handelsgeschäften 5 % (§ 352 BGB). Zeiträume sind nach den §§ 186 ff BGB zu berechnen.
5
Paul
IV. Fälligkeit von Steuerforderungen
Zahlreiche Einzelsteuergesetze enthalten Regelungen zur Fälligkeit von Steueransprüchen.6) Fehlt es an einer solchen besonderen gesetzlichen Regelung, gilt grundsätzlich § 220 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach der Anspruch mit seiner Entstehung fällig wird (es sei denn, es wurde in einem Leistungsgebot i. S. des § 254 AO eine andere Zahlungsfrist gewährt). Bei festsetzungsbedürftigen Steuern ist des Weiteren § 220 Abs. 2 Satz 2 AO zu beachten. 1.
Bei Insolvenzeröffnung fällige Steuern
Ist der Steueranspruch bei Verfahrenseröffnung bereits fällig, so gelten bei der Durchsetzung im Verfahren keine Besonderheiten. Die Forderung kann i. H. ihres Nominalbetrages zzgl. Zinsen zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Das gilt auch für von der Vollziehung ausgesetzte Steueransprüche, da die Aussetzung der Vollziehung zwar die für die Frage der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 relevante Fälligkeit der Steuerforderung beseitigt, nicht jedoch den Steueranspruch zu einer betagten Forderung i. S. von § 41 werden lässt. Von der Vollziehung ausgesetzte Forderungen sind nicht ernsthaft eingefordert.7) 2.
_____________
7)
7
Bei Insolvenzeröffnung nicht fällige Steuern
Sind nach den steuerrechtlichen Regelungen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Steuerinsolvenzforderungen noch nicht fällig, findet § 41 Anwendung. Die Steuer4) 5) 6)
6
Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 41 Rz. 3b. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 41 Rz. 22 m. ausführl. Erl. § 36 Abs. 1, Abs. 4, § 37 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG; § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 2 GewStG; § 15 GrEStG; § 11 KraftStG; § 18 UStG. OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2013 – 7 U 23/11, ZVI 2013, 271 = NZI 2013, 861, m. Anm. Lenger.
Paul
335
8
§ 42
Auflösend bedingte Forderungen
ansprüche gelten als fällig (Fiktion) und sind abgezinst zur Insolvenztabelle anzumelden. Sinngemäß gilt das auch für sog. Anmeldungssteuern (vor allem die Umsatzsteuer). Fehlt es bei einer derartigen Forderung vor Insolvenzeröffnung an einer Anmeldung durch den Schuldner, kann der entstandene Steueranspruch mit Verfahrenseröffnung wegen des unterbrochenen Festsetzungsverfahrens nicht mehr festgesetzt werden, so dass die Fälligkeit statt aus § 220 Abs. 2 Satz 2 AO aus § 220 Abs. 2 Satz 1 AO folgt.8) § 220 Abs. 2 Satz 1 AO findet mangels besonderer gesetzlicher Fälligkeitsbestimmung auch auf den Haftungsanspruch Anwendung.9) 9
Für nach § 55 Abs. 4 als Masseverbindlichkeiten fingierte Steuerforderungen aus dem vorläufigen Insolvenzverfahren gilt § 41 nicht.
10
Die Fiktion des § 41 verschafft dem (Steuer-)Gläubiger bei Aufrechnungslagen keine Besserstellung. Dem steht die ausdrückliche Regelung in § 95 Abs. 1 Satz 2 entgegen. Ohne diese Vorschrift wären die Steuerinsolvenzforderungen wegen § 41 u. U. vor der Hauptforderung der Masse mit der Konsequenz fällig, dass die Aufrechnung zulässig wäre. Durch § 41 wird also keine sonst nicht bestehende Aufrechnungslage geschaffen.10) _____________ 8) BFH, Urt. v. 4.5.2004 – VII R 45/03, ZIP 2004, 1423, dazu EWiR 2004, 1063 (App). 9) BFH, Urt. v. 10.5.2007 – VII R 18/05, ZIP 2007, 1514 = DStRE 2008, 39, dazu EWiR 2008, 85 (Onusseit). 10) Bitter in: MünchKomm-InsO, § 41 Rz. 40.
§ 42 Auflösend bedingte Forderungen Auflösend bedingte Forderungen werden, solange die Bedingung nicht eingetreten ist, im Insolvenzverfahren wie unbedingte Forderungen berücksichtigt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Begriff .................................................... 2
I. 1
III. Wirkungen im Insolvenzverfahren ............................................... 3
Castrup
Vorbemerkung
Auch Gläubiger einer auflösend bedingten Forderung sollen im Insolvenzverfahren über eine klare Rechtsposition verfügen. Die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen ist in den § 77 Abs. 3, § 191 geregelt. II. Begriff
2
Begriff und Wirkung der auflösenden Bedingungen regelt § 158 BGB. Eine Forderung, die auflösend bedingt ist, erlischt mit Eintritt der Bedingung. Je nach Ausgestaltung der Bedingung kann die Forderung insgesamt oder zum Teil erlöschen: Werden auf eine noch nicht der Höhe nach feststehende Forderung Abschlagszahlungen geleistet und die tatsächliche Höhe erst nach einem bestimmten Zeitraum
336
Castrup
§ 43
Haftung mehrerer Personen
berechnet, kann die Gesamtforderung geringer ausfallen als die Summe der Abschlagszahlungen. III. Wirkungen im Insolvenzverfahren
Auflösend bedingte Forderungen können ohne Einschränkungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Sie gewähren ein Stimmrecht in voller Höhe. Unterschiedliche Auswirkungen ergeben sich bei Eintritt der Bedingung abhängig vom Verfahrensstand.
3
Bei Eintritt der Bedingung vor Feststellung der Forderung obliegt es in erster Linie dem Insolvenzverwalter, die nun nicht mehr bestehende Forderung zu bestreiten. Das gleiche Recht steht den Gläubigern, aber auch dem Schuldner zu.
4
Bei Eintritt der Bedingung nach Feststellung der Forderung bis zum Schlusstermin muss der Insolvenzverwalter zur Abwehr der Forderung Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erheben, sofern der Gläubiger seine Forderung nicht zurücknimmt.1) Die Feststellung der Forderung wirkt wie ein rechtkräftiger Titel (§ 178 Abs. 3). Letzte mündliche Verhandlung ist der Prüfungstermin, in dem die Forderung festgestellt wurde.
5
Auch bei Eintritt der Bedingung nach dem Schlusstermin ist eine Vollstreckungsgegenklage angezeigt. Der eingezogene Betrag wird i. R. einer Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) an die übrigen Gläubiger ausgeschüttet.2) _____________
6
1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 42 Rz. 6; Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 42 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 42 Rz. 6.
§ 43 Haftung mehrerer Personen Ein Gläubiger, dem mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, kann im Insolvenzverfahren gegen jeden Schuldner bis zu seiner vollen Befriedigung den ganzen Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern hatte. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Geltungsbereich ................................... 2
I.
III. Wirkungen ............................................ 3 Castrup
Vorbemerkung
Haften mehrere Personen für eine Forderung als Gesamtschuldner, kann der Gläubiger seine Forderungen gegen jeden Gesamtschuldner geltend machen. Ist für beide Schuldner ein Insolvenzverfahren anhängig, erhält der Gläubiger in jedem Verfahren eine Quote, deren konkrete Höhe er erst zum Ende des Verfahrens erfährt. Müsste er sich z. B. eine Ausschüttung im ersten Verfahren im zweiten anrechnen lassen, erhält er dort nur eine Quote auf die geminderte Forderung. Kann er jedoch seine Forderung in jedem Verfahren bis zu seiner vollen Befriedigung geltend machen, ergibt sich dieser Nachteil nicht. Castrup
337
1
§ 44
Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen
II. Geltungsbereich 2
Die Regelung umfasst die gesamtschuldnerische Haftung nach § 421 BGB1) sowie die Haftung des Bürgen unter Ausschluss der Vorausklage (§ 773 BGB, § 349 HGB).2) Nicht notwendig muss jeder Schuldner für die volle Forderung haften. Es genügt, wenn sich die gemeinsame Haftung nur auf einen Teil beschränkt.3) Maßgebender Zeitpunkt ist der Tag der Insolvenzeröffnung, denn auch § 43 ist eine Spezialvorschrift zur Insolvenzforderung nach § 38. Nach Eröffnung erfolgte Zahlungen eines Mitschuldners mindern den zur Insolvenztabelle angemeldeten Betrag der Forderung nicht.4) III. Wirkungen
3
Der Gläubiger kann seine Forderung im Insolvenzverfahren stets in voller Höhe zur Insolvenztabelle anmelden. Ihre Feststellung im Prüfungstermin kann nicht mit der Begründung verweigert werden, es hafte noch eine weitere Person. Auswirkungen ergeben sich erst dann, wenn der Gläubiger durch die Inanspruchnahme des Mithaftenden volle Befriedigung erlangt hat oder die Zahlung des Mithaftenden und der Verteilungsbetrag aus dem Insolvenzverfahren den Forderungsbetrag übersteigen. Stellt der Insolvenzverwalter diese Konstellation fest, muss er den auf den Gläubiger entfallenden Teil der Insolvenzmasse entsprechend kürzen und, falls der Gläubiger nicht zustimmt, eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO anstrengen.5)
4
Vor Insolvenzeröffnung gezahlte Beträge mindern den anmeldbaren Betrag, denn zum Zeitpunkt der Eröffnung besteht die Forderung nicht mehr in voller Höhe. _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Dazu ausführl. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 43 Rz. 5 – 32. Begr. z. § 50 RegE/§ 43 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 124, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 210. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 43 Rz. 4. Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 43 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 43 Rz. 10a; Eickmann in: HK-InsO, § 44 Rz. 11; Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 43 Rz. 8.
§ 44 Rechte der Gesamtschuldner und Bürgen Der Gesamtschuldner und der Bürge können die Forderung, die sie durch eine Befriedigung des Gläubigers künftig gegen den Schuldner erwerben könnten, im Insolvenzverfahren nur dann geltend machen, wenn der Gläubiger seine Forderung nicht geltend macht. Übersicht
1
I.
Vorbemerkung ..................................... 1
I.
Vorbemerkung
II. Wirkungen ............................................ 2
Castrup
Gleicht ein Gesamtschuldner die Forderung des Gläubigers zum Teil oder als Ganzes aus, geht die Forderung in der Regel i. H. der Tilgung in Form eines Aus
338
Castrup
§ 44a
Gesicherte Darlehen
gleichsanspruchs gegen die übrigen Gesamtschuldner auf ihn über (§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB). Wirtschaftlich bilden die Forderung des Gläubigers und die des zahlenden Gesamtschuldners eine Einheit.1) Sie können daher im Insolvenzverfahren nicht nebeneinander geltend gemacht werden. II. Wirkungen
Auch § 44 ist eine Sondervorschrift zu § 38. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tag der Eröffnung. Erst danach vorgenommene Zahlungen („… künftig gegen den Schuldner …“) eines Mitschuldners sind in die Betrachtungen einzubeziehen. Nimmt der Gläubiger durch Forderungsanmeldung am Verfahren teil, ist dem Mitschuldner die Teilnahme versagt bis zum Zeitpunkt des Rücktritts des Gläubigers. Dies gilt selbst dann, wenn der Mithaftende seinen Anspruch vor dem Gläubiger angemeldet hat.2) Der Bestand der Forderung wird dadurch nicht berührt.3) Da der Mithaftende die Forderung durch Forderungsübergang erworben hat (vgl. § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB), bestand die Forderung bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung, ist also Insolvenzforderung.4) Er unterliegt daher den Beschränkungen eines Insolvenzgläubigers, z. B. dem Vollstreckungsverbot nach § 89.5)
2
Meldet der Gläubiger nur den nach Zahlung verbleibenden Rest der Forderung an, bildet diese mit dem Ausgleichsanspruch des Mithaftenden keine wirtschaftliche Einheit, sodass der Mithaftende seinen Anspruch geltend machen kann.6) _____________
3
1) 2) 3) 4) 5) 6)
Begr. § 51 RegE/§ 44 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 124, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 210. Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 44 Rz. 4. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 44 Rz. 16. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 44 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 44 Rz. 10. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 44 Rz. 15; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 44 Rz. 4.
§ 44a Gesicherte Darlehen Neußner
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft kann ein Gläubiger nach Maßgabe des § 39 Abs. 1 Nr. 5 für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt oder für die er sich verbürgt hat, nur anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit oder des Bürgen ausgefallen ist. Literatur: Frege/Nicht/Schildt, Die Anwendung von § 44a bei Doppelbesicherung in der Konzerninsolvenz, ZInsO 2012, 1961; Oepen, Maßgabe im Übermaß – Korrekturbedarf im neuen § 44a InsO, NZI 2009, 300; A. Schmidt, Handbuch der gesellschaftsrechtlichen Haftung in der GmbH-Insolvenz, 2013. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Neuregelung und Überleitungsrecht ....................................................... 2
III. Anwendungsbereich ........................... 4 1. Drittdarlehen und gleichgestellte Forderungen .......................................... 4
Neußner
339
§ 44a
Gesicherte Darlehen
2.
Gesellschaftsinsolvenz und Gesellschaftersicherheit ........................ 6 IV. Rechtsfolge .......................................... 8
I. 1
1. 2.
Ausfallprinzip ....................................... 8 Doppelsicherung durch Gesellschaft und Gesellschafter .................... 10
Normzweck
§ 44a ist Teil des am 1.11.2008 in Kraft getretenen neuen Rechts der Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz (§ 39 Rz. 14). In Abgrenzung zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 besteht die Gesellschafterleistung bei § 44a nicht in einer Darlehensgewährung, sondern in der Sicherung eines der Schuldnerin von einem Dritten gewährten Darlehens, sog. gesellschafterbesichertes Drittdarlehen oder auch mittelbares Gesellschafterdarlehen. Da Anknüpfungspunkt der Sonderregelung die Gesellschafterund nicht die Drittleistung ist, soll § 44a zu keiner materiellen Verkürzung der Rechtsposition des Dritten führen, sondern schränkt diese nur insoweit ein, als der Dritte auf eine vorrangige Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit verwiesen wird und nur mit seiner Ausfallforderung an einer verhältnismäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse teilnimmt.1) Soweit die Schuldnerin den Dritten vor Verfahrenseröffnung bereits befriedigt hat, kommt eine Anfechtung gegenüber dem Gesellschafter gemäß §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 in Betracht. II. Neuregelung und Überleitungsrecht
2
In Bezug auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen gesellschafterbesicherter Drittdarlehen übernimmt die Vorschrift § 32a Abs. 2 GmbHG a. F.2) Nicht mehr erforderlich ist aber auch hier infolge der Aufgabe des alten Eigenkapitalersatzrechts das Vorliegen einer Krise im Zeitpunkt der Gewährung oder des Stehenlassens des Drittdarlehens und der Gesellschaftersicherheit.3)
3
§ 44a ist auf Insolvenzverfahren anwendbar, die ab dem 1.11.2008 eröffnet wurden.4) Auf bis zum 1.11.2008 eröffnete Verfahren bleibt gemäß Art. 103d Satz 1 EGInsO das alte Eigenkapitalersatzrecht in Form der Rechtsprechungsregeln, §§ 30, 31 GmbHG a. F. analog, und der Novellenregeln, hier § 32a Abs. 2 GmbHG a. F., anwendbar.5) III. Anwendungsbereich 1.
4
Drittdarlehen und gleichgestellte Forderungen
§ 44a erfasst Forderungen außenstehender Dritter, d. h. solcher Gläubiger die weder Gesellschafter sind noch einem Gesellschafter gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 _____________ 1) 2) 3) 4)
5)
340
K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 44a Rz. 4, 6. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57, http://www.bmj.bund/de/media/archive/ 2601.pdf, S. 57. Zum früheren Recht vgl. insbesondere v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Kapitalersatzrecht, Rz. 6.12, 6.20. Wedemann, GmbHR 2008, 1131, 1135; a. A. Holzer, ZIP 2009, 206, 207 f, Anwendbarkeit in jeder Lage des Verfahrens, Art. 103d Satz 1 nicht anwendbar, da es früher keine insolvenzrechtliche Regelung gab. BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 260/07, ZIP 2009, 615, 617 f, Rz. 16, 17 = ZInsO 2009, 674, GmbHR 2009, 427, m. Anm. Blöse, dazu EWiR 2009, 303 (Habighorst); BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 213/07, ZIP 2009, 471, 472, Rz. 9 = ZInsO 2009, 530, GmbHR 2009, 371, m. Anm. Blöse, dazu EWiR 2009, 241 (Schodder).
Neußner
§ 44a
Gesicherte Darlehen
gleichzustellen sind (§ 39 Rz. 25 ff). Die Verweisung auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 ist insoweit missverständlich, da § 39 Abs. 1 Nr. 5 gerade keine Definition der Drittforderungen enthält; eine redaktionelle Korrektur entsprechend dem Wortlaut des § 135 Abs. 3 wäre wünschenswert gewesen.6) Normadressaten sind gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 39 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 auch Gesellschafter, die sich auf das Sanierungs- oder Kleinbeteiligtenprivileg berufen können. Nicht unter § 44a, sondern unmittelbar unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 fallen durch einen Mitgesellschafter abgesicherte Gesellschafterdarlehen (§ 39 Rz. 42).7) Neben den Forderungen auf Rückgewähr eines Darlehens gemäß §§ 488, 607 BGB erfasst § 44a ausdrücklich auch Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 39 Rz. 40 ff). Da es bei § 44a darum geht, den Kredit dem Gesellschafter, wie von ihm gegeben, zuzurechnen, können die zum erweiterten sachlichen Anwendungsbereich bei § 39 Abs. 1 Nr. 5 entwickelten Grundsätze herangezogen werden.8) 2.
5
Gesellschaftsinsolvenz und Gesellschaftersicherheit
§ 44a findet Anwendung in der Insolvenz einer Gesellschaft i. S. von § 39 Abs. 4 Satz 1 (§ 39 Rz. 19 ff). Ein Gesellschafter oder ein in den erweiterten persönlichen Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 einbezogener Dritter muss für die Drittforderung eine Sicherheit gestellt haben. Aus der Verweisung des in Bezug genommenen § 39 Abs. 1 Nr. 5 auf § 39 Abs. 4 und 5 folgt, dass § 44a dann nicht anwendbar ist, wenn sich der Sicherungsgeber auf das Sanierungs- oder Kleinbeteiligtenprivileg berufen kann.9) Es bleibt dann bei der analogen Anwendung des § 43.10)
6
Der Begriff der Sicherung ist weit zu fassen.11) § 44a erfasst alle Realsicherheiten an Vermögensgegenständen des Gesellschafters, insbesondere Grundpfandrechte, Sicherungsübertragungen, sowie – trotz der ausdrücklichen Erwähnung nur der Bürgschaft – auch jede Personalsicherheit. Auch Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften sowie Höchstbetrags- und Nebenbürgschaften12) werden erfasst. Bei der Patronatserklärung kommt es auf die rechtliche Bindung des Gesellschafters bzw. Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers an. Die sog. harte Patronatserklärung begründet einen Anspruch des Gläubigers und stellt damit eine Sicherheit dar.13) Unter den Begriff der Sicherung sind bei funktionaler Betrachtung auch Kautionen sowie Garantieerklärungen etc. zu fassen.14) Gesicherter Dritter ist auch derjenige, der gemeinsam mit einem Gesellschafter ein Darlehen aufnimmt und an die Gesellschaft weiterreicht, wenn er vom Gesell-
7
_____________ 6) Beschlussempfehlung/Bericht des RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 106, abgedr. in: Seibert, RWS-Dok. 23, S. 255; Oepen, NZI 2009, 300, 301 f. 7) K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 44a Rz. 8. 8) K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 44a Rz. 8. 9) Beschlussempfehlung/Bericht RA, BT-Drucks. 16/9737, S. 106, abgedr. in Seibert, RWS Dok. 23, S. 255; K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 44a Rz. 7. 10) Bitter in: MünchKomm-InsO, § 43 Rz. 14. 11) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 164/13, ZIP 2014, 584, 586 Rz. 14. 12) BGH, Urt. v. 23.2.2004 – II ZR 207/01, ZIP 2004, 1049 = ZInsO 2004, 679. 13) OLG Celle, Urt. v. 18.6.2008 – 9 U 14/08, ZIP 2008, 2416 = GmbHR 2008, 1096. 14) Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rz. 188, 195; BGH, Urt. v. 12.12.1988 – II ZR 378/87, ZIP 1989, 161 = GmbHR 1989, 157, dazu EWiR 1989, 891 (Meyer-Landrut).
Neußner
341
§ 44a
Gesicherte Darlehen
schafter im Innenverhältnis von der Haftung gegenüber seinem Gläubiger freigestellt wird.15) IV. Rechtsfolge 1.
Ausfallprinzip
8
Der Dritte ist mit seinem Rückzahlungsanspruch Insolvenzgläubiger i. S. von § 38 und nicht gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 subordiniert. Seine Rechtsposition wird allerdings durch § 44a insoweit eingeschränkt, als er vorrangig auf eine Befriedigung durch Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit verwiesen wird. § 44a erstreckt das für Absonderungsberechtigte geltende Ausfallprinzip des § 52 auf Gesellschaftersicherheiten.16) Der Gläubiger kann seine Forderung schon vor Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit und in voller Höhe, nicht nur in Höhe eines voraussichtlichen Ausfallbetrags, zur Tabelle anmelden (§ 52 Rz. 5).17) An einer quotalen Befriedigung im Insolvenzverfahren nimmt er nur mit seiner Ausfallforderung teil. Der Ausfall ist innerhalb der Ausschlussfrist des entsprechend anwendbaren § 190 Abs. 1 Satz 1 nachzuweisen.18) Die Quote wird nach dem Wortlaut des § 44a ebenso wie bei § 52 Satz 2 auf die Ausfallforderung berechnet und nicht auf die volle Insolvenzforderung mit bloßer Begrenzung der Höhe nach durch die Ausfallforderung.19) Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, bleibt die Forderung entsprechend § 190 Abs. 1 Satz 2 unberücksichtigt.20) Auch bei Abschlagsverteilungen ist die Sondervorschrift des § 190 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.21) Steht dem Gesellschafter infolge der Verwertung der von ihm gestellten Sicherheit ein Erstattungsanspruch gegen die Schuldnerin zu, unterliegt diese der Nachranganordnung des § 39 Abs. 1 Nr. 5.22)
9
Die Möglichkeit eines Verzichts auf die Sicherheit und vollen Teilnahme am Verfahren besteht aufgrund des zwingenden Charakters des § 44a nicht.23) Ebenso un_____________ 15) BGH, Urt. v. 26.6.2000 – II ZR 21/99, ZIP 2000, 1489 = ZInsO 2000, 498, dazu EWiR 2001, 19 (v. Gerkan); v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Kapitalersatzrecht, Rz. 6.4a. 16) BGH, Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 191/11, ZIP 2012, 1869, 1870 Rz. 13, dazu EWiR 2012, 669 (Spliedt); Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 40. 17) Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 44a Rz. 15; K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 44a Rz. 13; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Ahrens, InsO, § 44a Rz. 13; Lüdtke in: HambKommInsO, § 44a Rz. 18; a. A. Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 44a Rz. 7; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 44a Rz. 5. 18) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 44a Rz. 7; v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Kapitalersatzrecht, Rz. 6.33. 19) I. E. auch Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 44a Rz. 5; Hirte, WM 2008, 1429, 1434; Spliedt, ZIP 2009, 149, 155; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Preuß, InsO, § 44a Rz. 16; K. SchmidtK. Schmidt, InsO, § 44a Rz. 14; Gehrlein, BB 2008, 846, 852; Bauer, ZInsO 2011, 1379, 1383. 20) Wimmer-Bornemann, FK-InsO, § 44a Rz. 7; v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Kapitalersatzrecht, Rz. 6.33. 21) v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Kapitalersatzrecht, Rz. 6.33. 22) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417, 2418 Rz. 9, dazu EWiR 2012, 57 (Henkel). 23) K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 44a Rz. 15; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Ahrens, FAKommInsR, § 44a Rz. 15; v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Rz. 6.36; Begr. RegE, BT-Drucks. 8/ 1347, S. 40; a. A. Kleindiek in: HK-InsO, § 44a Rz. 9; A. Schmidt-Lüdtke, Hdb. GmbHInsolvenz, S. 146, Rz. 56; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 44a Rz. 2; Frege/Nicht/Schildt, ZInsO 2012, 1961, 1967 f – gegen Übertragung der Sicherheit in die Insolvenzmasse.
342
Neußner
§ 45
Umrechnung von Forderungen
beachtlich ist die Vereinbarung einer Ausfallsicherheit, insbes. einer Ausfallbürgschaft. Der Dritte kann und muss trotz Subsidiaritätsabrede zunächst die Sicherheit in Anspruch nehmen. 2.
Doppelsicherung durch Gesellschaft und Gesellschafter
§ 44a beschränkt nach seinem Wortlaut ebenso wie der frühere § 32a Abs. 2 GmbHG nur die Geltendmachung der persönlichen Forderung. Einen Eingriff in ein insolvenzfestes Absonderungsrecht an Vermögensgegenständen der Insolvenzschuldnerin sieht auch § 44a nicht vor. Es bleibt damit im Falle der doppelten Absicherung, sowohl durch eine Gesellschaftersicherheit wie auch durch eine Gesellschaftssicherheit dabei, dass der Insolvenzgläubiger auch nach Verfahrenseröffnung nicht daran gehindert ist, aus der Gesellschaftssicherung Befriedigung zu suchen, ohne vorrangig die Gesellschaftersicherung in Anspruch nehmen zu müssen.24) Wird der Gläubiger nach Verfahrenseröffnung durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, steht der Insolvenzmasse ein Erstattungsanspruch analog § 143 Abs. 3 zu, da der Gesellschafter nicht besser stehen kann als bei einer Befriedigung im Anfechtungszeitraum (§ 143 Rz. 36).25) Vor der Inanspruchnahme steht dem Insolvenzverwalter ein aus den §§ 44a, 143 Abs. 2 ableitbarer Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter zu.26)
10
Auch einer Aufrechnung des Gläubigers gegen Masseforderungen steht § 44a nicht entgegen, sofern sie nach den §§ 94 ff zulässig ist.27) Auch für diesen Fall der Befriedigung steht der Schuldnerin ein Erstattungsanspruch analog § 143 Abs. 3 gegen den Gesellschafter zu.28) _____________
11
24) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417, 2419 Rz. 13. 25) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417, 2419 Rz. 20; OLG Hamm, Urt. v. 7.4.2011 – I-27 U 94/10, ZIP 2011, 1226, 1227 = ZInsO 2011, 1602, dazu EWiR 2011, 679 (Spliedt). 26) BGH, Urt. v. 26.1.2009 – II ZR 260/07, ZIP 2009, 615, 617 Rz. 11 = ZInsO 2009, 674. 27) v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Kapitalersatzrecht, Rz. 6.34. 28) v. Gerkan/Hommelhoff-Fleischer, Kapitalersatzrecht, Rz. 6.34.
§ 45 Umrechnung von Forderungen Castrup
1Forderungen,
die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, sind mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. 2Forderungen, die in ausländischer Währung oder in einer Rechnungseinheit ausgedrückt sind, sind nach dem Kurswert, der zur Zeit der Verfahrenseröffnung für den Zahlungsort maßgeblich ist, in inländische Währung umzurechnen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Nicht auf Geld gerichtete Forderungen ......................................... 2
III. Umrechnung von Fremdwährungen ............................................ 4 IV. Wirkungen ............................................ 5
Castrup
343
§ 45 I. 1
Umrechnung von Forderungen
Vorbemerkung
Zur Vergleichbarkeit der im Insolvenzverfahren geltend gemachten Forderungen sind Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind, umzurechnen.1) Nur so ist es möglich, ein Stimmrecht zu bestimmen oder zur Verteilung eine Quote zu berechnen. II. Nicht auf Geld gerichtete Forderungen
2
In Betracht kommen zum Beispiel Schadensersatzforderungen.2) Ausdrücklich unterfallen der Regelungen wiederkehrende Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist (§ 46 Satz 2).
3
Ihr Wert ist bezogen auf den Eröffnungszeitpunkt vom anmeldenden Gläubiger zu schätzen, nicht vom Verwalter. Ihm kommt lediglich die Aufgabe zu, die Forderung i. R. des Tabellenverfahrens zu überprüfen. Besteht Streit über den Schätzwert, kann der Gläubiger nach Prüfung der Forderung eine Klärung durch Feststellungsklage erreichen (§§ 179 ff). Die Schätzung muss sich an dem wirklichen Wert orientieren.3) Kriterien der Schätzung sind dabei nicht auf den Zeitpunkt der Eröffnung beschränkt.4) III. Umrechnung von Fremdwährungen
4
Fremdwährungen sind durch den Gläubiger5) grundsätzlich in inländische Währung, also in Euro umzurechnen. Maßgeblich ist der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltende amtliche Kurswert6) am Zahlungsort. Informationen hierzu sind über die Deutsche Bundesbank oder die Europäische Zentralbank erhältlich. Ebenfalls umzurechnen sind Rechnungseinheiten, z. B. die Europäische Währungseinheit ECU (European Currency Unit) und nicht mehr gültige Währungen (Deutsche Mark).7) IV. Wirkungen
5
Wird die geschätzte bzw. umgerechnete Forderung zur Tabelle festgestellt, wirkt dies während des Insolvenzverfahrens wie ein rechtskräftig festgestelltes Urteil. Insbesondere ist ausgehend vom festgestellten Betrag die Verteilungsquote zu berechnen. Die Feststellung der Forderung wirkt auch über das Insolvenzverfahren hinaus.8) Eine spätere Änderung, etwa wegen eines geänderten Wechselkurses, ist nicht möglich. _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
344
Begr. z. § 52 RegE/§ 45 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 124, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 211. Weitere Beispiele bei Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 45 Rz. 7 ff; Kübler/ Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 45 Rz. 3; Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 45 Rz. 3 f. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 45 Rz. 25; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 45 Rz. 6. Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 45 Rz. 6a. Eickmann in: HK-InsO, § 45 Rz. 9. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 45 Rz. 24. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 45 Rz. 11. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 45 Rz. 43, 44; Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 45 Rz. 9; Eickmann in: HK-InsO, § 45 Rz. 8; Wimmer-Schumacher, FK-InsO, § 45 Rz. 6.
Castrup
§ 46
Wiederkehrende Leistungen
§ 46 Wiederkehrende Leistungen 1 Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, deren Betrag und Dauer bestimmt sind, sind mit dem Betrag geltend zu machen, der sich ergibt, wenn die noch ausstehenden Leistungen unter Abzug des in § 41 bezeichneten Zwischenzinses zusammengerechnet werden. 2Ist die Dauer der Leistungen unbestimmt, so gilt § 45 Satz 1 entsprechend.
Übersicht I.
Vorbemerkung ..................................... 1
I.
Vorbemerkung
II. Berechnung ........................................... 3
Auch Forderungen auf wiederkehrende Leistungen, deren Betrag und Dauer bestimmt sind, werden auf einen feststehenden Betrag gerechnet, um eine klare Stellung der Gläubiger zu gewährleisten. Hierunter fallen z. B. Ansprüche auf Zahlung einer monatlichen Rente für einen bestimmten Zeitraum.1) Ist der Zeitraum unbestimmt, ist nach § 45 zu verfahren (Satz 2). Umfasst sind die Leistungen, die noch ausstehen, d. h. noch fällig werden. Maßgebender Zeitpunkt, dies ergibt sich aus dem Verweis auf § 41, ist der Tag der Eröffnung. Zum Zeitpunkt der Eröffnung fällige Leistungen werden nicht erfasst und können in Summe im Verfahren nach § 38 als einfache Insolvenzforderung geltend gemacht werden.2)
1
Nicht zu den wiederkehrenden Leistungen zählen Raten, die auf einen Ratenkredit gezahlt werden.3)
2
II. Berechnung
Der Gesamtbetrag ergibt sich aus der Summe der ab Eröffnung fällig werdenden Leistungen. Sie sind jeweils mittels der Hoffmann’schen Formel (vgl. § 41 Rz. 4) vor der Addierung abzuzinsen. _____________ 1) 2) 3)
Weitere Beispiele bei Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 46 Rz. 3. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 46 Rz. 6. Lwowski/Bitter in: MünchKomm-InsO, § 46 Rz. 6.
§ 47 Aussonderung Bremen
1Wer
auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. 2Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. Literatur: Ganter, Die Rechtsprechung des BGH zu Treuhandkonten in der Insolvenz des Treuhänders, ZInsO, 2004, 1217; Gottwald/Adolphsen, Die Rechtsstellung dinglich gesicherter Gläubiger in der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1043; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, 2006; Pape, Rechtsprechungsüberblick zum Regelinsolvenzverfahren für die Jahre 2004 – 2006, ZInsO 2007, 337.
Bremen
345
3
§ 47
Aussonderung Übersicht
I. II. III. IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Normzweck ........................................... 1 Aussonderungsberechtigung .............. 2 Gegenstand der Aussonderung .......... 4 Einzelfälle ............................................. 6 (Allein-)Eigentum ................................. 6 Miteigentum .......................................... 7 Gesamthandseigentum .......................... 8 Sicherungseigentum .............................. 9 Eigentumsvorbehalt ............................ 12 Treuhand .............................................. 14 a) Uneigennützige Treuhand ........... 15 b) Eigennützige Treuhand ............... 16 c) Schuldrechtliche Treuhandvereinbarungen .................................. 17 d) Sonderkonten ............................... 18 7. Sicherheiten-/Lieferantenpool ........... 20 8. Beschränkt dingliche Rechte .............. 21 9. Besitz .................................................... 23 10. Schuldrechtliche Herausgabeansprüche ................................................. 24
I. 1
11. Anfechtungs-, Rückgewähr-, Bereicherungs- und Verschaffungsansprüche ............................................. 25 12. Leasing ................................................. 29 a) Leasingverträge über bewegliche Sachen .................................. 29 b) Leasingverträge über unbewegliche Sachen .................................. 30 13. (Sicherungs-)Abtretung ...................... 32 14. Factoring .............................................. 34 15. Kommissionsgeschäft ......................... 36 16. Lebensversicherungen ......................... 38 V. Durchsetzung der Aussonderung .... 41 1. Anspruchsgrundlage und Umfang ..... 41 2. Geltendmachung des Anspruchs ........ 42 a) Gegenüber dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter ....................... 42 b) Gerichtliche Geltendmachung .... 46 3. Kosten der Aussonderung .................. 49 4. Aufgabe des Rechts ............................. 50
Normzweck
Der Insolvenzverwalter hat die vorgefundene Ist-Masse zur Soll-Masse zu berichtigen, da nicht massezugehörige Gegenstände den Gläubigern nicht haften. Gegenstände, die aufgrund eines persönlichen Rechts auf Herausgabe oder infolge eines dinglichen Rechts einem Dritten zustehen, sind aus der Ist-Masse auszusondern, wenn sie dazu gehören.1) Entscheidend ist dabei die haftungsrechtliche Zuweisung, nicht ausschließlich die dingliche Eigentumszuordnung. Sicherungseigentum gemäß § 51 Nr. 1 berechtigt daher nur zur abgesonderten Befriedigung (vgl. Rz. 11). II. Aussonderungsberechtigung
2
Die Aussonderung im Insolvenzverfahren entspricht § 771 ZPO in der Einzelzwangsvollstreckung. Zur Aussonderung berechtigt sind Dritte mit einer materieller Berechtigung an einem Gegenstand.
3
Die materielle Berechtigung an dem Aussonderungsgegenstand ordnet diesen dem Vermögen des Aussonderungsberechtigten und nicht dem des Schuldners zu. Hierin liegt der grundlegende Unterschied zum Absonderungsrecht, das an dem Schuldner zustehenden Sachen und Rechten bestehen kann. Grundlage dieser Zuordnung sind grundsätzlich dingliche Rechte, weil diese ein absolutes Herrschaftsrecht gewährt. Aber auch persönliche Rechte führen bei einer am Normzweck orientierten wertenden Betrachtung zu einer vom dinglichen Recht abweichenden Vermögenszuordnung.2) _____________ 1)
2)
346
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 124, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, Bd. I, S. 215; BGH, Urt. v. 22.9.1994 – IX ZR 165/93, BGHZ 127, 156, 616 = ZIP 1994, 1720. BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, ZIP 2003, 1613, 1614 f = ZInsO 2003, 797, 798, dazu EWiR 2003, 1191 (Gundlach/Frenzel).
Bremen
§ 47
Aussonderung
III. Gegenstand der Aussonderung
Gegenstand der Aussonderung sind Vermögensgegenstände, die Gegenstand besonderer Rechte sein können3) (bewegliche und unbewegliche Sachen, Forderungen, Rechte). Weiterhin kommt der Besitz in Betracht. Bei beweglichen und unbeweglichen Sachen gewähren nicht nur das Eigentum, sondern auch beschränkt dingliche und bestimmte persönliche Rechte die Aussonderung. Bei Forderungen kommt es auf die Inhaberschaft und damit die Rechtszuständigkeit an.4)
4
Ein Herausgabeanspruch aufgrund Aussonderung ist auf individualisierbare und nicht nur gattungsmäßig bestimmbare Gegenstände gerichtet.5) Geld ist nur aussonderungsfähig, wenn sich die Banknoten oder Münzen noch individualisierbar im Besitz des Schuldners befinden.6) Werden sie mit anderen Banknoten oder Münzen vermischt oder auf ein allgemeines Konto eingezahlt, geht jedes Aussonderungsrecht unter.7) Aussonderungsfähig wie sonstige Forderungen ist der auf Zahlung einer Geldsumme gerichtete Anspruch. Erteilt ein Wohnungseigentümer als Vermieter dem WEG-Verwalter den Auftrag, auf einem von ihm einzurichtenden Konto die Mieten einzuziehen und verwendet der Verwalter das Konto zugleich für eigene Zahlungsvorgänge, so steht dem Vermieter in der Insolvenz des Verwalters weder ein Aussonderungs- noch ein Ersatzaussonderungsrecht zu.8)
5
IV. Einzelfälle 1.
(Allein-)Eigentum
Eigentum ist Hauptfall der Aussonderung.9) Für den besitzenden Schuldner – ob Eigen- oder Fremdbesitzer, unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer – streitet die Eigentumsvermutung (§ 1006 BGB);10) daher trägt der die Aussonderung Begehrende die Darlegungs- und Beweislast für sein Eigentum.11) Bei der Lohnverarbeitung ist nach der Verkehrsanschauung der Lieferant der Materialien Hersteller i. S. des § 950 Abs. 1 Satz 1 BGB und damit Eigentümer der neuen Sache12) (zum Herausgabeanspruch des Vermieters vgl. Rz. 24). Der Anspruch aus § 985 BGB ist grundsätzlich auf Herausgabe gerichtet. Hat der Schuldner ein Recht zum Besitz, _____________ 3) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 47 Rz. 15. 4) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 8. 5) OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.2.2003 – 11 U 13/02, ZIP 2003, 542, 543, dazu EWiR 2003, 665 (Stickelbrock). 6) BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – IX ZR 218/04, n. v.; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404, 1405 = ZVI 2003, 408, dazu EWiR 2003, 981 (Eckert); OLG Köln, Urt. v. 5.11.2008 – 2 U 16/08, ZInsO 2009, 390, 391 = ZIP 2009, 2017. 7) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = ZInsO 2010, 1929, dazu EWiR 2010, 825 (Freudenberg); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.1.2011 – I-16 U 244/09, ZIP 2011, 485, 486. 8) BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404, 1405 = ZVI 2003, 408. 9) Jaeger-Henckel, InsO, § 47 Rz. 36. 10) BGH, Urt. v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, ZIP 1996, 1181 = NJW 1996, 2233, 2235; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.6.2008 – 7 U 185/07 Rz. 23, – juris. 11) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = ZInsO 2010, 1929. 12) OLG Celle, Beschl. v. 8.6.2009 – 5 W 73/08, ZIP 2008, 1386 = ZInsO 2009, 1348, m. Anm. Henkel.
Bremen
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6
§ 47
Aussonderung
so kann nur die Feststellung des Eigentums begehrt werden.13) In der Insolvenz des Grundstückskäufers entfällt mit der Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter (§ 103 Abs. 1) die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetretene Hemmung der Durchsetzbarkeit der Erfüllungsansprüche und kann der Verkäufer aufgrund seines Eigentums aussondern.14) Ist der Schuldner nur mittelbarer Besitzer, so besteht ein Anspruch auf Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen den Dritten (§ 870 BGB).15) 2. 7
3. 8
Gesamthandseigentum
Ist eine Gesamthandsgemeinschaft (BGB-Gesellschaft, §§ 705 ff BGB; OHG, §§ 105 ff HGB; KG, §§ 161 ff HGB; Gütergemeinschaft, §§ 1415 ff BGB; Erbengemeinschaft, §§ 2032 ff) Eigentümer des Gegenstandes, ist sie selbst als Rechtsträger aussonderungsberechtigt. Wer zur Geltendmachung des Anspruchs zugunsten der gesamten Hand berechtigt ist, richtet sich nach allgemeinen Vorschriften (z. B. §§ 714, 2039 BGB). 4.
9
Miteigentum
Wie Alleineigentum gewährt auch Miteigentum ein Recht zur Aussonderung.16) Der Anspruch ist auf Feststellung des Miteigentums, Einräumung des Mitbesitzes oder Auseinandersetzung (außerhalb des Insolvenzverfahrens, § 84 Abs. 1) gerichtet; Herausgabe ganzer Sachen kann nach §§ 1011, 432 BGB nur an alle Miteigentümer verlangt werden. Im Falle des § 1006 BGB hat der Miteigentümer den auf ihn entfallenden Anteil der Höhe nach zu beweisen.17) In der Insolvenz des nicht verwaltenden Ehegatten gehört dessen Anteil am Gesamtgut nicht zur Insolvenzmasse. Daher steht dem verwaltenden Ehegatten ein Aussonderungsrecht zu (vgl. § 37 Rz. 4).18)
Sicherungseigentum
Sicherungsübereignung gewährt dem Treunehmer rechtlich zwar vollwertiges, im Innenverhältnis jedoch durch die Sicherungsabrede fiduziarisch gebundenes Eigentum. Sicherungseigentum entspricht wirtschaftlich dem Pfandrecht. In der Insolvenz divergieren dingliche Rechtslage und wirtschaftliche Zuordnung.
_____________ 13) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 16. 14) BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526 Rz. 10 = NJW 2013, 1245, dazu EWiR 2013, 351 (Tintelnot); BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778 = ZVI 2008, 79, dazu EWiR 2007, 727 (Tintelnot). 15) BGH, Urt. v. 29.10.1969 – VIII ZR 202/67, BGHZ 53, 29 ff = NJW 1970, 241; zum direkten Herausgabeanspruch gegen den mittelbaren Besitzer: Kübler/Prütting/BorkPrütting, InsO, § 47 Rz. 16. 16) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = ZInsO 2010, 1929. 17) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = ZInsO 2010, 1929. 18) BGH, Beschl. v. 4.5.2006 – IX ZB 285/04, ZVI 2006, 246 Rz. 5 = ZIP 2006, 1145.
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Bremen
§ 47
Aussonderung
In der Insolvenz des Sicherungsnehmers hat der Sicherungsgeber, der regelmäßig Gläubiger ist, trotz fehlenden Eigentums ein Aussonderungsrecht, wenn er die gesicherte Forderung erfüllt oder der Sicherungszweck auf andere Weise entfällt.19)
10
In der Insolvenz des Sicherungsgebers gewährt die eindeutige Regelung des § 51 Nr. 1, wie schon die h. M. zur KO,20) nur ein Absonderungsrecht (§ 51 Rz. 7), da wie beim Pfandrecht der Sicherungszweck im Vordergrund steht.
11
5.
Eigentumsvorbehalt
Der Eigentumsvorbehalt ist kein besitzloses Pfandrecht, das zur Befriedigung an der Kaufpreisforderung berechtigt, sondern sichert den Herausgabenspruch des Vorbehaltsverkäufers, wenn dieser vom Vertrag zurücktritt. In der Insolvenz des Vorbehaltskäufers hat der Vorbehaltsverkäufer nicht nur ein Absonderungsrecht,21) sondern ein Aussonderungsrecht an der unter einfachem Eigentumsvorbehalt veräußerten Sache, dem der Insolvenzverwalter durch Vertragseintritt (§ 103 Rz. 3 ff) unter Bezahlung der (Rest-)Kaufpreisforderung (§ 55 Abs. 1 Nr. 2) und damit der Herbeiführung des Bedingungseintritts (§ 449 Abs. 1 BGB) begegnen kann. Lehnt er die Erfüllung ab, kann der Verkäufer ohne weitere Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten (§ 449 Abs. 2 BGB) und die Kaufsache aussondern.22) Das Aussonderungsrecht erlischt mit Bedingungseintritt (Zahlung des vollständigen Kaufpreises, §§ 929, 158 Abs. 1 BGB), berechtigter (§ 185 BGB) Weiterveräußerung oder durch gutgläubigen Erwerb (§§ 161 Abs. 3, 932, 933, 934 BGB; § 366 HGB). Verlängerungs- und Erweiterungsformen des Eigentumsvorbehalts haben keine Aussonderungskraft, sondern werden als nur zur abgesonderten Befriedigung berechtigende23) Sicherungsabtretung angesehen (§ 51 Rz. 10 f), da nicht mehr der Anspruch auf Rückgabe der Kaufsache, sondern der Kaufpreisanspruch gesichert wird. Das Sicherungseigentum der Bank des Vorbehaltsverkäufers gewährt der Bank in der Insolvenz des Käufers kein Aussonderungsrecht, sondern nur abgesonderte Befriedigung.24)
12
In der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers ist das Wahlrecht des § 103 durch § 107 Abs. 1 ausgeschlossen (§ 107 Rz. 3 ff).
13
_____________ 19) BGH, Urt. v. 5.11.1953 – IV ZR 95/53, NJW 1954, 190, 192 = BGHZ 11, 37; BGH, Urt. v. 3.3.1969 – AnwSt (R) 5/68, NJW 1969, 942; BGH, Urt. v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213 = WM 1993, 83, dazu EWiR 1993, 163 (Paulus). 20) BGH, Urt. v. 17.4.1986 – IX ZR 54/85, ZIP 1986, 720, 722; BGH, Urt. v. 24.4.1986 – VII ZR 248/85, ZIP 1986, 720; BGH, Urt. v. 6.11.1986 – IX ZR 125/85, WM 1987, 74, 76 = NJW 1987, 1266. 21) Dies wurde in der Reformdiskussion erwogen; der Warenkreditgeber ist aber schutzwürdiger als der Geldkreditgeber und Sicherungseigentümer, BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, ZIP 2008, 842, 844 f = ZVI 2008, 249, dazu EWiR 2008, 439 (Mitlehner). 22) BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86, 94 = ZIP 2008, 842 = ZVI 2008, 249. 23) BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, ZIP 2008, 842 Rz. 24 = ZVI 2008, 249. 24) BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, ZIP 2008, 842 Rz. 35 f = ZVI 2008, 249.
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§ 47 6. 14
Aussonderung
Treuhand
Durch die Treuhandabrede25) wird dem Treuhänder nach außen mehr Rechtsmacht eingeräumt, als ihm im Innenverhältnis aufgrund schuldrechtlicher Abrede zusteht. a) Uneigennützige Treuhand
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Bei uneigennütziger Ermächtigungs-, Vollmachts- oder Verwaltungs-Treuhand übt der Treuhänder seine formale Rechtsposition im Interesse und nach den Weisungen des Treugebers aus, der Treugeber bleibt Vollrechtsinhaber. Er ist trotz Fehlens der formalen Rechtsposition der wahre Berechtigte und kann in der Insolvenz des Treunehmers ein Aussonderungsrecht geltend machen,26) aber nicht umgekehrt.27) b) Eigennützige Treuhand
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Die Übertragung des Treuhandguts im Interesse des Treunehmers ist eigennützige Treuhand. Wichtigste Fälle sind die Sicherungsübereignung (Rz. 9 ff) und -zession (Rz. 32). Die Aussonderung des Treugebers in der Insolvenz des Treunehmers setzt das Entfallen des Sicherungszwecks voraus, z. B. die Erfüllung der gesicherten Forderung, auch wenn der Treunehmer nur als Strohmann fungiert, da der Treugeber sich an dem gesetzten Rechtsschein festhalten lassen muss.28) Der Treunehmer kann in der Insolvenz des Treugebers an dem Sicherungsgut nur abgesonderte Befriedigung verlangen (§ 51 Nr. 1). Für andere Fälle eigennütziger Treuhand gelten die gleichen Grundsätze. c) Schuldrechtliche Treuhandvereinbarungen
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Rein schuldrechtliche Vereinbarungen, dass der bisherige Eigentümer sein Eigentum nunmehr im Interesse eines anderen („Treugebers“) verwaltet, begründet für diesen kein Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Treuhänders;29) es fehlt die Übertragung eines Rechts an dem Gegenstand („vollzogene dingliche Komponente“) als Grundlage der Aussonderung.30) d) Sonderkonten
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Mit Einzahlung fremder Gelder auf ein allgemeines Bankkonto gehen bestehende Aussonderungsrechte unter; ein Geldsummenanspruch ist nicht aussonderungsfähig.31) Ist ein Konto als Sonderkonto oder in ähnlicher Weise32) eingerichtet, so ist _____________ 25) BGH, Urt. v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, BGHZ 157, 182 = NJW 2004 1383; VG Ansbach, Urt. v. 3.3.2008 – AN 11 K 07.01998, Rz. 47, – juris. 26) BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, ZIP 2007, 2173 Rz. 28 f = NZI 2008, 21. 27) BGH, Urt. v. 19.11.1992 – IX ZR 45/92, ZIP 1993, 213, 214 = WM 1993, 83. 28) BGH, Urt. v. 11.12.1963 – VIII ZR 129/62, WM 1964, 179. 29) BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, ZIP 2003, 1613, 1614 f = ZInsO 2003, 797, 798 f. 30) BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, ZIP 2003, 1613, 1614 f = ZInsO 2003, 797; BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZIP 2008, 469 Rz. 7 f = ZVI 2008, 63, dazu EWiR 2008, 209 (Eckert). 31) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 Rz. 14 = ZInsO 2010, 1929; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.1.2011 – I-16 U 244/09, ZIP 2011, 485. 32) Auf die Kontenbezeichnung als solche kommt es nicht zwingend an: BGH, Urt. v. 1.7.1993 – IX ZR 251/92, ZIP 1993, 1185, dazu EWiR 1993, 1138 (Lüke).
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§ 47
Aussonderung
danach zu unterscheiden, ob es sich um ein echtes Treuhandkonto handelt oder nicht. Das ist unbeschadet der Kontenbezeichnung nicht der Fall, wenn Gelder weder vom Treugeber, noch von Dritten auf Forderungen der Treugeber überwiesen wurden.33) Beim echten Treuhandkonto steht dem Treugeber in der Insolvenz des Treunehmers ein Aussonderungsrecht zu, andernfalls fällt es in die Insolvenzmasse des Treunehmers als Kontoinhaber.34) Echte Treuhandkonten35) sind z. B. Ander-36) (§ 149 Rz. 7) oder Mietkautionskonten gemäß § 551 Abs. 3 BGB, nicht aber Konten, auf denen der Inhaber treuhänderisch gebundene Fremdgelder mit eigenen Geldmitteln vermischt (z. B. die entgegen § 551 Abs. 3 BGB fehlende Trennung der Barkaution vom sonstigen Vermögen des Vermieters)37) oder hieraus Zahlungen an andere Treuhandgeber vorgenommen hat;38) damit lässt – dogmatisch unklar – lediglich vertragswidriges Verhalten des Treuhänders die Treuhandbindung nicht nur im Umfange der treuwidrigen Verfügungen, sondern auch bzgl. eines verbliebenen Restguthabens entfallen. Weder ein Treuhandkonto als Unterkonto zum Geschäftskonto des Arbeitgebers für im Hinblick auf § 7d SGB IV gebildete Wertguthaben aus einem Arbeitszeitflexibilisierungsmodell,39) noch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abführung des Arbeitnehmerbeitrags zur Sozialversicherung40) (§ 28 SGB IV, § 253 SGB V) gewähren dem Arbeitnehmer ein Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Arbeitgebers. 7.
Sicherheiten-/Lieferantenpool
Die Poolbildung dient der Bündelung und gemeinsamen Durchsetzung gleichartiger Rechte, gewährt aber nie mehr Rechte, als den beteiligten Gläubigern zuvor zustanden und von ihnen in den Pool eingebracht werden konnten. Werden Aussonderungsrechte in ihn eingebracht, führt er zur Beweiserleichterung und zur Vermeidung von Streitigkeiten zwischen mehreren Aussonderungsberechtigten. 8.
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Beschränkt dingliche Rechte
Beschränkt dingliche Rechte berechtigen in gleicher Weise zur Aussonderung wie Eigentum. Inhaltlich ist der Anspruch auf das gerichtet, was das jeweilige Recht gewährt. Als derartige Rechte kommen in Betracht: das Erbbaurecht (§§ 1 ff ErbbauVO), die Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff BGB), der Nießbrauch (§§ 1030 ff BGB), _____________ 33) BGH, Urt. v. 7.7.2005 – III ZR 422/04, ZIP 2005, 1465, dazu EWiR 2005, 863 (Gundlach/ Frenzel); Ganter, ZInsO, 2004, 1217, 1290 f. 34) LG Berlin, Urt. v. 19.6.2006 – 62 S 33/06, GE 2006, 1481 (Abs. 8) für die nicht getrennt angelegte Mietkaution. 35) Zum Empfängerkonto im institutsübergreifenden Überweisungsverkehr vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 25.11.2008 – 8 U 1117/08, ZIP 2009, 678, dazu EWiR 2009, 345 (Binder). 36) BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 192/07, ZIP 2009, 531 Rz. 7 = ZVI 2009, 260, dazu EWiR 2009, 343 (Ferslev). 37) BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZIP 2008, 469 Rz. 7 f = ZVI 2008, 63. 38) BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, ZIP 2011, 777 = ZInsO 2011, 784, dazu EWiR 2011, 605 f (Neußner). 39) BAG, Urt. v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, ZIP 2004, 124, 127 f = ZInsO 2004, 104, dazu EWiR 2004, 391 (Bezani/Richter). 40) BGH, Urt. v. 25.10.2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 105 = ZIP 2001, 2237, dazu EWiR 2002, 207 (Malitz).
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§ 47
Aussonderung
die beschränkt persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff BGB) und das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB). Das dingliche Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff BGB) hat gegenüber Dritten die Wirkung einer Vormerkung (§§ 1098 Abs. 2, 888 Abs. 1 BGB) und kann auch bei freihändiger Veräußerung durch den Insolvenzverwalter ausgeübt werden (§ 1098 Abs. 1 Satz 2 BGB). 22
Demgegenüber gewähren Grundpfandrechte gemäß § 49 und Pfandrechte an beweglichen Sachen und Forderungen gemäß § 50 nur ein Recht zur abgesonderten Befriedigung. Bestreitet jedoch der Verwalter den Bestand des Pfandsrechts als solches, so betrifft der Streit die Nichtzugehörigkeit des Pfandrechts zur Masse. In diesem Fall handelt es sich um ein (streitiges) Aussonderungsrecht.41) 9.
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Besitz
Der Besitz gewährt den Wiedereinräumungsanspruch gemäß § 861 BGB und den Herausgabeanspruch nach § 1007 BGB. Beide berechtigen zur Aussonderung. 10. Schuldrechtliche Herausgabeansprüche
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Solche sind Herausgabeansprüche betreffend einen nicht zur Soll-Masse gehörenden Gegenstand aus einem bereits bestehenden Recht, z. B. der Anspruch des Mieters bei einem bereits bestehenden Mietverhältnis auf Herausgabe der Sache, da der Sachbesitz ihm und nicht dem Vermieter oder einem Dritten zusteht. Umgekehrt kann der Vermieter – nach Beendigung des Mietverhältnisses – in der Insolvenz des Mieters seinen Rückgabeanspruch als Aussonderungsrecht geltend machen. Der Herausgabeanspruch gewährt ein Aussonderungsrecht aber nur, soweit er sich mit § 985 BGB deckt.42) Er richtet sich – unabhängig von der Begründung oder Beendigung des Mietverhältnisses vor oder nach Verfahrenseröffnung – nur dann gegen den Verwalter, wenn dieser den Mietgegenstand in Besitz genommen oder daran für die Masse ein Recht beansprucht.43) Ein weitergehender mietvertraglicher Räumungsanspruch ist Insolvenzforderung,44) ebenso wie bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Räumungskosten. Nur für eventuell danach entstandene weitere Kosten haftet die Masse.45) Auch die fehlgeschlagene Austauschsicherheit in Form einer Gewährleistungsbürgschaft kann der Bauunternehmer in der Insolvenz des Auftraggebers aussondern, da die Bürgschaftsurkunde nicht zur Masse gehört.46)
_____________ 41) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 42. 42) BGH, Urt. v. 7.7.2010 – XII ZR 158/09, ZIP 2010, 2410 = NZI 2010, 901; BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469 = ZInsO 2001, 751, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst). 43) BGH, Urt. v. 19.6.2008 – IX ZR 84/07, ZIP 2008, 1736 Rz. 14 = ZVI 2008, 437, dazu EWiR 2009, 343 (Dörrscheidt). 44) BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469, 1470 f = ZInsO 2001, 751, 752; OLG Celle, Beschl. v. 6.10.2003 – 2 W 107/03, ZInsO 2003, 948, 949. 45) LG Stendal, Urt. v. 4.12.2002 – 23 O 1/02, ZInsO 2003, 813, 814. 46) BGH. Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 73/10, ZIP 2011, 626, 627 f = ZInsO 2011, 633, dazu EWiR 2011, 355 f (Vogel).
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§ 47
Aussonderung
11. Anfechtungs-, Rückgewähr-, Bereicherungs- und Verschaffungsansprüche
Der insolvenzrechtliche Anfechtungsanspruch gewährt in der Insolvenz des Anfechtungsgegners ein Aussonderungsrecht.47) Dessen Erfüllung führt den Anfechtungsgegentand, der in das Vermögen des Anfechtungsgegners gelangt ist, wieder der Haftungsmasse zu.48) Der auf Wertersatz und damit auf Geld gerichtete Anspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 2, der das Nichtvorhandensein des Anfechtungsgegenstandes voraussetzt, ist daher einfache Insolvenzforderung.49)
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Verschaffungsansprüche wie Erfüllungsansprüche aus einem Vertrag oder schuldrechtliche Rückgewähransprüche aufgrund von Wandlung, Rücktritt oder Anfechtung berechtigen nicht zur Aussonderung.
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Auch Bereicherungsansprüche sind Insolvenzforderungen und berechtigen daher nicht zur Aussonderung. Wurde die Masse jedoch nach Verfahrenseröffnung bereichert, liegt eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 vor.
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Allen genannten Ansprüchen ist gemein, dass der begehrte Gegenstand wegen des fehlenden Vollzugs der dinglichen Komponente noch nicht zum Vermögen des Anspruchstellers gehört.50)
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12. Leasing a) Leasingverträge über bewegliche Sachen
Das Gesetz geht in §§ 108, 109 in der Insolvenz jedes Vertragspartners grundsätzlich von dem Fortbestand der Schuldverhältnisse wie Leasing, Miet- oder Pachtverträge über unbewegliche Gegenstände oder von Dienstverhältnissen aus. Für solche Verträge über bewegliche Gegenstände entscheidet die Ausübung des Wahlrechts nach § 103 darüber, ob der Vertrag fortgesetzt oder die Durchsetzung der wechselseitigen vertraglichen Pflichten gehemmt wird. Für Refinanzierungsfälle in der Insolvenz des Leasinggebers ist § 108 Abs. 1 Satz 2 lex specialis zu § 103 und verdrängt damit das Wahlrecht. Tritt der Verwalter des insolventen Leasingnehmers in den Vertrag nicht ein, hat der Leasinggeber als Eigentümer von beweglichem Leasinggut ein Aussonderungsrecht.51)
29
b) Leasingverträge über unbewegliche Sachen
Beim Operating- wie beim Finanzierungsleasing52) sind die entsprechenden Verträge dem Mietrecht zuzuordnen und bestehen daher ungeachtet der Eröffnung des _____________ 47) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, ZIP 2003, 2307 = ZVI 2003, 657, dazu EWiR 2004, 1099 (Neußner). 48) BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 130 = ZVI 2009, 78, dazu EWiR 2008, 211 (Keller); BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 252/01, ZIP 2003, 2307, 2310 f = ZVI 2003, 657, dazu EWiR 2004, 1099 (Neußner). 49) BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 130 = ZVI 2009, 78; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, ZIP 2003, 1554, 1556 f = ZInsO 2003, 761, 763, dazu EWiR 2004, 347 (Haas/Müller). 50) BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 75/01, ZIP 2003, 1613, 1614 f = ZInsO 2003, 797. 51) LAG Hamm, Urt. v. 20.5.2008 – 4 Sa 1018/07, Rz. 85, – juris; Gottwald/Adolphsen in: Kölner Schrift, S. 1043, 1062 Rz. 73. 52) BGH, Urt. v. 5.4.1978 – VIII ZR 42/77, NJW 1978, 1383, 1384.
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Insolvenzverfahrens, mit den Folgen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, für die Masse fort. Anstelle des Wahlrechts des § 103 tritt das Kündigungsrecht aus § 109. In der Insolvenz des Leasingnehmers steht – nach der Kündigung – dem Leasinggeber infolge seines Eigentums ein Aussonderungsrecht zu. 31
Für die Insolvenz des Leasinggebers ist umstritten, ob der Leasingvertrag nach § 108 Abs. 1 Satz 1 wirksam bleibt, sodass das Leasinggut infolge der treuhänderischen Bindung bis zum Ende der Vertragslaufzeit nicht ausgesondert werden kann.53) Dagegen spricht das Volleigentum des Leasinggebers, der sich nicht nur das Sicherungseigentum vorbehalten hat, auch während des Leasingvertrages.54) Da das Sicherungsgut sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich zum Vermögen des Leasinggebers gehört, kommt ein Aussonderungsrecht des Leasingnehmers nicht in Betracht. 13. (Sicherungs-)Abtretung
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Bei Forderungen entscheidet die aktuelle Inhaberschaft. Steht die Forderung aufgrund Abtretung einem Dritten zu, ist dieser aussonderungsberechtigt.55)
33
Wie beim Eigentum ist hiervon die lediglich fiduziarische Rechtsübertragung (Sicherungszession) zu unterscheiden. Wie für die Sicherungsübereignung (Rz. 9 ff) besteht in der Insolvenz des Sicherungsgebers gemäß § 51 Nr. 1 lediglich ein Absonderungsrecht. In der Insolvenz des Sicherungsnehmers hingegen können diese Forderungen als Treugut ausgesondert werden.56) 14. Factoring
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Beim echten Factoring kauft der Factor die Forderung. Das Geschäft hat daher keinen Sicherungscharakter; der Factor übernimmt das Delcredere-Risiko.57) In der Insolvenz des Zedenten kann der Factor die ihm bereits abgetretene Forderung aussondern.58) In der Insolvenz des Factors besteht kein derartiger Anspruch des Zedenten.59)
35
Das unechte Factoring ist dagegen ein Kreditgeschäft: der Zessionar (Factor) gewährt dem Zedenten ein Darlehen als Vorschuss auf den Forderungsbetrag gegen Abtretung der Forderung. Fällt die Forderung aus, muss der Zedent das durch die lediglich erfüllungshalber abgetretene Forderung gesicherte60) Darlehen zurückzahlen. Das Vorgehen ist mit einer Sicherungsabtretung vergleichbar. Daher
_____________ 53) Vgl. zum Meinungsstand Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 53. 54) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 328/83, ZIP 1985, 546, 547 = NJW 1985, 1535, 1536, dazu EWiR 1985, 273 (v. Westphalen). 55) BGH. Urt. v. 15.11.1988 – IX ZR 11/88, ZIP 1989, 118, 119 = WM 1989, 225; Kübler/ Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 54. 56) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 55. 57) BGH, Urt. v. 19.9.1977 – VIII ZR 169/76, BGHZ 69, 254, 257 = NJW 1977, 2207. 58) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 57. 59) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 57. 60) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 56.
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Aussonderung
kann der Zedent in der Insolvenz des Factors aussondern; dem Factor steht in der Insolvenz des Zedenten ein Absonderungsrecht zu (§ 51 Nr. 1).61) 15. Kommissionsgeschäft
Auch hier ist die dingliche Rechtslage von besonderer Bedeutung. Die Übergabe von Waren durch den Kommittenten an den Kommissionär ist keine Übereignung. Der Kommissionär erlangt allenfalls treuhänderisches Eigentum. Gemäß § 392 Abs. 2 HGB gelten nicht abgetretene Forderungen aus den Geschäften des Kommissionärs mit Dritten im Verhältnisse zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten (§ 392 Abs. 2 HGB).62)
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Bei einer Verkaufskommission hat der Kommittent in der Insolvenz des Kommissionärs ein Aussonderungsrecht bezüglich aller Waren, die sich noch beim Kommissionär befinden und nicht bereits an einen Dritten übereignet sind. Durch die Übereignung an einen Dritten verliert der Kommittent sein Aussonderungsrecht. Er kann jedoch wegen § 392 Abs. 2 HGB die durch das Geschäft entstandenen Forderungen aussondern. Ist der Kaufpreis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem Kommissionär eingegangen, so verliert der Kommittent sein Aussonderungsrecht, das sich nicht auf das Surrogat erstreckt.63)
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16. Lebensversicherungen
Das Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung64) mit uneingeschränkt unwiderruflichem Bezugsrecht gehört in der Insolvenz des Arbeitgebers, der Versicherungsnehmer einer Direktversicherung ist, zum Vermögen des Arbeitnehmers:65) das unwiderrufliche Bezugsrecht hat dingliche Wirkung66) und der Arbeitnehmer erwirbt den Anspruch unmittelbar gegen den Versicherer gemäß § 330 BGB mit seiner Bezeichnung als Bezugsberechtigter (§ 157 Abs. 3 VVG). Zwar kann der Verwalter den Vertrag kündigen, den Rückkaufswert hat er auszusondern. Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei eingeschränkt unwiderruflichem Bezugsrecht, solange die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Vorbehalts nicht erfüllt sind,67) insbesondere wenn der Zweck des Vorbehalts entfallen _____________ 61) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 58. 62) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 65. 63) BGH, Urt. v. 26.9.1980 – I ZR 119/78, BGHZ 79, 89, 94; BGH, Urt. v. 26.11.1973 – II ZR 117/72, NJW 1974, 456, 457; BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = ZInsO 2010, 1929; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 66. 64) Überblick bei Pape, ZInsO 2007, 337, 341. 65) BAG, Urt. v. 18.9.2012 – 3 AZR 176/10, ZIP 2012, 2269 Rz. 15, dazu EWiR 2012, 781 (Mückl/Herrnstadt); BGH, Urt. v. 8.6.2005 – IV ZR 30/04, ZInsO 2005, 768 = ZIP 2005, 1373, dazu EWiR 2005, 801 (Blank); vgl. auch LAG München, Urt. v. 29.6.2007 – 11 Sa 1226/06, NJW-Spezial 2007, 518; BAG, Urt. v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, ZIP 2010, 1915 ff = NZI 2011, 30. 66) BAG, Urt. v. 18.9.2012 – 3 AZR 176/10, ZIP 2012, 2269 Rz. 15; BGH, Urt. v. 19.6.1996 – IV ZR 243/95, ZIP 1996, 1356, 1357 = NJW 1996, 2731. 67) BGH, Urt. v. 8.6.2005 – IV ZR 30/04, ZInsO 2005, 768, 769 = ZIP 2005, 1373; BGH, Urt. v. 19.6.1996 – IV ZR 243/95, ZIP 1996, 1356, 1357 = NJW 1996, 2731; BAG, Urt. v. 31.7.2007 – 3 AZR 446/05, DB 2008, 939 Rz. 32; BAG, Urt. v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, ZIP 2010, 1915 ff = NZI 2011, 30.
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Aussonderung
ist und damit dessen Voraussetzungen in Zukunft nicht mehr eintreten können.68) Der Vorbehalt der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses gilt nicht bei dessen insolvenzbedingter Beendigung.69) Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsfrage bislang offengelassen.70) 39
Bei nur widerruflichem Bezugsrecht zugunsten eines Gesellschafters oder Arbeitnehmers ist in der Insolvenz der Gesellschaft oder des Arbeitgebers der Insovenzverwalter zur Änderung des Bezugsrechts befugt im Umfange wie die Gesellschaft oder der Arbeitgeber von der Insolvenz. Es besteht selbst dann kein Aussonderungsrecht, wenn die Prämien aus der dem Gesellschafter zustehenden Vergütung gezahlt71) oder aufgrund einer Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG vom Lohn des Arbeitnehmers abgezogen wurden oder die Anwartschaft arbeitsvertraglich unverfallbar ist.72) In diesem Fall erwirbt der Arbeitnehmer den Anspruch erst mit Eintritt des Versicherungsfalls (§ 159 Abs. 2 VVG – kein Fall der Aussonderung). Vorher hat der Gesellschafter oder Arbeitnehmer lediglich eine rechtlich nicht geschützte Aussicht auf den Erwerb eines Anspruchs bzw. Aussonderungsrechts.73)
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Finanziert der Arbeitgeber eine Versorgungszusage zugunsten des Arbeitnehmers mittels einer Rückdeckungsversicherung, ist er deren Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigter und kann der Arbeitnehmer keinerlei Rechte aussondern;74) er kann aber abgesonderte Befriedigung geltend machen, soweit ihm die Rechte aus der Versicherung abgetreten oder verpfändet sind. V. Durchsetzung der Aussonderung 1.
41
Anspruchsgrundlage und Umfang
Anspruchsgrundlage und Inhalt des Aussonderungsanspruchs richten sich nach Normen außerhalb der InsO (Satz 2), also die Aussonderung eines Grundstücks bei Unrichtigkeit des Grundbuchs durch Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB oder durch Eintragung eines Widerspruchs gemäß § 899 BGB, der Anspruch auf Herausgabe einer beweglichen Sache durch Übertragung des Besitzes gemäß § 985 BGB, bei Miteigentum durch Feststellung dieses Rechts und/oder die Ein_____________ 68) BGH, Urt. v. 3.5.2006 – IV ZR 134/05, ZIP 2006, 1309 Rz. 10 = ZInsO 2006, 710, dazu EWiR 2006, 661 (Gundlach/Frenzel); BGH, Urt. v. 8.6.2005 – IV ZR 30/04, ZInsO 2005, 768, 769 = ZIP 2005, 1373; LAG Köln, Urt. v. 11.5.2006 – 10 Sa 1636/05, Rz. 18, – juris, Kurzwiedergabe: ArbRB 2006, 328 (Abs. 18). 69) BGH, Urt. v. 8.6.2005 – IV ZR 30/04, ZInsO 2005, 768, 769 = ZIP 2005, 1373; LAG Niedersachsen, Urt. v. 9.3.2007 – 3 Sa 1012/06 B, Rz. 41, – juris; LAG Hamm, Urt. v. 22.9.2006 – 4 Sa 629/06, ZIP 2007, 291 Rz. 74, dazu EWiR 2007, 307 (Blank/Petersen); a. A. LG Dresden, Urt. v. 24.7.2006 – 10 O 0905/06, ZInsO 2006, 998, 999 f – für einen Gesellschafter-Geschäftsführer. 70) BAG, Urt. v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, ZIP 2010, 1915 ff = NZI 2011, 30. 71) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 264/01, ZIP 2002, 1696, 1697 f = ZInsO 2002, 878. 72) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 264/01, ZIP 2002, 1696, 1697 f = ZInsO 2002, 878; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.1.2007 – 12 U 185/06, ZIP 2007, 286, 289 = NZI 2008, 188, dazu EWiR 2007, 405 (Schröder); BAG, Urt. v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, ZIP 2010, 1915 ff = NZI 2011, 30; BAG, Urt. v. 18.9.2012 – 3 AZR 176/10, ZIP 2012, 2269 Rz. 15. 73) BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 99/11, ZIP 2012, 636, dazu EWiR 2012, 229 (Huber). 74) Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 17.
356
Bremen
§ 47
Aussonderung
räumung von Mitbesitz, bei Gemeinschaften durch Teilung bzw. Auseinandersetzung.75) 2.
Geltendmachung des Anspruchs
a) Gegenüber dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist zur Aussonderung nicht verpflichtet; sein Aufgabe besteht in der Sicherung und Erhaltung des Vermögens des Schuldners (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Aussonderungsansprüchen kann er i. Ü. mit einer Anordnung durch das Gericht gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 5 begegnen (vgl. dazu § 21 Rz. 26 ff).
42
Der Aussonderungsanspruch muss beim Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Ohne dessen Einwilligung ist der Gläubiger nicht berechtigt, die Räume des Schuldners zu betreten oder gar den Aussonderungsgegenstand dort wegzunehmen.76)
43
Wird der Aussonderungsanspruch geltend gemacht, so hat der Verwalter die Berechtigung des Begehrens sorgfältig zu prüfen. Er darf diese Aufgabe nicht auf Mitglieder des Gläubigerausschusses übertragen.77)
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Führt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Aussonderungsrecht besteht, so erkennt der Verwalter es an. Dies erfolgt regelmäßig im Wege der „unechten Freigabe“ (vgl. dazu § 35 Rz. 20). Handelt es sich um einen Gegenstand von besonderem Wert, so hat der Verwalter vor der Freigabe gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht besteht, die der Gläubigerversammlung einzuholen (§ 160 Abs. 1 Satz 2). Ist die einberufene Gläubigerversammlung beschlussunfähig, so gilt die Zustimmung als erteilt (§ 160 Abs. 1 Satz 3). Vor der Beschlussfassung der genannten Gremien hat er den Schuldner zu unterrichten (§ 161 Satz 1).
45
b) Gerichtliche Geltendmachung
Der Streit zwischen Aussonderungsberechtigtem und Insolvenzverwalter über Bestehen oder Umfang des Aussonderungsrechts oder die Verweigerung des Insolvenzverwalters, das Aussonderungsrecht aus anderen Gründen anzuerkennen, ist ein Streit außerhalb des Insolvenzverfahrens und eröffnet daher den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten. Funktionell zuständig ist das Prozess-, nicht das Insolvenzgericht.78)
46
Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 23, 71 GVG, im Einzelfall nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG (Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen).79)
47
Örtlich zuständig für Klagen gegen den Insolvenzverwalter ist das Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts (§ 19a ZPO) Da es sich jedoch um keinen ausschließlichen
48
_____________ 75) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 75. 76) OLG Köln, Urt. v. 2.4.1987 – 12 U 169/86, ZIP 1987, 653, 654, dazu EWiR 1987, 701 (Lenzen). 77) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 78. 78) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 90. 79) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 91.
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§ 48
Ersatzaussonderung
Gerichtsstand handelt,80) kommen auch besondere Gerichtsstände in Betracht. Klagt hingegen der Insolvenzverwalter, richtet sich die örtliche Zuständigkeit zunächst nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten.81) 3. 49
4. 50
Kosten der Aussonderung
Ist das Aussonderungsrecht anerkannt, braucht der Verwalter den Gegenstand nur zur Abholung bereitzustellen (keine Bringschuld nach § 269 BGB), weitere Verpflichtungen treffen ihn nicht.82) Vorbehaltlich anderer Vereinbarungen83) fallen bei der Aussonderung entstehende Kosten der Masse zur Last;84) das folgt im Umkehrschluss auch aus den Regeln über die Kostenbeiträge (§§ 170, 171), die nur bei Absonderungsrechten gelten, es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart. Aufgabe des Rechts
Für den Aussonderungsberechtigten besteht keine Verpflichtung, die Aussonderung auch durchzuführen. Selbst wenn er sein Recht beim Verwalter geltend gemacht hat, kann er seine Rechtsposition wieder aufgeben.85) _____________ 80) BayObLG, Urt. v. 17.1.2003 – 1Z AR 162/02, ZIP 2003, 541, 542. 81) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 92. 82) AG Bonn, Urt. v. 27.7.2006 – 3 C 91/06, Rz. 15, – juris; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 81. 83) OLG Köln, Urt. v. 2.4.1987 – 12 U 169/86, ZIP 1987, 653, 654. 84) BGH, Urt. v. 26.5.1988 – IX ZR 276/87, ZIP 1988, 853, 854 = NJW 1988, 3264, 3265, dazu EWiR 1988, 701 (Eickmann); LG Bonn, Urt. v. 21.12.2006 – 6 S 264/06, Rz. 4, – juris. 85) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 47 Rz. 88.
§ 48 Ersatzaussonderung 1
Ist ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden, so kann der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht. 2Er kann die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist. Literatur: Ganter, Zweifelsfragen bei der Ersatzaussonderung und Ersatzabsonderung, NZI 2005, 1; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, Nochmals – die sogenannte zweite Ersatzaussonderung, KTS 2003, 69; Mitlehner, Verwertungsvereinbarungen im Insolvenzverfahren, ZIP 2012, 649; Marotzke, Insolvenzrechtliche Probleme bei Untermietverträgen über Immobilien, ZInsO 2007, 1. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Veräußerung des Aussonderungsgegenstandes ......................................... 1. Begriff der Veräußerung ....................... 2. Zeitpunkt ...............................................
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1 2 2 5
3. 4. III. 1.
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Entgeltlichkeit ....................................... 6 Unberechtigte Veräußerung ................. 8 Anspruchsinhalt ................................... 9 Gegenstand der Ersatzaussonderung ............................................. 9
§ 48
Ersatzaussonderung 2. Unterscheidbarkeit ............................. 12 IV. Zweite Ersatzaussonderung .............. 17
I.
V. Vorläufiger Insolvenzverwalter ....... 18 VI. Ersatzabsonderung ............................. 19
Normzweck
§ 48 trägt dem Surrogationsgedanken bei Verfügungen Nichtberechtigter (§§ 286 Abs. 1, 816 Abs. 2 BGB) Rechnung. Die Ersatzaussonderung im Gegensatz zu § 46 KO, § 26 Abs. 1 VerglO auf unberechtigte Verfügungen nach Verfahrenseröffnung zu beschränken,1) ist der Gesetzgeber auf Vorschlag des Rechtsausschusses2) nicht gefolgt. Wird über einen Aussonderungsgegenstand vor oder nach Eröffnung des Verfahrens unberechtigt verfügt, soll der Berechtigte in der Gesamtvollstreckung nicht auf Bereicherungs- und Deliktsansprüche beschränkt sein. Die Ersatzaussonderung ist wie die Aussonderung selbst ein Aussonderungsrecht an dem in der Masse noch vorhandenen Surrogat des Aussonderungsgegenstandes.
1
II. Veräußerung des Aussonderungsgegenstandes 1.
Begriff der Veräußerung
Die Anwendung von § 48 setzt die Vereitelung eines grundsätzlich bestehenden Aussonderungsrechts durch Veräußerung voraus,3) und zwar vor Eröffnung durch den Schuldner oder nach Eröffnung durch den Insolvenzverwalter.
2
Der Begriff „Veräußerung“ ist weit zu fassen und je nach Gegenstand anders zu bestimmen. Grundsätzlich ist ein rechtsgeschäftlicher Vorgang erforderlich4) und eine Übertragung mit verfügender Wirkung, also eine Übereignung, eine Zession oder eine dingliche Belastung. Der Eigentumsverlust durch Verbindung oder Vermischung ist Realakt;5) er unterfällt § 48, wenn er in Erfüllung einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung erfolgt.6) Die Einziehung einer fremden Forderung begründet nach § 487) die Ersatzaussonderung der Zahlung des Drittschuldners.8) Eine Verwertung durch Zwangsvollstreckung oder Enteignung ist ebenfalls Veräußerung i. S. von § 48.9) Handelt es sich jedoch um einen rein originären Eigentumserwerb, ohne dass diesem ein rechtsgeschäftlicher Vorgang zugrunde lag, so handelt es sich nicht um eine Veräußerung i. S. der Vorschrift.10)
3
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6) 7) 8) 9) 10)
Begr. zu § 55 RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 125. BT-Drucks. 12/7302, S. 160. BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, ZIP 2007, 2173 Rz. 27 = NZI 2008, 21. Hess, InsO, § 48 Rz. 26. BGH, Urt. v. 11.6.1959 – VII ZR 53/58, NJW 1959, 1681; BGH, Urt. v. 15.6.1989 – IX ZR 167/88, ZIP 1989, 933, 934 = NJW 1989, 3213, dazu EWiR 1989, 1017 (Graf Lambsdorff); OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.1.2003 – 16 U 112/02, ZIP 2003, 1306, 1309 = NZI 2003, 379. BGH, Urt. v. 3.12.1987 – VII ZR 374/86, NJW 1988, 1210, 1213 = ZIP 1988, 175, dazu EWiR 1988, 241 (Wolf). BGH, Urt. v. 14.2.1957 – VII ZR 250/56, NJW 1957, 750, 752. BGH, Urt. v. 15.11.1988 –IX ZR 11/88, ZIP 1989, 118, 119 = WM 1989, 225. RG, Urt. v. 8.10.1918 – Rep. VII 164/18, RGZ 94, 20, 25. BGH, Urt. v. 15.6.1989 – IX ZR 167/88, ZIP 1989, 933 = NJW 1989, 3213.
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§ 48 4
Die rechtsgeschäftliche Gebrauchsüberlassung wie die Vermietung von Aussonderungsgut fällt nicht (auch nicht analog) unter § 48, da durch die bloße Überlassung der Substanzwert des Aussonderungsgegenstandes nicht realisiert wird.11) 2.
5
Ersatzaussonderung
Zeitpunkt
Das Aussonderungsrecht an dem veräußerten Gegenstand oder Recht muss im Zeitpunkt der Veräußerung vorliegen.12) 3.
Entgeltlichkeit
6
Die Ersatzaussonderung erfasst das Surrogat des Aussonderungsgegenstandes; daher muss die Veräußerung entgeltlich sein.13) Nur dann kann der Anspruch auf die Gegenleistung abgetreten werden. Nicht erforderlich ist die Veräußerung zum vollen Wert, sodass bei gemischter Schenkung die Ersatzaussonderung des entgeltlichen Teils erfolgt.14)
7
Bei unentgeltlicher Veräußerung hat der Aussonderungsberechtigte regelmäßig einen Anspruch gegen den Dritten aus § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB. 4.
8
Unberechtigte Veräußerung
§ 48 verlangt im Gegensatz zu § 46 KO eine unberechtigte Veräußerung;15) sie liegt nicht vor bei Einwilligung in die Veräußerung durch den Rechteinhaber oder dessen nachträglicher Genehmigung, so insbesondere bei Verwertungsvereinbarungen16) mit dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter.17) Bei verlängertem Eigentumsvorbehalt (mit Ermächtigung zur Weiterverarbeitung) oder Globalzession mit Einziehungsermächtigung des Zedenten18) ist entscheidend, ob die Veräußerung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgte, insbesondere die Ermächtigung nicht widerrufen wurde. Entscheidend ist das objektive kaufmännische Verhalten bei der Veräußerung.19) Nach Einfügung des § 21 Abs. 1 Nr. 5 kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Ermächtigung mit Anordnung eines
_____________ 11) BGH, Urt. v. 13.7.2006 – IX ZR 57/05, ZIP 2006, 1641 Rz. 11 f = ZVI 2006, 439; Marotzke, ZInsO 2007, 1, 11. 12) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 48 Rz. 9. 13) BGH, Urt. v. 16.11.2007 – IX ZR 194/04, ZIP 2008, 130 = ZVI 2009, 78, dazu EWiR 2008, 211 (Keller). 14) Jaeger-Henckel, § 48 Rz. 29; Hess, InsO, § 48 Rz. 49. 15) BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404, 1406 = ZVI 2003, 408, dazu EWiR 2003, 981 (Eckert); BGH, Urt. v. 23.9.2010 – IX ZR 212/09, ZIP 2010, 2009 = ZInsO 2010, 1929, dazu EWiR 2010, 825 (Freudenberg); OLG Köln, Beschl. v. 25.8.2004 – 2 U 91/04, ZInsO 2005, 151, 152 = NZI 2005, 37. 16) Mitlehner, ZIP 2012, 649 ff. 17) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 17 = ZInsO 2006, 493, dazu EWiR 2006, 503 (Frind); BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 191 = ZIP 2010, 739, dazu EWiR 2010, 395 (Knof). 18) BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 120/02, ZIP 2003, 1404, 1406 = ZVI 2003, 408; BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 191 = ZIP 2010, 739. 19) BGH, Urt. v. 16.3.1977 – VIII ZR 215/65, NJW 1977, 901.
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§ 48
Ersatzaussonderung
allgemeinen Verfügungsverbots oder Eröffnung des Verfahrens endet.20) Wird von einem Erlöschen der Ermächtigung ausgegangen, ist eine erneute Ermächtigung durch den Rechteinhaber erforderlich, da er außerhalb der §§ 166, 173 Abs. 2 nicht mehr zur Verwertung befugt ist. III. Anspruchsinhalt 1.
Gegenstand der Ersatzaussonderung
Die Ersatzaussonderung umfasst die gesamte Gegenleistung (einschließlich des Gewinns), auch wenn diese den Wert des Aussonderungsgegenstandes übersteigt.21) Gegenleistung ist das durch die unberechtigte Veräußerung Erlangte, bei Verarbeitung oder Vermischung aber nur der entsprechend § 441 Abs. 3 BGB zu ermittelnde Materialanteil, nicht der Anteil für die Arbeitsleistung. Nicht ersatzaussonderungsfähig ist der Anspruch nach § 143 Abs. 1, soweit die Veräußerung nach §§ 129 ff anfechtbar war.
9
Steht die Gegenleistung aus, so kann der Anspruchsberechtigte deren Abtretung verlangen (Satz 1). Ist die Gegenleistung erbracht und noch unterscheidbar in der Masse, so kann sie herausverlangt werden (Satz 2).22) Ist die Gegenleistung zwar noch nicht erbracht, kann sich aber der Aussonderungsberechtigte wegen eines Abtretungsverbots den Anspruch nicht abtreten lassen, so muss er abwarten, bis die Leistung in die Masse erfolgt ist und kann anschließend die Gegenleistung aus der Masse aussondern.
10
Die Frage, ob die Gegenleistung erbracht ist, richtet sich nach den §§ 362 ff BGB. Wann sie erbracht wurde, ist nach § 48 im Gegensatz zu § 46 Satz 2 KO unerheblich.23)
11
2.
Unterscheidbarkeit
Sie ist gegeben, wenn der konkret als Gegenleistung übertragene Gegenstand noch in der Insolvenzmasse vorhanden ist. Bei Sachleistungen bereitet dies keine Probleme.
12
Schwierigkeiten bestehen hingegen bei Geldzahlungen. Unterscheidbarkeit liegt hier zunächst vor, wenn der in bar gezahlte Geldbetrag getrennt von anderem Bargeld noch vorhanden – also nicht vermischt – ist. Bei einer Überweisung ist Unterscheidbarkeit nicht nur zu bejahen, wenn der Betrag auf ein zu diesem Zweck eingerichtetes Sonderkonto gezahlt wird, sondern auch bei Einzahlung auf ein allgemeines Guthabenkonto des Schuldners24) oder Insolvenzverwalters, wenn der Betrag aufgrund der Buchungen und der dazugehörigen Belege von dem übrigen Guthaben unterschieden werden kann. Der Betrag gilt so lange als noch vorhanden, _____________
13
20) So noch: BGH, Urt. v. 6.4.2000 – IX ZR 422/98, BGHZ 144, 192, 197 = ZIP 2000, 895, dazu EWiR 2000, 643 (Eckardt); offengelassen: BGH, Urt. v. 8.3.2007 – IX ZR 127/05, ZIP 2007, 924 = ZVI 2007, 318, dazu EWiR 2007, 529 (Henkel); nunmehr BGH, Urt. v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, BGHZ 184, 191 = ZIP 2010, 739. 21) BGH, Beschl. v. 25.9.1997 – IX ZR 291/96, NJW-RR 1998, 120; BGH, Urt. v. 3.12.1987 – VII ZR 374/86, NJW 1988, 1210 = ZIP 1988, 175. 22) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 48 Rz. 20. 23) BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZInsO 2004, 151, 152 = ZIP 2004, 326, dazu EWiR 2004, 349 (Pape). 24) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 17 = ZInsO 2006, 493.
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361
§ 48
Ersatzaussonderung
wie das Konto eine ausreichende Deckung aufweist.25) In der Zwischenzeit erfolgte andere Gut- und Lastschriften sind unerheblich, solange ein die Ersatzaussonderungsforderung deckender „Bodensatz“ vorhanden ist. Die Ersatzaussonderung ist jedoch nur bis zur Höhe des später eingetretenen niedrigsten Saldos möglich. Eine spätere Wiederauffüllung durch andere Gutschriften lässt den Anspruch nicht wieder aufleben.26) Wegen der Schuldentilgung ist keine Unterscheidbarkeit bei Überweisung auf ein im Soll geführtes Konto gegeben.27) 14
Besteht das Guthaben nur aus der Ersatzaussonderung unterliegenden Beträgen und reicht es für alle Ansprüche nicht aus, werden die Ansprüche anteilig gekürzt.28)
15
Ist Umsatzsteuer aus der unberechtigten Veräußerung angefallen und an das Finanzamt abgeführt, ist die Ersatzaussonderung auf den Nettokaufpreis geschränkt. Die Abführung der Umsatzsteuer ist ebenso wie die Buchung des Kaufpreises als solche erkenn- und bestimmbar. Der Umsatzsteueranteil der Gegenleistung befindet sich nicht mehr unterscheidbar in der Masse.29) Der Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB ist mit der Einrede des § 818 Abs. 3 BGB behaftet.30)
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Die Unterscheidbarkeit endet, insbesondere bei Zahlungen vor Verfahrenseröffnung auf ein Girokonto des Schuldners, mit der Einstellung der Zahlung in das Kontokorrent und der Bildung des Tagessaldos, der als selbständiger Anspruch pfändbar ist.31) IV. Zweite Ersatzaussonderung
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Wird die der Ersatzaussonderung unterliegende Gegenleistung (erneut) veräußert, so kommt nach denselben Grundsätzen und im Hinblick auf die Verfügung über Eigentum der Insolvenzmasse unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 285 BGB eine Ersatzaussonderung des Surrogats in Betracht;32) anderenfalls wäre der Rechteschutz durch Aussonderung unvollständig, soweit er durch Verfügungen über die unterscheidbare Gegenleistung unterlaufen werde könnte. V. Vorläufiger Insolvenzverwalter
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Hat im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis das Aussonderungsrecht durch eine wirksame Veräußerung beeinträchtigt, so kommt nach dem Wortlaut des § 48 eine Ersatzaussonderung nicht in Betracht, weil für den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung nur Verfügungen des Schuldners genannt sind. Da aber ansonsten der Zeitraum vor und nach Verfahrenseröffnung _____________ 25) BGH, Urt. v. 8.5.2008 – IX ZR 229/06, ZIP 2008, 1127 Rz. 7 = ZInsO 2008, 619, dazu EWiR 2008, 469 (Gundlach/Schmidt). 26) BGH, Urt. v. 11.3.1999 – IX ZR 164/98, ZIP 1999, 626 = NJW 1999, 1709 ff, dazu EWiR 1999, 707 (Canaris). 27) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 17 = ZInsO 2006, 493. 28) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2002 – 12 U 95/01, ZIP 2002, 947, 950, dazu EWiR 2002, 633 (Gundlach/Frenzel). 29) BGH, Urt. v. 8.5.2008 – IX ZR 229/06, ZIP 2008, 1127 Rz. 9 = ZInsO 2008, 619. 30) BGH, Urt. v. 8.5.2008 – IX ZR 229/06, ZIP 2008, 1127 Rz. 11 = ZInsO 2008, 619. 31) BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 129/81, ZIP 1982, 935 ff = NJW 1982, 2192. 32) Nicht unbestritten: vgl. i. E. Ganter, NZI 2005, 1, 6 ff; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, KTS 2003, 69; Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, § 48 Rz. 29.
362
Bremen
§ 48
Ersatzaussonderung
einheitlich von § 48 erfasst wird, ist es nicht einzusehen, den relativ kurzen Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung anders zu behandeln. § 48 ist daher analog anzuwenden.33) VI. Ersatzabsonderung
In Analogie zu § 48 ist die Ersatzabsonderung allgemein anerkannt,34) und zwar nunmehr (anders unter Geltung des § 46 Satz 2 KO) auch für den Fall, dass der Erlös vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Schuldnervermögen gelangt ist.35) Dies gilt unabhängig von der Streichung des § 60 RegE „aus Gründen der redaktionellen Straffung“,36) da hierdurch die Möglichkeit der Ersatzabsonderung nicht ausgeschlossen werden sollte.37)
19
Das Ersatzabsonderungsrecht folgt den für die Ersatzaussonderung geltenden Regeln bei unberechtigter Veräußerung eines Absonderungsgegenstandes. Anknüpfungspunkt kann auch eine Vereitelungshandlung des Schuldners sein.38) Da der Bundesgerichtshof offengelassen hat, ob eine Einziehungsermächtigung mit dem Antrag erlischt,39) ist bei einer Anordnung nach § 21 Abs. 1 Nr. 5 der vorläufige Insolvenzverwalter zur Einziehung zedierter Forderungen berechtigt40) und liegt keine unberechtigte Veräußerung nach § 48 vor, ebenso bei einer zwischen dem Gläubiger und dem vorläufigen Insolvenzverwalter geschlossenen Verwertungsvereinbarung.
20
Voraussetzung für eine Ersatzabsonderung ist die Unterscheidbarkeit der Gegenleistung im Vermögen des Schuldners.41) Bei einer Kontogutschrift ist Unterscheidbarkeit gegeben, solange sie durch Buchungen belegt ist und der positive Saldo des Kontos nicht durch Abbuchungen unter den Betrag der beanspruchten Leistung abgesunken ist. Wird das Konto im Zeitpunkt der Gutschrift im Soll geführt, so wird in dieser Höhe die Gegenleistung zur Schuldentilgung verbraucht, sodass insoweit eine gegenständlich fassbare Gegenleistung nicht mehr vorhanden ist. Ebenso wie eine zweite Ersatzaussonderung gibt es auch eine zweite Ersatzabsonderung.42)
21
_____________ 33) Str., wie hier: Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 48 Rz. 28; a. A.: Braun-Bäuerle, InsO, § 48 Rz. 89 unter Hinweis auf Begr. § 55 RegE. 34) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 17 = ZInsO 2006, 493; BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZInsO 2004, 151, 152 = ZIP 2004, 326; BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, ZIP 1998, 793, 797 = NJW 1998, 2592, 2596, dazu EWiR 1998, 699 (Eckardt); Jaeger-Henckel, InsO, § 48 Rz. 61. 35) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 23 = ZInsO 2006, 493; BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZInsO 2004, 151, 152 = ZIP 2004, 326. 36) OLG Stuttgart, Urt. v. 24.10.2001 – 9 U 28/01, ZIP 2001, 2183 = ZInsO 2002, 85, 86. 37) Begr. RA RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 5, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 582. Begr. RA RegE, BT-Drucks. 12/7302, S. 160, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 604. 38) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 22 = ZInsO 2006, 493. 39) BGH, Urt. v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 = ZVI 2006, 288, dazu EWiR 2006, 501 (Homann). 40) BT-Drucks. 16/3227, S. 16. 41) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 23 = ZInsO 2006, 493. 42) Ganter, NZI 2005, 1, 8 f.
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Vor §§ 49–52
Vorbemerkung
Vor §§ 49 – 52 Vorbemerkung Literatur: Becker, Der absonderungsberechtigte Massegläubiger: Phantom oder Wirklichkeit?, ZIP 2013, 1554; Kirchhof, Probleme bei der Einbeziehung von Aussonderungsrechten in das Insolvenzeröffnungsverfahren, ZInsO 2007, 227.
1
Bei den Absonderungsrechten steht das Sicherungsinteresse des Berechtigten, der den Schuldner kreditiert hat, im Vordergrund. Absonderungsrechte dienen dem Schutz des Gläubigers bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners. Im Fall der Insolvenz wird dem Gläubiger daher im Gegensatz zur Aussonderung, die auf eine nicht massezugehörige Sache oder Recht gerichtet ist, ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an einem Massegegenstand gewährt. Der Gläubiger erhält das Recht, den Gegenstand seiner Sicherung zwar unabhängig vom Insolvenzverfahren zu verwerten und sich aus dem Erlös zu befriedigen. Der Sicherungsnehmer ist primär an der Befriedigung seiner Forderung einschließlich Zinsen aus dem Sicherungsgut, nicht aber an dessen Nutzung, interessiert.1)
2
Dem Absonderungsrecht entspricht in der Einzelzwangsvollstreckung verfahrensrechtlich die Klage auf abgesonderte Befriedigung gemäß § 805 ZPO.
3
Das Absonderungsrecht beinhaltet die Befugnis, sich aus einem massezugehörigen Gegenstand bevorzugt, nämlich außerhalb der ansonsten geltenden Verfügungsbeschränkungen und ohne quotale Einschränkung in voller Höhe – jedoch unter Berücksichtigung der Kostenbeiträge nach §§ 170, 171 – zu befriedigen. Führt die Verwertung zu einem Überschuss, gebührt dieser der Masse.
4
Die Absonderungsrechte ergeben sich allein aus dem Gesetz. Durch Vereinbarung2) oder „Anerkennung“ des Verwalters3) können keine weiteren Rechte geschaffen werden. Selbstverständlich ist es jedoch möglich, dass der Verwalter ein gesetzlich vorgesehenes Recht, dessen Bestehen streitig ist, anerkennt oder zur Besicherung von Massekrediten selber Absonderungsrechte an Massegegenständen4) gewährt. Wer zur Absonderung berechtigt ist, regeln die §§ 49 – 51. _____________ 1) 2) 3) 4)
Kirchhof, ZInsO 2007, 227, 228. BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 154/03, ZIP 2006, 959 Rz. 11 = ZInsO 2006, 493, dazu EWiR 2006, 503 (Frind). BGH, Urt. v. 11.10.1967 – Ib ZR 144/65, KTS 1968, 91, 99 f = NJW 1968, 392. Becker, ZIP 2013, 1554.
§ 49 Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände), sind nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Literatur: Becker, Der absonderungsberechtigte Massegläubiger: Phantom oder Wirklichkeit?, ZIP 2013, 1554; Bork, Die „kalte Zwangsverwaltung“ – ein heißes Eisen, ZIP 2013, 2129; d’Avoine, Verkauf von Immobilien in der Insolvenz an einen Grundpfand-
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Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen
§ 49
rechtsgläubiger, NZI 2008, 17; Mitlehner, Verwertungsvereinbarungen im Insolvenzerfahren, ZIP 2012, 649; Molitor, Zulässigkeit der Freigabe durch Verwaltungsvereinbarung, ZInsO 2009, 231. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Gegenstände des unbeweglichen Vermögens ............................................ 2 III. Absonderungsberechtigte ................... 4 IV. Durchführung der Absonderung ....... 9 1. Antrag eines dinglichen Gläubigers ..... 10 2. Antrag des Verwalters ......................... 11 3. Freihändige Veräußerung, Befriedigung aus Nutzungen .............. 12
I.
4.
Antrag eines persönlichen Gläubigers ............................................ 15 5. Umfang ................................................ 16 V. Einstweilige Einstellung der Vollstreckung ..................................... 17 VI. Befriedigung ....................................... 18 VII. Verbraucherinsolvenzverfahren ...... 19
Normzweck
§ 49 ermöglicht Gläubigern mit einem Recht auf Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen der Insolvenzmasse die Befriedigung aus dem Veräußerungserlös. Die Durchführung der abgesonderten Befriedigung erfolgt außerhalb des Insolvenzverfahrens nach dem ZVG.
1
II. Gegenstände des unbeweglichen Vermögens
Diese bestimmen sich nach allgemeinen Vorschriften (§§ 864, 865 ZPO, §§ 93 ff, 97 f, 1120 ff BGB, §§ 171a, 171c ZVG). Es sind Grundstücke (§ 864 Abs. 1 ZPO), grundstücksgleiche Rechte (z. B. Erbbaurecht, Gebäudeeigentum, Wohnungseigentum (§ 864 Abs. 1, § 870 ZPO), Miteigentum an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (§ 864 Abs. 2 ZPO), eingetragene Schiffe und Schiffsbauwerke (§ 870a ZPO), Luftfahrzeuge (§§ 171a, 171c ZVG) sowie die Gegenstände im Haftungsverband der Hypothek (§§ 1120 ff BGB).1) In der Insolvenz des Zedenten gewährt die Sicherungsabtretung eines Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld ein Absonderungsrecht nur, wenn die Revalutierung der Grundschuld nicht oder nicht mehr mit Zustimmung des Zessionars in Betracht kommt.2)
2
Der Haftungsverband der Hypothek umfasst getrennte Erzeugnisse, sonstige Bestandteile und Zubehör im Eigentum des Grundstückseigentümers (§ 1120 BGB). Die Haftung erstreckt sich auch auf die Eigentumsanwartschaft am Zubehör,3) Miet- bzw. Pachtforderungen (§ 1123 Abs. 1 BGB),4) wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück (§ 1126 Satz 1 BGB) sowie Versicherungsansprüche (§ 1127 Abs. 1 BGB). Deren Beschlagnahme ist nicht erforderlich; der Haftungsverband gewährt lediglich ein Recht auf die Forderungen, nicht aber an ihnen, weshalb der Schuldner bis zur Beschlagnahme, die die Befriedigung einleitet, frei über sie ver-
3
_____________ 1) 2) 3) 4)
Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 49 Rz. 10. BGH, Urt. v. 10.11.2011 – IX ZR 142/10, ZIP 2011, 2364 = NZI 2012, 17, dazu EWiR 2012, 181 (Weiß). BGH, Urt. v. 10.4.1961 – VIII ZR 68/60, NJW 1961, 1349 f = BGHZ 35, 85. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 Rz. 11 = ZInsO 2006, 1321, dazu EWiR 2007, 83 (Neußner); BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 Rz. 3 = ZVI 2006, 448, dazu EWiR 2007, 281 (Freudenberg).
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§ 49
Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen
fügen kann.5) Grundpfandgläubiger können daher nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihr Absonderungsrecht an den gemäß §§ 1123, 1124 BGB mithaftenden Mieten und Pachten nicht durch Forderungspfändung verfolgen.6) Die Haftung von Bestandteilen, Erzeugnissen und Zubehör des Grundstücks ist jedoch nicht unbegrenzt. Es kann vielmehr nach §§ 1121, 1122 BGB eine Enthaftung erfolgen. III. Absonderungsberechtigte 4
Absonderungsberechtigt ist grundsätzlich, wem ein besonderes Recht zur Befriedigung aus dem jeweiligen zur Masse gehörenden, unbeweglichen Vermögen zusteht. Das konkrete Befriedigungsrecht folgt daher auch nicht aus der InsO, sondern aus allgemeinen Vorschriften. Die Rangfolge der Befriedigungsrechte ergibt sich aus § 10 ZVG.
5
Der Regelfall eines Absonderungsrechts an unbeweglichem Vermögen sind die Rechte dinglich gesicherter Gläubiger, für die im Grundbuch ein besonderes Recht eingetragen ist, also Hypotheken (§ 1113 BGB), Grundschulden (§ 1191 BGB), Rentenschulden (§ 1199 BGB) und Reallasten (§ 1105 BGB). Dieses Recht muss im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens eingetragen sein, es sei denn, es ist bereits durch eine eingetragene Vormerkung (§ 883 BGB) gesichert (§ 106 Abs. 1).
6
Daneben weist § 10 ZVG – vorrangig – bestimmten Gläubigern ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück und damit ein Absonderungsrecht zu, das nicht auf einer speziellen dinglichen Sicherheit, sondern aufgrund gesetzlicher Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 1–3 ZVG beruht.7)
7
Öffentliche Lasten, die bei hoheitlichem Handeln und der Ausstellung von Gebührenbescheiden in Form von Verwaltungsakten vorliegen, begründen ein Absonderungsrecht.8)
8
Persönliche Gläubiger mit lediglich schuldrechtlichen Ansprüchen können vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben; ein Absonderungsrecht entsteht für sie gemäß § 10 Nr. 5 ZVG im Zeitpunkt der wirksamen Beschlagnahme des Grundstücks,9) die wegen § 91 Abs. 1 vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geworden sein muss (Rz. 15). _____________ 5)
6)
7) 8) 9)
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BGH, Urt. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 = ZIP 2010, 38, dazu EWiR 2010, 191 (Eckardt); dazu hinsichtlich des Bestehens eines Absonderungsrechts aufgrund des Hypothekenverbandes inkonsistent: BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 = ZInsO 2006, 1321, der eine Gläubigerbenachteiligung der grundpfandrechtlich gesicherten Bank bei der Anfechtung einer Verrechnung eines Darlehens mit einem Kontoguthaben aufgrund sicherungszedierter Mieten wegen eines Absonderungsrecht an den Mietforderungen verneint; dazu EWiR 2007, 83 (Neußner); Bork, ZIP 2013, 2129, 2131 f; K. SchmidtThole, InsO, § 49 Rz. 14. BGH, Beschl. v. 13.11.2008 – IX ZB 201/06, GE 2009, 260 Rz. 5 = JurBüro 2009, 162; BGH, Beschl. v. 26.10.2006 – IX ZB 155/05, GuT 2007, 138; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 Rz. 3 = ZVI 2006, 448. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 49 Rz. 14. OLG Brandenburg, Urt. v. 7.3.2007 – 7 U 105/06, Rz. 22 f, juris. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 49 Rz. 15.
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Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen
§ 49
IV. Durchführung der Absonderung
Die Absonderung gemäß § 49 wird durch Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung außerhalb der Insolvenz auf Antrag betrieben. Pfändungen des Grundpfandrechtsgläubigers nach Verfahrenseröffnung aufgrund des Grundpfandrechts auch in einzelne Gegenstände des Hypothekenverbandes wie z. B. Miet- oder Pachtforderungen10) zum Zwecke der – isolierten – abgesonderten Befriedigung sind daher unzulässig. Zulässig ist außerhalb der Verfahren der Zwangsversteigerung und -verwaltung alleine eine isolierte Pfandklage aufgrund des Absonderungsrechts, aus deren Titel sodann die Vollstreckung betrieben wird.11) 1.
Antrag eines dinglichen Gläubigers
Sowohl die dinglichen Gläubiger als auch die in § 10 Nr. 1 – 4 ZVG Genannten können die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung betreiben. Ist ein Verfahren zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung anhängig, so wird es nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen, sondern nach § 80 Abs. 2 Satz 2 fortgesetzt.12) 2.
10
Antrag des Verwalters
Auch der Verwalter kann nach § 165 einen Antrag stellen, wenn der unbewegliche Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört und er seine Stellung nachweist. Für das Verfahren gelten die Sonderregelungen in §§ 172 ff ZVG. 3.
9
11
Freihändige Veräußerung, Befriedigung aus Nutzungen
Zum Zwecke der Erzielung besserer Erlöse und der Masse zufließender Anteile (vgl. zu deren Versteuerung: § 55 Rz. 39), mit denen gerade in Fällen wertausschöpfender Belastung in der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung regelmäßig nicht zu rechnen ist, werden in der Praxis häufig die Verwertung durch freihändige Veräußerung mit Zustimmung der Gläubigerversammlung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1) und die kalte Zwangsverwaltung13) gewählt. Auch dieser Weg wird als Realisierung des Absonderungsrechts angesehen (§ 165 Rz. 22).14)
12
Grundlage sind rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen Schuldner (bei Eigenverwaltung) oder Insolvenzverwalter einerseits und dem absonderungsberechtigten Grundschuldgläubiger andererseits, die – freilich ohne deren rechtliche Wirkung haben zu können – die Beschlagnahme der Zwangsverfahren quasi dadurch ersetzen, dass sie die Modalitäten freihändiger Verwertung und Verwaltung des Grundstücks
13
_____________ 10) BGH, Urt. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 = ZIP 2010, 38. 11) BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 120/10, ZIP 2011, 123 ff, dazu EWiR 2011, 715 (Eckert), zur Pfandklage der WEG zwecks Herbeiführung der Beschlagnahme wegen rückständiger vorinsolvenzlicher Hausgeldansprüche, gerichtet auf Duldung der Zwangsversteigerung. 12) BGH, Urt. v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, BGHZ 172, 16 ff = ZIP 2007, 983, dazu EWiR 2007, 319 (Naraschewski); Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 49 Rz. 18. 13) Bork, ZIP 2013, 2129 ff. 14) BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 53/09, ZIP 2011, 387 = ZInsO 2011, 389, dazu EWiR 2011, 357 (Köster); BGH, Urt. v. 7.5.1987 – IX ZR 198/85, ZIP 1987, 764, 767 = Rpfleger 1987, 427; BGH, Urt. v. 10.3.1967 – V ZR 72/64, NJW 1967, 1370; d’Avoine, NZI 2008, 17; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 651.
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§ 49
Abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen
regeln, einschließlich und insbesondere der Verteilung erzielter Erlöse zwischen dem absonderungsberechtigten Grundschuldgläubiger und dem Schuldner/Insolvenzverwalter.15) Die Erlösauskehransprüche des Grundpfandrechtsgläubigers bzgl. der Nutzungen (Mieten, Pacht) sind Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und wegen des Fehlens einer Beschlagnahmewirkung keine Zahlungen auf ein Absonderungsrecht, es sei denn, die Ansprüche auf die Nutzungen werden i. R. der kalten Zwangsverwaltung an den Grundpfandrechtsgläubiger abgetreten.16) 14
Die abgesonderte Befriedigung aus dem Erlös entfällt, soweit die Belastungen nach der Veräußerung bestehen bleiben.17) 4.
15
5. 16
Antrag eines persönlichen Gläubigers
Ein persönlicher Gläubiger im Range des § 10 Nr. 5 ZVG ist im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht absonderungsberechtigt. Dieses Recht entsteht erst durch die Beschlagnahme (Rz. 8). Wegen § 89 Abs. 1 kommt der Antrag eines persönlichen Gläubigers nur in Betracht, wenn die Beschlagnahme vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – und zwar wegen § 88 nicht erst im letzten Monat vor der Beantragung des Insolvenzverfahrens – eingetreten ist.18) Umfang
Nach Insolvenzeröffnung fällig werdende Ansprüche auf Kosten und Zinsen werden von dem Recht auf abgesonderte Befriedigung erfasst.19) V. Einstweilige Einstellung der Vollstreckung
17
Nach § 30d ZVG kann auf Antrag des Insolvenzverwalters unter den Voraussetzungen des § 153b ZVG eine einstweilige (vollständige oder teilweise) Einstellung der Zwangsversteigerung erfolgen. VI. Befriedigung
18
Aufgrund der Verweisung auf das ZVG erfolgt die Befriedigung in der Rangfolge des § 10 ZVG nach den Regelungen in §§ 105 ff ZVG. Das bedeutet, dass vom Verwertungserlös zunächst die Kosten beglichen werden (§ 109 Abs. 1 ZVG). Der Überschuss wird dann in der Rangfolge des § 10 ZVG an die Absonderungsberechtigten verteilt (§ 109 Abs. 2 ZVG). § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG bestimmt, dass zum Ersatz der Kosten der Feststellung der beweglichen Gegenstände, auf die sich die _____________ 15) Einzelheiten bei Bork, ZIP 2013, 2129 ff; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – 6 U 5584/91, ZIP 1993, 135, 136 = WM 1993, 434; zu der Frage, ob diese durch eine Freigabe beendet werden kann, vgl. Molitor, ZInsO 2009, 231 ff. 16) Becker, ZIP 2013, 1554 ff; Bork, ZIP 2013, 2129, 2132 f; Mitlehner, ZIP 2012, 649, 654; a. A.: Ganter in: MünchKomm-InsO, vor §§ 49–52 Rz. 100a. 17) BGH, Urt. v. 11.3.2010 – IX ZR 34/09, ZIP 2010, 791 Rz. 8 = NZI 2010, 399; BGH, Urt. v. 18.2.2010 – IX ZR 101/09, ZIP 2010, 994 Rz. 11 = ZInsO 2010, 914, dazu EWiR 2010, 431 (Büchler). 18) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 49 Rz. 21. 19) BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZR 46/08, ZIP 2008, 2276 Rz. 6 = ZInsO 2008, 1324; BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZR 132/07, ZIP 2008, 1539 Rz. 7 f = ZInsO 2008, 915, dazu EWiR 2009, 89 (Gundlach/Frenzel); OLG Köln, Urt. v. 27.6.2007 – 2 U 137/06, ZIP 2007, 1614, 1615 = NZI 2007, 528, dazu EWiR 2007, 569 (Mitlehner).
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§ 50
Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger
Versteigerung erstreckt, 4 % des nach § 74a Abs. 5 Satz 2 ZVG festgesetzten Wertes an die Insolvenzmasse abzuführen sind. VII. Verbraucherinsolvenzverfahren
Nach § 313 Abs. 3 a. F. ist der Treuhänder zur Verwertung von Gegenständen, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestehen, nicht berechtigt (§ 313 a. F. Rz. 23).
19
§ 50 Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger (1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt. (2) 1Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters kann im Insolvenzverfahren wegen der Miete oder Pacht für eine frühere Zeit als die letzten zwölf Monate vor der Eröffnung des Verfahrens sowie wegen der Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist, nicht geltend gemacht werden. 2Das Pfandrecht des Verpächters eines landwirtschaftlichen Grundstücks unterliegt wegen der Pacht nicht dieser Beschränkung. Literatur: Ganter, Die Verwertung von Gegenständen mit Absonderungsrechten im Lichte der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH, ZInsO 2007, 841; Klasmeyer/ Elsner/Ringstmeier, Ausgewählte Probleme bei der Verwertung von Mobiliarsicherheiten, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1083. Übersicht I. II. III. 1.
I.
Normzweck ........................................... Arten der Pfandrechte ......................... Rechtsgeschäftliche Pfandrechte ....... Rechtsgeschäftliches Pfandrecht an beweglichen Sachen ...............................
1 2 3 3
2.
Rechtsgeschäftliches Pfandrecht an Forderungen und sonstigen Rechten ..... 6 IV. Gesetzliche Pfandrechte ...................... 7 V. Pfändungspfandrecht .......................... 9 VI. Realisierung des Absonderungsrechts ................................................... 10
Normzweck
Bei dem Pfandrecht handelt es sich um das klassische Absonderungsrecht. Während § 49 Sicherungsrechte an Immobilien betrifft, regelt § 50 solche an beweglichen Sachen, Rechten und Forderungen.
1
II. Arten der Pfandrechte
§ 50 nennt die drei möglichen Arten von Pfandrechten: das rechtsgeschäftliche Pfandrecht, das Pfändungspfandrecht und das gesetzliche Pfandrecht. Die in § 50 geregelten Pfandrechte betreffen bewegliche Sachen, Forderungen und übertragbare Rechte. Die in den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften1) geregelten Entstehungstatbestände sind unterschiedlich. Bei Kollision mehrerer Pfandrechte an _____________ 1)
Einzelheiten bei Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 50 Rz. 6 ff.
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2
§ 50
Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger
ein und derselben Sache oder Recht gilt der Prioritätsgrundsatz bzgl. der Begründung des Pfandrechts (§ 1209 BGB), nicht bzgl. der Forderung.2) III. Rechtsgeschäftliche Pfandrechte 1.
Rechtsgeschäftliches Pfandrecht an beweglichen Sachen
3
Nicht von § 50 erfasst, werden bewegliche Sachen, die nach § 1120 BGB zum Haftungsverband der Hypothek gehören (vgl. hierzu § 49 Rz. 3). Das Pfandrecht erstreckt sich auf die von der Pfandsache getrennten Erzeugnisse (§ 1212 BGB) und auf Sachen, die gemäß § 97 BGB als Zubehör anzusehen sind (§ 311c BGB).
4
Die Entstehung des Pfandrechts an beweglichen Sachen erfolgt durch Bestellung (Einigung zwischen Eigentümer und Gläubiger über das Entstehen eines Pfandrechts und die Übergabe der Pfandsache an den Gläubiger, §§ 1204 ff, 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist der Gläubiger bereits im Besitz der Pfandsache, so ist die Einigung ausreichend (§ 1205 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ist der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer, lassen die Übertragung des mittelbaren Besitzes und die Anzeige der Verpfändung gegenüber dem unmittelbaren Besitzer das Pfandrecht (§ 1205 Abs. 2 BGB) entstehen. Dagegen ist die Vereinbarung eines Besitzkonstituts i. S. von § 930 BGB nicht ausreichend. Daneben ist ein Erwerb des Pfandrechts nach § 366 HGB möglich.
5
Auch nach § 811 ZPO unpfändbare Sachen sind rechtsgeschäftlich verpfändbar. Der gutgläubige Erwerb eines Pfandrechts an einer dem Verpfänder nicht gehörenden Sache erfolgt nach §§ 1207, 932, 934, 935 BGB; es gewährt im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verpfänders jedoch kein Absonderungsrecht, da die fremde Sache nicht massezugehörig ist (§ 36). 2.
6
Rechtsgeschäftliches Pfandrecht an Forderungen und sonstigen Rechten
Die rechtsgeschäftliche Bestellung eines Pfandrechts an Rechten ist in §§ 1273 ff BGB, die an Forderungen in §§ 1279 ff BGB und spezialgesetzlichen Regelungen enthalten (Pfandrecht an Grund- und Rentenschulden, § 1291 BGB; Verpfändung eines Wechsels oder anderen Orderpapiers, § 1292 BGB; Pfandrecht an Inhaberpapieren, § 1293 BGB). Die Verpfändung eines Rechts setzt immer dessen Übertragbarkeit voraus (§ 1274 Abs. 2 BGB) und erfolgt nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften (§ 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei einer Forderung ist gemäß § 1280 BGB zusätzlich die Anzeige des Gläubigers an den Schuldner erforderlich. Eine verpfändete noch nicht fällige Forderung gilt gemäß § 41 Abs. 1 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fällig, sodass das Absonderungsrecht geltend gemacht werden kann. IV. Gesetzliche Pfandrechte
7
Die im Bürgerlichen und im Handelsrecht geregelte Vielzahl gesetzlicher Pfandrechte, werden nach ihrer Entstehung wie rechtsgeschäftlich bestellte Pfandrechte behandelt (§ 1257 BGB). Bei ihrer Entstehung ist zu unterscheiden: ein Besitzpfandrecht entsteht, wenn der Pfandgläubiger vertragsgemäß zu einem Zeitpunkt _____________ 2)
370
BGH, Urt. v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183, 190 = ZIP 1993, 1662, dazu EWiR 1993, 1141 (Gerhardt).
Bremen
Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger
§ 50
Besitzer des Pfandgegenstandes ist, zu dem ihm eine vertragliche Forderung zusteht (Werk-Unternehmerpfandrecht, § 647 BGB; Pfandrechte des Kommissionärs, § 397 HGB, Frachtführers, § 441 HGB, Lagerhalters, § 475b HGB, Verfrachters, § 623 HGB, Beförderers, § 674 HGB, Vergütungsberechtigten, § 726 HGB). Besitzlose Pfandrechte entstehen durch die Hinterlegung bzw. Einbringung der Pfandsache. Hierzu zählen die Pfandrechte der Hinterleger (§ 233 BGB), Vermieter (§ 562 BGB), Verpächter (§ 592 BGB) und Gastwirte (§ 704 BGB). Das Vermieter- bzw. Verpächterpfandrecht berechtigt zu einer abgesonderten Befriedigung jedoch nur für Miet- oder Pachtforderungen aus dem letzten Jahre vor Insolvenzeröffnung3) oder für eine Entschädigung, die infolge einer Kündigung des Insolvenzverwalters zu zahlen ist (Abs. 2 Satz 1). Diese Einschränkung gilt gemäß Absatz 2 Satz 2 jedoch nicht für den Verpächter eines landwirtschaftlichen Grundstücks.
8
V. Pfändungspfandrecht
Die Entstehung eines Pfändungspfandrechts ist sowohl für bewegliche Sachen als auch für Forderungen in § 804 ZPO geregelt. Außerdem kann ein Pfändungspfandrecht durch die Vollziehung eines Arrests entstehen (§§ 930 ff ZPO). Zur wirksamen Entstehung eines Pfändungspfandrechts ist die Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 808 ZPO bzw. ein Pfändungsbeschluss nach § 829 ZPO erforderlich. Absonderungskraft hat das Pfändungspfandrecht nur, wenn es – vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und ggf. vor der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 3 – wirksam begründet worden ist.4) Die Beschlagnahme einer Forderung nach § 111c Abs. 2 Satz 1 StPO verschafft kein Pfändungspfandrecht,5) sondern führt lediglich zu einem mit Eröffnung des Verfahrens entfallenden Veräußerungsverbot (§ 111g Abs. 5 StPO), desgleichen nicht der zur Rückgewinnungshilfe angeordnete dingliche Arrest, es sei denn, diese strafprozessualen Maßnahmen wurden durch vorinsolvenzliche insolvenzfeste Vollstreckungen vollzogen (str.).6)
9
VI. Realisierung des Absonderungsrechts
Wird das Pfandrecht bestritten, muss der Gläubiger im Wege der Pfandklage (Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung, beim Pfändungspfandrecht: auch Feststellungsklage) vorgehen.
_____________ 3) 4) 5) 6)
Vgl. auch LG Mönchengladbach, Urt. v. 28.2.2003 – 2 O 111/02, ZIP 2003, 1311 = ZInsO 2003, 527, 528, dazu EWiR 2003, 771 (Blank). BGH, Urt. v. 20.3.2008 – IX ZR 2/07, ZIP 2008, 796 Rz. 8 = ZVI 2008, 399. BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 41/05, ZIP 2007, 1338 = ZInsO 2007, 709, dazu EWiR 2007, 693 (Malitz). Zur Frage seiner Aufhebung alleine aufgrund der Verfahrenseröffnung bejahend: BGH, Beschl. v. 15.3.2013 – 2 Ws 561/12, 2 Ws 590/12, ZIP 2013, 552; OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.11.2013 – 2 Ws 508/13, ZIP 2013, 2489 ff, dazu EWiR 2014, 199 (Neußner), selbst bei Vollzug durch Pfändung; verneinend: OLG Hamm, Beschl. v. 20.6.2013 – 2 Ws 80/13, ZIP 2013, 2485 ff; KG Berlin, Beschl. v. 10.6.2013 – 141 AR 168/13, ZIP 2013, 2483 ff.
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10
§ 51
Sonstige Absonderungsberechtigte
11
Nach der Verweisung in Absatz 1 erfolgt die abgesonderte Befriedigung gemäß den §§ 166 – 173.7) Ist der Verwalter im Besitz der Absonderungssache (§ 166 Rz. 3) oder handelt es sich um eine Forderung (§ 166 Rz. 4), ist er gemäß § 166 zur Verwertung berechtigt. Er hat dem absonderungsberechtigten Gläubiger auf dessen Verlangen Auskunft über den Zustand der Sache (§ 167 Abs. 1, vgl. dazu § 167 Rz. 2 ff) bzw. über die Forderung zu geben (§ 167 Abs. 2, vgl. dazu § 167 Rz. 5). Kennt der Absonderungsberechtigte die Sache nicht und ist sein Auskunftsbegehren daher nicht auf den Zustand der Sache beschränkt, so ergibt sich sein Auskunftsanspruch jedenfalls als Nebenrecht seines Absonderungsrechts.8) Vor der Veräußerung eines mit einem Absonderungsrecht belegten Gegenstandes hat er dem Absonderungsberechtigten die Art der Veräußerung mitzuteilen (§ 168 Abs. 1 Satz 1, siehe § 168 Rz. 2), um ihm die Möglichkeit einzuräumen, auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit hinzuweisen (§ 168 Abs. 1 Satz 2) oder sein Eintrittsrecht geltend zu machen (§ 168 Abs. 3 Satz 1, siehe § 168 Rz. 4).
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Eine Verwertung durch den Gläubiger kommt nur in Betracht, wenn der Verwalter gemäß § 173 nicht zur Verwertung berechtigt ist oder er den Gegenstand gemäß § 170 Abs. 2 dem Gläubiger zur Verwertung überlassen hat (§ 170 Rz. 3).
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Die abgesonderte Befriedigung erfolgt für Hauptforderung, Zinsen und Kosten; die Verteilung des Erlöses nach § 367 BGB, soweit nicht § 497 Abs. 3 BGB eingreift. _____________ 7) 8)
Vgl. dazu: Klasmeyer/Elsner/Ringstmeier in: Kölner Schrift, S. 1083, 1086 Rz. 14 ff. BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZInsO 2004, 151, 152 = ZIP 2004, 326, dazu EWiR 2004, 349 (Pape).
§ 51 Sonstige Absonderungsberechtigte Den in § 50 genannten Gläubigern stehen gleich: 1.
Gläubiger, denen der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache übereignet oder ein Recht übertragen hat;
2.
Gläubiger, denen ein Zurückbehaltungsrecht an einer Sache zusteht, weil sie etwas zum Nutzen der Sache verwendet haben, soweit ihre Forderung aus der Verwendung den noch vorhandenen Vorteil nicht übersteigt;
3.
Gläubiger, denen nach dem Handelsgesetzbuch ein Zurückbehaltungsrecht zusteht;
4.
Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit ihnen zoll- und steuerpflichtige Sachen nach gesetzlichen Vorschriften als Sicherheit für öffentliche Abgaben dienen.
Literatur: Klasmeyer/Elsner/Ringstmeier, Ausgewählte Probleme bei der Verwertung von Mobiliarsicherheiten, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1083. Übersicht I.
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Normzweck ........................................... 1
II. Sicherungsübereignung und -abtretung (Nr. 1) ................................ 2
Bremen
§ 51
Sonstige Absonderungsberechtigte 1. 2.
Entstehung ............................................ 3 Das Sicherungsrecht in der Insolvenz ............................................... 6 III. Eigentumsvorbehalt (Nr. 1) ............... 9
I.
IV. Zurückbehaltungsrechte (Nr. 2, 3) .............................................. 13 V. Sicherheiten für öffentliche Abgaben (Nr. 4) ................................. 19 VI. Weitere Absonderungsrechte ........... 21
Normzweck
Die Vorschrift schafft neben §§ 49, 50 weitere Absonderungsrechte. Mit der Nennung von Sicherungsübereignung und -abtretung als Hauptfälle der Sicherungsübertragung ist die bisher h. M.1) kodifiziert.
1
II. Sicherungsübereignung und -abtretung (Nr. 1)
Obwohl Sicherungsübereignung und -abtretung wirtschaftlich der Kreditabsicherung dienen, bevorzugt die Praxis diese – wenngleich treuhänderisch gebundene – Vollrechtsübertragung gegenüber der Bestellung eines Pfandrechts. Die Sicherungsübertragung ist nicht bedingungsfeindlich; sie kann aufschiebend bedingt durch die Entstehung der Forderung und auflösend bedingt durch deren Tilgung ausgestaltet sein. Solche Bedingungen schaffen einen Ersatz für die Akzessorietät und bewirken die automatische (Rück-)übertragung der Sicherheit, ohne dass es auf die Erfüllung entsprechender schuldrechtlicher (Rück-)übertragungsansprüche ankommt. Auf den Insolvenzfall bedingte Sicherungsvereinbarungen unterliegen der Anfechtung nach §§ 129 ff. 1.
2
Entstehung
Nach außen überträgt der Sicherungsgeber das Vollrecht. Regelmäßig wird die Übergabe durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§§ 929, 930 BGB) in dem nicht formgebundenen Sicherungsvertrag2) ersetzt. Das Bestehen einer zu sichernden Forderung ist nicht erforderlich, da es sich um kein akzessorisches(Sicherungs-)Recht handelt.
3
Die gewollte Vollrechtsübertragung im Außenverhältnis ist im Innenverhältnis durch die treuhänderische Bindung an ihre Sicherungsfunktion beschränkt. Der Vollrechtsinhaber soll weder die Nutzungen der Sache ziehen noch über die Sache verfügen. Wirtschaftlich sind die Sicherungsübereignung die Bestellung eines besitzlosen Pfandrechts und die Sicherungszession eines Pfandrechts an einer Forderung ohne die nach § 1280 BGB erforderliche Anzeige.
4
Eine bedingt abgetretene Forderung verschafft dem Zessionar ein echtes Anwartschaftsrecht, wenn und soweit die Entstehung des Vollrechts nicht von dem Verhalten des Zedenten abhängt, desgleichen die abgetretene bedingte Forderung.3) Deshalb erwirbt der Zessionar auch ein Absonderungsrecht, wenn das Anwartschaftsrecht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Bedingungseintritt
5
_____________ 1) 2) 3)
Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, § 51 Rz. 2. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 51 Rz. 5. BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 92 f = ZIP 2003, 1208, 1209, dazu EWiR 2003, 819 (Gundlach/Schmidt); BGH, Urt. v. 13.3.2008 – IX ZR 14/07, ZIP 2008, 885 Rz. 9 = NZI 2008, 371, dazu EWiR 2008, 599 (Weiß).
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§ 51
Sonstige Absonderungsberechtigte
oder aufgrund der Verfahrenseröffnung selbst4) zum Vollrecht erstarkt. Die abgetretene Forderung ist einredebehaftet, solange sie nicht valutiert ist; der Verluste der Einrede ist durch § 91 Abs. 1 geschützt,5) sodass eine Valutierung nach Eröffnung des Verfahrens nicht mehr zur Erstarkung des Vollrechts führt. 2.
Das Sicherungsrecht in der Insolvenz
6
Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise gehört das Sicherungsgut in der Insolvenz des Sicherungsnehmers nicht zur Insolvenzmasse, sodass der Sicherungsgeber gemäß § 47 zur Aussonderung berechtigt ist (§ 47 Rz. 10).
7
In der Insolvenz des Sicherungsgebers hat der Sicherungsnehmer als Vollrechtsinhaber eine normalerweise zur Aussonderung berechtigende rechtliche Stellung. Da das Sicherungsrecht nur fiduziarisch gebundenes Eigentum vermittelt (vgl. § 47 Rz. 9) und wirtschaftlich nur die Funktion eines zur Absonderung berechtigenden Pfandrechts hat, trifft Nummer 1 die Korrektur dahin, dass diese Sicherungsrechte nur zur Absonderung berechtigen.6)
8
Befindet sich das Sicherungsgut im Besitz eines Dritten, so steht dem Sicherungsnehmer als formalem Inhaber des Vollrechts in der Insolvenz dieses Dritten ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 zu, da die treuhänderische Bindung nur im Verhältnis zum Sicherungsgeber, nicht aber zu einem Dritten Wirkungen hat. Aber auch der Sicherungsgeber hat in derartigen Fällen ein Aussonderungsrecht, wenn ihm ein obligatorischer Herausgabeanspruch gegenüber dem Dritten zusteht.7) III. Eigentumsvorbehalt (Nr. 1)
9
Der einfache Eigentumsvorbehalt beinhaltet die Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer, dass die Sache nur unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung übereignet wird: das Eigentum verbleibt zunächst beim Verkäufer, dem in der Insolvenz des Käufers ein Aussonderungsrecht zusteht (§ 47 Rz. 12); es sichert dessen Herausgabeanspruch für den Fall des Rücktritts vom Vertrag.
10
Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt8) vereinbaren Verkäufer und Käufer, dass das jeweilige Surrogat aus der Weiterveräußerung oder Verarbeitung der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache an die Stelle des Vorbehaltseigentums an der Sache tritt. Der Eigentumsverlust infolge der gestatteten Veräußerung oder Verarbeitung lässt das Aussonderungsrecht entfallen und das Sicherungsrecht an dem Surrogat entstehen. Bei der Veräußerung oder Verarbeitung handelt es sich um eine antizipierte Sicherungszession an der Forderung bzw. -übereignung der durch die Verarbeitung geschaffenen neuen Sache. Diese Rechte berechtigen zur Absonderung (Nr. 1). _____________ 4) 5) 6) 7) 8)
374
OLG Dresden, Urt. v. 11.1.2007 – 13 U 2119/05, ZIP 2007, 640 = ZBB 2007, 211, dazu EWiR 2007, 309 (Stahlschmidt); Vogel, ZIP 2007, 2198 (Urteilsanm.). BGH, Urt. v. 21.2.2008 – IX ZR 255/06, ZIP 2008, 703 Rz. 13 = NZI 2008, 304, dazu EWiR 2008, 475 (Krüger/Achsnick). Vgl. BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 287/05, ZInsO 2006, 1105 Rz. 7. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 51 Rz. 11. Vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, ZIP 2008, 842 Rz. 24 = ZVI 2008, 249, dazu EWiR 2008, 439 (Mitlehner).
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§ 51
Sonstige Absonderungsberechtigte
Mit erweitertem Eigentumsvorbehalt9) wird eine Vereinbarung zwischen den Kaufvertragsparteien bezeichnet, dass das Eigentum an dem Kaufgegenstand nicht schon mit der Zahlung des Kaufpreises, sondern erst mit der Erfüllung weiterer Ansprüche des Verkäufers übergehen soll.10) Der erweiterte Eigentumsvorbehalt ist als Konzern- und als Kontokorrentvorbehalt bekannt: –
Während der Konzernvorbehalt gemäß § 449 Abs. 3 BGB nichtig ist,
–
ist ein Kontokorrentvorbehalt zulässig.11) Danach tritt die Bedingung ein, wenn neben dem Kaufpreis alle weiteren Forderungen des Verkäufers gegen den Käufer erfüllt sind.
Es sind daher zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Hat der Käufer den Kaufpreis noch nicht (vollständig) gezahlt, so wirkt die Vereinbarung – vorbehaltlich eines Vertragseintritts nach § 103 Abs. 1 – wie ein zur Aussonderung der unter Vorbehalt gelieferten Sache berechtigender, einfacher Eigentumsvorbehalt. Sind zwar die Kaufpreisforderung, nicht aber die weiteren Forderungen erfüllt und die Bedingung deshalb noch nicht eingetreten, so dient der Kaufgegenstand über den einfachen Eigentumsvorbehalt hinaus als Sicherungsgut für die weiteren, noch nicht erfüllten Forderungen. Zwar steht der Gegenstand – mangels Bedingungseintritts – immer noch im Eigentum des Verkäufers, wirtschaftlich gesehen handelt es sich jedoch um Sicherungseigentum, das nach Nummer 1 lediglich ein Absonderungsrecht gewährt.12)
11
12
IV. Zurückbehaltungsrechte (Nr. 2, 3)
Nicht sämtliche Zurückbehaltungsrechte gewähren ein Recht zur abgesonderten Befriedigung. Es muss sich vielmehr um ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht (Nr. 3) oder um ein solches wegen nützlicher Verwendungen (Nr. 2) handeln. Damit berechtigen das allgemeine Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB13) und vereinbarte Zurückbehaltungsrechte nicht zur abgesonderten Befriedigung.
13
Das Zurückbehaltungsrecht nach Nummer 2 folgt daraus, dass der Gläubiger nach wie vor Inhaber der Forderung aufgrund der Verwendungen ist und diese Verwendungen noch nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt sind.
14
Solche Verwendungen sind: Gewinnungskosten bei der Fruchtziehung (§ 102 BGB), der Verwendungsersatzanspruch bei Herausgabe (§ 292 Abs. 2 BGB), der Mehraufwendungsanspruch bei Verzug (§ 304 BGB) und die Verwendungsansprüche beim Rücktritt (§ 347 Abs. 2 BGB), des Mieters (§§ 536a Abs. 2 und 539 Abs. 1
15
_____________ 9) Vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, ZIP 2008, 842 Rz. 24 = ZVI 2008, 249. 10) Klasmeyer/Elsner/Ringstmeier in: Kölner Schrift, S. 1083, 1084 Rz. 6. 11) BGH, Urt. v. 6.4.2000 – IX ZR 122/99, ZIP 2000, 932, 934 = NZI 2000, 364, dazu EWiR 2000, 117 (Huber); BGH, Urt. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZVI 2011, 248, dazu EWiR 2011, 511 (Lüke/Scherz). 12) BGH, Urt. v. 9.7.1986 – VIII ZR 232/85, BGHZ 1998, 160, 170 = ZIP 1986, 1062; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 51 Rz. 15. 13) BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, ZIP 2002, 858, 861 = ZInsO 2002, 487, 488; BGH, Urt. v. 23.5.2003 – V ZR 279/02, ZIP 2003, 1406, 1407 = ZInsO 2003, 767, dazu EWiR 2004, 351 (Beutler); BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 200/03, ZIP 2005, 130 = ZInsO 2005, 90, dazu EWiR 2005, 565 (Naraschewski).
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§ 51
Sonstige Absonderungsberechtigte
BGB), des Pächters (§ 591 Abs. 1 BGB), des Entleihers (§ 601 Abs. 2 BGB), beim Auftrag (§ 670 BGB), bei der entgeltlichen Geschäftsbesorgung (§ 675 Abs. 1, § 670 BGB), bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683, § 670 BGB), bei der Verwahrung (§ 693 BGB), bei der Entziehung einer Sache (§ 850 BGB), des Finders (§ 972 BGB), des Besitzers im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 994 ff BGB), des Nießbrauchers (§ 1049 BGB), des Pfandgläubigers (§ 1216 BGB), des Erbschaftsbesitzers (§ 2022 BGB). 16
Die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Absonderungsrechts sind, dass der Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Besitz an der Sache erlangt hat, sie noch besitzt und dass die Verwendung werterhöhend ist; hierfür ist auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Rechts und nicht auf die Insolvenzeröffnung abzustellen.14)
17
Die genannten Verwendungsansprüche betreffen ausschließlich bewegliche Sachen. Bei Verwendungen auf eine Immobilie findet Nummer 2 keine Anwendung und enthält § 49 eine abschließende Regelung.
18
Ebenfalls zur abgesonderten Befriedigung berechtigen die in Nummer 3 genannten kaufmännischen Zurückbehaltungsrechte an beweglichen Sachen (§§ 369, 371, 372 HGB). Dort sind Zurückbehaltungsrechte an den beweglichen Sachen und Wertpapieren wegen fälliger Forderungen zwischen Kaufleuten aus beiderseitigen Handelsgeschäften geregelt. Voraussetzung ist, dass im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Zurückbehaltungsrecht besteht und dass die Forderung fällig ist. V. Sicherheiten für öffentliche Abgaben (Nr. 4)
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Nummer 4 gewährt ein Recht auf abgesonderte Befriedigung, soweit Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden zoll- und steuerpflichtige Sachen nach gesetzlichen Vorschriften als Sicherheit für öffentliche Abgaben dienen. Die Vorschrift wird ergänzt durch § 76 AO, wonach es sich um verbrauchsteuerpflichtige bzw. einfuhr- und ausfuhrabgabenpflichtige Waren handeln muss (§ 76 Abs. 1 AO). Ein Absonderungsrecht wegen der Mehrwertsteuer kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Umsatzsteuer nicht um eine Verbrauchsteuer handelt. Verbrauchsteuern sind hingegen die Mineralölsteuer, die Tabaksteuer und die Steuer auf Alkohol bzw. alkoholische Getränke.15)
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Nicht erforderlich ist, dass sich die Sachen in der Verfügungsgewalt der Behörde befinden oder beschlagnahmt wurden (§ 76 Abs. 3 Satz 1 AO); nach § 76 Abs. 2 AO entsteht die Sachhaftung bereits mit dem Verbringen der Sachen in den Geltungsbereich der AO und bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren auch mit Beginn ihrer Gewinnung oder Herstellung. Tritt die Sicherung innerhalb des letzten Monats vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, so ist dies ohne Bedeutung, da § 88 nicht eingreift, weil die Sicherung nicht im Wege der Zwangsvollstreckung, sondern kraft Gesetzes erlangt wird. _____________ 14) Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, § 51 Rz. 35. 15) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 51 Rz. 22; zur Biersteuer vgl. BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 = ZInsO 2009, 1585.
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§ 52
Ausfall der Absonderungsberechtigten
VI. Weitere Absonderungsrechte
§ 51 enthält keine abschließende Aufzählung der neben §§ 49, 50 bestehenden Absonderungsrechte. Es gibt in anderen Gesetzen außerhalb der InsO Vorschriften, die ausdrücklich oder der Sache nach ein Absonderungsrecht gewähren. So gewähren im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verwahrers, Pfandgläubigers oder Kommissionärs die §§ 32, 33 DepotG dem Hinterleger, Verpfänder bzw. Kommittenten von Wertpapieren eine vorrangige Befriedigung. In der Insolvenz des Versicherungsnehmers gewährt § 157 VVG dem Dritten wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers. Im Rahmen der Seeversicherung gewährt § 888 HGB dem Versicherungsnehmer ein Absonderungsrecht.
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In der Insolvenz des Freistellungsgläubigers steht dem Freistellungsbegünstigten kein Absonderungsrecht analog § 51 zu.16) _____________
22
16) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.9.2005 – 10 U 241/04, ZInsO 2005, 1274, 1276.
§ 52 Ausfall der Absonderungsberechtigten Bremen
1
Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung beanspruchen können, sind Insolvenzgläubiger, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet. 2Sie sind zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse jedoch nur berechtigt, soweit sie auf eine abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausgefallen sind. Übersicht
I. Normzweck ........................................... 1 II. Anwendungsbereich ............................ 2 1. Kein persönlicher Anspruch gegen den Schuldner ........................................ 2 2. Nur ein persönlicher Anspruch gegen den Schuldner ............................. 3 3. Persönlicher und dinglicher Anspruch gegen den Schuldner ............ 4
I.
III. Stellung des Gläubigers im Verfahren .............................................. 5 IV. Verzicht auf das Absonderungsrecht ....................................................... 7 V. (Teilweiser) Ausfall .............................. 9 VI. Verwirkung des Absonderungsrechts ................................................... 10
Normzweck
Die Vorschrift regelt die verfahrensrechtliche Stellung der Absonderungsberechtigten, die zugleich eine persönliche Forderung gegen den Schuldner haben. Sie nehmen mit ihrer persönlichen Forderung am Insolvenzverfahren teil, werden aber neben ihrem Absonderungsrecht nur anteilsmäßig befriedigt.
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II. Anwendungsbereich 1.
Kein persönlicher Anspruch gegen den Schuldner
Steht dem Gläubiger keine persönliche Forderung gegen den Schuldner zu, ist er also lediglich Inhaber eines Absonderungsrechts, so hat er keinen Anspruch gegen die Masse. § 52 betrifft ihn nicht. Er kann lediglich sein Absonderungsrecht geltend machen. Bremen
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§ 52 2. 3
Nur ein persönlicher Anspruch gegen den Schuldner
Hat der Gläubiger hingegen nur eine persönliche Forderung, eine dingliche Sicherung am Vermögen des Schuldners nicht oder nur am Vermögen eines Dritten, ist er wegen seiner persönlichen Forderung gegenüber der Masse in der Regel nur Insolvenzgläubiger. Ein Absonderungsrecht am Vermögen des Schuldners besteht dagegen nicht, sodass auch in diesem Fall § 52 keine Anwendung findet. 3.
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Ausfall der Absonderungsberechtigten
Persönlicher und dinglicher Anspruch gegen den Schuldner
Richten sich jedoch gleichzeitig die persönliche Forderung gegen den Schuldner und die dingliche gegen notwendig massezugehörige Gegenstände des Schuldners, ist eine Doppelstellung des Gläubigers als Absonderungsberechtigter und Insolvenzgläubiger möglich. Nur diesen Fall erfasst § 52. III. Stellung des Gläubigers im Verfahren
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Soweit der Gläubiger gegenüber dem Schuldner zugleich eine persönliche Forderung und eine dingliche Sicherung hat, so ist er in voller Höhe seiner Forderung ein normaler Insolvenzgläubiger1) und muss als solcher die Regeln des Insolvenzverfahrens beachten. Die Anmeldung kann in voller Höhe erfolgen. Auch wenn sie nur „für den Ausfall“ erfolgt, wird die gesamte Forderung geprüft, die Feststellung betrifft die gesamte Forderung und nicht nur einen künftigen Anteil, den Ausfall.2) Demgegenüber ist das Befriedigungsrecht nach Maßgabe des § 190 zwingend auf den Ausfall beschränkt, es sei denn, der Gläubiger verzichtet auf die abgesonderte Befriedigung (dazu Rz. 7 f), oder er hat sein Recht darauf verwirkt (dazu Rz. 10).
6
Die Beschränkung des Befriedigungsrechts auf den Ausfall nötigt den Berechtigten, zunächst – vor der Verteilung – Befriedigung aus dem haftenden Gegenstand zu erlangen zu versuchen.3) Der Gläubiger hat daher zunächst die Wahl, ob er allein sein Absonderungsrecht oder nur seine persönliche Forderung geltend macht. Macht er nur ein Recht geltend und verzichtet er auf die andere Rechtsposition, so gibt es keine Kollision der Rechte. Macht er hingegen beide Rechte geltend, greift die Abgrenzung des § 52 i. S. einer vorrangigen Befriedigung aus dem Absonderungsrecht. Dabei hat der Insolvenzverwalter kein Bestimmungsrecht dahin, zunächst die durch Absonderungsrecht besicherte Masseforderung zu tilgen.4) Sicherungen einer Masseverbindlichkeit oder nachrangigen Forderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 1–4) durch Absonderungsrecht werden von § 52 nicht erfasst: die Masseforderung ist als solche voll zu befriedigen; nach Befriedigung der nachrangigen Forderung durch das Absonderungsrecht behält die Ausfallforderung den Nachrang bei. Auch die Freigabe aus der Masse lassen die persönliche Forderung und das Absonderungsrecht mit deren Abgrenzung nach § 52 unberührt. _____________ 1) 2) 3) 4)
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BGH, Urt. v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rz. 13 = ZVI 2006, 288, dazu EWiR 2006, 501 (Homann). BGH, Urt. v. 6.4.2006 – IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009, 1010 = ZVI 2006, 288; BGH, Urt. v. 30.1.1961 – II ZR 98/59, WM 1961, 427, 429. OLG Hamm, Beschl. v. 1.6.1994 – 15 W 123/93, ZIP 1994, 1373, 1374 = Rpfleger 1995, 176. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.2014 – 14 U 180/12, ZIP 2014, 786 (n. rkr.).
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§ 52
Ausfall der Absonderungsberechtigten
IV. Verzicht auf das Absonderungsrecht
Ein Verzicht auf eine Rechtsposition richtet sich nach den für das jeweilige Recht geltenden allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts. Auch ohne ausdrückliche Regelung in der InsO ergibt sich seine Zulässigkeit aus der Privatautonomie. Ein solcher Verzicht führt zum Erlöschen des Rechts und ist daher nicht beschränkt auf ein Verfahren möglich. Der im Insolvenzverfahren erklärte Verzicht auf ein Absonderungsrecht wirkt daher umfassend und bewirkt, dass der haftende Gegenstand frei wird.5) Eine (bindende, nämlich unwiderrufliche) Erklärung, das Absonderungsrecht nicht geltend zu machen, ist somit nicht ausreichend:6) der verhaftete Gegenstand wird hierdurch nicht frei. Die vorbehaltlose Anmeldung der gesamten Forderung zur Insolvenztabelle oder das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Absonderungsrechts beinhaltet nicht dessen (konkludenten) Verzicht.7) Der Verzicht auf die Geltendmachung der dinglichen Haftung gegenüber dem Rechtsnachfolger des Schuldners enthält keinen Verzicht auf das Absonderungsrecht hinsichtlich des Verkaufserlöses.8)
7
Demgegenüber ist jedoch ein stillschweigender Verzicht oder ein solcher durch ein konkludentes Verhalten möglich.9) Wegen der weitreichenden Bedeutung ist hier aber Vorsicht geboten. Die Beteiligten sollten auf eindeutige Erklärungen hinwirken.
8
V. (Teilweiser) Ausfall
Hat der Gläubiger auf sein Absonderungsrecht nicht verzichtet und es auch nicht verwirkt (dazu Rz. 10), so kommt eine (quotenmäßige) Befriedigung der persönlichen Forderung nur wegen des Betrages in Betracht, mit dem er bei der Verwertung des Absonderungsrechts ausgefallen ist. Der Ausfall wird nach den allgemeinen Regeln berechnet; Erlöse aufgrund abgesonderter Befriedigung sind nach § 367 Abs. 1 BGB zu verrechnen, und zwar unbeschadet § 39 Abs. 1 Nr. 1 auch unter Einbeziehung der nach Eröffnung (bis zur Verwertung) angefallenen Kosten und Zinsen,10) da deren insolvenzrechtlicher Nachrang keinen Einfluss auf die Berücksichtigung i. R. des Absonderungsrechts hat.11) Verwertet der Verwalter das Sicherungsgut gemäß § 168 Abs. 3 Satz 1 dadurch, dass der Gläubiger den Gegenstand übernimmt und erzielt letzterer durch eine Weiterveräußerung einen Mehrerlös, so ist dieser nicht auf die Insolvenzforderung anzurechnen12) (§ 168 Rz. 4). _____________ 5) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 52 Rz. 5. 6) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 52 Rz. 5; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 52 Rz. 39. 7) OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.11.2006 – 3 U 1793/06, ZIP 2007, 642 = ZVI 2006, 323; Lohmann in: HK-InsO, § 52 Rz. 9. 8) LG Erfurt, Urt. v. 22.5.2008 – 1 S 12/08, KKZ 2009, 17, 18 Rz. 6, – juris. 9) OLG Hamm, Beschl. v. 1.6.1994 – 15 W 123/93, ZIP 1994, 1373, 1375 = Rpfleger 1995, 176. 10) BGH, Urt. v, 17.7.2008 – IX ZR 132/07, ZIP 2008, 1539 Rz. 14 = ZInsO 2008, 915, dazu EWiR 2009, 89 (Gundlach/Frenzel). 11) BGH, Urt. v. 5.12.1996 – IX ZR 53/96, ZIP 1997, 120 = Rpfleger 1997, 228, dazu EWiR 1997, 227 (Henckel). 12) BGH, Urt. v. 3.11.2005 – IX ZR 181/04, BGHZ 165, 28, 32 = ZIP 2005, 2214, 2215 f Rz. 12.
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Vor §§ 53–55
Vorbemerkung
VI. Verwirkung des Absonderungsrechts 10
Eine Verwirkung des Absonderungsrechts kann angenommen werden, wenn der Gläubiger in voller Kenntnis seines Rechts auf Absonderung vorbehaltlos (Raten-) Zahlungen auf die volle Forderung entgegennimmt,13) so z. B. bei Zahlungen i. R. eines Insolvenzplans.14) Häufig wird das Verhalten jedoch bereits als konkludenter Verzicht zu interpretieren sein. Ein solcher hat gegenüber der Verwirkung Vorrang. _____________ 13) OLG München, Urt. v. 26.2.1959 – 6 U 1888/58, NJW 1959, 1542; Kübler/Prütting/ Bork-Prütting, InsO, § 52 Rz. 10. 14) Uhlenbruck-Brinkmann, InsO, 13. Aufl., § 52 Rz. 19; vgl. auch OLG München, Urt. v. 26.2.1959 – 6 U 1888/58, NJW 1959, 1542, 1543 – für ein Aussonderungsrecht im Vergleichsverfahren.
Vor §§ 53 – 55 Vorbemerkung Literatur: Henckel, Masselosigkeit und Masseschulden, in: Festschrift Einhundert Jahre Konkursordnung 1877 – 1977, S. 169; Hölzle, Die Fortführung von Unternehmen im Insolvenzeröffnungsverfahren. Zur Reichweite der Kompetenzen des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters, ZIP 2011, 1889; Windel, Die Nachhaftung für Masseverbindlichkeiten, KTS 2011, 25.
1
§§ 53 – 55 bestimmen die Rangfolge der Forderungen der Massegläubiger im eröffneten Verfahren in Abgrenzung zu den Forderungen der Aussonderungs- und Absonderungsgläubiger (§§ 47 – 52) und der nachrangigen Insolvenzgläubiger (§§ 38, 39).
2
Masseforderungen beruhen im Unterschied zu Insolvenzforderungen (§§ 38, 39) regelmäßig auf einem sich nach Verfahrenseröffnung ereignenden oder mindestens abschließenden Sachverhalt. Masseforderungen sind privilegiert, da ohne finanzielle Mittel die Durchführung des Verfahrens undenkbar ist.1) Ihnen liegen grundsätzlich Leistungen, die der Masse zugute kommen, zugrunde.
3
Masseverbindlichkeiten sind auch vom starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 2) und vom vorläufig eigenverwalteten Schuldner (§ 270b Abs. 3) im Schutzschirmverfahren begründete Verbindlichkeiten. § 55 Abs. 3 und 4 fingieren während des Eröffnungsverfahrens begründete Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten. _____________ 1)
Henckel in: FS Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 169, 171 ff.
§ 53 Massegläubiger Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Norminhalt ........................................... 2
1. 2.
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Insolvenzmasse – Haftungsschuldner ............................................... 2 Masseverbindlichkeiten ......................... 3
§ 53
Massegläubiger
3.
I.
a) Verfahrenskosten ........................... 3 b) Sonstige Masseverbindlichkeiten ....................................... 4 Abgrenzungen ....................................... 5 a) Begründung der Forderung vor oder nach Verfahrenseröffnung ....... 5 b) Vorläufiger Insolvenzverwalter, Schutzschirmverfahren, § 55 Abs. 4 .............................................. 8
4.
5.
c) Aus-, absonderungs- und aufrechnungsberechtigte Gläubiger .... 11 Vorabbefriedigung .............................. 12 a) Zahlung vorab und bei Fälligkeit ................................................ 12 b) Durchsetzung ............................... 13 Begründung von Masseverbindlichkeiten – Haftung ........................... 14
Normzweck
§ 53 ordnet die Vorabbefriedigung der Verfahrenskosten (§ 54) und sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55) gegenüber den Insolvenzforderungen aus der Insolvenzmasse an. Diese Privilegierung dient einer an den Zielen des Insolvenzverfahrens (§ 1) orientierten ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung und findet weiteren Ausdruck in §§ 207 bis 211. Allerdings sind die Rechte der Aus- und Absonderungsberechtigten auch gegenüber den Massegläubigern vorrangig zu bedienen, die nur aus der danach verbleibenden Masse befriedigt werden.1)
1
II. Norminhalt 1.
Insolvenzmasse – Haftungsschuldner
Die privilegierten Verbindlichkeiten der §§ 54, 55 treffen während des Verfahrens die Insolvenzmasse (§§ 35, 36), also das dem Insolvenzbeschlag unterliegende Vermögen des Schuldners.2) Dieser haftet nach Einstellung des Verfahrens (§§ 208, 211) für Masseverbindlichkeiten nur, soweit er vor Verfahrenseröffnung hierfür den Rechtsgrund gesetzt hat, z. B. durch einen gegenseitiger Vertrag, in welchen der Insolvenzverwalter eingetreten ist,3) oder von ihm begründete Dauerschuldverhältnisse. Bei den oktroyierten Masseverbindlichkeiten ist die Nachhaftung des Schuldners unbeschränkt; im Übrigen ist sie beschränkt auf das Vermögen, über welches er mit Einstellung des Verfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wieder erhält;4) die Restschuldbefreiung bezieht sich nach dem Wortlaut von § 301 Abs. 1 nur auf die Insolvenzforderungen.5) Die Nachhaftung für nicht gedeckte Massekosten ist mangels deren Veranlassung durch den Schuldner ausgeschlossen.6)
_____________ 1) 2) 3) 4)
5)
6)
BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09, BGHZ 183, 269 = ZIP 2010, 141 = NJW-RR 2010, 1283; BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = ZIP 2004, 1107. RG, Urt. v. 21.10.1902 – Rep VII 133/02, RGZ 52, 332; Jaeger-Henckel, InsO, § 53 Rz. 10; Uhlenbruck-Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 53 Rz. 7. BGH, Urt. v. 25.11.1954 – IV ZR 81/54, NJW 1955, 339. Zu den oktroyierten Masseverbindlichkeiten: BGH, Urt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204 = NZI 2009, 841, dazu EWiR 2009, 775 (Berger); BGH, Urt. v. 28.6.2007 – IX ZR 73/06, NZI 2007, 670, 671 = WM 2007, 1844; im Übrigen: BGH, Urt. v. 25.11.1954 – IV ZR 81/54, NJW 1955, 339; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 53 Rz. 10. Offengelassen in BGH, Urt. v. 28.6.2007 – IX ZR 73/06, NZI 2007, 670, 671 = WM 2007, 1844; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 301 Rz. 2a; a. A.: Kübler/Prütting/BorkSchaltke/Pape, InsO, § 53 Rz. 45; Windel, KTS 2011, 25, 37. BGH, Urt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204 = NZI 2009, 841.
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2
§ 53 2.
Massegläubiger
Masseverbindlichkeiten
a) Verfahrenskosten 3
Sie umfassen im Hinblick auf die Senkung der Hürden für eine Verfahrenseröffnung nur die in § 54 Genannten. Die Gerichtskosten entstehen durch die Verwirklichung der Gebührentatbestände in § 58 GKG i. V. m. §§ 2310 ff GKG-KV. Kosten der Verwaltung und Verwertung der Masse gehören im Gegensatz zu §§ 58, 107 KO nicht dazu. Sie beruhen in der Regel auf Verwalterhandeln. Die Unterscheidung der Verfahrenskosten von sonstigen Masseverbindlichkeiten erfolgt mit Blick auf §§ 26, 207, 209 Abs. 1 Nr. 1. b) Sonstige Masseverbindlichkeiten
4
Sonstige Masseverbindlichkeiten sind über Bezugnahme auf § 55 hinaus auch die Verpflichtungen in §§ 81 Abs. 1 Satz 3, 100, 101 Abs. 1 Satz 3, 115 Abs. 2 Satz 3, 116, 118, 123 Abs. 2 Satz 1,7) 144 Abs. 2 Satz 2, 163 Abs. 2, 169 Satz 1, 172 Abs. 1 Satz 1, 324 und außerhalb der InsO in § 16 Abs. 1 Satz 2 AnfG, § 30e ZVG. Diese gesetzliche Einordnung ist zwingend; sie steht nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten. Vereinbarungen mit dem Inhalt einer Rangverbesserung oder einer bevorzugten Befriedigung von Insolvenzforderungen als sonstige Masseverbindlichkeiten können daher unwirksam sein, wenn sie im Widerspruch zur par conditio creditorum stehen und sich dies dem Vertragspartner aufdrängen musste. Erforderlich ist eine wertende Betrachtung, ob der Masse durch eine solche Vereinbarung eine adäquate Leistung zufließt. Als Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldete und anerkannte (mit Feststellungswirkung nach § 178 Abs. 3) Masseverbindlichkeiten verlieren nicht ihren Masseschuldcharakter8) und können nach wie vor als solche geltend gemacht werden; dem Insolvenzverwalter stehen alle Einwendungen gegenüber Grund und Höhe der Masseforderung zu.9) Eine ausdehnende Auslegung von § 55 Abs. 1 verbietet sich. Daher und wegen der strikten Trennung der Vermögensmassen (§ 11 Abs. 2 Nr. 1) sind bei der Doppelinsolvenz einer Personengesellschaft und ihres persönlich haftenden Gesellschafters unabhängig von § 128 HGB (analog), § 714 BGB Masseschulden der Personengesellschaft nicht automatisch Masseschulden des persönlich Haftenden;10) die Einordnung erfolgt stets anspruchsund nicht verfahrensbezogen.
_____________ 7) Nicht jedoch Abfindungsansprüche aus einem vorinsolvenzlichen Sozialplan, BAG, Urt. v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, ZIP 2008, 374 = ZInsO 2008, 688 (LS), dazu EWiR 2008, 335 (Holzer); BAG, Urt. v. 31.7.2002 – 10 AZR 275/01, ZIP 2002, 2051 = ZInsO 2002, 998, dazu EWiR 2003, 283 (Moll/Langhoff). 8) BSG, Urt. v. 29.10.1981 – 10 RAr 5/81, ZIP 1982, 191; OLG Schleswig, Urt. v. 19.12.2003 – 4 U 181/01, ZInsO 2004, 687. 9) BGH, Urt. v. 13.6.2006 – IX ZR 15/04, BGHZ 168, 112 = ZIP 2006, 1410, dazu EWiR 2006, 627 (Köster/Willmer). 10) BAG, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435; a. A. zum bisherigen Recht zuletzt BAG, Urt. v. 24.8.1993 – 9 AZR 498/91, ZIP 1993, 1558 = AP Nr. 36 zu § 59 KO (Hess).
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§ 53
Massegläubiger
3.
Abgrenzungen
a) Begründung der Forderung vor oder nach Verfahrenseröffnung
Der Masseschuldcharakter der Massekosten, der Forderungen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 und der Verbindlichkeiten aufgrund Entscheidung der Gläubigerversammlung (§§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3) sowie durch Handeln Dritter (§§ 115 Abs. 2 Satz 3, 118 Satz 1) erschließt sich aus dem Zeitpunkt ihrer Begründung: kennzeichnend ist im Allgemeinen ihre vollständige materiell-rechtliche Begründung mit oder nach Verfahrenseröffnung (zu Abgrenzungsfragen bei Altlasten: § 55 Rz. 7 ff., bei Steuern: § 55 Rz. 18 ff., bei Arbeitsvergütung: § 55 Rz. 44). Vor Verfahrenseröffnung begründete vermögensrechtliche Ansprüche sind Insolvenzforderungen (§§ 38, 39, 174 ff) und nicht nach § 53 privilegiert. Keine Masseverbindlichkeiten sind nach Verfahrenseröffnung vom Schuldner selbst (zumal ohne Kenntnis des Insolvenzverwalters) begründete Verbindlichkeiten, für die alleine das nicht insolvenzbefangene (Neu-)Vermögen des Schuldners haftet.
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Das Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters nach § 103 Abs. 1 macht auch nach der aufgegebenen Erlöschenstheorie11) die aus der Masse zu erbringende Gegenleistung zur Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1). Die Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf die Gegenleistung wird durch die Verfahrenseröffnung zunächst gehemmt12) und erst infolge des Erfüllungsverlangens, mit dem der Masse die Leistung zufließt und die Gegenleistung als Masseverbindlichkeit zu bedienen ist, beseitigt.
6
Geschuldete Zahlungen aus fortbestehenden Dauerschuldverhältnissen sind Masseverbindlichkeiten, obwohl der Vertragsabschluss vor Verfahrenseröffnung lag und unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter die Leistung in Anspruch nimmt (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2).13) Eine neue Begründung von Masseverbindlichkeiten liegt auch vor, wenn der Insolvenzverwalter von der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zum frühestmöglichen Zeitpunkt absieht.14)
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b) Vorläufiger Insolvenzverwalter, Schutzschirmverfahren, § 55 Abs. 4
In diesem Verfahrensabschnitt durch einen vorläufigen starken Insolvenzverwalter (auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 Satz 1 übergegangen ist) begründete Verbindlichkeiten sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2. Gleiches gilt bei entsprechender gerichtlicher Ermächtigung15) für Verbindlichkeiten, die von einem schwachen, lediglich mit einem Zustimmungsvorbehalt _____________ 11) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359 = ZIP 2002, 1093. 12) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359 = ZIP 2002, 1093. 13) Insoweit ungenau: BAG, Urt. v. 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, ZInsO 2013, 1191, 1194 = ZIP 2013, 1033, dazu EWiR 2013, 517 (Budnik), das bei § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, auf die Erbringung der Arbeitsleistung abstellt. 14) BT-Drucks. 12/2443, S. 129. 15) BGH, Urt. v. 15.3.2012 – IX ZR 249/09, ZIP 2012, 737 = NZI 2012, 365, dazu EWiR 2012, 459 (J.-S. Schröder); BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 = ZIP 2011, 1419, dazu EWiR 2011, 603 (Hackenberg); BAG, Beschl. v. 9.12.2009 – 7 ABR 90/07, ZIP 2010, 588, 593 = NJW 2010, 2154, dazu EWiR 2010, 543 (Tintelnot/Graj); zur Kompetenz des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters insoweit: Hölzle, ZIP 2011, 1889 ff.
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§ 53
Massegläubiger
gemäß §§ 22 Abs. 2 Satz 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalter begründet wurden. Hierdurch werden Geschäftspartner des Schuldners geschützt, auf deren Mitwirkung der vorläufige Insolvenzverwalter insbesondere bei Fortführung des Geschäftsbetriebes angewiesen ist. 9
§ 270b Abs. 3 ermöglicht bei gerichtlicher Ermächtigung die Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 durch den noch zahlungsfähigen und sanierungswilligen Schuldner im Schutzschirmverfahren. Ohne Schutzschirm nach § 270b ist die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner oder den vorläufigen Sachwalter im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren nach § 270a streitig, da eine dem § 270b Abs. 3 entsprechende Regelung fehlt (siehe § 270a Rz. 14 f).
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Systemwidrig (siehe § 55 Rz. 68 ff) werden Steuerverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 4 als Masseverbindlichkeiten fingiert. c) Aus-, absonderungs- und aufrechnungsberechtigte Gläubiger
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Diese Gläubiger gehen den Massegläubigern vor, da absonderungsberechtigte Gläubiger Anspruch auf bevorzugte Befriedigung aus ihnen verhafteten Gegenständen haben und aussonderungsberechtigte Gläubiger nicht einmal zwingend Inhaber eines Zahlungsanspruchs sind, sondern Inhaber von Eigentums- oder eigentumsgleichen Rechten, die nicht Bestandteil der Masse sind und daher herausverlangt werden können. Der Massegläubiger kann gegenüber einem Zahlungsanspruch des Insolvenzverwalters mit seiner Forderung im Range von § 55 Abs. 1 aufrechnen (§§ 387 ff BGB), es sei denn, die Masse ist unzulänglich gemäß § 208;16) die Beschränkungen aus §§ 95, 96 betreffen unmittelbar nur Insolvenzforderungen. Die Aufrechnung gegenüber einer Masseforderung geht der Befriedigung der sonstigen Masseverbindlichkeiten vor und kommt daher in ihrer Wirkung einem Absonderungsrecht gleich.17) 4.
Vorabbefriedigung
a) Zahlung vorab und bei Fälligkeit 12
Anders als der Insolvenzgläubiger unterliegt der Massegläubiger nicht den Beschränkungen eines Insolvenzgläubigers in der Geltendmachung seiner Forderung (§§ 28, 38, 87, 89, 174 f, 187) und kann statt anteilige volle Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, aus der wie geschuldet, also ohne Umrechnung nach § 45, nicht nur vorweg (vor den Insolvenzgläubigern), sondern bei Fälligkeit18) auf die Masseforderung zu leisten ist. Ein Feststellungsverfahren wie bei §§ 174 ff fehlt.19) Der Anspruch unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der Prüfung des Insolvenzverwalters.20) _____________ 16) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 189/94, ZIP 1995, 1204, 1208 = WM 1995, 1368; BGH, Urt. v. 7.7.2005 – IX ZR 241/01, ZIP 2005, 1519, 1520 = WM 2005, 1851. 17) BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 116/11, ZIP 2012, 493 = NJW 2012, 1958, dazu EWiR 2012, 493 (Eckardt); BFH, Beschl. v. 1.9.2010 – VI R 35/08, ZIP 2010, 2359, 2361, dazu EWiR 2011, 53 (Kahlert). 18) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.1.2012 – I-22 U 49/11, ZIP 2012, 2115, 2117. 19) BGH, Urt. v. 13.6.2006 – IX ZR 15/04, BGHZ 168, 112 = ZIP 2006, 1410, 1412. 20) BGH, Urt. v. 11.7.1996 – IX ZR 304/95, ZIP 1996, 1437 = WM 1996, 1509.
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§ 54
Kosten des Insolvenzverfahrens
b) Durchsetzung
Massegläubiger können daher gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Leistungs- oder – ab Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 – Feststellungsklage21) (bei Neumasseverbindlichkeiten: wieder Leistungsklage) erheben und mit den Einschränkungen des § 90 Abs. 1 (§ 89 gilt nur für Insolvenzgläubiger) vollstrecken. Die Vollstreckungsverbote des § 89 gelten abgesehen von Masseunzulänglichkeit nicht. Einschränkungen der Vollstreckung ergeben sich für Sozialplanansprüche aus § 123 Abs. 3 Satz 2. Öffentlich-rechtliche Masseansprüche werden durch Leistungsbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht.22) Die irrtümliche Geltendmachung einer Masseforderung als Insolvenzforderung beinhaltet keinen Verzicht auf die Rechtsstellung als Massegläubiger;23) allerdings hemmt die Anmeldung einer Masseforderung zur Insolvenztabelle nicht deren Verjährung.24) 5.
13
Begründung von Masseverbindlichkeiten – Haftung
Die Begründung von Masseverbindlichkeiten ist für den Insolvenzverwalter haftungsbewehrt. Er hat stets zu prüfen, ob ausreichende Masse zu ihrer Erfüllung vorhanden ist,25) anderenfalls hat er ihre Begründung zu unterlassen (§ 61).26) Das gilt auch, soweit er nach Verfahrenseröffnung zu erfüllende Dauerschuldverhältnisse nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt kündigt. Sind Masseverbindlichkeiten nach seiner pflichtgemäßen Prüfung streitig oder zweifelhaft, hat er einen zu ihrer Erfüllung ausreichenden Betrag zurückzustellen.27) Die haftungsbewehrte Prüfungspflicht bezieht sich indes nicht auf Sekundäransprüche.28) Verletzt er den Grundsatz der Vorabbefriedigung, haftet er den Massegläubigern nach § 60. _____________ 21) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, ZIP 2003, 914, 915 = ZVI 2003, 468, dazu EWiR 2003, 651 (Tetzlaff); BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 22/05, ZIP 2006, 1004, 1005 = NZI 2006, 392. 22) VGH Bayern, Urt. v. 28.11.2005 – 9 ZB 04.3254, NVwZ-RR 2006, 550. 23) BGH, Urt. v. 13.6.2006 – IX ZR 15/04, BGHZ 168, 112, 117 = ZIP 2006, 1410; BAG, Urt. v. 25.3.2003 – 9 AZR 174/02, ZIP 2003, 1802 = NZI 2004, 102. 24) LAG Hamburg, Urt. v. 15.6.1988 – 8 Sa 22/88, ZIP 1988, 1270; LAG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.1984 – 14 Sa 1807/83, ZIP 1984, 858. 25) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104 = ZIP 2004, 1107, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender); BGH, Urt. v. 5.7.1988 – IX ZR 7/88, ZIP 1988, 1068 = Rpfleger 1989, 37. 26) BGH, Urt. v. 27.2.1973 – VI ZR 118/71, NJW 1973, 1043 = WM 1973, 556. 27) BGH, Urt. v. 11.7.1996 – IX ZR 304/95, ZIP 1996, 1437 = WM 1996, 1509. 28) BGH, Urt. v. 25.9.2008 – IX ZR 235/07, ZIP 2008, 2126 = ZVI 2009, 19, dazu EWiR 2008, 115 (Eckert).
§ 54 Kosten des Insolvenzverfahrens Kosten des Insolvenzverfahrens sind: 1.
die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren;
2.
die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Bremen
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14
§ 54
Kosten des Insolvenzverfahrens
Literatur: Ries, Ist der vorläufige Verwalter wegen früherer Vergütungsansprüche aus anderen Verfahren Insolvenzgläubiger i. S. v. § 38 InsO?, ZInsO 2007, 1102; Ries, Materielle Verfahrenseinheit – die Kosten eines nicht eröffneten Erstverfahrens als Bestandteil der Gesamtkosten eines später eröffneten Folgeverfahrens, ZInsO 2005, 414. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren (Nr. 1) .................................. 2 1. Allgemeines ........................................... 2 2. Kosten des Insolvenzverfahrens .......... 3 3. Keine Kosten des Verfahrens ............... 6 4. Kostenschuldner .................................. 7 5. Kosten des Beschwerdeverfahrens ....... 8 a) Beschwerde gegen die Entscheidung über den Eröffnungsantrag .................................... 9 b) Beschwerde in sonstigen Fällen ............................................ 10
I. 1
6.
Geltendmachung der Gerichtskosten ................................................... 12 III. Kosten nach Nummer 2 .................... 13 1. Kostenarten ......................................... 13 2. Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters ............................. 14 a) Grundlagen der Vergütung .......... 14 b) Auslagen ....................................... 15 c) Verfahren ...................................... 18 3. Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters ......... 19
Normzweck
§ 54 definiert abschließend die nach § 53 als Masseverbindlichkeiten absolut vorrangig zu befriedigenden Kosten des Insolvenzverfahrens (Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens, Vergütungen und Auslagen des – auch vorläufigen – Insolvenzverwalters, auch des Treuhänders, vgl. die Verweisung in §§ 312 Abs. 1 Satz 2 a. F., 56 ff, und der Mitglieder eines Gläubigerausschusses) abweichend von den Massekosten der §§ 58, 107 KO, die auch die Kosten der Verwaltung und Verwertung der Konkursmasse umfassten. Alleine diese neue Definition ist für die Kostendeckung nach § 26 Abs. 1 maßgeblich. Durch sie sollen mehr Verfahren eröffnet und weniger Verfahren vorzeitig nach § 207 eingestellt werden. Bei Kostenstundung gemäß §§ 4a – 4d1) sind eine Abweisung des Antrages mangels Kostendeckung oder eine Einstellung nach § 207 Abs. 1 Satz 1 wegen Massearmut ausgeschlossen. II. Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren (Nr. 1) 1.
2
Allgemeines
Die Gerichtskosten werden nach dem Kostenverzeichnis in Anlage 1 zum GKG erhoben (§ 3 Abs. 2 GKG, das nur das Verhältnis des Kostenschuldners – § 23 GKG – zur Staatskasse und nicht zum Schuldner regelt) und richten sich für die Durchführung des Insolvenzverfahrens beim Eigenantrag nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Verfahrensbeendigung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 GKG), beim Gläubigerantrag nach dem Betrag der Forderung, begrenzt durch den Wert der Insolvenzmasse (§ 58 Abs. 2 GKG). Beim Gläubigerantrag werden die Kosten mit Antragstellung fällig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 GKG).
_____________ 1)
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Eingefügt m. W. z. 1.12.2001 druch das Gesetz zur Änderung der InsO vom 26.10.2001, BGBl. I, 2710.
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§ 54
Kosten des Insolvenzverfahrens
2.
Kosten des Insolvenzverfahrens
Die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens (§ 58 Abs. 1 Satz 1 GKG) nach Nummer 1 sind
3
(i) die Gebühr des Eröffnungsverfahrens einschließlich Ermittlungs- und Sicherungsmaßnahmen des Gerichts gemäß §§ 20 ff unabhängig davon, wer den Antrag stellt (Nr. 2310, 2311 GKG-KV), (ii) die Auslagen des Gerichts (die Kosten eines im Eröffnungsverfahrens bestellten Sachverständigen nur im Verfahren auf Eigenantrag des Schuldners) einschließlich der Kosten eines vom Gericht beauftragten Schlussrechnungsprüfers,2) (iii) die Gebühr für die Durchführung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers (Nr. 2320, 2330, 2332 GKG-KV lösen keine besonderen Gerichtskosten aus), (iv) die Kosten des Prüftermins (Nr. 2340 GKG-KV) und (v) die Kosten eines Antrags auf Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (Nr. 2350 GKG-KV). Die Kosten zu (iv) und (v) können bei der Kostendeckungsprüfung vor Verfahrenseröffnung nicht verlässlich bestimmt werden. Das Schuldenbereinigungs-, Plan-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren und das Restschuldbefreiungs(plan-)verfahren lösen keine Gerichtsgebühren aus.
4
Zu den Verfahrenskosten nach Nummer 1 zählt auch der Rückzahlungsanspruch des Gläubigers wegen eines geleisteten Massekostenvorschusses nach § 26 Abs. 1 Satz 2,3) der bei Masseunzulänglichkeit nach den Verfahrenskosten (§ 209 Abs. 1 Nr. 1) zu berichtigen ist, da er gerade der Verfahrenskostendeckung dient.4)
5
3.
Keine Kosten des Verfahrens
Nicht zu den Verfahrenskosten gehören die Gerichtskosten für einen besonderen Prüfungstermin oder das schriftliche Prüfungsverfahren zur Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen (Nr. 2340 GKG-KV), die Kosten der rechtskräftigen Abweisung des Eröffnungsantrags oder der Entscheidung über den Antrag auf Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (§§ 296, 297, 300, 303; Nr. 2350 GKG-KV). 4.
Kostenschuldner
Kostenschuldner gegenüber der Gerichtskasse5) im Verfahren über die Insolvenzeröffnung ist der Antragsteller (§ 23 Abs. 1 Satz 1 GKG): der Schuldner bei Eigenantrag (auch in Fällen der Stundung gemäß § 4a, § 23 Abs. 1 Satz 3 GKG), der Gläubiger bei Gläubigerantrag (relevant: bei Masselosigkeit des eröffneten Verfah_____________ 2) 3) 4)
5)
6
OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.10.2009 – 8 W 265/09, ZIP 2010, 491. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 54 Rz. 13; Kirchhof in: HK-InsO, § 26 Rz. 34. Wie hier (nachrangig): Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 54 Rz. 5; Kirchhof in: HK-InsO, § 26 Rz. 34; a. A. (vorrangig): Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 54 Rz. 22; Jaeger-Schilken, InsO, § 26 Rz. 61 – jeweils gegenüber den Massekosten. Davon zu unterscheiden ist die Erstattungspflicht Dritter gegenüber dem Kostenschuldner; vgl. hierzu nur Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 54 Rz. 6, 11.
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§ 54
Kosten des Insolvenzverfahrens
rens), unabhängig davon, dass die Antragsgebühr zu den Kosten des Verfahrens gehört, auf die bei Verfahrenseröffnung auch der Insolvenzschuldner haftet. Wird der Gläubigerantrag mangels Kostendeckung abgewiesen, trägt richtigerweise der Schuldner die Kosten, da der Antrag zulässig und begründet war und die Abweisung in seiner Verantwortung liegt.6) Wird dem Gläubigerantrag entsprochen und hat der Gläubiger die Antragsgebühr bereits gezahlt, gehört sein Erstattungsanspruch zu den Kosten des Verfahrens.7) 5. 8
Kosten des Beschwerdeverfahrens
Die Gebühren der Beschwerdeverfahren nach Nr. 2360, 2362 GKG-KV entstehen mit der Einlegung der Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den Eröffnungsantrag bzw. die Beschwerdeentscheidung, § 6 GKG. a) Beschwerde gegen die Entscheidung über den Eröffnungsantrag
9
Die Kostentragungslast wird durch die Kostenentscheidung bestimmt, § 29 Nr. 1 GKG. Führt erst die Beschwerdeentscheidung zur Verfahrenseröffnung, sind die Gebühren nach Nr. 2360, 2361 GKG-KV Massekosten nach § 54 Nr. 1. Wird auf Beschwerde des Schuldners der Eröffnungsantrag des Gläubigers abgewiesen, trägt der Gläubiger die Kosten. Ist die Beschwerde des Schuldners erfolglos, kann die Masse mit den Kosten der Beschwerde nicht belastet werden; der Schuldner hat sie persönlich zu tragen.8) Der Wert der Beschwerde richtet sich nach § 58 GKG. b) Beschwerde in sonstigen Fällen
10
In allen anderen Beschwerdefällen entsteht die Beschwerdegebühr nur, wenn die Beschwerde vom Gericht verworfen oder zurückgewiesen wird (Nr. 2361 GKG-KV). Hat die Beschwerde auch nur teilweise Erfolg, kann das Gericht die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass keine Gebühr erhoben wird.
11
Legt der Insolvenzverwalter für die Masse Beschwerde ein und wird sie durch das Insolvenzgericht verworfen oder zurückgewiesen, gehört die Beschwerdegebühr zu den Massekosten nach § 54 Nr. 1. Legt er dagegen die Beschwerde in eigener Sache (z. B. wegen Festsetzung der Vergütung nach § 64 Abs. 3) ein, gehört die Beschwerdegebühr nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens. 6.
12
Geltendmachung der Gerichtskosten
Die Staatskasse hat einen unmittelbaren Anspruch gegenüber der Masse. Streitigkeiten zwischen Insolvenzverwalter und der Gerichtskasse über den Kostenersatz sind in einem Erinnerungsverfahren zu klären. _____________ 6)
7) 8)
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AG Köln, Beschl. v. 26.10.2011 – 72 IN 30/11, NZI 2012, 194; AG Göttingen, Beschl. v. 9.12.2003 – 74 IN 84/01, ZInsO 2003, 1156; LG Koblenz, Beschl. v. 23.10.2000 – 2 T 532/00, NZI 2001, 44. OLG Hamburg, Urt. v. 30.7.1967 – 11 K 84/65, KTS 1968, 54; Jaeger-Henckel, InsO, § 54 Rz. 9; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 54 Rz. 5. OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2001 – 2 W 28/01, ZIP 2001, 619 = NZI 2001, 426, dazu EWiR 2002, 631 (Koch/Ahrendt).
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§ 54
Kosten des Insolvenzverfahrens
III. Kosten nach Nummer 2 1.
Kostenarten
Nummer 2 bestimmt Vergütung und Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses als Massekosten. Deren Vergütungsanspruch folgt aus §§ 63, 73 i. V. m. der InsVV9) (Ermächtigungsgrundlage in § 65). Massekosten sind darüber hinaus – obwohl in Nummer 2 nicht ausdrücklich genannt – auch die Vergütung des Treuhänders10) und des Sachwalters (§§ 313 Abs. 1 Satz 3 a. F., 293 Abs. 2, 274; §§ 10, 12, 13 InsVV), nicht aber des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode (§ 274 Abs. 1), es sei denn, die Verfahrenskosten werden gemäß § 4a gestundet.11) 2.
13
Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters
a) Grundlagen der Vergütung
Die Bemessungsgrundlage und Höhe der Vergütung – auch eines Sonderinsolvenzverwalters12) – richten sich nach §§ 1 bis 3 InsVV. Maßgeblich sind die Teilungsmasse gemäß Schlussrechnung (§ 1 Abs. 1, 2 InsVV) und der Umfang der Tätigkeit (§§ 2, 3 InsVV: Regelsätze, Zu- und Abschläge).
14
b) Auslagen
§ 4 InsVV enthält den Grundsatz, dass die allgemeinen Geschäftskosten des Insolvenzverwalters (§ 4 Abs. 1) und einer Haftpflichtversicherung (§ 4 Abs. 3 Satz 1) durch seine Vergütung abgegolten sind. § 4 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 InsVV gewährt ihm aber im Rang der Nummer 2 einen Auslagenerstattungsanspruch wegen der ihm persönlich entstandenen angemessenen Auslagen13) und der Kosten einer angemessenen zusätzlichen Versicherung aufgrund eines besonderen Haftungsrisikos (§ 4 InsVV, z. B. bei Betriebsfortführung)14); sie sind in dem Vergütungsantrag im Einzelnen anzugeben und zu belegen, § 8 Abs. 2 InsVV, wenn nicht von der Pauschalierung in § 8 Abs. 3 InsVV Gebrauch gemacht wird.
15
Dazu gehören nach dem Bundesgerichtshof15) auch die Sachkosten der dem Insolvenzverwalter gemäß § 8 Abs. 3 übertragenen Zustellungen, die neben der Auslagenpauschale (§ 8 Abs. 3 InsVV) geltend gemacht werden können. Steuerberatungskosten infolge der Erfüllung von Verpflichtungen nach § 34 Abs. 3 AO durch
16
_____________ 9) Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung v. 19.8.1998 (BGBl. I 1998, 2205 ff), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 (ESUG), BGBl. I, 2582. 10) LG Kiel, Beschl. v. 18.7.2000 – 13 T 20/00, ZInsO 2002, 27. 11) BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZB 78/04, ZInsO 2006, 256 = WM 2006, 1498; Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 54 Rz. 48. 12) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294 = NJW-RR 2008, 1580; LG Braunschweig, Beschl. v. 23.12.2011 – 6 T 728/11; 6 T 729/11, ZIP 2012, 838, 839. 13) Zum Begriff der Auslagen allgemein: Jaeger-Henckel, InsO, § 54 Rz. 15. 14) LG Gießen, Beschl. v. 9.3.2012 – 7 T 434/11, ZIP 2012, 1677. 15) BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZInsO 2007, 86, 87 = ZIP 2007, 188; BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 129/05, ZInsO 2007, 202, 203 = ZIP 2007, 440.
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Kosten des Insolvenzverfahrens
den Insolvenzverwalter/Treuhänder sollen in masselosen Verfahren mit Kostenstundung nach § 4a Auslagen und damit Massekosten nach § 54 Nr. 2 sein.16) 17
Die Kosten der Verwaltung und Verwertung der Masse (§ 58 Nr. 2 KO) sind sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 als Verbindlichkeiten aufgrund von Dienstoder Werkverträgen, die der Insolvenzverwalter zur Erledigung besonderer Aufgabe i. R. der Verwaltung abgeschlossen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV); das gilt auch für Anwaltsgebühren des Rechtsanwalt-Insolvenzverwalters: Norminhalt17) von § 5 InsVV ist nicht die Qualifikation der Anwaltsgebühren als Massekosten oder sonstige Masseverbindlichkeiten, sondern das Recht, zusätzlich zu der Verwaltervergütung Anwaltsgebühren berechnen zu dürfen, wenn der Verwalter ohne die Berufsqualifikation die Tätigkeit einem Rechtsanwalt übertragen hätte.18) Gebührenansprüche beauftragter Rechtsanwälte sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1. c) Verfahren
18
Vergütung und Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters unterliegen der Festsetzung durch das Insolvenzgericht, § 64 i. V. m. §§ 8, 10 InsVV. 3.
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Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nach § 11 InsVV auf der Grundlage des Wertes des verwalteten Vermögens19) und festzusetzender Auslagen (§§ 10, 8 InsVV) gesondert zu vergüten; dies sind auch dann Massekosten, wenn das bestellende Gericht den Eröffnungsantrag wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückweist und das Insolvenzverfahren aufgrund eines neuen Antrags vom zuständigen Gericht eröffnet wird.20) Sie gehört aber nicht zu den Massekosten, wenn das Verfahren durch Antragsrücknahme, Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse oder durch Erledigung seine vorzeitige Beendigung gefunden hat (Kostentragungspflicht des Schuldners).21) _____________ 16) Inzwischen wohl h. M.: BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 198/05, ZIP 2006, 1501 = ZInsO 2006, 817, dazu EWiR 2006, 569 (Prasser); BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, BGHZ 160, 176, 183 f = ZIP 2004, 1717, dazu EWiR 2004, 1037 (Schäferhoff); AG Dresden, Beschl. v. 17.7.2002 – 531 IN 981/02, ZVI 2002, 340 = ZInsO 2002, 735; LG Kassel, Beschl. v. 25.9.2002 – 3 T 360/02, ZVI 2002, 387 = ZInsO 2002, 1040, dazu EWiR 2002, 957 (Keller); LG Essen, Beschl. v. 6.6.2003 – 5 T 115/03, ZVI 2003, 431 = ZInsO 2003, 625; daher wohl überholt: AG Duisburg, Beschl. v. 27.4.2003 – 62 IN 241/02, ZVI 2003, 305 = NZI 2003, 384, dazu EWiR 2003, 643 (Beck/Hölzle); LG Berlin, Beschl. v. 8.3.2000 – 86 T 536/99, ZInsO 2000, 224. 17) Zur Rechtslage nach § 58 KO, VergVO: BGH, Urt. v. 17.12.1970 – VII ZR 39/69, BGHZ 55, 101 = NJW 1971, 381. 18) Str., wie hier: Kübler/Prütting/Bork-Eickmann, InsO, § 5 InsVV Rz. 20, Wimmer-Lorenz, FK-InsO, § 5 InsVV Rz. 3; A. Schmidt-Jarchow, InsO, § 54 Rz. 22; a. A. Verfahrenskosten gemäß § 54 Nr. 2: Breutigam/Blersch/Goetsch-Blersch, InsVV, § 5 Rz. 4; Nerlich/ Römermann-Andres, InsO, § 54 Rz. 14. 19) Bislang: BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – IX ZB 130/10, ZIP 2013, 30 Rz. 10, dazu EWiR 2013, 125 (Kalkmann); nunmehr aufgrund des am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getretenen Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl. I, 2379) neu gefassten § 63 Abs. 3. 20) LG Hamburg v. 13.2.1990 – 9 S 150/89, ZIP 1991, 116, dazu EWiR 1991, 285 (Mohrbutter). 21) AG Köln, Beschl. v. 8.6.2000 – 71 IN 42/00, NZI 2000, 384, sowie LG Stuttgart, Beschl. v. 31.8.2004 – 10 T 79/03, ZIP 2004, 2395 = NZI 2004, 630; Ries, ZInsO 2005, 414; Ries, ZInsO 2007, 1102, 1104.
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§ 55
Sonstige Masseverbindlichkeiten
§ 55 Sonstige Masseverbindlichkeiten (1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten: 1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.
(2) 1Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. 2Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. (3) 1Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. 2Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben. (4) Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Literatur: Bartels, Freigabe des Unternehmens und Enthaftung des verbleibenden Alterwerbs (Masse) nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO, KTS 2012, 381; Becker, Beitragsforderungen in der Insolvenz des Wohnungseigentümers, ZWE 2013, 6; Kebekus, Altlasten in der Insolvenz – aus Verwaltersicht, NZI 2001, 63; Lwowski/Tetzlaff, Altlasten in der Insolvenz – Die insolvenzrechtliche Qualifikation der Ersatzvornahmekosten für die Beseitigung von Umweltlasten, NZI 2001, 57; Pape, Folgen der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Behandlung von Altlasten in Insolvenzverfahren, ZInsO 2002, 453; Pöhlmann, Wer bezahlt die Beseitigung von Altlasten in der Insolvenz?, NZI 2003, 486; K. Schmidt, „Altlasten in der Insolvenz“ – unendliche Geschichte oder ausgeschriebenes Drama?, ZIP 2000, 1913; Zimmer, Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – Auswirkungen auf die Insolvenzpraxis, ZInsO 2011, 2302. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 1 ....................................... 1. Verbindlichkeiten aus Verwalterhandlungen (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1) ......... a) Rechtsgeschäfte des Insolvenzverwalters ........................................
1 2 2 2. 2
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b) Prozessführung des Insolvenzverwalters ........................................ 3 c) Schadensersatzbegründendes Verhalten des Insolvenzverwalters ........................................ 5 Verbindlichkeiten „… anderer Weise …“ (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2) ............ 6 a) Altlasten .......................................... 7
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§ 55
Sonstige Masseverbindlichkeiten
aa) Bundesverwaltungsgericht vs. Bundesgerichtshof ......................... 7 bb) Ordnungsrecht vs. Insolvenzrecht ........................................ 9 cc) Veräußerung, Freigabe, Verfahren ...................................... 13 b) Unterlassungen ............................ 14 c) Zivilrechtliche Räumungspflichten und Beseitigungskosten ........................................... 15 d) Negativerklärung nach § 35 Abs. 2 (Freigabe der selbständigen Tätigkeit) ............................ 17 3. Einzelfälle zu Absatz 1 Nr. 1 .............. 18 a) Steuern .......................................... 18 aa) Einkommensteuer ........................ 19 bb) Lohnsteuer ................................... 27 cc) Kraftfahrzeugsteuer ..................... 28 dd) Umsatzsteuer ............................... 31 ee) Grundsteuer ................................. 41 b) Arbeitsrecht ................................. 44 III. Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 2 ..................................... 48 1. Erfüllungsverlangen (Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1) ............................ 49
I. 1
2.
Verbindlichkeiten (Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1) ............................ 50 a) Mietvertrag ................................... 51 b) Arbeitsvertrag ............................... 53 IV. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse (Abs. 1 Nr. 3) ...................................... 62 V. Vorläufiger Insolvenzverwalter (Abs. 2) ................................................ 65 VI. Rückstufung (Abs. 3) ......................... 67 VII. Verbindlichkeiten aus Steuerschuldverhältnissen (Abs. 4) ............. 68 1. Entstehung ........................................... 68 2. Grundsätzliche Kritik an der Norm .............................................. 69 3. Voraussetzungen ................................. 70 a) Verfahrenseröffnung .................... 70 b) Steuerschuldverhältnis ................. 71 c) Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ..................... 72 d) Begründung von Steuerverbindlichkeiten .......................... 73 4. Rechtsfolgen ........................................ 74 5. Verfahrensfragen ................................. 76
Normzweck
Absatz 1 führt die Masseverbindlichkeiten auf, die entgegen § 58 Nr. 2 KO auch die Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse enthalten. Neben der Abgrenzung zu Insolvenzforderungen (§ 38) zielt er damit auf eine Begrenzung der für die Verfahrenseröffnung erforderlichen Kostendeckung (§ 26 Abs. 1 Satz 1).1) Absatz 2 stärkt das Vertrauen des Rechtsverkehrs in das rechtsgeschäftliche Handeln des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters. Der Rangrücktritt wegen der Gewährung von Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Absatz 32) wahrt die Sanierungschancen sanierungsfähiger Unternehmen auch in Fällen „starker“ vorläufiger Insolvenzverwaltung. Fiskalisch motiviert und systemwidrig ist in Absatz 4 die Fiktion von Steuerverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren (nicht nur) bei schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung als Masseschulden. Bremen
II. Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 1 1.
Verbindlichkeiten aus Verwalterhandlungen (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1)
a) Rechtsgeschäfte des Insolvenzverwalters 2
Absatz 1 Nr. 1 Alt. 1 erfasst in Abgrenzung zu Insolvenzforderungen Verbindlichkeiten, die nach Insolvenzeröffnung begründet wurden, nämlich aus ab Ver_____________ 1) 2)
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BT-Drucks. 12/2443, S. 83 f, 118, 126; BGH, Urt. v. BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, ZIP 2006, 583 = ZVI 2006, 156, dazu EWiR 2006, 311 (Henkel). In der Fassung des ab 1.4.2012 geltenden Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (EinglVerbG) v. 20.12.2011, BGBl. I S. 2854, durch welches die Verweise auf die Vorschriften des SGB III aktualisiert wurden.
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
fahrenseröffnung vom Insolvenzverwalter nur i. R. des Insolvenzwecks3) wirksamen, neu abgeschlossenen Rechtsgeschäften aller Art, und zwar Erfüllungs- und Sekundäransprüche.4) Unerheblich sind gleichzeitige Kompensationen z. B. nach §§ 4 Abs. 2, 5 InsVV. Erfasst werden auch Ansprüche aus neu abgeschlossenen (z. B. bei Betriebsfortführung), nicht hingegen Ansprüche aus bei Eröffnung bereits bestehenden Arbeitsverträgen; letztere fallen unter Absatz 1 Nr. 2 (unten Rz. 53 ff). Ansprüche aus anfechtbarem Forderungseinzug des Insolvenzverwalters sind Masseverbindlichkeiten gegenüber dem Insolvenzverwalter des Drittschuldners.5) b) Prozessführung des Insolvenzverwalters
Eigene und auferlegte Kosten eines vom Insolvenzverwalter begonnenen oder aufgenommenen Rechtsstreits waren unter Geltung der KO wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung, an welchem die Rechtsprechung auch unter der InsO ungeachtet einer erforderlichen Abgrenzung auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung festgehalten hat,6) Masseverbindlichkeiten.7) Zu den Kosten gehören auch vor Verfahrenseröffnung und Aufnahme bereits angefallene Gebühren,8) wenngleich die Haftung im Rang des Absatzes 1 Nr. 1 auf den noch anhängigen Gegenstandswert beschränkt ist,9) und auf die Verfahrenskosten infolge der Klagerücknahme durch den Insolvenzverwalter, da die Klagerücknahme nach Verfahrenseröffnung erfolgte.10) Vor Eröffnung des Verfahrens begründete vertragliche Ansprüche werden hingegen nur mit Erfüllungswahl nach § 103 Abs. 1 Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 2, hierbei vor Eröffnung begründete Kosten- und Gebührenansprüche Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 1 je-
_____________ 3) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 360 = ZIP 2002, 1093, EWiR 2003, 125 (Tintelnot); BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273 = NJW 2008, 63. 4) BGH, Urt. v. 15.11.1988 – IX ZR 11/88, ZIP 1989, 118 = WM 1989, 225; BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, ZIP 2006, 583 = ZVI 2006, 156. 5) OLG Köln, Urt. v. 31.8.2011 – 2 U 20/11, ZIP 2011, 1830 = NZI 2011, 812, dazu EWiR 2011, 755 (Rendels/Körner). 6) BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576, 578 = NZI 2006, 295; BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132, 2133 = ZVI 2007, 75, dazu EWiR 2007, 85 (Hofmann); BAG, Beschl. v. 17.8.2005 – 7 ABR 56/04, ZIP 2006, 144, 146 = DZWIR 2006, 152, dazu EWiR 2006, 687 (Moll/Leisbrock). 7) BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 312/04, ZIP 2006, 2132, 2133 = ZVI 2007, 75; BAG, Beschl. v. 9.12.2009 – 7 ABR 90/07, ZIP 2010, 588 = NJW 2010, 2154; BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZR 297/03, ZIP 2004, 2293 = ZVI 2005, 100, dazu EWiR 2006, 83 (Undritz/ Nissen); für lediglich die nach Aufnahme entstanden Prozesskosten als Masseverbindlichkeiten u. a.: Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 38 Rz. 25, § 55 Rz. 18. 8) BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZR 221/04, ZIP 2005, 952 = ZInsO 2005, 534; BAG, Beschl. v. 17.8.2005 – 7 ABR 56/04, ZIP 2006, 144 = DZWIR 2006, 152. 9) Nur für den Revisionsrechtsstreit: BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZR 297/03, ZIP 2004, 2293 = ZVI 2005, 100. 10) BGH, Beschl. v. 21.3.2002 – VII ZR 137/00, BRAGOReport 2003, 39; BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034 = ZInsO 2005, 594, dazu EWiR 2005, 603 (Flitsch).
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doch nicht bereits durch die Erfüllungswahl, sondern nur nach Aufnahme des Rechtsstreits.11) 4
Ein von dem Insolvenzverwalter abgeschlossener Prozessvergleich ändert den insolvenzrechtlichen Rang der verglichenen Forderung nicht, soweit sich durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) nichts anderes ergibt. Die Übernahme von Kosten durch den Insolvenzverwalter begründet allerdings auch bezüglich der vor Eröffnung entstandenen Gebühren Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 1, da der Abschluss des Vergleichs rechtsgeschäftliches Handeln darstellt. c) Schadensersatzbegründendes Verhalten des Insolvenzverwalters
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Vertragliche oder gesetzliche Pflichten verlangen dem Insolvenzverwalters ein bestimmtes Tun oder Unterlassen ab. Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 1 Alt. 1 sind hierdurch dem Insolvenzverwalter entstehenden Kosten und vor allem Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung dieser Pflichten, wie die Verletzung von Rechten Dritter bei der Verfahrensabwicklung,12) wenn der Verwalter bei der Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse handelt: dann werden sie ihm zugerechnet;13) seine persönliche Haftung gegenüber der Masse wird hierdurch nicht ausgeschlossen;14) die Verwalterhaftung steht gleichrangig neben der Massehaftung.15) Bremen
2. 6
Verbindlichkeiten „… anderer Weise …“ (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2)
Die Abgrenzung der in anderer Weise als durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründeten Verbindlichkeiten ist praktisch weniger bedeutsam; beide Fallgruppen nach Absatz 1 Nr. 1 werden bei Masseunzulänglichkeit gleichrangig befriedigt (§ 209 Abs. 1 Nr. 3). a) Altlasten aa) Bundesverwaltungsgericht vs. Bundesgerichtshof
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Unter Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2 fallen insbesondere öffentlich-rechtliche Ordnungspflichten, die auch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe der jeweiligen ordnungsrechtlichen Vorschriften mit Inbesitznahme des Massegegenstandes (§ 148 Abs. 1) treffen. Die Haftung für Altlasten in der Insolvenz wird uneinheitlich gesehen. Das Bundesverwaltungsgericht qualifiziert die Verpflichtung des Insolvenzverwalters als Inhaber der tatsächlichen Gewalt zur Sanierung massezugehöriger, bereits bei Verfahrenseröffnung kontaminierter Grundstücke als Masseverbindlichkeit nach Ab_____________ 11) Der Streitwert richtet sich nach der zu erwartenden Quote; OLG Hamm, Beschl. v. 7.8.1974 – 23 W 234/74, NJW 1975, 742. 12) FG Hannover, Beschl. v. 9.9.2003 – 14 V 103/03, ZVI 2003, 479. 13) BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, ZIP 2006, 583 = ZVI 2006, 156; entweder analog § 278 BGB (Uhlenbruck-Sinz InsO, § 55 Rz. 23 f) oder zutreffenderweise nach § 31 BGB (Jaeger-Henckel, InsO, § 55 Rz. 12 ff); BGH, Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 219/10, ZIP 2012, 1566 = NJW 2012, 2800, dazu EWiR, 2012, 601 (Voß). 14) BGH, Urt. v. 17.9.1987 – IX ZR 156/86, ZIP 1987, 1398 = NJW-RR 1988, 89. 15) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 = NZI 2006, 169, dazu EWiR 2006, 179 (Pape); BAG, Urt. v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, ZIP 2007, 1169 = NZI 2007, 535, dazu EWiR 2007, 625 (Ferslev).
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satz 1 Nr. 1 Alt. 216) (Haftung als Zustandsstörer); anderenfalls sei wegen § 80 der Behörde der Aktadressat entzogen.17) Nach Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5.7.200118) sind Räumungs- und Beseitigungspflichten betreffend Altlasten aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung nicht als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen ist. Insbesondere begründe alleine die Inbesitznahme eines kontaminierten Grundstücks keine Beseitigungspflicht des Insolvenzverwalters im Rang von Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2, da der Verwalter zur Inbesitznahme gesetzlich verpflichtet ist (§ 148 Abs. 1) und sich dieser Pflicht nicht entziehen könne.19) Die Beseitigungsverpflichtung und die Kosten einer entsprechenden Ersatzvornahme sind einfache Insolvenzforderungen nach § 38.
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bb) Ordnungsrecht vs. Insolvenzrecht
Systematisch sind zunächst die ordnungsrechtliche Pflicht und sodann die insolvenzrechtliche Haftung dafür zu bestimmen.20) Ordnungspflichten richten sich nach den Vorschriften des Ordnungsrechts des Bundes21) und der Länder und dem Polizeirecht der Länder. Adressaten von Ordnungspflichten sind Handlungsstörer, von deren Verhalten eine Störung ausgeht, oder Zustandsstörer, als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über einen störungsrelevanten Gegenstand.
9
Demzufolge lösen nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter willentlich verursachte Störungen Beseitigungspflichten im Rang von Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 1 Alt. 1 aus. Der Insolvenzverwalter gilt immissionsschutzrechtlich als Betreiber, wenn er die Anlage im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, wenn auch nur für kurze Zeit, führt,22) und ordnungsrechtlich als Handlungsstörer.
10
Als Betreiber (und Handlungsstörer) hat der Insolvenzverwalter jedoch in Betracht zu ziehen, dass das Ordnungsrecht hieran auch die Haftung als Zustandsstörer wegen der Beseitigung für auch vor Insolvenzeröffnung angefallene Stoffe (vgl. z. B. §§ 5, 11 i. V. m. § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG) anknüpft; diese Haftung ist im Rang von Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2 zu erfüllen. Der Insolvenzverwalter wird jedoch noch nicht Betreiber, wenn er die Anlage (zeitnah) nach Inbesitznahme stilllegt, da die gesetzlich angeordnete Inbesitznahme (§ 148 Abs. 1) der mit Altlasten belasteten
11
_____________ 16) BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 = NJW 2005, 379; BVerwG, Urt. v. 22.10.1998 – 7 C 38.97, ZIP 1998, 2167 = ZInsO 1999, 50; BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 = ZInsO 2004, 1206, dazu EWiR 2005, 439 (Kreft); Dradso, ZfIR 2005, 31 (Urteilsanm.); so auch: A. Schmidt-Jarchow, InsO, § 55 Rz. 44, 74. 17) Drasdo, ZflR 2005, 31 (Urteilsanm.). 18) BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469, 1471 = ZInsO 2001, 751, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst). 19) BGH, Urt. v. 18.4.2002 – IX ZR 161/01, ZIP 2002, 1043 = ZInsO 2002, 524, dazu EWiR 2002, 573 (Tetzlaff). 20) Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 55 Rz. 89 ff, 95 ff. 21) Insbesondere: WHG, BImSchG, KrW-/AbfG, BBodschG. 22) Bereits bei Betrieb einer Anlage über zwei Monate: BVerwG, Urt. v. 22.10.1998 – 7 C 38.97, ZIP 1998, 2167 = ZInsO 1999, 50; BVerwG, Urt. v. 22.7.2004 – 7 C 17.03, ZIP 2004, 1766 = NZI 2005, 55.
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Anlage die Eigenschaft als Betreiber noch nicht begründen kann.23) Das ist von Bedeutung, wenn ein sofortiges Stilllegen der Anlage technisch nicht möglich ist oder einen Schaden verursachen würde. Wartungsarbeiten, Funktionsprüfungen und Probeläufe führen nicht zur Betreibereigenschaft; sie dienen der Sicherung bzw. sind Ausdruck der Inbesitznahme (§§ 80, 148).24) 12
Der Einordnung von Ordnungspflichten als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten folgt die entsprechende Qualifikation der Beseitigungs- und Ersatzvornahmekosten.25) cc) Veräußerung, Freigabe, Verfahren
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Der Haftung für Altlasten im Rang von Absatz 1 Nr. 1 kann sich der Insolvenzverwalter nur durch Veräußerung26) oder Freigabe27) des belasteten Gegenstandes entledigen, soweit das jeweilige Ordnungsrecht einer Enthaftung nicht entgegensteht.28) Die Freigabe der Gefahrstoffe reicht nicht aus.29) Soweit eine Haftung der Insolvenzmasse nach Absatz 1 in Betracht kommt, ist Adressat entsprechender Verwaltungsakte der Insolvenzverwalter, der hierfür nicht persönlich, sondern nur mit den Mitteln der Insolvenzmasse haftet.30) b) Unterlassungen
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Schadensersatzansprüche aufgrund eines massebezogenen pflichtwidrigen Unterlassens des Insolvenzverwalters sind Masseverbindlichkeiten (siehe auch Rz. 5). c) Zivilrechtliche Räumungspflichten und Beseitigungskosten
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Zivilrechtliche Ansprüche auf Beseitigung eines bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhandenen störenden Zustands (z. B. Bau auf fremdem Grundstück) verpflichten nicht dadurch die Insolvenzmasse, dass sie erst nach der Verfahrenseröffnung geltend gemacht werden. Die schlichte Inbesitznahme eines auf fremdem Grundstück befindlichen Gegenstandes in einem störenden Zustand begründet keine Haftung der Insolvenzmasse für die Beseitigungskosten im Rang einer Masseverbindlichkeit.31)
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Mit Nutzung oder Verwertung von vor Insolvenzeröffnung eingebrachter Sachen löst der Insolvenzverwalter allerdings Räumungsansprüche als Masseverbindlichkeit nach _____________ 23) BGH, Urt. v. 18.4.2002 – IX ZR 161/01, ZIP 2002, 1043 = ZInsO 2002, 524; BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 = ZInsO 2004, 1206. 24) OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 1.6.2006 – 8 A 4495/04, DÖV 207, 528. 25) Einzelheiten bei Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 55 Rz. 100 ff. 26) BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 = ZInsO 2004, 1206. 27) BVerwG, Urt. v. 23.9.2004 – 7 C 22.03, ZIP 2004, 2145 = ZInsO 2004, 1206; a. A.: OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.7.2003 – 14 U 207/01, ZIP 2003, 1510 = ZInsO 2003, 768, dazu EWiR 2003, 1095 (Johlke/Schröder); K. Schmidt, ZIP 2000, 1913. 28) VGH Mannheim, Beschl. v. 17.4.2012 – 10 S 3127/11, NZI 2012, 722, 723 f = ZIP 2012, 1819 – zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImschG. 29) OVG Lüneburg, Urt. v. 7.1.1993 – 7 M 5684/92, ZIP 1993, 1174 = NJW 1993, 1671. 30) BVerwG, Urt. v. 10.2.1999 – 11 C 9.97, ZIP 1999, 538 = NZI 1999, 246. 31) BGH, Urt. v. 18.4.2002 – IX ZR 161/01, ZIP 2002, 1043 = ZInsO 2002, 524.
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Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2 aus,32) derer er sich durch Freigabe der Sachen nicht entledigen kann.33) Nur ohne derartige Nutzung kann er durch Freigabe der Sache die Haftung der Masse für Räumungskosten im Rang von Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2 vermeiden. d) Negativerklärung nach § 35 Abs. 2 (Freigabe der selbständigen Tätigkeit)
Mit wirksamer Freigabe der selbständigen Tätigkeit aus der Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 wird die Masse auch von den als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 zu bedienenden Verpflichtungen aus Vertrags- und Dauerschuldverhältnissen34) und von damit zusammenhängenden Steuerverpflichtungen frei. Eine Gestattung der Nutzung von Massegegenständen führt zu keiner Haftung der Masse für Umsatzsteuer.35) Ferner haftet sie nicht für Verbindlichkeiten von Neugläubigern, mit denen der Schuldner nach der Freigabe in Geschäftsbeziehungen getreten ist.36) 3.
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Einzelfälle zu Absatz 1 Nr. 1
Literatur: Heinze, Umsatzsteuern aus schwacher vorläufiger Verwaltung als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4, ZInsO 2011, 603; Kahlert, Die Neugeburt eines Fiskusprivilegs im Insolvenzverfahren nach Art. 3 Nr. 2 und 3 des HBeglG-E 2011, ZIP 2011, 1887; Kahlert, Fiktive Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren: Wie funktioniert § 55 Abs. 4 InsO, ZIP 2010, 401; Krüger, Umsatzsteuerkorrektur bei Verfahrenseröffnung oder Korrektur der Rechtsprechung, ZInsO 2013, 2000; Marotzke, Sinn und Unsinn einer insolvenzrechtlichen Privilegierung des Fiskus, ZInsO 2010, 2163; Naswroth, Der neue § 55 Abs. 4 InsO – die Gedanken sind frei …, ZInsO 2011, 107; Onusseit, Zur Neuregelung des § 55 Abs. 4 InsO, ZInsO 2011, 641; Schmittmann, Kraftfahrzeugsteuer: Rechtsprechungshinweise zur praktischen Bearbeitung von Sachverhalten, InsBüro 2012, 2; Schmittmann, Umsatzsteuer aus Einzug von Altforderungen nach Insolvenzeröffnung, ZIP 2011, 1125; Sterzinger, Fiskusprivileg im Insolvenzverfahren, BB 2011, 1367; Zimmer, Keine Haftung der Gesellschafter für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz der Personengesellschaft einschließlich § 55 Abs. 4 InsO?, ZInsO 2011, 1081. Paul
a) Steuern
Bei einem Steueranspruch kann es sich um eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung oder eine insolvenzfreie Forderung handeln. Die insoweit erforderliche Abgrenzung hat für die Art und Weise der Geltendmachung der Steuerforderung und ihrer Anspruchsbefriedigung erhebliche Bedeutung. Während Steuerinsolvenzforderungen mittels Steuerberechnung zur Insolvenztabelle anzumelden sind, können Masseforderungen gegen den Insolvenzverwalter und insolvenzfreie Forderungen gegen den Schuldner durch Bescheid festgesetzt werden. Die Abgrenzung hat für _____________ 32) BGH, Urt. v. 2.2.2006 – IX ZR 46/05, ZIP 2006, 583 = ZVI 2006, 156. 33) Insoweit überholt: OLG Stuttgart, Urt. v. 10.2.2005 – 13 U 167/04, ZInsO 2005, 498 = DZWIR 2005, 345. 34) BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322 = ZIP 2012, 533, 535, dazu EWiR 2012, 287 (Henkel); Andres, NZI 2012, 409 (Urteilsanm.). 35) BFH, Urt. v. 8.9.2011 – V R 38/10, ZIP 2012, 88 = NZI 2012, 335, dazu EWiR 2012, 209 (Berger). 36) Bartels, KTS 2012, 381, 392 ff.
Paul
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
das Insolvenzrecht einheitlich zu erfolgen (z. B. §§ 38, 55, §§ 95 ff)37) und richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an.38) Stattdessen ist maßgeblich, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt, also der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wurde. Das ist nach den steuerrechtlichen Regelungen zu ermitteln.39) aa) Einkommensteuer 19
Für den Bereich der Einkommensteuer kommt es nach diesen Grundsätzen für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderung darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde. Darüber hinaus muss die Entstehung der Schuld auf eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters mit Bezug zur Insolvenzmasse zurückzuführen sein.40)
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Wegen des Erfordernisses einer Verwaltermaßnahme stellt die aus dem Neuerwerb in Form einer unselbständigen Tätigkeit resultierende Einkommensteuernachzahlung keine Masseverbindlichkeit dar. Weder die Arbeitstätigkeit des Schuldners als solche noch die (teilweise) Vereinnahmung des Arbeitseinkommens zur Masse beinhalten eine Verwalterhandlung.41) Allein aus der Massemehrung infolge der Abführung der pfändbaren Lohnbestandteile lässt sich bzgl. der Einkommensteuernachzahlung nicht auf eine Masseverbindlichkeit schließen.42) Die Steuernachzahlung ist daher gegenüber dem Insolvenzschuldner festzusetzen.
21
Gleiches gilt, wenn die Einkommensteuer auf unpfändbaren Renteneinkünften des Schuldners beruht. Dann ist die auf die Renteneinkünfte entfallende Einkommensteuer gegen das insolvenzfreie Vermögen festzusetzen.43)
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Einkommensteuer, die auf einer ohne Wissen und Billigung des Verwalters ausgeübten selbständigen Tätigkeit des Schuldners, die nicht zu einer Massemehrung geführt hat, beruht, stellt keine Masseverbindlichkeit dar.44) Das gilt selbst im
_____________ 37) Kahlert, ZIP 2011, 401, 402; Onusseit in: Kölner Schrift, Kap. 39, Rz. 12. 38) BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628 = DStRE 2005, 479, dazu EWiR 2005, 477 (Onusseit); BFH, Urt. v. 18.5.2010 – X R 60/08, ZIP 2010, 1612 = DStR 2010, 1081, dazu EWiR 2010, 677 (de Weerth). 39) BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628 = DStRE 2005, 479; BFH, Urt. v. 29.8.2007 – IX R 4/07, ZIP 2007, 20181 = ZVI 2007, 616, dazu EWiR 2007, 723 (v. Spiessen); BFH, Urt. v. 16.5.2013 – IV R 23/11, ZIP 2013, 1481 = DStR 2013, 1584, m. Anm. Kahlert, dazu EWiR 2013, 621 (Schmittmann). 40) BFH, Urt. v. 24.2.2011 – VI R 21/10, ZIP 2011, 873 = ZInsO 2011, 927, dazu EWiR 2011, 427 (Onusseit). 41) BFH, Urt. v. 24.2.2011 – VI R 21/10, ZIP 2011, 873 = ZInsO 2011, 927, dazu EWiR 2011, 427 (Onusseit). 42) BFH, Urt. v. 18.5.2010 – X R 11/09, ZIP 2010, 2014, dazu EWiR 2010, 751 (Kahlert); BFH, Urt. v. 24.2.2011 – VI R 21/10, ZIP 2011, 873 = ZInsO 2011, 927, dazu EWiR 2011, 427 (Onusseit). 43) FG Düsseldorf, Urt. v. 19.8.2011 – 11 K 4201/10, ZIP 2011, 2070 = DStR 2012, 996. 44) BFH, Urt. v. 18.5.2010 – X R 11/09, ZIP 2010, 2014, dazu EWiR 2010, 751 (Kahlert).
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Fall einer wissentlichen Duldung der schuldnerischen Tätigkeit.45) In diesen Konstellationen ist die Einkommensteuer daher gegenüber dem Schuldner festzusetzen. Hat die auf selbständiger Basis mit Zustimmung des Insolvenzverwalters ausgeübte Tätigkeit des Schuldners demgegenüber zu einer Massemehrung geführt, schuldet die Insolvenzmasse die Einkommensteuer.46) Führt die durch den Insolvenzverwalter erfolgte Verwertung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens zu Einkommensteuer, handelt es sich um eine nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 247) begründete Masseverbindlichkeit.48) Das gilt nach Ansicht des BFH selbst dann, wenn z. B. ein Grundstück freihändig unter Aufdeckung von vor Insolvenzeröffnung gebildeten stillen Reserven nach Verfahrenseröffnung veräußert wird. Entscheidend für die Einstufung der Steuerforderung soll allein die Gewinnrealisierung des Verwalters sein.49) Weiter ist nach Auffassung des BFH die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn selbst dann in voller Höhe Masseverbindlichkeit, wenn das verwertete Wirtschaftsgut mit Absonderungsrechten belastet war, der Verwertungserlös also bis auf die Kostenbeiträge an den Absonderungsgläubiger ausgekehrt wurde und die aus der Verwertungshandlung resultierende Einkommensteuerforderung den zur Masse gelangten Betrag übersteigt.50) Diese profiskalische Rechtsprechung begegnet erheblichen Bedenken: Die Realisierung vor Insolvenzeröffnung gebildeter stiller Reserven stellt – weil es sich letztlich um einen aufschiebend bedingten Steueranspruch handelt – nur eine Insolvenzforderung dar. Auch kann nur der tatsächlich in der Insolvenzmasse verbleibende Betrag der Einkommensteuer unterworfen werden. Im Ergebnis wird die BFH-Rechtsprechung dazu führen, dass entweder Insolvenzverwalter vermehrt die Freigabe von Wirtschaftsgütern erklären oder aber mit den Absonderungsgläubigern Massekostenbeiträge aushandeln werden, die eine Begleichung der aus der Realisierung stiller Reserven resultierenden Einkommensteuer erlauben.
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Die aus einer Beteiligung an einer Personengesellschaft resultierende Einkommensteuerschuld ist eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1. Das gilt zum einen, wenn es sich um „echte“ Gewinne handelt, da sich die Insolvenzmasse um den gegen die Gesellschaft gerichteten Gewinnanspruch erhöht. Eine Masseverbindlichkeit liegt aber auch vor, wenn die Einkommensteuerschuld aus einem Gewinn resultiert, der sich durch die Auflösung einer Rückstellung auf der Ebene der Gesellschaft ergeben hat. In diesem Fall liegt die Bereicherung der Insolvenz-
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_____________ 45) BFH, Urt. v. 21.7.2009 – VII R 49/08, ZIP 2009, 2208, m. Anm. Kahlert/Mordhorst, dazu EWiR 2010 2010, 23 (Onusseit). 46) Schmidt-Schmittmann, InsO, Anhang Steuerrecht, Rz. 133. 47) Offengelassen von BFH, Urt. v. 16.5.2013 – IV R 23/11, ZIP 2013, 1481 = DStR 2013, 1584 (m. Anm. Kahlert), dazu EWiR 2013, 621 (Schmittmann). 48) BFH, Urt. v. 11.11.1993 – XI R 73/92, ZIP 1994, 1286 = BeckRS 1993, 06266, dazu EWiR 1994, 699 (Onusseit); BFH, Urt. v. 5.3.2008 – X R 60/04, ZIP 2008, 1643 = DStR 2008, 1478. 49) BFH, Urt. v. 16.5.2013 – IV R 23/11, ZIP 2013, 1481 = DStR 2013, 1584, m. Anm. Kahlert, dazu EWiR 2013, 621 (Schmittmann). 50) BFH, Urt. v. 16.5.2013 – IV R 23/11, ZIP 2013, 1481 = DStR 2013, 1584, m. Anm. Kahlert, dazu EWiR 2013, 621 (Schmittmann).
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masse in der Entlastung von einer drohenden Verbindlichkeit.51) Der Insolvenzverwalter hat angesichts dieser Rechtsprechung regelmäßig zu prüfen, ob die Freigabe der Beteiligung zur Vermeidung von Masseverbindlichkeiten angezeigt ist. 25
Die aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte ermittelte Einkommensteuerschuld ist für das Jahr der Insolvenzeröffnung in die Kategorien Insolvenzforderung, Masseverbindlichkeit und insolvenzfreie Forderung aufzuteilen. Ähnliches gilt für das Jahr der Verfahrensaufhebung, wo eine Unterscheidung zwischen Masseverbindlichkeit und insolvenzfreie Forderung notwendig ist. Die Einkommensteuer auf die Einkünfte aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung sind Insolvenzforderungen. Auf während des Verfahrens erzielten Einkünften beruhende Einkommensteuer ist Masseverbindlichkeit. Nicht die Insolvenzmasse tangierende Einkünfte führen zu Einkommensteuerforderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners. Nach welchem Maßstab die Aufteilung jeweils zu erfolgen hat, ist im Einzelnen zwischen Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der BFH vertritt seit Jahren das Separationsmodell, wonach die Steuerschuld dem Verhältnis der Einkünfte zueinander zu entsprechen hat.52)
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Für die Beurteilung der rechtlichen Qualität von Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer ist entscheidend, dass nach § 37 Abs. 1 EStG die Vorauszahlungsschuld jeweils mit dem Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, entsteht. Sie bemisst sich deshalb danach, ob die Insolvenzeröffnung mit dem Beginn des Entrichtungszeitraums zusammenfällt. Ist das nicht der Fall, wird also das Verfahren während des laufenden Quartals eröffnet, ist die Vorauszahlungsforderung für das laufende und frühere Quartal Insolvenzforderung. Für die Folgezeit handelt es sich um Masseverbindlichkeiten, die ggf. noch durch Vorauszahlungsbescheid (§ 37 Abs. 3 EStG) gegenüber dem Verwalter festzusetzen sind. Eine zeitanteilige Aufteilung der Vorauszahlung des Kalendervierteljahres der Verfahrenseröffnung kommt nicht in Betracht.53) Die geleisteten Vorauszahlungen sind auf die Jahressteuerschuld anzurechnen, wobei die Anrechnung zeitabschnittsbezogen getrennt nach den Vermögensmassen (vorinsolvenzlich, nachinsolvenzlich und insolvenzfrei) zu erfolgen hat.54) bb) Lohnsteuer
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Lohnsteuer schuldet nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer. Sie wird durch einen Abzug vom Arbeitslohn erhoben und regelmäßig vom Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführt (§§ 41 ff EStG). Fehlt es hieran, stellt die Lohnsteuerforderung in der Insolvenz des Arbeitnehmers immer dann eine Masseverbindlichkeit dar, wenn der Schuldner seine Arbeitsleistung nach Insolvenzeröffnung erbracht hat. Bei Erbringung der Arbeitsleistung vor Verfahrenseröffnung ist die Lohnsteuer im Rang von § 38 anzusiedeln. Entgegen teilweise vertretener Ansicht55) ist für _____________ 51) BFH, Urt. v. 18.5.2010 – X R 60/08, ZIP 2010, 1612 = ZInsO 2010, 1553, dazu EWiR 2010, 677 (de Weerth). 52) Vgl. die Kommentierung zu § 80 Rz. 50 ff. 53) Waza/Uhländer/Schmittmann-Uhländer, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1533. 54) BFH, Gerichtsbescheid. v. 29.3.1984 – IV R 271/83, ZIP 1984, 853 = BStBl. II 1984, 602. 55) Braun-Bäuerle, InsO, § 55 Rz. 27.
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die Abgrenzung nicht auf den Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohnes abzustellen.56) In der Insolvenz des Arbeitgebers ist demgegenüber der Zeitpunkt des Zahlung des Arbeitslohns durch den Schuldner das maßgebliche Abgrenzungskriterium für die Einstufung des Haftungsanspruchs aus § 42d EStG als Insolvenzoder Masseforderung. Wird Lohn nach Insolvenzeröffnung gezahlt, handelt es sich bei der Haftungsforderung um eine Masseverbindlichkeit. Das gilt auch, wenn Gehaltsansprüche im Rang von § 38 nach Insolvenzeröffnung bedient werden.57) cc) Kraftfahrzeugsteuer Früher knüpfte die Kfz-Steuer ab Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeit an die steuerrechtliche Haltereigenschaft an, der der Insolvenzverwalter sich nicht durch Freigabe, sondern erst mit Abmeldung des Fahrzeugs entledigen konnte.58) Im Jahre 2011 hat der Bundesfinanzhof jedoch richtigerweise erkannt, dass die Haltereigenschaft mangels Geldwert kein Vermögen gemäß § 35 ist; wie Steuern allgemein setzt auch die Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit einen Massebezug voraus, der bei Massezugehörigkeit des Fahrzeugs „in anderer Weise“ (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2) gegeben ist.59) Er entfällt jedoch mit Freigabe oder Veräußerung des Fahrzeugs und fehlt im Falle von § 811 Nr. 1 ZPO von vornherein.60) Gibt der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 frei, ist das für die Beurteilung der Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit oder insolvenzfreie Verbindlichkeit ohne Bedeutung.61) Keine Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit löst die Anmeldung eines Fahrzeugs nach Insolvenzeröffnung durch den Schuldner aus, wenn den Insolvenzverwalter weder eine Pflichtverletzung im Hinblick auf die Fahrzeugnutzung trifft noch er den Vorgang gekannt hat oder hätte kennen müssen.62) Ebenfalls keine Masseverbindlichkeit liegt vor, wenn das Fahrzeug bereits vor Insolvenzeröffnung durch Anordnung der Zwangsverwaltung über ein Grundstück beschlagnahmt worden ist.63)
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Die Kfz-Steuer ist eine Jahressteuer, die mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums entsteht (§ 6 KraftStG) und jeweils für die Dauer eines Jahres im Voraus zu entrichten ist (§ 11 Abs. 1 KraftStG). Sie ist ab Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeit durch neuen Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter64)
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_____________ 56) Ebenso Kübler/Prütting/Bork-Olbing, Insolvenzsteuerrecht, II. B. Rz. 2. 57) Kübler/Prütting/Bork-Olbing, Insolvenzsteuerrecht, II. B. Rz. 6. 58) BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 62/03, ZIP 2005, 264, 265 = ZVI 2005, 134, m. Anm. Grundlach/Frenzel, NZI 2005, 281; BFH, Urt. v. 29.8.2007 – IX R 4/07, ZIP 2007, 2081 = ZVI 2007, 616, dazu EWiR 2007, 723 (v. Spiessen); BFH, Beschl. v. 10.3.2010 – II B 172/09, ZIP 2010, 1302, m. Anm. Meyer = ZInsO 2010, 959. 59) BFH, Gerichtsbescheid v. 8.7.2011 – II R 49/09, ZIP 2011, 1728 = ZVI 2011, 420, dazu EWiR 2011, 573 (Sinz/Hiebert). 60) BFH, Gerichtsbescheid v. 8.7.2011 – II R 49/09, ZIP 2011, 1728 = ZVI 2011, 420, dazu EWiR 2011, 573 (Sinz/Hiebert); Schmittmann, InsBüro 2012, 2. 61) BFH, Urt. v. 8.9.2011 – II R 54/10, ZIP 2012, 42 = ZInsO 2011, 2339, dazu EWiR 2012, 179 (Junghans). 62) FG Hannover, Beschl. v. 9.9.2003 – 14 V 103/03, ZVI 2003, 479. 63) BFH, Urt. v. 1.8.2012 – II R 28/11, ZIP 2012, 2306 = ZVI 2013, 29. 64) FG Hannover, Urt. v. 15.8.2005 – 14 K 20/00 bis 14 K 27/00, n. v.; FG Hannover, Beschl. v. 9.9.2003 – 14 V 103/03, ZVI 2003, 479.
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festzusetzen; Neuberechnung aus dem bisherigen Steuerbescheid und Zahlungsaufforderung im Wege eines Leistungsgebots reichen nicht.65) Hat der Verwalter gegen einen an ihn gerichteten Kfz-Steuerbescheid Einspruch eingelegt und wird sodann das Insolvenzverfahren aufgehoben, fehlt es ihm fortan an der Prozessführungsbefugnis. Das Einspruchsverfahren ist unterbrochen, bis es vom Schuldner aufgenommen wird.66) 30
Gegenüber dem Erstattungsanspruch wegen im Voraus entrichteter Steuer, die auf den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung entfällt, kann das Finanzamt mit Insolvenzforderungen aufrechnen.67) Dementsprechend ist der Verwalter gehalten, sobald er von einer Aufrechnungslage Kenntnis erlangt, seinerseits die Aufrechnung mit Masseverbindlichkeiten gegenüber dem Erstattungsanspruch zu erklären. Im Hinblick auf die spätestens zum 30.6.2014 erfolgende flächendeckende Übernahme der Kfz-Steuerverwaltung durch den Bund68) werden sich die Aufrechnungsmöglichkeiten voraussichtlich verringern, da der Bund z. B. nicht insolvenzfest gegenüber Kfz-Steuererstattungsansprüchen mit rückständigen Landessteuern (insb. aus ESt) aufrechnen kann. dd) Umsatzsteuer
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Der Abgrenzung von Insolvenz- und Masseforderungen im Bereich der Umsatzsteuer kommt in der Praxis erhebliche Bedeutung zu. Gleichwohl waren wesentliche rechtliche Fragestellungen lange Zeit nicht abschließend geklärt. Das lag u. a. daran, dass der Bundesfinanzhof zur insolvenzrechtlichen Begründetheit der Umsatzsteuer über Jahrzehnte uneinheitlich judiziert hat: Der für Abrechnungsbescheide und damit Aufrechnungen zuständige VII. Senat sah die vollständige Bewirkung der Lieferung oder Leistung als ausreichend für die Abgrenzung an,69) wohingegen der für die Umsatzsteuer zuständige V. Senat die (bisweilen erheblich später liegende) Entgeltvereinnahmung noch dem Entstehungstatbestand zurechnete.70) Mittlerweile hat sich der VII. Senat der Auffassung des V. Senats – vor allem um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren bzw. wiederherzustellen – angeschlossen.71)
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Diese neue einheitliche Rechtsprechung zur Frage der Abgrenzung von Umsatzsteuerinsolvenz- und -masseforderungen führt beim Einzug von Außenständen _____________ 65) BFH, Beschl. v. 3.2.2005 – VII B 304/03, BFH/NV 2005, 1111. 66) BFH, Gerichtsbescheid v. 6.7.2011 – II R 34/10, ZInsO 2012, 232 = NZI 2011, 911. 67) BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 62/03, ZIP 2005, 264 = ZVI 2005, 134, m. Anm. Grundlach/Frenzel, NZI 2005, 281. 68) Gesetz v. 19.3.2009, verkündet am 25.3.2009, BGBl. I, 606; in Kraft getreten am 1.7.2009. 69) BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 682 = NZI 2005, 279; BFH, Urt. v. 5.10.2004 – VII R 69/03, ZIP 2005, 266 = NZI 2005, 276; dem folgend auch der I. Senat in BFH, Urt. v. 23.2.2011 – I R 20/10, ZIP 2011, 1116 = DStR 2011, 1029, dazu EWiR 2011, 549 (Kahlert). 70) Ständige Rspr. seit BFH, Urt. v. 9.4.1987 – V R 23/80, ZIP 1987, 723 = BStBl. II 1987, 527; BFH, Urt. v. 6.6.1991 – V R 115/87, ZIP 1991, 1080 = BStBl. II 1991, 817, dazu EWiR 1991, 909 (Frotscher); in diesem Sinne auch der XI. Senat: BFH, Beschl. v. 26.2.2008 – XI B 169/07, BFH/NV 2008, 830 = BeckRS 2008, 25013056. 71) BFH, Urt. v. 25.7.2012 – VII R 29/11, ZIP 2012, 2217 = ZInsO 2012, 2142, EWiR 2013, 17 (Ries).
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nunmehr immer, d. h. sowohl bei der Ist-72) als auch bei der Soll-Versteuerung73) zu Masseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter das Entgelt nach Verfahrenseröffnung einnimmt. Es ist zunächst im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung für den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil eine (erste) Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG vorzunehmen; sodann hat im Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung durch die Insolvenzmasse eine zweite Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu erfolgen. Ebenfalls durch den BFH geklärt und durch die Finanzverwaltung praktiziert, wird eine Verrechnung des durch die erste Umsatzsteuerkorrektur aus Rechtsgründen entstehenden Guthabens mit Steuerinsolvenzforderungen.74) Dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 9.12.201075), das diese Rechtsfolge entgegen langjähriger Verwaltungspraxis auch für die Soll-Versteuerung gezogen hat, begegnen größte Bedenken wegen der bis dahin nicht einmal ansatzweise vertretenen unsystematischen Heranziehung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zur Begründung der Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung (die Verfahrenseröffnung lasse wegen § 80 Abs. 1 die Empfangszuständigkeit des Schuldners entfallen) und der in dem seit dem 1.1.2011 geltenden Absatz 4 zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, unter welchen besonderen Voraussetzungen Steuerverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren ausnahmsweise als Masseverbindlichkeiten nach Absatz 4 fingiert werden.76) Das Urteil ist auf alle nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahren anzuwenden. Soweit allerdings schon für die betreffenden Jahre Umsatzsteuerbescheide vorliegen, kann sich der Verwalter auf Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 1 AO berufen.
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Masseverbindlichkeiten aus Umsatzsteuer können sich des weiteren insbesondere unter folgenden Gesichtspunkten ergeben:
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Anzahlung Hat im Falle der Ist-Versteuerung der Schuldner vor Insolvenzeröffnung Anzahlungen auf erst nach Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen erhalten, stellt wegen § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG die auf die Anzahlung entfallende Umsatzsteuer eine Insolvenzforderung dar, auch wenn das restliche Entgelt (die hierauf entfallende Umsatzsteuer ist Masseverbindlichkeit) erst vom Verwalter vereinnahmt wird.77)
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Teilleistungen
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Bei Teilleistungen handelt es sich wegen § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 UStG bei der auf die vor Insolvenzeröffnung erbrachten Teile der Leistung entfallende _____________ 72) 73) 74) 75)
BFH, Urt. v. 29.1.2009 – V R 64/07, ZIP 2009, 977 = ZInsO 2009, 920. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 = DB 2011, 857. BFH, Beschl. v. 11.3.2014 – VB 61/13, n. v. Anzuwenden auf seit dem 1.1.2012 eröffnete Insolvenzverfahren; zu weiteren Fragen der Anwendung s. BMF-Schreiben v. 9.12.2011 – IV D 2 – S 7330/09/10001 : 01 (2011/ 0992053), ZIP 2011, 2431 ff. 76) Einzelheiten ausführl. bei Kahlert/Rühland-Kahlert, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 7.87 ff; Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, Insolvenzsteuerrecht, II. F. Rz. 199a ff. 77) Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, Insolvenzsteuerrecht, II. F. Rz. 205.
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Umsatzsteuer um Insolvenzforderungen; für die danach erfolgten Leistungen stellt die Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit dar.78) 37
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Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG wegen einer Entgeltminderung weist keine insolvenzrechtlichen Besonderheiten auf. In der Insolvenz des Leistungsempfängers führt eine Änderung vor Insolvenzeröffnung zu Insolvenzforderungen und eine Änderung nach Verfahrenseröffnung zu Masseverbindlichkeiten. Bei der Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 UStG wegen Uneinbringlichkeit der Entgeltforderung, zu der es mit Insolvenzeröffnung zwangsläufig unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote kommt,79) steht der Finanzverwaltung nur eine Steuerinsolvenzforderung zu.80) Mit der (teilweisen) Zahlung des Entgelts (insbesondere durch Auszahlung der Insolvenzquote oder durch Zahlung auf Rechte aufgrund von Eigentumsvorbehalten) ist eine erneute Umsatzsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 vorzunehmen. Ob sie nur dazu führt, dass sich der Vorsteuerrückforderungsanspruch des Finanzamtes aus der ersten Berichtigung mindert oder ob sich ein Vorsteueranspruch zu Gunsten der Masse ergibt, ist noch ungeklärt.81) Der Grundgedanke des BFHUrteils vom 9.12.2010 (Maßgeblichkeit der letzten Steuerentstehungshandlung) spricht allerdings für einen Masseanspruch.
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Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG Zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG kann es namentlich dann kommen, wenn ein unter Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs erworbenes Grundstück umsatzsteuerfrei, also ohne Optierung gemäß § 9 UStG veräußert wird. Wird eine Immobilie dergestalt vom Insolvenzverwalter verkauft, beruht die Berichtigung nach § 15a UStG auf der Verwaltung und Verwertung der Masse mit der Folge, dass der Berichtigungsanspruch eine Masseverbindlichkeit darstellt.82)
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Verwertung Die Freigabe von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen aus dem Insolvenzbeschlag, insbesondere von Grundstücken und Fahrzeugen führt im Falle von deren Verwertung durch den Sicherungsnehmer zu einer Umsatzsteuerschuld in Form einer Masseverbindlichkeit (vgl. zu den Einzelheiten: § 166 Rz. 15). Bei der Verwertung von Massegegenständen und zedierten Forderungen nach §§ 166 ff kann in zahlreichen Konstellationen Umsatzsteuer anfallen, die
_____________ 78) Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, Insolvenzsteuerrecht, II. F. Rz. 215. 79) BFH, Urt. v. 28.6.2000 – V R 45/99, ZIP 2000, 2120 = DStR 2000, 2041, dazu EWiR 2001, 37 (Drescher). 80) Kübler/Prütting/Bork-Onusseit, Insolvenzsteuerrecht, II. F. Rz. 353. 81) Waza/Uhländer/Schmittmann-Waza, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2124. 82) BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 24/11, ZIP 2012, 684 = ZInsO 2012, 746, dazu EWiR 2012, 289 (Schmittmann).
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
dann als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren ist (vgl. zu den Einzelheiten: § 166 Rz. 9 ff). Die gesetzliche Verwertungskostenpauschale nach §§ 170 Abs. 1 Satz 1, 171 Abs. 2 ist ihrerseits als Leistungsentgelt durch den Insolvenzverwalter ebenso zu versteuern wie Massekostenbeiträge aus der freihändigen Veräußerung wertausschöpfend belasteter Immobilien sowie aus stiller Zwangsverwaltung (vgl. zu den Einzelheiten: § 166 Rz. 11). –
Fortführung des Geschäftsbetriebs
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Die Weiterführung des Geschäftsbetriebs nach Insolvenzeröffnung durch den Verwalter führt wegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 grundsätzlich zu Masseverbindlichkeiten aus Umsatzsteuer. Für die Nutzung von Massegegenständen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2) gilt das richtigerweise aber nur, wenn sie durch den Insolvenzverwalter erfolgt,83) nicht hingegen bei unberechtigter Nutzung von Massegegenständen durch den Schuldner.84) Gibt der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb gemäß § 35 Abs. 2 aus dem Insolvenzbeschlag frei, richten sich etwaige Umsatzsteuerforderungen nur gegen das insolvenzfreie Vermögen, stellen also keine Masseverbindlichkeiten dar. ee) Grundsteuer
Die Grundsteuer ist eine Jahressteuer, für die das Stichtagsprinzip gilt: Die Steuer wird nach den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres festgesetzt (§ 9 Abs. 1 GrStG). Sie entsteht damit bereits mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen ist (§ 9 Abs. 2 GrStG). Ist zu diesem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren eröffnet, stellt die Grundsteuer für ein massezugehöriges Grundstück eine Masseverbindlichkeit dar, die durch Bescheid festzusetzen ist. Fehlt es am Jahresanfang noch an der Verfahrenseröffnung, ist die Grundsteuer auch dann, wenn das Insolvenzverfahren während des Jahres eröffnet wird, für das Gesamtjahr als zur Tabelle anzumeldende Insolvenzforderung zu qualifizieren. Eine zeitanteilige Aufteilung in Masse- und Insolvenzforderung hat nicht zu erfolgen.85) Gibt der Insolvenzverwalter im Laufe eines Jahres ein Grundstück aus der Masse frei, soll nach nicht unumstrittener Ansicht ab diesem Zeitpunkt die Haftung der Masse für die Grundsteuer enden. Das Stichtagsprinzip steht dem nach Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg nicht entgegen. Dementsprechend soll ab dem Moment der Freigabe des Grundstücks wieder der Schuldner für die noch nicht fälligen Teile der Jahresgrundsteuerschuld haften.86) Nach der Gegenansicht wird die Insolvenzmasse erst mit dem Beginn des Folgejahres von der Pflicht zur Zahlung der Grundsteuer frei. Ist hinsichtlich des Grundstücks die Zwangsverwaltung ange_____________ 83) BFH, Urt. v. 17.3.2010 – XI R 30/08, ZIP 2010, 2211 = ZVI 2011, 29; andererseits: BFH, Urt. v. 17.3.2010 – XI R 2/08, ZIP 2010, 1405 = ZVI 2010, 427, dazu EWiR 2010, 647 (Kahlert). 84) BFH, Urt. v. 8.9.2011– V R 38/10, ZIP 2012, 88 = ZInsO 2012, 190, dazu EWiR 2012, 209 (Berger). 85) Waza/Uhländer/Schmittmann-Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 2442 m. w. N. 86) OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.12.2005 – 9 B 23/05, BeckRS 2009, 04794; OVG Magdeburg, Beschl. v. 5.11.2009 – 4 L 243/08, BeckRS 2009, 41261; a. A. SchmidtSchmittmann, InsO, Anhang Steuerrecht, Rz. 338.
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§ 55
Sonstige Masseverbindlichkeiten
ordnet, ist die Grundsteuer ebenfalls nicht aus der Insolvenzmasse zu begleichen. Stattdessen ist für sie der Zwangsverwalter einstandspflichtig. 42
Die als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhende Grundsteuer (§ 12 GrStG) gewährt dem Steuergläubiger ein Absonderungsrecht i. S. des § 49. Sie berechtigt wegen der dinglichen Haftung auch zum Betreiben der Zwangsversteigerung.
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Ein Erlass der Grundsteuer nach §§ 32 ff GrStG scheidet nach der Rechtsprechung bei bereits eingetretener Insolvenz aus, da der Erlass der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Existenz dienen soll. Ist diese schon vernichtet, kann der Gesetzeszweck nicht mehr erreicht werden.87) Bremen
b) Arbeitsrecht 44
Die Verfahrenseröffnung ist der maßgebliche Zeitpunkte für die Qualifikation von Entgeltansprüchen als Insolvenz- oder Masseforderungen für vor und nach ihr geleistete Arbeit, § 108 Abs. 3; erforderlich ist eine synallagmatische Verknüpfung zwischen geleiteter Arbeit und geschuldetem Entgelt vor und nach Eröffnung. Es reicht für die Einordnung als Masseverbindlichkeit daher nicht, dass die Ansprüche nach Verfahrenseröffnung erfüllt werden müssen; Ansprüche außerhalb des synallagmatischen Verhältnisses, die vor Eröffnung begründet, aber erst danach erfüllt werden müssen, sind Insolvenzforderungen.88) Weil sie Entgeltcharakter hat, ist eine Halteprämie Masseverbindlichkeit, soweit sie auf den Zeitraum nach Eröffnung entfällt.89)
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Demnach sind keine Masseverbindlichkeiten Vergütungsansprüche bei Altersteilzeit für vor Insolvenzeröffnung in der Arbeitsphase geleistete Arbeit90) und bei Arbeitszeitkonten für vor Insolvenzeröffnung erfasste Überstunden oder Sondervergütungen (Ausnahme: Insolvenzsicherung nach § 7b SGB IV).91)
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Abfindungsansprüche gemäß §§ 9, 10 KSchG aus einem nach Insolvenzeröffnung zusprechenden Urteil über eine vorinsolvenzliche Kündigung, aus vorinsolvenzlichen Vergleichen92) und Abfindungen aus vorinsolvenzlichen Sozialplänen (Ausnahme: Absatz 2, auch wenn die Abfindung erst nach Eröffnung fällig wird)93) sind Insolvenzforderungen, Abfindungen aus solchen nach Insolvenzeröffnung sind
_____________ 87) VG Köln, Urt. v. 18.6.2008 – 23 K 4903/07, ZInsO 2009, 192 = BeckRS 2008, 36544. 88) BAG, Urt. v. 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, ZIP 2013, 1033 Rz. 29 ff = ZInsO 2013, 1191; BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, ZIP 2013, 532 Rz. 17 = NZI 2013, 360, dazu EWiR 2013, 287 (Stütze). 89) BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 953/11, ZIP 2013, 2414 ff Rz. 33 ff. 90) BAG, Urt. v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, ZIP 2005, 457 = NZA 2005, 408. 91) BAG, Urt. v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, ZIP 2004, 124 = ZInsO 2004, 104, dazu EWiR 2004, 391 (Bezani/Richter). 92) BAG, Urt. v. 6.12.1984 – 2 AZR 348/81, ZIP 1985, 490 = NJW 1985, 1724. 93) BAG, Urt. v. 31.7.2002 – 10 AZR 275/01, ZIP 2002, 2051 = ZInsO 2002, 998, dazu EWiR 2003, 283 (Moll/Langhoff); BAG, Urt. v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, ZIP 2008, 374 = ZInsO 2008, 688 (LS), dazu EWiR 2008, 335 (Holzer).
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§ 55
Sonstige Masseverbindlichkeiten
Masseforderungen (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1), wenngleich mit Betragsbegrenzungen aus § 123 Abs. 2).94) Nachteilsausgleichsansprüche sind Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2, wenn die Betriebsänderung unter den Voraussetzungen des § 113 BetrVG nach Verfahrenseröffnung beschlossen und durchgeführt wird.95)
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III. Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 2
Erfasst werden nur Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung entweder verlangt werden kann oder nach Insolvenzeröffnung erfolgen muss. 1.
Erfüllungsverlangen (Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1)
Die Vorschrift gewährleistet, dass bei Austauschverträgen der Gläubiger im Umfang der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters nach § 103 Abs. 1 die volle Gegenleistung erhält,96) wie wenn der Schuldner den Vertrag ohne die Insolvenz vollständig erfüllt hätte.97) Ihr Anwendungsbereich ist nicht beschränkt auf §§ 103 Abs. 1, 107, sondern erfasst auch Miet- und Leasingverträge über Mobilien, bei denen nur nach Insolvenzeröffnung anfallende Verbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 2 zu regulieren sind;98) der Anspruch für bereits erbrachte Teilleistungen ist Insolvenzforderung, § 105. 2.
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Verbindlichkeiten (Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1)
Absatz 1 Nr. 2 Alt. 1 erfasst Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen, die durch die Eröffnung des Verfahrens nicht beendet sind. Ihre Durchsetzbarkeit ist nicht gehindert; sie sind daher aus der Masse zu erfüllen (sog. oktroyierte Masseverbindlichkeiten).
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a) Mietvertrag
Der Herausgabeanspruch in der Mieterinsolvenz ist Insolvenzforderung, solange der Insolvenzverwalter den vertragswidrigen Zustand der Mietsache durch ihm selbst zuzurechnende Handlungen nicht verursacht hat99) oder die Mietsache nach Insolvenzeröffnung nicht selber genutzt hat. Das gilt auch, wenn der Schuldner oder der starke vorläufige Insolvenzverwalter die Mietsache zur Fortführung des Unternehmens selbst aufgrund gerichtlicher Ermächtigung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 eingesetzt haben,100) es sei denn, es schließt sich ab Eröffnung eine weitere _____________ 94) BAG, Urt. v. 29.10.2002 – 1 AZR 80/02, ZIP 2003, 1414 = NZA 2003, 879, dazu EWiR 2003, 743 (Balle). 95) BAG, Urt. v. 22.7.2003 – 1 AZR 541/02, ZIP 2003, 2216 = ZInsO 2004, 107, dazu EWiR 2004, 239 (Moll/Henke); BAG, Urt. v. 4.12.2002 – 10 AZR 16/02, ZIP 2003, 311 = ZInsO 2003, 670; LAG Hamm, Urt. v. 26.8.2004 – 4 Sa 1853/03, LAGReport 2005, 242. 96) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34, 35 = NJW 2012, 678. 97) BGH, Urt. v. 10.8.2006 – IX ZR 28/05, BGHZ 169, 43 = NJW 2006, 2919. 98) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34, 35 = NJW 2012, 678; zum Leasingvertrag: BGH, Urt. v. 15.2.1984 – VIII ZR 213/82, ZIP 1984, 612 = NJW 1984, 1527; zum Mietvertrag: BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778 = ZVI 2008, 79. 99) BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469 = ZInsO 2001, 751. 100) BGH, Urt. v. 28.6.2012 – IX ZR 219/10, ZIP 2012, 1566, dazu EWiR, 2012, 601 (Voß).
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
Nutzung durch den Insolvenzverwalter an.101) Der mit Begründung des Mietverhältnisses bereits angelegte Räumungsanspruch ist hingegen stets Insolvenzforderung, solange nicht ein Handeln des Insolvenzverwalters nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 vorliegt.102) 52
In der Vermieterinsolvenz begründet der Anspruch des Mieters auf Herstellung eines zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustands der Mietsache unabhängig von dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung stets eine Masseverbindlichkeit.103) b) Arbeitsvertrag
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Alle Ansprüche für geleistete Arbeit (Alt. 1) – und auch ab Freistellung (Alt. 2) – aus nach § 108 Abs. 1 Satz 1 fortbestehenden Dienstverhältnissen lösen ab Verfahrenseröffnung Masseverbindlichkeiten nach Absatz 1 Nr. 2 aus;104) entsprechende Ansprüche bis Verfahrenseröffnung sind Insolvenzforderungen, § 108 Abs. 3. Die Abgrenzung erfolgt danach, wann die Arbeitsleistung erbracht wurde und damit der Masse zugute kam, nicht nach der Fälligkeit der Zahlungen.
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Bei der Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG entscheidet der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die Einordnung nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 oder § 38.105)
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Erfolgt bei Altersteilzeit die Verfahrenseröffnung in der Freistellungsphase, sind die in der Arbeitsphase bereits erarbeiteten Ansprüche Insolvenzforderungen nach § 38,106) auch wenn sie erst in der Freistellungsphase zu erfüllen sind. Bei Verfahrenseröffnung in der Arbeitsphase sind die bis zur Eröffnung erarbeiteten Entgeltansprüche Insolvenzforderungen nach § 38, die nach der Eröffnung in der Arbeitsphase erarbeiteten Entgeltansprüche Masseforderungen. Hinsichtlich der Entgeltansprüche, die in der Arbeitsphase für die Freistellungsphase erarbeitet wurden, ist zu differenzieren: das Entgelt, das während der Freistellungsphase auszuzahlen ist, die in ihrer Lage dem Zeitraum der Arbeitsphase entspricht, der nach Insolvenzeröffnung liegt, ist Masseforderung; das Entgelt, das die Arbeitsphase betrifft, die vor Insolvenzeröffnung liegt, ist einfache Insolvenzforderung nach § 38.107)
_____________ 101) OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.2013 – 5 W 95/13, ZInsO 2013, 1746. 102) BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, NJW 2007, 1591. 103) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 163/02, ZIP 2003, 854 = ZfIR 2003, 457, dazu EWiR 2003, 641 (Eckert). 104) BAG, Urt. v. 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, ZIP 2013, 1033 Rz. 29 ff = ZInsO 2013, 1191; BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, ZIP 2013, 532 Rz. 17 = NZI 2013, 360; BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 1087/06, ZIP 2007, 2173, 2176 = NZI 2008, 21. 105) BAG, Urt. v. 18.10.2011 – 9 AZR 303/10, NJW 2012, 954; BAG, Urt. v. 25.3.2003 – 9 AZR 174/02, ZIP 2003, 1802 = NZI 2004, 102. 106) BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, ZIP 2005, 873 = StuB 2005, 332, dazu EWiR 2005, 873 (Saenger/Zurlinden). 107) BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 10 AZR 672/03, DB 2005, 1227 = BB 2005, 1339; BAG, Urt. v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, ZIP 2005, 457, 459 = NZA 2005, 408; LAG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2003 – 5 Sa 1122/03, ZInsO 2004, 759 = BB 2004, 1747; a. A. LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.9.2003 – 4 (8) Sa 686/03, ZIP 2004, 817; BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 284/03, ZIP 2008, 279 = NZI 2008, 185.
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§ 55
Sonstige Masseverbindlichkeiten
Gutschriften auf Arbeitszeitkonten aus Arbeitsleistungen vor Insolvenzeröffnung sind Insolvenzforderungen,108) aus Arbeitsleistungen nach Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeiten. Die gleiche Abgrenzung gilt für Ruhegehaltsversprechen, bei denen lediglich der aufgrund Arbeitsleistung ab Verfahrenseröffnung erdiente Anteil Masseverbindlichkeit ist.109)
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Bei betrieblichen Sonderleistungen ist durch Auslegung zu festzustellen,110) ob sie Entgeltcharakter haben (dann Masseverbindlichkeit) oder ob ihre Auszahlung andere Zwecke verfolgt und zu einem bestimmten Zeitpunkt an die Erfüllung von Voraussetzungen geknüpft ist (dann kommt es auf den Stichtag vor oder nach der Verfahrenseröffnung an).111) Sonderleistungen mit Entgeltcharakter, also Vergütung für in der Vergangenheit geleistete Arbeit darstellen (Weihnachtsgratifikationen, 13. Monatsgehalt, Provisionen, Gewinnbeteiligungen und sonstige Prämien), sind anteilig für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten, sonst Insolvenzforderungen.
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Gratifikationen, die Entgelt i. w. S. darstellen und neben dem Vergütungscharakter zumindest auch die Betriebstreue entlohnen, sind Masseverbindlichkeiten, wenn die Zahlung der Zuwendung nach Eröffnung des Verfahrens erfolgen soll und das Arbeitsverhältnis noch besteht.
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Entscheidend für die Frage, ob ein Abfindungsanspruch eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit ist, ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Abfindungsvereinbarung. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich bei der Vereinbarung um einen Sozialplan, eine Vereinbarung über einen Abfindungsanspruch nach §§ 9, 10 KSchG oder um eine einzelvertragliche Vereinbarung handelt. Ein für den Fall der Kündigung vorgesehener Abfindungsanspruch ist Insolvenzforderung und nicht Masseverbindlichkeit, auch wenn die Kündigung erst nach Insolvenzeröffnung erfolgt, weil er bereits mit Abschluss des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung begründet wurde.112) Kündigungsschutzabfindungen nach §§ 9, 10 KSchG sind dann Masseverbindlichkeiten, wenn der Abfindungsanspruch vom Insolvenzverwalter begründet wurde oder er eine sozialwidrige Kündigung ausgesprochen hat.
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Entschädigungen aus einer Wettbewerbsvereinbarung sind Masseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter Erfüllung der Wettbewerbsvereinbarung verlangt, § 103 Abs. 1. Die Privilegierung als Masseverbindlichkeit betrifft nur die Zeit nach der Insolvenzeröffnung. War die Wettbewerbsvereinbarung zum Zeitpunkt der Insol-
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_____________ 108) BAG, Urt. v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, ZIP 2004, 124, 126 = ZInsO 2004, 104. 109) BAG, Urt. v. 11.10.1988 – 3 AZR 295/87, ZIP 1989, 319 = NZA 1989, 303; BAG, Urt. v. 15.12.1987 – 3 AZR 420/87, ZIP 1988, 327, 329 = NZA 1988, 397; BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 284/03, ZIP 2008, 279, 280 = NZI 2008, 185. 110) BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, ZIP 2012, 938 = NJW 2012, 1532, dazu EWiR 2012, 339 (Köhler). 111) BAG, Urt. v. 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, ZIP 2013, 1033 Rz. 29 ff = ZInsO 2013, 1191; BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 10 AZR 3/12, ZIP 2013, 532 Rz. 17 = NZI 2013, 360. 112) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.9.2004 – 3 U 205/03, ZIP 2005, 409 = ZVI 2005, 319; LAG Köln, Urt. v. 28.4.2005 – 5 Sa 1409/04, ZIP 2005, 1605 = ZVI 2005, 640; BAG, Urt. v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, ZIP 2008, 374 = ZInsO 2008, 688 (LS).
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
venzeröffnung abgelaufen, sind Ansprüche des Arbeitsnehmers auf die Karenzentschädigung lediglich Insolvenzforderungen. 61
Ansprüche aus Sozialplänen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurden, sind Insolvenzforderungen, es sei denn der Abschluss erfolgte durch den vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalter. Ansprüche aus Sozialplänen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wurden, sind Masseverbindlichkeiten (§ 124).113) Bremen
IV. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse (Abs. 1 Nr. 3) 62
Eine Masseverbindlichkeit nach Absatz 1 Nr. 3 setzt eine Bereicherung nach Insolvenzeröffnung voraus.114) Insolvenzgläubiger sollen hiervon nicht profitieren. Hauptfälle sind Kontogutschriften nach Eröffnung aufgrund Fehlüberweisungen. Bei einem Zufluss vor Insolvenzeröffnung liegt keine Bereicherung i. S. von Absatz 1 Nr. 3 vor, selbst wenn der entsprechende Wert bei Insolvenzeröffnung noch vorhanden ist,115) (Doppelüberweisung auf das Konto des Schuldners).116) Sie liegt auch nicht vor, wenn sie während des Eröffnungsverfahrens, in dem Verwaltungsund Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist, erfolgt,117) selbst wenn der Rechtsgrund erst nach Eröffnung wegfiel.118)
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Veräußert der Insolvenzverwalter einen im Dritteigentum stehenden Gegenstand an einen gutgläubigen Erwerber und ist der Gegenwert nicht mehr unterscheidbar in der Masse vorhanden, ist der Schadensersatzanspruch des Geschädigten Masseverbindlichkeit nach Absatz 1 Nr. 1, wenn der Verwalter schuldhaft gehandelt hat, ohne schuldhaftes Handeln Masseverbindlichkeit nach Absatz 1 Nr. 3.
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Auch ein Rückforderungsanspruch nach § 37 AO, der einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gleichsteht, ist – soweit er sich gegen die Insolvenzmasse richtet – eine Masseverbindlichkeit i. S. von Absatz 1 Nr. 3.119) Bremen
V. Vorläufiger Insolvenzverwalter (Abs. 2) 65
Absatz 2 bezieht von einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungsund Verfügungsbefugnis (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, 22 Abs. 1) oder aufgrund Einzelermächtigung (vgl. dazu § 22 Rz. 15 ff) begründete Verbindlichkeiten in den Kreis der Masseverbindlichkeiten ein, da seine Stellung der des endgültigen _____________ 113) BAG, Urt. v. 31.7.2002 – 10 AZR 275/01, ZIP 2002, 2051 = ZInsO 2002, 998; BAG, Urt. v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, ZIP 2008, 374 = ZInsO 2008, 688 (LS). 114) OLG Hamm, Urt. v. 29.3.2011 – I-27 U 134/10, ZIP 2011, 68 = ZInsO 2011, 2043; FG Berlin, Urt. v. 8.3.2005 – 7 K 7085/04, EFG 2005, 1326; BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, ZIP 2009, 1477 = ZInsO 2009, 1102. 115) BGH, Urt. v. 20.9.2007 – IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 = ZVI 2008, 69. 116) BGH, Urt. v. 9.12.1999 – IX ZR 318/99, ZIP 2000, 244 = NZI 2000, 123, dazu EWiR 2000, 293 (Gerhardt). 117) Str., wie hier: A. Schmidt-Jarchow, InsO, § 55 Rz. 19; Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 55 Rz. 200; a. A.: Jaeger-Henckel, InsO, § 55 Rz. 92. 118) BGH, Urt. v. 22.9.2010 – VIII ZR 285/09, NJW 2011, 143; BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 61/08, NZI 2009, 475; BSG, Urt. v. 30.11.2011 – B 11 AL 22/10 R, ZIP 2012, 877, 879. 119) FG Berlin, Beschl. v. 14.7.2003 – 7 B 7184/03, EFG 2003, 1502.
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§ 55
Sonstige Masseverbindlichkeiten
Verwalters gleichgestellt ist. Die Vorschrift gilt für rechtsgeschäftliche und gesetzliche (Folge-)Verbindlichkeiten (deliktische, Bereicherungsansprüche, da der Wortlaut insoweit eine Einschränkung nicht erhält; Steuern, insbesondere Umsatzsteuer). Oktroyierte Verbindlichkeiten aus bereits bestehenden Dauerschuldverhältnissen (neu begründete fallen bereits unter Absatz 2 Satz 1) werden unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 zu Masseverbindlichkeiten. Der starke vorläufige Insolvenzverwalter nimmt die Leistung in Anspruch, wenn er sie für die Masse nutzt, ohne dies pflichtgemäß zu verhindern.120) Absatz 2 gilt nicht für den nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 lediglich zustimmenden vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis,121) der die Masse „zusammenzuhalten“ hat.122) Eine dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter erteilte allgemeine und umfassende Ermächtigung, „für den Schuldner zu handeln“, ist unzulässig und führt nicht zur Begründung von Masseverbindlichkeiten123), anders wenn das Insolvenzgericht den vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter verpflichtet, einzelne im Voraus festgelegte Verpflichtungen zulasten der späteren Insolvenzmasse (Einzelermächtigungen) einzugehen.124) Beantragt der Schuldner im Schutzschirmverfahren die Begründung von Masseverbindlichkeiten, gilt § 55 Abs. 2 entsprechend, § 270b Abs. 3. Im eigenverwalteten Antragsverfahren ist streitig, ob der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt werden kann (siehe § 270a Rz. 14 f)
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VI. Rückstufung (Abs. 3)
Absatz 3 geht auf das Änderungsgesetz vom 23.6.2001125) zurück. Bis dahin war streitig, ob das Masseprivileg des Absatzes 2 bei starker vorläufiger Insolvenzver_____________ 120) BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, ZIP 2007, 340 = ZVI 2007, 426, dazu EWiR 2007, 339 (Holzer); BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778 = ZVI 2008, 79. 121) BGH, Urt. v. 13.7.2006 – IX ZR 57/05, ZIP 2006, 1641 Rz. 11 f = ZVI 2006, 439; BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250, dazu EWiR 2002, 919 (Spliedt); vgl. auch BAG, Urt. v. 8.4.2003 – 2 AZR 15/02, ZIP 2003, 1260 = ZInsO 2003, 960; BAG, Urt. v. 4.12.2002 – 10 AZR 16/02, ZIP 2003, 311 = ZInsO 2003, 670; OLG Schleswig, Urt. v. 31.10.2003 – 1 U 42/03, NZI 2004, 92 = NJW 2004, 1257, dazu EWiR 2004, 393 (Undritz); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.1.2002 – 5 U 170/00, ZIP 2002, 2185; OLG Hamm, Urt. v. 7.3.2001 – 30 U 192/00, NZI 2002, 162, dazu EWiR 2002, 253 (Blank). 122) BGH, Urt. v. 13.1.2011 – IX ZR 233/09, ZInsO 2011, 388 = NZI 2011, 143; BGH, Urt. v. 22.2.2007 – IX ZR 2/06, ZIP 2007, 827 = NZI 2007, 338, dazu EWiR 2007, 499 (Voß); BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91 = ZInsO 2006, 34, dazu EWiR 2006, 375 (Heublein); BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 623 = ZInsO 2003, 318, dazu EWiR 2003, 425 (Rolf Schuhmacher). 123) BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438 = WM 2007, 456, dazu EWiR 2007, 209 (Flitsch), m. Anm. Gundlach/Frenzel, NZI 2007, 231; BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250; OLG Hamm, Urt. v. 28.11.2002 – 27 U 87/02, ZIP 2003, 1165 = NZI 2003, 150, dazu EWiR 2003, 1093 (Pape); OLG Köln, Urt. v. 29.6.2001 – 19 U 199/00, ZIP 2001, 1422 = ZInsO 2001, 762, dazu EWiR 2001, 1011 (Eckert); OLG Brandenburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 U 40/03, ZInsO 2004, 806. 124) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438 = WM 2007, 456, m. Anm. Gundlach/ Frenzel, NZI 2007, 231; BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = ZVI 2002, 250; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.3.2004 – 8 U 40/03, ZInsO 2004, 806. 125) Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze v. 26.10.2001, BGBl. I 2001, 2710.
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
waltung auch für, infolge der Gewährung von Insolvenzgeld gemäß §§ 165 ff SGB III126) auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche gilt. Mit Absatz 3 kehrt der Gesetzgeber zu der für das Konkursausfallgeld geltenden Rechtslage (§ 9 Nr. 2 KO) zurück. Der gerade in Betriebsfortführungsfällen dringend erforderliche Liquiditätseffekts des Insolvenzgeldes bleibt damit auch erhalten, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde, auf den die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis übergegangen ist. Paul
VII. Verbindlichkeiten aus Steuerschuldverhältnissen (Abs. 4) 1. 68
2. 69
Entstehung
Absatz 4 ist fiskalisch motiviert.127) Er wurde durch Art. 3 Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011)128) mit Wirkung zum 1.1.2011 nach verschiedenen gescheiterten Gesetzesinitiativen129) als Kompromiss einer andauernden Diskussion um eine Privilegierung des Fiskus (bis 31.12.1998: § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO) eingefügt.130) Absatz 4 gilt für Verfahren aufgrund von nach dem 1.1.2011 gestellten Anträgen (Art. 103e EGInsO i. d. F. des Art. 4 HBeglG). Besondere Verfahrensvorschriften, insbesondere zur Veranlagung und Geltendmachung gegenüber dem Insolvenzverwalter, fehlen; Einige Anwendungsfragen werden in dem BMF-Schreiben vom 17.1.2012 behandelt.131) Grundsätzliche Kritik an der Norm
Die Einfügung von § 55 Abs. 4 hat zu Recht umfangreiche Kritik in der Literatur erfahren.132) Die Vorschrift schafft zu Lasten der übrigen Gläubigergemeinschaft ein Fiskusprivileg, obgleich eines der obersten Ziele der InsO regelmäßig die Gläubigergleichbehandlung ist.133) Der Finanzverwaltung wird durch Absatz 4 ein bevorrechtigter Anspruch in Form einer Masseverbindlichkeit zuerkannt; gleichzeitig werden ihr faktisch erweiterte Aufrechnungsmöglichkeiten eingeräumt. Schließlich ist die mangelnde Verzahnung von Absatz 4 mit den steuerverfahrensrechtlichen Normen sowie mit der neueren Rechtsprechung des BFH zum Einzug von Altaußenständen zu kritisieren. _____________ 126) In der Fassung des ab 1.4.2012 geltenden Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (EinglVerbG) v. 20.12.2011, BGBl. I S. 2854, durch welches die Verweise auf die Vorschriften des SGB III aktualisiert wurden; bis 31.3.2012: §§ 183, 187 Abs. 3 SGB III. 127) BT-Drucks. 17/3030, S. 21, dagegen im Gesetzgebungsverfahren der Bundesrat: BRDrucks. 532/1/10, S. 9, der die Sanierungsfeindlichkeit der Regelung beanstandete. 128) Haushaltsbegleitgesetz 2011 v. 9.12.2010, BGBl. I, 1885. 129) Dazu Marotzke, ZInsO 2010, 2163. 130) Hingegen wurde die beabsichtigte Einschränkung der Anfechtbarkeit der Aufrechnung von Steuerforderungen in einem neuen § 93 Abs. 3 aufgrund Intervention des Haushaltsausschusses nicht Gesetz, BT-Drucks. 17/3406, S. 29. 131) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 ff; grundsätzlich zu § 55 Abs. 4: Kahlert, ZIP 2010, 1887. 132) Zusammenfassend mit zahlreichen Nachweisen aus dem Schrifttum: Krüger, ZInsO 2013, 2200. 133) Schmidt-Schmidt, InsO, § 1 Rz. 5.
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§ 55
Sonstige Masseverbindlichkeiten
3.
Voraussetzungen
a) Verfahrenseröffnung
Absatz 4 setzt die Verfahrenseröffnung (als aufschiebende Bedingung134)) voraus und begründet daher noch keine Erklärungs-, Zustimmungs- oder Zahlungsverpflichtungen des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters. Auf ihn sind §§ 34, 35, 69 AO nicht anwendbar.135) Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, sondern mangels Masse abgewiesen, sind die Steuerforderungen auch dann nicht privilegiert (also z. B. aus einem noch vorhandenen Guthaben auf einem Sonderkonto zu bedienen), wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zuvor noch den Umsatzgeschäften des Schuldners zugestimmt hatte. Erledigt sich zunächst ein erstes Antragsverfahren oder endet es durch Rücknahme des Insolvenzantrages und wird es später aufgrund eines zweiten Insolvenzantrages eröffnet, stellen die Steuerforderungen aus dem ersten Eröffnungsverfahren mit Insolvenzeröffnung keine Masseverbindlichkeiten i. S. von § 55 Abs. 4 dar.136)
70
b) Steuerschuldverhältnis
Absatz 4 verweist mittels Verwendung des Wortes „Steuerschuldverhältnis“ auf § 37 Abs. 1 AO und gilt damit für sämtliche Steuerarten.137) Eine Beschränkung lediglich auf die Umsatzsteuer lässt sich dem Wortlaut der Norm – auch wenn im Gesetzgebungsverfahren nur hiervon die Rede war – nicht entnehmen.138) Zu den Ansprüchen/Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis gehören nach § 37 Abs. 1 AO u. a. der Steueranspruch und der Steuervergütungsanspruch,139) aber auch der Anspruch auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO). Bei letzterem ist jedoch zu beachten, dass z. B. Verspätungs- oder Säumniszuschläge nicht mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters begründet werden und deshalb aus diesem Grunde nicht zu Masseverbindlichkeiten nach Absatz 4 erstarken.140)
71
c) Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters
Die Vorschrift erfasst nach ihrem Wortlaut sowohl den sog. starken als auch den sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter.141) Sie hat jedoch, da Ersterer _____________ 134) FG Düsseldorf, Urt. v. 27.9.2013 – 1 K 3372/12 U, ZIP 2013, 2224 = BeckRS 2013, 96401. 135) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 6. 136) Heinze, ZInsO 2011, 603. 137) Kahlert/Rühland-Kahlert, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 7.59; Onusseit, ZInsO 2011, 641, 646; BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/ 0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 8; Zimmer, ZInsO 2011, 2302 (offenlassend für die Einkommensteuer). 138) So aber Nawroth, ZInsO 2011, 107; Sterzinger, BB 2011, 1367. 139) Anders BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 7: nur Verbindlichkeiten. 140) Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 55 Rz. 245; i. E. ebenso Heinze, ZInsO 2011, 603; für eine teilweise Qualifizierung auch der steuerlichen Nebenleistungen als Masseverbindlichkeit: BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 9 f. 141) Schmidt-Thole, InsO, § 55 Rz. 46; a. A. Hefermehl in: MünchKomm-InsO, § 55 Rz. 242.
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
schon nach Absatz 2 Masseverbindlichkeiten begründen kann,142) praktische Bedeutung nur für vorläufigen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt.143) Absatz 4 ist aber auch auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Zustimmungsvorbehalt144) anwendbar, soweit er (trotz der nur isoliert angeordneten Sicherungsmaßnahmen) die Begründung von Steuerverbindlichkeiten jedenfalls billigt.145) „Zustimmung“ ist demgemäß untechnisch i. S. von Billigung zu verstehen.146) Sie umfasst sowohl ausdrückliches als auch konkludentes Tun des vorläufigen Verwalters und liegt lediglich bei dessen erklärtem Widerspruch gegen schuldnerische Geschäfte nicht vor.147) Vorsteuerrückforderungsansprüche nach § 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG unterfallen nicht Absatz 4, da sie unabhängig von der Tätigkeit (Zustimmung) des vorläufigen Insolvenzverwalters entstehen.148) Gleiches gilt bei der Umsatzsteuerkorrektur aus Rechtsgründen gemäß BFH-Urteil vom 9.12.2010;149) gegenläufig ist hingegen die Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG zu beurteilen. Noch ungeklärt ist, ob bei der Ist-Versteuerung allein die Entgeltvereinnahmung durch einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter eine Zustimmungshandlung beinhaltet.150) Die Frage ist zu verneinen, da der vorläufige Insolvenzverwalter beim Forderungseinzug nicht ein früheres Geschäft des Schuldners billigt, sondern er regelmäßig nur seiner gerichtlichen Ermächtigung zum Einzug der Außenstände nachkommt. Bei der Soll-Versteuerung führt die Entgeltvereinnahmung für Altforderungen im vorläufigen Verfahren auch nicht zu Masseverbindlichkeiten.151) d) Begründung von Steuerverbindlichkeiten 73
Die Begründung der Steuerverbindlichkeit während des Eröffnungsverfahrens richtet sich nach den allgemeinen – auch für die Abgrenzung von §§ 38, 55 geltenden – Grundsätzen (siehe oben Rz. 18 ff).
_____________ 142) BFH, Beschl. v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZIP 2013, 992 = ZInsO 2013, 1749. 143) Für Unanwendbarkeit auf den starken vorläufigen Insolvenzverwalter: BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 5. 144) Vgl. hierzu AG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.2011 – 503 IN 20/11, ZIP 2011, 443 = ZInsO 2011, 438. 145) Onusseit, ZInsO 2011, 641; BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 2 f. 146) Schmidt-Thole, InsO, § 55 Rz. 46. 147) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 4, 11. 148) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 12. 149) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 13. 150) Dafür Schmittmann, ZIP 2011, 1125; BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/ 10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 17; dagegen Hefermehl in: MünchKommInsO, § 55 Rz. 245. 151) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 18.
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Sonstige Masseverbindlichkeiten
4.
Rechtsfolgen
Mit Verfahrenseröffnung gelten die im Antragsverfahren mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters begründeten Steuerverbindlichkeiten aufgrund der Fiktion des Absatzes 4 als Masseverbindlichkeiten. Sie sind nach Abzug der Vorsteuerbeträge bevorrechtigt zu bedienen (§ 53).152) Der vorübergehend durch § 90 Abs. 1 gewährte Vollstreckungsschutz ist beachten. Bei Masseunzulänglichkeit richtet sich die Rangfolge nach § 209. In masseunzulänglichen Verfahren droht dem Verwalter grundsätzlich keine Haftung nach §§ 60, 61 bzw. § 69 AO wegen Nichtabführung der nach Absatz 4 geschuldeten Steuern.
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Unklar ist derzeit noch, inwieweit sich die Fiktion des Absatzes 4 auf das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 auswirkt. Zum Teil wird unter Hinweis auf den nicht Gesetz gewordenen § 96 Abs. 3 InsO-RegE153) vertreten, Absatz 4 solle den Steuerausfall (nur) durch Begleichung der Steuerforderungen, nicht jedoch auch durch die Schaffung bzw. den Erhalt von Aufrechnungsmöglichkeiten vermeiden.154) Diese Ansicht entspricht aus verständlichen Gründen nicht der Auffassung der Finanzverwaltung155) und erscheint auch nicht zwingend.156) Die Anfechtung nach Absatz 4 umqualifizierter Masseforderungen gemäß §§ 129 ff dürfte wegen der fiskalischen Motivation des Absatzes 4 ebenfalls zu verneinen sein.157)
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5.
Verfahrensfragen
Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Schuldner seinen Steuererklärungspflichten nachzukommen, insbesondere also auch die Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Ab Insolvenzeröffnung geht die Zuständigkeit hierfür auf den Insolvenzverwalter über.158) Er hat insbesondere, wenn der Schuldner – etwa weil der Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht mit dem Voranmeldungszeitraum identisch ist – die Umsätze gemäß Absatz 4 noch nicht erklärt hat, sie dem Finanzamt mitzuteilen, so dass es in die Lage versetzt wird, diese Steuern festzusetzen. Die Finanzverwaltung verlangt die Abgabe der Steuererklärungen aus Praktikabilitätsgründen regelmäßig unter der Massesteuernummer, übersieht hierbei jedoch, dass die Steuernummer lediglich ein verwaltungsinternes Ordnungskriterium darstellt.159)
76
Hat der Schuldner während des Eröffnungsverfahrens nicht die unter Absatz 4 fallenden Umsätze erklärt, reicht also erstmalig der Verwalter die entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen ein (das ist regelmäßig zumindest für den letzten _____________
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152) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 31. 153) Dazu Marotzke, ZInsO 2010, 2163. 154) Kahlert, ZIP 2011, 401; Schmidt-Thole, InsO, § 55 Rz. 46. 155) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 29. 156) Onusseit, ZInsO 2011, 641. 157) Heinze, ZInsO 2011, 603; Onusseit, ZInsO 2011, 641; BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 40; a. A. Kahlert, ZIP 2011, 401; Schmidt-Thole, InsO, § 55 Rz. 46. 158) Onusseit, ZInsO 2011, 641. 159) Waza/Uhländer/Schmittamnn-Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, S. 242.
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§§ 56, 56a
Bestellung des Insolvenzverwalters
Monat vor Insolvenzeröffnung der Fall), kann das Finanzamt ihm gegenüber die Umsatzsteuer durch Bescheid festsetzen.160) Liegen demgegenüber bereits an den Schuldner gerichtete Bescheide vor (wozu auch die durch die Abgabe der Voranmeldungen bedingte Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fällt, § 168 Satz 1 AO), kann das Finanzamt lediglich noch ein Leistungsgebot nach § 254 AO an den Verwalter erlassen.161) Insofern wirkt die ursprüngliche Steuerfestsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter fort.162) Das gilt jedenfalls dann, wenn die Voranmeldung des Schuldners mit dem als Masseforderung geltend gemachten Betrag übereinstimmt. Sind beide nicht identisch (z. B. weil die Voranmeldungen des Schuldners vom Verwalter nachträglich korrigiert wurden), kann das Finanzamt einen Bescheid gegen den Verwalter erlassen.163) _____________ 160) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 36. 161) FG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2012 – 1 V 152/12 A (U), ZIP 2012, 688 = ZInsO 2012, 1036, dazu EWiR 2012, 323 (Schmittmann); BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 35, 38. 162) Kahlert, ZIP 2011, 401. 163) FG Düsseldorf, Urt. v. 27.9.2013 – 1 K 3372/12 U, ZIP 2013, 2224 = BeckRS 2013, 96401, Rev. eingelegt.
Dritter Abschnitt Insolvenzverwalter. Organe der Gläubiger §§ 56, 56a § 56 Bestellung des Insolvenzverwalters Graf-Schlicker
1Zum
(1) Insolvenzverwalter ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. 2Die Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen kann auf bestimmte Verfahren beschränkt werden. 3Die erforderliche Unabhängigkeit wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Person 1.
vom Schuldner oder von einem Gläubiger vorgeschlagen worden ist oder )
2.
den Schuldner vor dem Eröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat.
(2) 1Der Verwalter erhält eine Urkunde über seine Bestellung. 2Bei Beendigung seines Amtes hat er die Urkunde dem Insolvenzgericht zurückzugeben.
§ 56a Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung (1) Vor der Bestellung des Verwalters ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an den Verwalter zu stellen
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Graf-Schlicker
§ 4b
Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
Verfahrensabschnitt gesondert zu entscheiden.111) § 121 Abs. 3–5 ZPO gelten entsprechend; die praktische Bedeutung dürfte jedoch gering sein112) (zur Wirkung der Beiordnung betreffend die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts vgl. oben Rz. 47). _____________ 111) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 565/02, NJW 2004, 3260, 3261 = ZIP 2004, 1922, dazu EWiR 2005, 81 (Römermann); Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4a Rz. 31. 112) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4a Rz. 50.
§ 4b Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge (1) 1Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem Vermögen zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlängern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen. 2§ 115 Absatz 1 bis 3 sowie § 120 Absatz 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. (2) 1Das Gericht kann die Entscheidung über die Stundung und die Monatsraten jederzeit ändern, soweit sich die für sie maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. 2Der Schuldner ist verpflichtet, dem Gericht eine wesentliche Änderung dieser Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen. 3§ 120a Absatz 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 4Eine Änderung zum Nachteil des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Literatur: Graf-Schlicker, Analysen und Änderungsvorschläge zum neuen Insolvenzrecht, WM 2000, 1984. Übersicht I. Regelungsgehalt ................................... II. Verlängerung der Stundung (Abs. 1) .................................................. 1. Antrag .................................................... 2. Wirtschaftliches Unvermögen ............. a) Einkommen .................................... b) Vermögen .......................................
I.
1 2 2 3 4 5
3. III. 1. 2. 3. 4. 5.
Entscheidung, Ratenzahlung ................ 6 Anpassung der Stundung (Abs. 2) ..... 8 Verfahren ............................................... 9 Auskunftspflicht des Schuldners ........ 10 Wesentliche Änderungen .................... 11 Ausschlussfrist .................................... 13 Entscheidung ....................................... 14
Regelungsgehalt
Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung endet die nach § 4a erfolgte Stundung und der Schuldner sieht sich fälligen Rückzahlungsansprüchen der Staatskasse ausgesetzt. Damit für den Fall weiter fortbestehender, notleidender Vermögensverhältnisse des Schuldners nun der erstrebte Neuanfang nicht an dieser Schuldenlast scheitert, ermöglicht Absatz 1 eine Verlängerung der Stundung und ggf. die Anordnung von Ratenzahlungen. Absatz 2 dient einer Anpassung der Stundungsbzw. Ratenzahlungsanordnung bei veränderten Verhältnissen.
Kexel
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1
§ 4b
Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
II. Verlängerung der Stundung (Abs. 1) 1. 2
2. 3
Antrag
Die Verlängerung der Stundung setzt wiederum einen Antrag voraus.1) Dieses Erfordernis wird zwar vom Gesetz nicht erwähnt, ergibt sich aber aus den Beschränkungen, denen der Stundungsadressat weiterhin unterworfen wird; nach der Erteilung der Restschuldbefreiung besteht kein Anlass und keine Handhabe, dem selbstverantwortlichen Schuldner diese Pflichten aufzuerlegen. Wohl aber sollte ein Hinweis des Gerichts ergehen, wenn es dafür hält, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.2) Für die Formvorschriften gelten die Regeln für den Stundungsantrag (§ 4a Rz. 8) entsprechend. Mit dem Antrag muss der Schuldner wiederum substantiiert und nachvollziehbar seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darstellen, auf notwendige Ergänzungen muss das Gericht auch hier hinweisen, bevor es einen Antrag zurückweisen kann. Wirtschaftliches Unvermögen
Der Schuldner darf nicht in der Lage sein, den gestundeten Betrag mit einer Einmalzahlung aus seinem Einkommen und dem ihm verbliebenen Vermögen zu zahlen. Das Gericht muss also den ihm bekannten gestundeten Betrag der Leistungsfähigkeit des Schuldners gegenüberstellen; letztere hat es möglichst genau festzustellen.3) Abweichend von § 4a sind Einkommen und Vermögen nun anhand des ausdrücklich in Bezug genommenen § 115 Abs. 1 bis 3 ZPO festzustellen. a) Einkommen
4
Zum Einkommen gehören nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert; maßgeblich ist das Monatseinkommen. Von diesem sind die in § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO benannten Positionen in Abzug zu bringen. Hierzu zählen Kosten der Unterkunft und Heizung (Nr. 3), Unterhaltsfreibeträge (Nr. 2), Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und § 30 SGB XII (Nr. 4), die Beträge nach § 82 Abs. 2 SGB XII (gesetzliche Abzüge, Freibeträge) und Aufwendungen für anerkennenswürdige besondere Belastungen gemäß § 1610a BGB (Nr. 5). b) Vermögen
5
Der Schuldner hat ferner das gesamte verwertbare Vermögen für die Zahlung einzusetzen. Im Rahmen der Stundungsverlängerung nach Absatz 1 bleibt nicht nur das unpfändbare Vermögen nach den §§ 850 ff ZPO außer Betracht, die Verwertung des sonstigen Vermögens muss nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO auch zumutbar sein, was § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit dem Verweis auf § 90 SGB XII konkretisiert. 3.
6
Entscheidung, Ratenzahlung
Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vor, so hat das Gericht im Beschlusswege die Stundung zu verlängern und ggfs. die Höhe der monatlichen Raten gemäß § 115 Abs. 2 ZPO festzusetzen. Entgegen des Wortlauts „kann“ handelt es _____________ 1) 2) 3)
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BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 136/09, ZIP 2011, 1327 = ZVI 2011, 458. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 23. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 4 m. w. N.
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Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
§ 4b
sich hier um eine gebundene Entscheidung, weil von ihr maßgeblich abhängt, ob die vom Gesetzgeber mit der InsO beabsichtigte Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang des Schuldners realisiert werden kann.4) Das Gericht kann auch geänderte Zahlungspflichten ab weiter in der Zukunft liegenden Terminen bestimmen, wenn eine Veränderung der Vermögensverhältnisse absehbar ist.5) Ein Rechtsmittel kommt ggf. unter den in § 4d Rz. 2 dargestellten Umständen in Betracht. Aus dem von der Verweisung in Absatz 1 Satz 2 erfassten § 115 Abs. 2 Satz 4 ZPO folgt, dass der Schuldner maximal 48 Monatsraten zu bedienen hat. Um eine ggf. lebenslange Nachhaftung des Schuldners für die Verfahrenskosten auszuschließen, fallen hierunter auch „Nullraten“.6) Spätestens vier Jahre nach der Erteilung der Restschuldbefreiung ist der Schuldner endgültig „befreit“.
7
III. Anpassung der Stundung (Abs. 2) Ändern sich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners während des Zeitraums der Stundung, so soll eine Anpassung der Entscheidung erfolgen. § 120a Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO – Antragserfordernis bei Änderung der jährlich angepassten Abzugsbeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b und 2 sowie die Möglichkeit des Gerichts, vom Schuldner Auskunft zu den Änderungen zu verlangen – findet Anwendung. Absatz 2 gilt nicht nur für die nach Absatz 1 bestimmte Stundungsverlängerung, sondern entsprechend auch für Erstentscheidungen, wie § 4a Abs. 3 Satz 4 bestimmt. 1.
Verfahren
Eine Anpassung der Stundung, insbesondere der Höhe der Ratenzahlungen, hat das Gericht von Amts wegen vorzunehmen, soweit es Kenntnis von wesentlichen Änderungen i. S. des Absatzes 2 erlangt.7) Ein Antrag des Schuldners ist zwar möglich, aber – bis auf den Fall des Absatzes 2 Satz 3 i. V. m. § 120a Abs. 1 Satz 2 ZPO, die Änderung der jährlich angepassten Abzugsbeträge – nicht erforderlich. Vor der Entscheidung ist dem Schuldner rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 GG).8) 2.
_____________
7) 8) 9)
9
Auskunftspflicht des Schuldners
Nach Absatz 2 Satz 2 ist der Schuldner verpflichtet, dem Gericht von sich aus unverzüglich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse anzuzeigen. Verletzt er diese Pflicht, gibt es allerdings keine Möglichkeit der Sanktion. Zweckmäßig erscheint es daher, dass das Gericht den Schuldner regelmäßig zu einer Erklärung auffordert;9) der Schuldner hat diesem Verlangen dann schon über § 120a Abs. 1 4) 5) 6)
8
So auch Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 29 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 11. Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4b Rz. 5; Kirchhof in: HK-InsO, § 4b Rz. 10; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 32 f; Graf-Schlicker, WM 2000, 1984, 1991; a. A. Kübler/Prütting/BorkWenzel, InsO, § 4b Rz. 14. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 28; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 47. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 60. Die Aufforderung setzt keinen besonderen Anlass voraus, vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2009 – IX ZB 91/09, ZInsO 2009, 2405; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 29, spricht sogar von einer Verpflichtung des Gerichts.
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§ 4b
Rückzahlung und Anpassung der gestundeten Beträge
Satz 3 ZPO nachzukommen, will er eine Aufhebung des Stundung gemäß § 4c Nr. 1 Alt. 2 vermeiden. Die Aufforderung führt zu einer unbeschränkten Auskunftspflicht über jegliche Änderungen,10) während Absatz 2 Satz 2 dem Schuldner noch die Interpretation des Merkmals „wesentlich“ überlässt, was ebenfalls zu Unzuträglichkeiten führen kann. 3.
Wesentliche Änderungen
11
Die schon für die Entscheidung nach Absatz 1 (oder § 4a) maßgebenden persönlichen Verhältnisse müssen sich geändert haben. Lagen die Voraussetzungen der Erstentscheidung gar nicht vor oder hat der Schuldner diesbezüglich unrichtige Angaben gemacht, ist nicht die Anpassung nach Absatz 2, sondern die Aufhebung nach § 4c zu prüfen.
12
Die Änderungen müssen weiterhin wesentlich sein. Es erscheint im Interesse einer effektiven Entlastung der Gerichte sinnvoll, die Wesentlichkeit erst ab einer bestimmten Mindestgrenze zu bejahen, so etwa, wenn die Ratenzahlungen bei der Zugrundelegung der neuen Verhältnisse um mehr als 10 € steigen oder fallen. Eine Betrachtung nach den „Umständen des Einzelfalls“11) soll so nicht ausgeschlossen sein, aber zumindest bei Geringfügigkeit entfallen können. Die Wesentlichkeit ist aber wohl immer dann zu bejahen, wenn der Schritt von der „Nullrate“ zu einer Zahlung oder umgekehrt führt.12) 4.
13
5. 14
Ausschlussfrist
Eine Änderung der Entscheidung zuungunsten des Schuldners ist gemäß Absatz 2 Satz 4 ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Entscheidung des Gerichts. Entscheidung
Das Gericht entscheidet über die Anpassung nach pflichtgemäßem Ermessen13) durch Beschluss. Es kann erstmals Ratenzahlungen festsetzen, festgesetzte Raten herauf- oder heruntersetzen, Zahlungen aus dem Vermögen des Schuldners anordnen, jedoch – im Hinblick auf den abgeschlossenen Katalog des § 4c – die Stundungsbewilligung nicht gänzlich aufheben.14) Auch eine rückwirkende Änderung ist i. R. des Ermessens möglich,15) soweit noch keine vier Jahre seit der Beendigung des Verfahrens vergangen sind. Ein Rechtsmittel kommt ggf. unter den in § 4d Rz. 2 dargestellten Umständen in Betracht.
_____________ 10) 11) 12) 13) 14) 15)
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Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 56. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 23 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4b Rz. 23. Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4b Rz. 23. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 67 m. w. N. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4b Rz. 69 m. w. N.
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§ 4c
Aufhebung der Stundung
§ 4c Aufhebung der Stundung Das Gericht kann die Stundung aufheben, wenn 1.
der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind, oder eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat;
2.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Stundung nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
3.
der Schuldner länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages schuldhaft in Rückstand ist;
4.
der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit ablehnt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; )
5.
die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird.
)
Nummer 4 geändert durch Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Nummer 4: „4. der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit ablehnt; § 296 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.“ Übersicht
I. II. 1. 2.
I.
Allgemeines, Normzweck ................... Aufhebung der Stundung ................... Verfahren ............................................... Materielle Voraussetzungen der Aufhebung ............................................. a) Falsche Angaben (Nr. 1 Halbs. 1) ......................................... b) Nichtabgabe der geforderten Erklärung (Nr. 1 Halbs. 2) ............ c) Unrichtigkeit der Stundungsentscheidung (Nr. 2) .....................
1 2 2 3 3 5 6
III. IV. 1. 2. V. VI.
d) Schuldhafter Zahlungsrückstand (Nr. 3) ................................... 7 e) Verletzung der Erwerbsobliegenheit (Nr. 4) ........................... 8 f) Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (Nr. 5) ....... 11 Ermessen des Gerichts ....................... 12 Entscheidung ...................................... 13 Inhalt .................................................... 13 Form ..................................................... 14 Wirkungen der Aufhebung ............... 15 Rechtsmittel ....................................... 17
Allgemeines, Normzweck
Während § 4b die Änderung bzw. Anpassung der Stundungsentscheidung regelt, gibt § 4c dem Gericht die Möglichkeit, die Stundung gänzlich aufzuheben, wenn einer der enumerierten Fälle vorliegt. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Einsatz öffentlicher Mittel zur Durchführung des Insolvenzverfahrens auf solche Fälle beschränkt bleibt, in denen der Schuldner zum einen tatsächlich „bedürftig“ i. S. d § 4a Abs. 1 Satz 1 ist und zum anderen auch dem gesetzlichen Leitbild des „redlichen“ Schuldners entspricht, der also tatsächlich die Aussicht auf Rest-
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1
§ 4c
Aufhebung der Stundung
schuldbefreiung hat. Der Schuldner, der im Falle der Aufhebung der Stundung die Restschuldbefreiung zumeist nicht erlangen wird, soll damit zugleich zur ordnungsgemäßen Mitwirkung und Förderung des Verfahrens angehalten werden.1) Da § 4c einen abschließenden Katalog von Gründen enthält,2) realisiert die Vorschrift auf der anderen Seite auch einen gewissen Bestandsschutz, der dem redlichen Schuldner Sicherheit über den Fortbestand der Stundung geben kann.3) II. Aufhebung der Stundung 1. 2
Verfahren
Das Aufhebungsverfahren wird von Amts wegen eingeleitet und durchgeführt, sobald das Gericht Kenntnis von Umständen erhält, die den Voraussetzungen eines Aufhebungsgrundes entsprechen könnten. Hinweisen von Gläubigern, Treuhänder oder Staatskasse hat das Gericht von Amts wegen nachzugehen. Ohne solche Hinweise kann es Kenntnis auch i. R. der ihm bis zu einem gewissen Mindestmaß obliegenden Überwachung des Schuldners, etwa durch regelmäßige Anfragen nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, erlangen; darüber hinausgehende, aufwendige Ermittlungen werden jedoch im Regelfall nicht verlangt werden können.4) In jedem Fall ist vor einer Entscheidung nach § 4c der Schuldner zu hören (Art. 103 Abs. 1 GG). 2.
Materielle Voraussetzungen der Aufhebung
a) Falsche Angaben (Nr. 1 Halbs. 1) 3
Der Schuldner ist zu wahrheitsgemäßen Auskünften verpflichtet. Bei grob schuldhaftem Verstoß gegen diese – dem Gericht gegenüber bestehende – Verpflichtung soll die Möglichkeit der Aufhebung bestehen. Unrichtige Angaben sind solche, die von der Wirklichkeit abweichen. Auch unvollständige Angaben sind unrichtige i. S. der Vorschrift, jedenfalls dann, wenn sich die Unvollständigkeit verfälschend auf das Gesamtbild auswirkt.5) Die Angaben müssen in irgendeiner Weise maßgeblich für die Entscheidung über die Eröffnung oder die Stundung sein; hierzu gehören insbesondere Angaben zu den Voraussetzungen der Eröffnungsgründe, zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und – speziell mit Relevanz für die Stundung – zur Bedürftigkeit oder zum Vorliegen von Versagungsgründen nach § 290 Abs. 1 und 3.
4
Die unrichtigen Angaben müssen zudem ursächlich für die Stundungs- oder Eröffnungsentscheidung gewesen sein;6) im Hinblick auf den letztlich kostenrechtlich, _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
40
Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 22. Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 22; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 3; Ganter in: MünchKomm-InsO, §§ 4a – 4d Rz. 17. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 1. Vgl. zu den Überwachungspflichten etwa Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 82. BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 167/08, ZVI 2009, 113 = ZInsO 2009, 297; Kirchhof in: HK-InsO, § 4c Rz. 8; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 8. BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 167/08, ZVI 2009, 113 = ZInsO 2009, 297; JaegerEckardt, InsO, § 4c Rz. 18; Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4c Rz. 5.
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§ 4c
Aufhebung der Stundung
eher nicht sanktionsrechtlich motivierten Normzweck7) ist eine Aufhebung trotz unrichtiger Angaben dann ausgeschlossen, wenn auch bei richtigen Angaben die gleiche Entscheidung hätte ergehen müssen.8) Vorsätzlich oder grob fahrlässig muss der Schuldner die unrichtigen Angaben gemacht haben; hier sind die allgemeinen straf- und zivilrechtlichen Kategorien heranzuziehen. b) Nichtabgabe der geforderten Erklärung (Nr. 1 Halbs. 2) Durch § 4c kann auch die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Schuldners sanktioniert werden, wenn dieser einer Aufforderung des Gerichts zu einer Erklärung über maßgebliche Verhältnisse gemäß § 4b Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO (siehe § 4b Rz. 10) nicht Folge leistet. Wie generell i. R. des Stundungsverfahrens, hat die Aufforderung des Gerichts wiederum konkret genug zu sein, eine angemessene Fristsetzung sowie einen Hinweis auf die Konsequenzen der Nichterfüllung zu enthalten.9) Nicht ausreichend ist nach dem Willen des Gesetzgebers die Nichtabgabe von Erklärungen trotz geänderter Verhältnisse ohne entsprechende Aufforderung des Gerichts.10)
5
c) Unrichtigkeit der Stundungsentscheidung (Nr. 2) Die Stundung kann aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen – Bedürftigkeit, keine Ausschlussgründe – zum Zeitpunkt ihrer Bewilligung, also der letzten Tatsachenentscheidung11) nicht vorgelegen haben. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an; keine Rolle spielt eine veränderte rechtliche Beurteilung derselben Umstände.12) Die Sperre nach Ablauf von vier Jahren korrespondiert mit § 5 GKG n. F. und trägt dem Bestandsschutzgedanken Rechnung. Für den Beginn der Frist ist hierbei auf die Beendigung des jeweiligen Verfahrensabschnittes, nicht auf die Beendigung des Insolvenzverfahrens abzustellen.13)
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d) Schuldhafter Zahlungsrückstand (Nr. 3) Der Schuldner muss drei Monate entweder mit der nach § 4b angeordneten Zahlung einer Monatsrate oder eines „sonstigen Betrags“ – hier kommen etwa angeordnete Einmalzahlungen aufgrund eines einmaligen Vermögenszuflusses in Betracht – in Rückstand geraten. Für die erste Alternative muss eine volle Monatsrate seit drei Monaten offenstehen, eine Addition mehrerer kleinerer Zahlungsrückstände der letzten drei Monate findet nicht statt.14) Der Schuldner muss diesen Zahlungsrückstand zu vertreten haben, also etwa trotz Leistungsfähigkeit eine Zahlung auf die vorrangig zu bedienenden Kosten unterlassen haben. Bei anderweitiger nachteiliger _____________ 7) Vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 18; so auch BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 167/08, ZVI 2009, 113 = ZInsO 2009, 297. 8) Vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 18; Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4c Rz. 5. 9) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 26. 10) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 23. 11) BGH, Beschl. v. 25.10.2007 – IX ZB 14/07, ZVI 2007, 609, 610 = NZI 2008, 46, 47; Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 24. 12) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 35 m. w. N. 13) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 26; a. A. Kirchhof in: HK-InsO, § 4c Rz. 15 – Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens insgesamt. 14) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 44.
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7
§ 4c
Aufhebung der Stundung
Veränderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse hat dagegen eine Anpassung nach § 4b, aber keine Aufhebung zu erfolgen.15) e) Verletzung der Erwerbsobliegenheit (Nr. 4) 8
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen öffentliche Mittel nur dann für die Restschuldbefreiung eingesetzt werden, wenn der Schuldner einen eigenen Beitrag zur Restschuldbefreiung leistet; eine Entschuldung zum Nulltarif soll damit also ausgeschlossen sein.16) Von zentraler Bedeutung ist daher die Erwerbsobliegenheit des Schuldners, die diesen bereits nach § 295 trifft und die konsequenterweise auch für die Stundung zu beachten ist. Die an den Schuldner zu stellenden Anforderungen sind identisch mit denen aus § 295 Abs. 1 Nr. 1.17) Sie gelten für die unselbständige wie auch für die selbständige Tätigkeit gleichermaßen.18)
9
Durch die Verletzung der Erwerbsobliegenheit muss (für vor dem 1.7.2014 beantragte Verfahren gilt das ebenfalls, über den Wortlaut der der bis dahin geltenden Fassung der Nummer 4 hinaus) die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt werden; den Schuldner muss zudem ein Verschulden treffen. Insoweit muss die Regelung im Gleichklang mit den Versagungsgründen stehen.19) Ist der Schuldner also etwa aufgrund seiner Ausbildung, seiner Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, seines Lebensalters oder seines Gesundheitszustands (vgl. § 1574 Abs. 2 BGB) nicht in der Lage, eine Tätigkeit zu finden, mit der er einen Verdienst erzielt, der zu pfändbaren Einkünften führt, darf ihm die Stundung nicht entzogen werden;20) ebenso kann es auch am Verschulden bei objektiv nicht ausreichenden Bewerbungsbemühungen fehlen.21)
10
Durch den Verweis auf § 296 Abs. 2 Satz 3 statuiert Nummer 4 zudem einen zweiten selbständigen Aufhebungsgrund wegen unterlassener Mitwirkung, der unabhängig von dem der Nummer 1 besteht.22) Ebenso wie dem Schuldner gemäß § 296 Abs. 2 Satz 3 die Restschuldbefreiung versagt werden kann, wenn er seinen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Auskunftserteilung nach § 296 Abs. 2 Satz 2 schuldhaft nicht nachkommt,23) kann das Insolvenzgericht die Stundung aufheben, wenn der _____________ 15) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 24 m. w. N. 16) Begr. RegE InsOÄndG, BT-Drucks. 14/5680, S. 23. 17) BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210 = NZI 2009, 899; BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153 = KTS 2010, 486; BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 191/11, ZVI 2012, 369 ff. 18) Dass § 4c nicht den Wortlaut des § 295 Abs. 2 enthält, lässt den Schluss auf eine nur auf die nicht selbständige Tätigkeit beschränkte Obliegenheit nicht zu; vgl. nur Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 52. 19) Vgl. BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210 = NZI 2009, 899; BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153 = KTS 2010, 486; BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 191/11, ZVI 2012, 369 ff; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 53, 54.; Kirchhof in: HK-InsO § 4c Rz. 22. 20) BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 160/10, ZVI 2011, 92 = ZInsO 2011, 147. 21) Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 191/11, ZVI 2012, 369 ff. 22) BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZA 7/08, ZVI 2008, 470, 471 = NZI 2008, 507, 508; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 95/08, ZVI 2009, 209 = ZInsO 2009, 298; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 63; Uhlenbruck-Mock, InsO, § 4c Rz. 21. 23) Dazu BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 156/04, NZI 2007, 534 = DStR 2008, 111.
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§ 4c
Aufhebung der Stundung
Schuldner schuldhaft die entsprechende Auskunftspflicht gemäß Nummer 4 letzter Halbsatz nicht erfüllt.24) f)
Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (Nr. 5)
Das Gericht kann – und wird – die Stundung widerrufen, wenn die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird. Es liegt dann kein Grund mehr vor, öffentliche Mittel bereitzustellen, die ja nur der Entschuldung des mittellosen Schuldners zugutekommen sollten.25) Entsprechend der Ausweitung der Ausschlussgründe bei § 4a Abs. 1 Nr. 4 (siehe hierzu oben § 4a Rz. 17) soll nach Nummer 5 die Aufhebung einer einmal gewährten Stundung zudem bereits dann in Betracht kommen, wenn zweifelsfrei die „Voraussetzungen“ – wozu ein Gläubigerantrag nach dieser Auffassung nicht zählt – irgendeines Versagungsgrundes nach § 290 vorliegen.26) Dies überdehnt sicher den Wortlaut auch dieser Vorschrift, wird daher nur aus dem Gesichtspunkt einer gewissen Konsequenz der Anwendung zu rechtfertigen sein – wenn Umstände vorliegen, unter denen eine Stundung abgelehnt werden könnte, kann auch eine bereits gewährte Stundung vorzeitig aufgehoben werden.27)
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III. Ermessen des Gerichts Liegen die Voraussetzungen einer Nummer des Absatzes 1 vor, so kann das Gericht die Stundung aufheben. Das pflichtgemäße Ermessen wird bei den verschuldensabhängigen Gründen das jeweilige Gewicht der Schuld beachten, ansonsten die Erheblichkeit der objektiven Abweichungen, etwa bei Nummer 2. Insbesondere beim Vorliegen von Nummer 5 ist aber kaum noch ein Ermessensspielraum vorhanden.
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IV. Entscheidung 1.
Inhalt
Regelmäßig wird das Gericht die vollständige Aufhebung der Bewilligungsentscheidung aussprechen. Im Rahmen des eröffneten Ermessens wird aber auch die Möglichkeit gegeben sein, „vermittelnde Lösungen“, etwa in Form von Übergangsregelungen, anzuordnen.28) 2.
13
Form
Die Entscheidung i. S. einer Aufhebung der Stundung ergeht durch Beschluss. Die im Hinblick auf die Beschwerdemöglichkeit nach § 4d erforderliche Begründung muss auch erkennen lassen, ob und wie das Gericht das ihm eingeräumte Ent-
_____________ 24) BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZA 7/08, ZVI 2008, 470, 471 = NZI 2008, 507, 508; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 95/08, ZVI 2009, 209 = ZInsO 2009, 298 – fehlende Darlegung der Ausübung der Erwerbstätigkeit. 25) Kraemer-Graf-Schlicker, InsO, Fach 2, Kap. 24 Rz. 86. 26) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, ZVI 2009, 13, 14 = NZI 2008, 662, 663; a. A. LG Mönchengladbach, Beschl. v. 31.5.2006 – 5 T 177/06, ZVI 2006, 521, 522 = ZInsO 2006, 781. 27) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346. 28) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 90; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 46.
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§ 4d
Rechtsmittel
schließungsermessen ausgeübt hat.29) Die Entscheidung ist, da sie der fristgebundenen sofortigen Beschwerde unterliegt, dem Schuldner bzw. dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt zuzustellen. V. Wirkungen der Aufhebung 15
Mit der im Regelfall vollständigen Aufhebung der Stundung werden die von der Stundung erfassten Kosten und Ansprüche sofort und in der vollen noch ausstehenden Höhe fällig. Die unter § 4a beschriebenen Wirkungen der Stundung fallen mit Wirkung für die Zukunft weg, sodass ggf. die Abweisung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder eine Einstellung des Verfahrens nach § 207 die Folge sein können. In der Restschuldbefreiungsphase ist der Schuldner der Gefahr der Versagung ausgesetzt (§ 298). Nach der Erteilung der Restschuldbefreiung kommt eine Ratenzahlungsbewilligung nach § 4b Abs. 1 nicht mehr in Betracht.
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Der Aufhebung kommt keine Rückwirkung zu, jedenfalls soll sie nicht zu einer abweichenden Beurteilung vergangener Tatbestände führen.30) Daher werden auch die durch eine Beiordnung bereits begründeten Ansprüche des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nicht berührt;31) das Gleiche gilt für die etwa vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 erworbenen Ansprüche auf Vergütung und Auslagenersatz.32) VI. Rechtsmittel
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Die Entscheidung über die Aufhebung ist gemäß § 4d mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. _____________ 29) LG Mühlhausen, Beschl. v. 12.10.2007 – 2 T 256/07, VuR 2009, 30 f; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 86. 30) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 96 m. umf. N. 31) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 43; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 96. 32) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346 – „jedenfalls durch analoge Anwendung des § 63 Abs. 2“; vgl. auch AG Alzey, Beschl. v. 21.2.2003 – IK 8/02, – juris.
§ 4d Rechtsmittel (1) Gegen die Ablehnung der Stundung oder deren Aufhebung sowie gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) 1Wird die Stundung bewilligt, so steht der Staatskasse die sofortige Beschwerde zu. 2Diese kann nur darauf gestützt werden, dass nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners die Stundung hätte abgelehnt werden müssen.
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Kexel
§2
Amtsgericht als Insolvenzgericht
§2 Amtsgericht als Insolvenzgericht (1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk dieses Landgerichts ausschließlich zuständig. (2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen. 2Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Literatur: Landfermann, Der Ablauf eines künftigen Insolvenzverfahrens, BB 1995, 1649. Übersicht I. II. 1. 2.
Allgemeines, Normzweck ................... Die sachliche Zuständigkeit ............... Ausschließliche Zuständigkeit ............. Verfahren bei Unzuständigkeit ............
I.
Allgemeines, Normzweck
1 2 2 3
3.
Ermächtigung zur Ausnahmeregelung ......................................................... 4 III. Die funktionelle Zuständigkeit .......... 5
§ 2 regelt nur die sachliche Zuständigkeit, die örtliche Zuständigkeit wird in § 3 bestimmt. Die funktionelle Zuständigkeit, also die Aufgabenverteilung innerhalb des Gerichts, erfährt in der InsO keine zusammenfassende Regelung; sie ergibt sich im Wesentlichen aus dem Rechtspflegergesetz (unten Rz. 5 ff). Die ausschließliche Zuständigkeit der Amtsgerichte wurde aus der KO übernommen; der Gesetzgeber hielt eine Übertragung auf die Landgerichte wegen des dort (noch) geltenden Kollegialsystems eher abträglich für die gewünschte zügige Erledigung.1) Mit der in Absatz 1 zur Regel gemachten Konzentration will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Richter und Rechtspfleger ausreichend Erfahrung und Sachkunde in Insolvenzsachen erlangen können und zudem die Bereitstellung erforderlicher Sachmittel gewährleistet werden kann.2) Die in Absatz 2 enthaltene Ausnahmeregelung steht daher auch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die anderweitige Zuweisung sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung verspricht. Jüngere Bestrebungen der Bundesregierung, die Konzentration noch zu verstärken, sind vom Gesetzgeber zuletzt ausdrücklich nicht aufgenommen worden.3)
1
II. Die sachliche Zuständigkeit 1.
Ausschließliche Zuständigkeit
§ 2 normiert eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit, die also einer Parteivereinbarung nicht zugänglich ist (§ 4 InsO i. V. m. § 40 Abs. 2 ZPO). _____________ 1) 2) 3)
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 109 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 151. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 109 f, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 151; Landfermann, BB 1995, 1649, 1651. Vgl. Beschlussempfehlung des RA zum ESUG, BT-Drucks. 17/7511, S. 2.
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3
2
§2 2. 3
Verfahren bei Unzuständigkeit
Hält sich das angerufene Gericht für unzuständig, so weist es den Antragsteller auf die Möglichkeit eines Verweisungsantrages hin (§ 4 InsO i. V. m. § 281 Abs. 1 ZPO). Wird der Verweisungsantrag gestellt, spricht es die Unzuständigkeit durch – regelmäßig bindenden4) – Beschluss aus und verweist an das zuständige Amtsgericht.5) Ohne Verweisungsantrag muss der Eröffnungsantrag wegen Unzuständigkeit abgelehnt werden; gegen den entsprechenden Beschluss steht dem Antragsteller entsprechend § 34 Abs. 1 die sofortige Beschwerde zu.6) Gegen die Eröffnung durch das unzuständige Gericht kann sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde nach § 34 Abs. 2 wenden.7) Diese ist allerdings – auch für die sachliche Zuständigkeit8) – nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen, soweit dem Beschwerdeführer vor Verfahrenseröffnung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. 3.
4
Amtsgericht als Insolvenzgericht
Ermächtigung zur Ausnahmeregelung
Eine Ausnahmeregelung nach Absatz 2 soll nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass sie der sachdienlichen Förderung oder der schnelleren Erledigung zugute kommt. Dies erscheint nur eingeschränkt justiziabel,9) wenn zutreffenderweise den Landesregierungen bzw. den Justizverwaltungen ein Ermessens- und Prognosespielraum zugestanden wird.10) Von der schon zum 19.11.1994 in Kraft getretenen Ermächtigung haben viele Länder Gebrauch gemacht.11) III. Die funktionelle Zuständigkeit
5
Dem Rechtspfleger sind mit den in § 18 RPflG genannten Ausnahmen grundsätzlich die Geschäfte des Amtsgerichts in Insolvenzverfahren übertragen (§ 3 Nr. 2 _____________ 4) § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; grundsätzlich zuletzt BGH, Beschl. v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, ZIP 2006, 442, 443 = ZVI 2006, 147, 148 m. w. N.; s. aber auch – jeweils zu § 3 – OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.7.2005 – 14 UH 13/05, ZVI 2005, 367, 368 = ZInsO 2005, 822; BayObLG, Beschl. v. 25.7.2003 – 1 Z AR 72/03, NJW-RR 2004, 986, 987 = NZI 2004, 88; BayObLG, Beschl. v. 13.8.2003 – 1 Z AR 83/03, NZI 2004, 90, 91 = Rpfleger 2003, 680, dazu EWiR 2004, 763 (Pape); BayObLG, Beschl. v. 19.9.2003 – 1 Z AR 102/03, NZI 2004, 148, 149 = BB 2003, 2370; OLG Celle, Beschl. v. 9.10.2003 – 2 W 108/03, ZIP 2004, 1022 = ZInsO 2004, 205, dazu EWiR 2005, 225 (Breitling); OLG Celle, Beschl. v. 16.12.2003 – 2 W 117/03, ZIP 2004, 581 = NZI 2004, 260, m. Anm. Neuenhahn, dazu EWiR 2004, 809 (Voss); OLG Schleswig, Beschl. v. 4.2.2004 – 2 W 14/04, ZIP 2004, 1476 = NZI 2004, 264; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.11.2003 – 8 AR 16/03, ZInsO 2004, 750, 751 f = OLGR 2004, 184, 186 f – keine Bindung bei „objektiver“ Willkür. 5) Vgl. RG, Beschl. v. 4.4.1928, RGZ 121, 21; RG, Urt. v. 27.1.1931, RGZ 131, 200. 6) LG Bochum, Beschl. v. 11.2.2005 – 10 T 65/04, n. v.; Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 3 Rz. 45. 7) Vgl. zur KO: LG Göttingen, Beschl. v. 17.3.1997 – 6 T 36/97, ZIP 1997, 988; Kilger/ K. Schmidt, KO, § 71 Anm. 5. 8) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 3 Rz. 45. 9) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 2 Rz. 16 f. 10) LG Berlin, Beschl. v. 29.6.1999 – 1 AR 72/99, DZWIR 1999, 517, m. Anm. Müller-York. 11) Eine vollständige Auflistung der Insolvenzgerichte findet sich bei Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 2 Rz. 68; das zuständige Insolvenzgericht lässt sich unter „insolvenzbekanntmachungen.de“ unter „Detailsuche“ ermitteln.
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Kexel
§2
Amtsgericht als Insolvenzgericht
Buchst. e RPflG i. V. m. Art. 14 Nr. 1 EGInsO). Danach bleiben kraft Gesetzes dem Richter vorbehalten: –
das Verfahren bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag unter Einschluss dieser Entscheidung und der Ernennung des Insolvenzverwalters sowie das Schuldenbereinigungsplanverfahren nach den §§ 305 – 310 (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG);
–
bei einem Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners die Entscheidungen nach den §§ 287a, 290, 296 bis 297a und 300 (bei Beantragung des Verfahrens vor dem 1.7.2014: §§ 289, 296, 297 und 300), wenn ein Insolvenzgläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, sowie die Entscheidung über den Widerruf der Restschuldbefreiung nach § 303 (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RPflG);
–
Entscheidungen nach den §§ 344 – 346 bei einem ausländischen Insolvenzverfahren (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 RPflG).
–
seit dem 1.1.201312) auch das Verfahren über einen Insolvenzplan nach den §§ 217 bis 256 und den §§ 258 bis 269 (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG).
Unabhängig davon hat der Richter die Möglichkeit, sich einzelne Verfahrensteile oder auch das gesamte Verfahren nach § 18 Abs. 2 Satz 1 RPflG vorzubehalten, soweit er es für geboten erachtet. Er kann das Verfahren auch wieder auf den Rechtspfleger zurückübertragen, wenn er den Vorbehalt nicht mehr für erforderlich hält (§ 18 Abs. 2 Satz 2 RPflG). Nach vorzugswürdiger Ansicht kommt dem Richter infolge des § 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG ein nicht nur den letzteren Fall betreffendes, sondern ein umfassendes Evokationsrecht zu; es steht ihm immer, wegen der Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 1 RPflG nämlich auch für den Fall des gesetzlichen Übergangs der Geschäfte auf den Rechtspfleger, offen, jede gerichtliche Maßnahme innerhalb des Insolvenzverfahrens im Verhältnis zum Rechtspfleger selber zu treffen, wenn er es für erforderlich erachtet.13) Bei der Frage der Gebotenheit bzw. Erforderlichkeit ist dem Richter ein Beurteilungsermessen eingeräumt; hält er die Voraussetzungen für gegeben, so muss er das Verfahren an sich ziehen.14) Der Vorbehalt sollte aktenkundig gemacht werden; er ist unanfechtbar.
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Der Richter hat ferner die nicht dem Insolvenzverfahren zuzurechnenden Entscheidungen nach § 89 Abs. 3 zu treffen (§ 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG).
7
Auch ohne Übertragung oder Vorbehalt sind die vom Richter anstelle des Rechtspflegers getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen immer wirksam (§ 8 Abs. 1 RPflG); umgekehrt gilt dies nicht, sondern hat die Unwirksamkeit zur Folge (§ 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG). Einen Sonderfall regelt § 18 Abs. 3 RPflG, wonach den Ent-
8
_____________ 12) Art. 10 des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 (ESUG), BGBl. I 2011, 2582. 13) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 2 Rz. 36; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 2 Rz. 55 a. E. m. w. N.; nun auch Ganter in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 21; a. A. Arnold/Meyer-Stolte, RPflG, 5. Aufl., § 18 Rz. 56. 14) In diesem Sinne wohl auch Jaeger-Gerhardt, InsO, § 2 Rz. 56.
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§3
Örtliche Zuständigkeit
scheidungen des Rechtspflegers über die Gewährung des Stimmrechts nach den §§ 77, 237 und 238 nicht die in § 256 bezeichnete Rechtswirkung zukommt;15) hier gibt es nach § 18 Abs. 3 Satz 216) RPflG ein Antragsverfahren zur Wiederholung der Abstimmung nach richterlicher Neufestsetzung des Stimmrechts, soweit die Entscheidung des Rechtspflegers Auswirkungen auf das Ergebnis einer Abstimmung gehabt hat.17) _____________ 15) § 18 Abs. 3 Satz 1 RPflG i. d. F. bis zum 31.12.2012, ab 1.1.2013 gibt es diesen Satz 1 nicht mehr, s. Fn. 17. 16) Ab dem 1.1.2013 nur noch „§ 18 Abs. 3 RPflG“, i. d. F. des Art. 5 des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 (ESUG), BGBl. I 2011, 2582. 17) Vgl. hierzu auch BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 235/06, ZIP 2008, 2428, 2429 = ZInsO 2009, 34, dazu EWiR 2009, 117 (Keller).
§3 Örtliche Zuständigkeit (1) 1Örtlich zuständig ist ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. 2Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. (2) Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus. Übersicht I. II. III. 1.
I.
Allgemeines, Normzweck ................... Prüfung von Amts wegen ................... Örtliche Zuständigkeit ....................... Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (Abs. 1 Satz 2) ....................................... a) Selbständige Tätigkeit .................... b) Wirtschaftliche Tätigkeit ............... c) Mittelpunkt ....................................
1 3 4 5 5 6 7
2.
Allgemeiner Gerichtsstand (Abs. 1 Satz 1) ....................................... 9 IV. Mehrfache Zuständigkeit (Abs. 2) ... 10 V. Ausschließliche Zuständigkeit ......... 11 VI. Internationale Zuständigkeit ........... 12 VII. Zuständigkeitserschleichung ........... 13 VIII. Verfahren bei Unzuständigkeit ..... 15 IX. Zuständigkeit des Finanzamtes ........ 17
Allgemeines, Normzweck
1
§ 3 regelt die örtliche Zuständigkeit des nach § 2 sachlich zuständigen Gerichts. Absatz 2 enthält eine Regelung für die konkurrierende Zuständigkeit. Die Zuständigkeiten sind ausschließlich. Eine weitere Zuständigkeitsregelung findet sich für die Nachlassinsolvenz in § 315.
2
Die Zuständigkeitsregelung orientiert sich an Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen; der Großteil der Masse und der Gläubiger wird sich dort befinden, wo der Schuldner schwerpunktmäßig seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet oder seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.1) _____________ 1)
6
Ganter in: MünchKomm-InsO, § 3 Rz. 37.
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§§ 56, 56a
Bestellung des Insolvenzverwalters
Monat vor Insolvenzeröffnung der Fall), kann das Finanzamt ihm gegenüber die Umsatzsteuer durch Bescheid festsetzen.160) Liegen demgegenüber bereits an den Schuldner gerichtete Bescheide vor (wozu auch die durch die Abgabe der Voranmeldungen bedingte Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fällt, § 168 Satz 1 AO), kann das Finanzamt lediglich noch ein Leistungsgebot nach § 254 AO an den Verwalter erlassen.161) Insofern wirkt die ursprüngliche Steuerfestsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter fort.162) Das gilt jedenfalls dann, wenn die Voranmeldung des Schuldners mit dem als Masseforderung geltend gemachten Betrag übereinstimmt. Sind beide nicht identisch (z. B. weil die Voranmeldungen des Schuldners vom Verwalter nachträglich korrigiert wurden), kann das Finanzamt einen Bescheid gegen den Verwalter erlassen.163) _____________ 160) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 36. 161) FG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2012 – 1 V 152/12 A (U), ZIP 2012, 688 = ZInsO 2012, 1036, dazu EWiR 2012, 323 (Schmittmann); BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2012/0042691), ZIP 2012, 245 Rz. 35, 38. 162) Kahlert, ZIP 2011, 401. 163) FG Düsseldorf, Urt. v. 27.9.2013 – 1 K 3372/12 U, ZIP 2013, 2224 = BeckRS 2013, 96401, Rev. eingelegt.
Dritter Abschnitt Insolvenzverwalter. Organe der Gläubiger §§ 56, 56a § 56 Bestellung des Insolvenzverwalters Graf-Schlicker
1Zum
(1) Insolvenzverwalter ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. 2Die Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen kann auf bestimmte Verfahren beschränkt werden. 3Die erforderliche Unabhängigkeit wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Person 1.
vom Schuldner oder von einem Gläubiger vorgeschlagen worden ist oder )
2.
den Schuldner vor dem Eröffnungsantrag in allgemeiner Form über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen beraten hat.
(2) 1Der Verwalter erhält eine Urkunde über seine Bestellung. 2Bei Beendigung seines Amtes hat er die Urkunde dem Insolvenzgericht zurückzugeben.
§ 56a Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung (1) Vor der Bestellung des Verwalters ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an den Verwalter zu stellen
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
sind, und zur Person des Verwalters zu äußern, soweit dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt. (2) 1Das Gericht darf von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. 2Das Gericht hat bei der Auswahl des Verwalters die vom vorläufigen Gläubigerausschuss beschlossenen Anforderungen an die Person des Verwalters zugrunde zu legen. (3) Hat das Gericht mit Rücksicht auf eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners von einer Anhörung nach Absatz 1 abgesehen, so kann der vorläufige Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung einstimmig eine andere Person als die bestellte zum Insolvenzverwalter wählen.
)
§ 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 geändert durch Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379, m. W. v. 19.7.2013. Graf-Schlicker
Literatur: Bergner, Das Kreuz mit der Zertifizierung, NZI 2007, 642; Bötticher, Die Konkursmasse als Rechtsträger und der Konkursverwalter als ihr Organ, ZZP 77 (1964) 55; Bork, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters ist nicht disponibel, ZIP 2013, 145; Bork, Beauftragung von Dienstleistern durch den Insolvenzverwalter: Regelaufgabe oder besondere Aufgabe?, ZIP 2009, 1747; Bork, Die Verschwiegenheitspflicht des Insolvenzverwalters im Zertifizierungsverfahren, ZIP 2007, 793; Bork, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters – ein hohes Gut, ZIP 2006, 58; Braun, Nochmals: Zertifizierung des Insolvenzverwalters, Verschwiegenheit und Akteneinsicht, ZIP 2007, 953; Braun, Zur Unabhängigkeit des Verwalters, ZInsO 2002, 964; Brinkmann, Die Bestellung von Insolvenzverwaltern, Sachverständigen und Dolmetschern durch die Gerichte – Vorschlag für ein Vergabeverfahren, ZInsO 2006, 679; Bruckhoff, Amtspflichtverletzung bei Verwalterauswahl und -überwachung nur bei groben Pflichtverstößen, NZI 2008, 25; Busch, Die Bestellung des Insolvenzverwalters nach dem „Detmolder Modell“, DZWIR 2004, 353; Dahl, Der Eigenantrag des Schuldners nach ESUG, NJW-Spezial 2012, 21; Fölsing, Die Auswahl des Sachwalters in der Eigenverwaltung, ZInsO 2012, 2272; Frege, Abgrenzungsfragen im Recht zur Sonderinsolvenzverwaltung, ZInsO 2008, 1130; Frege, Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters, NZI 2008, 487; Fridgen, Das ESUG – Abschluss der ersten Stufe der Insolvenzrechtsreform, GWR 2011, 535; Frind, Die Unabhängigkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters/Sachwalters nach Inkrafttreten des „ESUG“, ZInsO 2014, 119; Frind, Die Praxis fragt, „ESUG“ antwortet nicht, ZInsO 2011, 2249; Frind, Hilfestellung zur Formulierung eines Anforderungsprofils an einen erfolgreichen Insolvenzverwalter: die fortgeschriebene Verfahrenskennzahlenauswertung, ZInsO 2011, 1913; Frind, Problemanalyse zum RefE „ESUG“ – Teil 1, ZInsO 2011, 373; Frind, Informationssperre zugunsten „schlechter“ Insolvenzverwalter?, ZInsO 2011, 30; Frind, Unabhängigkeit – kein Wert mehr an sich? – Die Auswahl und berufliche Stellung des Insolvenzverwalters nach den neuen Regelungsentwürfen zur Änderung der InsO, NZI 2010, 705; Frind, Insolvenzverwaltung als private Dienstleistung?, ZInsO 2008, 1248; Frind, Insolvenzverwaltung als private Dienstleistung?, ZInsO 2008, 1248; Frind, „Die atmende Liste“ – Qualitätsorientierte Bedarfsbegrenzung ohne „closed shop“ bei der VerwalterVorauswahl-Liste, ZInsO 2007, 515; Frind, Berührt – geführt – Vom Verwalterlisting zur Zwangsbestellung?, ZInsO 2005, 700; Ganter, Das personengebundene Massedarlehen, ZIP 2013, 597; Graeber, Vergütungsrecht in der Insolvenzpraxis: Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters – Zukünftig pro bono?, ZInsO 2008, 847; Graeber, Wie viele Insolvenzverwalter verträgt das Insolvenzverfahren?, ZInsO 2006, 851; Graeber, Kein Konkurrentenschutz für Insolvenzverwalter, NZI 2006, 499; Graeber, Auswirkungen der Entscheidung des BVerfG zur Vorauswahl des Insolvenzverwalters auf die
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
Insolvenzgerichte, NZI 2004, 546; Graeber/Pape, Der Sonderverwalter im Insolvenzverfahren, ZIP 2007, 991; Gaier, Verfassungsrechtliche Aspekte der Auswahl und der Abwahl des Insolvenzverwalters, ZInsO 2006, 1177; Graf-Schlicker, Die Auswahl des Insolvenzverwalters im Lichte der Dienstleistungsrichtlinie, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2009, S. 235; Graf-Schlicker, Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3.8.2004 zur Auswahl des Insolvenzverwalters – Konsequenzen für die gerichtliche Praxis und die Gesetzgebung, in: Festschrift für Günter Greiner, 2005, S. 71; Graf-Schlicker, Gefährdet die Eigenverwaltung die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters?, in: Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, 2003, S. 135; GrafSchlicker, Schwachstellenanalyse und Änderungsvorschläge zum Regelinsolvenzverfahren, ZIP 2002, 1166; Haarmeyer, Mißbrauch der Eigenverwaltung? – Nicht der Gesetzgeber, sondern Gerichte, Verwalter und Berater sind gefordert, ZInsO 2013, 2345; Haarmeyer, Die Zertifizierung von Unternehmens-Insolvenzverwaltern nach den Richtlinien des DIAI, NZI 2007, 635; Haarmeyer, Fragen zum Zertifizierungsund Ratingsystem nach den Richtlinien des DIAI, ZInsO 2007, 431; Haarmeyer/ Schaprian, Zertifizierung des Insolvenzverwalters, Verschwiegenheit und Akteneinsicht, ZIP 2007, 952; Haarmeyer/Schaprian, Qualitätsmanagement in der Insolvenzverwaltung – Transparenz durch Qualität, ZInsO 2006, 673; Hess, Die Thesen des DIAI zur Zertifizierung des Unternehmens-Insolvenzverwalters durch Rating: „Junk Science“, ZIP 2007, 1042; Hess/Ruppe, Auswahl und Einsetzung des Insolvenzverwalters und die Justiziabilität des Nichtzugangs zur Insolvenztätigkeit, NZI 2004, 641; Heyer, Zwischenruf – Stärkung des Gläubigereinflusses versus Qualitätsdiskussion – wohin führt das ESUG?, ZIP 2011, 557; Hinkel, Anforderungen an die Unabhängigkeit eines Verwalters/Sachwalters, jurisPR-HaGesR 11/2012; Hirte, Vorschläge für die Kodifikation eines Konzerninsolvenzrechts, ZIP 2008, 444; Hofmann, Die Vorschläge des DiskE-ESUG zur Eigenverwaltung und zur Auswahl des Sachwalters – Wege und Irrwege zur Erleichterung von Unternehmenssanierungen, NZI 2010, 798; Höfling, Freiheit und Regulierung der Insolvenzverwaltertätigkeit aus verfassungsrechtlicher Perspektive, JZ 2009, 339; Höfling, Zur Verfassungskonformität kontingentierter Insolvenzverwalter-Vorauswahllisten, Rechtsgutachten im Auftrag des Verbands der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID), 2008; Hölzle, Die „erleichterte Sanierung von Unternehmen“ in der Nomenklatur der InsO – ein hehres Regelungsziel des RefE-ESUG, NZI 2011, 124; Horstkotte, „Unabhängigkeit“ – the new battleground, ZInsO 2013, 160; Jaffe/Friedrich, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Insolvenzstandorts Deutschland, ZIP 2008, 849; Jürges, Über die Qualität in der Insolvenzverwaltung, ZInsO 2008, 888; Klaas, Offene Bewerbungslisten contra professionelle Insolvenzverwaltung, Anwbl. 2006, 404; Kleine-Cosak, Europarechts- und verfassungswidriger Ausschluss juristischer Personen von der Insolvenzverwaltung, NZI 2011, 791; Köhler-Ma, Verwalterauswahl und Qualitätskriterien im Internationalen Vergleich, DZWIR 2006, 228; Koenig/Hentschel, Die Auswahl des Insolvenzverwalters – nationale und EG-vergaberechtliche Vorgaben, ZIP 2005, 1937; Krück, Erfolgsmessung im Insolvenzverfahren, ZInsO 2007, 637; Laws, Insolvenzverwaltervorauswahl – Neue Maßstäbe für das Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG?, NZI 2008, 279; Looff, Die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters, DZWIR 2009, 14; Lüke, Der Sonderinsolvenzverwalter, ZIP 2004, 1693; Lüke, Unabhängigkeit oder „Kernunabhängigkeit“ des Insolvenzverwalters?, ZIP 2003, 557; Marotzke, Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2009, 1929; Obermüller, Der Gläubigerausschuss nach dem „ESUG“, ZInsO 2012, 18; Pannen, Auswirkungen der Entscheidung des BVerfG zur Vorauswahl des Insolvenzverwalters aus Verwaltersicht, NZI 2004, 548; Pape, G., Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch Stärkung der Eigenverwaltung, ZInsO 2010, 1582; Pape, G., Verwalterbestellung wie gehabt – nichts verändert sich, ZInsO 2004, 1126; Paulus, Konturen eines modernen Insolvenzrechts – Überlappungen mit dem Gesellschaftsrecht, DB 2008, 2523; Paulus, Inhaltliche Kontrolle der Insolvenzverwaltertätigkeit, ZInsO 2006, 752; Preuß, Reform der Insolvenzverwalterauswahl – verfas-
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
sungs- und europarechtliche Rahmenbedingungen und justizorganisatorische Regelungsziele, ZIP 2011, 933; Preuß, Die Verwalterauswahl als Problem des Justizverfassungsrechts, KTS 2005, 155; Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters und die geplante Änderung des § 56 InsO, ZIP 2005, 1097; Prütting, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, ZIP 2002, 1965; Rattunde, Sanierung durch Insolvenz, ZIP 2003, 2103; Riggert, Die Auswahl des Insolvenzverwalters – Gläubigerbeteiligung des Referentenentwurfs zur InsO (RefE-ESUG) aus Lieferantensicht, NZI 2011, 121; Riggert, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters gegenüber Gläubigern, NZI 2002, 352; Rhode/Carlic, Auswahlkriterien der Insolvenzgerichte – DIN EN ISO 9001:2000 als Qualitätsmerkmal, ZInsO 2006, 1247; Römermann, Neues Insolvenz- und Sanierungsrecht durch das ESUG, NJW 2012, 645; Römermann, Bestellung von Insolvenzverwaltern – Die verpasste Chance des BVerfG, ZIP 2006, 1332; Römermann, Die Zukunft der Insolvenzverwalterbestellung, ZInsO 2004, 937; Sabel/ Wimmer, Die Auswirkungen der europäischen Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, ZIP 2008, 2097; Schaprian, Das Zertifizierungsverfahren des DIAI für Unternehmensinsolvenzverwalter, ZInsO 2007, 243; Seide/Brosa, Auswahlverfahren für Insolvenzverwalter im Lichte der Gläubigerautonomie, ZInsO 2008, 769; Schmidt, A./Hölzle, Der Verzicht auf die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, ZIP 2012, 2238; Schmidt, K., Konsolidierte Insolvenzabwicklung? –Vergleichende Überlegungen über GmbH & Co.-Insolvenzen und Konzerninsolvenzen, KTS 2011, 161; Schmidt, K., Der Konkursverwalter als Gesellschaftsorgan und als Repräsentant des Gemeinschuldners, KTS 1984, 345; Seidl, Dailycer: Wer schützt das Insolvenzverfahren vor dem Richter?, ZInsO 2012, 2285; Siemon, § 56 InsO ist keine Ermessensvorschrift, ZInsO 2012, 364; Smid, Anordnung des schriftlichen Verfahrens und Wahl eines neuen Insolvenzverwalters, jurisPR-InsR 14/2013; Uhlenbruck, Von der Notwendigkeit eines eigenständigen Sanierungsgesetzes, NZI 2008, 201; Uhlenbruck, Zur Vorauswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, NZI 2006, 489; Uhlenbruck, Ausund Abwahl des Insolvenzverwalters – Eine Schicksalsfrage der Insolvenzreform, KTS 1989, 229; Uhlenbruck/Mönning, Listing, Delisting und Bestellung von Insolvenzverwaltern, ZIP 2008, 157; Vallender, Zugang ausländischer Insolvenzverwalter zur Vorauswahlliste deutscher Insolvenzgerichte nach Art. 102a EGInsO, ZIP 2011, 454; Vallender, Weiterer Reformbedarf aus Sicht eines Insolvenzrichters, WPg 2011, Sonderheft, S 31; Vallender, Insolvenzkultur gestern, heute und morgen, NZI 2010, 838; Vallender, Rechtsschutz gegen die Bestellung eines Konkurrenten zum Insolvenzverwalter, NJW 2006, 2597; Vallender, Wie viele Verwalter braucht das Land?, NZI 2005, 473; Vallender, Steine statt Brot, NJW 2004, 3614; Vallender/Zipperer, Der vorbefasste Insolvenzverwalter – ein Zukunftsmodell?, ZIP 2013, 149; Wieland, Die Bestellung des Insolvenzverwalters – Das Grundrecht auf ermessensfehlerfreie Auswahl des Insolvenzverwalters und sein effektiver Schutz, ZIP 2007, 462; Wieland, Verfassungsrechtliche Fragen der Auswahl des Insolvenzverwalters, ZIP 2005, 233. Übersicht I. Normzweck und -inhalt ...................... 1 II. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Insolvenzverwalterbestellung .................................................. 4 III. Änderungsbedarf aufgrund der Dienstleistungsrichtlinie .................... 7 IV. Auswahl des Insolvenzverwalters .... 12 1. Vorauswahl .......................................... 12 a) Kriterien für die Vorauswahl ....... 16 aa) Fachliche Qualifikation des Bewerbers ..................................... 17 bb) Persönliche Fähigkeiten und Eignung ......................................... 19 cc) Vertrauen ...................................... 23 dd) Persönliche Bearbeitung .............. 24
ee) Unabhängigkeit im weiteren Sinne .............................................. 28 ff) Funktionsfähige Büroorganisation .................................. 29 gg) Ortsnähe ....................................... 30 hh) Qualität der Verfahrensabwicklung ....................................... 33 ii) Gerichtsspezifische Bedarfsquote ............................................. 34 jj) Belastungssituation des Insolvenzverwalters .............................. 35 b) Entscheidung über die Vorauswahl/Rechtsmittel .................. 36 c) „Delisting“ .................................... 42
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§§ 56, 56a 2.
I. 1
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
Auswahl für das konkrete Verfahren ............................................. a) … unter Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a ..................................... aa) Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses .................. bb) Beschlussfassung des vorläufigen Gläubigerausschusses ............ cc) Berücksichtigung der Vorschläge seitens des Insolvenzgerichts ......................................... dd) Neuwahlmöglichkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 56a Abs. 3 .........................
47 48 48 50 51
b) … durch den Insolvenzrichter ... 62 aa) Eignung/Geschäftskunde ............ 64 bb) Unabhängigkeit ............................ 65 V. Bestellung des Insolvenzverwalters ............................................ 75 1. Rechtsnatur des Ernennungsaktes ..... 75 2. Inhalt der Entscheidung ...................... 76 3. Rechtsmittel gegen die Entscheidung ...................................................... 78 VI. Rechtsstellung des Verwalters .......... 82 VII. Beginn und Ende des Verwalteramtes ......................................... 83 VIII. Mehrere Verwalter ........................... 87 IX. Sonderinsolvenzverwalter ................. 88
57
Normzweck und -inhalt
Nach vielen Jahren kontroverser Diskussionen in der Rechtsprechung1), der Literatur2) und innerhalb der Berufsverbände3) ist die Auswahl des (vorläufigen)4) Insolvenzverwalters mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung _____________ 1)
2)
3)
4)
420
Grundlegend: BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; Flankierende Entscheidungen: BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722, dazu EWiR 2005, 437 (Wieland); BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1493/05, ZIP 2006, 1956; BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1469/05, ZIP 2006, 1954; BVerfG, Beschl. v. 19.7.2006 – 1 BvR 1351/06, ZIP 2006, 1541, dazu EWiR 2006, 599 (Römermann); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.08.2008 – I-3 VA 4/07, ZIP 2008, 2129, dazu EWiR 2009, 55 (Knof); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – I-3 VA 8/08, ZVI 2009, 252; OLG Hamm, Beschl. v. 14.10.2004 – 15 VA 11/04, ZIP 2005, 269, dazu EWiR 2005, 270 (Kleine-Cosack); OLG München, Beschl. v. 7.12.2004 – 9 VA 4/04, 9 VA 5/04, 9 VA 6/04, ZIP 2005, 670, dazu EWiR 2005, 605 (Hess); OLG Schleswig, Beschl. v. 28.2.2005 – 12 VA 3/04, ZIP 2005, 1467, dazu EWiR 2005, 895 (Hess); OLG Koblenz, Beschl. v. 12.5.2005 – 12 VA 1/04, ZIP 2005, 1283, dazu EWiR 2005, 865 (Römermann); OLG Celle, Beschl. v. 1.6.2005 – 16 VA 3/05, ZIP 2005, 1288; OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.12.2005 – 19 VA 4/05, ZIP 2006, 342; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.10.2005 – 2 VA 2/05, ZIP 2005, 2165; KG Berlin, Beschl. v. 11.1.2006 – 16 VA 5/05, ZIP 2006, 294, dazu EWiR 2006, 347 (Hess). Wegen weiterer Rechtsprechungsnachweise der Instanzgerichte vgl. Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl. 2012 (Vorauflage), §§ 56, 56a Fn. 1. Brinkmann, ZInsO 2006, 679; Frind, ZInsO 2005, 225; Frind, ZInsO 2006, 729; Frind, ZInsO 2006, 841; Förster, ZInsO 2006, 865; Graeber, NJW 2004, 2715; Graeber, NZI 2004, 546; Graf-Schlicker, ZIP 2002, 1166; Graf-Schlicker in: FS Greiner, S. 71; Haarmeyer, ZInsO 2005, 337; Haarmeyer, ZInsO 2006, 673; Köhler-Ma, DZWIR 2006, 228; Koenig/ Hentschel, ZIP 2005, 1937; Pannen, NZI 2004, 548; Pape, ZInsO 2004, 1126; Paulus, ZInsO 2006, 752; Prütting, ZIP 2002, 1965; Pannen, ZIP 2005, 1097; Römermann, ZIP 2006, 1132; Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097; Uhlenbruck, NZI 2006, 489; Vallender, NJW 2004, 3614; Vallender, NZI 2005, 474; Vallender, NJW 2006, 2597; Wieland, ZIP 2005, 233; Wieland, ZIP 2005, 270 (Urteilsanm.); Wieland, ZIP 2007, 462. Wegen weiterer Literaturnachweise vgl. Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl. 2012 (Vorauflage), §§ 56, 56a Fn. 2. Vgl. die Empfehlungen der „Uhlenbruck-Kommission“ zur Vorauswahl und Bestellung von InsolvenzverwalterInnen sowie Transparenz, Aufsicht und Kontrolle im Insolvenzverfahren, ZIP 2007, 1432; Gutachten des Instituts für Freie Berufe „die Bestellpraxis von Unternehmensinsolvenzverwaltern“, 2008, das im Auftrag des Gravenbrucher Kreises erstellt wurde; Höfling, Rechtsgutachten für den VID; Höfling, JZ 2009, 339. § 21 Abs. 2 Nr. 1.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
von Unternehmen (ESUG),5) das zum 1.3.2012 in Kraft getreten ist,6) auf eine neue Grundlage gestellt worden. Nunmehr bestimmt nicht ausschließlich der hoheitlich tätige Richter bis zur ersten Gläubigerversammlung die Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters. Vielmehr sind die Gläubiger in bestimmten Fallkonstellationen über einen vorläufigen Gläubigerausschuss (siehe dazu die Ausführungen zu § 22a) berechtigt, entscheidend auf die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters Einfluss zu nehmen. Sowohl dem Schuldner als auch einem Gläubiger ist es möglich, einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter vorzuschlagen, ohne damit einen Ausschluss dieser Person vom Amt – der bei einem solchen Vorschlag von einer Vielzahl der Insolvenzgerichte praktiziert wurde – zu riskieren. § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bestimmt insoweit ausdrücklich, dass allein durch einen Vorschlag zur Person des Verwalters dessen Unabhängigkeit nicht berührt wird. Als repräsentativem Gläubigerorgan soll dem vorläufigen Gläubigerausschuss vor der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters Gelegenheit gegeben werden, sich zu dessen Anforderungsprofil und/oder zur Person selbst zu äußern. Das Insolvenzgericht hat das vom vorläufigen Gläubigerausschuss mehrheitlich beschlossene Anforderungsprofil für die Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bei seiner Auswahl zu berücksichtigen. Von einem einstimmigen Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters darf das Gericht nur abweichen, wenn diese für die Übernahme des Amtes in dem konkreten Fall ungeeignet ist.7) Der vorläufige Gläubigerausschuss ist an Vorauswahllisten der einzelnen Insolvenzrichter nicht gebunden,8) er kann seine Wahl aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten natürlichen Personen vornehmen, die für die Abwicklung des konkreten Insolvenzverfahrens geeignet sind. Hat das Insolvenzgericht aufgrund einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage eine Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses unterlassen, so kann dieser in seiner ersten Sitzung einstimmig die Entscheidung des Gerichts zur Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters durch die Wahl einer anderen für das Amt geeigneten Person revidieren.
Nun ist also nicht mehr nur zwischen der Vorauswahl und der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters im konkreten Verfahren zu differenzieren, sondern auch zwischen der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters allein durch den Insolvenzrichter und unter Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses.
2
Die Regelungen zur Verwalterauswahl dienen der sachgerechten Durchführung des Insolvenzverfahrens, also der Wahrung der Interessen der Gläubiger und des Schuldners, sie bezwecken nicht, dem Insolvenzverwalter die berufliche Tätigkeit zu ermöglichen.9) Die Normen gelten auch für den (vorläufigen) Sachwalter (§§ 274 Abs. 1, 270a Abs. 1 Satz 2) sowie für den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren (§ 313 Abs. 1 Satz 3, die Norm gilt aber nur noch für Verfahren, die bis
3
_____________ 5) 6) 7) 8) 9)
RegE BT-Drucks. 17/5712; Beschlussempfehlung und Bericht d. RA (6. Ausschuss), BTDrucks. 17/7511. BGBl. I 2011, 2582. A. A. Heyer, ZIP 2011, 557, der auf die generelle Eignung als Insolvenzverwalter abstellt. BT-Drucks. 17/5712, S. 26. BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355.
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
zum 30.6.2014 beantragt werden),10) nicht dagegen für den Treuhänder in der Wohlverhaltensphase (§ 292 Abs. 3 Satz 2).11) II. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Insolvenzverwalterbestellung 4
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in zwei grundlegenden12) und mehreren flankierenden Entscheidungen13) mit der Auswahl des Insolvenzverwalters befasst. Es ist dabei – entsprechend der Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidungen – davon ausgegangen, dass die Vergabe des Amtes des Insolvenzverwalters bis zu einer anderweitigen Entscheidung der Gläubigerversammlung (§ 57) ausschließlich in der Hand hoheitlich tätiger Richter liegt, denen bei der konkreten Auswahlentscheidung ein weites Ermessen zusteht.14) Um dieses Auswahlermessen bei der eilbedürftigen Entscheidung der Bestellung eines Insolvenzverwalters pflichtgemäß ausüben zu können, verlangt das Bundesverfassungsgericht einen Verfahrensrahmen, den es in einem justiziablen Vorauswahlverfahren sieht. Das Vorauswahlverfahren dient also dazu, dem Richter eine grundrechtskonforme Entscheidung zur Person des Insolvenzverwalters für das jeweilige Insolvenzverfahren zu ermöglichen.15) Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Vorauswahlliste sind daher nicht anwendbar, wenn die Erstauswahl des Insolvenzverwalters nicht durch das Insolvenzgericht, sondern einstimmig durch den vorläufigen Gläubigerausschuss vorgenommen wird. An diese Entscheidung ist das Insolvenzgericht gebunden, es sei denn, die vorgeschlagene Person ist als (vorläufiger) Insolvenzverwalter für das konkrete Insolvenzverfahren ungeeignet. Erst dann setzt das Auswahlermessen des Insolvenzgerichts – ggf. beschränkt durch das vom vorläufigen Gläubigerausschuss mehrheitlich beschlossene Anforderungsprofil zur Person des Verwalters – ein.
5
Das Bundesverfassungsgericht hat, soweit der Insolvenzrichter die Erstauswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters vornimmt, deutlich zwischen der Vorauswahl und der Bestellung des Insolvenzverwalters in einem konkreten Verfahren unterschieden. Die Entscheidungen haben die rechtliche Einordnung der Verwalterbestellung und der Aufnahme in die Vorauswahlliste sowie die Rechtsmittelbefugnisse gegen diese gerichtlichen Entscheidungen geklärt. Der Richter wird bei seinen Entscheidungen nicht in Ausübung rechtsprechender Gewalt tätig, weil er _____________ 10) § 313 ist zusammen mit den weiteren Regelungen für das vereinfachte Verfahren durch das Gesetz zur Verkürzung des Rechtschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, aufgehoben worden. Infolgedessen werden die Aufgaben künftig durch einen Insolvenzverwalter wahrgenommen. 11) Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 8. 12) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355. 13) BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1493/05, ZIP 2006, 1956; BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1469/05, ZIP 2006, 1954; BVerfG, Beschl. v. 19.7.2006 – 1 BvR 1351/06, ZIP 2006, 1541; BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722. 14) A. A. Siemon, ZInsO 2012, 364, 367, der in § 56 keine Ermessensvorschrift sieht, ebenso Preuß, ZIP 2011, 933, 934, die meint, dem Richter stehe bei der Auswahl des Insolvenzverwalters ein Beurteilungsspielraum, aber kein Ermessen zu, beide Autoren setzen sich allerdings insoweit nicht mit der Rspr. des BVerfG auseinander. 15) Preuß, ZIP 2011, 933, 941.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
nicht einen Rechtsstreit entscheidet, sondern ein Rechtsverhältnis gestaltet.16) Gegen die konkrete Auswahlentscheidung ist kein Rechtsmittel möglich. Der nicht ernannte Konkurrent kann aber nachträglich i. R. einer Feststellungsklage klären lassen, ob sein durch Art. 3 GG geschütztes Interesse an einer fairen Chance bei der Auswahl zum Verwalter vom Insolvenzrichter ermessensfehlerfrei berücksichtigt wurde. Ist das nicht der Fall, steht ihm auch die Möglichkeit der Amtshaftungsklage offen. Dagegen steht dem Bewerber um das Verwalteramt bei Ablehnung der Aufnahme in die bei den Insolvenzgerichten geführten Vorauswahllisten der Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG offen. Nicht geklärt hat das Bundesverfassungsgericht dagegen, welche konkreten Anforderungen für die Aufnahme in die Vorauswahlliste und für die Auswahl im Einzelfall maßgebend sind. Diese Aufgabe hat das Bundesverfassungsgericht vielmehr dem einzelnen Insolvenzrichter überantwortet.17)
6
III. Änderungsbedarf aufgrund der Dienstleistungsrichtlinie
Das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene System der Vorauswahlliste bei der richterlichen Auswahlentscheidung des Insolvenzverwalters steht mit den materiellen Vorgaben der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (DienstleistungsRL) nicht im Einklang.18) Soweit in verfahrensrechtlicher Hinsicht (Entscheidungsfristen, Verfahrensabwicklung über eine einheitliche Stelle) Anpassungsbedarf bestand, wurde mit dem Gesetz zur Umsetzung der DienstleistungsRL in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften19) in Art. 102a EGInsO eine Übergangsregelung für Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug geschaffen.20) Nach dieser Vorschrift können Angehörige eines anderen EU-Mitgliedstaats oder der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie Personen, die sich in einem dieser Staaten niedergelassen haben, über die nach Landesrecht zuständige einheitliche Stelle gemäß §§ 71a ff VwVfG die Aufnahme in eine Vorauswahlliste beantragen. Die Entscheidung über die Aufnahme hat innerhalb einer Frist von drei Monaten, die gemäß § 42a Abs. 2 bis 4 VwVfG in besonders gelagerten Ausnahmefällen verlängert werden kann, zu erfolgen.21)
7
Zwar betrifft die Richtlinie nur grenzüberschreitende Dienstleistungen. Sie ist aber auch für Regelungen rein nationaler Sachverhalte von Bedeutung, denn es ist verfassungsrechtlich bedenklich und in der Insolvenzpraxis nicht hinnehmbar, inländische Insolvenzverwalter gegenüber den in Deutschland niedergelassenen
8
_____________ 16) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355. 17) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722. 18) Ausführl.: Graf-Schlicker in: Kölner Schrift, S. 235; a. A. Preuß, ZIP 2011, 933, 937; wohl auch Vallender ZIP 2011, 454, 458, allerdings ohne Differenzierung zwischen den materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Regelungen der DienstleistungsRL. 19) Das Gesetz v. 22.12.2010 ist am 28.12.2010 in Kraft getreten, BGBl. I 2010, 2248, 2254. 20) BT-Drucks. 17/3356, S. 15. 21) BT-Drucks. 17/3356, S. 15, 13, 14. S. dazu auch Vallender, ZIP 2011, 454.
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ausländischen Insolvenzverwaltern dadurch zu benachteiligen, dass richtlinienwidrige Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit nur für sie gelten.22) 9
Die DienstleistungsRL findet auf alle Dienstleistungen Anwendung, die nicht ausdrücklich von der Richtlinie ausgenommen sind.23) Dienstleistung ist jede selbständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird (Art. 4 Nr. 1 DienstleistungsRL); als solche gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten.24) Im Bereich des Insolvenzrechts wird die DienstleistungsRL nicht von der europäischen Insolvenzverordnung als speziellerer Regelung verdrängt.25) Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters ist auch nicht gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. i von der Anwendung der DienstleistungsRL ausgenommen. Nach dieser Vorschrift fallen Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, nicht unter die Richtlinie. Dazu zählt jedoch nicht das Amt des Insolvenzverwalters.26)
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Nach gefestigter Rechtsprechung übt der Insolvenzverwalter kein öffentliches Amt aus,27) vielmehr wird er kraft eines ihm übertragenen privaten Amtes tätig.28) Der Insolvenzverwalter kann auch nicht mit der Begründung, er stehe unter der Rechtsaufsicht des Gerichts, als Teil der Funktionseinheit Gericht/Verwalter29) partizipiere er an der Hoheitlichkeit des Insolvenzgerichts und handle damit selbst hoheitlich, vom Anwendungsbereich der DienstleistungsRL ausgeschlossen werden. Denn der Insolvenzverwalter übt die ihm vom Gericht eingeräumten Befugnisse nicht in Form öffentlich-rechtlicher Rechtsakte aus, sondern bedient sich bei der Wahrnehmung seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis allgemeiner privatrechtlicher Formen, die speziell auf seine Aufgaben zugeschnitten sind. Mit hoheitlichen Befugnissen ist er gerade nicht ausgestattet, wie die §§ 99 und 148 InsO verdeutlichen. Die Postsperre (§ 99 InsO) wird vom Gericht angeordnet, die zur Insolvenzmasse gehörenden Sachen darf der Insolvenzverwalter dem Schuldner zwangsweise nur mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers entziehen (§ 148 Abs. 2).
_____________ 22) Graf-Schlicker in: Kölner Schrift, S. 235; Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097; Uhlenbruck/ Vallender, NZI 2009, 1, 12. 23) Handbuch zur Umsetzung der DienstleistungsRL 2.1, 10; Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgrund 13. 24) Vgl. Art. 50 EG-Vertrag. 25) So aber Smid, ZInsO 2009, 113, der jedoch verkennt, dass der Gesetzgeber der EuInsVO künftige Regelungen, die unter Umständen Auswirkungen auf das Insolvenzrecht zeigen, nicht ausschließen wollte. 26) BT-Drucks. 17/3356, S. 15; Graf-Schlicker in: Kölner Schrift, S. 235; Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097. 27) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; BT-Drucks. 17/3356, S. 15. 28) BGH, Urt. v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, ZIP 1987, 650, dazu EWiR 1987, 609 (Baur); BGH, Urt. v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, ZIP 1993, 208, dazu EWiR 1993, 427 (Schott). 29) Slopek, ZInsO 2008, 1243, 1247 unter Berufung auf Preuß, Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger, S. 333 ff; ebenso im Ergebnis Frind; ZInsO 2008, 1248; A. SchmidtFrind, InsO, § 56 Rz. 1c.
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Wesentliche Konsequenz aus der Anwendung der DienstleistungsRL30) ist, dass sich auch nach deren verfahrensrechtlicher Umsetzung durch Art. 102a EGInsO für grenzüberschreitende Sachverhalte weitere Regelungen zu den materiellen Vorgaben nicht erübrigen.31) Es bedarf – bei der Erstauswahl des Insolvenzverwalters durch das Gericht – eines Auswahlverfahrens, welches auf klaren, unzweideutigen, objektiven, im Voraus bekannt gemachten, transparenten und zugänglichen Kriterien beruhen muss. Die uneinheitlichen Auswahlkriterien der einzelnen Gerichte, die oftmals nicht veröffentlicht sind, dürften sich weder mit dem Transparenzgebot (Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. d – g DienstleistungsRL) noch dem Diskriminierungsverbot (Art. 9 Abs. 1 DienstleistungsRL) vereinbaren lassen. Genehmigungsvoraussetzungen dürfen nicht mehrfach von verschiedenen Stellen geprüft werden, die Zulassung zum Insolvenzverwalterberuf muss grundsätzlich bundesweit gelten. Territoriale Beschränkungen, Kontingentierungen und Befristungen der Zulassung sind nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses möglich. Eine Beschränkung des Insolvenzverwalteramtes auf natürliche Personen ist nur gerechtfertigt, soweit zwingende Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern.32)
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IV. Auswahl des Insolvenzverwalters 1.
Vorauswahl
Bis zu einer gesetzlichen Regelung der (Vor-)auswahl des Insolvenzverwalters gelten für die Erstauswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters durch den hoheitlich tätigen Richter, nicht jedoch für den einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters, die vom Bundesverfassungsgericht dafür aufgestellten Anforderungen. Das Vorauswahlverfahren soll dem Richter für seine unter hohem Zeitdruck zu fällende Entscheidung über die Bestellung des Insolvenzverwalters eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage geben, damit er eine sachgerechte Auswahlentscheidung treffen kann.33) Daher ist ein transparentes Verfahren für die Aufnahme eines Bewerbers, der gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 eine natürliche Person sein muss,34) in die Vorauswahlliste notwendig, das dem Richter alle für seine Entscheidung notwendigen Informationen verschafft.35)
_____________ 30) Eine Anwendung der DienstleistungsRL verneinen: Frind, ZInsO 2008, 1247, 1248; Frind, ZInsO 2009, 1997, 1999; Frind, ZInsO 2010, 1678, 1681; Slopek, ZInsO 2008, 1243, 1245 ff; Marotzke, ZInsO 2009, 1929, 1931. 31) So aber Preuß, ZIP 2011, 933, 941; Vallender, ZIP 2011, 454, 458. 32) Vgl. dazu näher Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097, 2101. Solche zwingenden Gründe hat der BGH, Beschl. 19.9.2013 – IX AR (VZ) 1/12, ZIP 2013, 2070, gesehen. Er hat betont, dass mit Rücksicht auf die nationale Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts hinreichende Gründe gegeben seien, eine Ungleichbehandlung von inländischen Gesellschaften im Vergleich zu juristischen Personen aus dem Bereich der EU zu rechtfertigen. 33) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355, 1359. 34) Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung BGH, Beschl. v. 19.9.2013 – IX AR (VZ) 1/ 12, ZIP 2013, 2070, dazu EWiR 2014, 23, (Eckardt); Anm. zu dieser Entscheidung Frind, ZInsO 2013, 2151; Seele, ZVI 2013, 476; Römermann, GmbHR 2013, 1249. 35) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722.
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Die Aufnahmekriterien für die Vorauswahlliste sind durch den einzelnen Insolvenzrichter festzulegen oder zumindest als eigene von ihm zu akzeptieren.36) Zuständig ist nicht die Gerichtsverwaltung.37) Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wer bei gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Aufnahme in die Liste der richtige Klagegegner ist (vgl. dazu Rz. 39).
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Unzulässig sind geschlossene Listen,38) die die Zahl der aufgenommenen Bewerber begrenzen und nur bei Ausscheiden eines gelisteten Verwalters den Neuzugang erlauben.39) Vielmehr ist in die Auswahlliste jeder Bewerber einzutragen, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das erstrebte Amt erfüllt.40) Das vom Insolvenzrichter festzulegende Anforderungsprofil zur Aufnahme in die Vorauswahlliste hat sich an der Eignung des Bewerbers i. S. des § 56 für das Amt des Insolvenzverwalters zu orientieren.41) Der Insolvenzrichter darf sich bei dem Erstellen der Liste nicht darauf beschränken, lediglich Namen und Anschrift eines interessierten Bewerbers aufzunehmen. Vielmehr muss er diejenigen Daten des Erwerbers erheben, verifizieren und strukturieren,42) die nach seiner Einschätzung für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers im konkreten Fall maßgeblich sind und die ihm eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahl aus dem Kreis der geeigneten Bewerber ermöglichen.43) Jeder Bewerber muss eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner Eignung bei der konkreten Auswahl berücksichtigt zu werden.44) Die Gestaltung der Listen muss daher dem Umstand Rechnung tragen, dass nicht jeder generell für eine Verwaltertätigkeit geeignete Bewerber auch für jede Art von Verfahren geeignet ist.45) Es sollte zumindest zwischen Verbraucher- und Unternehmensinsolvenzen differenziert werden, weil in diesen Verfahren sehr unterschiedliche Anforderungen an den Insolvenzverwalter
_____________ 36) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722; BVerfG, Kammerbeschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649, 1651; Wieland, ZIP 2005, 233. 37) A. A. KG Berlin, Beschl. v. 11.1.2006 – 16 VA 5/05, ZIP 2006, 294, 295; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2006 – I-3 VA 9/06, ZIP 2006, 2137. 38) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355, 1360; Graf-Schlicker, ZIP 2002, 1166, 1167, 1168 – zum Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“. 39) Zur Problematik der geschlossenen Liste im Hinblick auf die Abwicklungsqualität der Insolvenzverfahren, vgl. A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 10, 11. 40) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355, 1360; BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722. 41) Frind, ZInsO 2006, 841; Frind/Schmidt, NZI 2004, 533, 536; Graf-Schlicker in: FS Greiner, S. 71, 74; Preuß, KTS 2005, 155, 160; Wieland, ZIP 2005, 233, 237. Liegt die Eignung vor, ist auch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG in den Blick zu nehmen, vgl. dazu AG Frankfurt/ O., Beschl. v. 22.10.2013 – 3 IN 385/13, NJW-RR 2014, 164. 42) Vgl. zur Aktenführung: Vallender, NZI 2005, 473, 475; Messner, DZWIR 2006, 32; Frind ZInsO 2008, 655; Frind, ZInsO 2006, 1183; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 7. 43) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355, 1359. 44) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649. 45) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722.
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gestellt werden.46) Mit Blick auf die zunehmenden grenzüberschreitenden Probleme in einem Insolvenzverfahren ist es auch sinnvoll, in der Vorauswahlliste zusätzlich die Fähigkeiten (auch die Sprachkompetenz) für die Übernahme solcher Verfahren zu vermerken. Der Insolvenzrichter hat seine Auswahlkriterien transparent zu machen.47) Erfüllt der Bewerber das vom Insolvenzrichter anhand von sachgerechten Kriterien aufgestellte Anforderungsprofil für eine Insolvenzverwaltertätigkeit – dieser Entscheidung ist ein prognostisches Element immanent48) –, ist er in die Auswahlliste aufzunehmen.49)
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a) Kriterien für die Vorauswahl
Die Frage, welche Kriterien für die Aufnahme in die Liste50) maßgebend sind, wird nicht einheitlich beantwortet, weil sie den einzelnen Insolvenzrichtern überlassen bleibt.51) Von verschiedenen Berufsverbänden52) und der UhlenbruckKommission53) sind Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers aufgestellt worden, die den Fachgerichten als Orientierungshilfe dienen können. Folgende Kriterien werden – auch zur Ausfüllung des in § 56 genannten Begriffs der geschäftskundigen, natürlichen Person54) – in der Praxis herangezogen:55) _____________ 46) Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 158; a. A. Empfehlungen der „Uhlenbruck-Kommission“ zur Vorauswahl und Bestellung von InsolvenzverwalterInnen sowie Transparenz, Aufsicht und Kontrolle im Insolvenzverfahren, ZIP 2007, 1432; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 7f; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.8.2011 – 2 VA 9/11, ZVI 2011, 409. 47) BVerfG, Kammerbeschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649, 1651. 48) BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR (VZ) 6/07, ZIP 2008, 515, dazu EWiR 2008, 371 (Hess). 49) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722. 50) Vgl. dazu die Übersicht bei Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 99. 51) Vgl. die von acht baden-württembergischen Insolvenzgerichten aufgestellten „Heidelberger Leitlinien” zur Qualitätssicherung, NZI 2009, 593; Formblatt des BAKinso e. V.: „Erfolgsprüfung der Insolvenzverwaltung” für Insolvenzrichter und Insolvenzrechtspfleger“, NZI 2009, 595. 52) „Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter“ i. d. F. v. 3.5.2013 sowie „Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung“ (GOI) i. d. F. v. 3.5.2013 des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V, abrufbar unter: www.vid.de. 53) Die Kommission, die unter dem Vorsitz von Prof. Uhlenbruck tagte und am 7.7.2007 ihre Ergebnisse vorgelegt hat, bestand aus Vertretern der Berufsverbände der Insolvenzverwalter (DAV, VID und Gravenbrucher Kreis), Insolvenzrichtern und Rechtspflegern, des Deutschen Richterbundes, des Bundes Deutscher Rechtspfleger, der Gewerkschaft, des Bundesverbandes Deutscher Banken, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, der Kreditversicherer sowie des Pensions-Sicherungs-Verein a. G., vgl. dazu näher NZI Heft 8/2006, IX; Klaas, AnwBl. 2006, 404; INDat-Report 6/06, 15; Uhlenbruck, NZI 2006, 489; Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157. Die Ergebnisse der Kommission sind abgedr. in: ZIP 2007, 1432. 54) A. A. Römermann, ZInsO 2004, 937, 939, der entgegen dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers – Begr. RA z. RegE § 65/§ 56 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 161, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 226 – auch juristische Personen als Insolvenzverwalter für zulässig hält. 55) S. dazu auch Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097; Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 489; Lüke, ZIP 2007, 701; Uhlenbruck, NZI 2006, 489; Frind, ZInsO 2006, 841; Graeber, NZI 2004, 546.
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aa) Fachliche Qualifikation des Bewerbers 17
Der Bewerber muss über fundierte Kenntnisse des Insolvenzrechts, und – je nach Verfahrenskategorie,56) für die eine Bewerbung vorliegt – auch über Kenntnisse des Handels- und Gesellschaftsrechts, des Vertrags- und Prozessrechts, des Arbeitsund Sozialrechts, des Steuerrechts, sowie der Betriebswirtschaftslehre einschließlich Rechnungswesen und Controlling verfügen.57) Für die Abwicklung von Insolvenzverfahren mit Auslandsbezug sind Sprachkenntnisse und spezielle Kenntnisse des ausländischen Rechts notwendig.58) Die praktische Erfahrung bei der Abwicklung von Insolvenzverfahren – nicht zwingend als eigenständiger Verwalter, sondern als Mitarbeiter in einer Verwalterkanzlei – ist ebenfalls Maßstab für die fachliche Eignung.59) Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 3.8.200460) betont, dass der Bevorzugung bekannter und bewährter Berufsträger entgegenzuwirken sei, jedoch hat es in späteren Entscheidungen61) klargestellt, dass das Recht aus Art. 3 GG auf chancengleichen Zugang nicht verletzt sei, wenn für die Aufnahme in die Liste neben ausreichendem theoretischem Wissen praktische Erfahrungen gefordert werden. Auch der selbständig Tätige könne im Wege der Kooperation mit einem anderen Insolvenzverwalter die nötige Erfahrung sammeln.
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Die fachliche Eignung kann der Insolvenzrichter z. B. anhand von Unterlagen über die berufliche Aus- und Fortbildung sowie ggf. Veröffentlichungen und Vortragstätigkeiten nachprüfen. Als Nachweis der Qualifikation kann auch der Erwerb des „Fachanwalts für Insolvenzrecht“ mit herangezogen werden, der sowohl theoretische Kenntnisse als auch besondere praktische Erfahrungen voraussetzt und die Verpflichtung zur Fortbildung beinhaltet.62) Der Insolvenzrichter kann darüber hinaus ein persönliches Gespräch mit dem Bewerber führen, um sein Bild von den Kenntnissen des Bewerbers abzurunden.63) Nicht zulässig ist es jedoch, den Bewerber einer examensgleichen Prüfung zu unterziehen oder gar die Entscheidung über die Aufnahme in die Vorauswahlliste von zwei juristischen Prädikatsexamen abhängig zu machen. Bei der Vorauswahl für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters geht es nicht darum, die allgemeinen juristischen Kenntnisse zum Zeitpunkt der Examina zu bewerten, sondern festzustellen, ob der Bewerber über _____________ 56) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722 Rz. 13 ff sowie BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649, 1652. 57) A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 13. 58) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 15. 59) OLG Hamburg, Beschl. v. 21.9.2009 – 2 VA 4/09, ZVI 2009, 487; OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.9.2006 – 4 VA 276/06, ZIP 2007, 80; OLG Köln, Beschl. v. 27.9.2006 – 7 VA 9/05, ZIP 2007, 342, dazu EWiR 2007, 377 (Berg-Grünenwald); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.8.2008 – I-3 VA 4/07, ZIP 2008, 2129; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 56 Rz. 53. 60) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649, 1653. 61) BVerfG, Beschl. v. 19.7.2006 – 1 BvR 1351/06, ZIP 2006, 1541; BVerfG, Beschl. v. 27.11.2008 – 1 BvR 2032/08, ZIP 2009, 975. 62) S. § 2 der Fachanwaltsordnung i. d. F. v. 1.1.2011; OLG München, Beschl. v. 7.12.2004 – 9 VA 4/04, 9 VA 5/04, 9 VA 6/04, ZIP 2005, 670. 63) Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 56 InsO Rz. 13.
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die speziellen Kenntnisse für die Ausübung des Insolvenzverwalteramtes verfügt.64) Unzulässig ist es auch, die Eignung des Bewerbers mit dem Hinweis zu verneinen, er vertrete bei einer insolvenzrechtlichen Problematik eine von der h. M. abweichende Ansicht.65) bb) Persönliche Fähigkeiten und Eignung
Neben den fachlichen Kenntnissen werden vom Bewerber auch Führungsqualitäten, Verhandlungsgeschick,66) Zeitmanagement, Teamfähigkeit und Konfliktmanagement67) sowie die Bereitschaft zur Kooperation mit dem Insolvenzgericht68) verlangt.
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Darüber hinaus ist es notwendig, dass der Bewerber in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und dass sich auch bei einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister gemäß § 42 BZRG keine Eintragungen zeigen, die Zweifel an seiner wirtschaftlichen oder persönlichen Integrität aufkommen lassen.69)
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Negative Erkenntnisse aus bereits erbrachten Tätigkeiten des Bewerbers in Insolvenzverfahren des entscheidenden Richters dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie konkret belegbar sowie nachprüfbar sind und einzeln oder in der Gesamtschau auf eine generell fehlende Eignung des Antragstellers zur Verwaltung von Insolvenzen führen.70) Eine Heranziehung von personenbezogenen Daten aus anderen Verfahren ist dagegen nur i. R. der §§ 12 ff EGGVG zulässig.71)
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Eine Altersgrenze (z. B. 62 oder 65 Jahre) für die Aufnahme in die Vorauswahlliste kann der Insolvenzrichter nicht festsetzen. Wegen des damit verbundenen grundrechtlichen Eingriffs in die Berufswahlfreiheit ist eine solche Beschränkung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten.72)
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_____________ 64) OLG Hamburg, Beschl. v. 8.10.2008 – 2 VA 4/07, ZIP 2008, 2228, dazu EWiR 2009, 187 (Brenner); Lüke, ZIP 2007, 701, 706; Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 56 InsO Rz. 13; a. A. A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 13, 21, der die Examensnoten zumindest zur Abrundung des Eindrucks in einem persönlichen Gespräch heranziehen will. 65) KG Berlin, Beschl. v. 11.1.2006 – 16 VA 5/05, ZIP 2006, 294, 295. 66) Stapper, NJW 1999, 3441, 3443. 67) Degenhart/Borchers, ZInsO 2001, 337; Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 56 InsO Rz. 14. 68) A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 22; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 12. 69) Vgl. auch BGH, Beschl. v. 31.1.2008 – III ZR 161/07, ZIP 2008, 466; Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56 Rz. 17; a. A. OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.8.2009 – 11 VA 1/09, ZIP 2009, 1870 f, das selbst Beihilfe zu einem Betrug nicht als Hindernis sieht; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.5.2007 – 4 U 204/06, ZIP 2007, 1822; abl. dazu Brenner, ZIP 2007, 1826. 70) AG Mannheim, Beschl. v. 7.12.2009 – AR 52/09, NZI 2010, 107 – bei wiederholten Verstößen gegen elementare Verwalterpflichten; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.2.2008 – 20 VA 5/06, ZIP 2008, 1835; vgl. auch OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2006 – 12 VA 3/06, ZIP 2007, 831. 71) Vgl. dazu BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR (VZ) 6/07, ZIP 2008, 515. 72) OLG Hamburg, Beschl. v. 6.1.2012 – 2 VA 15/11, ZIP 2012, 336; Kübler/Prütting/BorkLüke, InsO, § 56 Rz. 34; OLG Hamm, Beschl. v. 2.8.2007 – 27 VA 1/07, ZIP 2007, 1722, dazu EWiR 2008, 27 (Römermann); KG Berlin, Beschl. v. 14.1.2008 – 1 VA 8/07, ZIP 2008, 284; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 13, will individuell darauf abstellen, ob das Alter ein Hindernis für die konkrete Verfahrensabwicklung ist.
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cc) Vertrauen 23
Das Merkmal „Vertrauen“ eignet sich als Kriterium für die Vorauswahl nur sehr bedingt.73) Es darf nur eine Rolle spielen, wenn es sich an objektiven Kriterien, z. B. dem Fehlen von fachlichen oder persönlichen Fähigkeiten, festmachen lässt.74) dd) Persönliche Bearbeitung
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Die persönliche Aufgabenerledigung aller Aufgaben durch den Insolvenzverwalter kann nicht gefordert werden und ist daher kein geeignetes Kriterium für die Vorauswahl. Der Insolvenzverwalter hat i. R. der Abwicklung eines Insolvenzverfahrens häufig umfangreiche Aufgaben75) zu erledigen, die eine Person kaum allein bewältigen kann. Nicht zulässig ist aber die volle oder überwiegende Delegation der Aufgaben auf Mitarbeiter (sogen. Grauverwaltung)76). Eine genaue Abgrenzung von delegierbaren und höchstpersönlichen Aufgaben ist nicht generell möglich, sie hat sich nach den Umständen des Einzelfalls zu richten, insbesondere nach dem Umfang der einzelnen Verfahren.77)
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Nicht delegationsfähig sind in der Regel die Kernaufgaben des Insolvenzverfahrens.78) Dazu gehören:79)
–
die letztverantwortliche Fassung der Berichte an das Gericht,80)
–
im Hinblick auf Art. 10 GG die Durchsicht der von der Postsperre erfassten Schriftstücke,
–
die Erfüllungswahl bei nicht erfüllten Verträgen (§§ 103 ff),
–
die Geltendmachung von Insolvenzanfechtungsansprüchen (§§ 129 ff),
–
die Aufnahme unterbrochener Prozesse (§§ 85, 86),
–
die Freigabe von Gegenständen aus dem Insolvenzbeschlag,
_____________ 73) So wohl auch A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 22. 74) So auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.1.2011 – I-3 VA 2/10, ZIP 2011, 341, das den positiven Nachweis der Vertrauenswürdigkeit, z. B. durch Leumunds- oder sonstige Atteste ablehnt; Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 56 InsO Rz. 14; weiter einschränkend Wieland, ZIP 2005, 233, 237. 75) Vgl. dazu die Aufstellung in Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 56 InsO Rz. 31. 76) Dazu A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 16c. 77) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722; BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, ZIP 1991, 324, dazu EWiR 1991, 275 (Gottwald). 78) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 29; Runkel/Wältermann, ZIP 2005, 1347; Vallender, NZI 2005, 473; Graeber, NZI 2003, 569. Vgl. dazu auch Ziff. II. 1 der „Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung“ (GOI) des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (Stand: 3.5.2013), abrufbar unter: www.vid.de, wonach folgende Tätigkeiten regelmäßig höchstpersönlich ausgeführt werden sollen: Grundlegende verfahrensleitende Entscheidungen, Terminwahrnehmungen beim Insolvenzgericht, Teilnahme an Gläubigerausschusssitzungen, Informationserteilung zumindest in der ersten Betriebsversammlung, grundlegende Verhandlungen mit Übernahmeinteressenten, interne und externe Verfahrensleitung. 79) Vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 19.9.2013 – IX AR (VZ) 1/12, ZIP 2013, 2070, dazu EWiR 2014, 23, (Eckardt). 80) Graeber, NZI 2003, 569, 574; Hofmann, ZIP 2006, 1080, 1083; a. A. Frind, ZInsO 2006, 841, 843.
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–
die Entscheidung über die Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern,
–
die Entscheidung über die Art der Verwertung der Masse,
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die Schlussrechnungsregelung,
–
die Erstellung des Insolvenzplans, sofern ein Auftrag der Gläubigerversammlung vorliegt.
Der Insolvenzverwalter kann sich jedoch bei diesen Kernaufgaben zuarbeiten lassen, z. B. Mitarbeiter oder spezialisierte Personen beauftragen, die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen zur Vorbereitung einer Entscheidung zu prüfen. Auch die Betriebsfortführung als solche kann er an Personen delegieren, nicht jedoch die in diesem Rahmen zu treffenden grundlegenden Entscheidungen. Gläubigerversammlungen, also z. B. den Berichts- und Prüfungstermin, hat er persönlich wahrzunehmen, es sei denn, es ist nicht zu erwarten ist, dass Erörterungsbedarf besteht.81)
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Die schwierige Differenzierung zwischen delegationsfähigen und höchstpersönlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters im Einzelfall zeigt, dass sich dieser Gesichtspunkt als Aufnahmekriterium für die Vorauswahlliste allenfalls eignet, wenn konkrete Kriterien von dem Insolvenzrichter benannt werden, für welche Aufgaben und in welchen Fallkonstellationen eine persönliche Tätigkeit gefordert wird.82)
27
ee) Unabhängigkeit im weiteren Sinne
Die Frage der Unabhängigkeit stellt sich in erster Linie bei der konkreten Auswahl für das Verfahren. Sie kann aber auch bereits bei der Vorauswahl von Bedeutung sein. Ist der Bewerber für sehr häufig am Insolvenzverfahren Beteiligte, z. B. Banken, Kreditversicherer und Sozialversicherungsträger tätig, so ist er nicht unabhängig.83) Das Bundesverfassungsgericht84) hat es außerdem nicht für sachfremd gehalten, wenn ein Insolvenzgericht die generelle Eignung des Insolvenzverwalters mit der Begründung verneint, der Bewerber habe sich in einem früheren Verfahren so verhalten, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung des Verfahrens durch seine eigenen wirtschaftlichen Interessen bestanden habe und seine Unabhängigkeit von den Interessen der Verfahrensbeteiligten fraglich gewesen sei.
28
ff) Funktionsfähige Büroorganisation
Der Bewerber muss über eine Büroorganisation verfügen, die es ermöglicht, einen Betrieb fortzuführen. Erforderlich ist, dass eine Fülle von Daten und Informationen über Arbeitnehmer, Debitoren und Kreditoren sowie über Auf_____________ 81) Ebenso Hofmann, ZIP 2006, 1080; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 25; JaegerGerhardt, InsO, § 56 Rz. 90; a. A. A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 16a, der die Teilnahme an Gläubigerversammlungen für nicht delegierbar hält. 82) So im Ergebnis auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.8.2010 – I-3 VA 1/09, ZIP 2010, 1705, das zur Vermeidung willkürlicher Behandlung der Bewerberrechte von den Fachgerichten fordert, einen überprüfbaren Rahmen abzustecken. 83) Vallender, NZI 2005, 473, 476; a. A. Braun, ZInsO 2002, 964; Riggert, NZI 2002, 352. 84) BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1493/05, ZIP 2006, 1956.
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tragskalkulationen und Fortführungsprognosen zielgerichtet bearbeitet werden können. Dafür ist ein geschulter und ständig fortgebildeter Mitarbeiterstab notwendig. Das Büro muss darüber hinaus in der Lage sein, mit dem Gericht, z. B. bei der Tabelle, elektronisch zu kommunizieren. Ist der Verwalter z. B. nach ISO 9001 zertifiziert, so kann dies als Qualitätsnachweis für die Führung seines Büros angesehen werden.85) gg) Ortsnähe 30
In der Rechtsprechung86) und Literatur87) ist umstritten, ob die Ortsnähe des Insolvenzverwalters oder seines Büros ein zulässiges Kriterium für die Vorauswahlliste ist. Streitig ist außerdem, wie der Begriff Ortsnähe definiert werden soll, als Büro innerhalb des Gerichtsbezirks, Entfernung zum Gerichtsort und/oder als persönliche Anwesenheit in einem gerichtsnahen Büro.88) Als Begründung für dieses Kriterium wird häufig die Notwendigkeit der jederzeitigen Erreichbarkeit, der „kurze Draht“ zu den Insolvenzbeteiligten und die Ortskenntnis genannt. Die pauschale persönliche Anwesenheit des Insolvenzverwalters in einem Büro an mindestens zwei Tagen der Woche unabhängig von den aktuell zu bearbeitenden Verfahren in einer Entfernung von 100 km zum Insolvenzgericht hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen.89)
31
Das Kriterium der Ortsnähe eignet sich nicht als Voraussetzung für die Aufnahme in die Vorauswahlliste, weil es sich nicht um ein generelles, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens losgelöstes Anforderungsmerkmal handelt. Das _____________ 85) Runkel/Wältermann, ZIP 2005, 1347, 1350; Frind/Schmidt, NZI 2004, 533, 534; Förster, ZInsO 2004, 1244. 86) Befürwortend: BVerfG, Kammerbeschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649, 1653; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.1.2011 – I-3 VA 2/10, ZIP 2011, 341, mit der Einschränkung, dass sie generell und nicht lediglich in bestimmten Situationen vorliegen muss; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.2.2005 – 12 VA 3/04, ZIP 2005, 1467; OLG München, Beschl. v. 7.12.2004 – 9 VA 4/04, 9 VA 5/04, 9 VA 6/04, ZIP 2005, 670; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.5.2005 – 12 VA 1/04, ZIP 2005, 1283. Abl.: KG Berlin, Beschl. v. 22.11.2010 – 1 VA 12/10, ZIP 2010, 2461 – bei anderthalb- bis zweistündiger Fahrzeit zum Gericht; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.8.2009 – 11 VA 5/07, NZI 2009, 723; LG Nürnberg, Beschl. v. 16.7.2008 – 4 VA 1036/08, ZIP 2008, 1490 ff; OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.12.2005 – 19 VA 4/05, ZIP 2006, 342. 87) Befürwortend: A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 14; Henssler, ZIP 2002, 1053, 1057; Frind/Schmidt, NZI 2004, 533, 534; Frind, ZInsO 2006, 841, 842; Köster, NZI 2004, 538, 540; Koenig/Hentschel, ZIP 2005, 1937, 1940; Pannen, NZI 2004, 548, 549 – Ausnahme für Spezialkenntnisse. Abl.: Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 54, 55; Eickmann in: HK-InsO, § 56 Rz. 20; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 37, 38; Uhlenbruck/ Mönning, ZIP 2008, 157, 163; Lüke, ZIP 2007, 701, 708; Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56 Rz. 13; Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), § 3 Abs. 1e. 88) OLG München, Beschl. v. 7.12.2004 – 9 VA 4/04, 9 VA 5/04, 9 VA 6/04, ZIP 2005, 670; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.2.2005 – 12 VA 3/04, ZIP 2005, 1467; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – I-3 VA 8/08, ZVI 2009, 252: Ortsnähe des Verwalters ist grundsätzlich zulässiges Kriterium für die Vorauswahl; OLG Bamberg, Beschl. v. 3.12.2007 – VA 11/07, ZIP 2008, 82 – Umkreis LG-Bezirk 200 km und persönliche Anwesenheit an zwei Tagen der Woche; OLG Hamm, Beschl. v. 29.5.2008 – I-27 VA 7/07, ZIP 2008, 1189 – nicht eine in km zu bestimmende Entfernung, sondern Fahrtzeit von bis zu einer Stunde. 89) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722.
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§§ 56, 56a
Gericht kann Fragen an den Insolvenzverwalter – wie in der Praxis auch üblich90) – jederzeit mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel klären. In welchem Umfang die Anwesenheit eines Verwalters vor Ort notwendig ist, hängt entscheidend von den einzelnen Verfahren ab. Die Kenntnis der örtlichen Wirtschaftsverhältnisse kann im Einzelfall vorteilhaft sein, in anderen Fällen ist die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von den örtlichen Institutionen von Nutzen. Wichtig ist, dass der Insolvenzverwalter jederzeit erreichbar ist und für notwendige Gespräche vor Ort zur Verfügung steht. Auf welche Weise er dies in dem einzelnen Verfahren sicherstellt, muss ihm überlassen bleiben. Das Kriterium der Ortsnähe kann auch nach der RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (DienstleistungsRL)91) für die Vorauswahlliste nicht herangezogen werden. Territoriale Beschränkungen sind nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. a DienstleistungsRL nur zulässig, wenn sie nicht diskriminierend, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses92) gerechtfertigt sowie verhältnismäßig sind. Das kann nach dem zuvor Ausgeführten nicht festgestellt werden.
32
hh) Qualität der Verfahrensabwicklung
Die Realisierung der Ziele des Insolvenzverfahrens kann nur durch qualitativ hochwertige Arbeiten der Insolvenzverwalter erreicht werden.93) Um die Qualität und Transparenz der Verfahrensabwicklung sowie die ergebnisorientierte Erfolgsbilanzierung messen zu können, sind Zertifizierungs- und Ratingverfahren94) entwickelt worden. Sie sollen eine Einschätzung der Fähigkeiten und Leistungen unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeiten ermöglichen. Als Maßstab für die Qualitätsmessung werden die Höhe der Quoten, die Realisierung der offenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie die Erhöhung der Masse durch Anfechtungen zugrunde gelegt.95) Qualitätskriterien dürfen für die Vorauswahl eines Insolvenzverwalters nur dann zugrunde gelegt werden, wenn sie mit objektiv nachprüfbaren, wissenschaftlich anerkannten Methoden ermittelt wurden. Zertifizierungssysteme, die die Infrastruktur und Organisation eines Verwalterbüros sowie _____________ Vgl. dazu Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 164. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a DienstleistungsRL. Vgl. Art. 15 DienstleistungsRL Handbuch zur Umsetzung der DienstleistungsRL 6.3. A. A. Förster, ZInsO 2006, 865; Förster, ZInsO 2005, 632. Z. B. das Zertifizierungsverfahren nach „DIN EN ISO 9001 – 2008“ (ISO:9001), zu dem sich alle Mitglieder des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. verpflichtet haben, www.vid.de; Zertifizierungs- und Ratingsystem des Deutschen Institut für angewandtes Insolvenzrecht e. V. (DIAI), das die Abwicklungspraxis bei Unternehmensinsolvenzen der vergangenen fünf bzw. drei Jahre anhand bestimmter Kennzahlen überprüfen will, vgl. dazu. Köhler-Ma, DZWIR 2006, 28; Frind, ZInsO 2006, 841, 845; Förster, ZInsO 2005, 632; Graeber, ZInsO 2006, 851, 854; Haarmeyer, ZInsO 2005, 337; Haarmeyer, ZInsO 2007, 431; Haarmeyer, NZI 2007, 635; Haarmeyer/Schaprian, ZInsO 2006, 673; Schaprian, ZInsO 2007, 243; sehr krit. zu den Methoden des DIAI Hess, ZIP 2007, 1042; Bork, ZIP 2007, 793 als Erwiderung dazu Haarmeyer/Schaprian, ZIP 2007, 952 und als Replik Bork, ZIP 2007, 953. 95) Haarmeyer, ZInsO 2007, 431; Haarmeyer NZI 2007, 635; Carlic, ZInsO 2007, 534; Hess, ZIP 2007, 1042.
90) 91) 92) 93) 94)
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den anhand von Urkunden und Zertifikaten nachweisbaren Aus- und Fortbildungsstand seiner Mitarbeiter widerspiegeln, wie z. B. nach „DIN EN ISO 9001 – 2008“ (ISO:9001),96) können daher zur Grundlage der Entscheidung für die Aufnahme in die Vorauswahlliste gemacht werden. Ratingsysteme dagegen, die sich an den ausgeschütteten Quoten, der Anzahl der Forderungsbeitreibungen und Anfechtungsstreitigkeiten sowie den Betriebsfortführungen orientieren, sind als Maßstab zur Qualitätsmessung der Insolvenzverwaltung nicht geeignet, denn sie hängen nicht allein vom Insolvenzverwalter und seinem Team ab, sondern auch von zahlreichen anderen Umständen, die der Insolvenzverwalter nicht beeinflussen kann, z. B. der Masse, die er bei der Insolvenzantragstellung vorfindet sowie dem wirtschaftlichen Umfeld, in dem das Unternehmen tätig ist.97) Ob ein Verfahren optimal abgewickelt wurde, kann daher nur im Einzelfall durch umfangreiche Auswertung der Insolvenzverwalterakten und nachträgliche Beleuchtung des wirtschaftlichen Umfeldes festgestellt werden. Für solche Maßnahmen fehlen aber bereits die gesetzlichen Grundlagen.98) ii) Gerichtsspezifische Bedarfsquote 34
Eine Begrenzung der immer stärker anwachsenden Listen wegen des mangelnden Bedarfs weiterer Insolvenzverwalter i. R. der vom Insolvenzrichter aufzustellenden Vorauswahlliste ist nicht zulässig. Die Nichtaufnahme in die Liste mangels Bedarfs würde faktisch wieder zu einer „geschlossenen Liste“ führen, die den Bewerber in seinen Grundrechten aus Art. 12 und Art. 3 GG verletzt. Eine Bedarfsbegrenzung der Liste ist daher nur durch den Gesetzgeber möglich.99) jj) Belastungssituation des Insolvenzverwalters
35
Auch die Belastungssituation des Insolvenzverwalters ist kein sachgerechtes Kriterium für die Entscheidung über die Aufnahme in die Vorauswahlliste, weil über die Belastung des Insolvenzverwalters mit anderen Fällen nicht generell, losgelöst von der Typizität des Insolvenzverfahrens entschieden werden kann. Die Belastung
_____________ 96) Vgl. zu Zertifizierungssystemen Kurz, NZI 2007, 638; Bergner, NZI 2007, 642. 97) Im Ergebnis ebenso Hess, ZIP 2007, 1042; Uhlenbruck/Mönning, ZIP 2008, 157, 165 ff; a. A.: Carlic, ZInsO 2007, 534; Haarmeyer, ZInsO 2007, 431; Haarmeyer, NZI 2007, 635; Haarmeyer/Schaprian, ZInsO 2006, 673; Schaprian, ZInsO 2007, 243; Frind, NZI 2008, 518; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 15a ff m. w. umfangr. N.; Jürgens, ZInsO 2008, 888; Kück, ZInsO 2007, 637, die die Messung des Erfolges mit Hilfe einer Finanzierungsrechnung bzw. einem Statement of Cash Flow durchführen will. 98) Bork, ZIP 2007, 793 als Erwiderung dazu Haarmeyer/Schaprian, ZIP 2007, 952 und als Replik Bork, ZIP 2007, 953. 99) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.8.2008 – I-3 VA 4/07, ZIP 2008, 2129; Empfehlungen der „Uhlenbruck-Kommission“ zur Vorauswahl und Bestellung von InsolvenzverwalterInnen sowie Transparenz, Aufsicht und Kontrolle im Insolvenzverfahren, B. I. 4., ZIP 2007, 1432; Höfling, Rechtsgutachten für den VID, S. 18 ff; Höfling, JZ 2009, 339; Uhlenbruck/ Mönning, ZIP 2008, 157; Wieland, ZIP 2007, 462; Preuß, KTS 2005, 155, 168; Graeber, ZInsO 2006, 851, 855; a. A. Frind, ZInsO 2007, 515; Frind, ZInsO 2008, 655; Frind, ZInsO 2006, 841, 846; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 23.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
unterliegt einem ständigen Wandel. Sie kann auch nicht an Fallzahlen festgemacht werden, sondern nur am Umfang der zu bearbeitenden Verfahren.100) b) Entscheidung über die Vorauswahl/Rechtsmittel
Der Insolvenzrichter hat die Ablehnung der Bewerbung zu begründen101) und dem Bewerber den ablehnenden Bescheid zuzustellen oder schriftlich bekannt zu geben (§ 26 Abs. 1 EGGVG). Die Entscheidung ist keine Rechtsprechungstätigkeit, denn der Richter wird nicht in seiner Funktion als Instanz der unbeteiligten Streitbeilegung tätig, sondern gestaltet i. R. seiner richterlichen Unabhängigkeit ein Rechtsverhältnis.102)
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Gegen eine ablehnende Entscheidung ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG eröffnet.103) Die Nichtberücksichtigung des Bewerbers stellt eine Maßnahme einer Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts dar, für die kein anderer Rechtsweg eröffnet ist (vgl. § 23 EGGVG). Es handelt sich bei der Entscheidung um einen Justizverwaltungsakt sui generis.104)
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Das Verfahren wird durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung eingeleitet, der innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheides über die Ablehnung der Aufnahme in die Vorauswahlliste schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts oder eines Amtsgerichts zu stellen ist (§ 26 Abs. 1 EGGVG). Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 24 Abs. 1 EGGVG). Über den Antrag hat ein Zivilsenat desjenigen Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk das Insolvenzgericht seinen Sitz hat, zu entscheiden (§ 25 Abs. 1 EGGVG).
38
Die Frage, wer gemäß § 29 EGGVG richtiger Antragsgegner des Verfahrens ist – in Betracht gezogen werden der Insolvenzrichter,105) die Behördenleitung des Amts-
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_____________ 100) So im Ergebnis auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.8.2009 – 11 VA 6/08, ZIP 2009, 1917. 101) KG Berlin, Beschl. v. 11.1.2006 – 16 VA 5/05, ZIP 2006, 294; Kübler/Prütting/BorkLüke, InsO, § 56 Rz. 24; Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 100. 102) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649. 103) BGH, Beschl. v. 16.5.2007 – IV AR (VZ) 5/07, ZIP 2007, 1379; BGH Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR (VZ) 6/07, ZIP 2008, 515; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.8.2009 – 11 VA 6/08, ZIP 2009, 1917; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.8.2009 – 11 VA 1/09, ZIP 2009, 1870 f; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.5.2005 – 12 VA 1/04, ZIP 2005, 1283; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.2.2005 – 12 VA 3/04, ZIP 2005, 1467; OLG München, Beschl. v. 7.12.2004 – 9 VA 4/04, 9 VA 5/04, 9 VA 6/04, ZIP 2005, 670; i. E. ebenso OLG Hamburg, Beschl. v. 19.10.2005 – 2 VA 2/05, ZIP 2005, 2165, das aber §§ 23 EGGVG nur entsprechend anwenden will. 104) Ebenso A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 7a. 105) OLG Hamm, Beschl. v. 7.1.2013 – 27 VA 3/11, juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.8.2009 – 11 VA 6/08, ZIP 2009, 1917; OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.8.2009 – 11 VA 1/09, ZIP 2009, 1870 f; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.1.2011 – I-3 VA 2/10, ZIP 2011, 341; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.8.2010 – I-3 VA 1/09, ZIP 2010, 1705; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – I-3 VA 8/08, ZVI 2009, 252; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.7.2009 – I-3 VA 1/09, ZIP 2009, 2070; OLG Köln, Beschl. v. 27.9.2006 – 7 VA 9/05, ZIP 2007, 342; OLG Hamm, Beschl. v. 29.5.2008 – I-27 VA 7/07, ZIP 2008, 1189.
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
gerichts106) oder die zuständige Landesjustizverwaltung107) – wird kontrovers erörtert. Der Insolvenzrichter handelt bei seiner Entscheidung über die Aufnahme in die Liste „als Justizbehörde im funktionellen Sinne“.108) Im Verwaltungsprozess, aus dem die Justizverwaltungsakte ausgegliedert sind, kommt einzelnen Behörden nur dann die Fähigkeit zu, am Verfahren beteiligt zu sein, wenn ihre Beteiligtenfähigkeit ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist.109) Gemäß § 29 Abs. 3 EGGVG in der seit dem 1.9.2009 geltenden Fassung i. V. m. § 74 Abs. 4, § 8 Nr. 3 FamFG sind Behörden beteiligtenfähig.110) Der Antrag kann daher gegen den einzelnen Insolvenzrichter als Justizbehörde im funktionellen Sinne gerichtet werden. Daraus kann aber nicht der gegenteilige Schluss gezogen werden, der rechtsfähige übergeordnete Rechtsträger könne nicht Beteiligter sein. Vielmehr bleibt auch dieser in der Verantwortung. Danach kann auch die Behörde, der das beanstandete Justizverwaltungshandeln zuzurechnen ist, also die Behördenleitung des Amtsgerichts, bei dem der Insolvenzrichter tätig ist, sowie die jeweilige Landesjustizverwaltung Antragsgegner im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG sein.111) Dass die Entscheidung selbst über die Aufnahme in die Auswahlliste vom Insolvenzrichter in richterlicher Unabhängigkeit zu treffen ist, spricht nicht gegen diese Auffassung. Die Fragen, wer materiell die Entscheidung zu treffen hat und wer Antragsgegner in dem Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG ist, sind voneinander zu unterscheiden.112) 40
Richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG gegen den Insolvenzrichter, so kann diesem nicht ein Rechtsanwalt beigeordet werden. Eine solche Beiordnung ist nur für eine Partei i. R. der Prozesskostenhilfevorschriften möglich, die gemäß § 29 Abs. 4 EGGVG auch im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG Anwendung finden. Partei im Rechtssinne ist nur eine natürliche Person, der Insolvenzrichter wird jedoch funktional als Behörde tätig.113)
_____________ 106) So noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2006 – I-3 VA 5/06, 3 VA 9/06, ZIP 2006, 2137; ebenso KG Berlin, Beschl. v. 14.1.2008 – 1 VA 8/07, ZIP 2008, 284; anders unter Aufgabe der früheren Rspr. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.8.2008 – I-3 VA 4/07, ZIP 2008, 2129; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – I-3 VA 8/08, ZVI 2009, 252; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.7.2009 – I-3 VA 1/09, ZIP 2009, 2070. 107) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 17.12.2008 – 20 VA 10/08, ZInsO 2009, 242. 108) BGH, Beschl. v. 16.5.2007 – IV AR (VZ) 5/07, ZIP 2007, 1379; Wieland, ZIP 2007, 462. 109) BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR (VZ) 6/07, ZIP 2008, 515. 110) Nach der neuen bundesgesetzlichen Regelung zur Beteiligtenfähigkeit der Behörde kommt es auf die landesrechtlichen Vorschriften – wie noch unter der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung des § 29 Abs. 2 EGGVG (s. dazu BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR (VZ) 6/07, ZIP 2008, 515) nicht mehr an. 111) BGH, Beschl. v. 16.5.2007 – IV AR (VZ) 5/07, ZIP 2007, 1379; das OLG Hamburg, Beschl. v. 3.8.2011 – 2 VA 9/11, ZVI 2011, 409, sieht als Gegner jedenfalls die Justizverwaltung, also das Land, an. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit beteiligt es auch den zuständigen Abteilungsrichter. 112) So wohl auch BGH, Beschl. v. 16.5.2007 – IV AR (VZ) 5/07, ZIP 2007, 1379; vgl. auch zum Rechtsträgerprinzip bei der Anfechtung von Beschlüssen des Präsidiums eines Gerichts, die ebenfalls in richterlicher Unabhängigkeit gefasst werden, OVG Münster, Urt. v. 23.4.2008 – 1 A 1703/07, juris. 113) Im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.7.2009 – I-3 VA 1/09, ZIP 2009, 2070.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
Prüfungsmaßstab für das Rechtsmittelgericht ist, ob der Insolvenzrichter seiner Entscheidung über den Antrag des Bewerbers auf Aufnahme in die Vorauswahlliste sachgerechte Kriterien zugrunde gelegt hat.114) War die Ablehnung rechtswidrig, so kann das Oberlandesgericht in der Sache selbst entscheiden, wenn sie spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG). Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft, wenn das Oberlandesgericht sie zugelassen hat (§ 29 Abs. 1 EGGVG). Zuzulassen ist die Rechtsbeschwerde bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie bei dem Erfordernis der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 29 Abs. 2 Satz 1 EGGVG). An die Zulassung durch das Oberlandesgericht ist der Bundesgerichtshof gebunden (§ 29 Abs. 2 Satz 2 EGGVG).
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c) „Delisting“
Ein Insolvenzverwalter, der die sachgerechten Auswahlkriterien des Insolvenzrichters115) für die Aufnahme in die Liste nicht mehr erfüllt, ist von der Liste zu streichen (Delisting).116) Der Insolvenzrichter hat daher in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob die gelisteten Verwalter das Anforderungsprofil noch erfüllen.117) Ein Delisting mit der Begründung, nunmehr stünde ein besserer Verwalter zur Verfügung, ist nicht zulässig.118) Ebenso wenig ist es zulässig, einen Insolvenzverwalter wegen des Erreichens einer Altersgrenze aus der Vorauswahlliste zu entfernen. Eine Altersbegrenzung greift in das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein, sie ist daher nur durch den Gesetzgeber, nicht aber durch den Insolvenzrichter möglich.119) Das Anforderungsprofil für eine Aufnahme in die Liste muss transparent sein und deshalb generell geändert werden, wenn die Qualitätsanforderungen gesteigert werden sollen.
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Der Insolvenzverwalter ist über die Absicht, ihn von der Liste zu streichen, zu unterrichten, und es ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.
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Gegen den „Delisting-Bescheid“ ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG eröffnet, denn auch das Streichen von der Liste stellt eine Maßnahme einer Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts dar.120) Das Insolvenzgericht ist nicht befugt, den Bescheid über das Delisting eines Insolvenzverwalters unter Namensnennung des Insolvenzverwalters an andere Insolvenzrichter weiterzuleiten oder in Fachzeitschriften zu veröffent-
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_____________ 114) BGH, Beschl. v. 19.12.2007 – IV AR (VZ) 6/07, ZIP 2008, 515. 115) BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1493/05, ZIP 2006, 1956. 116) Vgl. dazu OLG Hamburg, Beschl. v. 19.10.2005 – 2 Va 2/05, ZIP 2005, 2165; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2006 – 12 VA 3/06, ZIP 2007, 831. 117) Frind, ZInsO 2006, 841, 845; a. A. Graeber, NZI 2006, 499, 501. 118) A. A. A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 25; zur Problematik auch Frind/Schmidt, NZI 2004, 533, 538. 119) OLG Hamburg, Beschl. v. 6.1.2012 – 2 VA 15/11, ZIP 2012, 336, dazu EWiR 2012, 145 (Römermann). 120) OLG Hamburg, Beschl. v. 6.1.2012 – 2 VA 15/11, ZIP 2012, 336; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 25.
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
lichen. Personenbezogene Daten dürfen nur nach den §§ 12 ff EGGVG weitergeleitet werden.121) Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, insbesondere kann eine Ermittlungsbefugnis nach § 13 Abs. 1 Nr. 5 EGGVG nicht bejaht werden, weil ein Streichen des Insolvenzverwalters aus der Vorauswahlliste nicht zum Verlust der Rechtsstellung aus einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis führt.122) Zum einen bekleidet der Insolvenzverwalter kein öffentliches Amt,123) vielmehr wird er kraft eines ihm übertragenen privaten Amtes tätig (siehe dazu Rz. 10).124) Zum anderen verleiht die Aufnahme in die Vorauswahlliste noch kein Amt, vielmehr eröffnet sie die Möglichkeit, von einem Richter mit der Wahrnehmung des Amtes des Insolvenzverwalters beauftragt zu werden. 45
Dagegen ist ein gesondertes Rechtsmittel gegen das sog. faktische Delisting nicht möglich.125) Darunter versteht man die Nichtberücksichtigung des Insolvenzverwalters bei der Bestellung im konkreten Verfahren, obwohl er in der Liste verzeichnet ist.126) Es geht somit nicht um die Vorauswahl und das „Listen“, sondern um die Auswahl im Einzelfall. Für eine Feststellungsklage mit dem Inhalt, die Nichtbestellung zum Verwalter ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit sei rechtswidrig gewesen,127) dürfte das Rechtsschutzinteresse schon mangels eines konkreten Rechtsziels fehlen.128) Grundsätzlich ist ein Rechtsschutzinteresse nur zu bejahen, solange der Rechtsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann; ferner, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dient, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen. Darüber hinaus wird ein Rechtsschutzinteresse trotz der Erledigung des ursprünglichen Rechtsziels in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe bejaht.129)
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Konkretes Ziel für den Insolvenzverwalter ist, in einem Insolvenzverfahren tatsächlich zum Verwalter bestellt zu werden. Für eine Feststellungsklage kann das Rechtsschutzinteresse eines nicht bestellten Insolvenzverwalters daher nur bejaht werden, wenn dieser geltend macht, aufgrund einer konkreten Bestellung in seinem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 3 GG verletzt worden zu sein. Gegen das faktische Delisting kann sich der Insolvenzverwalter daher hinreichend durch _____________ 121) Im Ergebnis ebenso Rundschreiben des Präsidenten des OLG Hamm v. 8.6.2010, ZInsO 2011, 31. 122) A. A. Frind, ZInsO 2011, 30, 33. 123) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; BT-Drucks. 17/3356, S. 15. 124) BGH, Urt. v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, ZIP 1987, 650; BGH, Urt. v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, ZIP 1993, 208. 125) A. A. OLG Hamm, Beschl. v. 7.1.2013 – 27 VA 3/11, juris. 126) A. A. Wieland, ZIP 2005, 233, 238. 127) So der Fall des OLG Koblenz, Beschl. v. 12.5.2005 – 12 VA 1/04, ZIP 2005, 1283. 128) A. A. Laws, ZInsO 2006, 847, 849. 129) BVerfG, Beschl. v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00, BVerfGE 104, 220; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1493/05, ZIP 2006, 1956; BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1469/05, ZIP 2006, 1954.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer konkreten Bestellentscheidung schützen. Das Feststellungsinteresse kann sich in diesem Fall auch aus dem diskriminierenden Charakter der angegriffenen Entscheidung ergeben.130) Mit einer solchen Feststellungsklage kann jedoch nicht die künftige Berücksichtigung bei der konkreten Auswahl zum Insolvenzverwalter erreicht werden, denn ein Rechtsanspruch auf gleichmäßige Bestellung lässt sich aus Art. 3 GG nicht herleiten.131) 2.
Auswahl für das konkrete Verfahren
Bei der Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters für das konkrete Verfahren sind mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Neuregelungen eingeführt worden, die den Gläubigern über den vorläufigen Gläubigerausschuss nach §§ 22a, 21 Abs. 2 Nr. 1a wichtige Mitspracherechte einräumen. Es ist deshalb wie folgt zu unterscheiden:
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a) … unter Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses nach § 56a aa) Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses
Ist nach §§ 22a, 21 Abs. 2 Nr. 1a ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt (siehe dazu die Kommentierung zu § 22a), hat das Insolvenzgericht diesem zunächst vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 56a Abs. 1) – einer entscheidenden Weichenstellung für das Insolvenzverfahren, weil der vorläufige Verwalter in der Regel auch der endgültige Verwalter ist – Gelegenheit zu geben, sich zu dessen Anforderungsprofil, das bei der Auswahl zugrunde gelegt werden soll, und zur Person des vorläufigen Insolvenzverwalters zu äußern. Die Anhörungspflicht besteht auch vor der Bestellung des Insolvenzverwalters für das eröffnete Verfahren. Das Gericht kann auf eine erneute Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses allerdings verzichten, wenn dieses Gremium bereits bei der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters beteiligt war und sich aus den gesamten Umständen seiner Stellungnahme ergibt, dass sein Votum sowohl für das Eröffnungs- als auch das eröffnete Verfahren gilt.132) Eine Verpflichtung zur Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses entfällt, wenn diese Maßnahme offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners führt. Die Ausnahmevorschrift regelt lediglich den Fall, dass trotz eines bereits eingesetzten vorläufigen Gläubigerausschusses wegen offensichtlicher Nachteile für die Masse nicht genügend Zeit für eine Beteiligung dieses Gremiums bleibt. Dagegen wird eine mit der Einsetzung des Ausschusses verbundene nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners bei den Vorschriften über die Bestellung des vorläufigen Gläubigerausschusses berücksichtigt (§§ 22a Abs. 3, 21 Abs. 2 Nr. 1a).
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Der vorläufige Gläubigerausschuss kann seine Beteiligung auf unterschiedliche Weise nutzen: Mit Kopfmehrheit (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 72) kann er ein Anforderungsprofil für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter vorschlagen und/oder konkrete Personen,
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_____________ 130) Vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355. 131) BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1469/05, ZIP 2006, 1954. 132) Vgl. BT-Drucks. 17/5712, S. 26.
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
die für das Verwalteramt im konkreten Fall in Betracht kommen.133) Einstimmig kann er eine bestimmte Person als (vorläufigen) Insolvenzverwalter vorschlagen oder auch mehrere aus seiner Sicht geeignete Personen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Äußerung besteht allerdings nicht. Das Anforderungsprofil des Verwalters hat sich an § 56 Abs. 1 Satz 1 auszurichten,134) zu berücksichtigen ist also insbesondere, welche fachlichen, persönlichen und organisatorischen Voraussetzungen beim (vorläufigen) Insolvenzverwalter vorliegen sollen. Für Vorschläge zur Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters sind die Eignungskriterien des § 56 Abs. 1 Satz 1 ebenfalls zu berücksichtigen. Unerheblich ist allerdings, ob diese Person in der Vorauswahlliste des Gerichts verzeichnet ist.135) bb) Beschlussfassung des vorläufigen Gläubigerausschusses 50
Der vorläufige Gläubigerausschuss hat sich – wie den §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 72 zu entnehmen ist – in Form eines Beschlusses zu äußern. Ein wirksamer Beschluss setzt zunächst voraus, dass die Formalien für eine rechtswirksame Willensbildung eingehalten wurden, also sämtliche Ausschussmitglieder unter Angabe der konkreten Beratungspunkte innerhalb einer zumutbaren Frist zu der Sitzung geladen wurden. Der Beschluss muss weiter mit der vorgeschriebenen Mehrheit gefasst worden sein. Dazu ist erforderlich, dass die Mehrheit der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses an den Beratungen teilnimmt und der Beschluss mit der Mehrheit der Stimmen der Teilnehmenden gefasst wird (§ 72). Die Ladung und das Zustandekommen des Beschlusses hat der vorläufige Gläubigerausschuss dem Insolvenzgericht gegenüber schriftlich zu dokumentieren, damit dieses überprüfen kann, ob der gefasste Beschluss rechtmäßig (§ 72) zustande gekommen ist. Eine Beschlussfassung ist auch im Umlaufverfahren möglich.136) cc) Berücksichtigung der Vorschläge seitens des Insolvenzgerichts
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An einen einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ist das Insolvenzgericht bei der Bestellung gebunden, es sei denn, diese Person ist für die Übernahme des Amtes in dem konkreten Verfahren137) ungeeignet. Eine Bindungswirkung für das Insolvenzgericht fehlt also – ebenso wie bei der Wahl eines anderen Insolvenzverwalters nach § 57 –, wenn die vorgeschlagene Person nicht über die notwendige fachliche und persönliche Eignung für die zu vergebende Aufgabe sowie eine ausreichende
_____________ So auch Frind, ZInsO 2011, 2249, 2257. BT-Drucks. 17/5712, S. 26. BT-Drucks. 17/5712, S. 26. Frind, ZInsO 2011, 2249, 2256; Obermüller, ZInsO 2012, 18, 24, der allerdings auch eine Telefonkonferenz für ausreichend erachtet, deren Ergebnis jedoch schriftlich zu dokumentieren ist. Hat ein Mitglied des vorläufigen Gläubigerausschusses bei einem Beschluss, der Einstimmigkeit erfordert, nicht mitgewirkt, ist nach Auffassung von Obermüller dem Insolvenzgericht darzulegen, dass diesem Mitglied in angemessener Weise Gelegenheit zur Teilnahme gegeben wurde. 137) A. A. Heyer, ZIP 2011, 557, der auf die grundsätzliche Nichteignung abstellt.
133) 134) 135) 136)
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
Büroorganisation verfügt, ferner nicht von den Gläubigern und dem Schuldner des Verfahrens unabhängig ist.138) Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters steht nicht zur Disposition des vorläufigen Gläubigerausschusses.139) Auf dieses Kriterium bei der Verwalterbestellung wird nicht durch die Regelung in § 56a Abs. 2 verzichtet. Die Begriffsbestimmung „nicht geeignet“ in § 56a Abs. 2 fußt auf der Grundregelung in § 56 Abs. 1 Satz 1. Der Regelungsinhalt von § 56a Abs. 2 war im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in § 56 Abs. 3 eingestellt.140) Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde er aus systematischen Gründen in § 56a Abs. 2 aufgenommen.141) Die Grundregelung zur Geeignetheit des Insolvenzverwalters in § 56 Abs. 1 Satz 1 verdeutlicht durch den Zusatz „insbesondere“, dass die Eignung jedenfalls die Geschäftskunde und die Unabhängigkeit der zu bestellenden Person umfasst.142)
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Streichung der im RegE enthaltenen Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, wonach die erforderliche Unabhängigkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen ist, dass der zu bestellende Insolvenzverwalter „unter Einbindung von Schuldner und Gläubiger einen Insolvenzplan erstellt hat“. Diese Regelung sollte klarstellen, dass ein Tätigwerden des Verwalters im Vorfeld der Bestellung die Unabhängigkeit nicht ausschließt, wenn der Insolvenzplan nicht parteilich für eine Seite erstellt wird. Die Streichung dieser Regelung gegenüber dem RegE bedeutet aber keinesfalls, dass der Gesetzgeber bei einem einstimmigen Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses auf das Kriterium der Unabhängigkeit verzichten wollte.143) Vielmehr hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in seinem Bericht an zahlreichen Stellen hervorgehoben, dass das Insolvenzgericht auch bei einem einstimmigen Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters die Unabhängigkeit zu prüfen
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_____________ 138) Vgl. zur Unabhängigkeit des Sachwalters AG Stendal, Beschl. v. 31.8.2012 – 7 IN 164/12, ZIP 2012, 1875, das die Unabhängigkeit des vorgeschlagenen Sachwalters verneint hat, weil zwischen dem Sanierungsberater-Geschäftsführer der eigenverwaltenden Schuldnerin und dem vorgeschlagenen Sachwalter eine umfangreiche frühere Geschäftsverbindung besteht, dazu EWiR 2012, 729 (Hofmann) und EWiR 2012, 705 (Schulte-Kaubrügger); Hinkel, jurisPR-HaGesR, Stand: 11/2012, Anm. 2; Ablehnend Seidl, ZInsO 2012, 2285; vgl. auch Fölsing, ZInsO 2012, 2272. 139) So aber A. Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, die ihre Ansicht im Wesentlichen damit begründet haben, zur Eignung gehöre nicht die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters. Es handele sich um ein subjektives Kriterium, das der Akzeptanz der vorgeschlagenen Person bei den Verfahrensbeteiligten diene und deshalb – anders als die sachlich-fachliche Befähigung – zur Disposition der Gläubiger stehe. Es gebe bei einem einstimmigen Votum des Gläubigerausschusses keinen Grund, die Gläubiger vor sich selbst zu schützen; a. A. Bork, ZIP 2013, 145; Vallender/Zipperer, ZIP 2013, 149. 140) BT-Drucks. 17/5712, S. 8. 141) BT-Drucks. 17/7511, S. 34. 142) Im Ergebnis auch Bork, ZIP 2013, 145, 146; Vallender/Zipperer, ZIP 2013, 149, 150 f. 143) So aber Simon, ZInsO 2012, 364, 367; Dahl, NJW-Spezial 2012, 21 f; Fridgen, GWR 2011, 535, allerdings ohne sich mit dem Willen des Gesetzgebers umfassend auseinanderzusetzen.
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
hat.144) Auch aus der Begründung zur Streichung des § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lässt sich nichts anderes herleiten. Sie stellt darauf ab, dass sich die mit dem Regelungsvorschlag verbundene Intention, im Interesse der Kontinuität und der besseren Planbarkeit der Sanierung den im Vorfeld mit dem Schuldner und den Gläubigern abgestimmten Insolvenzplan vom Planersteller umsetzen zu lassen, ohne eine ausdrückliche Regelung im Gesetz realisieren lasse.145) Voraussetzung sei lediglich, „dass die Beteiligten den Planersteller durch einstimmigen Beschluss nach § 56a Abs. 2 InsO-E als Insolvenzverwalter vorschlagen.“146) Eine Aussage zur Frage der Unabhängigkeit ist damit nicht verbunden. Es geht vielmehr um die Planbarkeit eines Verfahrens, die der Ausschuss dadurch sichergestellt sieht, dass der vorläufige Gläubigerausschuss den Planersteller einstimmig zum Insolvenzverwalter vorschlägt, jedoch nicht bestimmt. Mit der Begründung sollte verdeutlicht werden, dass die Unabhängigkeit eines (vorläufigen) Verwalters nicht per se ausgeschlossen ist, wenn er bei der Erstellung des Insolvenzplans die gegenläufigen Interessen aller Beteiligten bewertet und ausgeglichen hat. Dies im Einzelfall zu prüfen, bleibt Aufgabe des Insolvenzgerichts (vgl. dazu auch die Ausführungen zu Rz. 68). 54
Die Eignung der vorgeschlagenen Person kann fehlen, wenn das zu vergebende Verfahren sehr umfangreich ist und praktische Erfahrungen mit der Bearbeitung von Insolvenzsachen fehlen, die Belastung der Person mit anderen Verfahren so hoch ist, dass ein weiteres nicht ordnungsgemäß bearbeitet werden könnte oder notwendige Sprachkenntnisse bei einem Verfahren mit grenzüberschreitendem Bezug fehlen. Weicht das Insolvenzgericht von dem einstimmigen Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses ab, so hat es seine Entscheidung ohne Namensnennung der vorgeschlagenen Person im Eröffnungsbeschluss zu begründen (§ 27 Abs. 5).
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Liegt ein einstimmiges Votum des vorläufigen Gläubigerausschusses zu mehreren in Betracht kommenden Personen vor, hat der Insolvenzrichter aus dem Kreise dieser Personen den (vorläufigen) Insolvenzverwalter auszuwählen, es sei denn, deren Eignung fehlt. Sind dagegen vom vorläufigen Gläubigerausschuss mehrheitlich mehrere in Betracht kommende Personen benannt worden – diese Möglichkeit ist nach der gesetzlichen Bestimmung nicht ausgeschlossen –, so ist dieses Votum lediglich als Anregung an das Gericht zu verstehen, den Vorschlag in die Überlegungen zur Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters einzubeziehen.
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Hat der vorläufige Gläubigerausschuss ein Anforderungsprofil für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter beschlossen, so ist dieses Grundlage für die Auswahlent-
_____________ 144) BT-Drucks. 17/7511, S. 4 „Trifft der Ausschuss ein einstimmiges Votum zur Person des Insolvenzverwalters, so darf das Insolvenzgericht hiervon nur abweichen, wenn der Vorgeschlagene für die Übernahme des Amtes ungeeignet ist. Eine solche Bindung des Insolvenzgerichts darf nicht dazu führen, dass in Einzelfällen Verwalter bestellt werden, denen nicht die für ihr Amt unerlässliche Unabhängigkeit zukommt“. S. 5, 35 zu §§ 56, 56a: „Allgemein sieht der Ausschuss die Notwendigkeit, bei einem vom vorläufigen Gläubigerausschuss vorgeschlagenen Insolvenzverwalter besonders eingehend dessen Unabhängigkeit zu prüfen.“ 145) BT-Drucks. 17/7511, S. 34. 146) BT-Drucks. 17/7511, S. 34; so aber A. Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238, 2242.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
scheidung des Gerichts und begrenzt dessen Auswahlermessen. Gesetzeswidrige Anforderungen hat der Richter selbstverständlich nicht zu berücksichtigen.147) dd) Neuwahlmöglichkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 56a Abs. 3
Ist der vorläufige Gläubigerausschusses vor einer Entscheidung über die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 56a Abs. 1 nicht angehört worden, weil diese Maßnahme offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung der Vermögenslage des Schuldners geführt hätte, kann er in seiner ersten Sitzung nach der gerichtlichen Bestellung des vorläufigen Verwalters148) eine andere Person als die bestellte zum vorläufigen Insolvenzverwalter wählen (§ 56a Abs. 3). Diese Norm ist auf Vorschlag des Rechtsauschusses des Bundestages in die Insolvenzordnung eingefügt worden, weil i. R. des Gesetzgebungsverfahrens vielfach kritisch angemerkt worden ist,149) dass die vorgesehenen Ausnahmen für eine Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses (§§ 22a Abs. 3, 56a Abs. 1) in der Praxis unter Hinweis auf die keinen Aufschub duldende Sicherungsmaßnahme die Regel sein würden und somit die gewollte Einflussnahme der Gläubiger auf die Insolvenzverwalterbestellung leerliefe. Mit der Vorschrift des § 56a Abs. 3 soll daher einerseits dem unaufschiebbaren Sicherungsbedürfnis der Masse durch die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters seitens des Gerichts Rechnung getragen werden, andererseits eine sehr zeitnahe Einflussnahme der Gläubigerschaft auf die Person des vorläufigen Insolvenzverwalters ermöglicht werden. Die Regelung des § 56a Abs. 3 gilt also – trotz ihrer Einbindung in die Vorschriften über die Bestellung des Insolvenzverwalters – nur für den vorläufigen Insolvenzverwalter.150) Sie ist wegen der fehlenden eigenständigen Regelungen zum vorläufigen Insolvenzverwalter – § 21 Abs. 2 Nr. 1 verweist nur auf die Vorschriften zur Insolvenzverwalterbestellung – und des systematischen Zusammenhangs zu § 56a Abs. 1 und 2 in § 56a eingestellt worden. Der auf den vorläufigen Insolvenzverwalter beschränkte Anwendungsbereich des § 56a Abs. 3 wird auch durch die Tätigkeitsdauer des vorläufigen Gläubigerausschusses deutlich. Das Amt des vorläufigen Gläubigerausschusses nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens151) (siehe dazu auch § 22a Rz. 28). Der Insolvenzverwalter für das eröffnete Verfahren wird erst im Eröffnungsbeschluss bestellt, zu einem Zeitpunkt also, in dem der gesetzliche Auftrag für den nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a, 22a bestellten vorläufigen Gläubigerausschusses endet. Im eröffneten Verfahren ist die Wahl eines anderen als des bestellten Insolvenzverwalters ausschließlich durch die Gläubigerversammlung nach § 57 möglich.152)
_____________ 147) BT-Drucks. 17/5712, S. 26. 148) Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 64; Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56a Rz. 52. 149) Vgl. BT-Drucks. 17/7511, S. 34, 35; Riggert, NZI 2011, 121; Zuleger, NZI 2011, 126; Steinwachs, ZInsO 2011, 410; Frind, ZInsO 2011, 757 m. w. N. 150) Im Ergebnis ebenso Frind, ZInso 2011, 2249, 2259; a. A. Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56a Rz. 48. 151) BT-Drucks. 17/571, S. 24. 152) Vgl. BT-Drucks. 17/5712, S. 26.
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§§ 56, 56a
Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
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Da § 56a Abs. 3 eine nicht erfolgte Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ausgleichen soll,153) ist diese Norm ihrem Sinn und Zweck entsprechend nicht nur anwendbar, wenn das Vertretungsgremium der Gläubigerschaft zum Zeitpunkt der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bereits eingerichtet war, aber wegen der Notwendigkeit sofortiger Sicherungsmaßnahmen nicht angehört wurde, sondern auch, wenn aufgrund einer für die Insolvenzmasse schädlichen Verzögerung (§ 22a Abs. 3) keine Zeit blieb, vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen. Im letzteren Fall ist dies unverzüglich nachzuholen, wenn die Voraussetzungen des § 22a Abs. 1 oder 2 vorliegen (vgl. dazu auch die Kommentierung zu § 22a Rz. 15).154)
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Der vorläufige Gläubigerausschuss kann nur in seiner ersten Sitzung nach der gerichtlichen Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters155) eine andere als die bestellte Person wählen. Dieser zeitlich enge Rahmen soll sicherstellen, dass dem vom Gericht eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalter wegen der Abwahlmöglichkeit und einer eventuell damit verbundenen unzulässigen Einflussnahme nicht die Handlungsfähigkeit genommen wird. Die Neuwahl des vorläufigen Insolvenzverwalters erfordert ein einstimmiges Votum aller Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses,156) um zu verhindern, dass einzelne Mitglieder die Entscheidung des Gremiums dominieren.157)
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Entsprechend § 57, dem die Norm in modifizierter Form nachgebildet ist,158) kann der zuständige Insolvenzrichter die Bestellung des neugewählten vorläufigen Insolvenzverwalters versagen, wenn dieser für das Amt nicht geeignet ist. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 57 Satz 3 fehlt zwar in § 56a Abs. 3. Die Vorschrift des § 57 Abs. 3 über die Versagungsmöglichkeit der Bestellung ist aber analog anzuwenden.159) Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der vorläufige Gläubigerausschuss nicht ein vollkommenes Abbild der Gesamtgläubigerschaft ist, seine Legitimation deshalb im Verhältnis zur Gläubigerversammlung eingeschränkt ist. Selbst wenn die gesamte Gläubigerschaft in der ersten Gläubigerversammlung einen anderen als den im Eröffnungsbeschluss ernannten Insolvenzverwalter wählt, hat das Gericht Versagungsgründe zu prüfen. Das muss erst recht gelten, wenn der vorläufige Gläubigerausschuss mit seiner eingeschränkten Legitimation entschieden hat. Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit betont, bei einem vom vorläufigen Gläubigerausschuss einstim-
_____________ 153) Vgl. BT-Drucks. 17/7511, S. 35; Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUGReform, S. 18. 154) Obermüller, ZInsO 2012, 18, 24; Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56a Rz. 51; Braun-Blümle, § 56a Rz. 26; a. A. Frind, ZInsO 2011, 2249, 2258; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56a Rz. 29; Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 59 ff. 155) Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56a Rz. 52. 156) Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56a Rz. 37, 53; Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 67. 157) BT-Drucks. 17/7511, S. 35. 158) BT-Drucks. 17/7511, S. 35. 159) Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 73; Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 56a Rz. 56; A. Schmidt-Frind, InsO, § 57 Rz. 33; Frind, ZInsO 2011, 2249, 2259.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
mig vorgeschlagenen (vorläufigen) Insolvenzverwalter besonders eingehend dessen Unabhängigkeit zu prüfen. Ist der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nur vorgeschlagen, sondern vom vorläufigen Gläubigerausschuss sogar gewählt, kann nichts anderes gelten. Mit der Bestellung des neugewählten vorläufigen Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht tritt der Wechsel im Amt ein (siehe dazu i. Ü. § 57 Rz. 9).160) Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1). Gegen die Versagung der Bestellung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 6).
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b) … durch den Insolvenzrichter
Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss nicht eingesetzt worden, verbleibt die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bis zu einer anderweitigen Entscheidung der Gläubigerversammlung allein beim Insolvenzrichter (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). Er hat gemäß Absatz 1 aus dem Kreis aller zur Übernahme bereiten Personen eine geeignete, insbesondere geschäftskundige, von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person auszuwählen. Dem Richter steht bei der Bestimmung des Insolvenzverwalters ein weites Auswahlermessen zu, das jedoch der Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG unterliegt.161) Die in Art. 33 Abs. 2 GG normierte Bestenauslese ist bei der Auswahl des Insolvenzverwalters nicht zu berücksichtigen, weil der Insolvenzverwalter kein öffentliches Amt ausübt.162)
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Der Insolvenzverwalter muss nicht zwingend aus der von dem Richter zu führenden Vorauswahlliste stammen.163) In diesem Fall kann der Insolvenzrichter von seinem weiten Auswahlermessen bei der Bestellung jedoch nur dann ermessensfehlerfrei Gebrauch machen, wenn in seiner Liste kein Insolvenzverwalter vorhanden ist, der den an das konkrete Verfahren zu stellenden Anforderungen genügt. Die Auswahl hat sich auch nicht rein formal und turnusmäßig an der Reihenfolge der Anmeldungen zur Auswahlliste zu orientieren. Vielmehr hat das Insolvenzgericht denjenigen Insolvenzverwalter auszuwählen, der unter Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger und des Schuldners in der Lage ist, das Insolvenzverfahren reibungslos und zügig durchzuführen. Dabei ist es – auch wenn ein vorläufiger Gläubigerausschuss nicht bestellt ist – im Interesse der Sanierung des Unternehmens sinnvoll, sich mit den Gläubigern im Vorfeld der Bestellung an einen „Runden Tisch“ zu setzen, um das Anforderungsprofil für den Insolvenzverwalter im konkreten Fall besser beurteilen zu können.164)
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_____________ 160) Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56a Rz. 71. 161) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1493/05, ZIP 2006, 1956; BVerfG, Beschl. v. 12.7.2006 – 1 BvR 1469/05, ZIP 2006, 1954; BVerfG, Beschl. v. 19.7.2006 – 1 BvR 1351/06, ZIP 2006, 1541; BVerfG, Beschl. v. 3.8.2009 – 1 BvR 369/08, ZIP 2009, 1722. 162) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355. 163) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1 BvR 1086/01, ZIP 2004, 1649; a. A. A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 26. 164) Vgl. dazu Busch, DZWIR 2004, 353; Graf-Schlicker, ZIP 2002, 1166, 1170.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
aa) Eignung/Geschäftskunde 64
Bei der Auswahl hat das Insolvenzgericht die Eignung und Geschäftskunde des Insolvenzverwalters an den von ihm festgelegten Vorauswahlkriterien (oben Rz. 12 ff) zu messen. Im konkreten Einzelfall sind Branchenkenntnisse, besondere organisatorische oder fachliche Anforderungen an die Durchführung des Insolvenzverfahrens, z. B. Sprachkenntnisse bei Verfahren mit Auslandsbezug sowie die aktuelle Auslastung des Insolvenzverwalters durch andere Verfahren,165) die durch Rückfrage beim Insolvenzverwalter zu klären ist, wichtige Auswahlkriterien. bb) Unabhängigkeit
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Darüber hinaus muss der Insolvenzverwalter unabhängig von den Gläubigern und dem Schuldner des Insolvenzverfahrens sein. Die Frage, was unter Unabhängigkeit zu verstehen ist, bietet immer wieder Stoff für kontroverse Diskussionen, die nach Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) weiterhin mit Vehemenz geführt werden.166) Der Begriff der Unabhängigkeit ist auch nach der Neuregelung der Insolvenzordnung zu § 56 nicht definiert. In § 56 Abs. 1 Satz 3 sind lediglich zwei Fallkonstellationen benannt, in denen die Unabhängigkeit eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters nicht generell beeinträchtigt ist.167)
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Der Begriff der Unabhängigkeit findet sich in zahlreichen gesetzlichen Vorschriften, z. B. in Art. 97 GG, § 43a BRAO, § 57 StBerG. Eine gesetzliche Definition des Begriffs ist auch dort nicht vorhanden. Deshalb wird häufig auf Vorschriften zurückgegriffen, die Ausschlussgründe für Personen vorsehen, bei denen das Gesetz eine Unabhängigkeit fordert, z. B. §§ 41 ff ZPO. Zwar kommt eine analoge Anwendung der §§ 41 ff ZPO betreffend die Ablehnung der Richter wegen des Fehlens einer Regelungslücke und der Vergleichbarkeit der Tatbestände nicht in Betracht.168) Die Kerngedanken dieser Normen können jedoch für die Ausfüllung des Begriffs der Unabhängigkeit herangezogen werden.
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Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters fehlt, wenn objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Schuldners oder eines Gläubigers bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Insolvenzverwalter werde seine ihm nach der InsO zugewiesenen Aufgaben nicht in der Weise wahrnehmen, dass die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung erreicht wird.
_____________ 165) A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 27; vgl. dazu auch Graeber, NZI 2003, 569, 577. 166) Vgl. A. Schmidt/Hölzle, ZIP 2012, 2238; Bork, ZIP 2013, 145, Vallender/Zipperer, ZIP 2013, 149; Frind, ZInsO 2014, 119; Horstkotte, ZInsO 2013, 160; Haarmeyer, ZInsO 2013, 2345; zu den Diskussionen während der Beratungen des ESUG: BT-Drucks. 17/7511, S. 34; Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 19; Frind, ZInsO 2011, 373, 380; Frind, NZI 2010, 705; Pape, ZInsO 2010, 1582; Vallender, NZI 2010, 838, 843, 844; vgl. zur Diskussion um die Unabhängigkeit des Verwalters auch Braun, ZInsO 2002, 964; Prütting, ZIP 2002, 1965; Lüke, ZIP 2003, 557; Bork, ZIP 2006, 58; Paulus, ZInsO 2006, 752. 167) BT-Drucks. 17/5712, S. 26. 168) Graf-Schlicker in: FS Kirchhof, S. 135, 140 ff; Lüke, ZIP 2003, 557, 559; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 48.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
Ausdrücklich klargestellt hat der Gesetzgeber nunmehr in § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 – wie bereits in der Begründung des Regierungsentwurfs zur InsO festgehalten169) –, dass allein der Vorschlag des Schuldners oder eines Gläubigers, eine bestimmte Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen, deren Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt.170) Hat dagegen der Vorschlagende dem Verwalterkandidaten zuvor besondere Konditionen für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens, z. B. eine Vergütungsvereinbarung abverlangt, ist eine unabhängige Amtsführung dieses Kandidaten nicht mehr gewährleistet.171) Besonders kritisch zu prüfen ist die Unabhängigkeit des Kandidaten auch dann, wenn ein Massedarlehen von der Bestellung eines bestimmten Insolvenzverwalters abhängig gemacht wird (sog. Change-ofControl-Klausel).172)
68
Darüber hinaus ist in § 56 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2173) bestimmt, dass nicht jeder Kontakt zwischen dem vorgeschlagenen (vorläufigen) Insolvenzverwalter und dem Schuldner vor dem Eröffnungsantrag einen Ausschluss vom Verwalteramt rechtfertigt. Eine Beratung des Schuldners in allgemeiner Form über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und dessen Folgen ohne konkreten Bezug zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners tangiert die Unabhängigkeit des Beraters für das Verwalteramt nicht per se. Es bleibt Aufgabe der Gerichte, zu prüfen, ob im Einzelfall konkrete Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung erfordern.
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Aufgrund erheblicher Kritik in der Fachöffentlichkeit174) hat der Rechtsausschuss die im RegE enthaltene Regelung gestrichen, wonach die Mitwirkung an einem vor Einleitung des Insolvenzverfahrens unter Einbindung von Schuldner und Gläubigern erarbeiteten Insolvenzplan nicht zwingend gegen die Unabhängigkeit spricht. Diese Änderung gegenüber dem RegE bedeutet aber keinesfalls, dass in dieser Fallkonstellation generell die Unabhängigkeit fehlt.175) Vielmehr hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in seinem Bericht hervorgehoben, dass die mit dem Regelungsvorschlag verbundene Intention, im Interesse der Kontinuität und der besseren Planbarkeit der Sanierung den im Vorfeld mit dem Schuldner und den Gläubigern abgestimmten Insolvenzplan vom Planersteller umsetzen zu lassen, auch ohne eine ausdrückliche Regelung im Gesetz realisiert werden könne.176) Hat der Planersteller also die gegenläufigen Interessen aller Beteiligten bewertet und ausgeglichen, so ist eine Bestellung zum Insolvenzverwalter nicht ausgeschlossen. _____________
70
169) Begr. RegE § 65/§ 56 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 225. 170) Zur bisherigen Praxis der Gerichte vgl. Römermann, NJW 2012, 645, 648. 171) So auch Siemon, ZInsO 2012, 364, 367; krit. dazu auch Römermann, NJW 2012, 645, 649. 172) Vgl. dazu Ganter, ZIP 2013, 597. 173) Ausdrücklich klargestellt hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, durch die Einfügung des Wortes „oder“, dass die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 3 alternativ vorliegen sollen, vgl. auch BT-Drucks. 17/11268, S. 22. 174) Vgl. dazu zusammenfassend Wimmer, Das neue Insolvenzrecht nach der ESUG-Reform, S. 19. 175) So aber Simon, ZInsO 2012, 364, 367; Dahl, NJW-Spezial 2012, 21; Fridgen, GWR 2011, 535, allerdings ohne sich mit dem Willen des Gesetzgebers umfassend auseinanderzusetzen. 176) BT-Drucks. 17/7511, S. 34.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
Diesen Gesichtspunkt hat das Gericht bei seiner Eignungsprüfung ebenfalls in die Waagschale zu werfen.177) 71
Zweifellos fehlt die Unabhängigkeit aber, wenn der Insolvenzverwalter – auch in Form von gesellschaftlichen Beteiligungen – als Gläubiger oder Schuldner an dem Insolvenzverfahren beteiligt ist.178) Ebenso ist die Unabhängigkeit zu verneinen, wenn er mit einem Gläubiger oder dem Schuldner verwandtschaftlich oder durch eine Ehe verbunden ist. War eine Person vor der Stellung des Insolvenzantrags bereits als Abschlussprüfer des Schuldners oder langjähriger Berater tätig und hat sie die aktuelle wirtschaftliche Notlage, die zur Insolvenzantragstellung geführt hat, mit zu verantworten, fehlt in der Regel die notwendige Neutralität gegenüber dem Schuldner.179)
72
Zweifelhaft ist, ob ein vorheriges Tätigwerden eines Insolvenzverwalters für einen oder mehrere Gläubiger, z. B. durch eine Poolverwaltung, die Unabhängigkeit tangiert. Da die Gläubiger nicht gleichmäßig am Insolvenzverfahren beteiligt sind, kann diese Frage nur unter Berücksichtigung der konkreten Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren und der Befugnisse der gesamten Gläubigerschaft zur Verhinderung der ungerechtfertigten Bevorzugung einzelner oder mehrerer Gläubiger beurteilt werden.180) Einer Prüfung der Unabhängigkeit im Einzelfall bedarf es ebenfalls, wenn der Insolvenzverwalter Dienstleister für bestimmte Aufgaben einschaltet, an denen er als Gesellschafter oder in sonstiger Weise selbst beteiligt ist.181)
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Die Unabhängigkeit ist dagegen nicht mehr gewahrt, wenn ein Insolvenzverwalter für institutionelle Gläubiger, z. B. Banken, Kreditversicherer und Sozialversicherungsträger laufend tätig ist. Sie fehlt zumindest auch, wenn er oder ein Mitglied der Kanzlei, in der er tätig ist, den Schuldner, dessen Anteilseigner oder Hauptgläubiger vertritt oder im Hinblick auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten beraten hat.182)
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Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, Umstände, die seiner Unabhängigkeit entgegenstehen können, unverzüglich dem Gericht anzuzeigen.183) _____________ 177) Eickmann in: HK-InsO, § 56 Rz. 13; Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 28 ff; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1972; weitergehend Paulus, ZInsO 2006, 752, der generell die Vorbefassung bei einem Reorganisationsverfahren nicht als Hinderungsgrund für eine Bestellung sieht; a. A. Bork, ZIP 2006, 58; Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 56 InsO Rz. 21. 178) Eickmann in: HK-InsO, § 56 Rz. 12; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1971. 179) Bork, ZIP 2006, 58; Prütting, ZIP 2002, 1965, 1971 f; Lüke, ZIP 2003, 557, 561 f; a. A. Riggert, NZI 2002, 352, 353. 180) Lüke, ZIP 2003, 557, 564, stellt darauf ab, ob das Gesamtvolumen des Geschäftsanteils mit dem Gläubiger für den Verwalter die Grenze von 10 % überschreitet; a. A. Graeber, NZI 2002, 345, 348. 181) Vgl. zur Beauftragung von Dienstleistern Bork, ZIP 2009, 1747. 182) Vgl. dazu auch BT-Drucks. 17/7511, S. 35. Die Uhlenbruck-Kommission, ZIP 2007, 1432 und die Berufsgrundsätze des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (§ 4 Abs. 2 Buchst. c v. 3.5.2013; abrufbar unter: www.vid.de, sehen die erforderliche Unabhängigkeit nicht als gegeben an, wenn der Insolvenzverwalter oder eine von ihm zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Person innerhalb von vier Jahren vor dem Eröffnungsantrag den Schuldner oder eine diesem nahestehende Person (§ 138 InsO) mittelbar oder unmittelbar vertreten oder beraten hat. 183) Vgl. dazu auch § 7 der Berufsgrundsätze des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. v. 3.5.2013, abrufbar unter: www.vid.de.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
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V. Bestellung des Insolvenzverwalters 1.
Rechtsnatur des Ernennungsaktes
Der Insolvenzverwalter ist im Eröffnungsbeschluss zu ernennen (§ 27 Abs. 2 Nr. 2). Die Rechtsnatur dieser Ernennung war heftig umstritten.184) Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit seiner Entscheidung vom 23.5.2006185) die Frage geklärt. Der Bestellungsakt gehört nicht zur Rechtsprechung im materiellen Sinne, er ist auch nicht dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zuzuordnen, weil der Richter nicht in seiner Funktion als neutraler Streitschlichter einen Rechtsstreit entscheidet, sondern selbst ein Rechtsverhältnis gestaltet. Auch die Tatsache, dass die Ernennung in dem Eröffnungsbeschluss zu erfolgen hat, spricht nicht für eine rechtsprechende Tätigkeit des Richters. Die Norm des § 27 Abs. 1 Satz 1 trennt zwischen den beiden Entscheidungen des Insolvenzgerichts. Der Zusammenhang erschöpft sich darin, dass ohne die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Insolvenzverwalter nicht bestellt werden muss.186) 2.
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Inhalt der Entscheidung
Nicht entschieden hat das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob die Entscheidung über die Ernennung des Insolvenzverwalters zu begründen ist.187) Dies ist zu verneinen.188) Zwar müssen auch Justizverwaltungsakte grundsätzlich kenntlich machen, welche Erwägungen zu der Entscheidung geführt haben.189) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Begründungszwang bei behördlichen Eingriffsakten190) beruht jedoch auf der Erwägung, dass dem Betroffenen aus rechtsstaatlichen Gründen eine sachgemäße Verteidigung seiner Rechte ermöglicht werden muss. Dem Grundgesetz lässt sich aber nicht entnehmen, dass eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidung ausnahmslos einer Begründung bedarf.191) Der Bestellungsakt als solcher ist nicht anfechtbar.192) Vielmehr kann der übergangene Bewerber lediglich i. R. eines Feststellungsverfahrens und einer Amtshaftungs_____________ 184) OLG Hamm, Beschl. v. 14.10.2004 – 15 VA 11/04, ZIP 2005, 269; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.6.1996 – I-3 VA 4/95, NJW-RR 1996, 1273; dazu Lüke, ZIP 2000, 485; OLG Celle, Beschl. v. 1.6.2005 – 16 VA 3/05, ZIP 2005, 1288; Laws, MDR 2005, 541; Frind, ZInsO 2005, 225, 226, haben die Ernennung des Insolvenzverwalters als Rechtsprechungsakt qualifiziert, während das OLG Koblenz, Beschl. v. 12.5.2005 – 12 VA 1/04, ZIP 2005, 1283; Wieland, ZIP 2005, 233, 236; Wieland, ZIP 2005, 270, 271 (Urteilsanm.); Römermann, ZInsO 2004, 937, 939 und Hess/Ruppe, NZI 2004, 641, 644, einen Justizverwaltungsakt annehmen. 185) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355. 186) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; a. A. OLG Hamm, Beschl. v. 14.10.2004 – 15 VA 11/04, ZIP 2005, 269; dagegen Laws, ZInsO 2006, 847, 848. 187) Vgl. dazu den Richter am BVerfG Gaier, ZInsO 2006, 1177, 1180. 188) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 56 Rz. 72; A. Schmidt-Frind, InsO, § 56 Rz. 32; Frind, ZInsO 2006, 841; Graeber, NZI 2006, 499; Uhlenbruck, NZI 2006, 489; Vallender, NZI 2005, 473; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 63, 70; Höfling, NJW 2005, 2341; Prütting, ZIP 2005, 1097; Wieland, ZIP 2005, 233; Wieland, ZIP 2007, 462. 189) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.11.1965 – 3 VAs 46/65, NJW 1966, 465. 190) BVerfG, Beschl. v. 29.10.1975 – 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272. 191) BVerfG, Beschl. v. 29.1.2002 – 2 BvR 1965/01, NJW 2002, 1867; BVerfG, Beschl. v. 28.2.1979 – 2 BvR 84/79, BVerfGE 50, 287. 192) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
klage geltend machen, dass der Insolvenzrichter ihn ermessensfehlerhaft nicht ausgewählt hat. Für diese Verfahren nützt ihm eine Begründung der Bestellungsentscheidung wenig. Denn der Insolvenzrichter hätte nur zu begründen, weshalb er den ernannten Insolvenzverwalter ausgewählt hat, nicht aber, weshalb ein Konkurrent unberücksichtigt geblieben ist. Es reicht daher aus, wenn der Insolvenzrichter i. R. seiner Anhörung im „Konkurrentenverfahren“ die Gründe für seine Entscheidung mitteilt.193) 3. 78
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Rechtsmittel gegen die Entscheidung
Der Schuldner kann gegen die Bestellung des Insolvenzverwalters nur im Zusammenhang mit dem Eröffnungsbeschluss sofortige Beschwerde einlegen (§§ 6, 34 Abs. 2). Dem antragstellenden Gläubiger steht weder gegen die Bestellung noch gegen den Eröffnungsbeschluss ein Rechtsmittel zu (§§ 6, 34 Abs. 2). Er kann nur i. R. des § 57 beantragen, einen anderen Insolvenzverwalter zu wählen. Auch dem nicht berücksichtigten Konkurrenten steht – wie bereits zuvor erwähnt – kein Rechtsmittel gegen die Bestellung des Insolvenzverwalters als solche zu. Zwar kann § 6 Abs. 1 als Regelung des einfachen Gesetzesrechts den Rechtsweg nicht verstellen, wenn dieser von Verfassungs wegen eröffnet ist. Jeder Bewerber um das Insolvenzverwalteramt muss eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner Eignung berücksichtigt zu werden. Insofern verfügt er über ein subjektives Recht, für das Rechtsschutz gewährleistet sein muss. Die grundgesetzliche Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes schließt aber Einschränkungen nicht aus, wenn im Einzelfall widerstreitende grundrechtlich fundierte Interessen zum Ausgleich zu bringen sind. Im Insolvenzverfahren besteht eine multipolare Konfliktlage. Es können nicht nur die Interessen des Bewerbers an chancengleichem Zugang zum Insolvenzverwalteramt in den Blick genommen werden. Vielmehr sind in erster Linie das Interesse der Gläubiger und des Schuldners an einem reibungslosen und zügigen Fortgang des Insolvenzverfahrens und damit insbesondere an einer beschleunigten Bestellung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Die erfolgreiche Anfechtung eines Prätendenten hätte zur Folge, dass der zunächst bestellte Insolvenzverwalter entlassen und eine neue Auswahlentscheidung des Insolvenzgerichts zu treffen wäre. Dies ist mit der Eilbedürftigkeit der Insolvenzverwalterauswahl im konkreten Fall nicht zu vereinbaren. Auch bei erfolglosen Rechtsmitteln würden nachteilige Folgen für das Insolvenzverfahren eintreten, weil die Unbefangenheit der Amtsführung darunter leiden würde. Den Interessen der Gläubiger und des Schuldners kann nur durch den Ausschluss der Möglichkeit einer Drittanfechtung des Bestellungsakts hinreichend Rechnung getragen werden. Dem Prätendenten steht jedoch das Recht zu, im Wege eines Antrags nach § 23 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG die Rechtswidrigkeit der Insolvenzverwalterbestellung wegen fehlerhafter Ausübung des Auswahlermessens geltend zu machen. Er muss dazu ein Feststellungsinteresse nachweisen. Außerdem kann er eine Amtshaftungsklage (Art. 34 GG, § 839 BGB)194) erheben. Von diesen Verfahren gehen keine Störungen für das Insolvenzverfahren aus.195) _____________ 193) Im Ergebnis ebenso Graeber, NZI 2006, 499, 500; Vallender, NJW 2006, 2597. 194) Vgl. dazu Wieland, ZIP 2007, 462. 195) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
VI. Rechtsstellung des Verwalters
Zur Rechtsstellung des Verwalters werden drei Theorien vertreten: die Vertretertheorie, nach der der Verwalter gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners hinsichtlich der Insolvenzmasse ist,196) die Organtheorie, nach der der Verwalter Organ oder Repräsentant der Insolvenzmasse ist, der eine Rechtsfähigkeit oder Quasi-Rechtsfähigkeit zugesprochen wird,197) und die Amtstheorie. Letztere entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.198) Danach ist der Verwalter Amtsträger, der materiell-rechtlich wie prozessual im eigenen Namen, mit Wirkung für und gegen die Masse handelt.199) Praktische Bedeutung haben diese Theorien besonders bei der Frage, wie das Rubrum eines Urteils zu fassen ist, wenn über eine Partei des Rechtsstreits das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Ebenso von Bedeutung ist der Theorienstreit für die Frage, ob die Zwangsvollstreckung aus dem Titel gegen den Gemeinschuldner der Umschreibung bedarf, wenn gegen die Insolvenzmasse vollstreckt werden soll.200) VII.
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Beginn und Ende des Verwalteramtes
Das Amt des (vorläufigen) Insolvenzverwalters beginnt noch nicht mit der Bestellung, sondern erst mit seiner Annahme, die dem Insolvenzgericht gegenüber zu erklären ist. Der (vorläufige) Verwalter ist nicht verpflichtet, das Amt zu übernehmen.
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Der (vorläufige) Insolvenzverwalter erhält über seine Bestellung eine Urkunde (Abs. 2 Satz 1). Zuständig für die Ausfertigung der Urkunde ist im eröffneten Verfahren der Rechtspfleger, im Eröffnungsverfahren der Richter (§ 3 Nr. 2e, § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG). Die Urkunde hat lediglich deklaratorische Bedeutung, sie dient Legitimationszwecken. Gutglaubenswirkungen sind mit der Urkunde nicht verbunden.201)
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Enden kann das Amt auf unterschiedliche Weise: durch Aufhebung des Verfahrens (Ausnahmen: Nachtragsverteilung gemäß § 205, Überwachung der Planerfüllung gemäß § 261), Einstellung mangels Masse, Wahl eines neuen (vorläufigen) Verwalters nach §§ 56a Abs. 3, 57 oder Entlassung aus wichtigem Grund gemäß § 59. Darüber hinaus endet das Amt mit dem Verlust der Geschäftsfähigkeit oder dem Tod des Verwalters.
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Bei Beendigung des Amtes hat der (vorläufige) Insolvenzverwalter seine Bestellungsurkunde zurückzugeben (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 56 Abs. 2 Satz 2).
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_____________ 196) Heinze, KTS 1980, 1; K. Schmidt, KTS 1984, 345; K. Schmidt, KTS 1988, 1, 9; Schulz, KTS 1986, 389. 197) Bötticher, ZZP 77 (1964) 55; Harnisch, S. 275 ff; Stürner, ZZP 94 (1981) 263, 287 ff. 198) BGH, Urt. v. 14.4.1987 – IX ZR 260/86, ZIP 1987, 650; BGH, Urt. v. 21.1.1993 – IX ZR 275/91, ZIP 1993, 208. 199) Zum Anspruch des Insolvenzverwalters auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz, vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2012 – 5 Bf 241/10.Z, ZInsO 2012, 989; zur Ablehnungsbefugnis hinsichtlich des mit der Schlussrechnung beauftragten Sachverständigen LG München, Beschl. v. 5.9.3013 – 7 T 3096/13, ZIP 2013, 2475. 200) Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 147. 201) Graeber in: MünchKomm-InsO, § 56 Rz. 161; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 81.
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VIII. Mehrere Verwalter 87
Die Bestellung mehrerer Verwalter für verschiedene Geschäftsbereiche des Unternehmens des Schuldners sieht die InsO nicht vor, weil sich eine entsprechende Regelung in der KO wegen der schwierigen Zuständigkeitsabgrenzung und der notwendigen Abstimmungen zwischen den einzelnen Verwaltern nicht bewährt hat.202) Für die Konzerninsolvenzen ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung nunmehr in einem § 56b vorgesehen, dass die Insolvenzgerichte sich bei der Frage abzustimmen haben, ob ein Verwalter bestellt wird.203) IX. Sonderinsolvenzverwalter
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Die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ist in der InsO – im Gegensatz zu § 77 des RegE204) – nicht geregelt. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat diese Vorschrift gestrichen, weil er sie aufgrund der bestehenden Praxis zur KO für überflüssig hielt. Diese Praxis soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch unter der InsO fortgesetzt werden;205) dies ist auch weiterhin einhellige Meinung.206)
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Ein Sonderinsolvenzverwalter ist vom Insolvenzgericht zu bestellen, soweit der Insolvenzverwalter aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen seine Aufgaben nicht wahrnehmen kann,207) z. B. bei Interessenkollisionen und In-Sich-Geschäften. Er kann auch bestellt werden, wenn zur Befriedigung bestimmter Gläubigergruppen Sondermassen zu bilden sind. Ein klassischer Anwendungsfall ist die Geltendmachung eines Gesamtschadens nach § 92 gegen den Verwalter, der nicht vom einzelnen Insolvenzgläubiger verfolgt werden kann.208) Es ist aber nicht die Aufgabe eines Sonderinsolvenzverwalters, einen Anspruch des Insolvenzschuldners gegen einen Dritten geltend zu machen.209)
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Für seinen Wirkungskreis nimmt der Sonderverwalter die Stellung des Insolvenzverwalters ein.210) Er hat aufgrund seiner Bestellung selbständig sein Amt zu führen _____________ 202) Begr. RegE § 65/§ 56 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 225. 203) BT-Drucks. 18/407; vgl. zu der Zeit ohne spezielle Regelung: Hirte, ZIP 2008, 444; Jaffe/ Friedrich, ZIP 2008, 849; Paulus, DB 2008, 2523; K. Schmidt, KTS 2011, 161; Uhlenbruck, NZI 2008, 201; Vallender, WPg 2011, Sonderheft, S. 31. 204) Begr. RegE § 77, BT-Drucks. 12/2443, S. 131, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 606. 205) Begr. RA z. RegE § 77 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 162, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 606. 206) BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 225/04, NZI 2006, 474; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, ZIP 2007, 548, dazu EWiR 2007, 341 (Römermann); BGH, Beschl. v. 1.2.2007 – IX ZB 45/05, ZIP 2007, 547, dazu EWiR 2007, 373 (Hess); BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294, alle m. w. N.; Fölsing, NZI 2009, 297; Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter, Rz. 7 m. w. N.; Frege, ZInsO 2008, 1130. 207) BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 225/04, NZI 2006, 474; BGH, Beschl. v. 18.6.2009 – IX ZA 13/09, ZInsO 2009, 1383; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991. 208) Zu weiteren Beispielen für den Einsatz des Sonderverwalters vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 67, 68. 209) BGH, Beschl. v. 18.6.2009 – IX ZA 13/09, ZInsO 2009, 1383. 210) BVerfG, Beschl. v. 15.3.2010 – 1 BvR 2288/09, ZIP 2010, 1301; Blersch/Goetsch/HaasBlersch, InsR, § 56 InsO Rz. 25; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 78; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 71.
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Gläubigerbeteiligung bei der Verwalterbestellung
§§ 56, 56a
und ist nicht etwa lediglich Gehilfe oder Vertreter des Insolvenzverwalters.211) Grundsätzlich finden die Vorschriften der §§ 56 – 66 auch auf ihn Anwendung;212) entsprechend richtet sich die – vom Insolvenzgericht festzusetzende213) – Vergütung in der Regel nach den §§ 63 – 65 und der InsVV.214) Unbeschadet der Möglichkeit, durch Hinweise und Anregungen auf die Bestellung eines Sonderverwalters hinzuwirken,215) steht den einzelnen Verfahrensbeteiligten kein Antrags- und Beschwerderecht216) hinsichtlich der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters, für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Rechts_____________ 211) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294 ff; Jaeger-Schilken, InsO, § 63 Rn. 70; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 56 Rz. 71; Nowak in: MünchKomm-InsO, § 63 Rz. 56. 212) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 f, dazu EWiR 2009, 389 (Herchen); BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, ZIP 2007, 548. 213) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294 ff. 214) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294 ff, der eine Ausnahme für den Fall annimmt, dass der Sonderverwalter lediglich Tätigkeiten i. S. des § 5 InsVV wahrzunehmen hat; vgl. dazu Frege, NZI 2008, 487 (Urteilsanm.); ebenso BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 163/08, ZInsO 2010, 399; Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 56 InsO Rz. 25; A. Schmidt-Büttner, InsO, § 63 Rz. 5; krit. hierzu Graeber, ZInsO 2008, 847; Loof, DZWIR 2009, 14. Nach anderer Auffassung soll sich die Vergütung nach dem für einen Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) geltenden Regeln (§§ 1915, 1835, 1836 BGB) richten, und gemäß § 1835 Abs. 3 BGB nach der BRAGO bzw. dem RVG, wenn der Sonderinsolvenzverwalter ein Rechtsanwalt ist, Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 80. Eine weitere Auffassung zieht die BRAGO bzw. das RVG unmittelbar heran, Jaeger-Schilken, InsO, § 63 Rz. 70. Vgl. zur Übersicht über den Streitstand auch Nowak in: MünchKomm-InsO, § 63 Rz. 57 ff. 215) OLG Köln, Beschl. v. 21.11.2007 – 2 U 110/07, ZIP 2008, 1131. 216) Vgl. BGH, Beschl. v. 2.3.2006 – IX ZB 225/04, NZI 2006, 474 f – zum fehlenden Antragsund Beschwerderecht des Schuldners; BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, ZIP 2007, 548; BGH, Beschl. v. 1.2.2007 – IX ZB 45/05, ZIP 2007, 547 – zum fehlenden Beschwerderecht des Insolvenzverwalters; BGH, Beschl. v. 20.9.2007 – IX ZB 239/06, – juris, – zum fehlenden Antrags- und Beschwerderecht des Insolvenzgläubigers, der keinen Gesamtschaden i. S. von § 92 geltend macht; BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 und BGH, Beschl. v. 30.9.2010 – IX ZB 280/09, NZI 2010, 940 – zum fehlenden Antrags- und Beschwerderecht des Insolvenzgläubigers auch bei der Gesamtschadensgeltendmachung, dazu EWiR 2009, 389 (Herchen), der meint, dem einzelnen Gläubiger müsse ein Beschwerderecht zustehen, wenn der durch die Gläubigerversammlung gestellte Antrag abgelehnt werde; BGH, Beschl. v. 18.6.2009 – IX ZA 13/09, ZInsO 2009, 1383; BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 84/08, – juris; BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 178/08, NZI 2010, 301 – zum fehlenden Beschwerderecht des Insolvenzverwalters, auch wenn der Wirkungskreis des Sonderverwalters im Hinblick auf seine bisherige Tätigkeit und seine durchgeführten Ermittlungen einer weiteren Konkretisierung bedarf; BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 177/08, ZIP 2010, 383 – keine Beschwerde gegen die Anordnung einer eidesstaatlichen Versicherung auf Antrag des Sonderinsolvenzverwalters gegen den Insolvenzverwalter; BGH, Beschl. v. 20.2.2014 – IX ZB 16/13, ZIP 2014, 627 – das in § 78 Abs. 1 vorgesehene Antragsrecht des Insolvenzverwalters ist ausgeschlossen, wenn die Gläubigerversammlung die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters zur Prüfung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Insolvenzverwalter beschließt; LG Lüneburg, Beschl. v. 20.3.2008 – 3 T 36/08, ZInsO 2008, 1158 (LS); Zweifelhaft LG Stendal, Beschl. v. 17.6.2013 – 25 T 23/13, ZIP 2013, 1389 – zur Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters mit dem Auftrag der Prüfung und ggf. Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den vorläufigen Sachwalter im Zusammenhang mit einem „Schutzschirmverfahren“. a. A. Kübler/Prütting/ Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 79; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991.
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§ 57
Wahl eines anderen Insolvenzverwalters
pfleger zuständig ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG),217) zu. Auch eine entsprechende Anwendung des § 59 Abs. 2 Satz 2 auf den Fall, dass ein einzelner Insolvenzgläubiger vergeblich die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters zur Prüfung eines Anspruchs auf Geltendmachung eines Gesamtschadens beantragt hat, kommt nicht in Betracht.218) Es fehlt insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Aufsicht über einen Insolvenzverwalter, der seine Pflichten verletzt, obliegt gemäß § 58 dem Insolvenzgericht, dessen Eingreifen der Gläubiger nicht erzwingen kann;219) die Insolvenzgläubiger können auch im Regelfall der Insolvenzverwaltung nur als Gesamtheit, also über die Gläubigerversammlung oder den Gläubigerausschuss, Einfluss auf die Amtsführung des Verwalters nehmen und insbesondere dessen Entlassung beantragen (§ 59). Beide Grundentscheidungen des Gesetzgebers haben die Gerichte hinzunehmen (Art. 20 Abs. 3 GG).220) 92
Beschließt die Gläubigerversammlung, einen Sonderverwalter zur Prüfung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Insolvenzverwalter einzusetzen, kann der Insolvenzverwalter die Aufhebung dieses Beschlusses nicht nach § 78 Abs. 1 InsO verlangen.221) Das grundsätzlich bestehende Antragsrecht des Insolvenzverwalters auf Aufhebung von Beschlüssen der Gläubigerversammlung ist im Wege der teleologische Reduktion dieser Norm einzuschränken.222) Das Antragsrecht dient dem Schutz der Gläubigerrechte, nicht aber den Interessen des Insolvenzverwalters. _____________ 217) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 56 Rz. 80; Eickmann in: HK-InsO, § 56 Rz. 52; A. SchmidtFrind, InsO, § 56 Rz. 42e; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 79. 218) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529; LG Lüneburg, Beschl. v. 20.3.2008 – 3 T 36/08, ZInsO 2008, 1158 (LS); a. A. AG Göttingen, Beschl. v. 30.12.2005 – 74 IN 262/00, ZIP 2006, 629; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 56 Rz. 79; JaegerMüller, InsO, § 92 Rz. 45. 219) Vgl. BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 136/05, NZI 2006, 593; BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 128/05, ZVI 2007, 80. 220) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529. 221) BGH, Beschl. v. 20.2.2014 – IX ZB 16/13, ZIP 2014, 627. 222) BGH, Beschl. v. 20.2.2014 – IX ZB 16/13, ZIP 2014, 627.
§ 57 Wahl eines anderen Insolvenzverwalters 1 In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, können die Gläubiger an dessen Stelle eine andere Person wählen. 2 Die andere Person ist gewählt, wenn neben der in § 76 Abs. 2 genannten Mehrheit auch die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger für sie gestimmt hat. 3Das Gericht kann die Bestellung des Gewählten nur versagen, wenn dieser für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. 4Gegen die Versagung steht jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu.
Literatur: Becker, Umfassendes Recht der Gläubigerversammlung zur Wahl des Insolvenzverwalters – Ein Plädoyer für mehr Gläubigerautonomie, NZI 2011, 961; Förster, Klartext: Ex und Hopp?, ZInsO 1999, 625; Frind, Gültigkeit von thematischen Teil-
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§ 57
Wahl eines anderen Insolvenzverwalters
Richtervorbehalten gem. § 18 Abs. 2 RPflG, ZInsO 2001, 993; Görg, Gerichtliche Korrektur von Fehlentscheidungen der Gläubiger im Insolvenzverfahren, DZWIR 2000, 364; Graeber, Die Wahl des Insolvenzverwalters durch die Gläubigerversammlung nach § 57 InsO, ZIP 2000, 1465; Kessler, Probleme der Verwalterwahl nach § 57 InsO, KTS 2000, 491; Marotzke, Unabhängiger Insolvenzverwalter, Gläubigerautonomie, Großgläubigerhypertrophie, ZIP 2001, 173; Muscheler/Bloch, Abwahl des vom Gericht bestellten Insolvenzverwalters, ZIP 2000, 1474; Pape, Bevorstehende Änderungen der InsO nach dem InsOÄndG 2001, ZInsO 2001, 587; Prütting, Die Abwahl des Insolvenzverwalters: Von der Gläubigerautonomie zur Groß-Gläubigerautonomie?, in: Bork/Kübler (Hrsg.), Insolvenzrecht 2000, RWS-Forum 18, 2001, S. 30. Übersicht I. II. 1. 2.
Normzweck und -inhalt ...................... Wahl eines anderen Verwalters .......... Erste Gläubigerversammlung ............... Wahlvorgang ..........................................
I.
Normzweck und -inhalt
1 4 4 7
3.
Bestellung des gewählten Insolvenzverwalters ....................................... 8 III. Rechtsmittel ....................................... 13
Zur Stärkung der Gläubigerautonomie räumt die Norm der Gläubigerschaft in der ersten Gläubigerversammlung das Recht ein, zum Insolvenzverwalter eine andere Person als die im Eröffnungsbeschluss bestellte zu wählen.1) Für den vorläufigen Insolvenzverwalter ist dieses Neuwahlrecht mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG),2) das zum 1.3.2012 in Kraft getreten ist,3) dem vorläufigen Gläubigerausschuss in § 56a Abs. 3 eingeräumt worden (siehe dazu §§ 56, 56a Rz. 57 ff).
1
Eine Neuwahl erfordert sowohl die Summen-, als auch die Kopfmehrheit der Gläubiger (Satz 2). Diese Regelung ist nach einigen spektakulären Abwahlverfahren4) eingeführt worden,5) um zu verhindern, dass einzelne absonderungsberechtigte Gläubiger ihre Stimme dazu nutzen, einen ihnen genehmen Verwalter zu wählen und sich dadurch im Verfahren nicht gerechtfertigte Vorteile verschaffen.6)
2
Das Insolvenzgericht kann die Bestellung des Gewählten zum Insolvenzverwalter nur mangels Eignung dieser Person versagen (Satz 3). Die Norm regelt des Weiteren die Rechtsmittelmöglichkeit gegen die gerichtliche Versagung der Bestellung (Satz 4).
3
_____________ 1) 2) 3) 4)
5) 6)
BVerfG, Beschl. v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04, ZIP 2005, 537, dazu EWiR 2005, 507 (BergGrünenwald/Hertzog). RegE BT-Drucks. 17/5712; Beschlussempfehlung und Bericht d. RA (6. Ausschuss) BTDrucks. 17/7511. BGBl. I 2011, 2582. Vgl. dazu Prütting, RWS-Forum 18, Insolvenzrecht 2000, S. 30 ff; INDat-Report 7 – 8/ 2000; Marotzke, ZIP 2001, 173; Pape, ZInsO 2001, 587, 594; Graeber, ZIP 2000, 1465; Muscheler/Bloch, ZIP 2000, 1474; Förster, ZInsO 1999, 625. Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (Insolvenzrechtsänderungsgesetz – InsOÄndG) v. 26.10.2001, BGBl. I, 2710, in Kraft getreten zum 1.12.2001. Begr. RegE InsOÄndG (zu § 21), BT-Drucks. 14/5680, S. 4, 53 ff.
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§ 57
Wahl eines anderen Insolvenzverwalters
II. Wahl eines anderen Verwalters 1.
Erste Gläubigerversammlung
4
Das Recht zur Neuwahl des Insolvenzverwalters – und damit zur Abwahl des vom Insolvenzgericht bestellten Verwalters – steht den Gläubigern nur in der ersten Gläubigerversammlung zu,7) die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, um die Kontinuität der Verfahrensabwicklung möglichst nicht zu gefährden. Hat das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss das schriftliche Verfahren angeordnet und einen entsprechenden Stichtag für den Berichtstermin festgesetzt, ist auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters im schriftlichem Verfahren durchzuführen, alternativ kann das Gericht in das regelmäßige Verfahren übergehen.8) Der diesbezügliche Gläubigerantrag ist nicht an das für die Einberufung der Gläubigerversammlung notwendige Quorum nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 gebunden, weil ihm ansonsten die im mündlichen Berichtstermin zustehenden Befugnisse zur Wahl eines anderen Verwalters entzogen würden. Der Gläubigerausschuss kann – als Ausfluss der Gläubigerautonomie – verlangen, dass die erste Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, bereits vor dem Berichts- und Prüfungstermin stattfindet, um einen anderen Verwalter zu wählen.9)
5
Die Möglichkeit, einen anderen Verwalter zu wählen, besteht ebenfalls, wenn der vorläufige Gläubigerausschuss bereits bei der Auswahlentscheidung beteiligt und die von ihm einstimmig vorgeschlagene Person im Eröffnungsbeschluss zum Insolvenzverwalter ernannt worden ist.10) Bei ihrer Entscheidung ist die Gläubigerversammlung an die vom Insolvenzgericht erstellte Vorauswahlliste nicht gebunden.11)
6
Spätere Gläubigerversammlungen können gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 nur die Entlassung des Insolvenzverwalters beantragen. Versagt das Insolvenzgericht die Bestellung des neu gewählten Insolvenzverwalters, so steht ein weiterer Wahlgang nicht zur Verfügung.12) Auch der Antrag eines Gläubigers auf Abstimmung über die Abwahl und Neubestellung eines Verwalters i. R. der Gläubigerversammlung ist unzulässig, wenn die Gläubigerversammlung bereits zuvor von einer ausdrücklichen Beschlussfassung über die Beibehaltung des vom Gericht bestellten Verwalters abgesehen oder wenn sie einen bestätigenden Beschluss gefasst hat.13) Hat das Insolvenzgericht jedoch nach dem Tod oder der Entlassung eines Verwalters einen _____________ 7) A. A. Becker, NZI 2011, 961. 8) BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZB 198/11, ZIP 2013, 1286, dazu EWiR 2013, 519 (Ahrens); Smid, jurisPR-InsR 14/2013, Anm. 2. 9) LG Stendal, Beschl. v. 22.10.2012 – 25 T 184/12, ZIP 2012, 2168, dazu EWiR 2012, 729 (Hofmann). 10) BT-Drucks. 17/7511, S. 35. 11) So auch Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 9; vgl. auch die Ausführungen in diesem Kommentar zu §§ 56, 56a Rz. 3. 12) LG Freiburg (Breisgau), Beschl. v. 4.6.1987 – 8 T 68/87, ZIP 1987, 1597, dazu EWiR 1987, 1223 (Hegmanns); Kessler, KTS 2000, 491, 492; Eickmann in: HK-InsO, § 57 Rz. 4; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 15; a. A. Graeber in: MünchKomm-InsO, § 57 Rz. 18. 13) LG Neubrandenburg, Beschl. v. 12.2.1999 – 2 T 25/99, ZInsO 1999, 300; Görg, DZWIR 2000, 364; Eickmann in: HK-InsO, § 57 Rz. 4.
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Wahl eines anderen Insolvenzverwalters
§ 57
neuen bestellt, können die Gläubiger in der darauf folgenden Gläubigerversammlung einen neuen Insolvenzverwalter bestellen.14) In diesem Fall muss den Gläubigern als Ausfluss ihrer Autonomie ebenfalls das Recht vorbehalten sein, die gerichtliche Ernennung des Insolvenzverwalters abzuändern. 2.
Wahlvorgang
Der Wahlvorgang ist im Gesetz nicht näher geregelt. Die Tagesordnung der ersten Gläubigerversammlung sollte den TOP „Wahl eines anderen Verwalters“ enthalten. Einen Vorschlag zur Wahl einer anderen Person kann jeder stimmberechtigte Gläubiger machen. Nicht ausreichend ist es, lediglich die Abwahl des vom Gericht ernannten Insolvenzverwalters zu fordern.15) Vielmehr ist die Person, die zur Wahl vorgeschlagen wird, konkret zu benennen. Die Wahl des neuen Verwalters erfolgt durch Beschluss. Gewählt ist der neue Verwalter, wenn er mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen der abstimmenden Gläubiger (Summenmehrheit) und die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger (Kopfmehrheit) auf sich vereinigt. Anwesende, aber nicht an der Abstimmung teilnehmende Gläubiger bleiben bei der Bestimmung der Kopf- und Summenmehrheit außer Betracht (§ 76 Abs. 2 Satz 2).16) Für die Berechnung der Kopfmehrheit zählt auch derjenige Gläubiger, der mehrere Forderungen innehat, nur mit einer Stimme.17) Die Stimmabgabe kann nur in der Gläubigerversammlung, nicht aber schriftlich erfolgen. Dafür spricht schon der Wortlaut der Norm (in der Gläubigerversammlung), aber auch der Sinn und Zweck. In der Gläubigerversammlung können sich neue Aspekte ergeben, die für die Meinungsbildung wichtig sind.18) 3.
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Bestellung des gewählten Insolvenzverwalters
Das Insolvenzgericht ist grundsätzlich an die Entscheidung der Gläubigerversammlung gebunden. Insbesondere hat es keinen Eignungsvergleich zwischen dem bisherigen und dem gewählten Verwalter vorzunehmen.19) Es hat die Bestellung indes zu versagen, wenn der neu gewählte Verwalter ungeeignet ist; hier gilt nichts anderes als bei § 56 Abs. 1 Satz 1, der das Insolvenzgericht hindert, eine ungeeignete Person als Insolvenzverwalter auszuwählen.20) Für die Frage der Eignung sind also auch die Kriterien des § 56 maßgebend.21) Der Insolvenzverwalter muss über die _____________ 14) LG Hamburg, Beschl. v. 2.10.2010 – 326 T 76/09, NZI 2010, 263; Blersch/Goetsch/HaasBlersch, InsR, § 57 InsO Rz. 2; Graeber in: MünchKomm-InsO, § 57 Rz. 17. 15) OLG Naumburg, Beschl. v. 26.5.2000 – 5 W 30/99, ZIP 2000, 1394, dazu EWiR 2000, 683 (Pape). 16) Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 57 InsO Rz. 4; Eickmann in: HK-InsO, § 57 Rz. 5; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 10; a. A. A. Schmidt-Frind, InsO, § 57 Rz. 2a. 17) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 12. 18) Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO § 76 Rz. 21; A. Schmidt-Frind, InsO, § 57 Rz. 2a;. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 11; zweifelnd: Eickmann in: HK-InsO, § 57 Rz. 5. 19) BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04, ZIP 2005, 537. 20) BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 27.11.2008 – 1 BvR 2032/08, ZIP 2009, 975. 21) Begr. RegE § 66/§ 57 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 227; so auch BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 27.11.2008 – 1 BvR 2032/08, ZIP 2009, 975; AG Gifhorn, Beschl. v. 31.3.2009 – 35 IN 222/03, NZI 2009, 394.
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notwendige persönliche und fachliche Eignung sowie eine hinreichende Büroorganisation22) verfügen und insbesondere von den Beteiligten des Insolvenzverfahrens unabhängig sein.23) Die Unabhängigkeit fehlt, wenn objektive Anhaltspunkte für eine Interessenkollision vorliegen,24) z. B. der gewählte Insolvenzverwalter gutachterlich für einen Schuldner der Insolvenzmasse tätig war25) oder Mitglied einer Anwaltssozietät ist, die zahlreiche, noch nicht abgeschlossene Mandate von einem Großgläubiger erhalten hat, der den neuen Insolvenzverwalter vorgeschlagen hat.26) Sie kann sich auch aus den Umständen der Wahl ergeben.27) Mangelnde praktische Erfahrung kann die Bestellung ebenfalls hindern.28) Die Eignung ist auch dann zu verneinen, wenn nach der sicheren Erkenntnis des Insolvenzgerichts ein Grund vorliegt, den Insolvenzverwalter zu entlassen.29) Kein Versagungsgrund liegt jedoch darin, dass sich ein neu bestellter Verwalter erst einarbeiten muss und der Wechsel mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Diesen Nachteil nehmen die Gläubiger bei der Wahl eines neuen Verwalters stets in Kauf.30) 9
Liegen keine Versagungsgründe vor, hat das Insolvenzgericht den neu gewählten Verwalter zu bestellen. Der Beschluss bedarf keiner Begründung. Erst mit der Ernennung des neuen Verwalters, nicht bereits mit seiner Wahl, tritt der Wechsel im Amt des Insolvenzverwalters ein. Einer förmlichen Abberufung des bisherigen Verwalters bedarf es nicht, sein Amt endet automatisch. Der neu ernannte Verwalter erhält eine Bestellungsurkunde (§ 56 Abs. 2 Satz 1), der bisherige hat seine Bestellungsurkunde zurückzugeben (§ 56 Abs. 2 Satz 2).
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Die Ernennung des neuen Verwalters ist – ebenso wie die erste Bestellung des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht – öffentlich bekannt zu machen.31)
11
Wird die Bestellung des Insolvenzverwalters versagt, ist dieser Beschluss zu begründen, weil er gemäß Satz 4 anfechtbar ist.32) Der Beschluss ist den Gläubigern zuzustellen, es sei denn, er ist in der Gläubigerversammlung verkündet worden.33) _____________ 22) AG Göttingen, Beschl. v. 11.3.2003 – 74 IN 137/02, ZIP 2003, 592, dazu EWiR 2003, 1039 (Lüke/Stengel), das die Eignung einer Insolvenzverwalterin mangels Erreichbarkeit versagt hat. 23) Begr. RegE § 66/§ 57 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 227. 24) BGH, Beschl. v. 22.4.2004 – IX ZB 154/03, ZIP 2004, 1113, m. zust. Anm. von BergGrünewald/Keller, EWiR 2004, 925; BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 530/02, ZIP 2003, 1613. 25) OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2001 – 2 W 41/01, ZIP 2001, 1597, dazu EWiR 2001, 1153 (Hess). 26) BGH, Beschl. v. 22.4.2004 – IX ZB 154/03, ZIP 2004, 1113, m. zust. Anm. von BergGrünenwald/Keller, EWiR 2004, 925. 27) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 57 Rz. 5. 28) BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 27.11.2008 – 1 BvR 2032/08, ZIP 2009, 975; LG Neuruppin, Beschl. v. 19.10.2005 – 5 T 165/05, DZWIR 2006, 258. 29) Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 57 InsO Rz. 8; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 20. 30) Begr. RegE § 66/§ 57 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 227; Graeber in: MünchKomm-InsO, § 57 Rz. 34. 31) Wohl auch Eickmann in: HK-InsO, § 57 Rz. 11. 32) Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 57 Rz. 16; Graeber, ZIP 2000, 1465, 1472. 33) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 28.
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§ 57
Eine Beschwerdemöglichkeit ist in entsprechender Anwendung von § 57 Satz 4 auch dann zu bejahen, wenn das Insolvenzgericht die von Gläubigern nach § 57 erstrebte Wahl von vorneherein verhindert.34) Sowohl für die Entscheidung über die Bestellung als auch für die Versagung der Bestellung des neuen Verwalters ist der Rechtspfleger funktionell zuständig. Die Tatsache, dass der Richter im Eröffnungsbeschluss den Insolvenzverwalter zu bestellen hat, spricht nicht für seine Zuständigkeit nach einer Neuwahl eines Verwalters durch die Gläubiger. Der Gesetzgeber hat die Bearbeitung das Insolvenzverfahrens gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich dem Rechtspfleger übertragen. Die Zuständigkeit des Richters ist – soweit er sich das Verfahren nicht vorbehält (§ 18 Abs. 2 RPflG) – in § 18 Abs. 1 Nr. 1 – 4 RPflG abschließend geregelt. Dazu gehört lediglich die erste Ernennung des Verwalters.35)
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III. Rechtsmittel
Der Beschluss über die Bestellung des neuen Verwalters ist unanfechtbar.36) Die InsO sieht insoweit keine Beschwerdemöglichkeit vor (§ 6). Insbesondere steht auch dem bisherigen Verwalter weder gegen diese gerichtliche Entscheidung noch gegen die Wahlentscheidung der Gläubigerversammlung ein Rechtsmittel zu. Er ist dadurch nicht in seinen Rechten aus Art. 12 oder 14 GG verletzt. Seinen Beruf kann er nur innerhalb des – zulässigerweise – gesetzlich fixierten Berufsbild des Insolvenzverwalters ausüben;37) dazu gehört, dass der im Eröffnungsbeschluss bestellte Insolvenzverwalter sein Amt nur vorläufig ausübt und die Gläubiger als Ausfluss ihrer Autonomie die Entscheidung in der ersten Gläubigerversammlung korrigieren können.38) Die Abwahlmöglichkeit ist mit Blick auf § 61 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der abgewählte Insolvenzverwalter nur bei selbstverschuldeter Pflichtverletzung eine persönliche Haftung zu befürchten hat.39)
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Eine Anfechtung der Entscheidungen kann ebenfalls nicht auf § 78 Abs. 1 gestützt werden, weil die Sätze 3 und 4 insoweit eine abschließende Sonderregelung ent-
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_____________ 34) BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZB 198/11, ZIP 2013, 1286; dazu EWiR 2013, 519 (Ahrens); Smid, jurisPR-InsR 14/2013 Anm. 2. 35) Blersch/Goetsch/Haas-Blersch, InsR, § 57 InsO Rz. 6; Brenner, EWiR 2002, 635; Eickmann in: HK-InsO, § 57 Rz. 11; Keller, EWiR 2003, 935; Graeber in: MünchKomm-InsO, § 57 Rz. 23; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 57 Rz. 19; a. A. für den Versagungsbeschluss LG Hechingen, Beschl. v. 8.6.2001 – 3 T 79/01, ZIP 2001, 1970; AG Göttingen, Beschl. v. 11.3.2003 – 74 IN 137/02, ZIP 2003, 592; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 57 Rz. 9; Muscheler/Bloch, ZIP 2000, 1474, 1477; Frind, ZInsO 2001, 993, 995; A. Schmidt-Frind, InsO, § 57 Rz. 7. 36) BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 161/07, NZI 2009, 246, m. Anm. Vallender, WuB VI A § 57 InsO 1.09. 37) BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04, ZIP 2005, 537, m. abl. Anm. Lüke, ZIP 2005, 539; zust. Berg-Grünenwald/Hertzog, EWiR 2005, 507. 38) BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04, ZIP 2005, 537; so auch schon zur KO: OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.1990 – 15 W 234/90, ZIP 1990, 1145; zur GesO: OLG Naumburg, Beschl. v. 22.12.1993 – 4 W 173/93, ZIP 1994, 162. 39) BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 9.2.2005 – 1 BvR 2719/04, ZIP 2005, 537.
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halten.40) Das gilt auch, wenn der Insolvenzverwalter zuvor die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat41) und zwar unabhängig von der Frage, ob davon die Beteiligtenrechte der Insolvenzgläubiger eingeschränkt werden, denn die Ausgestaltung des Beschwerderechts wird von der Massearmut nicht beeinflusst. Die Wahlentscheidung der Gläubigerversammlung kann nicht mit der Begründung angefochten werden, dass zuvor eine insofern ggf. fehlerhafte Stimmrechtsentscheidung erfolgt sei. Diesbezüglich ist die vom Gesetzgeber geschaffene Abhilfemöglichkeit, eine Entscheidung des Insolvenzgerichts über das Stimmrecht nach § 77 Abs. 2 InsO herbeizuführen und ggf. diese Entscheidung nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG nachprüfen zu lassen, vorrangig und abschließend;42) ein entsprechender Antrag, der auch vom Insolvenzverwalter gestellt werden kann, ist nur bis zum Schluss der Gläubigerversammlung möglich.43) Einer weiteren Überprüfungsmöglichkeit bedarf es nicht.44) 15
Gegen die Versagung der Bestellung können gemäß Satz 4 nur die einzelnen Insolvenzgläubiger, nicht die Gläubigerversammlung45) oder Absonderungsberechtigte, denen mangels Ausfall keine Insolvenzforderungen zustehen,46) sofortige Beschwerde einlegen. Nicht erforderlich ist, dass der Beschwerdeführer in der Versammlung den neuen Verwalter mit gewählt hatte.47) Sein Beschwerderecht ist allein vom Wahlrecht der Gläubigerversammlung abgeleitet; es geht nicht um die Verwirklichung seines Einzelrechts, sondern um die Durchsetzung der Entscheidung der Gläubigergesamtheit, die der Gesetzgeber allein aus Praktikabilitätsgründen dem einzelnen Gläubiger übertragen hat.48)
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Deshalb räumt das Gesetz weder dem Schuldner noch dem – gewählten oder abgelehnten – Verwalter eine Rechtsmittelmöglichkeit ein (§ 6).49)
_____________ 40) BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 530/02, ZIP 2003, 1613; KG Berlin, Beschl. v. 16.10.2001 – 7 W 130/01, ZIP 2001, 2240; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.10.2000 – 3 W 198/00, ZIP 2000, 2173; OLG Naumburg, Beschl. v. 26.5.2000 – 5 W 30/99, ZIP 2001, 1394. 41) BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – IX ZB 128/03, ZIP 2004, 2341. 42) BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – IX ZB 128/03, ZIP 2004, 2341. 43) BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – IX ZB 128/03, ZIP 2004, 2341; OLG Celle, Beschl. v. 21.2.2001 – 2 W 11/01, ZIP 2001, 658. 44) Eine Prüfung des Gerichts von Amts wegen, ob der Beschluss wirksam ist, steht dem nicht entgegen, AG Duisburg, Beschl. v. 8.10.2007 – 62 IN 32/07, ZIP 2007, 2429. 45) Begr. RegE § 66/§ 57 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 227. 46) Wimmer- Jahntz, FK-InsO, § 57 Rz. 19. 47) So aber AG Göttingen, Beschl. v. 11.3.2003 – 74 IN 137/02, ZIP 2003, 592; dagegen Lüke/Stengel, EWiR 2003, 1039. 48) Vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529, dazu EWiR 2009, 389 (Herchen); Begr. RegE § 66/§ 57 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 227. 49) Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 57 Rz. 19; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.1.2001 – 3 W 276/00, NZI 2001, 204.
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§ 58
Aufsicht des Insolvenzgerichts
§ 58 Aufsicht des Insolvenzgerichts (1) 1Der Insolvenzverwalter steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. 2Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung von ihm verlangen. (2) 1Erfüllt der Verwalter seine Pflichten nicht, so kann das Gericht nach vorheriger Androhung Zwangsgeld gegen ihn festsetzen. 2Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen. 3Gegen den Beschluß steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. (3) Absatz 2 gilt entsprechend für die Durchsetzung der Herausgabepflichten eines entlassenen Verwalters. Übersicht I. II. 1. 2. III. 1.
Vorbemerkung ..................................... 1 Aufsicht ................................................. 2 Ausübung der Aufsicht ......................... 5 Umfang der Aufsicht ............................ 9 Maßnahmen des Insolvenzgerichts .................................................... 11 Androhung des Zwangsgeldes ............ 13
2.
Festsetzung und Höhe des Zwangsgeldes ....................................... 15 3. Wiederholte Zwangsgeldfestsetzung ...................................................... 17 4. Rechtsmittel ......................................... 18 IV. Befangenheit des Richters/ Rechtspflegers .................................... 21 V. Herausgabepflichten .......................... 22
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I.
Vorbemerkung
§ 58 regelt grundsätzlich das Verhältnis zwischen Gericht und Verwalter. Geltung hat die Vorschrift außerdem für den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1), den Treuhänder (§ 313 Abs. 1 Satz 3 a. F.), den Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren (§ 292 Abs. 3 Satz 2) und den Sachwalter (§ 274 Abs. 1).
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II. Aufsicht
Das Insolvenzgericht hat die Tätigkeit des Verwalters im Hinblick auf die ihm durch die Insolvenzordnung auferlegten Pflichten zu überwachen. Eine Überwachungspflicht ist auch deshalb erforderlich, da das Gericht einer Person die Verwaltung fremden Vermögens übertragen hat.1) Erfüllt er diese Pflichten nicht, kann das Gericht ihn auch durch Zwangsmaßnahmen zur Erfüllung anhalten (Abs. 2). Durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts werden zugleich die Rechte der Beteiligten gewahrt, die hinsichtlich der Tätigkeit des Insolvenzverwalters über kein Rechtsmittel verfügen.
2
Um dieser Aufgabe sachgerecht nachkommen zu können, ist in Absatz 1 Satz 2 eine umfassende Berichtspflicht des Verwalters normiert. Dazu gehören nicht nur regelmäßige Berichte, sondern auch Auskünfte zu einzelnen Sachverhalten.
3
Der Zeitraum der Aufsicht erstreckt sich von der Annahme des Amtes bis zur endgültigen Erledigung aller erforderlichen Pflichten, z. B. der Erstellung der
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_____________ 1)
Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 1.
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§ 58
Aufsicht des Insolvenzgerichts
Schlussrechnung oder der Rückgabe der Bestallungsurkunde. Dies gilt auch nach Ende des Amtes.2) 1.
Ausübung der Aufsicht
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Die Ausübung der Aufsicht erfolgt durch regelmäßige Prüfungen und anlassbezogen. In erster Linie kommen die dem Verwalter auferlegten regelmäßigen Berichte in Betracht. Welcher Berichtsturnus angewandt wird, hängt von den konkreten Umständen ab. Üblich ist es, in Abständen von sechs bis zwölf Monaten einen umfassenden Bericht zu verlangen. Besondere Vorkommnisse muss der Verwalter, schon aus eigenem Interesse, außerhalb der Regelberichte dem Insolvenzgericht anzeigen.
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Anlassbezogene Prüfungen können verschiedene Ursachen haben und sind immer angezeigt, wenn dem Insolvenzgericht Umstände bekannt werden, die zumindest einer Nachfrage bedürfen. Als Quellen kommen neben Beschwerden der Beteiligten auch Meldungen aus Presse und Fernsehen in Betracht.
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Beschwerden der Beteiligten führen stets zu einer Überprüfung des Sachverhalts. In der Regel ist der Verwalter zunächst anzuhören. Nur ausnahmsweise, wenn sich aus den Akten der Sachverhalt bereits ergibt, kann darauf verzichtet werden. Die Aufsicht des Insolvenzgerichts bietet jedoch keinen Weg, Ansprüche gegen den Verwalter durchzusetzen, die ihren Grund nicht in einer verfahrensbezogenen Pflichtverletzung haben. Macht der Aussonderungsgläubiger in einer Beschwerde geltend, dass der Verwalter nicht gewillt ist, einen Gegenstand aus der Masse herauszugeben, bietet dies keinen Anlass für Aufsichtsmaßnahmen. Dies wäre nur möglich, wenn das Insolvenzgericht die Berechtigung des Herausgabeanspruchs prüfen würde, was gerade nicht in der Kompetenz des Insolvenzgerichts liegt.
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Daneben erfüllt das Insolvenzgericht seine Aufsichtspflicht durch die Prüfung der Rechnungslegung (§ 66). 2.
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Umfang der Aufsicht
Inhaltlich darf sich die Ausübung der Aufsicht des Insolvenzgerichts nur auf insolvenztypische Pflichten und Tätigkeiten3) des Verwalters beschränken, z. B. verspätete oder fehlerhafte Rechnungslegung, Nichteinreichung der Anmeldeunterlagen, keine getrennte Verwaltung der dem Verwalter anvertrauten Gelder, fehlerhafte Ausführung einer Verteilung. Eine Prüfung der Zweckmäßigkeit des Verwalterhandels kann nur ausnahmsweise stattfinden.4) So liegt die Entscheidung, das Unternehmen stillzulegen, beim Verwalter. Ob die Stilllegung wirtschaftlich angezeigt ist, prüft das Gericht nicht. Versäumt er hingegen, dazu den Gläubigerausschuss anzuhören (§ 158 Abs. 1), liegt eine verfahrensrechtliche Pflichtverletzung vor, die ein Einschreiten des Gerichts auslösen muss. Die Zweckmäßigkeit ist zu prüfen, wenn rechtsmissbräuchliches Handeln vorliegt oder eine Maßnahme des Verwalters _____________ 2) 3) 4)
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BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = ZInsO 2005, 483, dazu EWiR 2005, 677 (Eickmann). Eine Auflistung findet sich in Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 31. Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 38 ff; Eickmann in: HK-InsO, § 58 Rz. 3.
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§ 58
Aufsicht des Insolvenzgerichts
objektiv Schaden verursacht.5) Auch eine zögerliche Bearbeitung eines Verfahrens veranlasst eine Aufsichtsmaßnahme. Mit Zwangsgeld kann eine notwendige Handlung des entlassenen Verwalters erzwungen werden.6) Im Rahmen seines Aufsichtsrechts kann das Insolvenzgericht Auskunft in allen ihm zweckdienlich erscheinenden Formen verlangen. Dies schließt im Einzelfall auch die Ladung des Insolvenzverwalters zu einer mündlichen Anhörung und die Verhängung von Zwangsgeld zur Durchsetzung eines derartigen Termins mit ein.7) Das Amt des Insolvenzverwalters dauert solange fort, bis er alle Amtspflichten vollständig erfüllt hat.
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III. Maßnahmen des Insolvenzgerichts
Absatz 2 sieht als Zwangsmaßnahme die Androhung und Verhängung von Zwangsgeld vor. Das Zwangsgeld stellt die schärfste Form der Durchsetzung von Pflichten dar. Daneben bestehen noch weitere Möglichkeiten, Maßnahmen des Insolvenzgerichts gegenüber dem Verwalter durchzusetzen.
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Neben fristsetzenden schriftlichen Aufforderungen besteht die Möglichkeit, den Verwalter zu einem persönlichen Gespräch zu laden und ihn auf die Einhaltung einer konkreten Pflicht oder Durchführung einer Handlung hinzuweisen. In Einzelfällen kommt auch eine Kürzung der Vergütung in Betracht.8) Bleibt der Insolvenzverwalter einem vom Insolvenzgericht angeordneten Termin zu seiner Anhörung unentschuldigt fern, kann gegen ihn nur Zwangsgeld festgesetzt werden. Die Anordnung einer Erzwingungshaft kann nicht erfolgen.9)
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1.
Androhung des Zwangsgeldes
Vor der Verhängung des Zwangsgeldes ist dies anzudrohen (Abs. 2 Satz 1). In der Androhung ist die konkrete Pflichtverletzung zu bezeichnen, um dem Verwalter die Behebung zu ermöglichen. Ebenso muss der Betrag des Zwangsgeldes genannt sein. Zur Behebung ist eine konkrete Frist zu setzen. Die Länge der Frist sollte so bemessen sein, dass der Verwalter innerhalb der Frist sein Fehlverhalten korrigieren kann. Um die Erledigung durch den Verwalter zu kontrollieren, ist die Androhung zuzustellen.
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Erfüllt der Verwalter nach Androhung seine Pflicht, ist kein Zwangsgeldbeschluss erforderlich, denn das Zwangsgeld dient der Durchsetzung von Pflichten und hat keinen Sanktionscharakter.10)
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2.
Festsetzung und Höhe des Zwangsgeldes
Das Zwangsgeld wird durch Beschluss festgesetzt. Der rechtskräftige Beschluss ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Nr. 3 ZPO), der durch den Insolvenzrechtspfleger _____________ 5) 6) 7) 8)
Wimmer-Kind, FK-InsO, § 58 Rz. 5. BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = ZInsO 2005, 483. BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 2/09, ZIP 2010, 382 = NZI 2010, 147. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, ZIP 2004, 1214 = ZVI 2004, 367 – für den Fall der Vortäuschung einer Qualifikation. 9) BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 175/08, ZIP 2010, 190 = ZVI 2010, 268. 10) Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 51.
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463
15
§ 58
Aufsicht des Insolvenzgerichts
vollstreckt wird. Solange das Zwangsgeld noch nicht vollstreckt ist, kann der Verwalter die verlangte Handlung nachholen und die Aufhebung des Beschlusses verlangen.11) 16
Absatz 2 legt lediglich die maximale Höhe des einzelnen Zwangsgeldes fest (= 25 000 €). Die Höhe richtet sich am Einzelfall aus. Dabei kommt es auf die Bedeutung der Pflichtverletzung und die Wirkung auf den Verwalter an.12) Mehrere Zwangsgelder können, auch bei gleicher Pflichtverletzung, den Betrag von 25 000 € übersteigen.13) 3.
17
Wiederholte Zwangsgeldfestsetzung
Eine wiederholte Zwangsgeldfestsetzung ist möglich. Allerdings ist vor der wiederholten Festsetzung stets zu prüfen, ob der Verwalter noch geeignet ist, im Amt zu bleiben (vgl. § 59).14) Wird wegen einer Pflichtverletzung eine erneute Zwangsgeldfestsetzung erforderlich, ist eine erneute Androhung entbehrlich.15) Die Androhung unterliegt keinem Rechtsmittel.16) Die sofortige Beschwerde gegen die Androhung eines (weiteren) Zwangsgeldes gegen den Insolvenzverwalter ist unstatthaft.17) 4.
Rechtsmittel
18
Gegen den Zwangsgeldbeschluss steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu (Abs. 2 Satz 3).
19
Der Insolvenzverwalter kann mit der sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes, mit dem er zur Vornahme einer bestimmten Handlung angehalten werden soll, allerdings nicht die Zulässigkeit der vom Insolvenzgericht getroffenen Aufsichtsanordnung bekämpfen.18)
20
Ein Rechtsbehelf gegen die Anordnung des Insolvenzgerichts, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Insolvenzverwalters an Eides statt zu versichern, steht dem Verwalter nicht zur Seite.19) IV. Befangenheit des Richters/Rechtspflegers
21
Aufsichtsmaßnahmen des Insolvenzgerichts unterliegen, mit Ausnahme der Zwangsgeldfestsetzung und der Entlassung (§ 59) keinem Rechtsmittel. Im eröffneten Verfahren steht gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zur Verfügung. Eine Ablehnung wegen Befangenheit kommt _____________ 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19)
464
Wimmer-Kind, FK-InsO, § 58 Rz. 15. Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 54. BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = ZInsO 2005, 483. Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 53. Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 48; BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = ZInsO 2005, 483. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.11.2000 – 3 W 238/00, InVo 2001, 57. BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 170/10, ZIP 2011, 1123 = ZInsO 2011, 917, dazu EWiR 2011, 429 (Stephan). BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 170/10, ZIP 2011, 1123 = ZInsO 2011, 917. BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 177/08, ZIP 2010, 383 = NZI 2010, 159.
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§ 59
Entlassung des Insolvenzverwalters
für den Insolvenzverwalter nur in Betracht, wenn persönliche Ansprüche des Verwalters, z. B. Vergütungsansprüche, betroffen sind.20) V. Herausgabepflichten
Das Zwangsverfahren nach Absatz 2 findet entsprechende Anwendung, wenn der entlassene Verwalter Herausgabepflichten nicht erfüllt. Erfasst werden die unterlassene Herausgabe von Massegegenständen oder die Übergabe von Geschäftsunterlagen an den neuen Verwalter. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts bezieht sich die Regelung nur auf den nach § 59 entlassenen Verwalter und nicht auf den durch reguläre Verfahrensbeendigung aus dem Amt scheidenden Verwalter.21) _____________
22
20) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.3.2000 – 3 W 50/00, ZIP 2000, 1400 = NZI 2000, 222, dazu EWiR 2000, 1023 (Pape). 21) Wimmer-Kind, FK-InsO, § 58 Rz. 18, Graeber in: MünchKomm-InsO, § 58 Rz. 55.
§ 59 Entlassung des Insolvenzverwalters (1) 1Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen. 2Die Entlassung kann von Amts wegen oder auf Antrag des Verwalters, des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung erfolgen. 3Vor der Entscheidung des Gerichts ist der Verwalter zu hören. (2) 1Gegen die Entlassung steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu. Gegen die Ablehnung des Antrags steht dem Verwalter, dem Gläubigerausschuß oder, wenn die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt hat, jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. 2
Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Zweck .................................................... 2
I.
III. Verfahren .............................................. 3 Castrup
Vorbemerkung
Erfüllt der Verwalter seine Pflichten nicht oder ist er aufgrund anderer Umstände nicht mehr zur Führung des Amtes geeignet, kann ihn das Insolvenzgericht von Amts wegen oder auf Antrag entlassen. Die Regelung gilt ebenso für den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 1 Nr. 1), den Treuhänder (§ 313 Abs. 1 Satz 3 a. F., § 292 Abs. 3 Satz 2) und den Sachwalter (§ 247 Abs. 1).
1
II. Zweck
Zentrale Person des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter. Von seiner Arbeit hängt es in erster Linie ab, ob der Zweck des Verfahrens, die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, erreicht werden kann. Wird dieser Zweck aus Gründen, die in der Person des Verwalters liegen, nicht erfüllt, besteht die Möglichkeit, ihn aus dem Amt zu entlassen.
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2
§ 59
Entlassung des Insolvenzverwalters
III. Verfahren 3
Die Entlassung kann von Amts wegen und auf Antrag des Verwalters, des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung erfolgen. Einzelne Gläubiger sind nicht antragsberechtigt. Sie können lediglich die Einberufung einer Gläubigerversammlung beantragen, die einen Antrag beschließen kann. Der Antrag ist stets zu begründen,1) da er andernfalls nicht nachvollzogen werden kann. Einzelnen ist es unbenommen, das Insolvenzgericht auf Umstände hinzuweisen, die eine Entlassung rechtfertigen und so eine Entscheidung des Insolvenzgerichts auslösen. Im Eröffnungsverfahren kommt dem Insolvenzgericht eine besondere Amtspflicht zu, da Gläubigerorgane noch nicht vorhanden sind.
4
Voraussetzung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes, etwa eine wiederholte Pflichtverletzung, Amtsunfähigkeit infolge Krankheit,2) mangelnde Unabhängigkeit oder Interessenkollision.3) In Betracht kommt weiterhin die Begünstigung einzelner Gläubiger, in besonderen Fällen auch die nachhaltige Störung des Verhältnisses zwischen Gericht und Verwalter,4) z. B. durch die Weigerung, gerichtliche Anfragen zu beantworten.5) Da es sich bei einer Entlassung um die einschneidenste Maßnahme handelt, sind an die Prüfung des Grundes besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Entlassung setzt voraus, dass Maßnahmen nach § 58 Abs. 2 erfolglos geblieben sind.6) Die Verfehlungen müssen erheblich sein. Zu bedenken ist auch, dass das Auswechseln eines Verwalters zu Verzögerungen und zusätzlichen Verfahrenskosten führt. Allerdings offenbart ein Verwalter, gegen den der dringende Verdacht besteht, in einzelnen Insolvenzverfahren Vermögensdelikte zum Nachteil der Masse begangen zu haben, eine allgemeine charakterliche Ungeeignetheit für die Ausübung des Verwalteramtes, die es rechtfertigt, ihn auch in anderen, von den Straftaten nicht betroffenen Verfahren aus dem Amt zu entlassen.7) Auch eine Beauftragung eines vom Insolvenzverwalter selbst geleiteten Drittunternehmens zu überhöhten Preisen kann zu einer Entlassung führen.8)
5
Daneben kann der Verwalter auf eigenen Antrag aus dem Amt entlassen werden. Gründe können der gesundheitliche Zustand aber auch eine selbst erkannte Interessenkollision sein.
6
Die Entscheidung obliegt dem Insolvenzgericht. Eine der Neuwahl des Verwalters durch die Gläubigerversammlung entsprechende Kompetenz steht der Gläubiger_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 59 Rz. 15. Begr. zu § 70 RegE/§ 59 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 128, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 229; zu weiteren Gründen: Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 59 Rz. 6 ff. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 31.5.2000 – 3 W 94/00, ZInsO 2000, 398 = NZI 2000, 373, dazu EWiR 2001, 169 (Pape). OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.9.2000 – 3 W 205/00, NZI 2001, 631 = NJW-RR 2001, 631. BGH, Beschl. v. 3.4.2003 – IX ZB 373/02, www.bundesgerichtshof.de. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 59 Rz. 2. BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10, ZIP 2011, 671 = ZVI 2011, 167, dazu EWIR 2011, 389 (Voß). BGH, Beschl. v. 26.4.2012 – IX ZB 31/11, ZIP 2012, 1187, dazu EWIR 2012, 489 (Römermann).
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Vor §§ 60, 61
Vorbemerkung
versammlung nicht zu. Ebenso kann der Insolvenzverwalter sein Amt nicht durch Niederlegung beenden.9) Vor der Entscheidung ist der Verwalter anzuhören. Hierauf kann nur verzichtet werden, wenn der Verwalter selbst den Antrag stellt und antragsgemäß entschieden werden soll.
7
Die Entscheidung ergeht durch begründeten Beschluss.10) Es gilt § 18 RPflG, d. h. im eröffneten Verfahren entscheidet der Rechtspfleger.11) Gegen den die Entlassung aussprechenden Beschluss steht dem Verwalter, gegen die Ablehnung des Antrages auch dem Gläubigerausschuss, die sofortige Beschwerde zu. Hat die Gläubigerversammlung den Antrag gestellt, kann das Beschwerderecht nur durch einen Insolvenzgläubiger wahrgenommen werden.12) Die sofortige Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.13) Mit der Entlassung ist zugleich ein neuer Verwalter zu bestellen. Ebenso wie bei der Abwahl in der ersten Gläubigerversammlung muss jederzeit feststehen, wer die Verfügungsbefugnis im Verfahren innehat. _____________
8
9) 10) 11) 12) 13)
BGH, Beschl. v. 16.10.2003 – IX ZB 67/03, www.bundesgerichtshof.de. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 59 Rz. 19. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 59 Rz. 19; Wimmer-Kind, FK-InsO, § 59 Rz. 14. Wimmer-Kind, FK-InsO, § 59 Rz. 17. BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = ZInsO 2005, 483, dazu EWiR 2005, 677 (Eickmann).
Vor §§ 60, 61 Vorbemerkung Literatur: Jatzke, Die Haftung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters nach §§ 69, 34 (35) AO, ZIP 2007, 1977. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... II. Haftung des Insolvenzverwalters nach § 69 AO ........................................ 1. Vertreter i. S. der §§ 34, 35 AO ............ 2. Abgabenrechtliche Pflichtverletzung ................................................... 3. Schaden ..................................................
1 2 4 7 8
4.
Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden ............................. 9 5. Verschulden ......................................... 11 6. Anhörung der Berufskammer ............. 13 7. Haftungsmasse .................................... 14 8. Durchsetzung, Rechtsweg .................. 15 III. Haftung des Insolvenzverwalters nach den Einzelsteuergesetzen ......... 17 Paul
I.
Vorbemerkung
Neben der Haftung nach § 60 oder § 61 kann sich der Insolvenzverwalter auch nach den abgabenrechtlichen Vorschriften haftbar machen. Dabei ist sowohl eine Haftung nach § 69 AO als auch nach den Einzelsteuergesetzen möglich.
1
II. Haftung des Insolvenzverwalters nach § 69 AO
Grundlage für die allgemeine abgabenrechtliche Haftung bildet § 69 AO. Nach dieser Vorschrift haftet eine Person i. S. der §§ 34, 35 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihr auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt Paul
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2
Vor §§ 60, 61
Vorbemerkung
oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. 3
§ 69 AO beinhaltet einen besonderen Schadensersatzanspruch zu Gunsten des Fiskus.1) Die Norm stellt gegenüber § 60 ein lex specialis dar, soweit steuerrechtliche Pflichtverletzungen im Raum stehen. Zwischen § 61 und § 69 AO besteht hingegen einfache Gesetzeskonkurrenz. 1.
Vertreter i. S. der §§ 34, 35 AO
4
Sowohl der Insolvenzverwalter als auch der starke vorläufige Insolvenzverwalter sind Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO.2)
5
Für den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter gilt das hingegen selbst dann nicht, wenn er seine ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Verwaltungsbefugnisse überschreitet.3) Er wird hierdurch aber auch nicht zum Verfügungsberechtigten i. S. des § 35 AO. Die Norm erfordert nämlich die Fähigkeit, aufgrund bürgerlichrechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln. Eine nur tatsächliche Verfügungsmöglichkeit reicht nicht aus.4)
6
Vermögensverwalter ist ebenfalls der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren; keinen Vermögensverwalter stellt demgegenüber wiederum der Treuhänder der Wohlverhaltensperiode dar.5) 2.
7
Abgabenrechtliche Pflichtverletzung
Der Insolvenzverwalter muss eine abgabenrechtliche Pflicht verletzt haben. Eine Pflichtverletzung in diesem Sinne liegt daher z. B. vor, wenn der Insolvenzverwalter seinen Mitwirkungs- und Leistungspflichten im Festsetzungs- und Erhebungsverfahren nicht genügt oder wenn er seinen Steuerzahlungspflichten nicht nachkommt.6) Der Insolvenzverwalter hat deshalb die Insolvenzmasse nicht nur zur quotalen Befriedigung des Fiskus zu verwenden, sondern die Masse auch bereits vor Fälligkeit der Steuern so zu verwalten, dass er die Steuerverbindlichkeiten bei Fälligkeit tilgen kann. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn die noch vorhandene Masse zur Vorabbefriedigung anderer Gläubiger eingesetzt wird, so dass der Fiskus (anteilig) nicht mehr bedient werden kann.7) Demgegenüber ist ein Insolvenzverwalter nicht schon grundsätzlich gehindert, umsatzsteuerpflichtige Geschäfte abzuwickeln. Er kann insbesondere bei einem Grundstücksgeschäft auf die Steuerfreiheit nach § 9 Abs. 1 UStG verzichten.8) Allerdings muss er dann dafür Sorge tragen, dass der aus dem Grundstücksumsatz resultierende Steueranspruch erfüllt werden kann. Daran fehlt es, wenn der Verwalter den Bruttokaufpreis in Kenntnis _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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BFH, Urt. v. 5.3.1991 – VII R 93/88, BStBl. II 1991, 678 = ZIP 1991, 1008. K. Schmidt-Schmittmann, InsO, Anh. Steuerrecht Rz. 82. BFH, Beschl. v. 27.5.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 = ZIP 2009, 2255. BFH, Beschl. v. 27.5.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 = ZIP 2009, 2255. K. Schmidt-Schmittmann, InsO, Anh. Steuerrecht Rz. 82. Vgl. zu weiteren steuerrechtlichen Pflichtverletzungen die Aufzählung bei Waza/Uhländer/ Schmittmann-Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1252. BFH, Urt. v. 26.4.1984 – V R 128/79, ZIP 1984, 1345 = GmbHR 1985, 30. BFH, Urt. v. 28.11.2002 – VII R 41/01, ZIP 2003, 582 = ZInsO 2003, 276.
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Vor §§ 60, 61
Vorbemerkung
der Tatsache an einen Grundpfandgläubiger abtritt, dass sonstige Mittel zur Tilgung der Steuerschuld nicht zur Verfügung stehen.9) Der Verwalter muss dann auf eine Nettokaufpreisabrede hinwirken.10) 3.
Schaden
Ein Schaden ist entstanden, wenn Steueransprüche nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. 4.
8
Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden
Die Pflichtverletzung muss für den Schaden, also den Steuerausfall kausal geworden sein. Das kann z. B. zweifelhaft sein, wenn die Pflichtverletzung in der Nichterfüllung einer Mitwirkungspflicht besteht. Hat also der Verwalter eine Steuererklärung nicht abgegeben, haftet er nur dann nach § 69 AO, wenn – was konkret zu prüfen ist – der Steuerausfall bei Abgabe der Steuererklärung geringer gewesen wäre. Dementsprechend fehlt es an der adäquaten Kausalität, wenn auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der steuerlichen Pflichten mangels genügender Masse die Steuerverbindlichkeiten nicht hätten bedient werden können.11)
9
Zu einer weiteren Begrenzung der Haftung führt der Grundsatz der anteiligen Tilgung. Dieser besagt, dass der Steuerpflichtige (bzw. hier der Insolvenzverwalter) alle Gläubiger in etwa gleichem Maße zu befriedigen hat. Sie müssen also alle ungefähr die gleiche Quote auf ihre Forderungen erhalten. Hiergegen wird verstoßen, wenn einzelne Gläubiger eine Vorwegbefriedigung erhalten. Allerdings haftet der Insolvenzverwalter bei einem solchen Verstoß nur in Höhe der Differenz zwischen dem Betrag, der sich bei Annahme einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger rechnerisch ergeben würde, und dem Steuerbetrag, der im Haftungszeitraum tatsächlich an das Finanzamt abgeführt worden ist.12) In einigen besonderen Konstellationen hat der BFH zur Haftungserweiterung führende Ausnahmen von der Geltung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung anerkannt.13)
10
5.
Verschulden
Der Insolvenzverwalter haftet nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Anders als bei § 60 wird also nicht für einfache Fahrlässigkeit gehaftet. Soweit bei leicht fahrlässiger Verletzung steuerlicher Pflichten demnach eine Haftung nach § 69 AO ausgeschlossen ist, kommt nicht § 60 zur Anwendung, da andernfalls der begrenzte Verschuldensmaßstab von § 69 AO leerlaufen würde.
11
Grob fahrlässig i. S. des § 69 AO wird gehandelt, wenn der Insolvenzverwalter unter Berücksichtigung seiner persönlichen Kenntnisse und seiner individuellen Fähigkeiten die erforderliche Sorgfalt bei der Erledigung der Steuerangelegenheiten _____________
12
9) BFH, Urt. v. 28.11.2002 – VII R 41/01, ZIP 2003, 582 = ZInsO 2003, 276. 10) BFH, Urt. v. 16.12.2003 – VII R 77/00, ZIP 2004, 1319 (LS) = DStR 2004, 500. 11) BFH, Urt. v. 5.3.1991 – VII R 93/88, BStBl. II 1991, 678 = ZIP 1991, 1008; BFH, Urt. v. 01.08.2000 – VII R 110/99, BStBl. II 2001, 271 = DStR 2000, 1954. 12) Jatzke, ZIP 2007, 1977 m. zahlr. N. aus der Rspr. 13) BFH, Urt. v. 21.6.1994 – VII R 34/92, ZIP 1995, 229 = DStR 1994, 1772 – unberechtigter Steuerausweis; BFH, Urt. v. 28.11.2002 – VII R 41/01, ZIP 2003, 582 = ZInsO 2003, 276 – Verzicht auf USt-Befreiung und Abtretung der Bruttoforderung.
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§ 60
Haftung des Insolvenzverwalters
des Schuldners in ungewöhnlich großem Maße verletzt.14) Es gilt also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. 6. 13
Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Steuerberater etc. wegen einer Pflichtverletzung ein Haftungsbescheid erlassen werden kann, ist der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 191 Abs. 2 AO). Die Vorschrift gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter tätig wird.15) 7.
14
Anhörung der Berufskammer
Haftungsmasse
Der Haftungsanspruch richtet sich gegen den Verwalter persönlich, nicht hingegen gegen die – in derartigen Haftungssituationen ohnehin oft unzulängliche – Insolvenzmasse. Der Anspruch ist summenmäßig nicht beschränkt. 8.
Durchsetzung, Rechtsweg
15
Die Geltendmachung des Haftungsanspruchs erfolgt mittels Haftungsbescheid (§ 191 AO). Ob die Finanzverwaltung den Haftungsbescheid erläßt, liegt in ihrem doppelten Ermessen (Entschließungs- und Auswahlermessen).
16
Gegen den Bescheid ist nach erfolglosem Einspruchsverfahren der Weg zur Finanzgerichtsbarkeit eröffnet. III. Haftung des Insolvenzverwalters nach den Einzelsteuergesetzen
17
Als mögliche Haftungstatbestände aus den Einzelsteuergesetzen kommen u. a. in Betracht: § 42d EStG (Lohnsteuerhaftung), § 48a Abs. 3 EStG (Bauabzugsteuer), § 13c Abs. 1 UStG (Umsatzsteuerhaftung bei Forderungsabtretung), § 11 GrStG (Grundsteuerhaftung).16) _____________ 14) Waza/Uhländer/Schmittmann-Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1255. 15) BFH, Urt. v. 17.10.1957 – V 167/55 U, BStBl. 1957, 453 = NJW 1958, 440. 16) Zu weiteren Anwendungsfällen vgl. Jatzke, ZIP 2007, 1977 (Fn. 8).
§ 60 Haftung des Insolvenzverwalters Webel
(1) 1Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. 2 Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen. (2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.
470
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§ 60
Haftung des Insolvenzverwalters
Literatur: App, Zur Haftung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, ZKF 2010, 131 f; Hofmann, Eigenverwaltung, 2013; Lüke, Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, 4. Aufl. 2011; Smid, Die Haftung des Insolvenzverwalters in der Insolvenzordnung – Kontinuität und Diskontinuität des Rechts der Haftung des Insolvenzverwalters, in: Kölner Schrift, S. 453, 2. Aufl. 2000; Webel, Die Haftung des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 61 InsO, 2008. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Anwendungsbereich ............................ 2 III. Pflichtverletzung gegenüber einem Beteiligten ................................. 3 1. Der Begriff insolvenzspezifische Pflichtverletzung ................................... 3 2. Der Schuldner ........................................ 4 3. Die Insolvenzgläubiger ......................... 8 4. Die Massegläubiger ............................. 12
5.
Die Aus- und Absonderungsberechtigten ......................................... 13 IV. Haftung i. R. der Eigenverwaltung ................................................ 16 V. Verschulden (Abs. 1) ......................... 17 VI. Haftung für Dritte (Abs. 2) .............. 21 VII. Haftung aus anderen Rechtsgründen und Mithaftende ................. 23 VIII. Verfahrensfragen ............................. 25 IX. Umfang des Schadensersatzes .......... 26
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I.
Normzweck
§ 60 ist die Nachfolgeregelung des § 82 KO. Die Vorschrift ist ein spezieller Haftungstatbestand, der das Vermögen derjenigen Personen schützen soll, die mit der Amtsführung des Verwalters in Berührung kommen.1) Sie soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass dem Insolvenzverwalter im Interesse der Ziele des Insolvenzverfahrens ein erheblicher Einfluss zukommt.2) Dabei wird der besonderen Situation des Insolvenzverfahrens durch die Bestimmung eines verwalterspezifischen Sorgfaltsmaßstabes in Absatz 1 Satz 2 ebenso Rechnung getragen wie durch die besondere Verschuldensregelung in Absatz 2. Geregelt ist der Ersatz des Schadens von „Beteiligten“ des Insolvenzverfahrens, die Norm ist Anspruchsgrundlage sowohl für den Ersatz des Schadens, der einem einzelnen Verfahrensbeteiligten entstanden ist (Individual- oder Einzelschaden), als auch für einen Gesamtschaden, also einen Schaden, der zu einer Masseverkürzung geführt hat und so einem Kollektiv von Beteiligten entstanden ist. Im letzteren Fall ist betreffend der Geltendmachung § 92 zu beachten. Im Fall eines Schadens infolge der Nichterfüllung durch den Verwalter begründeter Masseverbindlichkeiten geht § 61 als lex specialis vor.
1
II. Anwendungsbereich
Die Vorschrift betrifft sowohl den Insolvenzverwalter bzw. die Personen, die in besonderen Verfahren dessen Aufgaben wahrnehmen, also den Sachwalter bei der Eigenverwaltung (§ 274 Abs. 1), den vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren (§§ 270a, 270b, 274 Abs. 1) und den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren (§ 313 Abs. 1 a. F.), als auch den vorläufigen Insolvenzverwalter3) (§ 21 Abs. 2 Nr. 1). Auch für Pflichtverletzungen i. R. der Planerfüllung gemäß § 261 Abs. 1 Satz 2 findet § 60 Anwendung.4) Mangels entsprechender Verweisung in _____________ 1) 2) 3) 4)
Lohmann in: HK-InsO, § 60 Rz. 1 Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 2. Vgl. hierzu ausführl. App, ZKF 2010, 131 f. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 60 Rz. 69.
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2
§ 60
Haftung des Insolvenzverwalters
§ 292 Abs. 2 Satz 3 findet die Norm keine Anwendung auf den Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren.5) Hier kommt allerdings eine Haftung aufgrund insolvenzspezifischer Pflichtverletzungen gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.6) III. Pflichtverletzung gegenüber einem Beteiligten 1. 3
2. 4
Der Begriff insolvenzspezifische Pflichtverletzung
Ob und inwieweit eine insolvenzspezifische Pflichtverletzung i. S. des § 60 vorliegt ist im Kontext des Beteiligtenbegriffs zu beurteilen. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 ist, dass dieser gegenüber einem am Insolvenzverfahren Beteiligten eine (Amts-)Pflicht verletzt hat. Dabei muss sich die Pflicht aus der InsO ergeben (Abs. 1 Satz 1). Die Einschränkung der Haftung auf insolvenzspezifische Pflichten ist deshalb erforderlich, da das Insolvenzrecht als Kollisionsrecht andere dem Insolvenzverwalter obliegende Verpflichten gegenüber am Insolvenzverfahren Beteiligten weitestgehend suspendiert.7) Die Vorschrift soll insbesondere einen Ausgleich dafür herstellen, dass beispielsweise die Insolvenzgläubiger ihren Anspruch nur über den Verwalter realisieren können.8) Beteiligte i. S. der Norm sind alle, denen gegenüber dem Insolvenzverwalter insolvenzspezifische Pflichten obliegen.9) Nicht insolvenzspezifisch sind solche Pflichten, die den Verwalter wie jeden Vertreter fremder Interessen gegenüber Dritten treffen sowie i. A. Pflichten, die dem Insolvenzverwalter als Verhandlungs- oder Vertragspartner eines Dritten auferlegt sind.10) Eine Haftung nach § 60 kann nur dann begründet sein, wenn diesem Dritten gegenüber besondere, insolvenzspezifische Pflichten bestehen, deren Erfüllung durch die Verletzung der anderen Pflichten gefährdet wird.11) Die insolvenzspezifischen Pflichten müssen daher für den konkreten Anspruchsteller Schutzwirkung entfalten. Die Beteiligten sind im Einzelnen: Der Schuldner
Dem Schuldner gegenüber hat der Verwalter jedenfalls die Pflicht zur sorgfältigen und bestmöglichen Masseverwertung, um auf diese Weise eine größtmögliche Enthaftung oder gar einen Überschuss zu erzielen und so dem Schuldner einen Neu_____________ 5) Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 6 m. w. N. zum Streitstand; offenlassend BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZIP 2008, 1685 = ZVI 2008, 530. 6) AG Köln, Urt. v. 21.3.2013 – 137 C 566/12, ZVI 2013, 314 ff. 7) A. Schmidt-Weitzmann, InsO, § 60 Rz. 1. 8) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 60 Rz. 12. 9) BGH, Urt. v. 26.6.2001 – IX ZR 209/98, ZIP 2001, 1376, 1377 = NZI 2001, 533, dazu EWiR 2001, 823 (Pape). 10) BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 f = ZVI 2008, 208, dazu EWiR 2008, 309 (H.-G. Eckert); vgl. auch BGH, Urt. v. 10.12.2009 – IX ZR 220/08, ZIP 2010, 242 = ZVI 2010, 322, dazu EWiR 2010, 253 (Kexel), der betreffend die Ausfallansprüche eines vom Insolvenzverwalter beauftragten Zwangsverwalters eine insolvenzspezifische Pflicht verneint. 11) BGH, Urt. v. 25.1.2007 – IX ZR 216/05, ZIP 2007, 539 ff = ZVI 2007, 375, dazu EWiR 2007, 437 (Ferslev); BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 f = ZVI 2008, 208.
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anfang zu ermöglichen.12) Handelt es sich beim Schuldner um eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind die organschaftlichen Vertreter – z. B. die persönlich haftenden Gesellschafter – als Beteiligte anzusehen.13) Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die wirtschaftliche Werthaltigkeit des Gesellschaftsanteils beeinträchtigt wird, wird man auch die anderen Gesellschafter, wie z. B. die einer GmbH, als Beteiligte i. S. der Norm ansehen müssen.14) Eine denkbare Pflichtverletzung stellt weiterhin die nicht ordnungsgemäße Buchführung und/oder Rechnungslegung (§§ 151 – 153) dar; die entsprechenden handelsund steuerrechtlichen Pflichten (§ 155) obliegen dem Insolvenzverwalter auch gegenüber dem Schuldner.15) Deshalb ist er etwa verpflichtet, einen ihm zugegangenen Steuerbescheid, der die Masse betrifft, auf Richtigkeit zu überprüfen und ggf. dagegen vorzugehen.16) Auch eine übereilte Unternehmensveräußerung oder eine solche unter Wert können eine Pflichtverletzung bedeuten.17) Außerhalb der Verwertung der Insolvenzmasse besteht keine Verpflichtung, dem Schuldner Vorteile, z. B. Steuervorteile zu verschaffen oder dessen Interessen bei der Durchsetzung nicht insolvenzbefangener Ansprüche gegen Drittschuldner durchzusetzen.18) Ein Verwalter handelt grundsätzlich nicht pflichtwidrig, wenn er die Pfändung eines Gegenstands veranlasst und dabei über hinreichende Anhaltspunkte darüber verfügt, dass sich der Gegenstand im Gewahrsam des Schuldners befindet. Insbesondere hat er keine über die Verpflichtung des Gerichtsvollziehers hinausgehende Pflicht zur „Vorprüfung“ der Eigentumsverhältnisse.19)
5
Dagegen stellt es eine Pflichtverletzung dar, wenn der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners verfügt, welches nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt; insofern hat er auch mögliche Abführungspflichten bei von ihm eingezogenen Vermögensgegenständen zu beachten, etwa in Ansehung der Pfändungsfreigrenzen.20)
6
Trotz der Erwähnung des Insolvenzplans in § 1 ist der Verwalter nur bei einer Beauftragung durch die Gläubigerversammlung nach § 157 Satz 2 zur Aufstellung
7
_____________ 12) Smid in: Kölner Schrift, S. 453, 465, Rz. 33. 13) BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425 = WM 1985, 422, 424, dazu EWiR 1985, 313 (Kübler). 14) Smid in: Kölner Schrift, S. 453, 463, Rz. 28 (2. Abs.); so auch Kommanditisten: BGH, Urt. v. 16.9.2010 – IX ZR 121/09, ZIP 2010, 2164 = NZI 2010, 956, dazu EWiR 2010, 827 (Müller). 15) BGH, Urt. v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, ZIP 1980, 25 = NJW 1979, 2212; BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZIP 2008, 1685 ff = ZVI 2008, 530; BGH, Urt. v. 16.9.2010 – IX ZR 121/09, ZIP 2010, 2164 = NZI 2010, 956. 16) BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZIP 2008, 1685 ff = ZVI 2008, 530. 17) BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425 = WM 1985, 422, 424. 18) BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZIP 2008, 1685 ff = ZVI 2008, 530. 19) AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 21.8.2013 – 818 C 282/12, ZInsO 2013, 1967 ff. 20) BGH, Beschl. v. 10.7.2008 – IX ZB 172/07, NZI 2008, 560 f = ZInsO 2008, 921; BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZIP 2008, 1685 ff = ZVI 2008, 530 – zur Einziehung unpfändbarer Versorgungsbezüge.
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eines solchen verpflichtet. Daher kann in allen anderen Fällen die Nichtaufstellung eines Insolvenzplans keine Pflichtverletzung darstellen.21) 3.
Die Insolvenzgläubiger
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Pflichtverletzungen gegenüber den Insolvenzgläubigern werden häufig zu einem Gesamtschaden führen (vgl. oben Rz. 1, § 92 Rz. 3 ff). Dennoch sind auch Individualschäden insbesondere aus Fehlern bei der Feststellung der Forderungen und der Masseverteilung denkbar.22)
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Nach § 148 Abs. 1, § 159 obliegt es dem Verwalter, die Masse in Besitz und Verwaltung zu nehmen und bestmöglich zu verwerten.23) Jegliche Masseverkürzung, so etwa die Anerkennung unberechtigter Forderungen und das Unterlassen, erreichbare Vermögenswerte zur Masse zu ziehen,24) kann den Haftungsanspruch auslösen,25) so auch etwa die Veräußerung eines Schuldnerbetriebs unter Wert.26) Es besteht den Insolvenzgläubigern gegenüber keine unmittelbare Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung. Unterlässt er diese jedoch und führt dies zur Anmeldung einer geschätzten überhöhten Forderung des Finanzamtes, so kann der Verwalter hierdurch seine Pflicht zur bestmöglichen Befriedigung verletzen.27)
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Eine Pflichtverletzung ist des Weiteren die Nichtanzeige einer Verhinderung an der Amtsführung, insbesondere einer nicht unbedeutenden Interessenkollision, wenn durch diese besondere Kosten entstanden sind.28) Eine Haftung nach § 60 begründet auch das Verjährenlassen von mit wirtschaftlich sinnvollem Aufwand durchsetzbaren Schadensersatzforderungen.29) Gleiches gilt für die verspätete Zahlung von zur Tabelle angemeldeten Steuerforderungen, soweit sie als Insolvenzforderungen einzuordnen sind. Handelt es sich hingegen um Masseforderungen, so greift § 69 AO ein.30) Ebenso führt das Nichtbeachten einer angemeldeten und festgestellten Forderung bei der Aufstellung des Schlussverzeichnisses zu einer Haftung, in diesem Falle auch zu einem Individualschaden.31)
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Keine Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt besteht beim Widerspruch gegen eine im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgte
_____________ 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29) 30)
31)
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Smid in: Kölner Schrift, S. 453, 466, Rz. 40. Vgl. Lohmann in: HK-InsO, § 60 Rz. 19 f. BGH, Urt. v. 22.2.1973 – VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198. Auch klageweise, vgl. etwa LG Düsseldorf, Urt. v. 10.1.2011 – 7 O 193/09, ZIP 2011, 441 = ZVI 2011, 254 – zur Unterlassung einer Klage gegen einen Umsatzsteuerbescheid. BGH, Urt. v. 22.2.1973 – VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198. OLG Rostock, Urt. v. 8.4.2011 – 5 U 31/08, ZInsO 2011, 1511 = NZI 2011, 488. Smid in: Kölner Schrift, S. 453, 467, Rz. 41. BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, NJW 1991, 982, 985 = ZIP 1991, 324, dazu EWiR 1991, 275 (Gottwald). BGH, Urt. v. 28.10.1993 – IX ZR 21/93, ZIP 1993, 1886, 1887 = NJW 1994, 323, dazu EWiR 1994, 173 (Braun). BGH, Urt. v. 1.12.1988 – IX ZR 61/88, NJW 1989, 303, 304 = ZIP 1989, 50, dazu EWiR 1989, 389 (Wellensiek); vgl. auch FG Münster, Urt. v. 1.7.2010 – 3 K 3206/06 L, ZInsO 2010, 1896 – einfache Gesetzeskonkurrenz. OLG Celle, Urt. v. 5.10.1993 – 16 U 12/93, ZIP 1993, 1720, 1721 = NJW-RR 1994, 1152, dazu EWiR 1993, 1099 (Pape).
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Kontobelastung, selbst wenn keine sachlichen Einwendungen bestehen.32) Eine Haftung wegen fehlerhafter Rechtsauskünfte des Verwalter gegenüber den Insolvenzgläubigern kommt nicht in Betracht, da es sich um keine insolvenzspezifische Pflicht handelt.33) 4.
Die Massegläubiger
Die Haftung gegenüber Massegläubigern aufgrund der (pflichtwidrigen) Begründung von Masseverbindlichkeiten aus § 60 kommt nicht in Betracht, da § 61 insoweit als Spezialvorschrift vorgeht. Es kommt daher eine Haftung gemäß § 60 nur in den Fällen einer fehlerhaften Verteilung der Masse in Betracht. Den Massegläubigern gegenüber ist der Verwalter gemäß § 53 verpflichtet, ihre Ansprüche vorweg aus der Insolvenzmasse zu erfüllen. Reicht die Masse hierzu nicht aus, so ist die Rangfolge des § 209 zu beachten. Grundsätzlich hat der Verwalter die Masseverbindlichkeiten zu begleichen, sobald Fälligkeit eingetreten ist; vor jeder Verteilung der Masse muss er kontrollieren, ob die anderen Masseverbindlichkeiten rechtzeitig und vollständig aus der verbleibenden Insolvenzmasse bezahlt werden können. Sind mehrere Masseschulden fällig und einredefrei, ist der Insolvenzverwalter angesichts des Gleichrangs der Massegläubiger verpflichtet, sie nur anteilig zu befriedigen, sofern er momentan zur vollständigen Bezahlung nicht in der Lage ist.34) Die Durchführung einer durch einen Insolvenzplan geregelten Befriedigungsreihenfolge ist nur nach Maßgabe des § 217 möglich, eine vorrangige Befriedigung von Insolvenzgläubigern vor Massegläubigern begründet eine Haftung gemäß § 60.35) Erkennt der Verwalter eine drohende Masseunzulänglichkeit, darf er gleichrangige Masseverbindlichkeiten allenfalls i. H. d. nach § 209 Abs. 1 zu erwartenden Quote begleichen.36) Eine insolvenzspezifische, zum Schutz der Gläubiger bestehende Pflicht, so rechtzeitig Masseunzulänglichkeit anzuzeigen, dass der Masse aufgezwungene Verbindlichkeiten ab deren Eintritt bevorzugt mit dem Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 befriedigt werden, besteht aber nicht.37) Führt eine Handlung des Verwalters zur Schädigung eines Massegläubigers, so liegt regelmäßig ein Individualschaden vor, der bereits während des Insolvenzverfahrens von dem Gläubiger geltend gemacht werden
_____________ 32) BGH, Urt. v. 4.11.2004 – IX ZR 22/03, NZI 2005, 99, 102 = ZIP 2004, 2442, dazu EWiR 2005, 121 (Gundlach/Frenzel); BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZR 173/02, ZIP 2006, 2046 = ZVI 2006, 510; BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273 ff = ZVI 2008, 64; BGH, Urt. v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009, 673 f = ZInsO 2009, 659, dazu EWiR 2009, 481 (Keller). 33) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 60 Rz. 23b m. w. N. 34) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 611 = NZI 2004, 435, 436, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender). 35) OLG Celle, Urt. v. 18.10.2012 – 16 U 68/12, juris. 36) BAG, Urt. v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, ZIP 2007, 1169 f = ZInsO 2007, 781, dazu EWiR 2007, 625 (Ferslev); BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38 ff = NZI 2012, 40; BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 f = ZInsO 2010, 2323, dazu EWiR 2011, 123 (Fuchs). 37) BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 f = ZInsO 2010, 2323 – bzgl. nachfolgender Wohngeldansprüche einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
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kann. Dies gilt auch dann, wenn der Ausfall des Massegläubigers gerade auf einer Masseverkürzung durch den Verwalter beruht.38) 5.
Die Aus- und Absonderungsberechtigten
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Eine Haftung des Verwalters gegenüber den Aus- und Absonderungsberechtigten kommt in Betracht, wenn der Verwalter deren Rechte vereitelt oder verletzt.39) Der Verwalter ist verpflichtet, diese Rechte zu wahren und etwa an der – auch unverzögerten40) – Herausgabe der auszusondernden Gegenstände mitzuwirken.41) Auch dem Absonderungsberechtigten gegenüber ist er verpflichtet, einem Wertverlust des belasteten Gegenstands entgegenzuwirken;42) er muss ggf. auch einer freihändigen Veräußerung zustimmen, wenn ein höherer Erlös als bei einer Versteigerung zu erwarten ist.43)
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Im Hinblick auf Aussonderungsrechte ist indes zu beachten, dass zugunsten des Verwalters eine doppelte Vermutung des § 1006 BGB eingreifen kann. Zunächst wird danach vermutet, dass Sachen, die sich im Eigenbesitz des Schuldners befinden, ihm gehören. Sodann wird – über den Wortlaut des § 1006 Abs. 1 BGB hinaus – Eigenbesitz vermutet, wenn der Schuldner unmittelbarer Besitzer ist.44) Wer einen im unmittelbaren Besitz des Schuldners befindlichen Gegenstand aussondern will, hat daher diesen näher zu bezeichnen und die Umstände konkret darzulegen, auf die er sein Aussonderungsrecht stützt. Gleichfalls muss ein Absonderungsberechtiger die Entstehung seines Rechts konkret darlegen. Kann aufgrund der Angaben des Anspruchstellers – oder aufgrund dem Verwalter anderweitig bekannt gewordener Informationen – ein Aus- oder Absonderungsrecht bestehen, muss er sich auf dieses einrichten, selbst wenn er es bestreiten will.45) Ohne solche Angaben kann von dem Verwalter zwar nicht erwartet werden, dass er selbst nachforscht, ob sich Anhaltspunkte für ein Aus- bzw. Absonderungsrecht ergeben. Anlass, von sich aus Aus- und Absonderungsrechten nachzugehen, hat der Verwalter allerdings regelmäßig bei Rohstoffen, Erzeugnissen und Waren, die branchenüblich unter Eigentumsvorbehalt geliefert werden.46) Der Verwalter ist nicht gehalten, in den Büchern _____________ 38) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 611 = NZI 2004, 435, 436; BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – IX ZB 200/05, ZIP 2006, 1683 f = ZInsO 2006, 936. 39) BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, ZIP 2011, 1419 = NZI 2011, 602, dazu EWiR 2011, 603 (Hackenberg); BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – IX ZR 57/10, – juris; BGH, Urt. v. 9.3.2006 – IX ZR 55/04, ZIP 2006, 859 ff = ZInsO 2006, 429; BGH, Urt. v. 5.3.1998 – IX ZR 265/97, ZIP 1998, 655 ff = WM 1998, 838, dazu EWiR 1998, 695 (Undritz). 40) Vgl. etwa BGH, Beschl. v. 16.10.2008 – IX ZR 207/06, – juris. 41) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 ff = ZInsO 2006, 100, dazu EWiR 2006, 179 (Pape). 42) BGH, Urt. v. 9.3.2006 – IX ZR 55/04, ZIP 2006, 859 ff = ZInsO 2006, 429 zur GesO. 43) In diesem Fall als mitbestimmender vorl. Verwalter, BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, ZIP 2011, 1419 = NZI 2011, 602. 44) BGH, Urt. v. 19.1.1994 – IV ZR 207/92, ZIP 1994, 371, 372 = NJW 1994, 939, 940, dazu EWiR 1994, 1185 (Koch). 45) BGH, Urt. v. 9.5.1996 – IX ZR 244/95, NJW 1995, 2233, 2235 = ZIP 1996, 1181, dazu EWiR 1996, 753 (Uhlenbruck) – für das Aussonderungsrecht. 46) Brandes/Schoppmeyer in: MünchKomm-InsO, §§ 60, 61 Rz. 55.
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und im Warenlager zeitraubende Nachforschungen anzustellen, inwieweit Vorräte im fremden Eigentum stehen.47) Eine Schadensersatzpflicht kann sich auch aus einer Verletzung der nach §§ 167, 168 dem Verwalter obliegenden Auskunfts- und Mitteilungspflichten48) sowie der Pflicht zur Zinszahlung (§ 169), zur unverzüglichen Abführung des Verwertungserlöses (§ 170 Abs. 1 Satz 2)49) und zur Ausgleichszahlung (§ 172 Abs. 1) ergeben. Im Verhältnis zu Grundpfandgläubigern kann eine Pflichtverletzung in der Veräußerung von Zubehör unter Wert liegen.
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IV. Haftung i. R. der Eigenverwaltung
Aufgrund der Verweisung des § 274 Abs. 1 und damit über § 270a Abs. 1 Satz 2 auch im Eröffnungsverfahren, ist der Sachwalter den Beteiligten bei Verletzung seiner insolvenzrechtlichen Pflichten zum Schadensersatz verpflichtet. Der eingeschränkte Pflichtenkreis des Sachwalters bestimmt insoweit auch die möglichen insolvenzrechtlichen Pflichtverletzungen.50) Als mögliche Pflichtverletzungen kommen insbesondere die unzureichende Überwachung des Schuldners (§ 274 Abs. 2), eine unterbleibende Nachteilsanzeige (§ 274 Abs. 3) oder Versäumnisse i. R. der Insolvenzanfechtung (§ 280) in Betracht.51)
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V. Verschulden (Abs. 1)
Absatz 1 Satz 1 verlangt ein schuldhaftes Verhalten des Verwalters. Insoweit gilt – mangels einer speziellen Regelung – der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB.52) Danach hat der Verwalter grundsätzlich sowohl Vorsatz als auch jede Art von Fahrlässigkeit zu vertreten. Wann der Verwalter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, also fahrlässig gehandelt hat (§ 276 Abs. 2 BGB), bestimmt sich nach Absatz 1 Satz 2. Danach hat er für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.53) Die Gesetzesformulierung ist zwar an § 347 HGB oder § 93 AktG angelehnt, jedoch sind die Besonderheiten der Aufgaben eines Verwalters hierbei zu berücksichtigen und nicht dieselben Anforderungen wie an einen Kaufmann oder Vorstand eines _____________ 47) Brandes/Schoppmeyer in: MünchKomm-InsO, §§ 60, 61 Rz. 55; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.6.1987 – 23 U 150/86, ZIP 1988, 450 ff. 48) Vgl. etwa OLG Frankfurt/M., Urt. v. 9.7.2010 – 2 U 34/06, – juris – unterlassene Mitteilung der Veräußerung bei einem bestehenden Vermieterpfandrecht. Die Mitteilungspflicht besteht jedoch nicht zu dem Zweck, dem Absonderungsberechtigten einem möglichst günstigen Selbsterwerb zu ermöglichen; eine Veräußerung bei dieser Sachlage ohne nochmalige Mitteilung stellt in der Regel keine Pflichtwidrigkeit dar, BGH, Beschl. v. 22.4.2010 – IX ZR 208/08, ZIP 2010, 1089 ff m. w. N. = ZVI 2010, 220. 49) BGH, Urt. v. 2.12.1993 – IX ZR 241/92, ZIP 1994, 140, 141 = WM 1994, 219, dazu EWiR 1994, 229 (Stadler). 50) Kübler/Prütting/Bork-Pape, InsO, § 274 Rz. 53. 51) Hofmann, Eigenverwaltung, Rz. 492, 493. 52) Dies gilt auch dann, wenn ein möglicher Haftungsfall überwiegend steuerrechtliche Fragen betrifft; der Verschuldensmaßstab des § 69 AO ist nicht einschlägig, vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 10.1.2011 – 7 O 193/09, ZIP 2011, 441 = ZVI 2011, 254. 53) Vgl. dazu LG Dresden, Urt. v. 5.3.2004 – 10 O 3672/03, ZIP 2004, 2016, dazu EWiR 2005, 229 (Runkel).
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Haftung des Insolvenzverwalters
nicht insolventen Unternehmens zu stellen.54) Vielmehr sind die Fähigkeiten eines durchschnittlichen Verwalters maßgebend; eine Berufung auf mangelnde eigene Erfahrung scheidet aus. Immer ist zu beachten, dass der Verwalter sich in ein für ihn vollkommen neues Unternehmen, häufig zudem in einen ihm bisher unbekannten Geschäftszweig, einarbeiten muss und dabei auch manches ungeordnet vorfindet, so etwa die Buchführung. Deshalb ist der Pflichtenmaßstab spezifisch festgelegt und unterscheidet sich insbesondere von den Anforderungen an den Leiter eines gesunden Unternehmens.55) Des Weiteren wird stets die konkrete Fallgestaltung/situation maßgeblich dafür sein, welche speziellen Anforderungen an die Sorgfalt des Verwalters zu stellen sind.56) Der Verschuldensmaßstab ist stufenweise und akzessorisch zu der Einarbeitungszeit des Verwalters in dem insolventen Unternehmen zu beurteilen.57) Der Verwalter hat seine Entscheidungen stets an einer der Einarbeitungszeit angemessenen Liquiditätsplanung auszurichten um beispielsweise eine fehlerhafte Befriedigung von Masseverbindlichkeiten zu verhindern. Beruht die Entscheidung des Gegenübers aber auf einer eigenverantwortlichen, in Kenntnis aller Tatsachen und Risiken getroffenen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und damit auf einem bewussten Handeln auf eigenes Risiko, ist für eine Haftung des Insolvenzverwalters kein Raum.58) 18
Bei der Einschätzung, ob zugunsten der Masse ein Prozess zu führen ist, also mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Obsiegen denn ein Unterliegen zu erwarten ist, muss Maßstab jeweils die nicht völlig unvertretbare Einschätzung des Verwalters bzw. des von ihm mandatierten Rechtsanwalts sein.59) Die Prozessführung des Verwalters darf allerdings nicht mutwillig sein, es dürfen daher objektiv hinreichende Erfolgsaussichten nicht fehlen.60) Der Insolvenzverwalter steht daher nicht aussichtslos zwischen der Möglichkeit einer Haftung gegenüber dem Prozessgegner, weil er für den Fall eines evtl. Unterliegens dessen Kostenerstattungsanspruch nicht befriedigen kann und einer möglichen Haftung gegenüber den Gläubigern bzw. dem Schuldner wegen Unterlassens eines ggf. aussichtsreichen, massemehrenden Prozesses. Die InsO begründet keine Verpflichtung des Verwalters, vor Erhebung einer Klage bzw. während des laufenden Prozesses die Interessen seines Prozessgegners an einer eventuellen Kostenerstattung zu berücksichtigen (zur Frage der Haftung aus § 61 vgl. § 61 Rz. 10).61)
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Ein Rechtsirrtum des Verwalters ist grundsätzlich unbeachtlich. Er ist nur in Ausnahmefällen entschuldbar. Lässt eine gesetzliche Regelung mehrfache Deutungen zu und ist durch Wissenschaft und Praxis noch nicht geklärt, welche die zutreffende ist, so ist ein Verschulden zu verneinen.62) Von einem Insolvenzverwalter ist aber _____________ 54) 55) 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62)
Vgl. Webel, Insolvenzverwalterhaftung, S. 167 m. w. N. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 60 Rz. 37. Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 16. Vgl. Webel, Insolvenzverwalterhaftung, S. 168. Vgl. zu § 61: BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38 f = NZI 2012, 40. Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 19. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.2.1989 – 9 W 6/89, ZIP 1989, 1070 ff. BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, ZIP 2005, 131 = ZInsO 2005, 146. RG, Urt. v. 5.7.1897 – Rep. VI 204/97, RGZ 39, 94, 100.
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§ 60
Haftung des Insolvenzverwalters
selbstverständlich zu verlangen, dass er die Normen der InsO kennt oder sich zutreffend darüber informiert.63) Von dem Verwalter kann verlangt werden, dass er eine gefestigte Literaturmeinung sowie eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung zu kennen hat bzw. er sich dahingehend beraten lassen muss.64) Haben die Gläubigerversammlung oder der Gläubigerausschuss einer Handlung des Verwalters zugestimmt, so ist dies zwar ein Indiz dafür, dass sich der Verwalter sorgfältig verhalten hat, führt jedoch nicht generell zu einem Ausschluss des Verschuldens.65) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Gläubigerversammlung eine eigenständige Entscheidungskompetenz zusteht, wie z. B. nach § 157. In diesen Fällen hat nämlich der Verwalter die Pflicht, die Beschlüsse der Gläubigerversammlung auszuführen, sodass ihm kein eigener Entscheidungsspielraum mehr bleibt.66)
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VI. Haftung für Dritte (Abs. 2)
Bei der Haftung für Dritte ist danach zu differenzieren, ob es sich um Angestellte des Verwalters, solche des Schuldners oder hinzugezogene Selbständige handelt. Das Handeln eigener Mitarbeiter wird dem Verwalter gemäß § 278 BGB zugerechnet.67) Beauftragt er einen Selbständigen, z. B. einen Steuerberater, so haftet er nur für dessen sorgfältige Auswahl und außerdem dann, wenn er erkennt, dass schlecht gearbeitet wird, und dennoch nicht für Abhilfe sorgt.68) Der Anknüpfungspunkt einer Zurechnung des Handelns eigener Mitarbeiter ist hierbei im Gegensatz zu § 60 Abs. 2 die fehlerhafte Auswahl der Hilfspersonen durch den Verwalter.
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Für den Fall, dass der Verwalter auf Angestellte des Schuldners zurückgreift, trifft Absatz 2 eine Sonderregelung. Danach muss er sich deren Handeln nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, er ist vielmehr nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich. Eine Auswahlverschulden ist dem Verwalter in dieser Konstellation nicht vorwerfbar. Diese Haftungsbeschränkung greift jedoch nur ein, wenn der Einsatz dieser Personen i. R. ihrer bisherigen Tätigkeit erfolgt und sie nicht offensichtlich ungeeignet sind (Abs. 2 Halbs. 1) Trotz der Formulierung „einsetzen muss“ in Absatz 2 ist nicht zu verlangen, dass der weitere Einsatz dieser Mitarbeiter unumgänglich ist. Es ist vielmehr als ausreichend anzusehen, dass der Verwalter nach pflichtgemäßer Abwägung objektiv vernünftige Gründe dafür hat, mit den vorhandenen Mitarbeitern ganz oder teilweise weiter zu arbeiten.69)
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_____________ 63) 64) 65) 66) 67)
BGH, Urt. v. 9.6.1994 – IX ZR 191, 93, NJW 1994, 2286, 2287. Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 17. BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425 f = WM 1985, 422, 424. Lohmann in: HK-InsO, § 60 Rz. 36. BGH, Urt. v. 19.7.2001 – IX ZR 62/00, ZIP 2001, 1507 = ZInsO 2001, 797, dazu EWiR 2002, 29 (Lüke) – noch zu § 82 KO. 68) BGH, Urt. v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, NJW 1979, 2212, 2213 = ZIP 1980, 25. 69) Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 32; a. A. Lohmann in: HK-InsO, § 60 Rz. 34; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 60 Rz. 101.
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§ 60 VII. 23
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Haftung des Insolvenzverwalters
Haftung aus anderen Rechtsgründen und Mithaftende
Neben oder auch an Stelle der insolvenzspezifischen Haftung kommt eine deliktische Haftung des Verwalters gemäß § 823 BGB70) oder eine solche aus Vertrag bzw. culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) in Betracht, soweit der Verwalter besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat.71) Grundsätzlich nimmt aber auch ein Insolvenzverwalter, der als solcher in Erscheinung tritt, nicht mehr als das im Geschäftsverkehr übliche Verhandlungsvertrauen in Anspruch. Von einem besonderen Vertrauenstatbestand lässt sich erst dann sprechen, wenn er beim Verhandlungspartner ein zusätzliches, von ihm persönlich ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen und die Durchführbarkeit des vereinbarten Geschäftes hervorgerufen hat.72) Dieses besondere Vertrauen muss über sein Amt als Insolvenzverwalter hinausgehen. Es obliegen ihm auch bei der Teilnahme am Rechtsverkehr mit Dritten nicht etwa die Insolvenz betreffende besondere Hinweispflichten.73) An die Annahme eines Garantieversprechens mit der Folge persönlicher Haftung neben den §§ 60, 61 sind auch und gerade in der Insolvenzsituation hohe Anforderungen zu stellen.74) Insbesondere bei Zahlungszusagen ist der Rechtsbindungswille genau zu prüfen, der aber zumeist an dem fehlenden Eigeninteresse des Verwalters scheitern wird.75) Gesamtschuld kann bestehen, soweit auch die Mitglieder des Gläubigerausschusses, etwa gemäß § 71, haften. Ansprüche gegen die Masse, die aus Handlungen des Insolvenzverwalters resultieren, können parallel geltend gemacht werden; hier besteht keine Primärhaftung der Masse.76) VIII. Verfahrensfragen
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Nach den allgemeinen Beweisregeln ist der Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet für alle rechtsbegründenden Tatsachen.77) Dies gilt auch für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten als Voraussetzung einer Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60. Bei dieser Vorschrift ist im Unterschied zu § 61 eine Beweislastumkehr zugunsten der Beteiligten gerade nicht vorgesehen.78) Zuständig für Klagen gemäß § 60 sind die ordentlichen Gerichte.79) _____________ 70) Noch zur Haftung gemäß § 82 KO: BGH, Urt. v. 17.9.1987 – IX ZR 156/86, ZIP 1987, 1398 = NJW-RR 1988, 89, dazu EWiR 1987, 1127 (Eckert). 71) OLG Rostock, Urt. v. 4.10.2004 – 3 U 158/03, ZIP 2005, 220 ff, dazu EWiR 2005, 313 (Ferslev) – Garantieerklärung des „starken“ vorl. Insolvenzverwalters. 72) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 114/01, ZIP 2005, 1327 = ZVI 2005, 373; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38 f = NZI 2012, 40. 73) Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 23 m. w. N. 74) Vgl. BAG, Urt. v. 25.6.2009 – 6 AZR 210/08, ZIP 2009, 1772 = ZInsO 2009, 1648, dazu EWiR 2009, 617 (Fölsing). 75) LAG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – 125a 1348/04, KTS 2005, 336, 337 ; vgl. ausführlich zur Einzelfallrechtsprechung: Webel, Insolvenzverwalterhaftung, S. 70 m. w. N. 76) BGH, Urt. v. 1.12.2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 ff = ZInsO 2006, 100. 77) Allg. zu diesem Grundsatz BGH, Urt. v. 18.2.2009 – XII ZR 163/07, NJW-RR 2009, 1142 = WM 2009, 2093; Zöller-Greger, ZPO, vor § 284 Rz. 17a. 78) BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38 f = NZI 2012, 40; dort auch zur Frage der „sekundären Behauptungslast“. 79) BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – IX ZB 57/06, ZIP 2007, 94 = ZVI 2007, 274, dazu EWiR 2007, 353 (Weitzmann).
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§ 61
Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten
IX. Umfang des Schadensersatzes
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 ist der Verwalter zum Ersatz des adäquat kausal auf der Pflichtverletzung beruhenden Schadens verpflichtet. Der Umfang des Schadensersatzes richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB und ist gerichtet auf das negative Interesse. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre.80) Der Beteiligte ist folglich so zu stellen, wie wenn die Pflichtverletzung des Verwalters unterblieben wäre (§ 249 Abs. 1 BGB).81) Ein etwaiges Mitverschulden des Geschädigten ist gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen.82) Bei einem erheblichen Mitverschulden kann eine Verpflichtung des Verwalters zum Schadensersatz sogar gänzlich entfallen.83)
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_____________ 80) BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671, 672. 81) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 613 = NZI 2004, 435, 438; BAG, Urt. v. 25.6.2009 – 6 AZR 210/08, ZIP 2009, 1772 f = ZInsO 2009, 1648. 82) OLG Hamm, Urt. v. 29.11.1982 – 5 U 232/81, ZIP 1983, 341, 342. 83) OLG Dresden, Beschl. v. 7.3.2001 – 13 W 2112/00, ZInsO 2001, 671.
§ 61 Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten 1
Kann eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden, so ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet. 2Dies gilt nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, daß die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. Literatur: Hees, Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 InsO auch bei Sekundäransprüchen?, ZIP 2011, 502; Huep/Webel, Zur Kostenrisikoverteilung in massearmen Verfahren bei Kostenstundung, NZI 2011, 389; Richter/Völksen, Persönliche Haftung des Insolvenzverwalters wegen unterbliebener Freistellung von Arbeitnehmern bei späterer Anzeige der Masseunzulänglichkeit, ZIP 2011, 1800; Webel, Die Haftung des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 61 InsO, 2008. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Anwendungsbereich und Abgrenzung zu anderen Haftungsnormen ................................. 1. Anwendungsbereich .............................. 2. Abgrenzung zu anderen Haftungsregelungen ............................................. III. Voraussetzungen der Haftung ...........
I.
1 2 3 4 6
1.
Durch eine Rechtshandlung des Verwalters begründete Masseverbindlichkeit (Satz 1) .............. 7 2. Erkennbarkeit der Masseunzulänglichkeit (Satz 2) ............................ 12 3. Haftung für gesetzlich begründete Masseverbindlichkeiten ....................... 18 IV. Umfang des Schadensersatzes .......... 19
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Normzweck
Die Vorschrift betrifft einen Teilbereich der Verwalterhaftung, nämlich die gegenüber den Massegläubigern, deren Anspruch durch den Verwalter begründet worden
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§ 61
Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten
ist, von ihm aus der Masse jedoch nicht erfüllt werden kann. Es handelt sich hierbei um einen zusätzlichen Haftungstatbestand, der – wenn seine Voraussetzungen vorliegen – als speziellere Norm die Anwendung des § 60 ausschließt.1) Den Verwalter trifft hier – in Ansehung der Beweislastumkehrung des Satzes 2 – eine schärfere Haftung. Die Vorschrift betrifft einen Individualschaden, der daher auch während der Dauer des Insolvenzverfahrens von den geschädigten Massegläubigern selbst geltend gemacht werden kann.2) II. Anwendungsbereich und Abgrenzung zu anderen Haftungsnormen 2
Gerade im Bereich der Betriebsfortführung ist der Verwalter auf die Begründung von Masseverbindlichkeiten angewiesen, weshalb § 61 eine nicht unerhebliche Haftungsgefahr in der Insolvenzverwaltung darstellt. 1.
3
Anwendungsbereich
Die Norm betrifft nicht nur die Haftung des Insolvenzverwalters, sondern kraft Verweisung auch die des vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Nr. 1) sowie die des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 313 Abs. 1 Satz 2 a. F.). Im Rahmen der Eigenverwaltung wird eine Anwendbarkeit regelmäßig ausscheiden, da § 274 nicht auf § 61 verweist. Bei Zustimmungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 277 ist § 61 indes anwendbar, was sich aus der Verweisung des § 277 Abs. 1 Satz 3 ergibt. 2.
Abgrenzung zu anderen Haftungsregelungen
4
Eine Haftung kommt nur bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Begründung von Masseverbindlichkeiten in Betracht. Die Norm betrifft lediglich die Haftung des Verwalters für die pflichtwidrige Begründung von Masseverbindlichkeiten, ordnet jedoch keine insolvenzspezifischen Pflichten für die Zeit danach an.3) Diese Regelungsgrenze darf auch nicht dadurch umgangen werden, dass eine Pflicht des Verwalters zur Freigabe von Gegenständen aus der Insolvenzmasse konstruiert wird, bei deren Nichterfüllung er einzelnen Gläubigern persönlich haften müsste.4)
5
Das Vorliegen eines selbständigen Garantievertrags, etwa bei Zahlungszusagen durch den Verwalter, schließt die Anwendbarkeit des § 61 nicht aus.5) Genauso kann eine Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen, insbesondere der Inanspruchnahme des _____________ 1) 2) 3)
4)
5)
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Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 60 Rz. 2. Zur daneben noch möglichen Haftung aus anderen Rechtsgründen vgl. oben § 60 Rz. 23 ff. BGH Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 610 = NZI 2004, 435, dazu EWiR 2004, 765 (Vallender). BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 610 = NZI 2004, 435; BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 = ZInsO 2010, 2323, dazu EWiR 2011, 123 (Fuchs); BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 321/11, ZIP 2013, 638 ff, dazu EWiR 2013, 211 (Mückl/Herrnstadt). BGH, Urt. v. 21.10.2010 – IX ZR 220/09, ZIP 2010, 2356 = ZInsO 2010, 2323 m. N. Zu einer ähnlich gelagerten Problematik – unterbliebene Freistellung von Arbeitnehmern – vgl. Richter/Völksen, ZIP 2011, 1800 ff. Vgl. Webel, Insolvenzverwalterhaftung, S. 71.
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§ 61
Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten
besonderen persönlichen Vertrauens durch den Verwalter, neben § 61 in Betracht kommen.6) III. Voraussetzungen der Haftung
Eine Haftung des Verwalters hat zur Voraussetzung, dass er Masseverbindlichkeiten begründet hat, die er bei Fälligkeit aus der Insolvenzmasse nicht (vollständig) erfüllen kann.7) Eine Schadensersatzpflicht ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Masse möglicherweise noch Ansprüche in einer die Forderung der Massegläubiger übersteigenden Höhe hat. Ein Ausfallschaden i. S. des § 61 ist spätestens dann anzunehmen, wenn der Verwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat und keine ohne weiteres durchsetzbaren Ansprüche bestehen, die zur Befriedigung der Massegläubiger dienen könnten. 1.
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Durch eine Rechtshandlung des Verwalters begründete Masseverbindlichkeit (Satz 1)
Was unter Masseverbindlichkeiten zu verstehen ist, ergibt sich aus § 55 (§ 55 Rz. 2 ff). Nicht unter § 61 fallen die Kosten nach § 54, da diese nicht durch eine Handlung des Verwalters verursacht werden.
7
Die Vorschrift dient dazu, Massegläubiger zu schützen, die aufgrund einer Unternehmensfortführung mit der Masse in Kontakt gekommen sind und deren Vermögen gemehrt oder ihr einen anderen Vorteil verschafft haben. Ziel der Regelung ist es, Unternehmensfortführungen zu erleichtern. Der Gesetzgeber hat daher die Interessen der Massegläubiger nur dann für schutzwürdig gehalten, wenn der Verwalter die Masseverbindlichkeit wegen eines hiervon abhängigen – nicht notwendig gleichwertigen – Vorteils für die Masse begründet hat.8) Die Haftung des § 61 stellt einen Vertrauenshaftungstatbestand9) ähnlich der culpa in contrahendo dar, da für den Verwalter eine vorvertragliche Pflicht zur Prüfung der Massezulänglichkeit im Hinblick auf die konkrete Masseverbindlichkeit besteht.10) Hierauf darf der Massegläubiger vertrauen.
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Eine Rechtshandlung des Verwalters stellt nicht nur die Begründung einer Verbindlichkeit durch Abschluss eines neuen Vertrages, sondern auch eine unterlassene Kündigung oder die Erfüllungswahl gemäß § 103 Abs. 1 dar.11) Anknüpfungspunkt für eine Haftung aus § 61 ist daher auch abstraktes Vertrauen des Vertragspartners, ohne dass eine vertrauensbasierte Handlung, wie etwa ein Vertragsschluss, erforderlich ist.
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_____________ 6) Vgl. Webel, Insolvenzverwalterhaftung, S. 78 ff. 7) OLG Hamm, Urt. v. 16.1.2003 – 27 U 45/02, ZInsO 2003, 714 = NZI 2003, 263, dazu EWiR 2003, 829 (Pape). 8) BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, ZIP 2005, 131 = ZInsO 2005, 146; BGH, Urt. v. 10.12.2009 – IX ZR 220/08, ZIP 2010, 287 f = ZVI 2010, 322; vgl. auch Begr. RegE, BTDrucks. 12/2443, S. 129, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 231. 9) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, NJW 2004, 3334, 3337 = ZInsO 2004, 609 = NZI 2004, 435. 10) Webel, Insolvenzverwalterhaftung, S. 56 ff. 11) BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, ZIP 2005, 131 = ZInsO 2005, 146; vgl. auch Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 129, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 231.
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Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten
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Bei bestehenden Dauerschuldverhältnissen kommt eine Haftung des Verwalters jedoch nur insoweit in Betracht, als er die Entstehung von Masseverbindlichkeiten verhindern konnte. Dies ist frühestens ab dem Zeitpunkt der ersten Kündigungsmöglichkeit der Fall, da er vorher die Entstehung der Verbindlichkeiten nicht vermeiden kann.12) Für den Zeitraum vor der ersten Kündigungsmöglichkeit handelt es sich für den Verwalter um eine oktroyierte Masseverbindlichkeit, für die er haftungsrechtlich nicht einzustehen hat.13)
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Massegläubiger, die für oder im Zusammenhang mit ihrem Anspruch keine Gegenleistung in die Masse erbringen oder erbracht haben, fallen nicht unter § 61. Daher steht dem Prozessgegner kein Anspruch aus § 61 gegen den Verwalter zu, wenn die Masse nicht in der Lage ist, den Kostenerstattungsanspruch zu befriedigen. Es gehört vielmehr zu den allgemeinen Risiken der obsiegenden Partei, dass sie die aufgewandten Prozesskosten vom Gegner nicht erstattet bekommt.14) 2.
Erkennbarkeit der Masseunzulänglichkeit (Satz 2)
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Voraussetzung für eine Haftung ist jedoch, dass der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde (Satz 2). Diese Voraussetzung, für deren Fehlen der Verwalter die Beweislast trägt,15) ist gegeben, wenn der Eintritt der Masseunzulänglichkeit wahrscheinlicher war als deren Nichteintritt.16)
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Der Verwalter kann sich in mehrfacher Hinsicht entlasten. Er hat entweder zu beweisen, dass objektiv von einer zur Erfüllung der Verbindlichkeit ausreichenden Masse auszugehen war oder dass er – subjektiv – die Unzulänglichkeit nicht erkennen konnte. Darüber hinaus reicht es als Entlastungsbeweis aus, wenn der Verwalter nachweist, dass der Massegläubiger dieselben tatsächlichen Kenntnisse im Hinblick auf die Liquidität der Masse hatte wie er selbst.17)
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Grundsätzlich ist für die Entlastung der Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit maßgebend. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Rechtsgrund gelegt, d. h. der anspruchsbegründende Tatbestand materiell-rechtlich abgeschlossen ist. Dies wird regelmäßig der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein.18)
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Etwas anderes gilt aber z. B. bei bestehenden Dauerschuldverhältnissen. Hier ist auf den Zeitpunkt der frühestmöglichen Kündigung abzustellen.19) Im Rahmen des § 103 ist auf den Zeitpunkt der Erfüllungswahl abzustellen. _____________ 12) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 612 = NZI 2004, 435, 438; BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 321/11, ZIP 2013, 638 ff. 13) Vgl. u. a. BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 321/11, ZIP 2013, 638 ff. 14) BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, ZIP 2005, 131 = ZInsO 2005, 146; zur Frage der Haftung aus § 60 vgl. § 60 Rz. 17. 15) OLG Schleswig, Urt. 16.11.2001 – 1 U 203/00, DZWIR 2002, 256. 16) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 129, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 231. 17) OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.3.2004 – I-16 U 216/02, ZIP 2004, 1375 = NJOZ 2004, 3596 ff. 18) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 612 = NZI 2004, 435, 438; BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZR 235/07, ZIP 2008, 2126 = ZVI 2009, 19. 19) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 612 = NZI 2004, 435, 438.
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§ 61
Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten
Die Entlastung kann der Verwalter damit erreichen, dass er für den Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit einen aus damaliger Sicht auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhenden und sorgfältig erstellten Liquiditätsplan vorweisen kann, nach dem eine Erfüllung der Masseverbindlichkeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erwarten war. Insoweit begründet § 61 auch eine insolvenzspezifische Pflicht des Verwalters.20)
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Dabei ist es eine Frage des Einzelfalls, wie zeitnah diese Prognose erstellt bzw. aktualisiert werden muss. Jedenfalls besteht die Pflicht des Verwalters eine erstellten Liquiditätsplan laufend fortzuführen.21) Für die Frage der Tragfähigkeit eines Liquiditätsplans ist insbesondere auf den Zeitablauf seit der letzten Aktualisierung bzw. Fortschreibung abzustellen. Erweist sich die Prognose nachträglich als unzutreffend, führt dies nicht dazu, dass nunmehr der Verwalter die Darlegungs- und Beweislast für die Ursachen einer von der Prognose abweichenden Entwicklung trägt. Ihm obliegen allerdings die Darlegung und ggf. der Beweis dafür, dass er eine bestimmte Entwicklung aus damaliger Sicht nicht bedenken musste oder anders einschätzen durfte. Erweist sich die Einschätzung des Verwalters aus der damaligen Perspektive als zutreffend oder nicht vorwerfbar unrichtig, haftet er auch dann nicht, wenn sich die Ursachen für die Abweichungen von seiner Planung im Nachhinein nicht mehr aufklären lassen.22)
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3.
Haftung für gesetzlich begründete Masseverbindlichkeiten
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes23) findet § 61 nur auf primäre vertragliche Erfüllungsansprüche Anwendung, Sekundäransprüche und gesetzlich begründete Ansprüche werden nicht geschützt. Grund hierfür ist der Umstand, dass ein Anreiz an den Rechtsverkehr geschaffen werden sollte mit der Masse Geschäfte abzuschließen.24) Dieser Zweck werde bei Masseverbindlichkeiten, die kraft Gesetzes begründet werden, nicht erfüllt.25) Es bleibt offen, wie diese Argumentation mit dem Umstand vereinbar ist, dass Ansprüche beispielsweise aufgrund Erfüllungswahl gemäß § 103 ausdrücklich in den Tatbestand des § 61 einbezogen sind, da in dieser Konstellation gerade kein konkretes Vertrauen des Rechtsverkehrs in Anspruch genommen wird, sondern vielmehr der Vertragsschluss vor der Einleitung des Insolvenzverfahrens liegt. Es erscheint daher ebenso gut vertretbar,
_____________ 20) BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222 f = ZIP 2005, 311, dazu EWiR 2005, 679 (Pape). 21) BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 612 = NZI 2004, 435, 438. 22) BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, NZI 2005, 222, 223 = ZIP 2005, 311. 23) BGH, Urt. v. 10.12.2009 – IX ZR 220/08, ZIP 2010, 242 f = ZVI 2010, 322, dazu EWiR 2010, 253 (Kexel); BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – IX ZR 235/07, ZIP 2008, 2126 = ZVI 2009, 19, dazu EWiR 2009, 1145 (H.-G. Eckert); a. A. – für den Fall der Ablehnung der Abnahme vom Verwalter selbst bestellter Ware im Hinblick auf drohende Masseunzulänglichkeit – Hees, ZIP 2011, 502 ff. Das BAG scheint eine nicht ganz so abschließende Auffassung zu vertreten, vgl. BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 321/11, ZIP 2013, 638 ff, wonach vor allem für vertraglich begründete Masseverbindlichkeiten gehaftet wird. 24) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 129, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 231. 25) BGH, Urt. v. 10.12.2009 – IX ZR 220/08, ZIP 2010, 242 f = ZVI 2010, 322.
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§ 62
Verjährung
auch gesetzlich begründete Masseverbindlichkeiten in den Tatbestand des § 61 einzubeziehen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Verwalter die Masseverbindlichkeit um eines hiervon abhängigen – nicht notwendig gleichwertigen – Vorteils für die Masse willen begründet hat.26) Ausreichend ist hierbei ein mittelbarer Vorteil zugunsten der Masse, da bereits hierdurch dem Ziel der Kreditgewährung zugunsten der Masse ausreichend Rechnung getragen wird.27) IV. Umfang des Schadensersatzes 19
Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist der Insolvenzverwalter einem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann. Der Umfang des Schadenersatzes nach § 61 ist auch hier begrenzt auf das negative Interesse.28) Der Gläubiger ist nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er ohne die die Masseverbindlichkeit begründende Handlung stünde.29) Der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens ist also auf die Herstellung des Zustandes gerichtet, der ohne das Fehlverhalten bestehen würde.30) Entscheidend ist, wie sich die Vermögenslage des Geschädigten entwickelt hätte, wenn sich der Schädiger pflichtgemäß verhalten hätte.31) Der Verwalter muss danach den Schaden ersetzen, den der Massegläubiger dadurch erleidet, dass er auf die Zulänglichkeit der Masse vertraut hat.32)
20
Der Schadensersatzanspruch umfasst nicht die Umsatzsteuer, denn der zu ersetzende Vertrauensschaden ist keine Gegenleistung für eine erbrachte Leistung.33) _____________ 26) 27) 28) 29)
30) 31)
32) 33)
BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, ZIP 2005, 131–132 = ZInsO 2005, 146. Huep/Webel, NZI 2011, 389, 393. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 612 = NZI 2004, 435 ff. BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, ZInsO 2004, 609, 613 = NZI 2004, 435, 438; BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – IX ZB 57/06, ZIP 2007, 94 f = ZVI 2007, 274, dazu EWiR 2002, 353 (Weitzmann); BAG, Urt. v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, ZIP 2007, 1169 = ZInsO 2007, 781; BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38 f = NZI 2012, 40. Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, NJW 1972, 36 = BGHZ 57, 137. BAG, Urt. v. 6.10.2011 – 6 AZR 172/10, ZIP 2012, 38 f = NZI 2012, 40; BGH, Urt. v. 10.7.2003 – III ZR 155/02, NJW 2003, 3049 = BGHZ 155, 354, dazu EWiR 2003, 917 (Plagemann) – für die Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft. LAG Niedersachsen, Urt. v. 9.11.2009 – 8 Sa 633/09, – juris. BGH, Urt. v. 3.11.2005 – IX ZR 140/04, ZIP 2005, 2265 = ZVI 2005, 630, dazu EWiR 2006, 211 (Ferslev).
§ 62 Verjährung 1 Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens, der aus einer Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters entstanden ist, richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. 2 Der Anspruch verjährt spätestens in drei Jahren von der Aufhebung oder der Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens an. 3Für Pflichtverletzungen, die im Rahmen einer Nachtragsverteilung (§ 203) oder einer Überwachung
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§ 62
Verjährung
der Planerfüllung (§ 260) begangen worden sind, gilt Satz 2 mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Vollzug der Nachtragsverteilung oder die Beendigung der Überwachung tritt. Literatur: Smid, Die Haftung des Insolvenzverwalters in der Insolvenzordnung – Kontinuität und Diskontinuität des Rechts der Haftung des Insolvenzverwalters, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 453. Übersicht I. Normzweck ........................................... II. Anspruchsverjährung .......................... 1. Beginn der Verjährungsfrist ................. a) Regelmäßiger Beginn .....................
I.
1 2 3 3
2.
b) Besonderheiten beim Gesamtschaden ........................................... 4 Ende der Verjährungsfrist ..................... 6 Webel
Normzweck
Die Vorschrift regelt die Verjährung der in den §§ 60 und 61 normierten Schadensersatzansprüche. Die bei Inkrafttreten der InsO ursprünglich getroffene Regelung schloss sich der Wertung des Bundesgerichtshofs an, wonach es sach- und interessengerecht ist, auf die Verwalterhaftung die dreijährige Verjährungsfrist nach § 852 BGB (a. F., vgl. nunmehr § 195 BGB n. F.) entsprechend anzuwenden.1) Satz 1 wurde durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts2) im Wortlaut dahingehend geändert, dass kraft Verweisung nunmehr die §§ 195 ff BGB Anwendung finden. Da jedoch die Sätze 2 und 3 des § 62 unverändert blieben, verdrängen diese als spezialgesetzliche Regelung den § 199 Abs. 3 BGB, sodass das Haftungsprivileg in vollem Umfang erhalten geblieben ist.3) Anstelle der noch in § 852 Abs. 1 BGB a. F. normierten Höchstfrist von 30 Jahren sind die in § 62 Satz 2 und 3 normierten Höchstfristen getreten; der Verwalter soll davor bewahrt werden, sich nach vielen Jahren mit Ersatzansprüchen Dritter auseinander setzen zu müssen.4) Anders als bei § 852 BGB a. F. ist durch die Verweisung auf § 199 Abs. 1 für den Verjährungsbeginn die grob fahrlässige Unkenntnis ausdrücklich der Kenntnis gleichgestellt.
1
II. Anspruchsverjährung
Schadensersatzansprüche aus §§ 60, 61 verjähren in drei Jahren. 1.
2
Beginn der Verjährungsfrist
a) Regelmäßiger Beginn
Gemäß Satz 1 i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Insoweit ist bei einem _____________ 1) 2) 3) 4)
BGH, Urt. v. 17.1.1985 – IX ZR 59/84, NJW 1985, 1161 ff = ZIP 1985, 359, dazu EWiR 1985, 91 (Merz). Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 9.12.2004, BGBl. I 2004, 3214. Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3653, S. 15. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 130, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 231.
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3
§ 62
Verjährung
Individualschaden auf den jeweiligen Geschädigten abzustellen. Für den Verjährungsbeginn ist es nicht erforderlich, alle Einzelheiten des Schadenshergangs zu kennen. Es reicht für den Verjährungsbeginn im Allgemeinen vielmehr eine solche (potentielle) Kenntnis aus, die es dem Geschädigten erlaubt bzw. erlauben würde, eine hinreichend aussichtsreiche – wenn auch nicht risikolose – und ihm daher zumutbare Feststellungsklage zu erheben. Relevante Umstände sind insoweit regelmäßig die Pflichtverletzung, der Eintritt des Schadens und die eigene Schadensbetroffenheit.5) Die grob fahrlässige Unkenntnis steht der Kenntnis gleich; sie ist zu bejahen, wenn sich die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufdrängen und leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt werden.6) b) Besonderheiten beim Gesamtschaden 4
Während der Beginn der Verjährungsfrist beim Einzelschaden wenig Probleme bereiten wird, können sich bei einem Gesamtschaden Schwierigkeiten ergeben. Bei der Geltendmachung eines Gesamtschadens nach § 92 ist nämlich zu berücksichtigen, dass nur ein Sonderverwalter oder ein neuer Verwalter berechtigt ist, Schadensersatzansprüche gegen den bisherigen Verwalter geltend zu machen. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt daher nicht schon mit der Bestellung des neuen Verwalters bzw. Sonderverwalters, sondern erst mit dessen Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis von Umständen, die die Ersatzpflicht des früheren Verwalters begründen. Im Übrigen gelten die gleichen Grundsätze wie für jeden sonstigen Geschädigten.7)
5
Wird der Gesamtschaden nicht während des eröffneten Verfahrens geltend gemacht, so fällt die Legitimation zur Geltendmachung aller Einzelschäden auf den einzelnen Gläubiger zurück. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist in diesem Fall neben der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis vom Schaden die Rechtskraft des Aufhebungs- bzw. Einstellungsbeschlusses erforderlich.8) 2.
6
Ende der Verjährungsfrist
Der Schadensersatzanspruch aus einer Pflichtverletzung des Verwalters verjährt in drei Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs gemäß Satz 1 i. V. m. § 195 Abs. 1 BGB (vgl. oben Rz. 3) bzw. nach den nach den Sätzen 2 und 3 maßgeblichen Zeitpunkten. Lässt sich ein Verjährungsbeginn nach Satz 1 nicht (sicher) feststellen, so bestimmt sich dieser nach den Sätzen 2 und 3 für die absoluten Verjährungshöchstfristen. Danach beginnt der Lauf der Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruchs bei –
Verfahrensaufhebung mit dem Ablauf des zweiten Tags nach der Veröffentlichung (§ 62 Satz 2, § 200 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3),
_____________ 5) 6) 7)
8)
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BGH, Urt. v. 15.10.1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648 = WM 1993, 251. Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 62 Rz. 3. Smid in: Kölner Schrift, S. 453, 479, Rz. 75; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 62 Rz. 6, vgl. zur KO auch BGH, Urt. v. 17.1.1985 – IX ZR 59/84, ZIP 1985, 359, 362 = NJW 1985, 1161; zur GesO zuletzt BGH, Urt. v. 8.5.2008 – IX ZR 54/07, ZIP 2008, 1243 f = ZInsO 2008, 750. Smid in: Kölner Schrift, S. 453, 479, Rz. 75; Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 62 Rz. 7.
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§ 63
Vergütung des Insolvenzverwalters
–
Verfahrenseinstellung (§ 207 Abs. 1, § 211 Abs. 1, §§ 212, 213) mit der Rechtskraft derselben (Satz 2). Da nach § 216 nur bei einer Einstellung nach §§ 207, 212 oder zu § 213, nicht aber bei einer solchen nach § 212 ein Rechtsmittel gegeben ist, tritt, wenn der Richter entschieden hat, bei einer Einstellung nach § 212 keine formelle Rechtskraft ein. Insoweit ist dann auch hier § 9 Abs. 1 Satz 3 maßgebend.9) Hat hingegen der Rechtspfleger entschieden, so ist der Zeitpunkt der Rechtskraft entscheidend, da gegen seine Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist (§ 11 Abs. 2 RPflG),
–
einer Pflichtverletzung i. R. einer Nachtragsverteilung (§ 203) mit dem „Vollzug der Nachtragsverteilung“ (Satz 3). Voraussetzung ist – schon nach dem Wortlaut – dass die Pflichtverletzung erst i. R. der Nachtragsverteilung begangen wurde. Nach § 205 Satz 1 hat der Verwalter – zum Vollzug der Nachtragsverteilung – den zur Verfügung stehenden Betrag oder den nachträglich erzielten Verwertungserlös aufgrund des Schlussverzeichnisses zu verteilen. Damit ist die Nachtragsverteilung (erst) mit der Zahlung bzw. Überweisung des Betrages beendet und zwar bei einem Individualschaden an den jeweiligen, bei einem Gesamtschaden an den letzten Gläubiger,10)
–
einer Pflichtverletzung i. R. der Überwachung der Planerfüllung (§ 260) mit der „Beendigung der Überwachung“ (Satz 3), das ist die Aufhebung derselben (§ 268 Abs. 1). Da der Beschluss über die Aufhebung der Überwachung gemäß § 268 Abs. 2 Satz 1 öffentlich bekannt zu machen ist, beginnt die Frist mit der öffentlichen Bekanntmachung, d. h. mit dem Ablauf des zweiten Tags nach der Veröffentlichung (§ 9 Abs. 1 Satz 3).
Durch diese Ausnahmetatbestände erhält der Insolvenzverwalter ein zusätzliches Maß an Rechtssicherheit, da er sich ausgehend von einem objektivierbaren Verjährungsende bzw. einer Verjährungshöchstfrist darauf verlassen darf, dass ihm gegenüber keine Haftungansprüche mehr erfolgreich geltend gemacht werden können.
8
Da die Schlussrechnung – im Gegensatz zur Regelung in § 86 Satz 4 KO – keine entlastende Wirkung hat, können Schadensersatzansprüche auch noch nach Schlussrechnungslegung geltend gemacht werden. _____________
9
9) Lohmann in: HK-InsO, § 62 Rz. 7. 10) So wohl auch Wimmer-Jahntz, FK-InsO, § 62 Rz. 6; a. A. Lohmann in: HK-InsO, § 62 Rz. 7, der auf den Zeitpunkt der Rechnungslegung nach § 205 Satz 2 abstellt.
§ 63 Vergütung des Insolvenzverwalters Kalkmann
(1) 1Der Insolvenzverwalter hat Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Der Regelsatz der Vergütung wird nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet. 3Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. Kalkmann
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§ 63
Vergütung des Insolvenzverwalters
(2) Sind die Kosten des Verfahrens nach § 4a gestundet, steht dem Insolvenzverwalter für seine Vergütung und seine Auslagen ein Anspruch gegen die Staatskasse zu, soweit die Insolvenzmasse dafür nicht ausreicht. (3) 1Die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters wird gesondert vergütet. 2 Er erhält in der Regel 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erstreckt. 3Maßgebend für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung oder der Zeitpunkt, ab dem der Gegenstand nicht mehr der vorläufigen Verwaltung unterliegt. 4Beträgt die Differenz des tatsächlichen Werts der Berechnungsgrundlage der Vergütung zu dem der Vergütung zugrunde gelegten Wert mehr als 20 Prozent, so kann das Gericht den Beschluss über die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters ändern. )
)
§ 63 Abs. 3 eingefügt durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BGBl. I 2013, 2379, m. W. v. 19.7.2013.
Literatur: Amery/Kästner, Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters als Streitfrage, ZIP 2013, 2041; Graeber, Der neue § 11 InsVV: Seine Auswirkungen auf vorläufige Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte, ZInsO 2007, 133. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Geltungsbereich ................................... 2 III. Vergütung des Insolvenzverwalters (Abs. 1) ..................................... 4 1. Regelvergütung ...................................... 4 2. Einzelfallregelung .................................. 5 IV. Verfahrenskostenstundung (Abs. 2) .................................................. 6
V. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (Abs. 3) ............ 10 1. Gegenstand der Vergütung ................. 10 2. Wertgrundlage ..................................... 13 3. Regelvergütung .................................... 20 4. Abänderungsbefugnis ......................... 21 VI. Fälligkeit der Vergütungen .............. 27 VII. Verjährung .......................................... 28 VIII. Verwirkung ...................................... 29
Kalkmann
I. 1
Vorbemerkung
Der Aufwand des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ist angemessen zu vergüten. Angemessen ist eine Vergütung nur dann, wenn sie der Qualifikation des Verwalters entspricht und die sich aus dem Einzelfall ergebende konkrete Tätigkeit ausreichend gewürdigt wird. Aus der Bestellung durch das Insolvenzgericht erwächst ein Vergütungsanspruch, der gesetzlichen Regelungen unterliegt, also nicht verhandelbar ist. II. Geltungsbereich
2
Neben der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalter erfasst die Vorschrift auch die Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters (§§ 207a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1). Für den Treuhänder der Wohlverhaltensperiode beschränkt sich die Geltung auf Absatz 2 (§ 293 Abs. 2). Grund hierfür ist zum einen, dass sich dessen Vergütung nicht nach der Insolvenzmasse, sondern nach den aus der Abtretung (§ 287 Abs. 2) fließenden Beträgen bemisst, und zum anderen, dass § 3 InsVV nicht anwendbar ist. 490
Kalkmann
§ 63
Vergütung des Insolvenzverwalters
Auch die Vergütung eines Sonderinsolvenzverwalters fällt in den Regelungsbereich der Vorschrift, wobei allerdings dem verminderten Umfang seiner Tätigkeit Rechnung zu tragen ist.1)
3
III. Vergütung des Insolvenzverwalters (Abs. 1) 1.
Regelvergütung
Durch die Vergütung wird die Geschäftsführung des Insolvenzverwalters entlohnt. Neben der Vergütung sind dem Verwalter angemessene Auslagen zu erstatten. Einzelheiten hierzu regelt die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV). Die Vergütung ist als Regelvergütung ausgestaltet (Abs. 1 Satz 2) und wird grundsätzlich nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet. Dadurch soll sichergestellt werden, dass unabhängig von der Verfahrensausgestaltung eine einheitlichen Prinzipien folgende Vergütung gewährt wird.2) Durch die Zugrundelegung der Insolvenzmasse wird der Verwalter zum einen für ein gutes Verwertungsergebnis belohnt, denn seine Vergütung erhöht sich mit der Mehrung der Insolvenzmasse. Zum anderen wird durch die Zugrundelegung des Überschussprinzips (§ 1 Abs. 2 InsVV) eine Auszehrung der Insolvenzmasse vermieden. 2.
4
Einzelfallregelung
Besonderen Erschwernissen, aber auch Erleichterungen soll durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen werden. Eine Regelvergütung deckt lediglich den Standardfall der Geschäftsführung ab, hingegen nicht ein Großverfahren mit vielen Arbeitnehmern, schwierigen Rechtsfragen usw. Maßgebend sind hierbei Umfang und Schwierigkeit im jeweiligen konkreten Einzelfall. Danach lassen sich keine Regeln zur Festlegung bestimmter Erhöhungsbeträge bilden. Bei der Ermittlung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls tatrichterlich zu würdigen.3) Die Formulierung „Abweichung vom Regelsatz“ beinhaltet sowohl Zu- als auch Abschläge.
5
IV. Verfahrenskostenstundung (Abs. 2)
Die Einführung der Verfahrenskostenstundung (§§ 4a – 4d) erforderte die Schaffung eines Sekundäranspruchs des Insolvenzverwalters gegen die Staatskasse, falls die Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54) ausreicht. Vor einer Geltendmachung hat der Verwalter zunächst die Insolvenzmasse in Anspruch zu nehmen. Nur wenn diese nicht ausreicht, kann er eine Erstattung erlangen.
6
Der Sekundäranspruch setzt die vorherige Bewilligung der Verfahrenskostenstundung für den jeweiligen Verfahrensabschnitt voraus. Für Leistungen, die der Verwalter oder Treuhänder im Hinblick auf einen bereits gestellten, jedoch noch nicht
7
_____________ 1) 2) 3)
BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 303/05, ZIP 2008, 1294 = ZInsO 2008, 847, m. Anm. Graeber. Begr. zu § 74 RegE/§ 63 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 130, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 234. BGH, Beschl. v. 16.6.2005 – IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372 = ZVI 2005, 441.
Kalkmann
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§ 63
Vergütung des Insolvenzverwalters
beschiedenen Stundungsantrag erbracht hat, gilt kein Vertrauensschutz, wenn dem Schuldner die Verfahrenskostenstundung nicht bewilligt wird.4) 8
Der Sekundäranspruch umfasst grundsätzlich nur die Vergütung nebst Auslagen, kann aber in bestimmten Fällen auch andere Ausgaben des Verwalters umfassen. Wird er durch staatlichen Druck gezwungen, bestimmte Tätigkeiten, z. B. die Abgabe einer Steuererklärung, vorzunehmen und muss er dazu Masseverbindlichkeiten begründen, sind ihm auch diese aus der Staatskasse zu erstatten. Er unterliegt jedoch der Verpflichtung, die staatliche Stelle auf die Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse hinzuweisen, d. h. den Versuch zu unternehmen, die Maßnahme abzuwehren.5)
9
Begleicht der Verwalter unter Missachtung der Befriedigungsreihenfolge aus der unzulänglichen Masse Masseverbindlichkeiten, die nicht zur Erfüllung seiner Verwalterpflichten zwingend aufgebracht werden müssen (z. B. die Umsatzsteuer aus der Verwertung eines Massegegenstandes), wird der Sekundäranspruch des Verwalters gegen die Staatskasse um diese Beträge gekürzt.6) V. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (Abs. 3) 1.
Gegenstand der Vergütung
10
Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält eine eigenständige, vom endgültigen Insolvenzverwalter losgelöste Vergütung, auch wenn Personengleichheit besteht. Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters muss nicht zwingend niedriger sein als diejenige des Insolvenzverwalters; sie darf die Vergütung des Insolvenzverwalters in besonders gelagerten Einzelfällen durchaus übersteigen.7)
11
Im Einzelnen sind die Aufgaben des vorläufigen Verwalters in § 22 InsO beschrieben:
12
–
Sicherung und Erhaltung des Vermögens,
–
Fortführung eines laufenden Unternehmens,
–
Prüfung der Verfahrenskostendeckung.
Umfasst werden damit alle Einzeltätigkeiten, die der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe zuzurechnen sind. Soweit das Insolvenzgericht Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters konkret festlegt, muss die in diesem Rahmen erbrachte Tätigkeit vergütet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Bestellung über das rechtlich Mögliche hinausgeht und dies allgemein üblich ist,8) weil der vorläufige Verwalter insoweit auf die gerichtliche Entscheidung vertrauen kann. Nicht vergütungsfähig sind lediglich Tätigkeiten, die das Gericht ausdrücklich ausgenommen hat oder die insolvenzzweckwidrig sind.
_____________ 4) 5) 6) 7) 8)
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BGH, Beschl. v. 7.2.2012 – IX ZB 75/12, ZIP 2013, 635. BGH, Beschl. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717 = ZVI 2004, 606, dazu EWiR 2004, 1037 (Schäferhoff). BGH, Beschl. v. 14.10.2010 – IX ZB 224/08, ZIP 2010, 2252 = ZVI 2011, 226. Begr. zur 2. ÄndVO-InsVV, BGBl. I 2006, 3389, abgedr. in ZInsO 2007, 28; A. SchmidtBüttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 8. BGH, Beschl. v. 16.6.2005 – IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372 = ZVI 2005, 441.
Kalkmann
§ 63
Vergütung des Insolvenzverwalters
2.
Wertgrundlage
Das Eröffnungsverfahren unterliegt anderen Grundsätzen als das Hauptverfahren. Während das eröffnete Insolvenzverfahren durch Verwertungsmaßnahmen gekennzeichnet ist, ist es Aufgabe des vorläufigen Insolvenzverwalters, das vorhandene Vermögen bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag zu sichern (§ 22 Abs. 1 Nr. 1). Grundlage für die Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist demgemäß der Wert des Vermögens, das im gesamten Zeitraum des Eröffnungsverfahrens der Verwaltung des vorläufigen Verwalters unterlegen hat, und nicht – wie beim Insolvenzverwalter – der Wert der Insolvenzmasse (vgl. Rz. 4). Eine Strukturgleichheit der Vergütung von vorläufigem Insolvenzverwalter und Insolvenzverwalter hat der Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt.9) Absatz 3 Satz 2 liegt der „klassische“ Vermögensbegriff zugrunde. Zum Vermögen gehören danach die Gesamtheit der einer Person zustehenden Güter und Rechte von wirtschaftlichem Wert. Dazu gehören neben dem Eigentum an Immobilien und beweglichen Sachen selbstverständlich Forderungen,10) auch wenn diese noch nicht fällig sind,11) und alle sonstigen Rechte, die einen Geldwert besitzen wie z. B. der Firmenwert des Schuldnerunternehmens.12) Nicht zum Vermögen zählen Verbindlichkeiten, sodass sie auch den Vermögenswerten nicht gegenübergestellt und wertmäßig von ihnen abgezogen werden können. Der Vermögensbegriff ist „dynamisch“ zu verstehen, d. h. auch Vermögenswerte, die Gegenstand der vorläufigen Verwaltung waren und bereits während des Eröffnungsverfahrens aus der Ist-Masse ausgeschieden sind (z. B. in Erfüllung eines Aussonderungsanspruchs), sind in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen. Das Vermögen kann somit nicht mehr zum Stichtag der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ermittelt werden, vielmehr sind Vermögensschwankungen im Verlauf der vorläufigen Verwaltung bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen. Aus der Masse veräußerte Gegenstände sind nicht zu berücksichtigen, soweit Gegenleistungen zur Masse geflossen sind oder die Masse durch die Veräußerung (vergütungsrelevante) Forderungen erworben hat, da es ansonsten zu einer Doppelberücksichtigung dieser Vermögenswerte käme.13) Gleiches gilt, wenn liquide Mittel z. B. zum Erwerb von Waren verwendet werden, wenn also bei Gesamtbetrachtung lediglich ein „Aktivtausch“ vorliegt. Bei der Bewertung der für die Berechnungsgrundlage maßgeblichen Vermögensgegenstände sind allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze heranzuziehen, wie sie etwa in den §§ 252 ff HGB zu finden sind. Völlig unrealistische Bewertungsansätze sollen dadurch ausgeschlossen werden.
13
Ob Zerschlagungs- oder Fortführungswerte anzusetzen sind, entscheidet sich danach, welche Werte voraussichtlich zu realisieren sind. Ergeben sich gewichtige _____________
19
9) Stellungnahme des RA z. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BT-Drucks. 17/13535, S. 31. 10) BGH, Beschl. v. 16.11.2006 – IX ZB 302/05, ZIP 2007, 284 = ZVI 2007, 215. 11) BGH, Beschl. v. 26.4.2007 – IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330 = ZVI 2008, 317. 12) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555 = ZInsO 2004, 909. 13) Begr. zur 2. ÄndVO-InsVV, BGBl. I 2006, 3389, abgedr. in ZInsO 2007, 28.
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§ 63
Vergütung des Insolvenzverwalters
Anhaltspunkte für eine übertragende Sanierung nach Verfahrenseröffnung, ist der Fortführungswert anzusetzen. Ist eine Betriebsfortführung ausgeschlossen oder kann das Verfahren sogar mangels einer die Kosten deckenden Masse (§ 26) nicht eröffnet werden, ist vom Zerschlagungswert auszugehen.14) 3. 20
Regelvergütung
Die Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist mit 25 % der Vergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV festgelegt. Dieser Satz kann sich erhöhen, wenn Art, Dauer und Umfang der vorläufigen Verwaltung dies erfordern. Auch beim vorläufigen Verwalter gilt, dass die Umstände des Einzelfalls tatrichterlich zu würdigen sind und hieraus eine leistungsangemessene Vergütung abzuleiten ist.15) 4.
Abänderungsbefugnis
21
Um eine Auszehrung der Insolvenzmassen durch unangemessen hohe Vergütungen auf der Grundlage unrealistischer Schätzwerte zu vermeiden, wurde durch Abs. 3 Satz 4 dem Insolvenzgericht die Befugnis eingeräumt, die Vergütungsfestsetzungen nachträglich zu korrigieren. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.16)
22
Nach § 11 Abs. 2 InsVV muss das Insolvenzgericht darauf hingewiesen werden, wenn der Vergütungsantrag des vorläufigen Verwalters auf Schätzwerten beruhte und die nachfolgend erzielten Verwertungserlöse mehr als 20 % bezogen auf die Gesamtheit aller Gegenstände, die in die Berechnungsgrundlage eingeflossen sind, abweichen. Dies gilt einschließlich der aus- und absonderungsrechtsbelasteten Gegenstände, die nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV Berücksichtigung gefunden haben.17) Durch wen die Verwertung letztlich vorgenommen wurde, ob durch den Verwalter selbst oder durch einen Sicherungsgläubiger (z. B. gemäß § 170 Abs. 2 InsO), ist dabei unerheblich.
23
Eine Abänderungsbefugnis besteht nur hinsichtlich der Berechnungsgrundlage. Soweit im Vergütungsbeschluss über Zu- oder Abschläge nach §§ 10, 3 InsVV befunden wurde, ist sowohl die nachträgliche Gewährung weiterer Zuschläge als auch die Festsetzung höherer Abschläge ausgeschlossen.18)
24
Die Abänderungsbefugnis besteht nicht nur einseitig zum Nachteil des vorläufigen Verwalters, sondern kann im Falle einer zu vorsichtigen Schätzung der Berechnungsgrundlage auch zu einer nachträglichen Erhöhung der Vergütung führen.19) Da das Insolvenzgericht durch den ursprünglichen Vergütungsantrag betragsmäßig gebunden ist, ist ein ergänzender Festsetzungsantrag des vorläufigen Verwalters erforderlich,20) der mit dem Hinweis nach § 11 Abs. 2 InsVV verbunden werden kann. _____________ 14) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555 = ZInsO 2004, 909. 15) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 31/02, ZIP 2002, 1459 = NZI 2002, 509. 16) A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 107; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, § 11 InsVV Rz. 133. 17) A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 104 f, Kübler/Prütting/Bork-Prasser, InsO, § 11 InsVV Rz. 125. 18) Keller, Vergütung, Rz. 602; A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 107; Graeber, ZInsO 2007, 133, 141. 19) Begr. RegE z. GVRSG, BT-Drucks. 17/11268, S. 22. 20) A. Schmidt-Büttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 99; a. A. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 1 Rz. 52.
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§ 63
Vergütung des Insolvenzverwalters
Wird die Vergütung nachträglich reduziert, ist der vorläufige Verwalter verpflichtet, den zu viel erhaltenen Betrag zurückzuerstatten. Die Erstattungsansprüche sind vom Insolvenzverwalter geltend zu machen. Sind der vorläufige Verwalter und der Insolvenzverwalter personenidentisch, wie vom Verordnungsgeber als Regelfall angenommen, kann der zurückzuerstattende Betrag mit der Verwaltervergütung aufgerechnet werden.21) Die Änderung der Vergütung ist daher nur bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters möglich.
25
Die abändernde Entscheidung ergeht durch Beschluss, § 64. Der Beschluss ist zu begründen und mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, § 64 Abs. 3.
26
VI. Fälligkeit der Vergütungen
Eine ausdrückliche Regelung zur Fälligkeit der Vergütungen enthält weder die InsO noch die InsVV. Sie wird daher entsprechend allgemeiner Regelungen mit Auftragserledigung fällig.22) VII.
27
Verjährung
Vergütungsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 4 InsO, § 195 BGB). Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Verwalter die Festsetzung der Vergütung beantragen kann (§ 199 Abs. 1 BGB), d. h. das Jahr der Schlussrechnungslegung (§ 8 Abs. 1 InsVV) bzw. für den vorläufigen Verwalter mit der Entscheidung über den Insolvenzantrag oder seiner Erledigung. Die Stellung des Vergütungsantrags bewirkt eine Hemmung der Verjährung.23) Hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist die Verjährung in jedem Fall bis zum Abschluss des eröffneten Verfahrens gehemmt.24) Für die rechtskräftig festgesetzte Vergütung gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
28
VIII. Verwirkung
Dem Insolvenzverwalter kann die Vergütung zu versagen sein, wenn er besonders schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzungen in Form von strafbaren Handlungen zum Nachteil der Masse begangen hat;25) desgleichen, wenn er in strafbarer Weise die Bestellung zum Insolvenzverwalter erschlichen26) oder wenn er das Amt angenommen hat, obwohl er aufgrund gravierender Pflichtverstöße nicht zur Ausübung des Amtes geeignet war.27)
_____________ 21) Keller, Vergütung, Rz. 604; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, § 11 Rz. 52; a. A. A. SchmidtBüttner, InsO, § 11 InsVV Rz. 112. 22) BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 153/06, ZIP 2007, 1070 = ZVI 2007, 438; Haarmeyer/ Wutzke/Förster, InsVV, § 8 Rz. 5. 23) BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 153/06, ZIP 2007, 1070 = ZVI 2007, 438. 24) BGH, Beschl. v. 22.9.2010 – IX ZB 195/09, ZIP 2010, 2160 = ZVI 2011, 66, dazu EWiR 2011, 25 (Blersch). 25) LG Deggendorf, Beschl. v. 24.7.2013 – 13 T 57/13, ZIP 2013, 1975. 26) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, ZIP 2004, 1214 = ZVI 2004, 367. 27) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, ZIP 2011, 1526 = ZInsO 2011, 1520.
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§ 64
Festsetzung durch das Gericht
§ 64 Festsetzung durch das Gericht (1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest. (2) 1Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. 2Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß der vollständige Beschluß in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann. (3) 1Gegen den Beschluß steht dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. 2§ 567 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend. Literatur: Haarmeyer, Die „neue“ Vergütung des vorläufigen Verwalters, ZInsO 2007, 73. Übersicht
1
I. II. III. IV. V.
Geltungsbereich ................................... Zuständigkeit ....................................... Anhörung der Beteiligten ................... Bekanntmachung ................................. Rechtsmittel .........................................
I.
Geltungsbereich
1 2 3 4 5
1. 2. 3. 4. VI.
Beschwerdeberechtigte ......................... 6 Staatskasse ........................................... 12 Beginn der Rechtsmittelfrist .............. 13 Zulässigkeit .......................................... 14 Ergänzende Festsetzung .................... 15
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Neben der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalter erfasst die Vorschrift die Vergütung des Treuhänders der Wohlverhaltensperiode (§ 293 Abs. 2) und des (vorläufigen) Sachwalters (§ 274 Abs. 1). Die Klärung, inwieweit ggf. aufrechenbare Gegenansprüche bestehen, ist nicht Gegenstand des Vergütungsfestsetzungsverfahrens.1) II. Zuständigkeit
2
Die funktionelle Zuständigkeit ergibt sich aus § 3 Nr. 2 Buchst. e i. V. m. § 18 RPflG. Danach entscheidet der Rechtspfleger über die Vergütungsanträge – auch über den Vergütungsantrag des vorläufigen Verwalters, es sei denn, der Richter hat sich die Entscheidung vorbehalten.2) III. Anhörung der Beteiligten
3
Eine Gläubigerversammlung, in der den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, setzt die Vergütungsfestsetzung nicht voraus. Auch rechtliches Gehör wird den Beteiligten vor der Festsetzung der Vergütung zumeist nicht gewährt. Rechtliche Gründe für eine Ausnahme von Art. 103 GG sind zwar nicht erkennbar, jedoch ist die Anhörung der Beteiligten wegen der oftmals großen Zahl an Gläubigern praktisch undurchführbar. _____________ 1) 2)
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BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, ZIP 2004, 1214 = ZVI 2004, 367. BGH, Beschl. v. 22.9.2010 – IX ZB 195/09, ZIP 2010, 2160 = ZVI 2011, 66, dazu EWiR 2011, 25 (Blersch).
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§ 64
Festsetzung durch das Gericht
IV. Bekanntmachung
Der vollständige Festsetzungsbeschluss ist dem Schuldner (ggf. den gesetzlichen Vertretern), dem Verwalter und, soweit ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Gläubigerausschusses besonders zuzustellen. Alle übrigen Beteiligten, also die Insolvenzgläubiger, werden auf die öffentliche Bekanntmachung verwiesen. Der Betrag der Vergütung darf nicht veröffentlicht werden. Insolvenzgläubiger erlangen vom Inhalt des Vergütungsbeschlusses nur Kenntnis durch Einsichtnahme bei Gericht. Auch darauf ist in der Veröffentlichung hinzuweisen. Die Form der Bekanntmachung dient der beschleunigten Abwicklung des Insolvenzverfahrens.
4
V. Rechtsmittel
Absatz 3 sieht als Rechtsmittel die sofortige Beschwerde vor. Im Beschwerdeverfahren finden die §§ 567 ff ZPO Anwendung einschließlich des grundsätzlichen Verbots der Schlechterstellung (reformatio in peius); dieses bezieht sich auf die Gesamthöhe der Vergütung und lässt dem Beschwerdegericht Freiraum, den zu entscheidenden Fall in allen Aspekten neu zu würdigen.3) 1.
5
Beschwerdeberechtigte
Beschwerdeberechtigt ist grundsätzlich jeder, der durch die Vergütungsfestsetzung in seinen Rechten und Pflichten unmittelbar betroffen ist; die Aufzählung in Absatz 3 enthält insoweit eine planwidrige Regelungslücke.4)
6
Betroffen ist der Verwalter, wenn seinem Antrag nicht in vollem Umfang stattgegeben wird. Lehnt das Gericht die Zustimmung zur Entnahme eines Vorschusses ab (§ 9 Satz 1 InsVV), stellt die Entscheidung keine Festsetzung der Vergütung dar. Sie unterliegt deshalb nicht der sofortigen Beschwerde. Entscheidet der Rechtspfleger, steht dem Verwalter die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG offen.
7
Grundsätzlich betroffen ist der Schuldner, dessen Vermögen verwertet und verteilt wird. Die Vergütung wirkt sich auf die Befriedigung der Gläubiger aus und stellt dadurch den Schuldner schlechter im Hinblick auf die Geltendmachung nach Aufhebung des Verfahrens sowie auf das Verfahrensergebnis überhaupt. Auch wenn dem Schuldner Verfahrenskostenstundung bewilligt wurde, ist der Schuldner beschwert, insbesondere weil er einer vierjährigen Nachforderungsfrist nach Erteilung der Restschuldbefreiung unterliegt (§ 4b Abs. 2 Satz 4).
8
Beschwert sind die Insolvenzgläubiger, denn die Vergütung schmälert ihre Quotenaussicht, da die Verfahrenskosten stets vorab zu befriedigen sind (§ 53). Für die Frage der Beschwerdeberechtigung gemäß Absatz 3 ist allerdings nicht auf die materiell-rechtliche Stellung als Insolvenzgläubiger abzustellen, da die Prüfung der Voraussetzungen des § 38 nicht dem Insolvenzgericht obliegt; beschwerdeberechtigt ist, wer eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat, selbst wenn diese
9
_____________ 3) 4)
BGH, Beschl. v. 16.6.2005 – IX ZB 264/03, ZIP 2005, 1372 = ZVI 2005, 441 und BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, ZIP 2004, 1214 = ZVI 2004, 367. BGH, Beschl. v. 20.12.2012 – IX ZB 19/10, ZIP 2013, 226, dazu EWiR 2013, 245 (Blersch).
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§ 64
Festsetzung durch das Gericht
noch nicht geprüft ist oder bestritten wurde.5) Hat der Verwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt (§ 208), steht den Insolvenzgläubigern ein Beschwerderecht nur zu, wenn die Vergütungshöhe ursächlich für die Masseunzulänglichkeit war. 10
Auch den Massegläubigern steht ein eigenes Beschwerderecht zu, wenn das Verfahren masseunzulänglich geführt wird und sich die Festsetzung der Vergütung daher auf ihre Befriedigungsaussichten auswirkt. Dabei ist es unerheblich, ob die Masseunzulänglichkeit bereits angezeigt wurde.
11
Ein Dritter, der einen Verfahrenskostenvorschuss (§ 26 Abs. 1 Satz 2) geleistet oder sich zur Leistung verpflichtet hat, ist durch die Festsetzung der Vergütung unmittelbar betroffen, da die Höhe seiner Inanspruchnahme davon abhängt. 2.
12
3. 13
Beginn der Rechtsmittelfrist
Für den Verwalter beginnt die Rechtsmittelfrist mit der öffentlichen Bekanntmachung, falls nicht die Zustellung nach Absatz 2 Satz 1 vorher erfolgt ist. Gleiches gilt für den Schuldner, wenn er zuvor gehört worden ist.6) Erfolgte keine Anhörung, kommt es allein auf die Zustellung an, denn der Schuldner muss auch die festgesetzten Beträge erkennen können, die in der öffentlichen Bekanntmachung nicht enthalten sind. Wann die Beschwerdefrist für die sonstigen Beteiligten beginnt, die keine gesonderte Zustellung erhalten, (Insolvenzgläubiger, Massegläubiger, vorschussleistende Dritte) ist bislang nicht entschieden.7) Es gibt keinen sachlichen Grund, diese Beteiligten schlechterzustellen und sie allein auf die öffentliche Bekanntmachung zu verweisen. Anderseits kann aus Gründen der Rechtssicherheit der Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht ins Ungewisse verschoben werden. Sachgerecht ist es daher, wenn die Rechtsmittelfrist für diese Beteiligten nach § 569 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ZPO spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses beginnt. 4.
14
Staatskasse
Der Staatskasse steht auch bei gestundeten Verfahrenskosten kein Beschwerderecht zu. Dies gilt auch, wenn der Rechtspfleger entschieden hat. Andernfalls würde über die gleichzeitige Beschwerde des Insolvenzgläubigers das Landgericht, über die des Vertreters der Landeskasse der Insolvenzrichter mit möglicherweise unterschiedlichen Ergebnissen entscheiden.
Zulässigkeit
Zulässig ist die sofortige Beschwerde nur, soweit der Beschwerdewert einen Betrag von 200 € übersteigt (Abs. 2 Satz 3; § 567 Abs. 2 ZPO). Geringere Beträge unterliegen, wenn die zugrunde liegende Entscheidung durch den Rechtspfleger ergangen ist, der Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG.
_____________ 5) 6) 7)
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BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – IX ZB 1/04, ZIP 2007, 647 = ZVI 2007, 287. BGH, Beschl. v. 14.11.2013 – IX ZB 101/11, ZIP 2013, 2425. BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – IX ZB 165/10, ZIP 2011, 2479.
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§ 66
Rechnungslegung
VI. Ergänzende Festsetzung
Eine spätere ergänzende Festsetzung, die auf bisher nicht geltend gemachten Faktoren beruht, ist zulässig.8) Relevant wird dies insbesondere, wenn zwischen der Einreichung des Vergütungsantrags und dem Schlusstermin noch Erschwernisse auftreten oder relevante Massezuflüsse realisiert werden können. Ein Zweitverfahren über die Festsetzung der Verwaltervergütung ist jedoch unzulässig, wenn der Antrag auf Umstände gestützt wird, die bereits im Erstverfahren geltend gemacht wurden oder hätten geltend gemacht werden können.9) Für Massezuflüsse nach dem Schlusstermin, die der Nachtragsverteilung unterliegen, gibt es einen eigenen Vergütungsanspruch nach § 6 Abs. 1 InsVV. _____________ 8) 9)
15
BGH, Beschl. v. 10.11.2005 – IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93 = ZVI 2005, 646. BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 = ZIP 2010, 1403, dazu EWiR 2010, 651 (Kexel).
§ 65 Verordnungsermächtigung Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, die Vergütung und die Erstattung der Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters sowie das hierfür maßgebliche Verfahren durch Rechtsverordnung zu regeln. )
)
§ 65 geändert durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte, BGBl. I 2013, 2379 m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete § 65: „Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, die Vergütung und die Erstattung der Auslagen des Insolvenzverwalters durch Rechtsverordnung näher zu regeln.“
Ziel der Norm ist es, die Regelungen zur Berechnung der Vergütungen und des Verfahrens zur Festsetzung einfacher späteren Änderungsbedürfnissen anpassen zu können und die Insolvenzordnung insoweit zu entlasten. Durch die Verordnungsermächtigung wird die Regelung der Einzelheiten der Vergütungsbestimmung in die Zuständigkeit des Bundesministeriums der Justiz verlagert. Einer Zustimmung der Bundesländer bedürfen die Verordnung und deren Änderung grundsätzlich nicht. Allerdings sind die Bundesländer durch Änderungen zur Höhe der Vergütung nach Einführung der Verfahrenskostenstundung unmittelbar betroffen, da die Stundung durch die Länderhaushalte finanziert wird, sodass deren vorherige Anhörung geboten ist.
§ 66 Rechnungslegung Riedel
1
(1) Der Insolvenzverwalter hat bei der Beendigung seines Amtes einer Gläubigerversammlung Rechnung zu legen. 2Der Insolvenzplan kann eine abweichende Regelung treffen.
Riedel
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1
§ 66
Rechnungslegung
(2) 1Vor der Gläubigerversammlung prüft das Insolvenzgericht die Schlußrechnung des Verwalters. 2Es legt die Schlußrechnung mit den Belegen, mit einem Vermerk über die Prüfung und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, mit dessen Bemerkungen zur Einsicht der Beteiligten aus; es kann dem Gläubigerausschuß für dessen Stellungnahme eine Frist setzen. 3Der Zeitraum zwischen der Auslegung der Unterlagen und dem Termin der Gläubigerversammlung soll mindestens eine Woche betragen. (3) 1Die Gläubigerversammlung kann dem Verwalter aufgeben, zu bestimmten Zeitpunkten während des Verfahrens Zwischenrechnung zu legen. 2Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend. Literatur: Madaus, Grundlage und Grenzen der Bestellung von Sachverständigen in der gerichtlichen Schlussrechnungsprüfung, NZI 2012, 119. Übersicht I. II. 1. 2. 3.
Vorbemerkung ..................................... Schlussrechnung .................................. Form ...................................................... Adressat der Schlussrechnung .............. Zeitpunkt ...............................................
I.
Vorbemerkung
1 3 3 7 8
4.
Prüfung durch das Insolvenzgericht .................................................... 9 5. Beteiligung der Gläubiger ................... 10 III. Zwischenrechnung ............................. 11 IV. Rechnungslegung des vorläufigen Verwalters ........................................... 12
1
Die Rechnungslegung des Verwalters bietet den Beteiligten einen umfassenden Einblick in seine bisher geleistete Arbeit1) und bildet damit ein Hauptkontrollinstrument für Gläubigerorgane und Insolvenzgericht. Daneben ist sie Grundlage für die Vergütungsberechnung des Verwalters (§§ 1 Abs. 1 Satz 1, 8 InsVV).2) § 66 gilt ebenso für den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, vgl. unten Rz. 12). Der Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode (§ 292) unterliegt abweichenden Vorschriften. In der Eigenverwaltung gilt § 66 für den Schuldner (§ 281 Abs. 3 Satz 1); dagegen nicht für den vorläufigen (§ 270a) und den endgültigen Sachwalter (§ 274 Abs. 1).
2
Unabhängig von der Regelung des § 66 besteht die Pflicht jedes in der InsO genannten Amtsträgers, gemäß § 58 gegenüber dem aufsichtführenden Insolvenzgericht Bericht zu erstatten und Rechenschaft abzulegen. Von dieser Rechenschaftspflicht kann denn auch mittels eines Insolvenzplans keine Befreiung erteilt werden. § 66 Abs. 1 Satz 2 ist insoweit nachrangig. II. Schlussrechnung 1.
3
Form
Weder aus dem Text der Insolvenzordnung noch aus ihrer Begründung ergibt sich, in welcher Form Schlussrechnung zu legen ist. Absatz 2 Satz 2 besagt lediglich, dass der Schlussrechnung die Belege beizufügen sind. Art und Weise hängen daher von der Person des Schuldners und dem Umfang der Insolvenzmasse ab. Anhaltspunkte ergeben sich aus § 259 BGB. _____________ 1) 2)
500
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 66 Rz. 8 – 10. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.10.2001 – 3 W 177/01, NZI 2002, 43 = ZInsO 2002, 67.
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§ 66
Rechnungslegung
Zahlungsbewegungen sind in buchhalterischer Weise zu führen und darzustellen,3) d. h. neben einer chronologischen Auflistung von Einnahmen und Ausgaben sind Sachkonten zu führen, aus denen sich z. B. die Abwicklung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen oder Personalausgaben ergeben. Aus der Rechnungslegung muss sich weiterhin jeder Massegegenstand und seine Verwendung ersehen lassen. Entbehrlich ist eine Rechnungslegung nur, wenn keinerlei Umsätze getätigt wurden.
4
Die Rechnungslegung gehört zu den nicht übertragbaren Pflichten des Verwalters. Er kann jedoch Hilfskräfte in Anspruch nehmen.4)
5
Neben der Rechnungslegung, also der Darstellung des Zahlenwerkes, beinhaltet die Schlussrechnung auch den Schlussbericht, der die Arbeit des Verwalters im vorangegangenen Zeitraum beschreibt und das Zahlenwerk erläutert.5) Ergeben regelmäßige Zwischenberichte und der Schlussbericht eine einheitliche chronologische Struktur, kann auf Vorberichte Bezug genommen werden. Das Schlussverzeichnis (§ 188) stellt den Passivstatus des Schuldners dar und ist deshalb auch Bestandteil der Schlussrechnung.
6
2.
Adressat der Schlussrechnung
Adressaten der Schlussrechnung sind das Insolvenzgericht, das die Schlussrechnung zu prüfen hat, und die Organe der Gläubiger, also Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung. Letztere ist der eigentliche Adressat (Abs. 1). Einblick in die Schlussrechnung können jedoch alle Verfahrensbeteiligten nehmen, z. B. der Schuldner, der sich vergewissern möchte, ob sein Vermögen ordnungsgemäß verwaltet wurde oder ein einzelner Gläubiger. Gegenüber dem Schuldner ergibt sich eine Rechenschaftspflicht darüber hinaus aus § 259 BGB. Dagegen haben einzelne Gläubiger keinen Anspruch auf gesonderte Rechnungslegung.6) 3.
Zeitpunkt
Die Schlussrechnung ist jeweils zum Ende des Amtes zu legen. Danach ist der vorläufige Insolvenzverwalter etwa bei Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse oder Eröffnung des Verfahrens zur Rechnungslegung verpflichtet. Das Amt des Insolvenzverwalters endet regelmäßig mit der Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens. Darüber hinaus führt aber auch die Entlassung oder die Abwahl und letztlich der Tod zur Beendigung des Verwalteramtes.7) Es kommt nicht auf den formellen Akt des Endes, sondern auf das Ende der Tätigkeit an. Die Pflicht zur Rechnungslegung besteht seitens des Insolvenzverwalters somit bereits im Vorfeld der Verfahrensaufhebung oder -einstellung. Sie dauert auch über eine Verfahrens_____________ 3)
4) 5) 6) 7)
7
OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.2001 – 8 W 231/01, ZIP 2002, 43 = NZI 2002, 41, dazu EWiR 2002, 439 (Tappmeier); eine ausführliche Darstellung hierzu in Bork/ Koschmieder-Beck, Fachanwaltshdb. InsR, Teile 29, 30. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 66 Rz. 6. OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.2001 – 8 W 231/01, ZIP 2002, 43 = NZI 2002, 41. OLG Stuttgart, Urt. v. 21.2.2007 – 9 U 152/06, ZInsO 2010, 2234. BGH, Beschl. v. 10.11.2005 – IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93 = ZVI 2005, 646.
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§ 66
Rechnungslegung
beendigung hinaus fort.8) Die Verpflichtung zur Rechnungslegung unterliegt der Aufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58) und kann durch ein Zwangsgeld durchgesetzt werden.9) Die übrigen Beteiligten des Verfahrens, auch ein ggf. neu bestellter Verwalter, können solche Aufsichtsmaßnahmen anregen. Einen eigenen einklagbaren Anspruch auf Rechnungslegung hat der neue Verwalter hingegen nicht.10) 4. 9
Prüfung durch das Insolvenzgericht
Bevor eine Gläubigerversammlung anberaumt wird, ist die Schlussrechnung durch das Insolvenzgericht zu prüfen. Das Gericht agiert hier gleichsam als sachverständiges Hilfsorgan der Gläubigerversammlung. Zuständig ist im eröffneten Verfahren der Rechtspfleger, soweit der Richter keinen Vorbehalt ausgesprochen hat. Die Tiefe der Prüfung hängt jeweils vom Einzelfall ab. In der Regel ist eine stichprobenartige Prüfung der reinen Rechnungslegung oder eine Prüfung nach Schwerpunkten ausreichend. Das Insolvenzgericht kann sich bei der Prüfung der vom Insolvenzverwalter vorgelegten Schlussrechnung der Hilfe von Sachverständigen bedienen, deren Vergütung zu den Kosten des Verfahrens i. S. des § 54 zählen.11) Der Sachverständige wird nach dem JVEG vergütet (§ 413 ZPO) und erhält danach in der Regel 75 € pro Stunde. Die Bestellung des Sachverständigen erfolgt mittels Beschlussfassung, in der neben der ausgewählten Person auch der konkrete Prüfungsumfang anzugeben ist. Dem Insolvenzverwalter, dessen Schlussrechnung Gegenstand der Prüfung sein soll, ist eine Beschlussausfertigung zu übermitteln. Allerdings wird das Insolvenzgericht durch die Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht seiner eigenen Prüfungspflicht enthoben.12) Die sachliche Prüfung der Schlussrechnung bleibt dem Gericht vorbehalten (Art. 33 Abs. 4 GG). Insbesondere die Entscheidungen über Vergütungszuoder -abschläge hat allein das Insolvenzgericht zu treffen. Andere Verwalter oder deren Mitarbeiter sollten nicht als Sachverständige beauftragt werden, da diese aufgrund eines möglichen Konkurrenzverhältnisses in der Regel als befangen anzusehen sind (§ 406 ZPO).13) Die Rechnungslegung des Verwalters ist auf der Geschäftsstelle des Gerichts zusammen mit einem Vermerk über das Ergebnis der gerichtlichen Prüfung zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen (Abs. 2 Satz 2). Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die rechnerische Richtigkeit und die Vollständigkeit der Rechnungslegung. Daneben ist die Rechtmäßigkeit des Verwalterhandels zu überprüfen, wozu u. a. die Frage gehört, ob Masseverbindlichkeiten etwa durch die Beauftragung externer Dienstleister rechtmäßig eingegangen wurden (vgl. § 8 Abs. 2 InsVV). Ebenso sind etwaige Pflichtverletzungen des Verwalters zu verfolgen. Die _____________ 8) BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = Rpfleger 2005, 468, dazu EWiR 2005, 677 (Eickmann). 9) BGH, Beschl. v. 12.1.2012 – IX ZB 157/11, ZIP 2012, 1092; BGH, Beschl. v. 14.4.2005 – IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865 = Rpfleger 2005, 468; vgl. § 58 Rz. 11 ff. 10) BGH, Beschl. v. 23.09.2010 – IX ZR 242/09, ZIP 2010, 2259. 11) Begr. zu § 76 RegE/§ 66 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 131, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 238; LG Heilbronn, Beschl. v. 4.2.2009 – 1 T 30/09, ZIP 2009, 1437 = ZInsO 2009, 667. 12) OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.10.2009 – 8 W 265/09, ZIP 2010, 491; Keller, Rpfleger 2011, 66. 13) Madaus, NZI 2012, 119.
502
Riedel
§ 66
Rechnungslegung
wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des Verwalterhandelns ist dagegen nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. 5.
Beteiligung der Gläubiger
Dem Gläubigerausschuss, der die Interessen der Gläubiger wahrnimmt, ist die Schlussrechnung zur Prüfung vorzulegen (§ 66 Abs. 2 Satz 2). Dies kann bereits durch den Verwalter geschehen, bevor er seine Schlussrechnung bei Gericht einreicht. Beauftragt der Gläubigerausschuss einen Sachverständigen mit der Prüfung der Schlussrechnung, dessen Gutachten dem Insolvenzgericht vorliegt, werden durch die weitere Bestellung eines Sachverständigen durch das Gericht regelmäßig keine zusätzlichen Erkenntnisse zu gewinnen sein. Nach der Prüfung durch das Insolvenzgericht ist eine Gläubigerversammlung in der Form des Schlusstermins einzuberufen, der u. a. der Erörterung der Schlussrechnung dient (§ 197 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Die Schlussrechnung ist zeitgleich mit der Terminbestimmung auszulegen. Insbesondere in Großverfahren kann die Auslage auch in den Räumen der Verwalterkanzlei erfolgen14) oder an einer sonst geeigneten Stelle. Eine Übersendung der Schlussrechnung kommt nicht in Betracht. Zwischen Auslage und Gläubigerversammlung muss mindestens eine Woche liegen. Der konkrete Zeitraum richtet sich nach dem Umfang des Verfahrens.
10
III. Zwischenrechnung
Die Gläubigerversammlung kann eine Zwischenrechnungslegung verlangen, für die Absatz 1 und 2 entsprechend gelten (Abs. 3). Meist erübrigt sich eine solche Vorgabe der Gläubigerversammlung, da bereits das Gericht in Ausübung seiner Aufsichtspflicht nach § 58 dem Verwalter eine turnusmäßige Berichterstattung aufgibt, innerhalb der zumindest die jeweiligen Kontostände zu belegen und die Veränderungen aufzuzeigen sind, die sich seit der letzten Berichterstattung ergeben haben.
11
IV. Rechnungslegung des vorläufigen Verwalters
Funktionell zuständig für die Rechnungsprüfung ist jeweils der für den Verfahrensabschnitt zuständige Sachbearbeiter, also regelmäßig der Richter für das Eröffnungsverfahren und der Rechtspfleger für das eröffnete Verfahren.
12
Für den vorläufigen Verwalter gilt § 66 nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 entsprechend, kann also nicht uneingeschränkt auf den vorläufigen Verwalter übertragen werden. So kann die Rechnungslegung im Eröffnungsverfahren nicht gegenüber einer Gläubigerversammlung erfolgen. Der konkrete Umfang hängt vom Einzelfall ab. Auf eine förmliche Rechnungslegung kann verzichtet werden, wenn das Eröffnungsverfahren von kurzer Dauer oder ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt war.15) Im eigenen (Haftungs-)Interesse sollte der vorläufige Verwalter stets in der Lage sein, Rechnung zu legen.
13
_____________ 14) Begr. RA zu § 76 RegE/§ 66 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 162, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 240. 15) KG, Beschl. v. 3.4.2001 – 7 W 8034/00, NZI 2001, 307 = ZInsO 2001, 409.
Riedel
503
§ 67
Einsetzung des Gläubigerausschusses
§ 67 Einsetzung des Gläubigerausschusses (1) Vor der ersten Gläubigerversammlung kann das Insolvenzgericht einen Gläubigerausschuss einsetzen. (2) 1Im Gläubigerausschuss sollen die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und die Kleingläubiger vertreten sein. 2Dem Ausschuss soll ein Vertreter der Arbeitnehmer angehören. (3) Zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die keine Gläubiger sind. Literatur: Frind, Die Praxis fragt, „ESUG“ antwortet nicht, ZInsO 2011, 2249; Grundlach/ Frenzel/Schmidt, Die GmbH als Gläubigerausschussmitglied, ZInsO 2007, 531; Heidland, Die Rechtsstellung und Aufgaben des Gläubigerausschusses als Organ der Gläubigerselbstverwaltung in der Insolvenzordnung (InsO), in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2000, S. 549; Obermüller, Der Gläubigerausschuss nach dem „ESUG“, ZInsO 2012, 18. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Bildung des vorläufigen Gläubigerausschusses ...................................... 3 1. Ermessensentscheidung des Insolvenzgerichts .................................. 3
I.
2. 3. 4.
Zusammensetzung ................................ 4 Zeitraum, insbesondere vorläufiger Gläubigerausschuss bereits im Eröffnungsverfahren ........................... 10 Einsetzungsbeschluss .......................... 12
Pöhlmann/Kubusch
Allgemeines
1
§ 67 räumt dem Insolvenzgericht die Möglichkeit ein, einen Gläubigerausschuss nach Eröffnung des Verfahrens, aber schon vor der ersten Gläubigerversammlung einzusetzen. Die Vorschriften der §§ 67 ff sind jedoch nicht nur auf den Gläubigerausschuss im eröffneten Insolvenzverfahren anwendbar, sondern auch schon auf den „vorläufigen Gläubigerausschuss“, der im Eröffnungsverfahren eingesetzt werden kann bzw. bei Erreichen der in § 22a Abs. 1 genannten Schwellenwerte eingesetzt werden muss. Damit soll der Einfluss der Gläubiger auf das Insolvenzverfahren, insbesondere zur Unterstützung und Überwachung des vorläufigen Insolvenzverwalters, von Verfahrensbeginn an gesichert werden. Ein solcher Gläubigerausschuss ist jedoch nur vorläufiger Natur. Da er die Interessen der Gläubigergesamtheit vertritt, muss der Gläubigerversammlung die Entscheidung überlassen werden, ob und in welcher Zusammensetzung ein endgültiger Gläubigerausschuss eingesetzt oder beibehalten wird und wie er sich zusammensetzt, vgl. § 68.
2
In bestimmten Fällen kann, hat bzw. soll das Insolvenzgericht bereits vor der Entscheidung über den Insolvenzantrag einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, vgl. § 22a, für den § 67 Abs. 2 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten, § 21 Abs. 2 Nr. 1a. Es kann damit festgehalten werden, dass die Insolvenzordnung nunmehr die Einsetzung eines Gläubigerausschusses in drei verschiedenen Verfahrensstadien kennt: –
504
Den „vorläufigen Gläubigerausschuss“ als Kann- oder Muss-Ausschuss im Eröffnungsverfahren,
Pöhlmann/Kubusch
Einsetzung des Gläubigerausschusses
§ 67
–
den „interimistischen Gläubigerausschuss“ nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur ersten Gläubigerversammlung und letztendlich
–
den „endgültigen Gläubigerausschuss“, der durch die Gläubigerversammlung gewählt und eingesetzt wird.1)
II. Bildung des vorläufigen Gläubigerausschusses 1.
Ermessensentscheidung des Insolvenzgerichts
Die Entscheidung, ob ein vorläufiger Gläubigerausschuss bereits im Eröffnungsverfahren oder ein Gläubigerausschuss bereits vor der ersten Gläubigerversammlung eingesetzt wird, liegt – soweit nicht der Anwendungsbereich des § 22a eröffnet ist – im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts.2) Ob ein Gläubigerausschuss eingesetzt wird, wird sich in den meisten Fällen nach Umfang und Schwierigkeit des Insolvenzverfahrens richten. Bei Insolvenzverfahren geringen Umfangs oder geringer Vermögensmasse sollte im Interesse der Straffung des Verfahrens und der Kostenersparnis auf einen Gläubigerausschuss verzichtet werden. Ist der Geschäftsbetrieb im Insolvenzantragsverfahren bereits eingestellt, ist der Antrag auf Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses nach Auffassung des AG Hamburg bereits unzulässig.3) Bei größeren und schwierigeren Verfahren soll dagegen ein Gläubigerausschuss bestellt werden. Ein Gläubigerausschuss kann auch in einem Verbraucherinsolvenzverfahren eingesetzt werden. 2.
3
Zusammensetzung
Eine Mindestanzahl der Mitglieder für den vom Insolvenzgericht einzusetzenden Gläubigerausschuss gibt es nicht. Unzulässig ist allerdings die Einsetzung des Gläubigerausschusses mit nur einer Person, da der Begriff „Ausschuss“ ein Gremium und damit eine Mehrheit voraussetzt. Dies würde auch die gesetzgeberische Intention, möglichst eine Repräsentanz aller (Gläubiger-)Gruppen im Ausschuss zu erreichen, konterkarieren.4) Möglich ist es aber, einen Gläubigerausschuss mit zwei Mitgliedern zu berufen.5) Um Pattsituationen bei Mehrheitsentscheidungen zu vermeiden, ist es jedoch zu empfehlen, eine ungerade Zahl von Mitgliedern, also mindestens drei zu bestimmen.
4
Gemäß Absatz 2 sollen bei der Zusammensetzung des Ausschusses die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, die Kleingläubiger und – nach der gesetzlichen Neuregelung zu Absatz 2
5
_____________ 1) 2) 3) 4)
5)
Frind, ZInsO 2011, 2249, 2250. Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 67 Rz. 9; so auch Heidland in: Kölner Schrift, S. 549, 553; A. Schmidt-Frind, InsO, § 67 Rz. 1. AG Hamburg, Beschl. v. 6.5.2013 – 67c IN 165/13, ZIP 2013, 1135 = NZI 2013, 701. A. Schmidt-Frind, InsO, § 67 Rz. 4; Wimmer-Schmitt, FK-InsO, § 67 Rz. 6; a. A. JaegerGerhardt, InsO, § 67 Rz. 21, der sowohl die Zusammensetzung als auch die Zahl der Mietglieder ausschließlich in den Ermessenspielraum des Insolvenzgerichts unter Außerachtlassung praktischer Erwägungen stellt. AG Augsburg, Beschl. v. 25.3.2003 – 3 IK 1286/02, ZVI 2003, 294 = NZI 2003, 509, wo eine Mindestzahl von zwei Mitgliedern festgelegt wird; vgl. auch BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 35/93, BGHZ 124, 86 = ZIP 1994, 46, dazu EWiR 1994, 281 (Lüke); zum unzulässigen Einer-Ausschuss vgl. LG Neuruppin, Beschl. v. 13.10.1997 – 5 T 271/97, ZIP 1997, 2130.
Pöhlmann/Kubusch
505
§ 67
Einsetzung des Gläubigerausschusses
Satz 2 unabhängig von der Höhe der Forderungen – Arbeitnehmer angehören. Mit der Regelung des Absatzes 2 soll sichergestellt werden, dass im Ausschuss die Interessen aller beteiligten Gläubigergruppen angemessen vertreten sind.6) Es handelt sich aber nur um eine Soll-Vorschrift. Es müssen also nicht alle Gläubigergruppen im vorläufigen Gläubigerausschuss repräsentiert sein.7) 6
Durch das ESUG wurde in Absatz 2 Satz 28) der Relativsatz „wenn diese als Insolvenzgläubiger mit nicht unerheblichen Forderungen beteiligt sind“ gestrichen, da der Gesetzgeber es zu Recht für sinnvoll hält, dass künftig stets ein Vertreter der Arbeitnehmer dem Gläubigerausschuss angehört. Vor dem Hintergrund dieser Neuregelung und dem Ziel, Pattsituationen bei der Abstimmung zu vermeiden, werden daher künftige Gläubigerausschüsse in Verfahren entsprechender Größenordnung aus fünf Mitgliedern bestehen.9)
7
Ein vorläufiger Gläubigerausschuss kann nachträglich durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts um weitere Gläubiger erweitert werden.10)
8
Zum Gläubigerausschussmitglied kann jede Person berufen werden, auch eine solche, die kein Gläubiger ist, vgl. Absatz 3, was für den vorläufigen Gläubigerausschuss i. S. des § 21 Abs. 2 Nr. 1a nicht gilt. In Betracht kommen hier vor allem solche außenstehenden Personen wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer usw. Umstritten ist, ob als geeignete Personen auch Richter und Rechtspfleger für einen Gläubigerausschuss in Betracht kommen.11) Gegen eine Bestellung von in Insolvenzsachen erfahrenen Nicht-Gläubigern bestehen jedoch auch bei den genannten Berufsgruppen keine sachlichen Einwände, solange Unabhängigkeit gewährleistet ist. Freilich müssen aber die Voraussetzungen zur Teilnahme jeweils erfüllt sein, d. h. insbesondere etwaig erforderliche Genehmigungen des Dienstherrn vorliegen. Die zu bestellende Person braucht keine natürliche Person zu sein. Auch juristische Personen kommen als Ausschussmitglieder in Betracht. Neben juristischen Personen des privaten Rechts können juristische Personen des öffentlichen Rechts wie Sparkassen, Landesbanken oder die Bundesagentur für Arbeit bestellt werden.12) Hingegen können staatliche Ämter und Behörden nicht Mitglied eines Gläubigerausschlusses werden, da ihnen das für den Personenbegriff entscheidende Merkmal der Rechtsfähigkeit fehlt. Ihnen kommen lediglich bestimmte Kompetenzen zu. Verleiht das Gesetz der Behörde die Fähigkeit, Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens zu sein, handelt es sich lediglich um eine begrenzte _____________ 6) AG Duisburg, Beschl. v. 3.7.2003 – 62 IN 41/03, NZI 2003, 659 = ZInsO 2003, 861, dazu EWiR 2003, 983 (Rendels). 7) AG Köln, Beschl. v. 22.7.2003 – 71 IN 453/02, NZI 2003, 657 = ZInsO 2003, 957. 8) Geändert durch Gesetz v. 7.12.2011 – ESUG, BGBl. I 2011, 2582, m. W. v. 1.3.2012. 9) Obermüller, ZInsO 2012, 18, 22; zustimmend A. Schmidt-Frind, InsO, § 67 Rz. 4. 10) AG Kaiserslautern, Beschl. v. 15.6.2004 – IN 144/04, NZI 2004, 676 – für die Bestellung eines Konsortialführers als weiteres Mitglied des Gläubigerausschusses neben einem bereits bestellten Mitglied der Gläubigerbanken. 11) Im Ergebnis bejahend, sofern der Richter oder Rechtspfleger aus einem anderen Gerichtsbezirk stammt Kübler/Prütting/Borg-Kübler, InsO, § 67 Rz. 27; dagegen abl. ohne nähere Begründung Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO; § 67 Rz. 19. 12) BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 35/93, BGHZ 124, 86 = ZIP 1994, 46; LG Duisburg, Beschl. v. 29.9.2003 – 7 T 203/03 und 235–258/03, NZI 2004, 95 = ZIP 2004, 729 (LS); zweifelnd Grundlach/Frenzel, ZInsO 2007, 531.
506
Pöhlmann/Kubusch
Einsetzung des Gläubigerausschusses
§ 67
Verfahrensfähigkeit, die über den gesetzlich ausdrücklich zugewiesenen Bereich nicht hinauswirkt.13) Die Bestellung eines Mitarbeiters der Behörde ist aber durchaus möglich. Die Finanzverwaltung geht hingegen davon aus, dass auch Finanzbehörden im Gläubigerausschuss vertreten sein können. Zu Ausschussmitgliedern können nicht bestellt werden: der Schuldner, sein gesetzlicher Vertreter, auch Organmitglieder, wenn der Schuldner eine juristische Person ist bzw. persönlich haftende Gesellschafter. Auch der Insolvenzverwalter oder seine Mitarbeiter können nicht Mitglieder des Gläubigerausschusses sein, denn der Ausschuss soll gemäß § 69 den Insolvenzverwalter auch überwachen. 3.
9
Zeitraum, insbesondere vorläufiger Gläubigerausschuss bereits im Eröffnungsverfahren
Aus den §§ 67, 68 ergibt sich, dass das Insolvenzgericht einen „vorläufigen Gläubigerausschuss“ nur bis zur ersten Gläubigerversammlung einsetzen kann. Danach verliert das Insolvenzgericht diese Befugnis, die vollständig auf die Gläubigerversammlung übergeht. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Tätigkeit der vorläufigen Gläubigerausschussmitglieder schon mit dem Schluss der ersten Gläubigerversammlung endgültig abgeschlossen ist. Da nämlich die Wahl eines „endgültigen Gläubigerausschusses“ nicht auf die erste Gläubigerversammlung beschränkt ist,14) kann es mitunter erforderlich sein, dass der durch das Gericht eingesetzte „vorläufige Gläubigerausschuss“ bis zur Einsetzung des „endgültigen Gläubigerausschusses“ im Interesse eines geordneten Verfahrensablaufs seine Arbeit fortsetzt.15)
10
Seit Inkrafttreten des ESUG steht dem Gericht die Einsetzungsbefugnis (ggf. auf Anregung des vorl. Insolvenzverwalters zur Reduzierung seiner Haftungsrisiken) bereits im Eröffnungsverfahren zu.16)
11
4.
Einsetzungsbeschluss
Das Insolvenzgericht entscheidet über die Einsetzung des Gläubigerausschusses und dessen Zusammensetzung durch Beschluss, der unanfechtbar ist, soweit der Richter entschieden hat, § 6. Hat der Rechtspfleger entschieden, ist Erinnerung statthaft, § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG. Das Amt der Gläubigerausschussmitglieder ist höchstpersönlich und beginnt mit der Annahme durch die bestellte Person. Eine Pflicht zur Übernahme der Mitgliedschaft besteht nicht. Die bestellte Person wird aufgefordert, eine Annahmeerklärung abzugeben, die regelmäßig an das Gericht zu richten ist. Unter
_____________ 13) BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 35/93, ZIP 1994, 46 = NJW 1994, 453 – für fehlende Ausschussfähigkeit eines Finanzamtes; anders Verfügung der OFD Frankfurt v. 15.3.2001 – S 0130 A – 115 – St II 42, DStR 2001, 1077, betr. Auskunftserteilung in Angelegenheiten des Insolvenzrechts; zweifelnd hins. jur. Personen: Gundlach/Frenzel/Schmidt, ZInsO 2007, 531; zur Inkompatibilität auch Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 67 Rz. 25. 14) LG Köln, Beschl. v. 13.5.1997 – 19 T 97/97, ZIP 1997, 2053, dazu EWiR 1998, 75. 15) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 67 Rz. 22. 16) Jetzt ausdrücklich § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, auch BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – IX ZB 166/10, WM 2012, 141 ff und zum Meinungsstand vor Inkrafttreten des ESUG Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 67 Rz. 4 f.
Pöhlmann/Kubusch
507
12
§ 68
Wahl anderer Mitglieder
bleibt diese Annahmeerklärung innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist, kommt eine Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss nicht zustande.17) 13
Gegenüber dem Beschluss des Insolvenzgerichts dürfte in der Regel die Beschwer fehlen.
14
Die Tätigkeit des Gläubigerausschussmitglieds endet mit Wahl eines anderen Gläubigerausschusses durch die Gläubigerversammlung (§ 68 Abs. 2), durch Tod des Mitglieds oder durch Entlassung nach § 70 oder mit Verfahrensbeendigung. Das Mitglied kann sein Amt nicht durch einseitige Erklärung niederlegen;18) ausnahmsweise mag ein wichtiger Grund eine Amtsniederlegung rechtfertigen. _____________ 17) LG Duisburg, Beschl. v. 29.9.2003 – 7 T 203/03 und 235–258/03, NZI 2004, 95 = ZIP 2004, 729 (LS). 18) AG Duisburg, Beschl. v. 3.7.2003 – 62 IN 41/03, NZI 2003, 659 = ZInsO 2003, 861; a. A. A. Schmidt-Frind, InsO, § 67 Rz. 8.
§ 68 Wahl anderer Mitglieder (1) 1Die Gläubigerversammlung beschließt, ob ein Gläubigerausschuss eingesetzt werden soll. 2Hat das Insolvenzgericht bereits einen Gläubigerausschuss eingesetzt, so beschließt sie, ob dieser beibehalten werden soll. (2) Sie kann vom Insolvenzgericht bestellte Mitglieder abwählen und andere oder zusätzliche Mitglieder des Gläubigerausschusses wählen. Literatur: Gundlach/Frenzel/Jahn, Die Auflösung des Gläubigerausschusses im laufenden Insolvenzverfahren, ZInsO 2011, 708; Lissner, Die Bestellung eines Gläubigerausschusses gegen die Gläubigerinteressen, DZWiR 2013, 323; Vallender, Rechtsstellung und Aufgaben des Gläubigerausschusses, WM 2002, 2040. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Beschluss der Gläubigerversammlung .............................................. 2 1. Gegenstand des Beschlusses ................. 2
I. 1
2. 3.
Zeitpunkt der Beschlussfassung ........... 3 Zusammensetzung des Gläubigerausschusses ............................................ 4 III. Rechtsbehelfe ...................................... 10
Allgemeines
§ 68 normiert das Recht der Gläubigerversammlung, die letztendliche Entscheidung über die Einsetzung, Beibehaltung und Zusammensetzung des Gläubigerausschusses zu treffen. Sie ist eine autonome Aufgabe der Gläubigerversammlung. Die Gläubigerversammlung ist an die Vorgaben des Insolvenzgerichtes nicht gebunden, insbesondere sind vorhergehende Entscheidungen des Gerichts für die Gläubigerversammlung nicht bindend. Die Versammlung kann auf die Einsetzung des Gläubigerausschusses verzichten, auch wenn das Insolvenzgericht ihn für zweckmäßig hält und umgekehrt. Sie kann einen durch das Insolvenzgericht eingesetzten Ausschuss beibehalten oder auflösen. Aufgrund des fehlenden Verweises in § 21 Abs. 2 Nr. 1a auf § 68 muss insbesondere ein vorläufiger Gläubigerausschuss im
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Pöhlmann/Kubusch
§ 68
Wahl anderer Mitglieder
Eröffnungsverfahren nicht mit dem späteren „endgültigen Gläubigerausschuss“ zahlgleich und personenidentisch sein. II. Beschluss der Gläubigerversammlung 1.
Gegenstand des Beschlusses
Gegenstand des Gläubigerbeschlusses ist eine endgültige Entscheidung darüber, ob im betreffenden Insolvenzverfahren ein Gläubigerausschuss gebildet bzw. beibehalten oder hiervon abgesehen werden soll. Die Entscheidung darüber liegt im Ermessen der Gläubigerversammlung. Der Beschluss wird gemäß § 76 Abs. 2 mit absoluter Mehrheit der Summe der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger gefasst. 2.
Zeitpunkt der Beschlussfassung
Der Beschluss muss nicht bereits in der ersten Gläubigerversammlung, sondern kann auch zu späterer Zeit erfolgen. Trifft die Gläubigerversammlung eine Entscheidung über die Bildung und die Zusammensetzung eines Gläubigerausschusses, ist sie daran gebunden und kann nicht durch einen erneuten Beschluss ihre Entscheidung ändern. Sie kann dann lediglich durch einen Antrag auf Entlassung gemäß § 70 Satz 2 auf die Zusammensetzung des Ausschusses Einfluss nehmen.1) 3.
2
3
Zusammensetzung des Gläubigerausschusses
Hier gilt das zu § 67 Gesagte: Ein Ein-Mann-Gläubigerausschuss ist unzulässig. Ein Gläubigerausschuss muss mindestens aus zwei Mitgliedern bestehen,2) sollte jedoch im Interesse einer klaren Entscheidungsfindung im Insolvenzverfahren aus einer ungeraden Zahl (mindestens aus drei Mitgliedern, im Hinblick auf § 67 Abs. 2 jedoch aus fünf Mitgliedern) bestehen. Die Mitgliedschaft des einzelnen Ausschussmitgliedes beginnt mit der Annahme des Amtes und endet durch Tod, Verfahrensbeendigung oder bei Entlassung nach § 70.3) Im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens bestehen die Aufgaben und Befugnisse des Gläubigerausschusses insoweit fort, als dass ihm neben dem Insolvenzverwalter die Aufgabe der Planüberwachung zukommt, § 261 Abs. 1 Satz 2.
4
Zum Gläubigerausschussmitglied können sowohl natürliche als auch juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, nicht jedoch Behörden berufen werden.4) Die Bestellung eines Mitarbeiters der Behörde ist möglich. Dabei gilt auch § 67 Abs. 3.
5
_____________ 1) 2) 3) 4)
LG Kassel, Urt. v. 14.8.2002 – 3 T 301/02, ZInsO 2002, 839, str. vgl. Gundlach/Frenzel/Jahn, ZInsO 2011, 708 ff. AG Augsburg, Beschl. v. 25.3.2003 – 3 IK 1286/02, ZVI 2003, 294 = NZI 2003, 509 (LS); LG Neuruppin, Beschl. v. 13.10.1997 – 5 T 271/97, ZIP 1997, 2130. Vallender, WM 2002, 2040, 2043. LG Duisburg, Beschl. v. 29.9.2003 – 7 T 203/03 und 235–258/03, NZI 2004, 95 = ZIP 2004, 729 (LS); BGH, Urt. v. 11.11.1993 – IX ZR 35/93, ZIP 1994, 46 = NJW 1994, 453, dazu EWiR 1994, 281 (Lüke).
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§ 68
Wahl anderer Mitglieder
6
§ 67 Abs. 2 gilt zwar nur bei Einsetzung des Gläubigerausschusses durch das Insolvenzgericht und nicht auch durch die Gläubigerversammlung,5) es empfiehlt sich aber, die dortigen Grundsätze, auch die Gruppenrepräsentation, heranzuziehen, wenn erstmalig durch die Versammlung ein Gläubigerausschuss gebildet wird.6)
7
Nicht wählbar wegen widerstreitender Interessen sind der Schuldner, sein Vertreter oder dessen Organmitglied sowie der Insolvenzverwalter, dessen Tätigkeit durch den Gläubigerausschuss gerade auch überwacht werden soll. Die Vertreter von Gläubigerpools hingegen dürften als Mitglieder eines Gläubigerausschusses wählbar sein. In ihrer Funktion als Mitglied des Gläubigerausschusses haben sie sich aber für eine Vertretung der Interessen aller Gläubiger einzusetzen, nicht nur für die Interessen des von ihnen vertretenen Pools.7)
8
Eine Amtsniederlegung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses kann nicht allein durch einseitige Erklärung erfolgen, sondern bedarf eines wichtigen Grundes.8)
9
Möglich ist, dass die Gläubigerversammlung für jedes Gläubigerausschussmitglied jeweils eine Ersatzperson bestimmt. Dies kann bereits vorab bei der Wahl des Gläubigerausschusses erfolgen. Es wird auch für möglich gehalten, dass der Gläubigerausschuss sich selbst bei Fortfall der Mitglieder ergänzt. Eine nachträgliche Erweiterung ist ebenfalls möglich, solange die Gläubigerversammlung ihre Ermächtigung erteilt hat.9) III. Rechtsbehelfe
10
Beschlüsse der Gläubigerversammlung über die Einsetzung bzw. Beibehaltung eines Gläubigerausschusses, über seine Zusammensetzung sowie die Wahl bzw. die Abwahl eines Gläubigerausschussmitglieds sind mit Rechtsbehelfen nicht anfechtbar. Ein abgewähltes Ausschussmitglied kann sich daher gegen seine Abwahl nicht zur Wehr setzen. Allerdings besteht die Möglichkeit für einzelne Gläubiger, die Beschlussaufhebung auch für den Beschluss über die Zusammensetzung des Gläubigerausschusses gemäß § 78 Abs. 1 zu betreiben. Eine erfolgreiche Beschlussaufhebung ist denkbar, wenn Entscheidungen des Gläubigerausschusses zu erwarten sind, die den Interessen von Minderheitsgläubigern klar entgegenstehen.10) Auf den Weg des § 78 Abs. 1 ist jedoch der Gläubiger selbst dann verwiesen, wenn ein Gläubigerausschuss gänzlich gegen die Interessen der Gläubiger eingesetzt wurde und im konkreten Fall nicht sinnvoll erscheint.11)
11
Absonderungsberechtigte Gläubiger, nicht nachrangige Insolvenzgläubiger oder der Insolvenzverwalter, haben die Möglichkeit, beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung zu stellen, vgl. § 78 Abs. 1. _____________ 5) Vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.2007 – IX ZB 47/06, ZIP 2007, 781, 783 f = ZVI 2007, 476, dazu EWiR 2007, 403 (Gundlach/Frenzel); AG Köln, Urt. v. 22.7.2003 – 71 IN 453/02, NZI 2003, 657 = ZInsO 2003, 957. 6) Eickmann in: HK-InsO, § 68 Rz. 4. 7) A. Schmidt-Frind, InsO, § 68 Rz. 4. 8) AG Duisburg, Beschl. v. 3.7.2003 – 62 IN 41/03, NZI 2003, 659 = ZInsO 2003, 861, dazu EWiR 2003, 983 (Rendels). 9) Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 68 Rz. 14a. 10) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 68 Rz. 12 ff; a. A. Schmidt-Burgk in: MünchKomm-InsO, § 68 Rz. 9. 11) Lissner, DZWiR 2013, 323.
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§ 69
Aufgaben des Gläubigerausschusses
§ 69 Aufgaben des Gläubigerausschusses 1 Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. 2Sie haben sich über den Gang der Geschäfte zu unterrichten sowie die Bücher und Geschäftspapiere einsehen und den Geldverkehr und -bestand prüfen zu lassen.
Literatur: Gundlach/Frenzel/Jahn, Die Kassenprüfung durch die Gläubigerausschussmitglieder, ZInsO 2009, 902; Gundlach/Schmidt, Die Entlassung eines „beauftragten“ Rechtsanwalts aus dem Gläubigerausschuss, ZInsO 2008, 604; Heukamp, Die gläubigerfreie Gläubigerversammlung, ZInsO 2007, 57; Pape/A. Schmidt, Kreditvergaben und Gläubigerausschuss, ZInsO 2004, 955. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Aufgabenstellung des Gläubigerausschusses ............................................ 7 1. Aufgaben im Allgemeinen .................... 7 2. Unterstützung des Insolvenzverwalters .................................................. 10 3. Überwachung des Insolvenzverwalters ............................................. 12
I.
4. 5.
Unterrichtungspflicht ......................... 13 Prüfung von Geldverkehr und -bestand ........................................ 16 6. Weitere Bestimmungen der Überwachungspflicht .......................... 17 III. Einschreiten bei Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters ............................................ 18
Allgemeines
§ 69 beschreibt die generelle Aufgabenstellung des Gläubigerausschusses. Die Vorschrift stellt dem Insolvenzverwalter, der für die eigentliche Durchführung des Insolvenzverfahrens verantwortlich ist, ein Organ zur Seite, dessen Funktion sowohl in dessen Unterstützung als auch in seiner Kontrolle besteht.1) Die Kontrolle des Gläubigerausschusses beschränkt sich dabei nicht nur auf die Rechtmäßigkeit, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit der Entscheidungen des Insolvenzverwalters.2)
1
Die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses sind zur unabhängigen Erfüllung der dem Gläubigerausschuss übertragenen Aufgaben verpflichtet und haben eine etwaige Selbstbetroffenheit offenzulegen.3) Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Die einzelnen Mitglieder unterliegen der Verschwiegenheit, insbesondere gegenüber ihren Arbeitgebern. Diese Unabhängigkeit gilt nicht nur gegenüber dem Gericht, sondern auch gegenüber der Gläubigerversammlung.4) Die richterliche Tätigkeit wird jedoch durch die zusätzliche Überwachung des Insolvenzverwalters durch den Gläubigerausschuss erleichtert. Dagegen ist eine erhöhte Aufmerksamkeit des Insolvenzgerichts angezeigt, wenn ein Gläubigerausschuss fehlt.5) _____________
2
1) 2) 3) 4) 5)
BGH, Urt. v. 22.4.1981 – VIII ZR 34/80, ZIP 1981, 1001, 1002 = WM 1981, 876. Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 69 Rz. 2; Eickmann in: HK-InsO, § 69 Rz. 7; OLG Celle, Urt. v. 3.6.2010 – 16 U 135/09, ZIP 2010, 1862 = ZInsO 2010, 1233, dazu EWiR 2010, 723 (Höpfner). LG Kassel, Urt. v. 14.8.2002 – 3 T 301/02, ZInsO 2002, 839; zur Höchstpersönlichkeit vgl. BGH, Beschl. v. 29.11.2007 – IX ZB 231/06, ZIP 2008, 124 = NZI 2008, 181. BGH, Urt. v. 12.7.1965 – III ZR 41/64, WM 1965, 1158, 1159. OLG Stuttgart, Urt. v. 9.5.2007 – 4 U 204/06, ZIP 2007, 1822 m. Anm. Brenner = ZInsO 2008, 45, 47.
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3
§ 69
Aufgaben des Gläubigerausschusses
4
Die Gläubigerversammlung kann zudem gewisse ihr obliegende Aufgaben auf den Ausschuss übertragen,6) allerdings nicht alle, oder gar ihre ganze Kompetenz. Dabei kann die Gläubigerversammlung weder Weisungen erteilen noch gefasste Beschlüsse des Gläubigerausschusses aufheben oder ändern.7)
5
Die im Folgenden beschriebenen Rechte stehen dabei auch jedem einzelnen Mitglied höchstpersönlich8) zu, soweit sie nicht dem Gläubigerausschuss als Kollegium vorbehalten sind (z. B. Antragsrecht auf Entlassung des Verwalters oder auf Einberufung der Gläubigerversammlung). Die Übertragung einzelner Aufgaben auf ein Mitglied ist dabei zulässig,9) z. B. zur Kassenprüfung.
6
Für das außenwirksame Handeln des gesamten Ausschusses bedarf es eines Beschlusses nach § 72. Hierbei beschränkt sich das Wirken der einzelnen Mitglieder auf die Beratung und Abstimmung.10) II. Aufgabenstellung des Gläubigerausschusses 1.
Aufgaben im Allgemeinen
7
§ 69 nennt zwei Aufgaben des Gläubigerausschusses: die Unterstützung und die Überwachung des Insolvenzverwalters. Insbesondere im Hinblick auf seine Aufgabe zur Überwachung des Insolvenzverwalters kommt dem Gläubigerausschuss eine wichtige Rolle zu, sodass er insoweit als eine Art „Aufsichtsrat“ bezeichnet werden kann. Mit dieser Bezeichnung soll die Überwachungs- und Unterstützungspflicht, die der Ausschuss gegenüber dem Verwalter hat, verdeutlicht werden. Ohne Gläubigerausschuss gibt es z. B. praktisch keine laufende Kontrolle des Rechnungswesens des Insolvenzverwalters. Auf die Mitwirkungsbefugnisse in den § 158 (Stilllegung eines Betriebes vor dem Berichtstermin) und § 160 (genereller Genehmigungsvorbehalt für verfahrensbedeutsame Handlungen; gilt nach h. M. wohl auch für den vorläufigen Gläubigerausschuss) sei hingewiesen.
8
Trotz dieser gewichtigen Mitwirkungs- und Kontrollrechte des Gläubigerausschusses besteht gegenüber dem Insolvenzverwalter kein Weisungsrecht.11) Das Verwaltungsund Verfügungsrecht, das Recht zur Vornahme von Rechtsgeschäften oder zur Führung von Rechtsstreitigkeiten liegt allein beim Insolvenzverwalter. Unabhängig davon, dass der Insolvenzverwalter den Gläubigerausschuss i. R. der gesetzlichen Unterstützungspflicht (siehe Rz. 11) zu konsultieren und einzubinden hat, kann der Insolvenzverwalter auch bei im Gesetz nicht genannten bedeutsamen Rechtshandlungen die Zustimmung des Gläubigerausschusses einholen. Erteilt der Gläubigerausschuss zu diesen Handlungen oder Unterlassungen seine Zustimmung, hat
_____________ 6) Heukamp, ZInsO 2007, 57, 59; A. Schmidt-Frind, InsO, § 69 Rz. 13. 7) Eickmann in: HK-InsO, § 69 Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 69 Rz. 6. 8) Eickmann in: HK-InsO, § 69 Rz. 3; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 69 Rz. 3; Kübler/Prütting/ Bork-Kübler, InsO, § 69 Rz. 17. 9) A. Schmidt-Frind, InsO, § 69 Rz. 2. 10) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 69 Rz. 21. 11) A. Schmidt-Frind, InsO, § 69 Rz. 2.
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§ 69
Aufgaben des Gläubigerausschusses
dies insbesondere für den Insolvenzverwalter Folgen bezüglich des Umfanges seiner persönlichen Haftung.12) Zu den Aufgaben des Gläubigerausschusses gehört nicht das Führen von Vertragsverhandlungen oder gar die Begründung von Masseschulden durch Geschäftsabschlüsse mit Lieferanten.13) Dafür ist allein der Insolvenzverwalter zuständig.14) 2.
9
Unterstützung des Insolvenzverwalters
Gemäß § 69 Satz 1 ist der Gläubigerausschuss verpflichtet, den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen. Wie die Unterstützung im Konkreten aussehen soll und welchen Umfang sie haben soll, wird nicht näher beschrieben. Im Wesentlichen wird sich die Unterstützung auf die Erteilung von Auskünften, Hinweisen und Empfehlungen, etwa bei der Verwertung oder zu potentiellen Investoren beschränken.
10
Neben der allgemein formulierten Unterstützungspflicht des § 69 Satz 1 enthält die InsO in verschiedenen Paragraphen gesetzliche Ausprägungen der Unterstützungspflicht. Dazu gehört unter anderen: Zustimmung zur Gewährung von Unterhalt (§ 100 Abs. 2), Bestimmung von Hinterlegungsort von Geld, Wertpapieren und anderen Kostbarkeiten (§ 149 Abs. 1), Empfang von Gegenständen, Zustimmung zur Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens (§ 158 Abs. 1), zur Vornahme besonders bedeutender Rechtshandlungen durch den Insolvenzverwalter (§ 160 Abs. 1 Satz 1), Bestimmung des Bruchteils der Ausschüttung bei der Abschlussverteilung (§ 195 Abs. 1 Satz 1), Mitwirkung bei der Aufstellung eines Insolvenzplanes (§ 218 Abs. 3), Zustimmung zur Zurückweisung des neuen Insolvenzplans (§ 231 Abs. 2), zur Fortsetzung der Verwertung (§ 233 Satz 2) oder zur Vornahme besonders bedeutender Rechtshandlungen bei Eigenverwaltung des Schuldners (§ 276 Satz 1).
11
3.
Überwachung des Insolvenzverwalters
Neben der Unterstützung des Insolvenzverwalters schreibt § 69 Satz 1 seine Überwachung vor. Die Überwachung umfasst sowohl nachträgliche als auch begleitende und vorausschauende Kontrolle. Sie betrifft die Rechtmäßigkeit, die Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Entscheidungen des Insolvenzverwalters.15) Der Umfang der Überwachungsmaßnahmen steht im pflichtgemäßen Ermessen der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Die Mitglieder müssen also selbst tätig werden und sich über den Sach- und Rechtsstand vergewissern. Sich allein auf die Angaben des Insolvenzverwalters zu verlassen, reicht nicht aus.16)
_____________ 12) 13) 14) 15)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 69 Rz. 10. BGH, Urt. v. 22.4.1981 – VIII ZR 34/80, ZIP 1981, 1001, 1002 = WM 1981, 876. Gundlach/Schmidt, ZInsO 2008, 604, 605. OLG Rostock, Urt. v. 28.5.2004 – 3 W 11/04, ZInsO 2004, 814; Pape/A. Schmidt, ZInsO 2004, 955, 958; vgl. OLG Celle, Urt. v. 3.6.2010 – 16 U 135/09, ZIP 2010, 1862 = ZInsO 2010, 1233. 16) BGH, Urt. v. 27.4.1978 – VII ZR 31/76, BGHZ 71, 253 = NJW 1978, 1527.
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§ 69 4.
Aufgaben des Gläubigerausschusses
Unterrichtungspflicht
13
Eine wirksame Unterstützung und Kontrolle kann nur dann gewährleistet werden, wenn die Mitglieder des Gläubigerausschusses über den Gang der Geschäfte des Insolvenzverwalters umfassend informiert werden. Die Gläubigerausschussmitglieder haben ein Recht auf umfassende Information. Die Informationspflicht des Insolvenzverwalters umfasst Auskünfte, z. B. zu seiner Geschäftsführung, Berichte über den Stand des Verfahrens und von Masseprozessen, über die Fortführung des Unternehmens des Insolvenzschuldners, die Abwicklung einzelner Geschäfte sowie über Einnahmen und Ausgaben und die Möglichkeit einer Abschlagsverteilung.
14
Den Mitgliedern des Gläubigerausschusses steht es auch zu, Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere des Insolvenzverwalters zu nehmen.
15
Die Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen und Akten sowie die Erteilung bestimmter Auskünfte darf durch den Insolvenzverwalter verweigert werden, wenn die Gefahr einer Interessenkollision gegeben ist oder eine unzulässige Nutzung von Insider-Wissen zu besorgen ist. 5.
Prüfung von Geldverkehr und -bestand
16
Eine Unterart der allgemeinen Überwachungspflicht ist die Pflicht zur Prüfung des Geldverkehrs17) und -bestandes. Die Ausschussmitglieder haben nicht nur die Pflicht zur Überprüfung der Barbestände, sondern auch zur Überprüfung der Konten und Belege. Zu prüfen ist am Ort der Verwahrung der Unterlagen.18) Der Gläubigerausschuss hat dafür Sorge zu tragen, dass die Insolvenzmasse für die Gläubiger transparent und nachvollziehbar bleibt und Maßnahmen, die diesem Grundsatz zuwiderlaufen, unterbunden werden.19) Das Gesetz sieht keine festen Zeitabstände für die Prüfung vor, sondern ist flexibel ausgestaltet und soll dem Einzelfall gerecht werden. Geprüft werden sollte jedenfalls nicht nur einmal, sondern in regelmäßigen, ggf. auch überraschenden, Abständen. Die Prüfung kann einem Mitglied des Ausschusses oder einem sachkundigen Dritten übertragen werden. Fraglich erscheint, ob auch die Schlussrechnung neben dem Gericht bzw. einem Schlussrechnungsprüfer zusätzlich und zeitaufwändig sowie kostenträchtig auch vom Gläubigerausschuss geprüft werden muss.
17
Der Überwachung des Insolvenzverwalters dienen auch weitere Kompetenzen des Gläubigerausschusses: die bereits oben erwähnte Kompetenz, den Hinterlegungsort
6.
Weitere Bestimmungen der Überwachungspflicht
_____________ 17) BGH, Urt. v. 12.7.1965 – III ZR 41/64, WM 1965, 1158, 1159; BGH v. 27.4.1978 – VII ZR 31/76, BGHZ 71, 253 = NJW 1978, 1527 und im Einzelnen: Gundlach/Frenzel/Jahn, ZInsO 2009, 902 ff.; OLG Celle, Urt. v. 3.6.2010 – 16 U 135/09, ZIP 2010, 1862 = ZInsO 2010, 1233. 18) Zur Kassenprüfung BGH, Beschl. v. 29.11.2007 –IX ZB 231/06, ZIP 2008, 124 = NZI 2008, 181. Zum Erfordernis von Original-Kontoauszügen OLG Celle, Urt. v. 3.6.2010 – 16 U 135/09, ZIP 2010, 1862 = ZInsO 2010, 1233. 19) So hat der Gläubigerausschuss auch die Führung von Poolkonten durch den Insolvenzverwalter zu unterbinden, soweit dadurch die Transparenz des Hinterlegungskontos unterlaufen wird, BGH, Beschl. v. 21.3.2013 – IX ZR 109/10, ZIP 2013, 1235 = ZInsO 2013, 986.
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§ 70
Entlassung
von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten sowie die Art der Anlage zu bestimmen (§ 149 Abs. 1) sowie beim Empfang von Wertgegenständen mitzuwirken. Der Kontrolle des Insolvenzverwalters dient auch die Unterrichtung über den Stand der Erfüllung des Insolvenzplans (§ 261 Abs. 2 Satz 2), über die Nichterfüllung von Ansprüchen (§ 262) und bei Gefahr bei der Eigenverwaltung (§ 274 Abs. 3). III. Einschreiten bei Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters
Stellt ein Gläubigerausschussmitglied Pflichtverstöße des Insolvenzverwalters fest, ist es verpflichtet,20) sie dem Insolvenzgericht unverzüglich mitzuteilen, damit dieses i. R. der Aufsicht zur Schadensvermeidung tätig werden kann. Mithin treffen die vorgenannten Pflichten nicht den Gläubigerausschuss als „Kollegium“, sondern das einzelne Gläubigerausschussmitglied. Bei Untätigkeit des gesamten Organs trifft somit das einzelne Mitglied dennoch eine Pflicht zum Handeln. Dieses Vorgehen ist aus Sicht des einzelnen Mitgliedes schon zur Vermeidung einer persönlichen Haftung nach § 71 geboten.21) Gleiches gilt, wenn sich der Insolvenzverwalter einem berechtigten Verlangen des Ausschussmitglieds auf Einsichtnahme in bestimmte Akten widersetzt. Auch die Gläubigerversammlung muss bei einer schweren Verfehlung des Verwalters informiert werden. _____________
18
20) Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 69 Rz. 19. 21) Schmidt-Burgk in: MünchKomm-InsO, § 69 Rz. 6.
§ 70 Entlassung 1 Das Insolvenzgericht kann ein Mitglied des Gläubigerausschusses aus wichtigem Grund aus dem Amt entlassen. 2Die Entlassung kann von Amts wegen, auf Antrag des Mitglieds des Gläubigerausschusses oder auf Antrag der Gläubigerversammlung erfolgen. 3Vor der Entscheidung des Gerichts ist das Mitglied des Gläubigerausschusses zu hören; gegen die Entscheidung steht ihm die sofortige Beschwerde zu.
Literatur: Gundlach/Schmidt, Die Entlassung eines „beauftragten“ Rechtsanwalts aus dem Gläubigerausschuss, ZInsO 2008, 604. Übersicht I. II. III. IV.
Allgemeines .......................................... Wichtiger Grund .................................. Von Amts wegen oder auf Antrag ..... Anhörungsrecht ...................................
I.
Allgemeines
1 2 7 8
V. Stellung des Insolvenzverwalters ...... 9 VI. Entscheidung des Insolvenzgerichts ................................................ 10 VII. Beschwerde ......................................... 11
Die Vorschrift des § 70 normiert das Recht des Insolvenzgerichts, ein Mitglied des Gläubigerausschusses aus wichtigem Grund aus seinem Amt zu entlassen, wobei dies – nach Anhörung des betroffenen Mitglieds – auch von Amts wegen geschehen kann. Da der Gläubigerausschuss grundsätzlich eigenverantwortlich tätig wird, muss eine Entlassung nach § 70 vom Insolvenzgericht sehr restriktiv angewandt Pöhlmann/Kubusch
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1
§ 70
Entlassung
werden.1) Was im Einzelnen als wichtiger Grund anzusehen ist, erschließt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, lässt sich aber aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die vorzeitige Abberufung von Organträgern und den außerordentlichen Ausschluss vom Mitgliedern aus Vereinen u. Ä. unter besonderer Berücksichtigung der Aufgabenstellung des Gläubigerausschusses herleiten. Danach kommt eine Entlassung grundsätzlich dann in Betracht, wenn in der Person des jeweiligen Betroffenen schwerwiegende Umstände vorliegen, die ein Verbleiben in dem übertragenen Amt für die übrigen Beteiligten unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar machen. Von Letzterem ist insbesondere auszugehen, wenn es durch das Verhalten des Betroffenen zu einer nachhaltigen Erschütterung des erforderlichen Vertrauens in seine sachgerechte Amtsführung gekommen ist und deshalb ernstliche Zweifel an seiner Loyalität gerechtfertigt sind.2) II. Wichtiger Grund 2
Die Entlassung kann nur aus wichtigem Grund erfolgen. Die Annahme eines wichtigen Grundes ist nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen gerechtfertigt. Das Merkmal des „wichtigen Grundes“ ist restriktiv auszulegen und daher nur angezeigt, wenn kein milderes Mittel (z. B. ein Stimmverbot in einer konkreten Abstimmung oder aber eine Abmahnung) nicht zum gleichen Ergebnis führen.3) Eine Entlassung aus wichtigem Grund muss folglich angenommen werden, wenn die Belange der Gesamtheit der Gläubiger und die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung objektiv beeinträchtigt sein würden. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu anderen Verfahrensbeteiligten, die keine Grundlage in einem objektiv pflichtwidrigen Verhalten des Gläubigerausschussmitglieds hat, rechtfertigt dessen Entlassung nicht.4)
3
Die Begünstigung eines Insolvenzgläubigers zum Nachteil der übrigen Insolvenzgläubiger ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung eines Gläubigerausschussmitglieds, welche die Entlassung aus seinem Amt zu rechtfertigen vermag.5) Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Mitglied eines Gläubigerausschusses gewonnene Informationen zum einseitigen Vorteil eines zu den Gläubigern gehörenden Mandanten ausnutzt.6)
4
Strebt das Ausschussmitglied selbst eine Entlassung an ist ebenfalls ein wichtiger Grund erforderlich. Ein solcher liegt vor, wenn die Fortsetzung der Tätigkeit für das Mitglied bei Abwägung der Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist.7) Dabei sind an die Feststellungen des wichtigen Grundes keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es dient nicht der Förderung des _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
7)
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Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 70 Rz. 5. LG Kassel, Beschl. v. 14.8.2002 – 3 T 301/02, ZInsO 2002, 839. LG Deggendorf, Beschl. v. 27.2.2013 – 13 T 18/13, ZIP 2013, 2371. BGH, Beschl. v. 1.3.2007 – IX ZB 47/06, ZIP 2007, 781 = ZVI 2007, 476, dazu EWiR 2007, 403 (Gundlach/Frenzel). BGH, Beschl. v. 15.5.2003 – IX ZB 448/02, ZIP 2003, 1259 = ZInsO 2003, 560. BGH, Beschl. v. 24.1.2008 – IX ZB 222/05, ZIP 2008, 652 = ZInsO 2008, 323, dazu EWiR 2008, 473 (Runkel/J. M. Schmidt); krit. Anm. dazu: Gundlach/Schmidt, ZInsO 2008, 604. BGH, Beschl. v. 29.3.2012 – IX ZB 310/11, ZIP 2012, 876.
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§ 70
Entlassung
Insolvenzverfahrens, ein Ausschussmitglied gegen seinen Willen im Amt zu halten. Als wichtiger Grund reicht in solchen Fällen deshalb regelmäßig aus, dass das Ausschussmitglied selbst sein weiteres Verbleiben im Amt nicht mehr für zumutbar hält und seine Motive nicht offenkundig sachfremd sind.8) Allerdings kann das betreffende Mitglied nicht einfach das Amt niederlegen, austreten oder zurücktreten. Weitere wichtige Gründe für die Abberufung sind: erhebliche Interessenkollisionen, schwere Krankheit, Fehlen jedweder Geschäftserfahrung,9) tiefgreifende Zerrüttung des Verhältnisses zur Gläubigerversammlung.10) Die Kosten einer angemessenen Haftpflichtversicherung für das Mitglied können nicht von der Masse getragen werden.11)
5
Ein Sonderfall für die Entlassung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 22a Abs. 2 und Abs. 3. Gemäß § 22a Abs. 3 ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss nicht zu bestellen, wenn der Geschäftsbetrieb im Eröffnungsverfahren bereits eingestellt ist. Entsprechendes muss auch für die Auflösung des vorläufigen Gläubigerausschusses gelten, wenn der Geschäftsbetrieb zu Beginn des Eröffnungsverfahrens noch aufrechterhalten, zu einem späteren Zeitpunkt im Eröffnungsverfahren jedoch eingestellt wird.12)
6
III. Von Amts wegen oder auf Antrag
Das Insolvenzgericht kann jederzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Gläubigerausschussmitglied von Amts wegen entlassen. Die Entlassung kann auch von der Gläubigerversammlung oder durch ein seine Entlassung begehrendes Mitglied des Gläubigerausschusses beantragt werden. Ein anderes Mitglied des Gläubigerausschusses ist dagegen nicht antragsberechtigt. Der Insolvenzverwalter ist selbst nicht antragsberechtigt, er kann aber beim Insolvenzgericht die Entlassung eines Ausschussmitglieds anregen.
7
IV. Anhörungsrecht
Das Ausschussmitglied ist – falls kein Eigenantrag auf Entlassung vorliegt – vor der Entlassung zwingend anzuhören. Die Anhörung ist geboten, da die Entlassung einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Ausschussmitglieds darstellt. Die Anhörung kann allerdings auch schriftlich erfolgen. Dem betroffenen Gläubigerausschussmitglied ist zudem eine angemessene Frist von mindestens zwei Wochen zur Stellungnahme _____________ 8) AG Duisburg, Beschl. v. 3.7.2003 – 62 IN 41/03, NZI 2003, 659 = ZInsO 2003, 861, dazu EWiR 2003, 983 (Rendels); LG Göttingen, Beschl. v. 25.08.2011 – 10 T 50/11, NZI 2011, 857 = ZInsO 2011, 1748. 9) Gößmann in: MünchKomm-InsO, § 70 Rz. 7, Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 70 Rz. 7. 10) Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 70 Rz. 7; vgl. aber BGH, Beschl. v. 1.3.2007 – IX ZB 47/06, ZIP 2007, 781 = ZVI 2007, 476, dazu EWiR 2007, 403 (Gundlach/Frenzel), wonach Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen einem Mitglied des Ausschusses auf der einen Seite und dem Insolvenzverwalter, einem anderen Mitglied des Ausschusses oder der Gläubigerversammlung auf der anderen Seite, eine Entlassung nicht rechtfertigen, wenn kein pflichtwidriges Verhalten des Mitglieds vorliegt. 11) BGH, Beschl. v. 29.3.2012 – IX ZB 310/11, ZIP 2012, 876. 12) Einschränkend, nämlich für eine Abwägung im Einzelfall A. Schmidt-Frind, InsO, § 70 Rz. 3a.
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§ 71
Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses
einzuräumen.13) Drohen unmittelbare (weitere) Schädigungen der Masse, kann im Ausnahmefall auch die Anordnung einer kürzeren Frist geboten sein14) oder aber die Anhörung sogar nach Erlass des Entlassungsbeschlusses durchgeführt werden.15) V. Stellung des Insolvenzverwalters 9
Der Insolvenzverwalter ist in dem Verfahren, das die Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses zum Gegenstand hat, weder materiell noch formell Beteiligter. Er hat selbst weder ein Antrags- noch ein Anhörungsrecht und ist auch sonst durch die Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses in seinen Rechten oder im Hinblick auf die von ihm verwaltete Insolvenzmasse nicht betroffen.16)
10
Das Insolvenzgericht entscheidet im eröffneten Verfahren durch Beschluss des Rechtspflegers. Ob dem Gericht ein Ermessen bei der Entscheidung über die Entlassung zusteht, ist umstritten.17) An die Stelle des entlassenen Mitglieds tritt ein Ersatzmitglied; falls ein solches nicht bestimmt ist, hat die Gläubigerversammlung – bei einem bestimmten Selbstergänzungsrecht der Ausschuss – ein neues Mitglied zu wählen, nicht das Gericht.
VI. Entscheidung des Insolvenzgerichts
VII. Beschwerde 11
Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts steht dem Gläubigerausschussmitglied die sofortige Beschwerde zu. Die Zurückweisung eines Entlassungsantrags der Gläubigerversammlung ist hingegen nicht angreifbar. Die Gläubigerversammlung könnte dann die Abwahl betreiben; das betroffene Ausschussmitglied hätte dagegen keinen Rechtsbehelf, vgl. Rz. 10 zu § 68. _____________ 13) 14) 15) 16) 17)
Schmid-Burgk in: MünchKomm-InsO, § 70 Rz. 17. Nerlich/Römermann-Delhaes, InsO, § 70 Rz. 6. A. Schmidt-Frind, InsO, § 70 Rz. 4. BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 448/02, ZVI 2003, 468 = ZInsO 2003, 751. So Nerlich/Römermann-Delhaes, InsO, Stand: 5/2007, § 70 Rz. 12; a. A. Kübler/ Prütting/Bork-Kübler, InsO, Stand: 2/2013, § 70 Rz. 12 sowie AG Wolfratshausen, Beschl. v. 15.11.2002 – 1 IN 194/01, ZInsO 2003, 96 – trotz der Fassung des Gesetzestextes als Kann-Vorschrift steht dem Gericht kein Ermessen zu, vielmehr ist die Entlassung beim Vorliegen eines wichtigen Grundes zwingend auszusprechen.
§ 71 Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses 1
Die Mitglieder des Gläubigerausschusses sind den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern zum Schadenersatz verpflichtet, wenn sie schuldhaft die Pflichten verletzen, die ihnen nach diesem Gesetz obliegen. 2§ 62 gilt entsprechend. Literatur: Cranshaw, Haftung Versicherung und Haftungsbeschränkung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses?, ZInsO 2012, 1151; Ganter, Die Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses nach § 71 InsO, in Festschrift für Gero Fischer, S. 121.
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§ 71
Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses Übersicht I. Allgemeines .......................................... II. Voraussetzungen und Umfang der Haftung ................................................. 1. Pflichtverletzung ................................... 2. Verschulden ..........................................
I.
1 2 3 4
3. III. IV. V.
Schaden .................................................. 6 Verjährung ............................................ 7 Gesamtschuldnerische Haftung ......... 8 Verhältnis zu anderen Ansprüchen, Versicherung, Aufrechnung ............... 9
Allgemeines
Die in § 71 geregelte Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses ist der des Insolvenzverwalters nachgebildet. Die Mitglieder trifft die persönliche Haftung, wenn sie schuldhaft die ihnen nach der Insolvenzverordnung obliegenden Pflichten verletzen. Die Ersatzpflicht besteht nur gegenüber den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern. Dagegen sind aussonderungsberechtigte Gläubiger und Massegläubiger nicht in den Schutzbereich des § 71 einbezogen. Der Gesetzgeber hat die Ansicht vertreten, dass diese Gläubiger durch die Aufsicht des Insolvenzgerichtes und die Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters ausreichend geschützt sind.1) Gleiches gilt für den Schuldner. Unabhängig von einer fehlenden Anwendbarkeit des § 71 auf die genannten Personengruppen, können diese jedoch möglicherweise i. R. deliktischer Ansprüche gegen das Gläubigerausschussmitglied vorgehen.2)
1
II. Voraussetzungen und Umfang der Haftung
Die Haftung des Gläubigerausschussmitglieds erfordert ein pflichtwidriges Verhalten, das sowohl ein Handeln als auch ein Unterlassen sein kann. Unterlassen kann nur dann eine Pflichtverletzung begründen, wenn eine bestimmte Handlung geboten ist. 1.
Pflichtverletzung
Voraussetzung ist, dass eine aus der Insolvenzordnung resultierende Pflicht verletzt wird. Insbesondere sind dabei die Pflichten aus § 69 zu nennen.3) Typische Pflichtverletzungen sind: Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht, gegen die Pflicht zur Beachtung des Gesamtinteresses der Masse, die Vernachlässigung der Pflicht zur Überwachung und Kontrolle (z. B. unterlassene Kassenprüfung) des Insolvenzverwalters (Pflicht erstreckt sich sowohl auf die Rechtmäßigkeit als auch auf die Zweckmäßigkeit) oder das Nichteinschreiten bei Aufdeckung einer Pflichtwidrigkeit des Insolvenzverwalters. Eine Pflichtverletzung kann aber auch bereits durch die Annahme des Amtes in Unkenntnis des Pflichtenkreises bestehen oder aber dadurch, dass die Pflichten zwar bekannt, aber durch das einzelne Mitglied tatsächlich nicht erfüllbar sind.4) Die Pflichtverletzung muss gerade den Pflichtenkreis als Ausschussmitglied betreffen. Keine relevante Pflichtverletzung liegt vor, wenn das Ausschussmitglied die Pflichtverletzung nur gelegentlich während seiner Tätigkeit als Ausschussmitglied begeht. Über den Umfang des Pflichtenkreises muss sich jedes Mitglied eigenverantwortlich informieren.5) Bei eingeschalteten _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
2
Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 71 Rz. 5. Braun-Hirte, InsO, § 71 Rz. 10. Eickmann in: HK-InsO, § 71 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 71 Rz. 10. BGH, Urt. v. 27.4.1978 – VII ZR 31/76, BGHZ 71, 253 = NJW 1978, 1527. A. Schmidt-Frind, InsO, § 71 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 71 Rz. 13.
Pöhlmann/Kubusch
519
3
§ 71
Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses
Hilfspersonen ist die Haftung auf ein Auswahlverschulden beschränkt. Sind juristische Personen in den Gläubigerausschuss gewählt, so haften diese, nicht die natürlichen Personen als deren Vertreter. Dies gilt nicht, wenn namentlich die natürliche Person, nicht die Institution, gewählt wurde. 2.
Verschulden
4
Zur Begründung der Haftung genügt bereits jede Fahrlässigkeit.6) Die Unkenntnis der Pflichten entlastet nicht. Die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten werden aber berücksichtigt. Das bedeutet, dass bei einem branchenkundigen und kaufmännisch versierten Mitglied ein anderer Maßstab anzulegen ist, als bei jemandem mit Durchschnittskenntnissen. Jedoch kann der Mangel an allgemein erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten die Pflichtverletzung nicht entschuldigen.
5
Bedient sich der Ausschuss eines Dritten, um seine Aufgaben zu erfüllen, wird das Verschulden der Hilfspersonen den Ausschussmitgliedern zugerechnet, § 278 BGB. Sie können sich insoweit nicht entlasten.7) 3.
6
Schaden
Liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, hat das Ausschussmitglied grundsätzlich für den gesamten hierdurch verursachten Schaden einzustehen, wenn dieser vom Schutzbereich des § 71 erfasst ist. Soweit zur Entstehung des Schadens ein Mitverschulden des Geschädigten beigetragen hat, gilt § 254 BGB, der den Umfang des vom Ausschussmitglied zu leistenden Schadensersatzes mindern oder sogar gänzlich ausschließen kann.8) III. Verjährung
7
Die Verjährung der Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Gläubigerausschusses richtet sich gemäß Satz 2 nach der für den Insolvenzverwalter geltenden Bestimmung des § 62. Diese richtet sich nach den BGB-Vorschriften über die regelmäßige Verjährung und beträgt drei Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen. Bestand die Pflichtverletzung des Ausschussmitglieds in einer fehlerhaften Überwachung und Kontrolle eines pflichtwidrig handelnden Verwalters und wird daraufhin ein neuer Verwalter oder ein Sonderverwalter bestellt, so beginnt die Verjährungsfrist für Ersatzansprüche erst ab der möglichen Kenntniserlangung des neuen Insolvenzverwalters oder des Sonderverwalters.9)
_____________ 6) 7) 8) 9)
520
A. Schmidt-Frind, InsO, § 71 Rz. 4; vgl. auch OLG Rostock, Urt. v. 28.5.2004 – 3 W 11/04, ZInsO 2004, 814, 815. Eickmann in: HK-InsO, § 71 Rz. 6; Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 71 Rz. 15. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 71 Rz. 13. BGH, Urt. v. 8.5.2008 – IX ZR 54/07, ZIP 2008, 1234 = ZInsO 2008, 750.
Pöhlmann/Kubusch
§ 72
Beschlüsse des Gläubigerausschusses
IV. Gesamtschuldnerische Haftung
Haben sich mehrere Gläubigerausschussmitglieder schadensersatzpflichtig gemacht, haften sie gemäß § 421 BGB als Gesamtschuldner.10) In den Sitzungsprotokollen ist zur Feststellung/Vermeidung der Haftung des einzelnen Ausschussmitglieds das Abstimmungsverhalten zu dokumentieren. Die Ausgleichspflicht der Ausschussmitglieder untereinander richtet sich nach § 426 BGB. Die Gesamtschuldnerhaftung kann auch zwischen den Ausschussgläubigern und dem Insolvenzverwalter bestehen.
8
V. Verhältnis zu anderen Ansprüchen, Versicherung, Aufrechnung
Schadensersatzansprüche der Gläubigerausschussmitglieder können sich auch aus Delikt ergeben, insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB sowie aus § 826 BGB. § 71 ist bei der Frage der Anspruchskonkurrenz jedoch als lex specialis vorrangig.
9
In Abstimmung mit dem Insolvenzgericht empfiehlt sich eine Versicherung (Prämien gehen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 InsVV analog als Auslagen zulasten der Masse). § 4 Abs. 3 Satz 1 InsVV, wonach für den Insolvenzverwalter mit der Vergütung auch die Kosten einer Haftpflichtversicherung abgegolten sind, gilt für die Mitglieder des Gläubigerausschusses gerade nicht.11)
10
Mit Vergütungsansprüchen kann mangels Gegenseitigkeit nicht aufgerechnet werden.
11
_____________ 10) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 71 Rz. 14. 11) Keller, NZI 2011, 910 (Urteilsanm.); A. Schmidt-Büttner, InsO, § 18 InsVV Rz. 2.
§ 72 Beschlüsse des Gläubigerausschusses Ein Beschluss des Gläubigerausschusses ist gültig, wenn die Mehrheit der Mitglieder an der Beschlussfassung teilgenommen hat und der Beschluss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst worden ist. Literatur: Vallender, Interessenkollision und ihre Auflösung bei Ausübung des Amtes als Gläubigerausschussmitglied, in: Festschrift für Hans Gerhard Ganter, 2010, S. 391. Übersicht I. Allgemeines .......................................... 1 II. Beschlussfähigkeit ................................ 2 III. Beschlussfassung .................................. 3
I.
IV. Stimmverbote ....................................... 7 V. Protokolle ............................................. 8
Allgemeines
Anders als für die Gläubigerversammlung, deren Ablauf strikt geregelt ist, gibt es für die Organisation und das Verfahren des Gläubigerausschusses außer in § 72 keine gesetzlichen Regelungen. Der Gesetzgeber hat nicht festgelegt, in welchen zeitlichen Abständen und wo der Gläubigerausschuss zusammentreten soll oder wie die Ausschusssitzungen auszusehen haben. Die Regelung dieser Formalien wurde dem Gläubigerausschuss selbst überlassen. Er kann sich eine Geschäftsordnung geben (was zur Vermeidung von Unstimmigkeiten zu empfehlen ist) oder aber von Pöhlmann/Kubusch
521
1
§ 72
Beschlüsse des Gläubigerausschusses
Fall zu Fall über den Geschäftsgang entscheiden. § 72 regelt nur die Beschlussfassung. Insoweit ist § 72 zwingend und kann nicht durch anderweitige Regelungen der Geschäftsordnung abgeändert werden. II. Beschlussfähigkeit 2
Der Ausschuss ist nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder an den Beratungen teilnimmt. Die Beschlussfähigkeit muss aber ggf. für einzelne Beschlüsse i. R. einer Gläubigerausschussversammlung gesondert überprüft werden, wenn einzelne Gläubigerausschussmitglieder vom Entscheidungsgegenstand selbst betroffen sind.1)
3
Ist der Ausschuss beschlussfähig, kann er wirksame Beschlüsse nur dann fassen, wenn die Mehrheit der anwesenden Gläubiger für die Beschlussfassung gestimmt hat. Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe seiner Forderungen oder davon, welche und wie viele Gläubiger es gewählt haben. Dies dient dem Minderheitenschutz. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt.2) Los oder Stichentscheide gibt es nicht. Bei Stimmenthaltung wird die Stimme nicht berücksichtigt.
4
Die Beschlussfassung kann sowohl in einer Sitzung als auch im Umlaufverfahren stattfinden, wenn die Geschäftsordnung dies vorsieht oder die Zustimmung hierzu in einer Ausschusssitzung erteilt wurde.
5
Ein Beschluss ist unwirksam, wenn er unter Verletzung der Formalien für eine recht- und ordnungsgemäße Willensbildung zustande kommt und der Verstoß kausal für das Ergebnis war.3) Zu diesen Formalien gehört u. a. die Ladung sämtlicher Ausschussmitglieder zu den Beratungen nebst Angabe der Tagesordnung und der wichtigsten Tagesordnungspunkte oder die Beachtung der Stimmverbote.
6
Verstöße sind dem Gericht anzuzeigen.
III. Beschlussfassung
IV. Stimmverbote 7
Besteht die Befürchtung, dass ein Ausschussmitglied bei der Entscheidung wegen einer Interessenkollision4) nicht die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrnimmt, muss es von der Teilnahme an der Beschlussfassung ausgeschlossen werden. Stimmverbote bestehen, wenn die Beschlussfassung die Vornahme oder Abwicklung eines Rechtsgeschäfts, die Einleitung oder die Erledigung eines Rechtsstreits mit einem Gläubigerausschussmitglied, mit einem gesetzlich von ihm vertretenen oder mit ihm verbundenen Unternehmen und dem Insolvenzschuldner bzw. der Insolvenzmasse betrifft.5) Soweit das Ausschussmitglied betroffen ist, steht ihm auch kein Informationsrecht zu.6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
522
Eickmann in: HK-InsO, § 71 Rz. 4; a. A. Schmid-Burgk-MünchKomm-InsO, § 72 Rz. 20. A. Schmidt-Frind, InsO, § 72 Rz. 3; Eickmann in: HK-InsO, § 72 Rz. 4. Eickmann in: HK-InsO, § 72 Rz. 5. Hierzu Vallender in: FS Ganter, S. 391 ff. Eickmann in: HK-InsO, § 72 Rz. 3; Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 72 Rz. 8. A. Schmidt-Frind, InsO, § 72 Rz. 4.
Pöhlmann/Kubusch
Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses
§ 73
V. Protokolle
Über die Ausschusssitzungen und Beschlussfassungen sollen Protokolle geführt werden, um das Verfahren des Ausschusses und die Ergebnisse seiner Abstimmungen ausreichend zu dokumentieren. Die Fertigung der Protokolle hat durch ein zu bestimmendes Gläubigerausschussmitglied zu erfolgen. In der Praxis wird hierbei oft der Insolvenzverwalter zur Fertigung des Protokolls bestimmt. Dies erscheint jedoch wenig sinnvoll, da hierdurch die Kontrollfunktion des Gläubigerausschusses gegenüber dem Insolvenzverwalter beeinträchtigt werden kann und zudem der Insolvenzverwalter bei den Sitzungen des Gläubigerausschusses kein zwingendes Anwesenheitsrecht hat.7) Umstritten ist indes, ob Vertreter des Insolvenzgerichts ein Recht zur Anwesenheit auf den Versammlungen des Gläubigerausschusses haben. Dies wird im Ergebnis zu verneinen sein, weil der Gläubigerausschuss ein selbständiges Organ im Insolvenzverfahren ist, das gerade nicht der Kontrolle des Gerichts unterliegt.8) Die Protokolle werden regelmäßig zu den Gerichtsakten gereicht. _____________ 7) 8)
8
Schmid-Burgk-MünchKomm-InsO, § 72 Rz. 4. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 72 Rz. 5; a. A. A. Schmidt-Frind, InsO, § 72 Rz. 7.
§ 73 Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses (1) 1Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben Anspruch auf Vergütung für ihre Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen. 2Dabei ist dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit Rechnung zu tragen. (2) § 63 Abs. 2 sowie die §§ 64 und 65 gelten entsprechend. Übersicht I.
Höhe der Vergütung ............................ 1
I.
Höhe der Vergütung
II. Verweis auf das Festsetzungsverfahren des Insolvenzverwalters .......... 2
Kalkmann
Bei der Bestimmung der Vergütung ist der Zeitaufwand und der Umfang der Tätigkeit zu berücksichtigen. Die Reihenfolge in Absatz 1 Satz 2 ist bewusst gewählt, d. h. in erster Linie ist der Zeitaufwand als maßgebendes Kriterien heranzuziehen.1) Einzelheiten regelt § 17 InsVV.
1
II. Verweis auf das Festsetzungsverfahren des Insolvenzverwalters
Im Übrigen finden die Vorschriften zur Vergütung des Insolvenzverwalters entsprechende Anwendung: – – –
Festsetzungsverfahren (§ 64), Verordnungsermächtigung (§ 65), Sekundäranspruch gegen die Staatskasse bei Verfahrenskostenstundung (§ 63 Abs. 2). _____________ 1)
Begr. des RA zu § 84 RegE/§ 73 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 163; abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 247.
Kalkmann
523
2
Vor §§ 74–79
Vorbemerkung
Vor §§ 74 – 79 Vorbemerkung Castrup
1
Oberstes Organ der Gläubigergemeinschaft ist die Gläubigerversammlung. Ihre Zustimmung ist in allen bedeutsamen Fällen erforderlich (vgl. z. B. §§ 156 ff, 57). Die §§ 74 – 79 regeln das konkrete Verfahren der Beteiligung. Dazu gehören insbesondere die Teilnahmeberechtigung und das Stimmrecht einzelner Gläubiger. Einbezogen sind (im Gegensatz zur Konkursordnung) auch Absonderungsgläubiger.
§ 74 Einberufung der Gläubigerversammlung (1) 1Die Gläubigerversammlung wird vom Insolvenzgericht einberufen. 2Zur Teilnahme an der Versammlung sind alle absonderungsberechtigten Gläubiger, alle Insolvenzgläubiger, der Insolvenzverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Schuldner berechtigt. (2) 1Die Zeit, der Ort und die Tagesordnung der Gläubigerversammlung sind öffentlich bekanntzumachen. 2Die öffentliche Bekanntmachung kann unterbleiben, wenn in einer Gläubigerversammlung die Verhandlung vertagt wird. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Einberufung .......................................... 2
I. 1
III. Teilnahmeberechtigung ...................... 3 IV. Bekanntmachung ................................. 5
Vorbemerkung
Angesichts der möglichen großen Zahl teilnahmeberechtigter Gläubiger muss die Einberufung einer Gläubigerversammlung strengen Formalien genügen, um allen Gläubigern die Teilnahme zu ermöglichen und einen einheitlichen Informationsstand zu gewährleisten. II. Einberufung
2
Die Einberufung der Gläubigerversammlung obliegt dem Insolvenzgericht. Anlass zur Einberufung können neben gesetzlich vorgeschriebenen Fällen (z. B. § 29, Berichts- und Prüfungstermin) Anträge aus dem Gläubigerkreis (§ 75) sein. Darüber hinaus kann das Insolvenzgericht von Amts wegen Gläubigerversammlungen einberufen, etwa zur Information der Gläubiger.1) III. Teilnahmeberechtigung
3
Teilnahmeberechtigt sind die nach Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Personen. Im Berichtstermin sind weiterhin teilnahmeberechtigt der Betriebsrat, der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten sowie Vertreter der zuständigen amtlichen Berufsvertretung (§ 156 Abs. 2). Aus der konkreten Aufzählung folgt, dass Gläubigerversammlungen nicht öffentlich sind.
_____________ 1)
524
Wimmer-Kind, FK-InsO, § 74 Rz. 5.
Castrup
§ 75
Antrag auf Einberufung
Das Insolvenzgericht kann weitere Personen zulassen, soweit besondere Gründe dies rechtfertigten und das Interesse der Gläubigergemeinschaft nicht gefährdet wird. In Betracht kommen z. B. Massegläubiger, die sich in besonderer Weise an der Fortführung des Unternehmens beteiligen. Die Teilnahme von Pressevertretern ist in aller Regel abzulehnen, da diese Form der Öffentlichkeit sich stets nachteilig für die Beteiligten und die Bestrebungen des Verwalters auswirkt.2) Letzterer muss den Gläubigern i. R. seiner Berichtspflicht jede gewünschte Auskunft erteilen, die keinesfalls für die Allgemeinheit bestimmt sein können. Die Information der Presse sollte deshalb außerhalb einer Gläubigerversammlung stattfinden.
4
IV. Bekanntmachung
Zeit, Ort und Tagesordnung sind öffentlich bekannt zu machen (§ 9). Da jedem Gläubiger die Teilnahme möglich sein muss, ist insbesondere der Ort der Versammlung angemessen auszuwählen. Ist eine große Teilnehmerschaft zu erwarten, müssen die Örtlichkeiten entsprechend dimensioniert sein. Das Gericht ist nicht an das Gerichtsgebäude gebunden, muss jedoch gewährleisten, dass es die Ordnung auch an anderem Ort aufrechterhalten kann und die Nichtöffentlichkeit gewahrt bleibt.
5
Mit der Bekanntgabe der Tagesordnung werden die zu behandelnden Themen allgemeinverständlich3) und abschließend festgelegt. Andere Themen dürfen in der Gläubigerversammlung nicht behandelt werden, da die Gläubiger anhand der Tagesordnung entscheiden, ob sie teilnehmen oder nicht.4) Eine Abweichung würde Manipulationen in der Entscheidungsfindung ermöglichen. Die öffentlich bekannt zu machende Tagesordnung der Gläubigerversammlung muss die Beschlussgegenstände zumindest schlagwortartig bezeichnen.5)
6
Die Bekanntmachung kann unterbleiben, wenn eine Gläubigerversammlung während der Sitzung vertagt wird.
7
Eine besondere Ladung der einzelnen Gläubiger ist nur erforderlich, wenn dies besonders bestimmt ist (z. B. § 177 Abs. 3 Satz 2, § 235 Abs. 3 Satz 1).
8
_____________ 2) 3) 4) 5)
A. A. Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 76 Rz. 13. Eickmann in: HK-InsO, § 74 Rz. 7. Wimmer-Kind, FK-InsO, § 74 Rz. 8. BGH, Beschl. v. 20.3.2008 – IX ZB 104/07, ZIP 2008, 1030 = ZInsO 2008, 504, dazu EWIR 2008, 373 (Blank).
§ 75 Antrag auf Einberufung (1) Die Gläubigerversammlung ist einzuberufen, wenn dies beantragt wird: 1.
vom Insolvenzverwalter;
2.
vom Gläubigerausschuß;
3.
von mindestens fünf absonderungsberechtigten Gläubigern oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des Insolvenzgerichts zusammen ein Fünftel der Summe Castrup
525
§ 75
Antrag auf Einberufung
erreichen, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergibt; 4.
von einem oder mehreren absonderungsberechtigten Gläubigern oder nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, deren Absonderungsrechte und Forderungen nach der Schätzung des Gerichts zwei Fünftel der in Nummer 3 bezeichneten Summe erreichen.
(2) Der Zeitraum zwischen dem Eingang des Antrags und dem Termin der Gläubigerversammlung soll höchstens drei Wochen betragen. (3) Wird die Einberufung abgelehnt, so steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Antrag ................................................... 2 III. Antragsberechtigung ........................... 4
I. 1
IV. Entscheidung des Insolvenzgerichts .................................................. 7 V. Rechtsmittel ......................................... 8
Vorbemerkung
Der Stärkung der Gläubigerautonomie dient das Recht der Gläubiger, eine Gläubigerversammlung durch einen Antrag bei dem Insolvenzgericht zu erzwingen.1) Sie haben so die Möglichkeit, noch vor dem Berichtstermin einen neuen Insolvenzverwalter zu wählen oder seine Tätigkeit zu beeinflussen. Dem Insolvenzverwalter steht dieses Recht ebenfalls zu, um die Zustimmung der Gläubiger zu einzelnen Maßnahmen einzuholen. II. Antrag
2
Die Einberufung einer Gläubigerversammlung setzt einen zulässigen Antrag voraus. Liegt er vor, muss das Gericht eine Gläubigerversammlung anberaumen.2) Aus welchem Grund ein Antrag gestellt wird, ist für die Entscheidung unerheblich. Jedoch ist der Grund zur Aufnahme in die Tagesordnung durch den Antragsteller zu benennen.
3
Auch ein unzulässiger Antrag kann das Insolvenzgericht veranlassen, von Amts wegen eine Gläubigerversammlung einzuberufen, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die eine Versammlung notwendig erscheinen lassen, etwa weil der Verwalter es versäumt hat, die Zustimmung zu einer Rechtshandlung einzuholen. III. Antragsberechtigung
4
Neben dem Insolvenzverwalter (Abs. 1 Nr. 1) ist der Gläubigerausschuss (Abs. 1 Nr. 2) antragsberechtigt. Dem Antrag des Gläubigerausschusses muss ein Beschluss nach § 72, d. h. eine Mehrheitsentscheidung, zugrunde liegen.3)
5
Gläubiger können die Einberufung beantragen, wenn sie eine bestimmte Personenzahl und Forderungshöhe auf sich vereinigen können. Mindestens fünf Gläubiger können die Einberufung beantragen, wenn ihre Forderungen mindestens _____________ 1) 2) 3)
526
Begr. zu § 86 RegE/§ 75 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 133, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 249. OLG Celle, Beschl. v. 25.3.2002 – 2 W 9/02, ZIP 2002, 900 = ZInsO 2002, 373. Wimmer-Kind, FK-InsO, § 75 Rz. 2.
Castrup
§ 75
Antrag auf Einberufung
ein Fünftel der Gesamtforderungen der Insolvenz- und Absonderungsgläubiger betragen (Abs. 1 Nr. 3). Weniger als fünf Gläubiger müssen über mindestens zwei Fünftel der Gesamtforderungen4) verfügen (Abs. 1 Nr. 4). Zu den Gläubigern werden Insolvenzgläubiger nach § 38 und Absonderungsgläubiger gerechnet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Forderung des Gläubigers bestritten worden ist oder nicht.5) Allerdings ist ein Gläubigerantrag nicht immer an ein Quorum gebunden. Ordnet das Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss das schriftliche Verfahren an und bestimmt es einen dem Berichtstermin entsprechenden Zeitpunkt, hat es auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters im schriftlichen Verfahren durchzuführen oder aber in das regelmäßige Verfahren überzugehen. Ein solcher Gläubigerantrag ist an kein Quorum gebunden.6) Die Bestimmung der Höhe der Forderungen unterliegt der Schätzung des Gerichts. Absonderungsrechte sind grundsätzlich zu schätzen (vgl. im Einzelnen § 77). Für die Schätzung hat das Insolvenzgericht vorliegende Unterlagen wie das Gläubigerverzeichnis, die Forderungsanmeldungen der Gläubiger nebst beigefügter Unterlagen sowie etwaige Stellungnahmen des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.7) Darüber hinausgehende Ermittlungen sind regelmäßig nicht notwendig. Sind die Forderungen der Insolvenzgläubiger bereits geprüft und weder vom Verwalter oder einem stimmberechtigten Gläubiger bestritten, ist das Prüfungsergebnis maßgebend (§ 77 Abs. 1).
6
IV. Entscheidung des Insolvenzgerichts
Liegt ein zulässiger Antrag vor, beruft das Insolvenzgericht nach § 74 eine Gläubigerversammlung durch Beschluss ein. Zwischen dem Eingang des Antrags beim Insolvenzgericht und dem Termin der Versammlung sollen höchstens drei Wochen liegen (§ 75 Abs. 3). Ein Antrag auf Einberufung hat in der Regel einen konkreten Anlass, mit dem sich die Gläubigerversammlung zeitnah befassen soll. Demzufolge ist der Antrag zügig zu bescheiden.
7
V. Rechtsmittel
Lediglich die Ablehnung der Einberufung unterliegt der sofortigen Beschwerde durch den Antragsteller. Lehnt das Insolvenzgericht die Einberufung einer Gläubigerversammlung ab, so sind gegen diese Entscheidung nur diejenigen Antragsteller beschwerdebefugt, die auch das Einberufungsquorum erfüllen.8) Gegen die Einberufung ist, soweit sie durch den Rechtspfleger erfolgte, lediglich die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG gegeben.9) _____________ 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Begr. RA zu § 86 RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 164, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 250. BGH, Beschl. v. 14.10.2004 – IX ZB 114/04, ZIP 2004, 2339 = ZVI 2004, 750, dazu EWiR 2005, 359 (Gundlach/Schirrmeister). BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZB 198/11, ZIP 2013, 1286, dazu EWIR 2013, 519 (M. Ahrens). BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 213/07, ZIP 2009, 1528 = NZI 2009, 604. BGH, Beschl. v. 30.3.2011 – IX ZB 212/09, ZIP 2011, 673 = NZI 2011, 284, dazu EWIR 2011, 391 (Keller). OLG Köln, Beschl. v. 30.7.2001 – 2 W 143/01, ZInsO 2001, 1112.
Castrup
527
8
§ 76
Beschlüsse der Gläubigerversammlung
§ 76 Beschlüsse der Gläubigerversammlung (1) Die Gläubigerversammlung wird vom Insolvenzgericht geleitet. (2) Ein Beschluß der Gläubigerversammlung kommt zustande, wenn die Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger beträgt; bei absonderungsberechtigten Gläubigern, denen der Schuldner nicht persönlich haftet, tritt der Wert des Absonderungsrechts an die Stelle des Forderungsbetrags. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Leitung der Gläubigerversammlung .............................................. 2
I. 1
III. Beschlussfassung der Gläubigerversammlung ........................................ 3 IV. Absonderungsgläubiger ...................... 5
Vorbemerkung
Beschlüsse der Gläubigerversammlung haben unter Umständen weitreichende Folgen. Das Zustandekommen der Entscheidungen unterliegt daher nachvollziehbaren Formalien, die mit Rücksicht auf den unterschiedlichen Umfang bei Klein- und Großverfahren nur das Abstimmungsverfahren eindeutig festlegen. II. Leitung der Gläubigerversammlung
2
Jede Gläubigerversammlung unterliegt der Leitung des Insolvenzgerichts. Es gelten die allgemeinen Regeln des GVG, soweit nicht Sondervorschriften der InsO abweichende Regelungen vorsehen. In Person wird die Versammlung in der Regel von dem zuständigen Rechtspfleger geleitet. Auch er kann Ordnungsmittel (§ 178 GVG) mit Ausnahme der Ordnungshaft (§ 4 Abs. 2 RPflG) verhängen. Aufgabe des Gerichts ist es, einen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Ablauf der Gläubigerversammlung zu gewährleisten.1) III. Beschlussfassung der Gläubigerversammlung
3
Entscheidungen der Gläubigerversammlung werden stets mit der Mehrheit (mehr als 50 %) der anwesenden stimmberechtigten (vgl. § 77) Insolvenzgläubiger getroffen. Ermittelt wird die Mehrheit anhand der Forderungshöhe der abstimmenden Gläubiger (Summenmehrheit). Daraus ergibt sich, dass nur die Forderungen Berücksichtigung finden, deren Inhaber sich an der Abstimmung beteiligen. Die Anzahl der abstimmenden Gläubiger (Kopfmehrheit) kommt nur in Ausnahmefällen und zusätzlich in Betracht, z. B. bei der Wahl eines Verwalters (§ 57 Satz 2).
4
Eine Mindestanzahl teilnehmender Gläubiger ist nicht erforderlich, sodass die Anwesenheit eines Gläubigers genügt. Entscheidungen der Versammlung können nicht durch das Insolvenzgericht ersetzt werden.2) Nehmen keine Gläubiger teil, ist nicht zwingend von einer Hinnahme des Verwalterhandels oder des weiteren Verfahrensablaufs auszugehen. Sie verzichten lediglich auf eine konkrete Verfahrens_____________ 1) 2)
528
Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 76 Rz. 3. Wimmer-Kind, FK-InsO, § 76 Rz. 8.
Castrup
§ 77
Feststellung des Stimmrechts
beteilung, z. B. auf die Wahl des Verwalters.3) Das Insolvenzgericht ist aber berechtigt, verfahrensleitende Entscheidungen, z. B. durch Festlegung der Berichtsfristen zu treffen. Die Zustimmung der Gläubigerversammlung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen gilt allerdings als erteilt, wenn die einberufene Gläubigerversammlung beschlussunfähig ist. Hierauf sind die Gläubiger bei der Einladung zur Gläubigerversammlung hinzuweisen (§ 160 Abs. 1). IV. Absonderungsgläubiger
Auch Absonderungsgläubiger können an der Abstimmung teilnehmen. Grundsätzlich bemisst sich das Stimmrecht nach dem tatsächlichen Wert – nicht dem Nennwert – des Absonderungsrechts, d. h. in welcher Höhe sich der Gläubiger aus dem besicherten Gegenstand befriedigen kann. Gegebenenfalls ist der Wert zu schätzen. Haftet der Schuldner auch persönlich, ist ausschließlich die Forderung maßgebend.4) _____________ 3) 4)
5
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 76 Rz. 19. Begr. des RA zu § 87 RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 164, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 252; Wimmer-Kind, FK-InsO, § 76 Rz. 12.
§ 77 Feststellung des Stimmrechts (1) 1Ein Stimmrecht gewähren die Forderungen, die angemeldet und weder vom Insolvenzverwalter noch von einem stimmberechtigten Gläubiger bestritten worden sind. 2Nachrangige Gläubiger sind nicht stimmberechtigt. (2) 1Die Gläubiger, deren Forderungen bestritten werden, sind stimmberechtigt, soweit sich in der Gläubigerversammlung der Verwalter und die erschienenen stimmberechtigten Gläubiger über das Stimmrecht geeinigt haben. 2Kommt es nicht zu einer Einigung, so entscheidet das Insolvenzgericht. 3Es kann seine Entscheidung auf den Antrag des Verwalters oder eines in der Gläubigerversammlung erschienenen Gläubigers ändern. (3) Absatz 2 gilt entsprechend 1.
für die Gläubiger aufschiebend bedingter Forderungen;
2.
für die absonderungsberechtigten Gläubiger. Übersicht
I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Grundsatz ............................................. 2 III. Einigung über das Stimmrecht .......... 4
I.
IV. Festsetzung des Stimmrechts ............. 5 V. Sonderfälle ............................................ 8
Vorbemerkung
§ 77 regelt Einzelheiten zur konkreten Festlegung des Stimmrechts. Da in der ersten Gläubigerversammlung, dem Berichtstermin (§ 156), eine Prüfung der Forderungen regelmäßig noch nicht stattgefunden hat, müssen andere Mechanismen zur Festlegung des Stimmrechts herangezogen werden. Wurden beide Termine verbunden Castrup
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1
§ 77
Feststellung des Stimmrechts
(§ 29 Abs. 2), darf, insbesondere zur Wahl eines anderen Verwalters, der Prüfungstermin nicht vorgezogen werden, da dem durch das Gericht bestimmten Verwalter durch seine Prüfungsbemerkungen ein unzulässiger Einfluss gewährt würde. II. Grundsatz 2
Grundsätzlich gewähren nur angemeldete Forderungen ein Stimmrecht, d. h. Insolvenzgläubiger (§ 174 Abs. 1 Satz 1) sind stimmberechtigt. Auf den Ablauf der Anmeldefrist kommt es nicht an. Die Anmeldung kann, da der Verwalter anwesend ist (§ 174 Abs. 1 Satz 1), förmlich im Termin erfolgen. Der bloße mündliche Vortrag einer Forderung genügt schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht. Der Begriff Forderungsanmeldung ist in § 174 eindeutig definiert.1) Ist der Gläubiger nicht in der Lage, ein Anmeldeformular auszufüllen, wird er auch keine Forderung behaupten können. Diese muss aber nach Grund und Betrag beziffert sein, da ansonsten ein Stimmrecht nicht feststellbar ist bzw. die Gläubiger keine Möglichkeit haben, sich auf ein Stimmrecht in Form eines bestimmten Betrages zu einigen. Gegebenenfalls ist die Sitzung zur Ermittlung der vorliegenden Anmeldungen zu unterbrechen. Eine Vertagung kommt nicht in Betracht, wenn die Beschlussfähigkeit der Gläubigerversammlung gegeben ist. Vertagt das Insolvenzgericht dennoch, kann dies die Befangenheit des Gerichts nahelegen, denn den Beteiligten, insbesondere dem Verwalter, wird die Möglichkeit verschafft, zum Folgetermin andere Mehrheiten zu organisieren.
3
Des Weiteren müssen die Forderungen festgestellt sein, d. h. sie dürfen weder durch den Verwalter noch durch einen stimmberechtigten Gläubiger bestritten sein. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus dem für die jeweilige Forderung anberaumten Prüfungstermin (§ 178 Abs. 1 Satz 1). Findet der Berichtstermin, dies ist die Regel, vor dem Prüfungstermin statt, kommt es darauf an, ob im Termin anwesende Gläubiger bzw. der Verwalter einer Forderung widersprechen.2) III. Einigung über das Stimmrecht
4
Einigen sich die stimmberechtigten Gläubiger und der Verwalter über das Stimmrecht der Gläubiger bestrittener Forderungen, können auch sie an einer Abstimmung teilnehmen. Grundsätzlich genießt die Einigung Priorität vor einer Festsetzung des Stimmrechts.3) IV. Festsetzung des Stimmrechts
5
Kommt eine Einigung nicht zustande, können sich Stimmrechte nur aus der Festsetzung des Stimmrechts durch das Insolvenzgericht ergeben. Bei der Ermittlung hat das Gericht alle präsenten Mittel zur Begründung oder zur Ablehnung des Stimmrechts einzubeziehen. Ergibt die Prüfung des Gerichts eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der gesamten Forderung oder eines Teilbetrages, ist das Stimmrecht entsprechend festzusetzen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.4) Wirkung entfaltet der Beschluss nur im _____________ 1) 2) 3) 4)
530
Wimmer-Kind, FK-InsO, § 77 Rz. 4; a. A. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 77 Rz. 3; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 77 Rz. 6. Uhlenbruck-Uhlenbruck InsO, § 77 Rz. 3. Wimmer-Kind, FK-InsO, § 77 Rz. 7; Eickmann in: HK-InsO, § 77 Rz. 6. BVerfG, Beschl. v. 4.8.2004 – 1 BvR 698/03, ZIP 2004, 1762 = ZVI 2004, 553.
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Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung
§ 78
Hinblick auf das Stimmrecht in der jeweiligen Gläubigerversammlung, nicht auf den materiellen Bestand der Forderung.5) Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 11 Abs. 3 Satz 2). Auf Antrag kann das Gericht seine Entscheidung abändern. Ergeht der Beschluss durch den Rechtspfleger (Regelfall), besteht darüber hinaus für Gläubiger und Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die Neufestsetzung des Stimmrechts durch den Richter zu beantragen (§ 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG). Der Antrag ist zulässig, wenn sich die Festsetzung auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat und der Antrag bis zum Schluss der Gläubigerversammlung, in der die Festsetzung erfolgte, gestellt wird (§ 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG).6) Wird dem Antrag gefolgt, muss die Abstimmung unter Berücksichtigung der Neufestsetzung wiederholt werden.
6
Dass eine durch den Rechtspfleger im Insolvenzverfahren getroffene Stimmrechtsentscheidung nur einer einmaligen richterlichen Kontrolle unterzogen werden kann und dass diese richterliche Entscheidung dann unanfechtbar ist, verletzt weder den Anspruch auf Justizgewährung und effektiven Rechtsschutz noch die Eigentumsfreiheit.7)
7
V. Sonderfälle
Auch vorläufig bestrittene Forderungen sind bestrittene Forderungen und können entsprechend den vorstehend zum Stimmrecht der bestrittenen Forderungen geschilderten Voraussetzungen ein Stimmrecht gewähren, wenn über die Feststellung noch nicht entschieden worden ist.8)
8
Nachrangige Insolvenzgläubiger sind nicht stimmberechtigt (Abs. 1 Satz 2).
9
In Einzelfällen kann das Stimmrecht eines Gläubigers, auch wenn er nach Absatz 1 stimmberechtigt wäre, ausgeschlossen sein, etwa wenn die Versammlung über die Aufnahme einer Anfechtungsklage gegen diesen Gläubiger entscheidet. Die Entscheidung wirkt sich ausschließlich auf ihn aus.9) Es handelt sich jedoch nicht um ein allgemeines Abstimmungsverbot, sondern um eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung des Gerichts. _____________
10
5) 6) 7) 8) 9)
Begr. zu § 88 RegE/§ 77 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 133, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 254. OLG Celle, Beschl. v. 21.2.2001 – 2 W 11/01, ZIP 2001, 658 = ZInsO 2001, 320, dazu EWiR 2001, 587 (Beutler/Beutler). BVerfG, Beschl. v. 26.11.2009 – 1 BvR 339/09, ZIP 2010, 237 = NZI 2010, 57. BGH, Beschl. v. 14.10.2004 – IX ZB 114/04, ZIP 2004, 2339 = ZVI 2004, 750, dazu EWiR 2005, 359 (Gundlach/Schirrmeister). Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 77 Rz. 9; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 76 Rz. 4; Ehricke in: MünchKomm-InsO, § 77 Rz. 36 ff; Eickmann in: HK-InsO, § 76 Rz. 6.
§ 78 Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung (1) Widerspricht ein Beschluß der Gläubigerversammlung dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger, so hat das Insolvenzgericht den Beschluß aufzuheben, wenn ein absonderungsberechtigter Gläubiger, ein nicht nachrangiger Castrup
531
§ 78
Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung
Insolvenzgläubiger oder der Insolvenzverwalter dies in der Gläubigerversammlung beantragt. (2) 1Die Aufhebung des Beschlusses ist öffentlich bekanntzumachen. 2Gegen die Aufhebung steht jedem absonderungsberechtigten Gläubiger und jedem nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. 3Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu. Übersicht
1
I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Aufhebung des Beschlusses ................ Antragserfordernis ................................ Aufhebungsentscheidung .....................
I.
Vorbemerkung
1 2 5 6
3.
Bekanntmachung der Entscheidung ............................................... 7 III. Rechtsmittel ......................................... 8
Beschlüsse der Gläubigerversammlung sind nicht anfechtbar. Sie unterliegen insbesondere nicht der sofortigen Beschwerde.1) Neben der Aufhebung des Beschlusses durch die Gläubigerversammlung selbst kann der Beschluss nur aufgehoben werden, wenn er dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht. II. Aufhebung des Beschlusses
2
Nimmt nur eine begrenzte Zahl Gläubiger an der Gläubigerversammlung teil, besteht die Gefahr, dass Beschlüsse nur die Interessen der anwesenden Gläubiger widerspiegeln. Dem übergeordnet ist das gemeinsame Interesse aller Gläubiger. Das gemeinsame Interesse liegt in der bestmöglichen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Zweck der möglichen Aufhebung ist nicht ein Minderheitenschutz, sondern die Verhinderung der Durchsetzung der Interessen einzelner Gläubiger oder –gruppen.2) Beschlüsse einer Gläubigerversammlung müssen in der Regel zeitnah umgesetzt werden. Eine umfassende Überprüfung des gemeinsamen Interesses würde dem widersprechen. Weiterhin ist der Grundsatz der Gläubigerautonomie zu achten, weshalb Beschlüsse der Gläubigerorgane nur in Ausnahmefällen aufgehoben werden können. Der Verstoß gegen das gemeinsame Interesse muss deutlich hervortreten3) und sich aus der beschlussfassenden Gläubigerversammlung ergeben.4) Dies gilt selbst bei einer Falschinformation durch den Verwalter.
3
Aufgrund der besonderen Regelungen zur Neuwahl eines Verwalters in der ersten Gläubigerversammlung ist dieser Beschluss einer Überprüfung nach § 78 entzogen.5)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
532
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.12.1999 – 5 W 374/99, NZI 2000, 179, 180 = InVo 2000, 205, 218; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.10.2000 – 3 W 198/00, ZIP 2000, 2173, 2174 = ZInsO 2000, 670, 671. Begr. des RA zu § 89 RegE/§ 78 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 164, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 257; Wimmer-Kind, FK-InsO, § 78 Rz. 2, 3; Eickmann in: HK-InsO, § 78 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 78 Rz. 7. KG, Beschl. v. 23.3.2001 – 7 W 8076/00, DZWIR 2002, 34, 35, 36, 37 = ZInsO 2001, 411. BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 530/02, ZIP 2003, 1613 = ZInsO 2003, 750; BGH, Beschl. v. 7.10.2004 – IX ZB 128/03, ZIP 2004, 2341 = ZVI 2004, 752.
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Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung
§ 78
Auch ein Beschluss der Gläubigerversammlung, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen, kann nicht im Verfahren nach Absatz 1 angefochten werden (siehe auch unten § 272 Rz. 4).6) 1.
Antragserfordernis
Ein Verfahren zur Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung setzt einen Antrag voraus. Antragsberechtigt sind Absonderungs-, nicht nachrangige Insolvenzgläubiger und der Insolvenzverwalter. Dem Verwalter kommt die Aufgabe zu, auch die Interessen nicht anwesender Gläubiger zu wahren.7) Über ein Stimmrecht muss der Antragsteller nicht verfügen.8) Zulässig ist der Antrag nur, wenn er noch in der Versammlung gestellt wird, in der der aufzuhebende Beschluss gefasst wurde.9) Dies dient der Rechtssicherheit: „Schwebende“ Beschlüsse sollen vermieden werden. 2.
5
Aufhebungsentscheidung
Die Aufhebung erfolgt durch Beschluss des Insolvenzgerichts. Aus der Formulierung des Gesetzestextes („… hat das Insolvenzgericht …“) folgt, dass es sich nicht um eine Ermessensentscheidung handelt. Liegt ein Verstoß gegen das gemeinsame Interesse und ein zulässiger Antrag vor, muss der Beschluss der Gläubigerversammlung aufgehoben werden. Die Entscheidung ist beschleunigt zu treffen (vgl. Nr. 2) und zu begründen. 3.
4
6
Bekanntmachung der Entscheidung
Die Tatsache der Aufhebung ist durch Veröffentlichung nach § 9 bekannt zu machen. Eine Veröffentlichung des vollständigen Beschlusses wäre ein Verstoß gegen die Nichtöffentlichkeit der Gläubigerversammlung. Einer besonderen Zustellung an Beteiligte bedarf es nicht. Es empfiehlt sich jedoch die besondere Unterrichtung der im Termin anwesenden Gläubiger und des Verwalters.
7
III. Rechtsmittel
Gegen die Aufhebung steht jedem Absonderungs- und Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde offen. Der Verwalter ist ausgenommen, denn durch die öffentliche Bekanntmachung werden auch nicht anwesende Gläubiger in die Lage versetzt, die Aufhebung zu prüfen und ihre Interessen hinreichend zu wahren.10)
8
Im Falle der Ablehnung ist nur der Antragsteller beschwerdeberechtigt. Ergeht die Entscheidung durch den Rechtspfleger, eröffnet sich für andere als den Antragsteller nicht die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG.11)
9
_____________ 6) BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 64/10, ZIP 2011, 1622 = ZInsO 2011, 1548, dazu EWiR 2011, 651 (Bähr). 7) Begr. zu § 89 RegE/§ 78 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 134, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 255. 8) Begr. zu § 89 RegE/§ 78 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 134, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 255. 9) OLG Celle, Beschl. v. 21.2.2001 – 2 W 11/01, ZIP 2001, 658, 659, 660 = ZInsO 2001, 320, 321, 322, dazu EWiR 2001, 587 (Beutler/Beutler). 10) Begr. zu § 89 RegE/§ 78 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 134, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 255. 11) Wimmer-Kind, FK-InsO, § 78 Rz. 22.
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§ 79
Unterrichtung der Gläubigerversammlung
§ 79 Unterrichtung der Gläubigerversammlung 1
Die Gläubigerversammlung ist berechtigt, vom Insolvenzverwalter einzelne Auskünfte und einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung zu verlangen. 2Ist ein Gläubigerausschuß nicht bestellt, so kann die Gläubigerversammlung den Geldverkehr und -bestand des Verwalters prüfen lassen. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Berichtspflicht ...................................... 2
I. 1
III. Prüfung des Geldverkehrs .................. 5
Vorbemerkung
Als zentrale und handelnde Person des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter dem obersten Organ der Gläubigerschaft zur Rechenschaft verpflichtet. Im Wesentlichen erfolgt dies durch Einzelauskünfte und Berichte. II. Berichtspflicht
2
Da wesentliche Entscheidungsbefugnisse bei der Gläubigerversammlung liegen, muss sie durch den Verwalter hinsichtlich des Insolvenzverfahrens stets Zugang zu Informationen, insbesondere denen des Verwalters haben. Über den Berichtstermin hinaus hat sie daher das Recht, vom Verwalter einzelne Auskünfte oder umfassende Berichte zu fordern. Berechtigt ist die Gläubigerversammlung, nicht der einzelne Gläubiger.1)
3
Praktisch erfolgt die Umsetzung durch Festlegung eine Berichtsturnus (sechs bis zwölf Monate), der den Verwalter zu einem schriftlichen Bericht zur Insolvenzakte verpflichtet. In diesen können einzelne Gläubiger Einsicht nehmen. Im Übrigen kann nach § 75 die Einberufung einer Gläubigerversammlung zur Berichterstattung beantragt werden. Kommt der Verwalter diesen Pflichten nicht nach, muss ihn das Insolvenzgericht zur Erfüllung anhalten, ggf. durch Zwangsmaßnahmen nach § 58 Abs. 2.
4
Internetgestützte Gläubiger-Informations-Systeme (GIS) können die Berichtspflicht nicht ersetzen, da es zur Zeit noch eine gesetzliche Regelung hinsichtlich des Verfahrens und datenschutzrechtlicher Belange fehlt. III. Prüfung des Geldverkehrs
5
Daneben kann die Gläubigerversammlung den Geldverkehr und -bestand prüfen lassen. Obwohl dies nur bei fehlendem Gläubigerausschuss normiert ist, kann sie sich die Prüfung ebenso wie die Zustimmung zu bestimmten Rechtshandlungen vorbehalten.2)
_____________ 1) 2)
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Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 79 Rz. 5; Wimmer-Kind, FK-InsO, § 79 Rz. 3; Eickmann in: HK-InsO, § 58 Rz. 5. Begr. zu § 179 RegE/§ 160 InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 174, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 383; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Kübler, InsO, § 79 Rz. 6.
Castrup
§ 4d
Rechtsmittel
schließungsermessen ausgeübt hat.29) Die Entscheidung ist, da sie der fristgebundenen sofortigen Beschwerde unterliegt, dem Schuldner bzw. dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt zuzustellen. V. Wirkungen der Aufhebung 15
Mit der im Regelfall vollständigen Aufhebung der Stundung werden die von der Stundung erfassten Kosten und Ansprüche sofort und in der vollen noch ausstehenden Höhe fällig. Die unter § 4a beschriebenen Wirkungen der Stundung fallen mit Wirkung für die Zukunft weg, sodass ggf. die Abweisung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder eine Einstellung des Verfahrens nach § 207 die Folge sein können. In der Restschuldbefreiungsphase ist der Schuldner der Gefahr der Versagung ausgesetzt (§ 298). Nach der Erteilung der Restschuldbefreiung kommt eine Ratenzahlungsbewilligung nach § 4b Abs. 1 nicht mehr in Betracht.
16
Der Aufhebung kommt keine Rückwirkung zu, jedenfalls soll sie nicht zu einer abweichenden Beurteilung vergangener Tatbestände führen.30) Daher werden auch die durch eine Beiordnung bereits begründeten Ansprüche des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nicht berührt;31) das Gleiche gilt für die etwa vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 erworbenen Ansprüche auf Vergütung und Auslagenersatz.32) VI. Rechtsmittel
17
Die Entscheidung über die Aufhebung ist gemäß § 4d mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. _____________ 29) LG Mühlhausen, Beschl. v. 12.10.2007 – 2 T 256/07, VuR 2009, 30 f; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 86. 30) Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 96 m. umf. N. 31) Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4c Rz. 43; Jaeger-Eckardt, InsO, § 4c Rz. 96. 32) BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 = MDR 2008, 345, 346 – „jedenfalls durch analoge Anwendung des § 63 Abs. 2“; vgl. auch AG Alzey, Beschl. v. 21.2.2003 – IK 8/02, – juris.
§ 4d Rechtsmittel (1) Gegen die Ablehnung der Stundung oder deren Aufhebung sowie gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. (2) 1Wird die Stundung bewilligt, so steht der Staatskasse die sofortige Beschwerde zu. 2Diese kann nur darauf gestützt werden, dass nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners die Stundung hätte abgelehnt werden müssen.
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Kexel
§ 4d
Rechtsmittel Übersicht I. Allgemeines, Normzweck ................... 1 II. Rechtsmittel ......................................... 2 1. Rechtsmittel des Schuldners ................. 2
I.
2. Rechtsmittel der Staatskasse ................. 4 3. Rechtsmittel Dritter .............................. 5 III. Verfahren .............................................. 6
Allgemeines, Normzweck
Angesichts des § 6 ist die Norm notwendig, um die Überprüfbarkeit der genannten gerichtlichen Entscheidungen über die Stundung zu gewährleisten. Die abschließende Aufzählung soll verhindern, dass das Insolvenzverfahren nicht übermäßiger Verzögerung durch Rechtsmittelgebrauch ausgesetzt ist.1)
1
II. Rechtsmittel 1.
Rechtsmittel des Schuldners
Wegen der Bedeutung der Stundungsentscheidung für den Schuldner, der häufig nur so in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen kann, sieht Absatz 1 die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Stundung und die in den Wirkungen vergleichbare Aufhebung der Stundung vor. Andere, den Schuldner belastende Stundungsentscheidungen sollen außer Betracht bleiben. Dabei ist allerdings nach richtiger Ansicht immer zu prüfen, ob nicht Anordnungen des Gerichts in Wahrheit einer, wenn auch nur teilweisen, Aufhebung oder Ablehnung gleichkommen; in diesen Fällen muss § 4d ebenfalls Anwendung finden. Dies kann etwa gelten für eine Versagung der Verlängerung der Stundung2) oder auch eine erhebliche Änderung der Rückzahlungsmodalitäten i. R. des § 4b Abs. 2.3) Die Beschwerde ist gegen jede gesonderte Entscheidung pro Verfahrensabschnitt gegeben.
2
Ausdrücklich eröffnet ist ferner die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts; auch die Beiordnung kann im Einzelfall von erheblicher Bedeutung für den Schuldner sein, der sonst seine Belange nicht hinreichend vertreten kann.
3
2.
Rechtsmittel der Staatskasse
Um einer allzu großzügigen Stundungspraxis der Insolvenzgerichte entgegenzuwirken und die durch die gesetzlichen Regelungen in den §§ 4a – 4d entstehende zusätzliche Belastung der Länderhaushalte in Grenzen zu halten, eröffnet Absatz 2 der Staatskasse die sofortige Beschwerde gegen die Bewilligung der Stundung. Das Beschwerderecht ist aber auf die Rüge beschränkt, dass die wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse des Schuldners i. S. des § 4a eine Bewilligung nicht rechtfertigen. Dies lässt aber auch Raum für eine Beschwerde der Staatskasse in solchen Fällen, in denen der Akteninhalt zwar aus sich heraus die Gewährung einer Stun-
_____________ 1) 2) 3)
Jaeger-Eckardt, InsO, § 4d Rz. 4. Hierfür Jaeger-Eckardt, InsO, § 4d Rz. 14 m. w. N. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4d Rz. 14 m. w. N.; a. A. offenbar Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4d Rz. 2; differenzierend Wimmer-Kothe, FK-InsO, § 4d Rz. 8, 9.
Kexel
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4
§5
Verfahrensgrundsätze
dung grundsätzlich rechtfertigt, die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen aber erkennbar unvollständig und lückenhaft sind.4) 3. 5
Rechtsmittel Dritter
Rechtsmittel weiterer Verfahrensbeteiligter, etwa des Treuhänders, gegen Entscheidungen nach den §§ 4a ff sind nicht gegeben.5) III. Verfahren
6
Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach § 6, wobei die Bestimmungen der ZPO ergänzend heranzuziehen sind. _____________ 4) 5)
LG Duisburg, Beschl. v. 20.9.2005 – 7 T 197/05, ZVI 2005, 563 = NZI 2005, 688; LG Bochum, Beschl. v. 20.4.2007 – 10 T 27/07, JurBüro 2007, 610 f. Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4d Rz. 5 m. w. N.
§5 Verfahrensgrundsätze (1) 1Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. 2Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen. (2) 1Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. 2Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. 3Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. 4Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen. ) (3) 1Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. 2Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden. (4) 1Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. 2Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. 3Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. 4Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
)
Absatz 2 geändert durch Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 2: „(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, kann das Insolvenzgericht anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile schriftlich durchgeführt werden. Es kann diese Anord-
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Kexel
§5
Verfahrensgrundsätze
dung grundsätzlich rechtfertigt, die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen aber erkennbar unvollständig und lückenhaft sind.4) 3. 5
Rechtsmittel Dritter
Rechtsmittel weiterer Verfahrensbeteiligter, etwa des Treuhänders, gegen Entscheidungen nach den §§ 4a ff sind nicht gegeben.5) III. Verfahren
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Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach § 6, wobei die Bestimmungen der ZPO ergänzend heranzuziehen sind. _____________ 4) 5)
LG Duisburg, Beschl. v. 20.9.2005 – 7 T 197/05, ZVI 2005, 563 = NZI 2005, 688; LG Bochum, Beschl. v. 20.4.2007 – 10 T 27/07, JurBüro 2007, 610 f. Vgl. nur Kübler/Prütting/Bork-Wenzel, InsO, § 4d Rz. 5 m. w. N.
§5 Verfahrensgrundsätze (1) 1Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. 2Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen. (2) 1Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. 2Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. 3Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. 4Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen. ) (3) 1Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. 2Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden. (4) 1Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. 2Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. 3Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. 4Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
)
Absatz 2 geändert durch Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I 2013, 2379, m. W. v. 1.7.2014. In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung lautete Absatz 2: „(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, kann das Insolvenzgericht anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile schriftlich durchgeführt werden. Es kann diese Anord-
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Kexel
§5
Verfahrensgrundsätze
nung jederzeit aufheben oder abändern. Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen.“
Literatur: Fuchs, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1679. Übersicht I. II. 1. 2.
Normzweck ........................................... 1 Amtsermittlung (Abs. 1) .................... 2 Anwendungsbereich, Reichweite ......... 2 Maßnahmen ........................................... 5 a) Zeugen ............................................ 6 b) Sachverständiger ............................ 7 c) Schuldner ........................................ 9 d) Gläubiger ...................................... 11 e) Insolvenzverwalter ....................... 12
f)
3. 4. III. IV. V. VI.
I.
Sonstige Aufklärungsmöglichkeiten ............................................ 13 Kosten .................................................. 14 Rechtsmittel ........................................ 15 Schriftliches Verfahren (Abs. 2) ...... 16 Entscheidungen im Insolvenzverfahren (Abs. 3) .................................... 21 Maschinelle Herstellung und Bearbeitung (Abs. 4) .......................... 24 Weitere „Verfahrensgrundsätze“ ...... 25
Normzweck
Zentrales Element der Vorschrift ist die Anordnung der Amtsermittlung (Untersuchungsgrundsatz) in Absatz 1; diese soll der Verwirklichung der materiellen Wahrheit dienen, ferner im Zusammenspiel mit den Absätzen 2 bis 4 der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens.1) Die Normüberschrift „Verfahrensgrundsätze“ ist damit sicher nicht abschließend ausgefüllt (unten Rz. 25).
1
II. Amtsermittlung (Abs. 1) 1.
Anwendungsbereich, Reichweite
§ 5 beschränkt sich nicht auf eine Ermächtigung, sondern verpflichtet das Insolvenzgericht zur Amtsermittlung. Der Untersuchungsgrundsatz bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte gerichtliche Verfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens.2) Er setzt bei antragsgebundenem Tätigwerden des Gerichts jedoch zunächst einen zulässigen Antrag voraus; erst mit dessen Vorliegen ist das Gericht zu eigener Ermittlung befugt.3) Es sind alle, jedoch auch nur solche Tatsachen zu erforschen, die „für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind“. Das erfasst jedenfalls die Feststellung der Umstände, die für gerichtliche Entscheidungen im Insolvenzverfahren notwendig sind; besonders wichtiges Beispiel ist etwa die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit, das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes und die Massekostendeckung vor der Verfahrenseröffnung. Das Gericht kann nicht einfach auf zwischen Schuldner und Gläubiger „Unstreitiges“ zurückgreifen, sondern muss sich selbst überzeugen.4) Keiner Ermittlungen hingegen bedarf es, soweit das Gericht auf offenkundige Tatsachen zurückgreifen kann (§ 4 InsO i. V. m. § 291 ZPO). _____________ 1) 2) 3)
4)
Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 4. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 12. BGH, Beschl. v. 12.7.2007 – IX ZB 82/04, ZIP 2007, 1868 = ZVI 2007, 612, dazu EWiR 2008, 111 (Floeth); BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 207/10, ZInsO 2011, 1499; BGH, Beschl. v. 23.11.2006 – IX ZA 21/06, – juris; Kirchhof in: HK-InsO, § 5 Rz. 6 m. w. N. Ausdrücklich noch einmal BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 108/05, ZIP 2006, 2186 = NZI 2007, 45.
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§5
Verfahrensgrundsätze
3
Dem Grundsatz der Amtsermittlung unterliegen im eröffneten Verfahren sodann die Grundlagen für eine Verfahrenseinstellung oder -aufhebung, die Überwachung eines Insolvenzplans, auch die spätere Entscheidung über die Restschuldbefreiung (unter Beachtung der Antragsvorbehalte.) Nach dem Wortlaut ebenso für „das Insolvenzverfahren von Bedeutung“ sind die tatsächlichen Voraussetzungen für Maßnahmen und Entscheidungen des Insolvenzverwalters; eine entsprechende Untersuchungspflicht des Gerichts findet ihre Grenze hier aber durch die gesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Verwalter und Gericht,5) die nicht aufgeweicht werden darf. Nach richtiger Ansicht sollte sich die Ermittlungstätigkeit des Gerichts hier nur auf die für das formelle Verfahren bedeutsamen Umstände beschränken.6) Grundsätzlich dürften Ermittlungen etwa zur Vorbereitung eines Anfechtungsprozesses durch den Insolvenzverwalter also nicht in Betracht kommen.7)
4
Nur eingeschränkt bzw. gar nicht gilt der Untersuchungsgrundsatz dort, wo das Gesetz die Erbringung von Nachweisen, wie z. B. die Glaubhaftmachung, anderen Verfahrensbeteiligten auferlegt; ferner bei ausdrücklicher gesetzlicher Beschränkung der Prüfungsmöglichkeiten, wie etwa i. R. der Forderungsanmeldung, §§ 174 ff. 2.
5
Maßnahmen
Art und Umfang der Ermittlungen auf dem Weg zum notwendigen Überzeugungsgrad – „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ wie § 286 ZPO8) – stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts. Im Rahmen des Amtsermittlungsverfahrens ist es nicht auf den Strengbeweis beschränkt, sondern kann vielmehr freibeweislich seine Überzeugung suchen. Als Aufklärungsmittel kommen neben dem auskunftspflichtigen Schuldner insbesondere Zeugen und Sachverständige in Betracht; wie der Wortlaut deutlich macht, stehen dem Gericht auch andere Möglichkeiten offen. a) Zeugen
6
Zeugen kann das Insolvenzgericht nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung vernehmen. Insbesondere gelten die Vorschriften über Ordnungsmittel (§ 380 ZPO) und Zeugnisverweigerungsrechte (§§ 383 – 385 ZPO). Letztere kommen etwa Angehörigen des Schuldners zu (§§ 383, 384 Nr. 1, § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog),9) ferner Begünstigten eines potentiell anfechtbaren Erwerbs (§ 384 Nr. 1 ZPO analog).10) Zu beachten sind hier aber auch besondere Auskunftspflichten nach der InsO, etwa § 101 Abs. 2 für Angestellte des Schuldners, der nicht natürliche Person ist. Die Befugnis zur Entbindung von Verschwiegenheitsverpflichtungen _____________ 5) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 8 m. w. N. 6) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 17 ff; ähnlich Uhlenbruck-Pape, InsO, § 5 Rz. 22. 7) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 17 m. w. N.; a. A. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 10 m. w. N. 8) Kirchhof in: HK-InsO, § 5 Rz. 19; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 19. 9) BGH, Urt. v. 18.1.1978 – VIII ZR 262/76, NJW 1978, 1002 f = WM 1978, 373; JaegerGerhardt, InsO, § 5 Rz. 19; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 27. 10) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 255/78, BGHZ 74, 379, 382 = NJW 1979, 1832 f; Uhlenbruck-Pape, InsO § 5 Rz. 20, Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 19; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 27.
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§5
Verfahrensgrundsätze
gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kommt im Regelfall dem Insolvenzverwalter zu, soweit sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht reicht; auf ihn ist mit Insolvenzeröffnung die entsprechende Dispositionsbefugnis des Schuldners übergegangen.11) Dies aber auch nur in dem Umfange, wie sie diesem selbst zukam; so kann etwa das Bankgeheimnis auch berechtigte Interessen Dritter schützen und insoweit der Disposition des Schuldners entzogen sein.12) Über die Beeidigung von Zeugen entscheidet das Insolvenzgericht; hier immer der Richter, dem ggf. der Rechtspfleger die Akten vorlegen muss (§ 4 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 RPflG). b) Sachverständiger Als mitunter sicher unverzichtbares Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts wird das Insolvenzgericht einen Sachverständigen beauftragen, häufig mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zur Frage des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes und der Kostendeckung. Der beauftragte Sachverständige hat selbständig Ermittlungen durchzuführen und darf sich nicht ohne weiteres auf die Angaben des Schuldners verlassen.13) Für den Sachverständigenbeweis gelten grundsätzlich die §§ 402 ff ZPO. Streitig ist, inwieweit das Insolvenzgericht dem Sachverständigen darüber hinaus gehende Befugnisse und Rechte verleihen kann. Eine Ermächtigung des Sachverständigen, entsprechend § 22 die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen, ist jedenfalls rechtswidrig.14)
7
Nach hier vertretener Auffassung ist das Insolvenzgericht jedoch befugt, den Schuldner zur Auskunft auch gegenüber dem Sachverständigen zu verpflichten15) und diese Auskunftspflicht ggf. mit Zwangsmitteln durchzusetzen;16) dabei muss selbstverständlich gewährleistet sein, dass hierbei das Gericht immer Herr des Verfahrens bleibt und entsprechende Anregungen des Sachverständigen nicht unbesehen seinen Entscheidungen zugrunde legen kann. Dennoch dürfte es – selbst wenn dies regelmäßig einen höheren Kostenaufwand bedeutet – oftmals zweckmäßiger sein, bei mangelnder Mitwirkungsbereitschaft der Beteiligten den Sachverständigen gleich zum vorläufigen Insolvenzverwalter i. S. des § 22 zu bestellen bzw. einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Begutachtung zu betrauen.
8
c) Schuldner Wichtige Informationsquelle für das Gericht ist der Schuldner, der i. R. der (Amts-)Ermittlungstätigkeit umfassend zur Auskunft verpflichtet ist.17) Er ist _____________ Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 28. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 30. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 35. BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915 = ZVI 2004, 240, dazu EWiR 2004, 499 (Bähr). 15) So nun auch ausdrücklich BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 6/12, ZIP 2012, 1615 ff. 16) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 16; Braun-Kind, InsO, § 20 Rz. 21; Schmahl in: MünchKommInsO, § 16 Rz. 50; § 20 Rz. 54, jeweils m. w. N.; a. A. ausdrücklich Ganter in: MünchKommInsO, § 5 Rz. 36; offenbleibend BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915, 916 = ZVI 2004, 240, 241, der eine entsprechende Übertragung aber der Beschwerde jedenfalls nicht zugänglich macht. 17) BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, NJW 1981, 1431, 1432 = ZIP 1981, 361. 11) 12) 13) 14)
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§5
Verfahrensgrundsätze
nicht Zeuge, sondern Partei;18) die Vernehmung richtet sich jedoch nicht nach den §§ 445 ff ZPO, die ein kontradiktorisches Verfahren regeln, sondern basiert auf den gesetzlich ausdrücklich normierten Auskunftspflichten aus Absatzes 1 Satz 1, §§ 20, 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1. Verletzt der Schuldner seine Auskunftspflicht, so riskiert er seine Restschuldbefreiung (§ 290 Abs. 1 Nr. 5). Über die Auskunft hinaus ist er jedoch nicht zur weiteren Mitwirkung bei den Ermittlungen verpflichtet; § 97 Abs. 2 findet keine Anwendung. 10
Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 treffen bei einem Schuldner, der keine natürliche Person ist, die entsprechenden Auskunftspflichten die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. Davon zu unterscheiden ist die ähnliche Auskunftspflicht für Angestellte des Schuldners nach § 101 Abs. 2; sie kann nicht mit den besonderen Zwangsmitteln des § 98 durchgesetzt werden, auch ist dieser Personenkreis im Gegensatz zum Schuldner nicht verpflichtet, Straftaten zu offenbaren.19) d) Gläubiger
11
Auch sie sind als Partei anzusehen; sie können – ggf. auch eidlich – vernommen werden, aber nicht zur Aussage gezwungen werden;20) § 453 Abs. 2 ZPO ist anwendbar.21) e) Insolvenzverwalter
12
Der Insolvenzverwalter ist der Aufsicht des Gerichts unterstellt und dementsprechend auch diesem gegenüber zur Auskunft über alle das Verfahren betreffende Umstände verpflichtet.22) Bei Verstößen sind die Zwangsmittel nach § 58 Abs. 2, § 59 einschlägig. f)
13
Sonstige Aufklärungsmöglichkeiten
Das Insolvenzgericht kann Auskünfte von Behörden und auskunftsbereiten Privatpersonen einholen. Insbesondere wird es regelmäßig Register- und Grundbuchauszüge einholen sowie die zuständigen Gerichtsvollzieher befragen. Ihm stehen – jedenfalls mittelbar – die Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners zu (vgl. § 22 Abs. 3, aber auch § 36 Abs. 2 Nr. 1, § 148. Auf der Grundlage des § 142 ZPO kann es zudem Dritte, die im Besitz einer Urkunde sind, zur Einsichtsgestattung oder Vorlage verpflichten. Gegenstände im Besitz des Schuldners bzw. Insolvenzverwalters kann es ohnehin in Augenschein (§ 371 ZPO) nehmen. Die Vernehmung auswärtiger Auskunftspersonen kann im Wege der Rechtshilfe (§ 156 GVG) verlangt werden.23)
_____________ 18) 19) 20) 21) 22) 23)
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BGH, Urt. v. 2.12.1952 – 1 StR 437/52, BGHSt 3, 309, 311 = NJW 1953, 151. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 45. Vgl. Nachweise bei Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 47, Fn. 95. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 47. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 28. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 55.
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§5
Verfahrensgrundsätze
3.
Kosten
Die Ermittlungstätigkeit des Gerichts erzeugt keine Gebührenforderung. Auslagen, etwa als Zeugen- oder Sachverständigenentschädigung nach dem JVEG, sind Massekosten (§ 54 Abs. 1), soweit sie nicht einem erfolglosen Antragsteller zur Last fallen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 GKG). 4.
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Rechtsmittel
Maßnahmen der Amtsermittlungspflicht nach § 5 bereiten lediglich Entscheidungen des Insolvenzgerichts vor und sind daher – wie schon nach früher geltendem Recht – im Allgemeinen nicht beschwerdefähig (§ 6 Abs. 1).24) Dieser Grundsatz ist in streng begrenzten Ausnahmefällen dann verfassungskonform einzuschränken, wenn die gerichtliche Maßnahme von vornherein außerhalb der Befugnisse liegt, die dem Insolvenzgericht von Gesetzes wegen verliehen sind.25) Es fehlt dann an einer insolvenzrechtlichen Regelung, auf die sich das in § 6 bestimmte Enumerationsprinzip beziehen könnte, sodass unter dieser Voraussetzung zustande gekommene Grundrechtseingriffe der gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein müssen.
15
III. Schriftliches Verfahren (Abs. 2) In den vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ermöglicht der durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 (InsOVereinfG) eingefügte Absatz 2 dem Insolvenzgericht, durch jederzeit aufhebbaren oder abänderbaren Beschluss26) zu bestimmen, dass das Verfahren oder Teile desselben schriftlich durchgeführt werden.27) Die Anordnung setzt voraus, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind. Insoweit ist die Regelung zwar mit dem früheren § 312 Abs. 2 wortgleich, kann aber durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf das Regelinsolvenzverfahren eine größere Spannbreite abdecken, als bisher im – wegen § 304 schon von vornherein nur relativ übersichtlichen Verfahren zugänglichen – vereinfachten Verfahren. Die früheren Grundsätze werden aber weiterhin als Anhaltspunkte dienen können.28) Vermögensverhältnisse des Schuldners können nur dann überschaubar sein, wenn das Gericht aus den bisherigen Feststellungen einen zuverlässigen Überblick über das Vermögen, das Einkommen und die Verbindlichkeiten des Schuldners gewinnen kann.29) Die Zahl der Gläubiger kann gering sein auch dann, wenn im Einzelfall mehr als die 19 Gläubiger des § 304 Abs. 2 festzustellen sind; je nach Struktur sollten Verbindlichkeiten auch jenseits _____________ 24) BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, ZIP 2004, 915 = ZVI 2004, 240; BGH, Beschl. v. 2.7.1998 – IX ZB 33/98, ZIP 1999, 319 = ZInsO 1998, 336, dazu EWiR 1999, 131 (Mohrbutter). 25) BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 207/10, ZInsO 2011, 1499; BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, NZI 2004, 312 f = ZIP 2004, 915. 26) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170, 172 = ZInsO 2003, 413, 415, dazu EWiR 2003, 593 (Tetzlaff). 27) Ausführl. dazu: Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1718, Rz. 121 ff. 28) Kirchhof in: HK-InsO, § 5 Rz. 28. 29) Kirchhof in: HK-InsO, § 5 Rz. 27; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 64b.
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§5
Verfahrensgrundsätze
einer verbreiteten Orientierungsmarke von 25 000 €30) die Anwendung des Absatzes 2 nicht hindern. Dies wird auch vom Gesetz selbst schon dadurch ermöglicht, dass die geforderte geringe Höhe auch nur bei einer der beiden Faktoren „Zahl der Gläubiger“ und „Verbindlichkeiten“ vorliegen muss; insoweit kann von einer Art Wechselwirkung ausgegangen werden – je höher die Zahl der Gläubiger, desto niedriger sollten die Gesamt-Verbindlichkeiten sein; je höher Letztere, desto weniger Gläubiger sollten es sein, um den Weg zum schriftlichen Verfahren finden zu können. 17
Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts, das i. S. einer effektiven und schnellen Bearbeitung ausgeübt werden soll;31) die Gesetzesbegründung nennt hier ausdrücklich auch die „Vorlieben“ des einzelnen Entscheiders,32) die mit in die Ermessensausübung einfließen können. Trotz der damit ermöglichten Anwendung auch auf das Regelinsolvenzverfahren dürfte das schriftliche Verfahren aber doch nur bei der Insolvenz von Kleinstunternehmen in Betracht kommen.33) Grundsätzlich erscheint die Anordnung der Schriftlichkeit immer dann sinnvoll, wenn die Durchführung des Verfahrens und die Gewinnung der hierfür erforderlichen Informationen einen mündlichen Termin nicht erfordern. Dies dürfte in masselosen bzw. massearmen Verfahren, die nur infolge einer Kostenstundung durchgeführt werden, häufig der Fall sein.
18
In ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren ist das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte34) umgekehrt – werden die genannten Voraussetzungen, dass die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering sind, vom Gericht als gegeben erachtet, ist das Verfahren grundsätzlich schriftlich durchzuführen. Will das Gericht das Verfahren oder Teile desselben aus besonderen Gründen dennoch mündlich durchführen, muss es nun dies durch – auch in diesem Fall jederzeit aufhebbaren oder abänderbaren – Beschluss bestimmen.
19
Die Anordnung der Schriftlichkeit bzw. – in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren – der Mündlichkeit des Verfahrens oder einzelner Verfahrensteile kann bereits im Eröffnungsbeschluss erfolgen. In diesem Fall ist sie – als richterliche Entscheidung – unanfechtbar (§ 6 Abs. 1). Hat sie jedoch zu einem späteren Zeitpunkt – z. B. für den Schlusstermin – der Rechtspfleger getroffen, so kann sie mit der Erinnerung nach § 18 Abs. 1 RPflG angefochten werden.35)
20
Nach Satz 3 bzw. 4 der Vorschrift sind Anordnung, Aufhebung und Abänderungen betreffend die schriftliche bzw. – in ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren – mündliche Durchführung des Verfahrens öffentlich bekannt zu machen; weil in _____________ Uhlenbruck-Vallender, § 312 Rz. 75; vgl. auch Kirchhof in: HK-InsO, § 5 Rz. 28. Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 64a. RegE Vereinfachung, BT-Drucks. 16/3227, S. 13. RegE Vereinfachung, BT-Drucks. 16/3227, S. 13. Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379. 35) Fuchs in: Kölner Schrift, S. 1679, 1718, Rz. 121.
30) 31) 32) 33) 34)
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§5
Verfahrensgrundsätze
§ 9 zugleich die Internetveröffentlichung als Regelfall eingeführt wurde, kommt es hierdurch nicht zu höheren Kosten oder Verzögerungen. IV. Entscheidungen im Insolvenzverfahren (Abs. 3) Im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens erlaubt Absatz 3, dass Entscheidungen im Insolvenzverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können. Entscheidungen des Insolvenzgerichts sind dabei sämtliche Richter- und Rechtspflegersprüche, gleichviel, ob sie das Gesamtverfahren oder Zwischenfragen bestimmen, ob sie prozessleitenden oder sachlichen Inhalts sind.36) Wegen der freigestellten mündlichen Verhandlung ergehen sie stets in Beschlussform (§ 4; § 329 Abs. 1 ZPO) und müssen verkündet werden.
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Keine Entscheidungen sind lediglich vorbereitende Maßnahmen, etwa i. R. des Absatzes 1, ferner bloße Beurkundungen/Niederschriften, etwa im Prüfungstermin.
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Ordnet das Gericht – nach seinem freien Ermessen – die mündliche Verhandlung an und bestimmt es einen Termin, so haben die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich keinen Anspruch auf Terminsverlegung. § 227 Abs. 3 Satz 1 ZPO findet nach Absatz 2 Satz 2 keine Anwendung. In Einzelfällen wird das Gericht jedoch unter dem Gesichtspunkt des „fair trial“ entsprechenden Anträgen entgegenkommen. Die von der InsO fest vorgesehenen Termine (Prüfungstermin, Schlusstermin, Termine zur Vorbereitung von Entscheidungen der Gläubigerversammlung etc.) stellen im Regelfall keine „mündliche Verhandlung“ des Gerichts dar.
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V. Maschinelle Herstellung und Bearbeitung (Abs. 4) Maschinelle Herstellung oder Bearbeitung bedeutet die Zuhilfenahme elektronischer Datenverarbeitungsanlagen oder sonstiger technischer Einrichtungen, die der erleichterten tabellarischen Erfassung dienen.37) Tabellen und Verzeichnisse sind etwa die Tabelle der Insolvenzforderungen (§ 175) und die Stimmliste (§ 239).38) Ebenso gilt die Selbstverständlichkeit für vom Insolvenzverwalter zu erstellende Verzeichnisse und Übersichten (Verzeichnis der Massegegenstände, Gläubigerverzeichnis, Vermögensübersicht usw.).39) Auch der Schuldner kann sich i. R. der Eigenverwaltung der modernen Hilfsmittel bedienen.40) Ob Absatz 3 auch die Verwendung von Vordrucken erfasst,41) kann angesichts des Wortlauts fraglich sein; jedenfalls aber steht die Regelung weitergehendem Einsatz moderner Bürotechnik nicht entgegen.42) Die mit dem InsOVereinfG von 2007 angefügten Sätze 2–4 bahnen den Weg in die elektronische Abwicklung des Insolvenzverfahrens; mit der _____________ 36) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 30; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 66. 37) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 42. 38) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 110, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 153; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 42. 39) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 110, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 153. 40) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 91. 41) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 42. 42) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 90 mit Verweis auf den Gang des Gesetzgebungsverfahrens.
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§6
Sofortige Beschwerde
Ermächtigung wird den Ländern hier die notwendige Gestaltungsfreiheit eingeräumt. VI. Weitere „Verfahrensgrundsätze“ 25
Im Insolvenzverfahren gelten neben dem in § 5 angesprochenen Untersuchungsgrundsatz und der (eingeschränkten) Mündlichkeit des Verfahrens vielfältige weitere allgemeine Verfahrensgrundsätze, die teilweise bereits unmittelbar aus dem Verfassungsrecht herzuleiten sind (z. B. Rechtsstaatsprinzip, gesetzlicher Richter, rechtliches Gehör, Willkürverbot, materieller Grundrechtsschutz, informationelle Selbstbestimmung), teilweise dem Insolvenzverfahren als gerichtlichem Verfahren jenseits der bekannten, klar abgegrenzten Kategorien des Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens43) immanent sind (nur beschränkte Geltung der Dispositionsmaxime, Antragsrecht; freie Entscheidung der Gläubiger betreffend der Forderungsanmeldung; Amtsbetrieb; nur – entsprechend der Mündlichkeit – eingeschränkte Bedeutung von Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit).44) _____________ 43) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 5 Rz. 4. 44) Weiterführend sei auf die Großkommentare verwiesen: Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 5 Rz. 4 ff; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 73 ff.
§6 Sofortige Beschwerde (1) 1Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. 2 Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung. (3) 1Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. 2Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen. Literatur: Kirchhof, Insolvenzrechtliche weitere Beschwerden im Zickzackkurs, ZInsO 2012, 16. Übersicht I. II. 1. 2. 3. 4.
Allgemeines, Normzweck ................... 1 Sofortige Beschwerde .......................... 2 Statthaftigkeit ........................................ 3 Zulässigkeit ............................................ 4 Wirkung der Beschwerdeeinlegung ...... 9 Verfahren ............................................. 10 a) Abhilfeverfahren .......................... 10 b) Beschwerdeverfahren ................... 12 5. Entscheidung ....................................... 14 6. Wirksamkeit der Entscheidung .......... 19 7. Prozesskostenhilfe .............................. 20 III. Rechtspflegererinnerung .................. 21 IV. Rechtsbeschwerde .............................. 22 1. Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO ................................ 26
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2.
Einlegung der Rechtsbeschwerde ....... 28 a) Frist ............................................... 28 b) Form ............................................. 29 c) Begründung .................................. 30 3. Wirkung der Beschwerdeeinlegung .... 32 4. Verfahren ............................................. 33 5. Begründetheit (§ 576 ZPO) ............... 35 6. Entscheidung ....................................... 36 7. Prozesskostenhilfe .............................. 39 V. Anhörungsrüge, außerordentliche Beschwerde ......................................... 40 VI. Formelle und materielle Rechtskraft ..................................................... 41
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Dritter Teil Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Erster Abschnitt Allgemeine Wirkungen § 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. (2) 1Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. 2Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt. Übersicht I. II. 1. 2. III.
Zweck der Vorschrift ........................... 1 Geltungsbereich ................................... 2 Zeitlicher Geltungsbereich ................... 2 Sachlicher Geltungsbereich .................. 3 Verhältnis zu anderen Vorschriften ................................................ 5 IV. Die Rechtsstellung des Schuldners ...................................... 7 1. Eigentümerstellung ............................... 8 2. Rechtsfähigkeit, Partei- und Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis ................................... 9 3. Kaufmannseigenschaft ........................ 14 4. Bindung des Schuldners an Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters ..................................... 15 V. Die Rechtsstellung des Verwalters ..................................... 16 1. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis/Grenzen ............................... 16 2. Rechtsgeschäftliche Erklärungen des Verwalters ..................................... 18 3. Der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber .......................................... 20
I.
4. Steuerrechtliche Pflichten ................... 26 VI. Die Unwirksamkeit von Veräußerungsverboten ..................................... 27 1. Relative gesetzlich bedingte Veräußerungsverbote .......................... 28 2. Relative gerichtlich bedingte Veräußerungsverbote .......................... 29 VII. Ausgewählte Fragen des Umsatzsteuerrechts ......................................... 31 1. Unternehmer/Unternehmen .............. 31 2. Kleinunternehmer ............................... 32 3. Organschaft ......................................... 33 a) Insolvenz der Organgesellschaft ............................................. 37 b) Insolvenz des Organträgers ......... 45 c) Insolvenz von Organträger und Organgesellschaft ......................... 46 VIII. Ausgewählte Fragen des Einkommensteuerrechts ................... 47 1. Betriebsaufspaltung ............................. 48 2. Aufteilung der Einkünfte .................... 50 3. Masseverbindlichkeiten ...................... 51 4. Steuerklassenwahl ................................ 52 5. Veranlagungswahlrecht ....................... 53 Webel
Zweck der Vorschrift
Das Insolvenzverfahren bezweckt gemäß § 1 die gleichmäßige und bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Sofern nicht ein Insolvenzplan eine abweichende Regelung trifft, geschieht dies durch Verwertung des Schuldnervermögens und anschließende Verteilung des Erlöses unter den Gläubigern. Dies wird regelmäßig durch Liquidation oder übertragene Sanierung, also Veräußerung des Betriebs erfolgen. Zur Sicherung Webel
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1
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Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
dieses Verfahrenszweckes ordnet § 80 an, dass der Schuldner die Befugnis verliert, sein zur Insolvenzmasse gehöriges und künftiges Vermögen zu verwalten und hierüber zu verfügen. Gleichwohl vorgenommene Verfügungen des Schuldners sind absolut unwirksam.1) Die Eigentümerstellung des Schuldners „an sich“ wird durch den Entzug der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht berührt,2) Absatz 1 ist insofern lediglich Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.3) Falls dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird („vorläufige starke Insolvenz“), so treten die beschriebenen Rechtswirkungen grundsätzlich bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren ein (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1). II. Geltungsbereich 1. 2
2. 3
Zeitlicher Geltungsbereich
Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hängt in zeitlicher Hinsicht nicht von der Veröffentlichung oder Zustellung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses ab. Die Rechtswirkungen des § 80 treten vielmehr mit Unterzeichnung des Beschlusses ein und enden wieder mit Verfahrensaufhebung (§ 200) bzw. -einstellung (§§ 207, 213) oder durch Freigabe der Gegenstände aus der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter.4) Fehlt im gerichtlichen Beschluss die Stunde des Beschlusserlasses, so gilt als Zeitpunkt die Mittagsstunde.5) Sachlicher Geltungsbereich
Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters beschränkt sich auf „das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen“ des Schuldners. Dies ist gemäß § 35 das gesamte Vermögen, welches dem Schuldner bei Verfahrenseröffnung gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Hinsichtlich des insolvenzfreien Vermögens verbleibt das Vollrecht beim Schuldner selbst. Betroffen sind hiervon insbesondere rein familienrechtliche Ansprüche, höchstpersönliche und unübertragbare Rechtspositionen, wie etwa die Vereinsmitgliedschaft oder Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft.6) Der Insolvenzverwalter kann die Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen.7) § 109 Abs. 1 Satz 2 ist nicht entsprechend anwendbar. Es bietet sich an, dem Schuldner die Möglichkeit der Ablöse gegen Freigabe vorzuschlagen. Ist unklar, ob eine Vermögensposition Teil der Insolvenzmasse oder des insolvenzfreien Vermögens ist, obliegt eine Entscheidung den ordentlichen Gerichten.8) Unbeschadet vom Übergang der Verwal_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
536
Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 80 Rz. 5. Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 80 Rz. 5. Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 3 m. w. N. Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 6. § 27 Abs. 3 für den Insolvenzeröffnungsbeschluss; BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610 = ZVI 2010, 425 – für den Aufhebungsbeschluss. Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 10. Vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2009 – IX ZR 58/08, ZIP 2009, 875 = ZVI 2009, 204, dazu EWiR 2009, 621 (Weiß). Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 4.
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Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
§ 80
tungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter kann der Schuldner ein bestehendes Leistungsverweigerungsrecht ausüben.9) Kontrovers wird die Frage diskutiert, ob bei Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen, Vereinen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit massefreies Vermögen denkbar ist.10) Nach zutreffender Ansicht des Bundessgerichtshofes ist der Verwalter auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen „einer Gesellschaft“ befugt, einen Massegegenstand freizugeben.11) Mit Freigabe erlangt die Gesellschaft die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück.
4
III. Verhältnis zu anderen Vorschriften Der Schuldner behält seine Verwaltungs- und Verfügungsmacht, wenn das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung anordnet (§§ 270 ff), also dem Schuldner erlaubt, die Masse selber zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 270 Abs. 1 Satz 1). § 80 ist dann nicht anwendbar. Selbst wenn also der Schuldner ohne Mitwirkung des Gläubigerausschusses (§ 276 Satz 2 i. V. m. § 164) oder des Sachwalters Rechtsgeschäfte abschließt (§ 275 Abs. 1), sind diese grundsätzlich wirksam.12) Gemäß § 277 besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Insolvenzgericht die Zustimmung des Sachwalters als notwendige Wirksamkeitsvoraussetzung anordnet.
5
Im vereinfachten Verfahren gilt Absatz 2 der Vorschrift uneingeschränkt, Absatz 1 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters ein Treuhänder tritt.
6
IV. Die Rechtsstellung des Schuldners Der Schuldner bleibt zwar mit Verfahrenseröffnung Rechtsinhaber, er verliert jedoch die die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über massezugehörige Rechte und Gegenstände. 1.
Eigentümerstellung
Der Schuldner bleibt Eigentümer bzw. Inhaber der Massegegenstände. Die damit zusammenhängenden Rechte bleiben bestehen. Auch grundbuchrechtlich bleibt der Schuldner als Eigentümer eingetragen, freilich versehen mit dem „Insolvenzvermerk“. Nämliches gilt für den Neuerwerb des Schuldners. Dieser fällt zwar vermögenstechnisch in die Masse (§ 35), Eigentümer im Rechtssinne ist und wird jedoch der Schuldner selbst. 2.
7
8
Rechtsfähigkeit, Partei- und Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis
Der Schuldner verliert durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar die Fähigkeit, wirksam über sein insolvenzbeschlagenes Eigentum zu verfügen, er bleibt jedoch rechtsfähig, parteifähig und prozessfähig.13) Die Prozessführungsbefugnis geht auf den Insolvenzverwalter über. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung _____________ 9) Vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2013 – V ZR 201/11, ZIP 2013, 890 ff, dazu EWiR 2013, 323 (Derleder). 10) Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 5. 11) BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034 = ZVI 2005, 492, dazu EWiR 2005, 603 (Flitsch). 12) Vgl. Wimmer-App, FK-InsO, § 80 Rz. 4. 13) Vgl. Wimmer-App, FK-InsO, § 80 Rz. 6.
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bereits rechtshängige Verfahren, die die Insolvenzmasse betreffen, werden gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen unterbrochen, bis sie nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen werden (§§ 85, 86) oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Nach der nunmehr herrschenden und vorzugswürdigen „Amtstheorie“14) wird der Insolvenzverwalter als „Partei kraft Amtes“ angesehen, die für und gegen den Insolvenzschuldner handelt. Nicht insolvenzbefangen sind Streitigkeiten über „persönliche“ Angelegenheiten des Schuldners, wie z. B. Erbschafts-, Scheidungs- oder Strafverfahren.15) Gibt der Insolvenzverwalter einen Streitgegenstand aus der Masse frei, so fällt die Prozessführungsbefugnis auf den Schuldner selbst zurück.16) 10
Wird gegen den Insolvenzverwalter persönlich Klage erhoben, so empfiehlt sich, dies im Schriftsatz kenntlich zu machen: Statt „Dr. A als Insolvenzverwalter über das Vermögen des S, Straße, Ort“, ist folgendermaßen zu formulieren: „Dr. A, Straße, Ort“.
11
Nachdem der Insolvenzverwalter Partei eines von ihm aufgenommenen oder geführten Rechtsstreit ist, kann der Schuldner als Zeuge benannt werden.17) Allerdings steht ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, nachdem der Schuldner hier „in eigenen Angelegenheiten“ aussagt (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO).18) Zu beachten sind in diesem Zusammenhang jedoch die Sonderregeln in § 101 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 Satz 2. Eine Pflicht zur Aussage durch den Schuldner bzw. durch organschaftliche Vertreter des Schuldners besteht auch dann, wenn hierdurch im Insolvenzverfahren Tatsachen offenbart werden, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen.
12
Durch den Schuldner erteilte Vollmachten erlöschen mit Insolvenzeröffnung (§ 117), sofern nicht das zugrunde liegende Rechtsgeschäft fortbesteht. Handlungsvollmachten und Prokura erlöschen ebenfalls. Ohne weiteres kann der Insolvenzverwalter diese jedoch von neuem erteilen.
13
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nur dann in Betracht, wenn es sich um einen ohne Erfolgsaussicht geführten Prozess handelt (§ 826 BGB). Grundsätzlich ist es keine Aufgabe des Insolvenzverwalters (und insbesondere keine insolvenzspezifische Pflicht gemäß § 60), die Kostenerstattungsansprüche des Klagegegners zu sichern.19) 3.
14
Kaufmannseigenschaft
Die Kaufmannseigenschaft (§§ 1 ff HGB) geht nicht auf den Insolvenzverwalter über, sondern bleibt so lange beim Schuldner selbst bestehen, bis das Unternehmen aufgegeben oder veräußert wird. Gleichwohl kann der Verwalter handelsrechtlichen _____________ 14) 15) 16) 17) 18) 19)
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Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 18 m. w. N. Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 11 m. w. N. Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 9. Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 13. Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 13. BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 142/03, ZIP 2005, 131 = ZInsO 2004, 146.
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Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
§ 80
Vorschriften unterworfen sein, wenn der kaufmännische Rechtsverkehr dies erfordert.20) Der Insolvenzverwalter ist berechtigt Prokura zu erteilen.21) 4.
Bindung des Schuldners an Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters
Hat der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen mit Wirkungen über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus vorgenommen (z. B. Abschluss langfristiger Leasingverträge), so ist der Schuldner an diese gebunden. Für Vertragspflichtverletzungen von vertraglichen Verpflichtungen (vgl. § 280 BGB) beschränkt sich die Haftung jedoch auf die Insolvenzmasse, für unerlaubte Handlungen des Insolvenzverwalters hat der Schuldner nicht einzustehen.22)
15
V. Die Rechtsstellung des Verwalters 1.
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis/Grenzen
Der Insolvenzverwalter nimmt das massezugehörige Vermögen in Verwaltung und Besitz (§ 148) und ist berechtigt zu allen Maßnahmen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen. Insolvenzzweckwidriges Handeln ist von der Verwaltungs- und Verfügungsmacht nicht gedeckt. Sämtliches Verwalterhandeln folgt dem Grundsatz der „par condicio creditorum“, also der gleichmäßigen und bestmöglichen Gläubigerbefriedigung. Rechtshandlungen, die dieser Prämisse klar und eindeutig zuwiderlaufen, sind unwirksam und verpflichten die Masse insoweit nicht.23) Der Insolvenzverwalter kann nur die Rechte ausüben, die so auch dem Schuldner zustanden, d. h. er hat (vorbehaltlich der Sonderregelung in Absatz 2) dieselben Lasten und Beschränkungen zu beachten.24)
16
Wann das Verwalterermessen überschritten ist, ist nach den Voraussetzungen des „Missbrauchs der Vertretungsmacht“ zu überprüfen. Demnach ist neben der „Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit“ sachnotwendige Voraussetzung, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalles „ohne weiteres begründete Zweifel“ an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens „aufdrängen“ mussten.25) Beispiele für insolvenzzweckwidrige Handlungen des Insolvenzverwalters: Schenkungen aus der Masse,26) Anerkennung einer Insolvenzforderung als Masseschuld, fälschliche Anerkennung von Aussonderungs- und Absonderungsrechten.27)
17
2.
Rechtsgeschäftliche Erklärungen des Verwalters
Der Verwalter nimmt am Rechtsverkehr mit Wirkung für und gegen den Schuldner teil. Verpflichtet wird nicht der Schuldner persönlich, sondern die Insolvenzmasse. _____________ 20) Vgl. Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 50. 21) Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 11 m. w. N. 22) Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 16; Wimmer-App, FK-InsO, § 80 Rz. 7; ausführl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 14. 23) BGH, Urt. v. 20.3.2008 – IX ZR 68/06, ZIP 2008, 884 = NZI 2008, 365, dazu EWiR 2008, 471 (D. Schulz). 24) Wimmer-App, FK-InsO, § 80 Rz. 14. 25) Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 30. 26) RG, Urt. v. 16.3.1904 – V 384/03, RGZ 57, 195, 199. 27) Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 35.
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Gibt der Insolvenzverwalter willensmängelbehaftete Erklärungen ab, so ist auf ihn abzustellen, nicht auf den Schuldner.28) Der Schuldner steht nicht „im Lager“ des Verwalters, es ist somit auf die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Verwalters abzustellen, wenn eine schuldnerische Täuschungshandlung vorliegt (§ 123 Abs. 2 Satz 1 BGB). Auch i. R. des gutgläubigen Erwerbs ist auf das Kennen oder Kennenmüssen des Verwalters selbst abzustellen (§§ 932, 892 BGB). 19
Der Rechtsgedanke des § 181 BGB ist auf den Insolvenzverwalter analog anwendbar.29) Eine direkte Anwendung scheidet hingegen aus, da der Insolvenzverwalter nicht Vertreter des Schuldners ist.30) Rechtsgeschäfte des Insolvenzverwalters mit sich selbst sind somit grundsätzlich unwirksam. Verkauft etwa der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners S. i. R. eines Insolvenzplanes ein Grundstück wiederum an S, so ist für S ein Sonderverwalter zu bestellen, der den Neuerwerb dieses Grundstücks gleichzeitig freigibt. 3.
Der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber
20
Der Insolvenzverwalter rückt für die Dauer des Verfahrens in die Position des Arbeitgebers ein. Er hat für den Schuldner das Unternehmen fortzuführen (vgl. § 158) und tritt an die Stelle der bisherigen Geschäftsleitung. Abgesehen von den insolvenzrechtlichen Sondervorschriften der §§ 108, 113 und §§ 120–128 ist der Insolvenzverwalter grundsätzlich an die arbeitsrechtliche Lage gebunden, die er bei Eröffnung des Verfahrens vorfindet.31)
21
Allein die Tatsache der Insolvenzeröffnung ist kein „zusätzlicher“ Kündigungsgrund. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen Arbeitsverhältnisse des Schuldners grundsätzlich mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort (§ 108 Abs. 1 Satz 1). Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung von Arbeitsverhältnissen oder Zeit- und Zweckbefristungen sind zu respektieren.
22
Der Insolvenzverwalter übt das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus, er erteilt Arbeitszeugnisse32) oder gewährt Urlaub i. R. der vertraglichen/gesetzlichen Ansprüche.33) Das Arbeitszeugnis sollte auf einem Briefpapier des Insolvenzschuldners erstellt werden. Es empfiehlt sich somit, bei Verfahrenseröffnung Vordrucke sicherzustellen. Die Tatsache, dass der Insolvenzverwalter bei gekündigten Arbeitnehmern regelmäßig nur lückenhafte Kenntnis von deren Arbeitsleistung hat, ist hierbei ein praktisches Problem. Die Lösung dürfte in vertrauensvollen Gesprächen mit der Betriebsleitung oder sonstigen Ansprechpartnern liegen, sodass trotz der
_____________ 28) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 80 Rz. 24. 29) Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 87; a. A. Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 33; arg.: § 181 BGB regelt nicht den materiellen Interessenkonflikt, sondern lediglich die unzulässige formale Beteiligung derselben Person auf beiden Seiten bei einem Vertragsschluss. 30) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 87. 31) Vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 92, 93. 32) Vgl. Wimmer-App, FK-InsO, § 80 Rz. 15; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 93 m. w. N.; BAG, Urt. v. 17.9.1974 – 1 AZR 16/74, BAGE 26, 257 ff = NJW 1975, 182. 33) Vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355 = ZVI 2006, 340.
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tatsächlichen Unkenntnis die Grundsätze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit gewahrt werden können. Die Vorschriften des BetrVG wie auch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge gelten grundsätzlich fort. Das Amt oder die Amtsführung des Betriebsrates wird nicht tangiert. Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (§§ 74 ff BetrVG) bleiben erhalten.
23
Der Insolvenzverwalter hat dem Arbeitsamt Auskünfte zu erteilen. Dies wird etwa i. R. des Insolvenzausfallgeldes gemäß § 316 SGB III relevant. In diesem Zusammenhang ist die Bescheinigung des Insolvenzausfallgeldes von höchster praktischer Bedeutung (vgl. § 314 Abs. 1 Satz 2 SGB III).
24
Wird ein Betrieb i. R. der vorläufigen Insolvenz für die Dauer des Insolvenzgeldausfallzeitraumes fortgeführt, so stellt sich auf Seiten der Arbeitnehmer das Problem, dass erst mit Eintritt des „Insolvenzereignisses“ eine Auszahlung des Insolvenzgeldes in Betracht kommt. Das heißt, dass zuzüglich Bearbeitungszeit der Bundesagentur für Arbeit bis zu drei Monate „Durststrecke“ in der entscheidenden Phase des Insolvenzeröffnungsverfahrens zu überwinden ist. In diesen Fällen wird regelmäßig die „Vorfinanzierung“ des Insolvenzgeldes durch ein Kreditinstitut erfolgen. In vielen Fällen wird die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes zur Fortführung des Unternehmens im Eröffnungsverfahren unabdingbar sein. Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist hierfür jedoch einzuholen (§ 188 Abs. 4 Satz 1 SGB III). Eine Zustimmung ist in der Regel dann zu erwarten, wenn Tatsachen vorgetragen werden können, die die Prognose stützen, dass durch die Vorfinanzierung des Arbeitslohnes ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze erhalten werden kann.34) Die Praxis zeigt, dass hier „großzügig“ verfahren wird, insbesondere wenn dies zur Betriebsfortführung notwendig ist.
25
4.
Steuerrechtliche Pflichten
Dem Insolvenzverwalter obliegen die steuerlichen Pflichten des Schuldners (§ 34 AO).
26
VI. Die Unwirksamkeit von Veräußerungsverboten Absatz 2 spiegelt den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung wider. Relative Veräußerungsverbote, die nur den Schutz bestimmter Personen bezwecken (§ 135 BGB), sind im Insolvenzverfahren unwirksam. Zu nennen sind gesetzliche relative Veräußerungsverbote, gerichtliche relative Veräußerungsverbote und behördliche relative Veräußerungsverbote. Letztere sind (abgesehen von Maßnahmen i. R. von verwaltungsrechtlichen Zwangsverfahren) sehr selten anzutreffen.35) Klarzustellen ist, dass absolute Veräußerungsverbote auch im Insolvenzverfahren wirksam und damit zu beachten sind.36)
_____________ 34) Wimmer-Mues, FK-InsO, Anh. zu § 113 Rz. 53; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 80 Rz. 98 m. w. N. 35) Vgl. Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 63. 36) Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 31.
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§ 80 1. 28
Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
Relative gesetzlich bedingte Veräußerungsverbote
Relative gesetzlich bedingte Veräußerungsverbote liegen in der Praxis selten vor. Zu nennen ist § 98 VVG. Dieser schränkt bei Bestehen einer Wiederauflebensklausel die Abtretung einer Entschädigungsforderung ein.37) Kein gesetzliches Veräußerungsverbot ist § 719 BGB.38) Ferner fällt § 399 BGB nicht unter die relativen Veräußerungsverbote, da er absolute Wirkung hat.39) 2.
Relative gerichtlich bedingte Veräußerungsverbote
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Die in der Insolvenzpraxis relevantesten relativen Veräußerungsverbote werden bei der Zwangsvollstreckung in Sachen, Rechte und Forderungen ausgesprochen sowie i. R. einer einstweiligen Verfügung (§ 938 Abs. 2 ZPO).40) Der Insolvenzverwalter wird durch dieses nicht gebunden.41) Eine Ausnahme besteht dann, wenn die einstweilige Verfügung gerade der Sicherung oder Durchsetzung eines Aus- oder Absonderungsrechtes dient.42)
30
In Absatz 2 Satz 2 ausdrücklich ausgenommen werden Veräußerungsverbote, die im Wege der Zwangsvollstreckung ausgesprochen wurden. Dies heißt jedoch nicht, dass diese Maßnahmen generell insolvenzfest sind. Selbstverständlich ist zu prüfen, ob kein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 Nr. 3 vorliegt und die Rückschlagsperrfrist des § 88 gewahrt wurde. Diese beträgt im Regelinsolvenzverfahren einen Monat vor Antrag auf Insolvenzeröffnung. Im vereinfachten Insolvenzverfahren verlängert sich diese Frist gemäß § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F. auf drei Monate. Paul
VII.
Ausgewählte Fragen des Umsatzsteuerrechts
Literatur: Kahlert, Umsatzsteuerliche Organschaft und (vorläufige) Eigenverwaltung, ZIP 2013, 2348; Schimmele/Weber, Haftung bei Organschaft – Offene Fragen zu § 73 AO, BB 2013, 2263.
1. 31
Unternehmer/Unternehmen
Das UStG definiert in § 2 Abs. 1 den Unternehmerbegriff. Für ihn ist kennzeichnend, dass jemand eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, wobei die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers ein Unternehmen bildet. An diesem sog. Grundsatz der Unternehmereinheit ändert auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts.43) Allerdings besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher, nachinsolvenzrechtlicher und freigegebener Unternehmensteil), zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können (Aufspaltung des Unterneh_____________ 37) 38) 39) 40) 41) 42) 43)
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Vgl. Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 62. Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 80 Rz. 108. Vgl. Braun-Kroth, InsO, § 80 Rz. 31. Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 63. Vgl. Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 63. Vgl. Kayser in: HK-InsO, § 80 Rz. 63; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 80 Rz. 110. BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823, dazu EWiR 2011, 323 (Mitlehner); BFH, Urt. v. 1.9.2010 – VII R 35/08, ZIP 2010, 2359 = ZInsO 2011, 59, dazu EWiR 2011, 53 (Kahlert).
Paul
Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
§ 80
mens). Dementsprechend hat gemäß dem Grundsatz der Unternehmenseinheit nur die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen zu entsprechen.44) Konsequenz des trotz Insolvenzeintritts fortbestehenden Gesamtunternehmens mit mehreren eigenständigen Unternehmensteilen ist etwa, dass die bei Verfahrenseröffnung noch nicht vereinnahmten Altforderungen im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil aus Rechtsgründen uneinbringlich werden; sie sind dort zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Umgekehrt hat der nachinsolvenzrechtliche Unternehmensteil bei Vereinnahmung der Altforderungen durch den Insolvenzverwalter die Umsatzsteuer erneut zu berichtigen. Erst beide Berichtigungen zusammen, führen nach dieser neuen Judikatur des Bundesfinanzhofs zu einer seiner Ansicht nach zutreffenden Besteuerung.45) Wegen der weiteren Auswirkungen dieser Rechtsprechung (insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten) vgl. die Kommentierung zu § 55 Rz. 18 ff, 31 f. 2.
Kleinunternehmer
Der Grundsatz der Unternehmenseinheit über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus hat auch für die Kleinunternehmerregelung Bedeutung. Er führt dazu, dass von § 19 UStG nur einheitlich für das Gesamtunternehmen Gebrauch gemacht werden kann, wobei nach Ansicht des Bundesfinanzhofs die Befugnis, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, wegen § 80 allein dem Insolvenzverwalter zusteht.46) Diese Rechtsprechung macht es für den mit einem freigegebenen Gewerbe nach Verfahrenseröffnung wieder selbstständig tätigen Schuldner (§ 35 Abs. 2) dringend erforderlich, sich im Vorfeld mit dem Verwalter über die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung abzustimmen. Andernfalls droht ihm, dass die Finanzverwaltung seine Umsätze nachträglich der Umsatzbesteuerung unterwirft. 3.
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Organschaft
Eine umsatzsteuerliche Organschaft ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG gegeben, wenn eine Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.47) Liegen diese Voraussetzungen vor, sind beide Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln. Dabei ist nur der Organträger Unternehmer. Binnenumsätze im Organkreis unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Stellt also z. B. die Organgesellschaft dem Organträger eine Rechnung, führt das deshalb nicht zu einer Steuerschuld der Organgesellschaft nach § 14c UStG.48) _____________ 44) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823, dazu EWiR 2011, 323 (Mitlehner). 45) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 = ZInsO 2011, 823, dazu EWiR 2011, 323 (Mitlehner). 46) BFH, Urt. v. 20.12.2012 – V R 23/11, ZIP 2013, 469 = DStR 2013, 359; dazu EWiR 2013, 285 (Paul). 47) Zur historischen Bedeutung der Organschaft: Kahlert/Rühland-Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 9.159 ff. 48) BFH, Urt. v. 28.10.2010 – V R 7/10, DStR 2011, 308 = DB 2011, 338.
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§ 80
Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts
34
Für Steuerverbindlichkeiten des Organträgers haftet nach § 73 AO die Organgesellschaft. Durch diese Regelung sollen die steuerlichen Risiken ausgeglichen werden, die mit der Verlagerung der steuerlichen Rechtszuständigkeit auf den Organträger verbunden sind.49) Die Haftungsnorm kann sowohl bei der Insolvenz des Organträgers für die profitable Organgesellschaft als auch bei einem Unternehmenskauf bzgl. der Organgesellschaft zu Problemen führen.50) § 73 AO beschränkt die Haftung gegenständlich auf solche Steuern51) (nicht: steuerliche Nebenleistungen)52), die während der Organschaft entstanden sind. Noch nicht durch den Bundesfinanzhof entschieden ist, ob die Haftung nur die aus der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft resultierenden Verbindlichkeiten erfasst oder ob die Organgesellschaft auch für die „eigenen“ Steuerschulden des Organträgers haftet. Die h. M. im Schrifttum stellt auf den Verursachungsbeitrag ab und begrenzt die Haftung auf – durch die Organschaft bedingt – ausgefallene Steuern der Organgesellschaft, da nur dieses spezielle Ausfallrisiko abgesichert ist; dem Fiskus soll also nicht generell ein weiterer Haftungsschuldner auch für die Steuerverbindlichkeiten des Organträgers zur Seite gestellt werden.53) Der Haftungsanspruch nach § 73 AO ist gegenüber dem Steueranspruch subsidiär, wenn feststeht, dass der Steuerschuldner zur Zahlung in der Lage ist. In der gleichwohl erfolgenden Inanspruchnahme des Haftungsschuldners liegt dann ein Ermessensfehler.54)
35
Die Organschaft beginnt – unabhängig davon, ob die beteiligten Gesellschaften darüber informiert sind –, im Moment des Vorliegens der Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.55) Umgekehrt endet die Organschaft automatisch mit dem Wegfall der gesetzlich vorgegebenen Merkmale.
36
Hinsichtlich der Frage, wann eine bei Einleitung (mindestens) eines Insolvenzverfahrens bestehende Organschaft endet, ist danach zu differenzieren, wer in Insolvenz fällt und in welchem Stadium sich das Insolvenz(antrags)verfahren befindet: a) Insolvenz der Organgesellschaft
37
Meldet die Organgesellschaft Insolvenz an, führt allein die Stellung des Insolvenzantrags (nebst Bestellung eines Sachverständigen) noch nicht zur Beendigung der Organschaft.
38
Selbiges gilt, wenn ein Insolvenzantrag mangels einer die Verfahrenskosten deckenden freien Masse abgewiesen wird.56)
39
Wird hingegen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Organgesellschaft eröffnet, gerät die Organschaft in Wegfall, weil der Organträger angesichts der Bestellung des Insolvenzverwalters und des Übergangs der Verwaltungs- und Verfü_____________ 49) 50) 51) 52) 53)
BFH, Urt. v. 4.10.2004 – VII R 76/03, ZIP 2005, 122 (LS) = BB 2004, 2673. Schimmele/Weber, BB 2013, 2263. USt, GewSt und KSt. BFH, Urt. v. 4.10.2004 – VII R 76/03, ZIP 2005, 122 (LS) = BB 2004, 2673. Schimmele/Weber, BB 2013, 2263; Kübler/Prütting/Pape-Onusseit, InsO, InsSteuerR II. F. (Stand: 02/2012) Rz. 81. 54) BFH, Urt. v. 23.9.2009 – VII R 43/08, ZIP 2009, 2455 = ZInsO 2010, 141, dazu EWiR 2010, 367 (Weiß). 55) BFH, Urt. v. 29.10.2008 – XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256 = DB 2009, 37. 56) BFH, Urt. v. 29.9.2007 – V B 213/06, juris.
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gungsbefugnisse auf ihn nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Mangels einheitlicher Willensbildung zwischen Organträger und Organgesellschaft entfällt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die organisatorische Eingliederung.57) Das Ende der Organschaft bejaht der Bundesfinanzhof ebenfalls seit langem, wenn es zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und zur Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots kommt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1).58)
40
Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof über Jahre bei der Bestellung eines nur mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalters den Fortbestand der Organschaft bejaht, weil der schwache vorläufige Insolvenzverwalter i. S. des § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 allein nicht über das Vermögen des Schuldners verfügen kann und ihm also allenfalls ein „Vetorecht“ zusteht.59) Durch Urteil vom 8.8.2013 hat der Bundesfinanzhof seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben.60) Er stellt stattdessen jetzt entscheidend darauf ab, dass es für die notwendige organisatorische Eingliederung eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen Organträger und Organgesellschaft bedarf, die nicht bereits dann gegeben ist, wenn der Organträger durch eine Sperrminorität eine abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft verhindern kann. Erforderlich ist stattdessen die Möglichkeit zur eigenen Willensdurchsetzung.
41
Endet die Organschaft mit der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters bedeutet dies, dass bereits in diesem Zeitpunkt einerseits die Forderung des Gläubigers uneinbringlich wird und dass andererseits der Vorsteuerberichtigungsanspruch (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) entsteht. Er richtet sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs gegen den Organträger, da die Organschaft im Moment des Eintritts der Uneinbringlichkeit noch besteht.61)
42
Die neue Judikatur führt im Zusammenhang mit § 55 Abs. 4 dazu, dass ab Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt Masseverbindlichkeiten in Form von Umsatzsteuern bei der vormaligen Organgesellschaft begründet werden können. Der Organträger schuldet wegen der Beendigung der Organschaft mit Anordnung der vorläufigen schwachen Insolvenzverwaltung die Steuern aus dem Eröffnungsverfahrens der Organgesellschaft nicht. Damit stellt sich die unter der früheren Bundesfinanzhof-Rechtsprechung erörterte Frage nicht mehr, ob der Organträger für diese Steuerschulden, die nach Verfahrenseröffnung _____________
43
57) BFH, Urt. v. 28.1.1999 – V R 32/98, BStBl. II 1999, 258 = NZI 1999, 207. 58) BFH, Urt. v. 27.6.2008 – IX B 224/07, BeckRS 2008, 25013688; BFH, Urt. v. 1.4.2004 – V R 24/03, ZIP 2004, 1269 = BB 2004, 1261, dazu EWiR 2004, 1095 (Blank); offengelassen von BFH, Urt. v. 7.7.2011 – V R 53/10, BStBl. II 2013, 218 = ZIP 2011, 2196, dazu EWiR 2012, 365 (Tepfer). 59) BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 14/08, ZIP 2010, 383 = ZInsO 2010, 487, dazu EWiR 2010, 227 (Kahlert); BFH, Urt. v. 1.4.2004 – V R 24/03, ZIP 2004, 1269 = BB 2004, 1261, dazu EWiR 2004, 1095 (Blank). 60) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = NZI 2013, 857, m. Anm. de Weerth, dazu EWiR 2013, 619 (Onusseit); vgl. hierzu auch BMF-Schreiben v. 5.5.2014 – IV D 2 – S 7105/11/10001, IV D 2 – S 7105/13/10003, 2014/0394588, BStBl. I 2014, 820. 61) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = NZI 2013, 857, m. Anm. de Weerth, dazu EWiR 2013, 619 (Onusseit).
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bei der Organgesellschaft als Masseverbindlichkeiten gelten (§ 55 Abs. 4), aufzukommen hat. 44
Ordnet das Insolvenzgericht mit Verfahrenseröffnung die Eigenverwaltung (§§ 270 ff) an, endet grundsätzlich die Organschaft.62) Auch wenn die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis bei der schuldnerischen Organgesellschaft verbleibt, wird die organisatorische Eingliederung aufgehoben, da sich deren Pflichtenprogramm ändert. Sie hat fortan die Interessen der Gläubiger, nicht hingegen mehr die Interessen des Organträgers zu wahren. Hieran – und nicht an den Mehrheitsverhältnissen – hat sich die Organgesellschaft auszurichten.63) Insoweit kommt es entgegen der zum Teil vertretenen Ansicht auch nicht darauf an, wem das Kassenführungsrecht bei der Eigenverwaltung zusteht.64) Selbiges gilt auch, wenn das Gericht im Vorfeld der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft einen vorläufigen Sachverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt.65) Auch dann endet im Regelfall die Organschaft. b) Insolvenz des Organträgers
45
Bei einer Insolvenz des Organträgers wird die Organschaft nicht beendet, da die Willensbildung des Organträgers gegenüber der Organgesellschaft weiterhin möglich ist.66) Dem steht nicht entgegen, dass die Willensbildung ab Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter des Organträgers ausgeübt wird. Die organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft bleibt vielmehr bestehen.67) Nach Auffassung des Schrifttums soll die Organschaft allerdings dann enden, wenn der Organträger liquidiert wird.68) c) Insolvenz von Organträger und Organgesellschaft
46
Im Fall der parallelen Insolvenz von Organträger und Organgesellschaft soll das Fortbestehen der Organschaft nach Ansicht der Finanzverwaltung davon abhängen, ob dieselbe oder eine andere Person zum Insolvenzverwalter bestellt wird.69) Nur bei unterschiedlichen Insolvenzverwaltern soll die Organschaft beendet sein. Hiergegen wird im Schrifttum zutreffend darauf hingewiesen, dass der jeweilige Insolvenzverwalter immer nur den Interessen „seiner“ Gläubiger verpflichtet ist, er also keine Rücksicht auf den Organkreis nehmen kann. Darüber hinaus spricht gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Eröffnung beider Insolvenzverfahren durchaus zeitlich variieren kann.70) Schließlich wird auch nicht der jüngsten Rechtsprechung des Bundes_____________ 62) 63) 64) 65) 66) 67)
BFH, Beschl. v. 19.3.2014 – V B 14/14, ZIP 2014, 889. Kahlert, ZIP 2013, 2348. So aber Böing, Anm. zu BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, BB 2013, 2600. Kahlert, ZIP 2013, 2348. Dagegen jetzt: BFH, Beschl. v. 19.3.2014 – V B 14/14, ZIP 2014, 889. BFH, Urt. v. 1.4.2004 – V R 24/03, ZIP 2004, 1269 = BB 2004, 1261, dazu EWiR 2004, 1095 (Blank). 68) Kahlert/Rühland-Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, Rz. 9.211. 69) OFD Hannover v. 6.8.2007, DStR 2007, 1962; OFD Frankfurt v. 20.7.2009, DStR 2009, 1911. 70) Waza/Uhländer/Schmittmann-Uhländer, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1940.
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finanzhofes71) zur Beendigung der Organschaft durch Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters bei der Organgesellschaft Rechnung getragen. Weiter spricht der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz gegen einen Fortbestand der Organschaft bei paralleler Insolvenz von Organträger und Organgesellschaft.72) VIII. Ausgewählte Fragen des Einkommensteuerrechts Steuersubjekt der Einkommensteuer ist unabhängig von der Insolvenzeröffnung der Insolvenzschuldner. Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 EStG) auf die Summe aller Einkünfte des Kalenderjahres. Das Kalenderjahr bleibt trotz des nach § 155 Abs. 2 mit der Insolvenzeröffnung beginnenden neuen Geschäftsjahres maßgeblich. Aus den (sieben, vgl. § 2 Abs. 1 EStG) Teileinkünften des Kalenderjahres ist eine einheitliche Einkommensteuerschuld zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind dabei positive wie negative Einkünfte, da sowohl die Regelungen zum Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart als auch über mehrere Einkunftsarten hinweg durch die Insolvenz nicht eingeschränkt werden. Auch der Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) und der Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG) werden durch die Insolvenzeröffnung nicht tangiert, können also weiterhin nach den allgemeinen Normen beansprucht werden. 1.
47
Betriebsaufspaltung
Spätestens mit der Verfahrenseröffnung über das Vermögen der Betriebsgesellschaft endet eine Betriebsaufspaltung.73) Nimmt man auf die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs74) zur Beendigung einer umsatzsteuerlichen Organschaft durch Bestellung eines schwachen vorläufigen Verwalters Bezug, wird zukünftig zu prüfen sein, ob nicht auch der Zeitpunkt der Betriebsaufspaltung vorzuverlagern ist.
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Endet die Betriebsaufspaltung, kommt es bei der Besitzgesellschaft zu einer Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG mit der Folge, dass die in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens enthaltenen stillen Reserven zu versteuern sind.
49
2.
Aufteilung der Einkünfte
Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer, die mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht. Die Steuerschuld ist bei Insolvenzeröffnung während des Veranlagungsjahres aufzuteilen (Insolvenz- und Masseforderung, ggf. Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen).75) Der Bundesfinanzhof vertritt hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabes mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung seit Jahrzehnten das Separationsmodell.76) Danach erfolgt die Aufteilung der Steuerschuld nach dem Verhältnis der jeweiligen Teileinkünfte zueinander. Entsprechend dem prozentualen Anteil der Einkünfte nach Insolvenzeröffnung muss also z. B. die Einkom_____________ 71) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = NZI 2013, 857, m. Anm. de Weerth, dazu EWiR 2013, 619 (Onusseit). 72) BFH, Beschl. v. 19.3.2014 – V B 14/14, ZIP 2014, 889. 73) BFH, Urt. v. 6.3.1997 – XI R 2/96, BStBl. II 1997, 460 = ZIP 1997, 1199. 74) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = NZI 2013, 857, m. Anm. de Weerth, dazu EWiR 2013, 619 (Onusseit). 75) Bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist wegen § 55 Abs. 2 bzw. wegen § 55 Abs. 4 u. U. auf den Stichtag der Anordnung der Sicherungsmaßnahme abzustellen. 76) BFH, Urt. v. 11.11.1993 – XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477 = ZIP 1994, 1286.
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mensteuer als Masseverbindlichkeit bedient werden. Frei- und Pauschbeträge werden den einzelnen Einkünften ebenso wenig zugeordnet wie die meist ungleiche Progressionsbelastung der einzelnen „Besteuerungsabschnitte“ berücksichtigt wird.77) Im Schrifttum werden verschiedene Vorschläge unterbreitet, um die Folgen des Separationsmodells abzumildern.78) 3. 51
4. 52
Masseverbindlichkeiten
Zu Sondersituationen wie der Aufdeckung stiller Reserven, der Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Gegenständen etc., die unter bestimmten Voraussetzungen zu Masseverbindlichkeiten führen können, vgl. die Kommentierung zu § 55. Steuerklassenwahl
Das Recht, die Einkommensteuerklasse zu wählen, steht auch während des Insolvenzverfahrens dem Schuldner zu. Es geht nicht auf den Insolvenzverwalter über.79) 5.
Veranlagungswahlrecht
53
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG können Ehegatten wählen, ob sie getrennt oder zusammen veranlagt werden. Bei dem Recht, die Veranlagungsart zu wählen, handelt es nicht um ein höchstpersönliches, sondern um ein Recht mit Bezug zum Vermögen des Steuerpflichtigen, da durch die gewählte Veranlagungsart die Höhe der Steuerschuld beeinflusst werden kann. Das Veranlagungswahlrecht steht deshalb in der Insolvenz eines Ehegatten dessen Insolvenzverwalter zu.80) Häufig ist der nicht insolvente Ehegatte an einer Zusammenveranlagung interessiert, um z. B. Verlustvorträge des Schuldners nutzen zu können und um auf diesem Wege die Steuerlast zu senken. In einem solchen Fall darf der Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur Zusammenveranlagung nicht davon abhängig machen, dass der Ehegatte sich zur Auszahlung der sich durch die gemeinsame Veranlagung ergebenden Steuerersparnis verpflichtet.81) Der Bundesgerichtshof begründet diese Auffassung mit der Erwägung, dass in einer intakten Ehe jeder Ehegatte verpflichtet ist, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Die Insolvenz eines Ehegatten berührt diese Verpflichtung nur insofern, als sich der Anspruch auf Zustimmung nun gegen den Insolvenzverwalter/Treuhänder richtet.82)
54
Für eine sich aus der Veranlagung ergebende Nachzahlung haften die Ehegatten als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO). Es kann allerdings eine Aufteilung der Steuerschuld analog §§ 268 ff AO beantragt werden. _____________ 77) Waza/Uhländer/Schmittmann-Uhländer, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1457 ff. 78) Waza/Uhländer/Schmittmann-Uhländer, Insolvenzen und Steuern, Rz. 1461 ff. 79) BFH, Urt. v. 27.7.2011 – VI R 9/11, ZIP 2011, 2118 = ZInsO 2011, 2186; in diesem Sinne auch BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, ZIP 2008, 2132 (LS) = ZInsO 2008, 976. 80) BFH, Beschl. v. 22.3.2011 – III B 114/09, ZIP 2011, 1162 = ZInsO 2011, 1263; so auch BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZIP 2007, 1917 (LS) = NZI 2007, 455. 81) BGH, Urt. v. 18.5.2011 – XII ZR 67/09, ZIP 2011, 1527 = ZVI 2011, 414; BGH, Urt. v. 18.11.10 – IX ZR 240/07, ZIP 2010, 2515 = ZInsO 2011, 47, dazu EWiR 2011, 51 (Onusseit). 82) BGH, Urt. v. 18.5.2011 – XII ZR 67/09, ZIP 2011, 1527 = ZVI 2011, 414; BGH, Urt. v. 18.11.10 – IX ZR 240/07, ZIP 2010, 2515 = ZInsO 2011, 47, dazu EWiR 2011, 51 (Onusseit).
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§ 81
Verfügungen des Schuldners
§ 81 Verfügungen des Schuldners Webel
(1) 1Hat der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Gegenstand der Insolvenzmasse verfügt, so ist diese Verfügung unwirksam. 2 Unberührt bleiben die §§ 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen. 3Dem anderen Teil ist die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zurückzugewähren, soweit die Masse durch sie bereichert ist. (2) 1Für eine Verfügung über künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge gilt Absatz 1 auch insoweit, als die Bezüge für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betroffen sind. 2Das Recht des Schuldners zur Abtretung dieser Bezüge an einen Treuhänder mit dem Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger bleibt unberührt. (3) 1Hat der Schuldner am Tag der Eröffnung des Verfahrens verfügt, so wird vermutet, daß er nach der Eröffnung verfügt hat. 2Eine Verfügung des Schuldners über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes nach der Eröffnung ist, unbeschadet der §§ 129 bis 147, wirksam, wenn sie am Tag der Eröffnung erfolgt und der andere Teil nachweist, dass er die Eröffnung des Verfahrens weder kannte noch kennen musste. Literatur: Langen/Lang, Auf dem Weg zur insolvenzfesten Lastschrift, NJW 2010, 3484; Meyer/Rein, Das Ende der Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz? – Anmerkungen zur Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie, NZI 2004, 367; v. Olshausen, „Verfügung“ statt „Rechtshandlung“ in § 81 InsO oder: Der späte Triumph des Reichstagsabgeordneten Levin Goldschmidt, ZIP 1998, 1093; Ries, Lastschriftwiderruf bei Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2009, 889; Schröder, Der so genannte Lastschriftwiderspruch in der Insolvenz aus Verwaltersicht, ZInsO 2006, 1. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... II. Unwirksamkeit der Verfügungen des Schuldners (Abs. 1 Satz 1) ............ 1. Verfügungen des Schuldners ................ 2. Unwirksamkeit ...................................... III. Schutz des guten Glaubens (Abs. 1 Satz 2) .......................................
I.
1 2 2 6 7
IV. Rückgewähranspruch (Abs. 1 Satz 3) ....................................... 8 V. Verfügungen über künftige Forderungen (Abs. 2) .......................... 9 VI. Beweislast (Abs. 3) ............................. 10 VII. Sonderproblem: Lastschriftwiderruf ............................................... 11
Zweck der Vorschrift
§ 81 statuiert den Schutz der Insolvenzmasse vor Verfügungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung.1) Keine Anwendung findet § 81 i. R. der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff.
_____________ 1)
Zum Zweck der Vorschrift s. a. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 81 Rz. 4.
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§ 81
Verfügungen des Schuldners
II. Unwirksamkeit der Verfügungen des Schuldners (Abs. 1 Satz 1) 1.
Verfügungen des Schuldners
2
Die Vorschrift erfasst nur Verfügungsgeschäfte, also Rechtshandlungen, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben, also insbesondere Übereignungen von beweglichen und unbeweglichen Sachen, Abtretung2) und Erlass von Forderungen sowie die Bestellung von Pfand- und Grundpfandrechten. Nicht erfasst werden Verpflichtungsgeschäfte; diese begründen aber weder eine Insolvenzforderung noch eine Masseschuld, sondern verpflichten den Schuldner persönlich,3) jedoch nur mit seinem insolvenzfreien Vermögen. Auf verfügungsähnliche Rechtshandlungen (z. B. Fristsetzung und Mahnung, Androhung und Aufforderung, Mitteilung und Anzeige, Verwirkung einer Vertragsstrafe nach Verfahrenseröffnung, verfügungsgleiche Prozesshandlungen), die weder von § 81 noch von § 91 erfasst werden, ist die Vorschrift analog anzuwenden.4) Die Arbeitskraft des Schuldners und dessen Arbeitsverhältnis als solches gehören nicht zur Insolvenzmasse und unterfallen daher nicht dem Verfügungsverbot des § 81 Abs. 1 Satz 1.5)
3
Erfasst werden nur Verfügungen über massezugehöriges Vermögen (§ 35) durch den Schuldner selbst oder dessen gesetzliche oder gewillkürte Vertreter6) nach Verfahrenseröffnung, wobei maßgeblich der Zeitpunkt des Erlasses des Eröffnungsbeschlusses nach Tag und Stunde ist. Bei Verfügungen am Eröffnungstag gilt Absatz 3, weshalb bei Unaufklärbarkeit der Stunde der Eröffnung die Verfügung als nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt gilt.
4
Bei mehraktigen Verfügungen ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem alle Wirksamkeitselemente vorliegen.7) Entscheidend ist hierbei die Verfügungshandlung des Schuldners, nicht aber der Verfügungserfolg. Liegt bei einem Grundstücksgeschäft beispielsweise die dingliche Einigung und der Eintragungsantrag vor Insolvenzeröffnung vor, so kommt keine Unwirksamkeit gemäß § 81 in Betracht.8) Vor Eröffnung abgegebene aber erst danach zugegangene Willenserklärungen sind wegen § 130 Abs. 1 BGB unwirksam.9) § 91 gilt vorrangig bei „gestreckten Verfügungen“,10) bei denen sämtliche Verfügungshandlungen noch vor der Eröffnung liegen, die materielle Rechtsänderung aber erst danach eintritt.
_____________ 2) BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZR 210/11, ZIP 2012, 1565 – 1566. 3) Kayser in: HK-InsO, § 81 Rz. 6. 4) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 81 Rz. 5 ff; ausführl. hierzu auch v. Olshausen, ZIP 1998, 1093. 5) BAG, Urt. v. 20.6.2013 – 6 AZR 789/11, NZA 2013, 1147–1150 = NZI 2013, 942. 6) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 81 Rz. 4 ff. 7) Jaeger-Henckel, KO, § 7 Rz. 42; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 81 Rz. 9. 8) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 136/11, ZIP 2012, 1256 – 1258, dazu EWiR 2012, 629 (Mitlehner). 9) BGH, Urt. v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, BGHZ 27, 360, 366 = NJW 1958, 1286; JaegerHenckel, KO, § 7 Rz. 32. 10) So bei Ott in: MünchKomm-InsO, § 81 Rz. 10.
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§ 81
Verfügungen des Schuldners
Verfügungen des Schuldners über insolvenzfreies Vermögen (§§ 36, 37) sind wirksam. So kann der Schuldner nicht genehmigte Lastschriftbuchungen genehmigen, falls sie unter Verwendung des unpfändbaren Schonvermögens eingelöst wurden.11) 2.
5
Unwirksamkeit
Als Rechtsfolge des § 81 sind entgegen Absatz 1 Satz 1 vorgenommene Verfügungen absolut unwirksam (nicht nichtig).12) Der Insolvenzverwalter kann sie aber analog § 185 Abs. 2 BGB mit Wirkung ex tunc genehmigen;13) dies gilt nicht bei einseitigen Rechtsgeschäften.14)
6
III. Schutz des guten Glaubens (Abs. 1 Satz 2) Verfügt der Schuldner nach Verfahrenseröffnung über Grundstücke oder ähnliche Rechte, so wird der rechtsgeschäftliche Erwerb nach Maßgabe der §§ 892, 893 BGB, §§ 16, 17 SchiffsRG, §§ 16, 17 LuftfzRG geschützt. Dies lässt eine mögliche Anfechtbarkeit des Erwerbs unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff unberührt.15) Keine Geltung erlangt Absatz 1 Satz 2 beim Erwerb beweglicher Sachen, Pfandrechten sowie dem Nießbrauch hieran,16) was aber die unmittelbare Anwendung der einschlägigen Gutglaubensvorschriften nicht ausschließt.17) Schädlich ist nur positive Kenntnis von der Verfügungsbeschränkung bei Stellung des Eintragungsantrags oder – wenn ein solcher nicht erforderlich ist – zum Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs.18) Wegen §§ 32, 33 ist die praktische Relevanz der Vorschrift gering.
7
IV. Rückgewähranspruch (Abs. 1 Satz 3) Bei einem nach Absatz 1 Satz 1 unwirksamen Verfügungsgeschäft ist dem anderen Teil die Gegenleistung aus der Masse nach Bereicherungsgrundsätzen (§§ 812 ff BGB) gemäß Absatz 1 Satz 2 zurückzugewähren. Dieser Anspruch stellt eine Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 3 dar.19) Bei Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) ist der Anspruch ganz ausgeschlossen.
8
V. Verfügungen über künftige Forderungen (Abs. 2) Auch Verfügungen über bestimmte künftige Forderungen, welche die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens betreffen, sind nach Maßgabe von Absatz 2 unwirksam. Die Regelung ist im Zusammenhang mit § 89 Abs. 2 zu betrachten. Erfasst werden sämtliche Arbeitseinkommen nach § 850 ZPO sowie Lohnersatzleistungen. Zweck des Absatzes 2 ist zu gewährleisten, dass die Bezüge den Insolvenz_____________ 11) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 = ZVI 2010, 382, dazu EWiR 2010, 537 (Vosberg); zum Lastschriftwiderruf vgl. auch Rz. 10. 12) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 81 Rz. 14; Ott in: MünchKomm-InsO, § 81 Rz. 13. 13) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 81 Rz. 18; a. A. Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 31 Rz. 9 – Genehmigung nur ex nunc. 14) Jaeger-Henckel, KO, § 7 Rz. 27; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 81 Rz. 19. 15) Jaeger-Henckel, KO, § 29 Rz. 201 ff. 16) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 81 Rz. 24. 17) Ausführl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 81 Rz. 16. 18) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 81 Rz. 24. 19) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 81 Rz. 26; Ott in: MünchKomm-InsO, § 81 Rz. 25.
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Verfügungen des Schuldners
gläubigern während der Wohlverhaltensperiode i. R des Restschuldbefreiungsverfahrens (§§ 286 ff) zur Verfügung stehen oder als Grundlage für einen Insolvenzplan (§§ 217 bis 269) verwendet werden können.20) VI. Beweislast (Abs. 3) 10
Hat der Schuldner am Eröffnungstag verfügt, gilt nach Absatz 3 Satz 1 die widerlegbare Vermutung und damit eine Beweiserleichterung zugunsten des Insolvenzverwalters, dass er nach Eröffnung verfügt hat. Nach Absatz 3 Satz 2 sind Verfügungen des Schuldners über bestimmte Finanzsicherheiten nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar.21) VII. Sonderproblem: Lastschriftwiderruf
11
Hinsichtlich der Insolvenzfestigkeit von Lastschriften herrschten sowohl in der Literatur als auch zwischen den Senaten des Bundesgerichtshofes unterschiedliche Auffassungen.22) Mit zwei Entscheidungen vom 20.7.2010 haben nun der IX. Senat und der XI. Senat ihre Meinungsverschiedenheiten angeglichen.23) Nach der nun von beiden Senaten vertretenen „Genehmigungstheorie“ ist die im Einzugsverfahren erfolgte Lastschriftbuchung nicht insolvenzfest. Der Insolvenzverwalter kann der Belastungsbuchung grundsätzlich widersprechen.
12
Der Insolvenzverwalter hat jedoch zu überprüfen, ob nicht zuvor bereits eine konkludente Genehmigung durch den Schuldner erfolgt ist. Eine solche konkludente Genehmigung kann etwa bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen im unternehmerischen Verkehr angenommen werden, wenn der Lastschriftschuldner in Kenntnis der Belastung dem Einzug nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist nicht widerspricht und er einen früheren Einzug bereits genehmigt hatte.24)
13
Außerdem ist ein Widerruf durch den Insolvenzverwalter dann nicht möglich, wenn eine Lastschriftbuchung unter Verwendung des unpfändbaren Schonvermögens eingelöst wurde. In diesem Fall fehlt dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter – unabhängig davon, ob ihm die Verfügungsbefugnis übertragen worden ist – die Rechtsmacht, die Genehmigung zu versagen.25)
14
Der (vorläufige) Insolvenzverwalter darf daher schon aus diesen Gründen vom Schuldner nicht genehmigte Lastschriften nicht pauschal widerrufen. Aus Sicht des Insolvenzverwalters sollte die Frage eines Widerrufs unter Abwägung aller Aspekte erfolgen. Ein solcher Aspekt kann beispielsweise die Erleichterung der Betriebsfortführung sein.26) _____________ 20) 21) 22) 23)
Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 81 Rz. 19. Ausführl. hierzu: Meyer/Rein, NZI 2004, 367. Vgl. hierzu die Darstellung bei Langen/Lang, NJW 2010, 3484. BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 = ZVI 2010, 382 und BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 = NJW 2010, 3510, dazu EWiR 2010, 539 (Lenhardt/Priebe). 24) BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 – 101 = ZIP 2007, 2273 – 2279. 25) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 = ZVI 2010, 382 26) Weitere Beispiele die im Einzelfall gegen einen Lastschriftwiderruf sprechen können vgl. die Vorauflage (3. Aufl.), Rz. 14 – 19.
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§ 82
Leistungen an den Schuldner
Seit dem 2.11.2009 gilt das europäische SEPA-Lastschriftverfahren. Dieses verlangt zusätzlich einen Auftrag zur Abbuchung an die Schuldnerbank.27) Beim SEPABasislastschriftverfahren ist ein Widerruf binnen 8 Wochen möglich,28) wobei der Widerruf dann nicht mehr innerhalb einer Frist ab Zugang des Rechnungsabschlusses, sondern nur noch ab der jeweiligen Kontobelastung als Fristbeginn zulässig ist.29) Die Widerrufsmöglichkeit beim SEPA-Basislastschriftverfahren fällt nicht in die Insolvenzmasse.30) Die SEPA-Firmenlastschrift hingegen ist insolvenzfest.31) _____________
15
27) Zum SEPA-Lastschriftverfahren vgl. http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/ zahlungsverkehr_sepa.php. 28) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 ff, dazu EWiR 2010, 539 (Lenhardt/Priebe). 29) Ries, ZInsO 2009, 889, 895. 30) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 ff. 31) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236/07, ZIP 2010, 1556 ff.
§ 82 Leistungen an den Schuldner 1
Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. 2Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung geleistet, so wird vermutet, daß er die Eröffnung nicht kannte. Übersicht
I. Zweck der Vorschrift ........................... II. Leistung an den Schuldner ................. III. Genehmigung und Einziehungspflicht des Insolvenzverwalters .......... IV. Befreiende Leistung und Beweislast ..............................................
1 2 4 6
V. Praxisrelevante Einzelfälle im Bankverkehr ......................................... 8 1. Überweisungsverfahren ........................ 8 2. Lastschrift-, Scheck- und Wechselverfahren .............................................. 11 VI. Gutglaubensschutz zu Gunsten der Finanzverwaltung ........................ 12
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I.
Zweck der Vorschrift
§ 82 statuiert zunächst eine Empfangszuständigkeit der Masse Der Drittschuldner trägt damit grundsätzlich das Risiko, dass auch der Leistungsgegenstand tatsächlich in die Masse gelangt.1) Zum anderen wird dieser Grundsatz zugleich aufgelockert: Der Leistende ist geschützt, wenn er gutgläubig nicht in die Masse, sondern an den Insolvenzschuldner leistet. Sinn dieses Gutglaubensschutzes ist der Schutz des Vertrauens des allgemeinen Rechtsverkehrs und die Herstellung von Rechtsicherheit. Die Regelung des § 82 ergänzt den Tatbestand des § 81 insoweit, als dass eine Ausnahme vom Verfügungsgebot des § 81 für den Fall der Gutgläubigkeit des Drittschuldners gemacht wird. Denn auch die Entgegennahme einer Leistung stellt _____________ 1)
Ott in: MünchKomm-InsO, § 82 Rz. 1.
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1
§ 82
Leistungen an den Schuldner
eine Verfügung i. S. des § 81 dar.2) Bei angeordneter Eigenverwaltung ist § 82 unanwendbar.3) II. Leistung an den Schuldner 2
Der Begriff der Leistung bestimmt sich nach den §§ 241 ff BGB.4) Die Leistung muss zwecks Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner gelangt sein, obwohl diese zur Insolvenzmasse zu erfüllen war (§§ 35 ff). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Erlass des Eröffnungsbeschlusses nach Tag und Stunde (siehe § 27). § 82 greift über den Wortlaut hinaus auch ein, wenn der Drittschuldner an gesetzliche oder gewillkürte Vertreter des Schuldners leistet5) oder die Leistung an einen Dritten erfolgt;6) im letzteren Fall ist eine zuvor vom Insolvenzschuldner erteilte Einwilligung unwirksam.7) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs8) kann der Drittschuldner nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Sicherungszessionar leisten, wenn ihm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines ursprünglichen Gläubigers bekannt ist und er weiß, dass die Abtretung lediglich zu Sicherungszwecken erfolgt ist.
3
Nicht unter den Begriff der Leistung fällt die Annahme einer Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 BGB).9) Nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Auftragnehmers kann der Auftraggeber nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung gemäß § 16 Nr. 6 VOB/B leisten.10) III. Genehmigung und Einziehungspflicht des Insolvenzverwalters
4
Die Leistung eines Drittschuldners an den Insolvenzschuldner wird durch Genehmigung des Insolvenzverwalters nachträglich wirksam (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 2 BGB).11) Verweigert er diese, so ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Leistung nach Kräften zur Masse zu ziehen.12) Unterlässt er auch dies und fordert statt dessen den Leistenden zur nochmaligen Leistung auf, so kann ihm der Drittschuldner die Arglisteinrede entgegenhalten,13) wenn die Einziehung zur Masse unproblematisch ist. _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
12) 13)
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Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 82 Rz. 1. Braun-Kroth, InsO, § 82 Rz. 1. Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 82 Rz. 3. RG, Urt. v. 10.5.1893 – VI 55/93, RGZ 31, 164, 166; Jaeger-Henckel, KO, § 8 Rz. 4. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 82 Rz. 10. Hess/Weis/Wienberg-Hess, InsO, § 82 Rz. 6; a. A. Ott in: MünchKomm-InsO, § 82 Rz. 7, der bei Leistung an einen Dritten auf § 81 Abs. 1 abstellt. BGH, Urt. v. 23.4.2009 – IX ZR 65/08, ZIP 2009, 1075 = ZVI 2009, 333, dazu EWiR 2009, 515 (Neußner). Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 82 Rz. 4. BGH, Urt. v. 24.4.1986 – VII ZR 248/85, ZIP 1986, 720 = NJW 1986, 2761, dazu EWiR 1986, 601 (Dempewolf). Jaeger-Henckel, KO, § 8 Rz. 3; Hess/Weis/Wienberg-Hess, InsO, § 82 Rz. 6; weitergehend Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 82 Rz. 3 – rückwirkende Wirksamkeit auch bei Freigabe oder Beendigung des Verfahrens. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 82 Rz. 5. Jaeger-Henckel, KO, § 8 Rz. 48; Kilger/K. Schmidt, KO, § 8 Anm. 3.
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§ 82
Leistungen an den Schuldner
Muss der Drittschuldner nochmals leisten, hat er einen Bereicherungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB (Zweckverfehlungskondiktion),14) der sich gegen das insolvenzfreie Vermögen richtet; §§ 814, 815 BGB stehen dem nicht entgegen.15) Es handelt sich bei dem Anspruch nicht um eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit.16) Bei Leistungen an den Insolvenzverwalter in Unkenntnis der Freigabeerklärung kann in entsprechender Anwendung des § 82 ebenfalls Befreiung eintreten.17)
5
IV. Befreiende Leistung und Beweislast Der Leistende wird von seiner Leistungspflicht frei, wenn er oder sein Vertreter (§ 166 BGB) zum Zeitpunkt der Leistung die Verfahrenseröffnung nicht kannten (Satz 1). Schädlich ist nur positive Kenntnis von der Verfahrenseröffnung, sodass weder grob fahrlässige Unkenntnis von der Verfahrenseröffnung noch positive Kenntnis von der Insolvenzantragstellung oder der Zahlungseinstellung ausreichen.18) Maßgeblicher Zeitpunkt ist der, bis zu dem der Leistende den Leistungserfolg noch verhindern kann.19)
6
Die Beweislast hinsichtlich des Umstandes der Leistungserbringung obliegt dem Leistenden nach allgemeinen Grundsätzen,20) während § 82 die Beweislast hinsichtlich der Gutgläubigkeit unterschiedlich verteilt. Bei Leistung vor öffentlicher Bekanntmachung der Eröffnung (§§ 9, 30) greift zugunsten des Leistenden die Beweislastregel des Satzes 2 und der Insolvenzverwalter trägt die Beweislast für die Kenntnis des Leistenden; danach hat der Leistende selbst seine Unkenntnis zu beweisen.21) Der Leistende muss sich die Kenntnis der Personen von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an zurechnen lassen, deren er sich zur Erbringung der Leistung bedient (sog. Wissensvertreter).22)
7
V. Praxisrelevante Einzelfälle im Bankverkehr 1.
Überweisungsverfahren
Nach § 116 Satz 3 i. V. m. Art. 228 EGBGB bleiben Überweisungsaufträge jedenfalls für Inlandsüberweisungen und Überweisungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes auch nach Insolvenzeröffnung bestehen. Die zum bisherigen Recht im bankrechtlichen _____________ 14) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 82 Rz. 7; Kayser in: HK-InsO, § 82 Rz. 57; a. A. Ott in: MünchKomm-InsO, § 82 Rz. 7 – Kondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. 15) Hess/Weis/Wienberg-Hess, InsO, § 82 Rz. 11 f. 16) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 82 Rz. 6. 17) BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – IX ZA 30/10, ZIP 2011, 234 = ZVI 2011, 225. 18) BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 62/09, ZIP 2010, 935 = ZVI 2010, 263, dazu EWiR 2010, 615 (Flitsch); Jaeger-Henckel, KO, § 8 Rz. 59; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 82 Rz. 8. 19) Jaeger-Henckel, KO, § 8 Rz. 59; BGH, Urt. v. 16.7.2009 – IX ZR 118/08, ZIP 2009, 1726 ff = ZInsO 2009, 1646, dazu EWiR 2009, 685 (Gundlach/Schirrmeister). 20) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 82 Rz. 9. 21) Hess/Weis/Wienberg-Hess, InsO, § 82 Rz. 18; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 82 Rz. 12 f. 22) Ott in: MünchKomm-InsO, § 82 Rz. 14.
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8
§ 82
Leistungen an den Schuldner
Schrifttum vorrangig vertretene „Erlöschenstheorie“23) dürfte damit keine praktische Relevanz mehr besitzen. 9
Insolvenz des Überweisenden: Mit Ausführung eines Überweisungsauftrages leistet die Bank an den Schuldner, nicht an den Überweisungsempfänger, sodass Raum für § 82 ist. Führt die Bank nach Verfahrenseröffnung aber in Unkenntnis hiervon einen Überweisungsauftrag aus, so wird sie bei kreditorischem Saldo (Konto weist ein Guthaben aus) von ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Schuldner frei; bei einem debitorischen Saldo (Konto befindet sich im Soll) erlangt sie einen Aufwendungsersatzanspruch (§§ 116, 115 Abs. 3), den sie als Insolvenzforderung geltend machen kann.24) Hat die ausführende Bank Kenntnis von der Verfahrenseröffnung und führt gleichwohl einen Überweisungsauftrag aus, wird sie bei kreditorischem Saldo nicht von ihrer Leistungspflicht frei und muss erneut in die Masse leisten; bei einem debitorischen Saldo erwirbt die Bank keinen Aufwendungsersatzanspruch, sondern einen Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger.25) Überweisungen, die von einem Konto ausgeführt werden, das nicht massebefangen ist (etwa weil es aus dem pfändungsfreien Teil des Arbeitseinkommens besteht), werden von § 82 nicht berührt.26)
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Insolvenz des Überweisungsempfängers: Die Bank ist befugt, eingehende Überweisungen ohne Rückfrage beim Auftraggeber auszuführen, da dieser durch § 55 Abs. 1 Nr. 3 insoweit geschützt wird, als dass ihm ein Bereicherungsanspruch zusteht.27) 2.
11
Lastschrift-, Scheck- und Wechselverfahren
Bei der Einlösung von Lastschriften, Schecks und Wechseln gelten im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie bei der Ausführung von Überweisungsaufträgen, beim Einzug von Lastschriften sowie beim Inkasso von Schecks und Wechseln wie bei der Gutschrift von Überweisungen – mit einigen systembedingten Besonderheiten.28) Paul
VI. Gutglaubensschutz zu Gunsten der Finanzverwaltung 12
Hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Finanzamt die Kenntnis eines anderen Finanzamtes von der Insolvenz eines Steuerpflichtigen zurechnen lassen muss, hat der Bundesfinanzhof darauf hingewiesen, dass unbeschadet des § 82 möglicherweise die zu § 173 Abs. 1 AO entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen sind.29) Im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 AO judiziert _____________ 23) BGH, Urt. v. 1.7.1976 – VII ZR 333/75, BGHZ 67, 75, 76; Kilger/K. Schmidt, KO, § 8 Anm. 1 c; a. A. die sog. „Fortbestandstheorie“: RG, Urt. v. 19.11.1896 – VI 199/96, RGZ 38, 40; BGH, Urt. v. 29.4.1974 – VIII ZR 200/72, WM 1974, 570, 571; Jaeger-Henckel, KO, § 8 Rz. 27. 24) Gottwald-Obermüller, InsR-Hdb., § 98 Rz. 9. 25) BGH, Urt. v. 5.2.2009 – IX ZR 78/07, ZIP 2009 673 = ZInsO 2009, 659, dazu EWiR 2009, 481 (Keller); Gottwald-Obermüller, InsR-Hdb., § 98 Rz. 8; z. T. a. A. Bork, Zahlungsverkehr, Rz. 178 ff. 26) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – IX ZR 37/09, ZIP 2010, 1552 = ZVI 2010, 382. 27) Braun-Kroth, InsO, § 82 Rz. 14. 28) Vgl. hierzu ausführl. Gottwald-Obermüller, InsR-Hdb., § 99 Rz. 34 ff, 39, 42 ff. 29) BFH, Urt. v. 12.7.1011 – VII R 69/10, DB 2011, 2075 = DStR 2011, 1758.
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Paul
§ 83
Erbschaft. Fortgesetzte Gütergemeinschaft
der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung, dass der Finanzbehörde dann eine Tatsache bekannt ist, wenn diejenigen Personen, die innerhalb der zuständigen Behörde organisationsmäßig für die Bearbeitung des Steuerfalls berufen sind bzw. die den zu ändernden Steuerbescheid erlassen haben, positive Kenntnis darüber erlangen. Hierbei handelt es sich um den Vorsteher, den Sachgebietsleiter und den Sachbearbeiter. Bekannt sind der zuständigen Dienststelle neben dem Inhalt der dort geführten Akten auch sämtliche Informationen, die dem Sachbearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt. Kennt eine andere als die für die Bearbeitung des Steuerfalls zuständige Dienststelle die betreffende Tatsache, so ist sie deswegen nicht auch der zuständigen Dienststelle als bekannt zuzurechnen.30) Erlangt also z. B. das für die Einkommensteuerfestsetzung bisher örtlich zuständige Finanzamt nach dem Umzug des Steuerpflichtigen in ein anderes Bundesland, und dem damit einhergehenden Wechsel der örtlichen Zuständigkeit Kenntnis von einem Insolvenzantrag, ist dem nun zuständigen Finanzamt diese Kenntnis nicht nach § 82 zuzurechnen.31) _____________ 30) BFH, Urt. v. 13.1.2011 – VI R 63/09, BFH/NV 2011, 743 = BeckRS 2011, 94767. 31) FG Saarland, Urt. v. 13.3.2013 – 2 K 1499/09, EFG 2013, 1199 = BeckRS 2013, 95454.
§ 83 Erbschaft. Fortgesetzte Gütergemeinschaft (1) 1Ist dem Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Erbschaft oder ein Vermächtnis angefallen oder geschieht dies während des Verfahrens, so steht die Annahme oder Ausschlagung nur dem Schuldner zu. 2 Gleiches gilt von der Ablehnung der fortgesetzten Gütergemeinschaft. (2) Ist der Schuldner Vorerbe, so darf der Insolvenzverwalter über die Gegenstände der Erbschaft nicht verfügen, wenn die Verfügung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. Literatur: Landfermann, Allgemeine Wirkungen der Insolvenzeröffnung, in: Kölner Schrift, 1. Aufl. 1997, S. 127; Vallender, Einzelzwangsvollstreckung im neuen Insolvenzverfahren, ZIP 1997, 1993; Vallender, Doppelinsolvenz: Erben und Nachlassinsolvenz, NZI 2005, 318. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses (Abs. 1 Satz 1) ................. 2
I.
III. Ablehnung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (Abs. 1 Satz 2) ...... 6 IV. Vorerbschaft (Abs. 2) ........................... 7 Busch
Zweck der Vorschrift
Absatz 1 belässt dem Schuldner auch während des Insolvenzverfahrens bestimmte erbrechtliche Entscheidungen, da diese höchstpersönlicher Natur sind. Absatz 2 Busch
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1
§ 83
Erbschaft. Fortgesetzte Gütergemeinschaft
enthält eine Sonderregel für die relativen Verfügungsbeschränkungen, denen der Schuldner als Vorerbe unterliegt. Als nicht analogfähige Ausnahmevorschrift ist § 83 weder auf den echten Vertrag zugunsten Dritter noch auf Schenkungsangebote anwendbar.1) II. Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses (Abs. 1 Satz 1) 2
Dem Erben steht das Recht zu, die Erbschaft innerhalb einer bestimmten Frist und in bestimmter Form auszuschlagen (§§ 1944 f BGB). Das gleiche Recht hat der Vermächtnisnehmer (§ 2180 BGB).
3
Nimmt der Schuldner die Erbschaft oder ein Vermächtnis an, so fallen Nachlass oder Vermächtnisforderung in die Masse (§ 35), und zwar einschließlich aller Nachlassverbindlichkeiten: Aus Nachlassgläubigern werden Insolvenzgläubiger, aus Nachlassverbindlichkeiten Insolvenzforderungen.2) Unbeachtlich ist, ob der Zeitpunkt der Annahme vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt. Fällt die Erbschaft erst nach dem Schlusstermin und nach Aufhebung des Verfahrens an, hat der die Erbschaft in der Wohlverhaltenszeit annehmende Schuldner den Nachlass zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben, wenn er Restschuldbefreiung erlangen will. Verschweigt der Schuldner den Anfall der Erbschaft oder nimmt er die Erbschaft erst nach Ablauf der Wohlverhaltenszeit an, stellt dieses keine Obliegenheitsverletzung dar. Der Schuldner kann sein Erbe behalten,3) denn die Obliegenheit zur Abführung der Hälfte des Wertes der Erbschaft entsteht erst mit deren Annahme.4) Ist der Nachlass überschuldet, so muss der Insolvenzverwalter durch geeignete Maßnahmen (Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz, §§ 1975 ff BGB) eine Haftungsbeschränkung herbeiführen.5) Weder die Ausschlagung selbst noch den Erbverzicht kann der Insolvenzverwalter anfechten;6) die Entscheidung hierüber steht im freien Ermessen des Schuldners.7) Das gilt selbst dann, wenn der Schuldner als Begünstigter aus einem Erbvertrag diese geschützte Rechtsposition aufgibt.8) Ist zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bereits Testamentsvollstreckung über den Nachlass angeordnet, so besteht diese fort, auch wenn der unter Testamentsvollstreckung stehende Nachlass Bestandteil der Insolvenzmasse wird. Verfügungsbeschränkungen des Erben gelten nach § 2211 BGB auch gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern, die nicht zugleich Nachlassgläubiger sind. Letzteren ist nach § 2214 BGB der Zugriff auf die der Testamtentsvollstreckung _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Jaeger-Henckel, KO, § 9 Rz. 23; Kilger/K. Schmidt, KO, § 9 Anm. 6. Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 83 Rz. 5. BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, ZInsO 2009, 1461 Rz. 13; BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 72/09, ZInsO 2009, 1831 Rz. 10. BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 168/09, ZVI 2011, 346. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 83 Rz. 3. RG, Urt. v. 27.3.1914 – Rep. VII 412/13, RGZ 84, 342, 347; Jaeger-Henckel, KO, § 9 Rz. 9; Kilger/K. Schmidt, KO, § 9 Anm. 1. RG, Urt. v. 17.4.1903 – VII 16/03, RGZ 54, 289, 295; Kilger/K. Schmidt, KO, § 9 Anm. 1. BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 56/12, Rz. 12, 18, ZIP 2013, 272 = ZVI 2013, 111.
Busch
§ 83
Erbschaft. Fortgesetzte Gütergemeinschaft
unterliegenden Nachlassgegenstände entzogen.9) Bis zur Beendigung der Testamentsvollstreckung kann der Insolvenzverwalter den Nachlass nicht verwerten.10) Schlägt der Schuldner aus, so fallen Erbschaft und Vermächtnis dem Nächstberufenen an (§ 1953 Abs. 2, § 2180 Abs. 3 BGB). Ebenso wie die Annahme unterliegt auch die Ausschlagung nicht der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter.11)
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Keine Anwendung findet Absatz 1 Satz 1 auf Pflichtteilsansprüche, da diese nicht ausgeschlagen werden können; diese fallen in die Masse, wenn sie pfändbar, d. h. durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig sind (§ 36 InsO i. V. m. § 852 Abs. 1 ZPO).12)
5
III. Ablehnung einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (Abs. 1 Satz 2) Auf die Ablehnung der Fortsetzung einer Gütergemeinschaft durch den überlebenden Ehegatten finden nach § 1484 Abs. 2 Satz 1 BGB die nachlassrechtlichen Ausschlagungsvorschriften entsprechende Anwendung. Lehnt der Überlebende die Fortsetzung nicht oder nicht rechtzeitig (vgl. § 1484 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1943 BGB) ab, so wird die Gütergemeinschaft fortgesetzt mit der Konsequenz, dass das Gesamtgut in die Masse fällt (§ 37 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1).13) Lehnt er die Fortsetzung hingegen wirksam ab, so ist die Gütergemeinschaft nach § 84 Abs. 1 Satz 1 auseinanderzusetzen.
6
IV. Vorerbschaft (Abs. 2) Absatz 2 betrifft nicht die Nachlassinsolvenz (§§ 315 ff), sondern die Regelinsolvenz des Vorerben.14) Entgegen § 2115 BGB vorgenommene Verfügungen werden erst wirksam, wenn der Nacherbe sie genehmigt (§ 185 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder die Erbschaft ausschlägt.15) Ein Dritter kann allerdings gutgläubig vom Insolvenzverwalter erwerben.16) Der Nacherbe hat in diesem Fall eine Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 bzw. einen Schadensersatzanspruch nach § 60.17) Absatz 2 gilt mangels Verweisung in § 2136 auf § 2115 BGB auch bei befreiter Vorerbschaft.18)
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Wie die §§ 88 und 89 ist auch § 90 Abs. 1 von Amts wegen zu beachten und verbietet sowohl Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach dem Achten Buch der ZPO
8
_____________ 9) Schumann in: MünchKomm-InsO, § 83 Rz. 8; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 83 Rz. 5. 10) BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258 = ZVI 2006, 452, dazu EWiR 2006, 659 (Stahlschmidt). 11) RG, Urt. v. 27.3.1914 – VII 412/13, RGZ 84, 342, 347; Jaeger-Henckel, KO, § 9 Rz. 9; Kilger/K. Schmidt, KO, § 9 Anm. 1. 12) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 83 Rz. 12. 13) Jaeger-Henckel, KO, § 9 Rz. 14. 14) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 83 Rz. 15; Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 83 Rz. 12; zum Problem der sog. Doppelinsolvenz vgl. Vallender, NZI 2005, 318. 15) RG, Urt. v. 19.1.1925 – IV 474/24, RGZ 110, 94, 95. 16) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 83 Rz. 18; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 83 Rz. 16; Kilger/K. Schmidt, KO, § 128 Anm. 2; Jaeger-Weber, KO, § 128 Rz. 9; a. A. Kayser in: HK-InsO, § 83 Rz. 19. 17) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 83 Rz. 16. 18) RG, Urt. v. 3.7.1912 – I 262/11, RGZ 80, 30, 32; RG, Urt. v. 21.9.1931 – IV 87/31, RGZ 133, 263, 265.
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§ 84
Auseinandersetzung einer Gesellschaft oder Gemeinschaft
als auch die Verwaltungsvollstreckung.19) Eine dennoch ausgebrachte Zwangsvollstreckungsmaßnahme führt zwar zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung, nach der gemischt öffentlich-rechtlichen/privatrechtlichen Theorie aber nicht zur Entstehung eines Pfändungspfandrechts.20) Absatz 1 lässt Fälligkeit und Verzug unberührt, sodass die vereinbarten oder gesetzlichen Zinsen weiterlaufen und als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind.21) Der nach allgemeinem Vollstreckungsrecht statthafte Rechtsbehelf kann nur vom Verwalter eingelegt werden, § 89 Abs. 3 ist analog anwendbar.22) _____________ 19) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 90 Rz. 3; Wimmer-App, FK-InsO, § 90 Rz. 3. 20) Heilungsmöglichkeit mit Ablauf der Schutzfrist Kayser in: HK-InsO, § 90 Rz. 14; a. A. Wimmer-App, FK-InsO, § 90 Rz. 3. 21) Begr. RA zu RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 165, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 268; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 90 Rz. 3; Eckert, ZIP 1996, 897, 906; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 90 Rz. 3. 22) Kayser in: HK-InsO, § 90 Rz. 15; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 90 Rz. 21; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 90 Rz. 25; Landfermann in: Kölner Schrift, S. 174 Rz. 46; Vallender ZIP 1997, 1993, 1999.
§ 84 Auseinandersetzung einer Gesellschaft oder Gemeinschaft (1) 1Besteht zwischen dem Schuldner und Dritten eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, eine andere Gemeinschaft oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so erfolgt die Teilung oder sonstige Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens. 2Aus dem dabei ermittelten Anteil des Schuldners kann für Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis abgesonderte Befriedigung verlangt werden. (2) 1Eine Vereinbarung, durch die bei einer Gemeinschaft nach Bruchteilen das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist bestimmt worden ist, hat im Verfahren keine Wirkung. 2Gleiches gilt für eine Anordnung dieses Inhalts, die ein Erblasser für die Gemeinschaft seiner Erben getroffen hat, und für eine entsprechende Vereinbarung der Miterben. Literatur: K. Schmidt, Das Vollstreckungs- und Insolvenzrecht der stillen Gesellschaft, KTS 1977, 1. Übersicht I. Zweck der Vorschrift ........................... 1 II. Teilung oder sonstige Auseinandersetzung (Abs. 1 Satz 1) ................... 2
I. 1
III. Absonderung (Abs. 1 Satz 2) ............ 10 IV. Vertragliche Auseinandersetzungsbeschränkung (Abs. 2) ............. 11
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Zweck der Vorschrift
Nur das Schuldnervermögen fällt in die Masse (§ 1 Satz 1). Ist der Schuldner Teilhaber einer Rechtsgemeinschaft, so fällt zunächst nur ein ideeller und nach Teilung oder Auseinandersetzung der Abfindungsanspruch in die Masse. § 84 weist den Weg, 560
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Auseinandersetzung einer Gesellschaft oder Gemeinschaft
§ 84
nur den außerhalb des Insolvenzverfahrens in Sonderverfahren tatsächlich realisierbaren Anteilswert für die Insolvenzmasse wirtschaftlich verfügbar zu machen, ohne dass die sonstigen Berechtigten des Wertes ihrer Beteiligung verlustig gehen.1) Dem Insolvenzverwalter steht kein selbständiger Auseinandersetzungsanspruch zu.2) § 84 findet auch bei Anordnung der Eigenverwaltung und im Verbraucherinsolvenzverfahren Anwendung.3) II. Teilung oder sonstige Auseinandersetzung (Abs. 1 Satz 1) Die Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff, 1008 ff BGB) vollzieht sich nach den §§ 749, 752 ff BGB. Wohnungseigentum ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 11 Abs. 2 WEG auch für den Insolvenzverwalter einseitig unauflösbar; ihm bleibt allenfalls die Möglichkeit einer Verwertung durch Verkauf des Wohnungseigentumsrechts.4) Im Hinblick auf einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück kann lediglich eine Teilungsversteigerung (§§ 180 ff ZVG) des Miteigentumsanteils selbst, nicht jedoch die Zwangsversteigerung des Grundstücks als Ganzes erfolgen.5)
2
Dagegen kann nach dem Bundesgerichtshof,6) der Verwalter die Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen. § 109 Abs. 1 Satz 2 ist nicht analog anwendbar. Es besteht jedoch die Möglichkeit der Freigabe gegen Ablöse.
3
Eine Bruchteilsgemeinschaft besteht auch bei Gemeinschaftskonten,7) selbst im Fall eines „Oder-Kontos“;8) im letzteren Fall kann der Insolvenzverwalter eine Einzelverfügungsbefugnis widerrufen, sofern der Kontovertrag ein solches Widerrufsrecht vorsieht9) oder die übrigen Berechtigten (sonstige Kontoinhaber, Bank) zustimmen.10)
4
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters einer Personengesellschaft führt bei der GbR zu deren Auflösung (§ 728 Abs. 2 BGB, wobei diese Vorschrift zugunsten eines Ausscheidens des insolventen Gesellschafters abdingbar ist, vgl. § 736 BGB), bei der OHG und KG zum Ausscheiden des Gesellschafters (§ 131 Abs. 3 Nr. 2, § 161 Abs. 2 HGB). Jedenfalls fällt der Gesellschaftsanteil in die Insolvenzmasse (vgl. § 36 Abs. 1 InsO; § 859 Abs. 1 ZPO; § 725 BGB; §§ 135, 161 Abs. 2 HGB). Auseinandersetzungsregeln finden sich in den §§ 731 ff BGB, §§ 145 ff HGB. Kein Raum für § 84 bleibt, wenn über das Ver-
5
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 84 Rz. 2. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 84 Rz. 15. Wimmer-App, FK-InsO, § 84 Rz. 1. Bergmann/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 84 Rz. 7. BGH, Beschl. v. 26.4.2012 – V ZB 181/11, ZIP 2012, 1426 ff, dazu EWiR 2012, 605 (Kesseler). BGH, Urt. v. 19.3.2009 – IX ZR 58/08, ZIP 2009, 875 = ZVI 2009, 204, dazu EWiR 2009, 621 (Weiß). Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 84 Rz. 21. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 84 Rz. 4. Obermüller, Bankpraxis, Rz. 2.28. BGH, Urt. v. 30.10.1990 – XI ZR 352/89, ZIP 1990, 1538 = NJW 1991, 420, dazu EWiR 1990, 1183 (Filzen); BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR 219/91, NJW-RR 1993, 233, 234 = WM 1993, 141, dazu EWiR 1993, 199 (Steiner).
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§ 84
Auseinandersetzung einer Gesellschaft oder Gemeinschaft
mögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, da dann das Gesellschaftsvermögen in die Masse fällt.11) Trotz des Verweises in § 54 Satz 1 auf § 728 BGB findet § 84 auch auf den nicht rechtsfähigen Verein keine Anwendung; der Verein wird durch die Insolvenz eines Mitglieds nicht aufgelöst, dem Mitglied steht kein Auseinandersetzungsguthaben zu.12) 6
Eine stille Gesellschaft wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Stillen ebenso wie bei Verfahrenseröffnung über das Vermögen des Geschäftsinhabers aufgelöst.13) Bei Insolvenz des Geschäftsinhabers ist der Stille einfacher Insolvenzgläubiger (§ 236 Abs. 1 HGB). Obwohl es an einem Gesamthandsvermögen fehlt, wendet die h. M. Absatz 1 Satz 1 in beiden Fällen analog an;14) der Stille kann bei Insolvenz des Geschäftsinhabers eine Abrechnung des Insolvenzverwalters außerhalb des Insolvenzverfahrens herbeiführen, ohne seine Forderung zur Tabelle anzumelden.15)
7
Der Anteil des Mitglieds einer Erbengemeinschaft am Nachlass fällt in die Insolvenzmasse (vgl. § 36 Abs. 1 InsO; § 859 Abs. 2 ZPO). Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft richtet sich nach § 2042 BGB.
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Die eheliche Gütergemeinschaft wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten nicht aufgelöst (vgl. § 37). Absatz 1 Satz 1 gilt daher nur, wenn bei einer beendeten Gütergemeinschaft lediglich die Auseinandersetzung noch nicht vorgenommen wurde (vgl. § 36 Abs. 1 InsO; § 860 Abs. 2 ZPO). Auseinandersetzungsregeln enthalten §§ 1471 ff, 1497 ff BGB.
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Keine Anwendung findet Absatz 1 Satz 1 bei Insolvenz des Mitglieds einer juristischen Person,16) da der Bestand juristischer Personen unabhängig von der Insolvenz einzelner Mitglieder ist. Gleiches gilt wegen § 11 Abs. 1 KAGG bei Insolvenz eines Anteilseigners einer Kapitalanlagegesellschaft.17) III. Absonderung (Abs. 1 Satz 2)
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Die Vorschrift gewährt verbleibenden Gemeinschaftsmitgliedern wegen ihrer auf das Gemeinschaftsverhältnis gegründeten Forderungen ein Absonderungsrecht am Anteil des Schuldners. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, dass verhindert werden soll, dass die nicht am Insolvenzverfahren beteiligten Mitglieder der Gemeinschaft auf Insolvenzforderungen verwiesen werden, obwohl der Anteil des Schuldners an der Gemeinschaft in die Insolvenzmasse gefallen ist. Vielmehr soll ihnen ein Vor_____________ 11) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 84 Rz. 5; Wimmer-App, FK-InsO, § 84 Rz. 15. 12) RG, Urt. v. 15.3.1926 – IV 604/24, RGZ 113, 125, 135; RG, Urt. v. 18.1.1934 – IV 369/33, RGZ 143, 212, 213; Jaeger-Henckel, KO, § 16 Rz. 11; Kilger/K. Schmidt, KO, § 16 Anm. 1. 13) BGH, Urt. v. 24.2.1969 – II ZR 123/67, BGHZ 51, 350, 352 – für den Konkurs des Geschäftsinhabers; Jaeger-Henckel, KO, § 16 Rz. 5, 7; K. Schmidt, KTS 1977, 1, 7 ff. 14) Jaeger-Henckel, KO, § 16 Rz. 5; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 84 Rz. 15; Nerlich/ Römermann-Wittkowski, InsO, § 84 Rz. 12; a. A. K. Schmidt, KTS 1977, 1, 20 ff – Anwendung wegen § 235 Abs. 1 HGB entbehrlich. 15) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 84 Rz. 6; Wimmer-App, FK-InsO, § 84 Rz. 21. 16) Jaeger-Henckel, KO, § 16 Rz. 12; Stodolkowitz in: MünchKomm-InsO, § 84 Rz. 19; Hess/ Weis/Wienberg-Hess, InsO, § 84 Rz. 6. 17) Bergmann/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 84 Rz. 20.
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Vor § 85
Vorbemerkung
recht auf diesen Anteil zur Befriedigung ihrer Ansprüche zustehen.18) Gegenstand der Absonderung ist der Nettoanteil, der auf den Schuldner nach Begleichung der gemeinschaftlichen Schulden und nach Rückerstattung der Einlagen entfällt.19) Absatz 1 Satz 2 setzt Gesamthandsvermögen voraus, weshalb die Anwendung bei der stillen Gesellschaft ausgeschlossen ist.20) IV. Vertragliche Auseinandersetzungsbeschränkung (Abs. 2) Vertragliche Beschränkungen der Auseinandersetzung haben in der Insolvenz keine Wirkung. Absatz 2 erweitert § 751 Satz 1, § 2044 Abs. 1 BGB für das Insolvenzverfahren.21) Das Recht des Insolvenzverwalters auf jederzeitige Auseinandersetzung geht sogar der dinglichen Wirkung des § 1010 BGB vor.22) Demgegenüber wirken gesetzliche Auseinandersetzungsbeschränkungen (§ 1066 Abs. 2, §§ 2043, 2045 BGB) auch in der Insolvenz.23)
11
_____________ 18) Bergmann/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 84 Rz. 23. 19) RG, Urt. v. 5.7.1890 – I 124/90, RGZ 26, 110, 113 f; RG, Urt. v. 26.5.1902 – V 78/02, RGZ 51, 343, 345; Kayser in HK-InsO, § 84 Rz. 4, 21. 20) Kilger/K. Schmidt, KO, § 51 Anm. 1; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 84 Rz. 19, Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 84 Rz. 16. 21) Wimmer-App, FK-InsO, § 84 Rz. 26. 22) Kayser in: HK-InsO, § 84 Rz. 23. 23) Bergmann/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 84 Rz. 22.
Vor § 85 Vorbemerkung Literatur: Gundlach/Frenzel/Schmidt, Die Verfahrensunterbrechung durch Insolvenzeröffnung, NJW 2004, 3222; Meyer, Selbständiges Beweisverfahren in der Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten, NZI 2005, 9. Übersicht I. Hintergrund ......................................... 1 II. Voraussetzungen der Verfahrensunterbrechung ...................................... 2
I.
III. Rechtsfolgen der Verfahrensunterbrechung ...................................... 6 Webel
Hintergrund
§ 240 ZPO statuiert die prozessuale Konsequenz aus dem Übergang der Verwaltung- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 mit Verfahrenseröffnung, namentlich die Unterbrechung eines laufenden Rechtstreits. Die §§ 85 f. regeln das weitere Prozedere nach Unterbrechung der Verfahren und knüpfen an die Wirkung des § 240 ZPO an. Durch die Unterbrechung von laufenden Zivilprozessen wird dem Wechsel in der Prozessführungsbefugnis Rechnung getragen und es soll hierdurch die in § 1 verankerte gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger gewährleistet werden.1) _____________ 1)
Gehrlein in: MünchKomm-ZPO, § 240 Rz. 1.
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1
Vor § 85
Vorbemerkung
II. Voraussetzungen der Verfahrensunterbrechung 2
Die Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO setzt ein gemäß §§ 253, 261 ZPO rechtshängiges Klageverfahren voraus.2) Verfahren i. S. von § 240 ZPO sind auch das Mahnverfahren (§§ 688 ff ZPO), wenn der Mahnbescheid im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zugestellt war,3) das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff ZPO),4) das Beschwerdeverfahren5) sowie das Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren.6) Entsprechende Anwendung findet § 240 ZPO auf das verwaltungsgerichtliche,7) das finanzgerichtliche8) sowie das arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren.9) Nicht anwendbar ist § 240 ZPO auf das selbständige Beweisverfahren, (§§ 485 ff ZPO),10) das Verfahren auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel,11) das Streitwertfestsetzungsverfahren,12) das Schiedsgerichtsverfahren13) sowie Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit14) mit Ausnahme „echter Streitverfahren“.15) Eine Unterbrechung im Inland rechtshängiger Prozesse tritt nach Art. 102 § 1 Abs. 1 EGInsO auch bei Auslandsinsolvenz ein.16)
3
Die Unterbrechungswirkung tritt gemäß § 240 ZPO sowohl mit Verfahrenseröffnung als auch mit einem den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter (vorläufige starke Insolvenzverwaltung) ein.17) Daher kommt bei einer angeordneten Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren (§§ 270a, 270b) keine Unterbrechung in Betracht.18) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Anordnung der Eigenverwaltung hingegen führt zur Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO.19) _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19)
564
Thomas/Putzo-Putzo, ZPO, Vor § 239 Rz. 2. Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 27; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 37. OLG München, Beschl. v. 21.10.2002 – 11 W 2144/02, ZInsO 2002, 1037 f. Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 26; RG, Beschl. v. 15.12.1892 – VI 131/92, RGZ 30, 409 f. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 29. BVerwG, Urt. v. 29.4.1988 – 8 C 73.85, NJW 1989, 314 = KTS 1989, 439. BFH, Beschl. v. 17.11.1977 – IV R 131–134/77, BStBl. II 1978, 165. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 46. OLG Hamm, Beschl. v. 4.2.1997 – 21 W 12/96, NJW-RR 1997, 723 f = ZIP 1997, 552, dazu EWiR 1997, 431 (Holzer); Zwoll, WiB 1997, 924 (Urteilsanm.); BGH, Beschl. v. 11.12.2003 – VII ZB 14/03, ZIP 2004, 186 = ZVI 2004, 255, dazu EWiR 2004, 309 (Stickelbrock); zust. Meyer, NZI 2005, 9, 11; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NJW 2004, 3222, 3224 f; zweifelnd Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 30; Gehrlein in: MünchKommZPO, § 240 Rz. 3. Nach Auffassung von Kayser in: HK-InsO, § 85 Rz. 27, wird das selbständige Beweisverfahren unterbrochen, da es einem Parteiverfahren angenähert ist. BGH, Beschl. v. 12.12.2007 – VII ZB 108/06, ZIP 2008, 527 = ZVI 2008, 113. OLG Hamm, Beschl. v. 25.2.1970 – 12 W 4/70, MDR 1971, 495; OLG Neustadt/ W., Beschl. v. 28.11.1964 – 2 W 98/64, NJW 1965, 591. BGH, Urt. v. 21.11.1966 – VII ZR 174/65, KTS 1966, 246. BayObLG, Beschl. v. 14.2.2002 – 2Z BR 176/01, ZInsO 2002, 434 = NZI 2002, 280. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 34. Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 85 Rz. 11; vgl. auch BGH, Beschl. v. 26.11.1997 – IX ZR 309/96, ZIP 1998, 659 = NJW 1998, 928, dazu EWiR 1998, 477 (Hanisch). Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 73. Zu entnehmen aus Gehrlein in: MünchKomm-ZPO, § 240 Rz. 12; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 73. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 85 Rz. 12.
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§ 85
Aufnahme von Aktivprozessen
Unterbrochen nach § 240 ZPO wird nur ein Verfahren, in dem der Insolvenzschuldner auch Partei ist, sodass die Insolvenz eines einfachen Streitgenossen (§ 61 ZPO) oder eines einfachen Streithelfers (§ 67 ZPO) nicht ausreicht.20) Bei notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) erfolgt eine Unterbrechung nur hinsichtlich des Insolvenzschuldners,21) jedoch ggf. mit mittelbarer Auswirkung auf den Prozess der übrigen Streitgenossen.22) Wegen § 93 werden mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit i. S. des § 11 Abs. 2 Nr. 1 auch Prozesse gegen die Gesellschafter, die deren persönliche Haftung betreffen, analog § 17 Abs. 1 AnfG unterbrochen.23)
4
Für eine Unterbrechung muss das Verfahren ferner die Insolvenzmasse betreffen, das geltend gemachte Recht also zugunsten oder zulasten des insolvenzbefangenen Vermögens in Anspruch genommen sein.24) Nicht betroffen sind damit nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten oder Ansprüche, die insolvenzfreies Vermögen betreffen.25)
5
III. Rechtsfolgen der Verfahrensunterbrechung Mit Verfahrensunterbrechung endet der Lauf aller Fristen kraft Gesetzes und beginnt erst nach Beendigung der Unterbrechung in vollem Umfang neu zu laufen (§ 249 Abs. 1 ZPO). Während der Unterbrechung kann eine neue Frist nicht beginnen.26) Prozesshandlungen von Parteien sind während der Unterbrechung unwirksam (§ 249 Abs. 2 ZPO) mit Ausnahme von Prozesshandlungen gegenüber dem Gericht, die trotz Unterbrechung zulässig sind.27) Gerichtliche Entscheidungen, die während der Verfahrensunterbrechung ergehen, sind nicht nichtig, sondern müssen mit dem geeigneten Rechtsmittel angefochten werden.28) Nach § 249 Abs. 3 ZPO wird die Verkündung bei Unterbrechung nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gehindert. _____________ 20) OLG Hamburg, Urt. v. 23.8.1960 – 2 U 56/60, NJW 1961, 610; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.2.1985 – 18 W 6/85, MDR 1985, 504; BGH, Urt. v. 19.12.2002 – VII ZR 176/02, ZIP 2003, 594 = NZI 2003, 229, dazu EWiR 2003, 493 (Hirtz). 21) Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 9; Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 2; a. A. Baumbach/ Lauterbach-Hartmann, ZPO, § 240 Rz. 8. 22) Ausführl. Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 9. 23) Schumacher in: MünchKomm-InsO, vor §§ 85 – 87 Rz. 11. 24) Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 8. 25) Kayser in: HK-InsO, § 85 Rz. 21 ff. 26) BGH, Urt. v. 29.4.1953 – II ZR 132/52, BGHZ 9, 308, 309. 27) BGH, Urt. v. 30.9.1968 – VII ZR 93/67, BGHZ 50, 397, 400; BGH, Beschl. v. 1.12.1976 – IV ZB 43/76, NJW 1977, 717, 718. 28) BGH, Urt. v. 21.6.1995 – VIII ZR 224/94, NJW 1995, 2563 = WM 1995, 1607, dazu EWiR 1995, 1039 (Marotzke).
§ 85 Aufnahme von Aktivprozessen (1) 1Rechtsstreitigkeiten über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Schuldner anhängig sind, können in der Lage, in der sie sich befinden, vom Insolvenzverwalter aufWebel
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6
§ 85
Aufnahme von Aktivprozessen
genommen werden. 2Wird die Aufnahme verzögert, so gilt § 239 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Lehnt der Verwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so können sowohl der Schuldner als auch der Gegner den Rechtsstreit aufnehmen. Literatur: Pape/Voigt, Zur Zulässigkeit von Individualklagen trotz Gesamtvollstreckung, WiB 1995, 618; K. Schmidt, Unterbrechung und Fortsetzung von Prozessen im Konkurs einer Handelsgesellschaft – Fragen und Thesen zu §§ 240 ZPO, 10 ff KO (96 ff InsO), KTS 1994, 309; Uhlenbruck, Kosten eines nach Unterbrechung wieder aufgenommenen Prozesses im Insolvenzverfahren, ZIP 2001, 1988. Übersicht I. Geltungsbereich ................................... 1 II. Verfahrensfortgang während der Insolvenz ............................................... 3 1. Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter (Abs. 1 Satz 1) ....................................... 3
I.
2. 3.
Verzögerung der Aufnahme (Abs. 1 Satz 2) und Aufnahmestreit ...... 7 Ablehnung der Aufnahme (Abs. 2) ... 10
Webel
Geltungsbereich
1
Mit Verfahrenseröffnung verliert der Schuldner die Prozessführungsbefugnis an den Verwalter (§ 80). Gleichzeitig ordnet § 240 ZPO eine Unterbrechung rechtshängiger Verfahren an, und zwar nach Satz 2 auch für den Fall, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (vgl. § 22). § 85 normiert die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 240 ZPO bei sog. Aktivprozessen.
2
Um einen Aktivprozess handelt es sich, wenn ein Vermögensrecht in Streit steht, das im Falle des Obsiegens zu einer Anreicherung der Masse führt – sog. Teilungsmassestreit.1) Die Parteirolle des Schuldners ist dabei grundsätzlich unbeachtlich; so kann dieser auch Beklagter eines Aktivprozesses sein,2) wobei er gleichwohl meist Kläger sein wird.3) Eine gegen den Schuldner gerichtete negative Feststellungsklage ist für diesen ein Aktivprozess;4) umgekehrt ist eine negative Feststellungsklage des Schuldners als Kläger für diesen kein Aktiv- sondern Passivprozess.5) Klage und Widerklage sind jeweils getrennt zu beurteilen,6) sodass ein einheitlicher Rechtsstreit zugleich Aktiv- und Passivprozess sein kann.7) Macht der Schuldner eine Forderung lediglich im Wege der Aufrechnung geltend, wandelt sich der Passiv_____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6) 7)
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Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 108; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 51; Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 21. RG, Urt. v. 24.11.1899 – II 216/99, RGZ 45, 374, 376; RG, Urt. v. 19.4.1910 – VII 69/10, RGZ 73, 276, 277; RG, Urt. v. 6.1.1932 – I 295/30, RGZ 134, 377, 379; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 106; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 53. Maßgeblich für die Einordnung ist letztlich der „materielle Inhalt des Begehrens“: BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93, ZIP 1995, 643 = NJW 1995, 1750, dazu EWiR 1995, 893 (Weipert); BGH, Urt. v. 8.1.1962 – VII ZR 65/61, BGHZ 36, 258, 264. Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 21. RG, Urt. v. 19.4.1910 – VII 69/10, RGZ 73, 276, 278. RG, Urt. v. 6.3.1909 – V 234/08, RGZ 70, 368. RG, Beschl. v. 21.9.1928 – II B 26/28, RGZ 122, 51, 53; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 106. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 76.
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§ 85
Aufnahme von Aktivprozessen
prozess trotz der Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO nicht zum Aktivprozess.8) Ein zunächst passiv geführtes Verfahren kann sich in einen Aktivprozess wandeln, etwa wenn i. R. des Rechtsmittelverfahrens die Frage zu klären ist, ob der Gegner des Insolvenzschuldners die auf erstinstanzliche Verurteilung gezahlten Beträge behalten darf;9) denn immerhin eröffnet das Rechtsmittel dem Beklagten die Möglichkeit des Antrags aus § 717 Abs. 2, 3 ZPO.10) Gleiches gilt, wenn der Kläger Sicherheitsleistung erwirkt hatte.11) Keine Rolle bei der Beurteilung ob es sich um einem Aktiv- oder Passivprozess handelt spielen etwaige Kostenerstattungsansprüche der Parteien.12) Es ist ausschließlich auf die Hauptsache abzustellen. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter ein Verfahren aufgenommen, tritt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleichwohl eine erneute Unterbrechung gemäß § 240 ZPO ein.13) II. Verfahrensfortgang während der Insolvenz 1.
Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter (Abs. 1 Satz 1)
Die Erklärung der Aufnahme durch den Verwalter geschieht gemäß § 250 ZPO durch Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht, der von Amts wegen zuzustellen ist (§ 270 ZPO). Die Wiederaufnahme muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch stillschweigend oder konkludent erfolgen, etwa wenn in der Sache weiter verhandelt wird.14) Auch in der Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelbegründungsschrift kann wirksam die Aufnahme erklärt werden,15) und zwar auch dann, wenn die Unterbrechung zwischen den Instanzen eingetreten ist und die Aufnahmeerklärung zusammen mit der Rechtsmitteleinlegung gegenüber dem Rechtsmittelgericht erfolgt.16) Mit Zustellung des einzureichenden Schriftsatzes endet die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO.17) Aufnahmebefugt ist der gemäß § 85 Abs. 1 der Insolvenzverwalter. Der Schuldner ist nur im Fall der angeordneten Eigenverwaltung aufnahmebefugt.18)
_____________ 8) Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 107. 9) BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93, ZIP 1995, 643 = NJW 1995, 1750; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 53. 10) BGH, Urt. v. 8.1.1962 – VII ZR 65/61, BGHZ 36, 258, 264. Entgegen OLG Celle, Beschl. v. 9.10.1968 – 8 W 171/68, KTS 1969, 107, tritt eine Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO auch hier ein: Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 108. 11) RG, Urt. v. 3.7.1914 – III 41/14, RGZ 85, 214, 219; RG, Urt. v. 3.5.1915 – VI 665/14, RGZ 86, 394, 396; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 108. 12) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 85 Rz. 7. 13) BFH, Beschl. v. 15.3.2007 – III B 178/05, BFH/NV 2007, 1178; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 73; a. A. Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 86 Rz. 13. 14) RG, Urt. v. 24.5.1933 – I 17/33, RGZ 140, 348, 352; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 55; Kilger/K. Schmidt, KO, § 10 Anm. 5b; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 55. 15) BGH, Urt. v. 8.1.1962 – VII ZR 65/61, BGHZ 36, 258; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 55; a. A. RG, Urt. v. 22.10.1907 – II 225/07, RGZ 66, 399, 401; JaegerHenckel, KO, § 10 Rz. 116. 16) BGH, Beschl. v. 29.3.1990 – III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 109 = ZIP 1990, 1630. 17) BGH, Beschl. v. 9.12.1998 – XII ZB 148/98, ZIP 1999, 75, dazu EWiR 1999, 191 (Pape). 18) Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 85 Rz. 12.
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§ 85
Aufnahme von Aktivprozessen
4
Die Entscheidung über die Aufnahme trifft der Insolvenzverwalter nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Massemehrung einerseits und des Prozessrisikos andererseits.19) Liegt ein Verfahren mit erheblichem Streitwert vor ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen.20)
5
Der Verwalter nimmt den Rechtsstreit in der Lage auf, in der er sich zum Zeitpunkt der Unterbrechung befunden hat, ist also an die bisherige Prozessführung des Schuldners gebunden.21) Eine Ausnahme gilt nur für solche Rechtshandlungen des Schuldners, die der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff unterliegen.22)
6
Unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Kostenentscheidung wurde von der bislang h. M. die Auffassung vertreten, dass die Kosten des gesamten Rechtsstreits, also auch die vor Verfahrensaufnahme entstandenen Kosten, Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 darstellen.23) Eine im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel des § 105 sowie die Vermeidung einer Privilegierung der Kostengläubiger gegenüber übrigen Insolvenzgläubigern vorzugswürdige neuere Auffassung differenziert danach, ob der Gebührentatbestand bereits vor Verfahrenseröffnung oder erst danach vollendet worden ist;24) nur nach Verfahrenseröffnung angefallene Kosten sind demnach Masseschuld, im Übrigen sind sie einfache Insolvenzforderung. 2.
7
Verzögerung der Aufnahme (Abs. 1 Satz 2) und Aufnahmestreit
Verzögert der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Verfahrens, weil er die Entscheidung hierüber nicht innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Überlegungsfrist trifft,25) kann der Prozessgegner gemäß Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 239 Abs. 2 ZPO die Ladung zur Aufnahme und zur Verhandlung der Hauptsache beantragen. Unzulässig ist eine Ladung des bisherigen Prozessbevollmächtigten des Insolvenzschuldners, da dessen Vollmacht nach §§ 116, 115 InsO, § 168 BGB erloschen ist.26) Eine Verzögerung liegt dann vor, wenn der Insolvenzverwalter den Prozess nicht innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist auf_____________ 19) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 73; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 85 Rz. 32. 20) Ein Verstoß ist jedoch im Außenverhältnis unbeachtlich (§ 164 InsO): Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 114; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 74. 21) Kayser in: HK-InsO, § 85 Rz. 56; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 81. 22) Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 26. 23) Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 119 m. w. N. 24) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 58 f unter Berufung auf OLG Hamm, Beschl. v. 24.5.1994 – 21 W 26/93, ZIP 1994, 1547, dazu EWiR 1994, 1115 (Pape); ebenso Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 85 Rz. 20; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 51; Uhlenbruck, ZIP 2001, 1988; OLG München Beschl. v. 11.10.1999 – 11 W 2206/99, ZIP 2000, 31 = NZI 1999, 498; OLG Rostock, Urt. v. 5.11.2001 – 3 U 168/99, ZIP 2001, 2145 = MDR 2002, 542, dazu EWiR 2002, 77 (Binz). 25) Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 31. Wegen Einzelheiten der Ladung vgl. § 239 Abs. 3 ZPO, auf den § 85 Abs. 1 Satz 2 ebenfalls verweist. 26) RG, Beschl. v. 30.9.1927 – II B 15/27, RGZ 118, 158, 161; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 60.
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§ 85
Aufnahme von Aktivprozessen
nimmt.27) Der Fristlauf bestimmt sich zum einen einen nach der Komplexität des Verfahrens und zum anderen danach, ob die Prozesskosten im Falle eines Unterliegens aus der Masse bezahlt werden können.28) Erscheint der geladene Insolvenzverwalter nicht im Termin, so gilt dessen Rechtsnachfolge nach Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 239 Abs. 2 ZPO als zugestanden, und es kann auf Antrag des Prozessgegners in der Hauptsache Versäumnisurteil nach § 330 ZPO gegen ihn ergehen29) oder eine Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 331a ZPO herbeigeführt werden.30) Hieraus erwachsende Prozesskosten sind Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1.31)
8
In allen Fällen, in denen Streitigkeiten über die Aufnahmelast entstehen, etwa weil die betroffene Person generell behauptet, nicht Insolvenzverwalter zu sein oder die Insolvenzbefangenheit des Streitgegenstandes bestreitet, hat das Gericht bei Bejahung einer Aufnahme durch den Verwalter nach abgesonderter Verhandlung gemäß § 280 ZPO hierüber durch Zwischenurteil zu entscheiden;32) im Übrigen ist in den Gründen des Endurteils hierüber zu erkennen.33)
9
3.
Ablehnung der Aufnahme (Abs. 2)
Die Ablehnung der Aufnahme ist (im Gegensatz zur Aufnahme) formlos durch einfache Willenserklärung gegenüber dem Schuldner oder dem Prozessgegner34) oder sogar durch schlüssiges Verhalten, etwa durch Freigabe des streitbefangenen Gegenstandes,35) möglich und unterliegt nicht dem Anwaltszwang. Unwirksam ist eine Ablehnung der Aufnahme unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, den Gegenstand trotzdem für die Masse in Anspruch nehmen zu wollen.36) Ebenfalls unbeachtlich ist ein geheimer Vorbehalt dieses Inhalts,37) indem etwa der Insolvenzverwalter an Stelle einer Freigabe des Streitgegenstandes den Schuldner zur Prozessaufnahme ermächtigt, um der Masse das Kostenrisiko zu ersparen.38) Kein Ablehnungs-, sondern nur ein Aufnahmerecht steht dem vorläufigen starken Insolvenzverwalter zu, da § 24 Abs. 2 nicht auf § 85 Abs. 2 verweist; erklärt er gleichwohl, den Prozess nicht aufnehmen zu wollen, hat diese keine prozessualen oder insolvenzrechtlichen Wirkungen, sondern bleibt das Verfahren bis zur Eröffnungsentscheidung mit den allgemeinen Wirkungen (§ 249 ZPO) unterbrochen.39) _____________ 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39)
Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 85 Rz. 35. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 60. RG, Urt. v. 30.5.1904 – VI 279/04, RGZ 58, 202, 203; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 131. Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 131. Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 131; Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 34. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 61; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 90. Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 130; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 61. RG, Beschl. v. 21.9.1928 – II B 26/28, RGZ 122, 51, 56; RG, Urt. v. 5.2.1930 – I 220/29, RGZ 127, 197, 200; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 122. Kilger/K. Schmidt, KO, § 10 Anm. 7; Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 28. RG, Urt. v. 6.3.1909 – V 234/08, RGZ 70, 368, 370; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 122. RG, Beschl. v. 21.9.1928 – II B 26/28, RGZ 122, 51, 57; Kilger/K. Schmidt, KO, § 10 Anm. 7. BGH, Beschl. v. 10.10.1973 – VIII ZR 9/72, NJW 1973, 2065; Gottwald-Gerhardt, InsRHdb., § 32 Rz. 28. Kayser in: HK-InsO, § 85 Rz. 64.
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§ 85
Aufnahme von Aktivprozessen
11
Die Ablehnung der Prozessaufnahme hat zugleich Freigabewirkung40) mit der materiell-rechtlichen Konsequenz, dass der Streitgegenstand zum insolvenzfreien Vermögen zu rechnen ist.41) Die nach § 240 ZPO eingetretene Prozessunterbrechung endet aber nicht bereits mit dieser Ablehnung, sondern erst dann, wenn der Schuldner oder der Gegner den Rechtsstreit gemäß Absatz 2 wieder aufnehmen.42) Lehnt der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Prozesses ab, fallen der Insolvenzmasse auch keine Prozesskosten zur Last.43)
12
Da Absatz 2 nicht zwischen natürlichen Personen und sonstigen Schuldnern differenziert, muss der Verwalter auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft die Möglichkeit der Aufnahmeablehnung haben.44) Der Rechtsstreit soll danach mit den verfassungsmäßigen Organen der in Auflösung begriffenen Gesellschaft fortgesetzt werden.45) Nach neuerer Ansicht können aber diese Gesellschaften kein insolvenzfreies Vermögen haben, weil dies dem Zweck des Insolvenzverfahrens – Vollliquidation – widerspricht.46) Dem entsprechend könne die Ablehnungserklärung auch keine Freigabewirkung entfalten, vielmehr sei das Verfahren analog § 241 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen fortzusetzen,47) wenn der Verwalter nicht von der Möglichkeit eines sofortigen Verzichts oder einer Klagerücknahme Gebrauch macht.48) Wegen der mit dieser Lösung verbundenen Nachteilen – sofortige Prozesshandlung des Verwalters erforderlich, was der in Absatz 1 Satz 2 vorausgesetzten angemessenen Überlegungsfrist widerspricht – ist indes die Ansicht zu befürworten, wonach sich der Rechtsstreit mit der Ablehnung des Verwalters, das Verfahren aufzunehmen, erledigt.49)
13
Auch im Nachlassinsolvenzverfahren hat der Verwalter das Recht, die Aufnahme des Prozesses abzulehnen.50) Das Verfahren kann dementsprechend vom oder gegen _____________ 40) RG, Urt. v. 6.3.1909 – V 234/08, RGZ 70, 368, 370; RG, Beschl. v. 21.9.1928 – II B 26/28, RGZ 122, 51, 56; RG, Urt. v. 5.2.1930 – I 220/29, RGZ 127, 197, 200; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 123. 41) Wimmer-App, FK-InsO, § 85 Rz. 30; BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – VII ZR 43/06, IBR 2008, 56 = BauR 2008, 139. 42) BGH, Urt. v. 8.1.1962 – VII ZR 65/61, BGHZ 36, 258; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 72. 43) Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 30; Schumacher in: MünchKomm-InsO, § 85 Rz. 30. 44) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 72; Pape/Voigt, WiB 1995, 618, 620 f; ausdrückl. auch BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZIP 2005, 1034 = ZVI 2005, 492, dazu EWiR 2005, 603 (Flitsch). 45) RG, Urt. v. 5.2.1930 – I 220/29, RGZ 127, 197, 200; BGH, Urt. v. 21.10.1965 – Ia ZR 144/63, NJW 1966, 51; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 126. 46) K. Schmidt, KTS 1994, 309, 315; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, S. 73 f; Kilger/ K. Schmidt, KO, § 6 Anm. 4. d), cc), § 10 Anm. 4; wohl auch Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 69. 47) K. Schmidt, KTS 1994, 309, 317; Kilger/K. Schmidt, KO, § 10 Anm. 4. 48) K. Schmidt, KTS 1994, 309, 317 f. 49) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 69; ihm folgend Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 85 Rz. 95. 50) Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 125.
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§ 86
Aufnahme bestimmter Passivprozesse
den Erben aufgenommen werden.51) Im Falle beschränkter Erbenhaftung nach § 1975 BGB fallen die Kosten letztlich gemäß § 1978 Abs. 3 BGB i. V. m. § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO dem Nachlass zur Last.52) Deshalb wird der Insolvenzverwalter sorgfältig zu überlegen haben, ob er die Prozessführung wirklich aus der Hand gibt.53) _____________ 51) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 71. 52) RG, Urt. v. 26.3.1917 – IV 398/16, RGZ 90, 91, 93 f; Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 125. 53) Jaeger-Henckel, KO, § 10 Rz. 125; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 85 Rz. 71.
§ 86 Aufnahme bestimmter Passivprozesse (1) Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, können sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie betreffen: 1.
die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse,
2.
die abgesonderte Befriedigung oder
3.
eine Masseverbindlichkeit.
(2) Erkennt der Verwalter den Anspruch sofort an, so kann der Gegner einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rechtsstreits nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Literatur: Henckel, Grenzen der Vermögenshaftung, JuS 1985, 836; Henckel, Vorbeugender Rechtsschutz im Zivilrecht, AcP 174 (1974), 97; Paulus, Sinn und Formen der Gläubigeranfechtung, AcP 155 (1956), 277; K. Schmidt, Konkursanfechtung und Drittwiderspruchsklage, JZ 1990, 619; K. Schmidt, Zwangsvollstreckung in anfechtbar veräußerte Gegenstände, JZ 1987, 889; K. Schmidt, Unterlassungsanspruch, Unterlassungsklage und deliktischer Ersatzanspruch im Konkurs – Eine Untersuchung am Beispiel des Patentverletzungsstreits, ZZP 90 (1977), 38; Smid, Zwangsvollstreckung und Passivprozess durch Sicherungsnehmer als Gläubiger und Kläger in der Insolvenz des Sicherungsgebers, ZInsO 2001, 433. Übersicht I. 1. 2.
I.
Geltungsbereich ................................... 1 Prozesse, die die Aussonderung von Gegenständen betreffen (Abs. 1 Nr. 1) ........................................ 2 Prozesse, die die abgesonderte Befriedigung betreffen (Abs. 1 Nr. 2) ........................................ 3
3.
Prozesse, die eine Masseverbindlichkeit betreffen (Abs. 1 Nr. 3) .......... 4 II. Verfahrensfortgang während der Insolvenz ............................................... 5 1. Aufnahme des Verfahrens (Abs. 1) ..... 5 2. Anerkenntnis durch den Insolvenzverwalter (Abs. 2) .................................. 7 Webel
Geltungsbereich
Durch § 86 wird ergänzend zu § 85 die Aufnahme bestimmter, durch § 240 ZPO unterbrochener Passivprozesse geregelt. Zugelassen zur Aufnahme werden nur Streitigkeiten über Ansprüche, die unmittelbar auf eine Verminderung der Insolvenzmasse gerichtet sind – sog. Teilungsmassestreit1) –, während Rechtsstreitig_____________ 1)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 2; Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 35.
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1
§ 86
Aufnahme bestimmter Passivprozesse
keiten über Insolvenzforderungen – sog. Schuldenmassestreit – in § 87 geregelt sind. Wie schon bei § 85 kommt es für die Qualifikation eines Rechtsstreits als Passivprozess nicht auf die Parteirolle, sondern nur darauf an, ob die Masse nach materiellem Recht in Anspruch genommen wird.2) Im Gegensatz zu Aktivprozessen i. S. des § 85 gewährt § 86 sowohl dem Insolvenzverwalter als auch dem Prozessgegner die Befugnis das Verfahren aufzunehmen.3) Die Norm erfasst nur folgende Einzelfälle von Passivprozessen: 1. 2
2. 3
Prozesse, die die Aussonderung von Gegenständen betreffen (Abs. 1 Nr. 1)
§ 86 findet Anwendung auf Rechtstreitigkeiten über ein Aussonderungsrecht (§§ 47 f). Hauptanwendungsfälle sind die Herausgabeklage des Eigentümers nach § 985 BGB, Eigentumsfeststellungsklagen sowie Klagen auf Feststellung eines persönlichen Herausgabe- oder Räumungsanspruchs,4) aber auch Klagen aufgrund Buchberichtigung,5) Streitigkeiten zwischen Kommissionär und Schuldner wegen Abtretung der Forderung aus dem ausgeführten Geschäft nach §§ 384, 392 HGB6) sowie Klagen auf Unterlassung des Gebrauchs aussonderungsfähiger Patente und sonstiger Immaterialgüterrechte.7) Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes8) sind gegen den Schuldner geführte Unterlassungsklagen wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte oder wegen Wettbewerbsverstößen Passivprozesse i. S. des Absatzes 1 Nr. 3. Problematisch ist die Anwendbarkeit des § 86 im Hinblick auf Gläubigeranfechtungsprozesse. Hierbei ist der vordringenden Ansicht zu folgen, wonach die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG bzw. nach den §§ 129 ff nicht nur einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch vermittelt, sondern den anfechtbar weggegebenen Gegenstand haftungsrechtlich der Insolvenzmasse zuordnet.9) Aus dieser Erwägung ist § 86 im Prozess über die Gläubigeranfechtung entsprechend anzuwenden.10) Prozesse, die die abgesonderte Befriedigung betreffen (Abs. 1 Nr. 2)
Ferner gilt § 86 für Ansprüche, die in der Insolvenz zu einem Absonderungsrecht nach §§ 49 ff führen. Hauptanwendungsfälle sind Klagen auf Duldung der Zwangs_____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 4. Braun-Kroth, InsO, § 86 Rz. 1. Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 36. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 8. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 8. K. Schmidt, ZZP 90 (1977), 38 ff; Henckel, AcP 174 (1974), 97. BGH, Urt. v. 18.3.2010 – I ZR 158/07, ZIP 2010, 948 = ZInsO 2010, 760, dazu EWiR 2010, 653 (Gaugenrieder). 9) Sog. haftungsrechtliche Theorie: Paulus, AcP 155 (1956), 277, 346 ff; Gerhardt, Gläubigeranfechtung, S. 334 ff; Eckhardt, Gläubigerbenachteiligung, S. 40 ff; Henckel, JuS 1985, 836, 841 f; K. Schmidt, JZ 1987, 889 ff; K. Schmidt, JZ 1990, 619 ff; a. A. die sog. schuldrechtliche Theorie: RG, Urt. v. 11.12.1917 – VII 262/17, RGZ 91, 369; BGH, Urt. v. 31.10.1956 – V ZR 177/55, BGHZ 22, 128, 134; BGH, Urt. v. 13.3.1978 – VIII ZR 241/76, BGHZ 71, 61 = NJW 1978, 1226. 10) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 10; Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 37; wohl auch Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 86 Rz. 8; a. A., Anwendung von § 87 InsO: Jaeger-Henckel, KO, § 11 Rz. 4; Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 86 Rz. 5; Hess/ Weis/Wienberg-Hess, InsO, § 86 Rz. 8.
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§ 86
Aufnahme bestimmter Passivprozesse
vollstreckung in ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück11) sowie die vom Schuldner erhobene Vollstreckungsgegenklage gegen einen Absonderungsanspruch12) ebenso wie die Widerspruchsklage nach § 115 Abs. 3 ZVG.13) Auch Klagen des absonderungsberechtigten Sicherungseigentümers auf Herausgabe fallen hierunter, wobei der Leistungsantrag nach Prozessaufnahme unter Berücksichtigung des Verwertungsrechts des Verwalters aus § 166 auf Feststellung des Sicherungseigentums gemäß § 264 Nr. 3 ZPO umzustellen ist.14) Wahlweise kann der Rechtsstreit in diesen Fällen auch für erledigt erklärt und der Kostenerstattungsanspruch zu Insolvenztabelle angemeldet werden.15) 3.
Prozesse, die eine Masseverbindlichkeit betreffen (Abs. 1 Nr. 3)
Schließlich fallen in den Anwendungsbereich von § 86 Ansprüche, die eine Masseverbindlichkeit nach §§ 53 ff betreffen. Praktisch relevant sind hierbei hauptsächlich Ansprüche aus § 55 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2,16) also Ansprüche aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung vom Verwalter verlangt wurde (§ 103), bei teilbaren Leistungen i. S. von § 105 nur im Umfang des Erfüllungsverlangens des Verwalters17) sowie alle Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, die unabhängig von einem Verhalten des Insolvenzverwalters nach §§ 108–113 zu erfüllen sind.
4
II. Verfahrensfortgang während der Insolvenz 1.
Aufnahme des Verfahrens (Abs. 1)
Aufnahmebefugt sind sowohl der Insolvenzverwalter als auch der Gegner. Der Gegner braucht – anders als bei § 85 – nicht die Entschließung des Verwalters abzuwarten. Hierdurch kann es für den Verwalter zu einer kurzfristigen Überprüfungsobliegenheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits kommen18) Nicht aufnahmeberechtigt ist der Schuldner; dieser kann den Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn der Verwalter den Gegenstand aus der Masse freigegeben hat.19)
5
Kommt es zu keinem sofortigen Anerkenntnis durch den Insolvenzverwalter, so gelten hinsichtlich der Prozesskosten die allgemeinen Regeln der §§ 91 ff ZPO. Nimmt der Verwalter das Verfahren auf und obsiegt, so beurteilt sich die Kostenerstattung nach den §§ 91 ff ZPO und ist zur Masse zu bewirken.20) Obsiegt der
6
_____________ 11) Gottwald-Gerhardt, InsR-Hdb., § 32 Rz. 36; Jaeger-Henckel, KO, § 11 Rz. 5. 12) BGH, Beschl. v. 10.10.1973 – VIII ZR 9/72, NJW 1973, 2065; Gottwald-Gerhardt, InsRHdb., § 32 Rz. 36. 13) Kayser in: HK-InsO, § 86 Rz. 11; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 86 Rz. 10. 14) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 11b; Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 86 Rz. 7; a. A. – Umstellung auf Auskehrung des Verwertungserlöses – Smid, ZInsO 2001, 433, 440. 15) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 11b. 16) Kayser in: HK-InsO, § 86 Rz. 12. 17) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 13. 18) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 14. 19) Jaeger-Henckel, KO, § 11 Rz. 15; BGH, Beschl. v. 10.10.1973 – VIII ZR 9/72, NJW 1973, 2065. 20) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 86 Rz. 20.
Webel
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§ 87
Forderungen der Insolvenzgläubiger
Gegner des Verwalters, sind die Kosten Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1,21) soweit diese nach Verfahrenseröffnung entstanden sind. 2. 7
Anerkenntnis durch den Insolvenzverwalter (Abs. 2)
Eine Kostentragungspflicht kann der Insolvenzverwalter zwar nicht vermeiden, durch sofortiges Anerkenntnis nach Absatz 2 aber bewirken, dass ein Kostenerstattungsanspruch des Gegners nur als einfache Insolvenzforderung geltend gemacht werden kann. Hat der Schuldner keinen Anlass zur Klage gegeben und befindet sich der Prozess in einer Lage, in der dieser noch ein Anerkenntnis abgeben könnte, trägt der Kläger ohnehin gemäß § 93 ZPO die Kosten, sodass für eine Anwendung von Absatz 2 kein Raum ist.22) In allen anderen Fällen kann der Verwalter sofort nach Aufnahme anerkennen. Liegt ein sofortiges, also ein ohne jede Verzögerung erklärtes Anerkenntnis vor,23) so stellen die Verfahrenskosten Insolvenzforderungen des Prozessgegners dar. Unterlässt er dies, ist der Kostenerstattungsanspruch des Klägers nach § 91 ZPO Masseverbindlichkeit i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1.24) Ein solches pflichtwidriges Unterlassen kann eine Haftung des Verwalters gemäß § 60 begründen.25) _____________ 21) 22) 23) 24) 25)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 18. Kayser in: HK-InsO, § 86 Rz. 21. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 86 Rz. 18. RG, Urt. v. 27.6.1932 – VI 129/32, RGZ 137, 71, 73; Jaeger-Henckel, KO, § 11 Rz. 22. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 86 Rz. 20.
§ 87 Forderungen der Insolvenzgläubiger Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Literatur: App, Die Beteiligung kommunaler Behörden an Insolvenzverfahren und die Rechte der übrigen Verfahrensbeteiligten, InVo 1999, 65; Gundlach/Frenzel/Schmidt, Die Verfahrensunterbrechung durch Insolvenzeröffnung, NJW 2004, 3222; Gundlach/ Frenzel/Schirrmeister, Der Erlass eines Abgabenbescheides im Insolvenzverfahren, DStR 2004, 318. Übersicht I. Bedeutung ............................................. 1 II. Normadressaten ................................... 2
I. 1
III. Rechtsfolge ........................................... 4 Breitenbücher
Bedeutung
§ 87 soll die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger sichern, indem er jegliche Geltendmachung der Insolvenzforderungen nur nach den Vorschriften des Insolvenzrechts, also gemäß §§ 174 ff durch Anmeldung und Feststellung zur Tabelle zulässt.1) Die Geltendmachung einer Insolvenzforderung außerhalb des _____________ 1)
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BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, 2382 = ZVI 2003, 661, dazu EWiR 2004, 191 (Holzer); BGH, Urt. v. 24.10.1957 – VII ZR 429/56, BGHZ 25, 395, 397.
Breitenbücher
§ 87
Forderungen der Insolvenzgläubiger
Insolvenzverfahrens wird auch nicht dadurch zulässig, dass der Gläubiger ausdrücklich auf die Teilnahme am Verfahren verzichtet.2) II. Normadressaten Der Durchsetzungssperre des § 87 unterliegen Insolvenzgläubiger nach § 38 und nachrangige Insolvenzgläubiger nach § 39, nicht dagegen Aus- und Absonderungsberechtigte sowie Massegläubiger oder Neugläubiger.3) Soweit ein Insolvenzgläubiger absonderungsberechtigt ist, unterfällt lediglich die persönliche Forderung, nicht dagegen der Anspruch auf abgesonderte Befriedigung, dem § 87.4) Da sich § 87 ausschließlich auf das Verhältnis zum Schuldner bzw. zur Insolvenzmasse bezieht, hindert er Insolvenzgläubiger nicht, gegen Dritte vorzugehen, die für Schulden des Insolvenzschuldners persönlich oder dinglich haften.5)
2
§ 87 erfasst alle Passivprozesse über Streitigkeiten der Schuldenmasse, auch Feststellungsklagen, wenn sie die Insolvenzmasse betreffen.6)
3
III. Rechtsfolge Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen im Insolvenzverfahren nur durch Anmeldung zur Tabelle realisieren. Eine gleichwohl gegen den Schuldner erhobene Klage ist unzulässig, weil ihm die passive Prozessführungsbefugnis und dem Gläubiger das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.7) Gleiches gilt für eine gegen die Masse gerichtete Klage, sog. Schuldenmassestreit.8)
4
§ 87 steht auch der Titulierung öffentlich-rechtlicher Insolvenzforderungen durch Bescheid entgegen.9) Ein entgegen § 87 erlassener Bescheid ist nichtig.10)
5
Für das Steuerrecht verweist § 251 Abs. 2 AO ausdrücklich auf § 87. Aus dem Vorrang des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Festsetzungs- und Feststellungs-
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_____________ 2) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 137, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 264, S. 137; BGH, Urt. v. 15.10.2004 – V ZR 100/04, ZIP 2004, 2345 f = ZVI 2005, 84; zur früheren Rechtslage BGH, Urt. v. 24.10.1957 – VII ZR 429/56, BGHZ 25, 395, 397 ff; BGH, Urt. v. 24.10.1978 – VI ZR 67/77, BGHZ 72, 234 f. 3) BGH, Urt. v. 26.9.2013 – IX ZR 3/13, ZIP 214, 137, dazu EWiR 2014, 253 (Floeth). 4) Kayser in: HK-InsO, § 87 Rz. 3. 5) OVG Saarland, Beschl. v. 12.10.2007 – 1 B 340/07, NJW 2008, 250 = BeckRS 2007, 47206. 6) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, 2382 = ZVI 2003, 661; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 87 Rz. 3; Wimmer-App, FK-InsO, § 87 Rz. 4. 7) BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – IX ZB 232/08, ZIP 2009, 240, 241 Rz. 7 = ZVI 2009, 116, dazu EWiR 2009, 727 (Naraschewski). 8) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZInsO 2013, 602, 604 Rz. 21 = ZIP 2013, 680, dazu EWiR 2013, 251 (Foerste); Kayser in: HK-InsO, § 87 Rz. 6. 9) BVerwG, Urt. v. 12.6.2003 – 3 C 21.02, ZIP 2003, 1992; 1994 = ZInsO 2003, 709, m. zust. Anm. Gundlach/Frenzel, EWiR 2004, 503 f; Gundlach/Frenzel/Schirrmeister, DStR 2004, 318; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NJW 2004, 3222 f; Wimmer-App, FK-InsO, § 87 Rz. 2; App, InVo 1999, 65, 71; zu Unrecht lässt OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11.3.2003 – 1 M 268/02, NJ 2003, 498, einen Abgabenbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter zu. 10) BFH, Urt. v. 18.12.2002 – I R 33/01, ZIP 2003, 1212 = ZInsO 2003, 471; BFH, Urt. v. 4.5.2004 – VII R 45/03, ZIP 2004, 1423, 1424 = ZVI 2004, 405; BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392, 2394 = ZInsO 2004, 97.
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§ 87
Forderungen der Insolvenzgläubiger
verfahren folgt, dass Steuerbescheide und Haftungsbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gegen den Steuerpflichtigen ergehen dürfen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden.11) Ebenso dürfen ab Eröffnung keine Bescheide mehr erlassen werden, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Insolvenzforderungen beeinflussen könnten (vgl. § 179 Rz. 9).12) Dementsprechend darf auch ein Investitionszulagenbescheid nicht wegen Wegfalls der Verbleibensvoraussetzungen aufgehoben oder geändert werden. Stattdessen muss der materiell-rechtlich entstandene Rückzahlungsanspruch zur Tabelle angemeldet werden.13) 7
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist unerheblich, ob sich die festgestellte Besteuerungsgrundlage tatsächlich auf die anzumeldende Steuerforderung auswirkt, es genügt schon, dass sie hierzu abstrakt geeignet ist.14) Dies gilt v. a. für Besteuerungsgrundlagen, die einheitlich und gesondert festzustellen sind, sodass in der Gesellschafterinsolvenz ein solcher Bescheid nur gegenüber den anderen, nicht insolventen Gesellschaftern ergehen kann.15) In Bezug auf die Feststellung des Gewinnanteils des Schuldners ist kenntlich zu machen, dass es sich dabei nur um eine Berechnungsgrundlage für die anzumeldende Insolvenzforderung handelt, der Gewinnfeststellungsbescheid ist insoweit – wie auch die zur Anmeldung in Bescheidform ergehende Berechnung der Insolvenzforderung – ein lediglich „informatorischer Bescheid“.16) Eine Feststellung könnte allenfalls erfolgen, wenn diese als Grundlage einer Erstattungsforderung ausdrücklich beantragt wurde.17) Dagegen fehlt es an der abstrakten Eignung zur Auswirkung bei einer Körperschaftsteuerfestsetzung auf null, sodass diese auch für vorinsolvenzliche Zeiträume nach Verfahrenseröffnung zulässig ist.18)
8
Zu Unrecht hält die finanzgerichtliche Instanzrechtsprechung dagegen den Erlass von Einheitswert- und Grundsteuermessbescheiden wegen ihrer auch dinglichen Wirkung für zulässig.19)
9
Einer Festsetzung von Erstattungsbeträgen steht § 87 nicht entgegen, da er nur für Insolvenzforderungen, also Zahllasten des Schuldners Bedeutung hat. Das Finanzamt ist daher auch im eröffneten Verfahren berechtigt, einen Umsatzsteuerbescheid zu erlassen, in dem eine negative Umsatzsteuer für einen vorinsolvenz_____________ 11) BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392 f = ZInsO 2004, 97; BFH, Urt. v. 18.12.2002 – I R 33/01, ZIP 2003, 1212 f = ZInsO 2003, 471; BFH, Beschl. v. 31.1.2012 – I S 15/11, ZInsO 2012, 785, 786 Rz. 8; Wimmer-App, FK-InsO, § 87 Rz. 12 m. w. N. 12) BFH, Urt. v. 2.7.1997 – I R 11/97, ZIP 1997, 2160 = NZI 1998, 135; BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392 f = ZInsO 2004, 97; BFH, Urt. v. 18.12.2002 – I R 33/01, ZIP 2003, 1212 f = ZInsO 2003, 471. 13) BFH, Urt. v. 16.4.2013 – VII R 44/12, ZInsO 2013, 1951, 1953 Rz. 21 = ZIP 2013, 1871, dazu EWiR 2013, 705 (Anzinger). 14) BFH, Urt. v. 10.12.2008 – I R 41/07 Rz. 10, BeckRS 2008, 25014683. 15) BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392 = ZInsO 2004, 97. 16) BFH, Urt. v. 24.8.2004 – VIII R 14/02, ZIP 2004, 2392 = ZInsO 2004, 97. 17) BFH, Urt. v. 10.12.2008 – I R 41/07 Rz. 10, BeckRS 2008, 25014683. 18) BFH, Urt. v. 10.12.2008 – I R 41/07 Rz. 13, BeckRS 2008, 25014683. 19) FG Brandenburg, Urt. v. 14.9.2006 – 3 K 2728/03, ZInsO 2006, 1339, 1341 = EFG 2007, 708; a. A. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, S. 287.
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§ 88
Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung
lichen Besteuerungszeitraum festgesetzt wird, wenn sich daraus keine Zahllast ergibt. Anders als ein Grundlagenbescheid hat der Umsatzsteuerbescheid auch keine Auswirkungen auf Folgebescheide, da die angesetzten Besteuerungsgrundlagen (Umsätze und Vorsteuern) unselbständige Teile nur dieses Bescheids sind, § 157 Abs. 2 AO.20) Dagegen sind Festsetzungen, die nach Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen zu einer zur Eintragung in die Tabelle anzumeldenden Rest- oder Nachforderung führen, unzulässig. Dies gilt auch, wenn nach der Anrechnung zunächst keine konkrete Zahlungsverpflichtung besteht, aber bei einem späteren Streit über die Höhe der Anrechnung eine Insolvenzforderung entstehen könnte.21)
10
§ 87 ist auch in kommunalabgabenrechtlichen Verfahren zu beachten.22) Das Hauptproblem liegt hier allerdings vorgelagert, wie auch im Bereich des Ordnungsrechts, schon in der Einordnung der öffentlich-rechtlichen Forderung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit (hierzu ausführlich § 38 Rz. 17; § 55 Rz. 9 ff).23)
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In Bezug auf bei Verfahrenseröffnung bereits rechtshängige Klagen gewährleistet im Zivilgerichtsverfahren § 240 ZPO mit seiner Unterbrechungswirkung die „Prozesssperre“ (zur Feststellung bestrittener Forderungen durch Aufnahme des Rechtsstreits vgl. § 180 Rz. 7).24) In finanzgerichtlichen Verfahren bezieht sich die Unterbrechung analog § 140 ZPO i. V. m. § 155 FGO nicht nur auf das eigentliche Steuerfestsetzungsverfahren, sondern auch auf andere Verfahren, die Auswirkungen auf die zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen haben können, also insbesondere auf das gesonderte Feststellungsverfahren, §§ 179 ff, § 182 Abs. 1 AO.25)
12
_____________ 20) BFH, Urt. v. 13.5.2009 – XI R 63/07, ZIP 2009, 1631, 1632 Rz. 18 = ZInsO 2009, 1604, dazu EWiR 2010, 87 (Erdmann). 21) BFH, Urt. v. 10.12.2008 – I R 41/07 Rz. 7, BeckRS 2008, 25014683. 22) OVG Thüringen, Beschl. v. 27.9.2006 – 4 EO 1283/04, ZIP 2007, 880 f = DÖV 2007, 307, dazu EWiR 2007, 385 (Drescher). 23) Kemper-Käppel, Teil 5c, S. 10; VGH Bayern, Beschl. v. 25.10.2007 – 23 ZB 07.1941, LNR 2007, 41753; OVG Thüringen, Beschl. v. 27.9.2006 – 4 EO 1283/04, ZIP 2007, 880 f = DÖV 2007, 307; zust. Drescher, EWiR 2007, 385. 24) BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – IX ZB 232/08, ZIP 2009, 240, 241 Rz. 9 = ZVI 2009, 116, dazu EWiR 2009, 727 (Naraschewski); ausführl. Gehrlein in: MünchKomm-ZPO, § 240 Rz. 1 ff. 25) BFH, Urt. v. 10.12.2008 – I R 41/07 Rz. 9, juris; zur Fortdauer der Unterbrechung nach Feststellung der Forderung BFH, Beschl. v. 14.5.2013 – X B 134/12, ZIP 2013, 1789 ff.
§ 88 Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung (1) Hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt, so wird diese Sicherung mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam. (2) Die in Absatz 1 genannte Frist beträgt drei Monate, wenn ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 eröffnet wird. ) Breitenbücher
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§ 88
)
Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung
Absatz 2 eingefügt durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, m. W. v. 1.7.2014.
Literatur: Gerhardt, Zum maßgeblichen Zeitpunkt bei mehraktigem Rechtserwerb – Eine Vision vom Gleichklang in §§ 91 Abs. 2, 140 Abs. 2, 147 und 88 InsO, in: Festschrift für Günter Greiner, 2005, S. 31; v. Gleichenstein, Die Rückgewinnungshilfe gem. §§ 111b ff StPO in der Insolvenz des Täters, ZIP 2008, 1151; Grothe, Die vollstreckungsrechtliche „Rückschlagsperre“ des § 88 InsO, KTS 2001, 205; Gundlach/Frenzel/ Schmidt, Der Anwendungsbereich des § 88 InsO, NZI 2005, 663; Harnacke, Auswirkungen des Insolvenzrechts auf die Einzelzwangsvollstreckung, DGVZ 2003, 161; Kuleisa, Zwangsvollstreckung in der Insolvenz – wer darf wann vollstrecken und was ist gegen unzulässige Vollstreckungsmaßnahmen zu tun?, ZVI 2014, 121; Raebel, Die Rückschlagsperre im System der Verfügungshindernisse und Verfügungsbeschränkungen, in: Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, 2003, S. 443 = ZInsO 2003, 1124. Übersicht
1
I. II. 1. 2.
Bedeutung ............................................. Anwendungsbereich ............................ Persönlich .............................................. Sachlich ..................................................
I.
Bedeutung
1 2 2 3
3. Maßgeblicher Zeitpunkt ....................... 4 4. Erweiterte Rückschlagsperre ..................8 III. Rechtsfolge ........................................... 9 Breitenbücher
§ 88 erklärt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Sicherungen für unwirksam, die ein Insolvenzgläubiger an einem Gegenstand der Masse in der Krise durch Zwangsvollstreckung erlangt hat und begründet damit ein „rückwirkendes Vollstreckungshindernis“ bzw. eine „rückwirkende Verfügungsbeschränkung“.1) Die Rückschlagsperre ergänzt nach ihrer Funktion das Recht der Insolvenzanfechtung und bedeutet dieser gegenüber aufgrund ihrer dinglichen Wirkung eine verfahrensmäßige Erleichterung.2) Für ab dem 1.7.2014 beantragte Verbraucherinsolvenzverfahren übernimmt der neue Absatz 2 die bisher in § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F. normierte und an den Drei-Monats-Zeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 2 und 3 angelehnte erweiterte Rückschlagsperre.3) II. Anwendungsbereich 1.
2
Persönlich
Die Rückschlagsperre trifft von Insolvenzgläubigern i. S. der §§ 38, 39 – nicht dagegen von Massegläubigern4)– an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners im Vollstreckungsweg erlangte Sicherheiten, also z. B. nicht Zwangsvollstreckungen von Unterhalts- oder Deliktsgläubigern in den erweitert
_____________ 1)
2) 3) 4)
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BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479 = ZVI 2006, 210, dazu EWiR 2006, 317 (Gundlach/Frenzel); BGH, Urt. v. 15.7.1999 – IX ZR 239/98, BGHZ 142, 208, 211 f = ZIP 1999, 1490, dazu EWiR 2000, 81 (Gerhardt); Raebel in: FS Kirchhof, S. 443, 445. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 137, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 265. Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I, 2379, 2380. BGH, Beschl. v. 6.4.2000 – V ZB 56/99, ZIP 2000, 931 = ZfIR 2000, 458, dazu EWiR 2000, 771 (Messner); Breuer in: MünchKomm-InsO, § 88 Rz. 12, 13 zu § 55 Abs. 2.
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§ 88
Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung
pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens (§§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO).5) Verschafft sich ein absonderungsberechtigter Insolvenzgläubiger für seine persönliche Forderung eine zusätzliche Sicherheit, wird diese von § 88 erfasst.6) Der Insolvenzgläubiger darf bis zur Verfahrenseröffnung lediglich eine Sicherung, aber noch keine – nur noch über die Insolvenzanfechtung rückgängig zu machende – Befriedigung erlangt haben, wobei darauf abzustellen ist, ob sein zu den Insolvenzforderungen zählender Anspruch bereits erfüllt wurde, was z. B. mit der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek oder mit der Überweisung einer gepfändeten Forderung zur Einziehung noch nicht der Fall ist.7) 2.
Sachlich
§ 88 erfasst Sicherheiten, die durch Zwangsvollstreckung aufgrund eines Zahlungstitels erworben werden, sowie solche, die ohne einen solchen Titel im Vollstreckungswege zur Entstehung gelangen, also im Wesentlichen Pfändungspfandrechte, Zwangshypotheken und in Vollziehung einer einstweiligen Verfügung eingetragene Vormerkungen, einschließlich derjenigen zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek.8) 3.
3
Maßgeblicher Zeitpunkt
Die Sicherheit muss im letzten Monat vor oder nach dem Eröffnungsantrag entstanden sein.
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Für die Fristberechnung gilt § 139, so dass auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Bei der Berechnung der Frist des § 88 ist nicht auf den Zeitpunkt der Vollstreckungshandlung abzustellen, sondern darauf, wann die Sicherung „erlangt“ wurde, sodass es bei mehraktigen Tatbeständen auf den letzten Erwerbsakt ankommt (§ 140 Rz. 4).9)
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Auch wenn ein Verletzter im Wege der Zwangsvollstreckung ein Pfändungspfandrecht an Gegenständen erlangt hat, die bereits im Wege der Rückgewinnungshilfe
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_____________ 5) 6) 7)
8)
9)
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 137, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 265; Kayser in: HK-InsO, § 88 Rz. 15. Keller, ZIP 2000, 1324 f; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 88 Rz. 5; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 88 Rz. 12; Wimmer-App, FK-InsO, § 88 Rz. 5. BGH, Urt. v. 15.7.1999 – IX ZR 239/98, BGHZ 142, 208, 210 f = ZIP 1999, 1490; BGH, Urt. v. 3.8.1995 – IX ZR 34/95, BGHZ 130, 347, 349 ff = ZIP 1995, 1425, dazu EWiR 1995, 881 (Walker); BGH, Urt. v. 17.12.1998 – IX ZR 1/98, BGHZ 140, 253, 257 = ZIP 1999, 144, dazu EWiR 1999, 239 (Muth); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2003 – 3 Wx 302/02, NZI 2004, 94 = Rpfleger 2003, 647; Grothe, KTS 2001, 205, 230 f; Kayser in: HKInsO, § 88 Rz. 19. BGH, Urt. v. 3.8.1995 – IX ZR 34/95, BGHZ 130, 347 = ZIP 1995, 1425; BGH, Urt. v. 15.7.1999 – IX ZR 239/98, BGHZ 142, 208, 211 f = ZIP 1999, 1490; BGH, Urt. v. 6.4.2000 – V ZB 56/99, ZIP 2000, 931 = ZfIR 2000, 458; BayObLG, Beschl. v. 15.6.2000 – 2Z BR 46/00, ZIP 2000, 1263 f = ZfIR 2000, 633, dazu EWiR 2000, 887 (Hintzen); Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 88 Rz. 6 ff; Wimmer-App, FK-InsO, § 88 Rz. 6; a. A. zur Vormerkung für Bauhandwerkersicherungshypothek Grothe, KTS 2001, 205, 222; krit. auch Keller, ZIP 2000, 1324, 1329. LG Berlin, Beschl. v. 25.9.2001 – 86 T 574/01, 86 T 581/01, 86 T 582/01, ZIP 2001, 2293 f; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 88 Rz. 16; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 88 Rz. 17.
Breitenbücher
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§ 88
Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung
gemäß §§ 111b ff StPO von Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt wurden, bleibt es bei diesem allgemeinen Grundsatz. Eine Vorverlegung des maßgeblichen Zeitpunkts auf den Zeitpunkt der Beschlagnahme durch die Strafverfolgungsbehörden gemäß § 111c StGB oder die Vollziehung des Arrestes gemäß § 111d StGB kommt trotz § 111g StGB nicht in Betracht.10) Vielmehr ist auch ein im Wege der Rückgewinnungshilfe aufgrund vollzogenen dinglichen Arrestes nach § 88 und §§ 129 ff insolvenzfestes Arrest- oder Pfändungspfandrecht des Staates aufzuheben, da es seine „Platzhalterfunktion“ für die Ansprüche der Geschädigten nicht mehr erfüllen kann.11) Dies gilt auch nach Änderung des § 111i StPO. Der staatliche Auffangrechtserwerb soll lediglich den Rückfall an den Täter verhindern, jedoch nach seinem Zweck und in Ermangelung gesicherter Forderungen des Fiskus nicht den Insolvenzgläubigern vorgehen. Ein insolvenzfestes Absonderungsrecht entsteht für den Verletzten somit nur dann, wenn er selbst außerhalb des Zeitraums des § 88 die Zwangsvollstreckung betrieben hat. 7
Bei der Pfändung künftiger Forderungen wird das Pfändungspfandrecht nicht schon mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner erlangt, sondern erst mit der Entstehung der Forderung.12) Das Pfändungspfandrecht an der Lohnforderung für den bei Antragstellung laufenden Monat bleibt damit wirksam, wenn der Anspruch gemäß § 614 BGB erst nachfolgend, am Monatsende, entsteht.13) Zwangs-(Sicherungs-) Hypotheken wie auch Zwangsvormerkungen werden erst mit Eintragung ins Grundbuch erworben – § 878 BGB und § 140 Abs. 2 sind nicht (entsprechend) anwendbar.14) Fällt eine Hauptpfändung in zeitlicher Hinsicht unter § 88, ist sie unwirksam. Auch die zuvor ausgebrachte Vorpfändung ist dann ohne weiteres nach § 845 Abs. 2 ZPO unwirksam.15) 4.
8
Erweiterte Rückschlagsperre
Auf drei Monate erweitert Absatz 2 die Rückschlagsperre in Verbraucherinsolvenzverfahren, denen ein erfolgloser außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern vorausgegangen ist.16) In diesem Fall haben die Gläubiger schon _____________ 10) BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 41/05, ZIP 2007, 1338 ff = ZInsO 2007, 709, dazu EWiR 2007, 693 (Malitz); v. Gleichenstein, ZIP 2008, 1151 ff. 11) OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.3.2013 – 2 Ws 561/12, ZInsO 2013, 882, 889 = ZIP 2013, 748 (LS); OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.11.2013 – 2 Ws 508/13, ZIP 2013, 2489, 2490, dazu EWiR 2014, 199 (Neußner); a. A. OLG Hamm, Beschl. v. 20.6.2013 – 2 Ws 80/13, ZIP 2013, 2485 ff; KG, Beschl. v. 10.6.2013 – 2 Ws 190/13 – 141 AR 168/13, ZIP 2013, 2483. 12) BFH, Urt. v. 12.4.2005 – VII R 7/03, ZIP 2005, 1182 f = ZVI 2005, 417; OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 22.1.2003 – 17 U 69/02, ZInsO 2003, 283 f, dazu krit. Dümig, EWiR 2003, 873 f. 13) OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 17.9.2013 – 4 U 1719/13, ZIP 2014, 284. 14) OLG Köln, Beschl. v. 14.7.2010 – 2 Wx 86/10, ZIP 2010, 1763 = ZVI 2011, 62, 63; LG Bonn, Beschl. v. 2.12.2003 – 4 T 519/03, ZIP 2004, 1374, 1375, dazu krit. Gerhardt, EWiR 2004, 861 f; LG Berlin, Beschl. v. 25.9.2001 – 86 T 574/01, 86 T 581/01, 86 T 582/01, ZIP 2001, 2293 f; Raebel in: FS Kirchhof, S. 443, 451 f; Keller, ZIP 2000, 1324, 1329 Fn. 67; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 88 Rz. 24; krit. Gerhardt in: FS Greiner, S. 31, 37 f; a. A. Grothe, KTS 2001, 205, 227; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 88 Rz. 17. 15) BGH, Urt. v. 23.3.2006 – IX ZR 116/03, ZIP 2006, 916 f = ZVI 2006, 248, dazu EWiR 2006, 537 (Eckardt). 16) BT-Drucks. 17/11268, S. 22 f.
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Breitenbücher
§ 88
Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung
deutlich vor der Verfahrenseröffnung Kenntnis von der wirtschaftlich schwierigen Situation des Schuldners und über den Plan nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 auch Informationen über die Vermögenswerte des Schuldners.17) Unerheblich ist, ob dem Schuldnerantrag und dem außergerichtlichen Einigungsversuch ein Gläubigerantrag vorausgegangen ist.18) Wurde kein außergerichtlicher Einigungsversuch unternommen, verbleibt es mangels weitergehender Kenntnis der Gläubiger bei der Monatsfrist.19) III. Rechtsfolge § 88 hat dingliche Wirkung. Von der Rückschlagsperre betroffene Sicherungen werden mit Eröffnung kraft Gesetzes nicht nur relativ, sondern absolut, d. h. gegenüber jedermann, insbesondere auch gegenüber anderen Absonderungsberechtigten, und nicht nur gegenüber den Insolvenzgläubigern bzw. der Masse, (schwebend) unwirksam.20) Diese Wirkung tritt zu dem im Eröffnungsbeschluss angegebenen Eröffnungszeitpunkt, § 27 Abs. 2 Nr. 3, hilfsweise zur Mittagsstunde nach § 27 Abs. 3, und nicht erst mit Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses ein.21) Sie erfasst daher auch Sicherungen an solchen Gegenständen, die noch vor der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses aus der Masse freigegeben wurden.22) Für eine Unterbrechung von Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 240 ZPO ist neben den speziellen Regelungen der §§ 88 ff kein Raum.23)
9
Die Unwirksamkeit kraft Gesetzes erfasst nur die materiell-rechtlichen Wirkungen der Pfändung, also das Pfändungspfandrecht als Absonderungsrecht gemäß § 50 Abs. 1. Dagegen entfällt die öffentlich-rechtliche Verstrickung nicht automatisch;24) die Vollstreckungsanordnung muss vielmehr aufgehoben werden. Solange die Verstrickung fortbesteht, kommt ein Wiederaufleben der Sicherung im Falle der Freigabe des Sicherungsgegenstandes aus der Masse durch den Insolvenzverwalter oder nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ohne Verwertung des Gegenstandes in Betracht.25) Die Unwirksamkeit ist insofern eine schwebende.26)
10
Bei der Forderungspfändung besteht im Hinblick auf die Möglichkeit der befreienden Leistung des Drittschuldners an den Gläubiger gemäß § 836 Abs. 2 ZPO ein rechtliches Interesse an einer förmlichen Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, soweit der Gläubiger nicht gemäß § 843 ZPO von der Pfändung
11
_____________ 17) 18) 19) 20)
21) 22) 23) 24) 25) 26)
BT-Drucks. 17/11268, S. 23. BT-Drucks. 17/11268, S. 22. BT-Drucks. 17/11268, S. 23. BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 480 = ZVI 2006, 210; Raebel in: FS Kirchhof, S. 443, 452; Kayser in: HK-InsO, § 88 Rz. 34; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 88 Rz. 19. BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 480 = ZVI 2006, 210. BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 480 = ZVI 2006, 210. BGH, Beschl. v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, ZIP 2007, 983 = ZVI 2007, 254, dazu EWiR 2008, 319 (Naraschewski). BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 Rz. 11 = ZVI 2011, 457. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 Rz. 6, 11 = ZVI 2011, 457. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 Rz. 6, 11 = ZVI 2011, 457; BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZVI 2011, 248, dazu EWiR 2011, 511 (Lüke/Scherz).
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§ 88
Vollstreckung vor Verfahrenseröffnung
Abstand nimmt.27) Die Aufhebung der angeordneten Vollstreckungsmaßnahme ist von Amts wegen oder auf Vollstreckungserinnerung des Insolvenzverwalters nach § 766 ZPO hin vom Vollstreckungsorgan vorzunehmen und damit die Verstrickung zu beseitigen.28) Offengelassen hat der Bundesgerichtshof, ob hierfür das Insolvenzgericht anstelle des Vollstreckungsgerichts funktionell zuständig ist, wofür die dem § 89 Abs. 2 vergleichbare Interessenlage, d. h. die Sachnähe des Insolvenzgerichts sprechen dürfte.29) 12
Wird eine Zwangshypothek nach § 88 unwirksam, führt dies nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht zum Entstehen einer Eigentümergrundschuld.30) Solange die Buchposition und damit die Verstrickung noch fortbesteht, kann die Sicherung durch Freigabe des belasteten Gegenstands oder Beendigung des Insolvenzverfahrens entsprechend § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB ohne Neueintragung wieder wirksam werden.31) Für den Rang ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes auf den Tag der Konvaleszenz abzustellen, sodass mehrere betroffene Rechtspositionen gemäß § 879 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB den gleichen Rang innehaben.32) Vorzugswürdig erscheint jedoch im Hinblick auf die Rangfolge eine analoge Anwendung von § 185 Abs. 2 Satz 2 BGB, d. h. im Ergebnis das Bestehenbleiben der ursprünglichen Rangfolge. Wurde das Sicherungsrecht bereits gelöscht, muss die Vollstreckungsanordnung des Grundbuchamtes auf Antrag des Gläubigers neu ergehen.33)
13
Die Zwangshypothek kann nach erfolgreicher Grundbuchberichtigungsklage gemäß § 894 BGB oder im Grundbuchverfahren aufgrund einer Bewilligung des Gläubigers oder aufgrund eines Unrichtigkeitsnachweises gelöscht und einstweiliger Rechtsschutz nach § 899 BGB in Anspruch genommen werden.34) Der, sofern die Hypothek nicht erst im letzten Monat vor Eröffnung eingetragen wurde, von den _____________ 27) BGH, Beschl. v. 1.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372, 1373 Rz. 11 = ZVI 2011, 457; LG Gera, Beschl. v. 8.8.2006 – 5 T 240/06, ZVI 2007, 181 f. 28) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 Rz. 11 = ZVI 2011, 457; OLG Köln, Beschl. v. 8.8.2003 – 2 Ws 433/03, ZIP 2004, 2013, 2014 = ZVI 2004, 675, dazu EWiR 2005, 357 (Schmerbach); Landfermann in: Kölner Schrift, S. 171 f, Rz. 39. 29) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 284/09, ZIP 2011, 1372 Rz. 5 = ZVI 2011, 457; LG Kassel, Beschl. v. 11.11.2005 – 3 T 813/05, BeckRS 2010, 11572; AG Duisburg, Beschl. v. 11.10.2011 – 62 IK 374/10, ZVI 2012, 29 = NZI 2011, 944; Kuleisa, ZVI 2014, 121, 125. 30) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 481 = ZVI 2006, 210; abl. Demharter, Rpfleger 2006, 256 f (Urteilsanm.); krit. auch Keller, ZIP 2006, 1174 ff; sowie wohl auch OLG Köln, Beschl. v. 14.7.2010 – 2 Wx 86/10, ZIP 2010, 1763 = ZVI 2011, 62, 64; a. A. BayObLG, Beschl. v. 15.6.2000 – 2 Z BR 46/00, ZIP 2000, 1263 f = ZInsO 2000, 455, dazu EWiR 2000, 887 (Hintzen). 31) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 482 = ZVI 2006, 210; offengelassen, ob bei Forderungspfändung Pfändungspfandrecht „wiederaufleben“ kann oder Notwendigkeit erneuter Zustellung an Drittschuldner nach § 829 Abs. 3 ZPO entgegensteht; gegen Anwendung von § 88 bei Freigabe Gundlach/Frenzel, EWiR 2006, 317; Gundlach/ Frenzel/Schmidt, NZI 2005, 663 f. 32) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 482 = ZVI 2006, 210. 33) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 482 = ZVI 2006, 210. 34) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479, 428 Rz. 22 = ZVI 2006, 210; OLG München, Beschl. v. 27.10.2011 – 34 Wx 435/11, ZIP 2012, 382, 383 = FGPrax 2012, 13; OLG Köln, Beschl. v. 14.7.2010 – 2 Wx 86/10, ZIP 2010, 1763, 1765 = ZVI 2011, 62 – rechtliches Gehör des Gläubigers.
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§ 89
Vollstreckungsverbot
§§ 22, 29 GBO verlangte formgerechte Nachweis des Zeitpunkts des Eingangs des Insolvenzantrags kann allerdings nach der Rechtsprechung des (Grundstücks-)Senats nicht durch eine hierüber ausgestellte Bescheinigung des Insolvenzgerichts geführt werden.35) _____________ 35) BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZB 219/11, ZIP 2012, 1767, 1769 Rz. 17 ff, dazu Eckhardt, EWiR 2012, 631; OLG Hamm, Beschl. v. 21.8.2013 – 15 W 392/12, ZInsO 2014, 150 f.
§ 89 Vollstreckungsverbot (1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. (2) 1Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge sind während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind. 2Dies gilt nicht für die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist. (3) 1Über Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, entscheidet das Insolvenzgericht. 2Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei. Literatur: Althammer/Löhnig, Das Insolvenzgericht in der Rolle des Vollstreckungsgerichts – Funktionelle Zuständigkeit und Rechtsbehelfssystem, KTS 2004, 525; App, Anordnung der bußgeldrechtlichen Erzwingungshaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners?, ZVI 2008, 197; App, Das Rechtsbehelfsverfahren gegen Vollstreckungsmaßnahmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, NZI 1999, 138; Kuleisa, Zwangsvollstreckung in der Insolvenz – wer darf wann vollstrecken und was ist gegen unzulässige Vollstreckungsmaßnahmen zu tun?, ZVI 2014, 121; Schäferhoff, Das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht – eine Odyssee, ZVI 2008, 331. Übersicht I.
Allgemeines Vollstreckungsverbot für Insolvenzgläubiger ........................ 1 II. Generelles Vollstreckungsverbot in künftige Bezüge ............................... 6 III. Rechtsfolgen ......................................... 9
I.
IV. Rechtsschutz ....................................... 10 1. Sachliche Zuständigkeit und Prüfungsumfang .................................. 10 2. Rechtsbehelf, Rechtsweg, funktionelle Zuständigkeit .............................. 13
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Allgemeines Vollstreckungsverbot für Insolvenzgläubiger
Absatz 1 schließt zur Sicherstellung der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger aus dem Vermögen des Schuldners jede Einzelzwangsvollstreckung wegen Insolvenzforderungen sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige, insolvenzfreie Vermögen des Schuldners für die Dauer des Insolvenzverfahrens Breitenbücher
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§ 89
Vollstreckungsverbot
aus.1) § 89 gilt zwar erst im eröffneten Verfahren. Erfasst werden vor Verfahrenseröffnung erfolgte Pfändungen allerdings dann, wenn sie sich auf künftige, erst nach Eröffnung entstandene Forderungen beziehen.2) 2
Das Vollstreckungsverbot gilt für Insolvenzgläubiger nach § 38 wie auch für nachrangige Insolvenzgläubiger nach § 39 im Gegensatz zu Aus- und Absonderungsberechtigten und Massegläubigern. Die Vollstreckung anderer Ansprüche als Geldforderungen ist unzulässig, soweit sie Insolvenzforderungen sind gemäß §§ 38, 45, so z. B. die Vollstreckung eines Nachbesserungsanspruchs durch Ermächtigung zur Selbstvornahme gemäß § 887 ZPO.3) Neugläubigern ist der Zugriff auf die Masse einschließlich eines massezugehörigen Neuerwerbs schon deshalb verwehrt, weil sie mit ihren nach Eröffnung durch den Schuldner begründeten Forderungen gar nicht am Verfahren und einer quotalen Befriedigung teilnehmen. In insolvenzfreies Vermögen des Schuldners, soweit vorhanden, können sie vollstrecken, soweit es sich nicht um künftige Forderungen nach § 89 Abs. 2 handelt.4)
3
Das Vollstreckungsverbot schützt aus der Masse freigegebene Gegenstände als „sonstiges Vermögen“.5) Hat der Verwalter gemäß § 35 Abs. 2 erklärt, dass Vermögen aus einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört, wird auch dieses durch § 89 vor Einzelzwangsvollstreckungen durch „(Alt-)Insolvenzgläubiger“ geschützt.6) Der Eröffnung eines zweiten, auf den freigegebenen Neuerwerb beschränkten Insolvenzverfahrens steht § 89 dagegen nicht entgegen (hierzu ausführlich § 35 Rz. 32).7)
4
Für Insolvenzgläubiger, die durch ein Absonderungsrecht an Gegenständen der Masse gesichert sind, gilt das Vollstreckungsverbot grundsätzlich nur insoweit, als sie ihre persönliche Forderung verfolgen.8) Die isolierte Pfändung der mithaftenden Miete oder Pacht aufgrund des dinglichen Titels eines Grundpfandgläubigers verbietet allerdings schon § 49 (vgl. hierzu § 49 Rz. 3).9) Wird ein Zwangsverwaltungsverfahren uneingeschränkt aufgehoben, ist es dem Grundpfandgläubiger nach § 89 untersagt, den Anspruch der Masse gegen den Zwangsverwalter auf Auskehr des Erlösüberschusses zu pfänden.10) _____________ 1) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 137, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 265, 266. 2) AG Göttingen, Beschl. v. 3.3.2008 – 74 IK 345/07, ZVI 2008, 178 f. 3) OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.9.2011 – 10 W 9/11, ZInsO 2011, 2292 = ZIP 2012, 946 (LS); Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 89 Rz. 9. 4) BGH, Urt. v. 26.9.2013 – IX ZR 3/13, ZIP 2014, 137 Rz. 8, dazu EWiR 2014, 253 (Floeth); BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – IX ZB 57/12, ZIP 2014, 480 zum prozessualen Kostenerstattungsanspruch bei Klageerhebung nach Eröffnung, dazu EWiR 2014, 287 (Breitenbücher). 5) BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZIP 2009, 818, 820 Rz. 12 = ZVI 2009, 205, dazu EWiR 2009, S. 545 (Kexel). 6) BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, ZIP 2012, 533, 536 Rz. 28, dazu EWiR 2012, 287 (Henkel). 7) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZIP 2011, 1326, 1327 Rz. 10 = ZVI 2011, 448, dazu EWiR 2011, 751 (R. Weiß/Rußwurm). 8) BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZIP 2009, 818, 819 Rz. 4 = ZVI 2009, 205. 9) BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448, dazu EWiR 2007, 281 (Freudenberg). 10) BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 197/11, ZIP 2013, 2331, 2332 Rz. 7.
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Breitenbücher
§ 89
Vollstreckungsverbot
Der Begriff der Zwangsvollstreckung entspricht der Terminologie der ZPO und erfasst alle dort im Achten Buch genannten Maßnahmen. Er erfasst insbesondere auch den Arrest, die einstweilige Verfügung zur Erwirkung der Eintragung einer Vormerkung ins Grundbuch11) und das Verfahren der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung.12) Nicht von dem Vollstreckungsverbot erfasst werden dagegen die Zwangsvollstreckung nur vorbereitende Maßnahmen, wie z. B. die Erklärung eines Urteils für vorläufig vollstreckbar, die Erteilung einer Vollstreckungsklausel oder die Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Vollstreckungstitel.13) Unzulässig ist auch die Verwaltungsvollstreckung öffentlich-rechtlicher Insolvenzforderungen, insbesondere von Steuerforderungen.14) Der Vollstreckung von Bußgeldbescheiden durch Anordnung von Erzwingungshaft15) sowie der Vollstreckung von Geldstrafen durch Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe16) steht § 89 dagegen nicht entgegen.
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II. Generelles Vollstreckungsverbot in künftige Bezüge Weiter erklärt Absatz 2 die Vollstreckung in künftige Bezüge des Schuldners aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge (zum Begriff § 287 Rz. 22 ff) während des Insolvenzverfahrens grundsätzlich auch für andere als Insolvenzgläubiger, insbesondere für Massegläubiger, Neugläubiger sowie Gläubiger von Unterhaltsansprüchen, die im Verfahren nicht geltend gemacht werden können, für unzulässig, um sie für die Zwecke der Restschuldbefreiung zu reservieren.17)
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Künftige Bezüge sind solche für die Zeit nach der Beendigung des Verfahrens.18) Das Vollstreckungsverbot gilt nicht für Gläubiger, die keine Insolvenzgläubiger sind, wegen eines Unterhaltsanspruchs oder einer Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung. Diese dürfen nach Satz 2 in den für sie nach den §§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO erweitert pfändbaren, nicht von einer Abtretung nach § 287 Abs. 2 erfassten Teil der Bezüge vollstrecken.19)
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_____________ 11) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 137 und Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/ 7302, S. 156, beides abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 266. 12) BGH, Beschl. v. 24.5.2012 – IX ZB 275/10, ZIP 2012, 1311, 1312 Rz. 10 ff; hierzu Budnik, EWiR 2012, 733; ausführlich Kuleisa, ZVI 2014, 121 f. 13) BGH, Beschl. v. 24.5.2012 – IX ZB 275/10, ZIP 2012, 1311, 1312 Rz. 11; BGH, Beschl. v. 12.12.2007 – VII ZB 108/06, ZIP 2008, 527, 528 = ZVI 2008, 113. 14) BFH, Urt. v. 27.11.1974 – I R 185/73, WM 1975, 989 f = BStBl. II 1975, 208; FG Münster, Beschl. v. 6.11.2002 – 8 V 3326/02 E, Ki, 8 V 3789/02 G, U, 8 V 3326/02 E, Ki, EFG 2003, 477 ff; App, InVo 1999, 65, 67; Kemper-Käppel, Teil 5b, S. 10; Breuer in: MünchKommInsO, § 89 Rz. 13, 40; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 89 Rz. 4, 22. 15) LG Deggendorf, Beschl. v. 28.3.2012 – 1 Qa (b) 62/12, openJur 2012, 121882; LG Potsdam, Beschl. v. 14.9.2006 – 21 Qs 108/06, ZInsO 2007, 390 ff = ZVI 2008, 529, dazu zust. App, EWiR 2007, 409 f; App, ZVI 2008, 197 ff; a. A. LG Bochum, Beschl. v. 4.12.2012 – 9 Qs 86/12, openJur 2013, 40534. 16) BVerfG, Beschl. v. 24.8.2006 – 2 BvR 1552/06, ZVI 2007, 23 = NZI 2006, 711 f. 17) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 137, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 266. 18) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 136, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 261 zu § 81 Abs. 2; Wimmer-App, FK-InsO, § 89 Rz. 19. 19) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.5.2001 – 3 W 36/01, ZInsO 2001, 625 f; Begr. RegE, BTDrucks. 12/2443, S. 137, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 266; AG Dortmund, Beschl. v. 9.5.2005 – 257 IK 45/02, ZVI 2005, 639 = NZI 2005, 463 f.
Breitenbücher
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§ 89 8
Vollstreckungsverbot
Wie sich aus der Anknüpfung an Satz 1 ergibt, kommt dieses Vollstreckungsprivileg nur Neugläubigern von Unterhalts- und Deliktsansprüchen zugute, nicht dagegen Unterhalts- und Deliktsgläubigern, die an dem Insolvenzverfahren teilnehmen.20) Auch aus einem vom Unterhaltsgläubiger bereits vor Verfahrenseröffnung erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss kann während des Insolvenzverfahrens nur wegen laufender Unterhaltsansprüche, nicht dagegen wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit vor Eröffnung die Zwangsvollstreckung betrieben werden, § 114 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 a. F. i. V. m. § 89 Abs. 2 Satz 2.21) Der Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB ist kein Unterhalts-, sondern ein Schadensersatzanspruch. Seine Vollstreckung ist daher nur dann privilegiert, wenn die unerlaubte Handlung vorsätzlich begangen wurde.22) Unter den Begriff der privilegierten Forderungen aus unerlaubter Handlung fallen nur solche Ansprüche, die nach materiellem Schadensrecht nach §§ 823 ff i. V. m. §§ 249 ff BGB ersatzfähig sind. Erfasst ist daher z. B. der prozessuale Kostenerstattungsanspruch im Gegensatz zum Anspruch wegen der Kosten einer Nebenklage im Strafverfahren.23) III. Rechtsfolgen
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Das Vollstreckungshindernis macht Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unzulässig. Es ist vom Vollstreckungsgericht wie auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu beachten.24) Eine gleichwohl vorgenommene Vollstreckung führt nach der gemischt privat-öffentlich-rechtlichen Theorie zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung, nicht aber zur Entstehung eines Pfändungspfandrechts.25) Für eine Unterbrechung des Zwangsvollstreckungsverfahrens nach § 240 ZPO ist neben den speziellen Regelungen in den §§ 88 ff kein Raum.26) IV. Rechtsschutz 1.
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Sachliche Zuständigkeit und Prüfungsumfang
Der Insolvenzverwalter ist befugt, den nach allgemeinem Vollstreckungsrecht statthaften Rechtsbehelf einzulegen.27) Der Schuldner selbst kann einen Rechtsbehelf nicht einlegen, da mit Verfahrenseröffnung die Verwaltungs- und Verfü_____________ 20) BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – IX ZB 16/06, ZIP 2007, 2330 f = ZVI 2008, 17; BAG, Urt. v. 17.9.2009 – 6 AZR 369/08, ZVI 2010, 61, 63 Rz. 19 = ZIP 2010, 952. 21) BAG, Urt. v. 17.9.2009 – 6 AZR 369/08, ZVI 2010, 61, 63 Rz. 18 = ZIP 2010, 952. 22) BGH, Beschl. v. 28.6.2006 – VII ZB 161/05, ZVI 2006, 347 f = ZIP 2006, 1604, dazu EWiR 2006, 725 (App). 23) BGH, Urt. v. 21.7.2011 – IX ZR 151/10, ZVI 2011, 334, 335 Rz. 13, 16 = ZIP 2011, 1633. 24) BGH, Beschl. v. 17.4.2013 – IX ZB 300/11, ZIP 2013, 1045, 1046 Rz. 8. 25) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 89 Rz. 21; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 89 Rz. 62 f; Landfermann in: Kölner Schrift, S. 159, 170. 26) BGH, Beschl. v. 28.3.2007 – VII ZB 25/05, ZIP 2007, 983 = ZVI 2007, 254, dazu EWiR 2008, 319 (Naraschewski). 27) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379 f = ZVI 2004, 625, dazu EWiR 2004, 1003 (Hintzen); OLG Jena, Beschl. v. 17.12.2001 – 6 W 695/01, ZVI 2002, 24 = ZInsO 2002, 134; Kemper-Käppel, Teil 5b, S. 7; a. A. App, NZI 1999, 138 f: Erinnerung statt Widerspruch nach VwGO oder Einspruch nach AO; Erinnerungsbefugnis des Schuldners, wenn insolvenzfreies Vermögen betroffen; so zur Erinnerungsbefugnis auch Breuer in: MünchKomm-InsO, § 89 Rz. 68; AG Dortmund, Beschl. v. 9.5.2005 – 257 IK 45/02, ZVI 2005, 639 = NZI 2005, 463 f.
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Breitenbücher
§ 89
Vollstreckungsverbot
gungsbefugnis über das zur Masse gehörende Vermögen gemäß § 80 auf den Verwalter übergegangen ist (§ 80 Rz. 9).28) Handlungsfähig bleibt er als Amtswalter nur bei angeordneter Eigenverwaltung. Das Insolvenzgericht kann jedoch einen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlassenen Haftbefehl auf Antrag des Schuldners wegen des Eingriffs in sein Freiheitsgrundrecht auch außerhalb eines Beschwerde- oder Erinnerungsverfahrens aufheben.29) Der Schuldner ist auch erinnerungsbefugt, wenn ein Neugläubiger, der ein Vollstreckungsprivileg nach den §§ 850d, 850f ZPO für sich in Anspruch nimmt, gemäß Absatz 2 Satz 2 in nicht zur Masse gehörende pfändungsfreie Einkünfte vollstreckt.30) Wegen des Sachzusammenhangs zwischen Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenzverfahren soll nach Absatz 3 Satz 1 das Insolvenzgericht über Verstöße gegen die Absätze 1 und 2 entscheiden und einstweilige Anordnungen erlassen können.31) Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ist nicht nur begründet, wenn mit einem Rechtsbehelf nach durchgeführter Zwangsvollstreckung Verstöße gegen Absatz 1 und Absatz 2 gerügt werden, sondern auch dann, wenn Vollstreckungsorgane unter Berufung auf diese Vollstreckungsverbote den Erlass von Vollstreckungsmaßnahmen ablehnen.32) Ist die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts begründet, da sich der Schuldner auf die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung nach Absatz 1 beruft, hat das Gericht nicht nur „insolvenzspezifische“ Einwendungen, sondern alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zu überprüfen, um eine gespaltene Zuständigkeit und verfahrensunökonomische Abwicklung zu vermeiden.33) Der Zuständigkeitstransfer tritt nicht stets, sondern nur dann ein, wenn nach allgemeinen Vorschriften das Vollstreckungsgericht zuständig wäre.34)
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Absatz 3 ist analog auf die Erinnerung wegen Verstoßes gegen das Vollstreckungsverbot des § 210 und des § 9035) sowie gegen den bisherigen § 114 Abs. 3 a. F.36) anwendbar, nicht dagegen auf die Erinnerung wegen Einwendungen, die aufgrund der Anordnung eines Vollstreckungsverbots im Eröffnungsverfahren gemäß § 21
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_____________ 28) BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – V ZB 3/08, ZVI 2008, 344, 345 Rz. 8 = ZIP 2008, 1795, dazu EWiR 2008, 597 (Keller). 29) AG Frankfurt/O., Beschl. v. 3.1.2013 – 3 IK 825/12, ZVI 2013, 105, 106. 30) Schäferhoff, ZVI 2008, 331. 31) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 138, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 266; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.2002 – 19 Sa 113/01, NZI 2002, 388; Kayser in: HK-InsO, § 89 Rz. 34; Abgabe bei Rüge weiterer Verstöße Ganter in: MünchKommInsO, § 6 Rz. 63 f; App, NZI 1999, 138, 140. 32) BGH, Beschl. v. 27.9.2007 – IX ZB 16/06, ZIP 2007, 2330 = ZVI 2008, 17; Schäferhoff, ZVI 2008, 331, 332. 33) AG Göttingen, Beschl. v. 2.10.2007 – 71 IN 227/03, ZVI 2007, 573 = ZInsO 2007, 1265. 34) OLG Jena, Beschl. v. 17.12.2001 – 6 W 695/01, ZVI 2002, 24 = ZInsO 2002, 134; Landfermann in: Kölner Schrift, S. 159, 170 Rz. 36; Kayser in: HK-InsO, § 89 Rz. 34; Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 89 Rz. 30; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 89 Rz. 36; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 89 Rz. 43; Breuer in: MünchKommInsO, § 89 Rz. 66; Althammer/Löhnig, KTS 2004, 525, 529; App, InVo 1999, 65, 68; App, NZI 1999, 138 f. 35) BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 11/04, ZIP 2006, 1999 f = ZVI 2000, 200. 36) BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZIP 2011, 871 = ZVI 2011, 248, dazu EWiR 2011, 511 (Lüke/Scherz).
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§ 90
Vollstreckungsverbot bei Masseverbindlichkeiten
Abs. 2 Nr. 3 erhoben werden37) und auch nicht auf Verstöße gegen das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 im Restschuldbefreiungsverfahren.38) Das Insolvenzgericht bleibt jedoch auch in der Restschuldbefreiungsphase zuständig, wenn der Rechtsbehelf noch während des laufenden Insolvenzverfahrens eingelegt wurde.39) 2. 13
Rechtsbehelf, Rechtsweg, funktionelle Zuständigkeit
Über die gegen Vollstreckungsakte in der Mobiliarvollstreckung grundsätzlich statthafte Erinnerung entscheidet das Insolvenzgericht in funktioneller Zuständigkeit des Insolvenzrichters nach § 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG.40) Vor der richterlichen Entscheidung ist der Rechtspfleger am Vollstreckungsgericht als Erlassgericht, nicht der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts zur Entscheidung über die Abhilfe nach § 766 ZPO, § 89 berufen.41) Hat die angegriffene Maßnahme Entscheidungscharakter, kann auch ein Verstoß gegen § 89 nur mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden, § 567 Abs. 1, § 793 ZPO.42) Entscheidet das Insolvenzgericht kraft der besonderen Zuweisung in Absatz 3 funktional als Vollstreckungsgericht, richtet sich der Rechtsmittelzug nicht nach den §§ 6, 7, sondern nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften.43) _____________ 37) AG Köln, Beschl. v. 23.6.1999 – 73 IK 1/99, NZI 1999, 381; AG Rostock, Beschl. v. 10.1.2000 – 64 M 6512/99, NZI 2000, 142; LG München I, Beschl. v. 11.4.2000 – 20 T 4326/00, Rpfleger 2000, 467; AG Dresden, Beschl. v. 6.2.2004 – 532 IN 3310/03, ZIP 2004, 778; dazu zust. Fuchs, EWiR 2004, 345 f; a. A. AG Göttingen, Beschl. v. 14.8.2003 – 74 AR 16/03, NZI 2003, 612; AG Hamburg, Beschl. v. 25.9.2007 – 903a M 1240/07, nrkr., ZIP 2008, 43 f = ZInsO 2007, 1166. 38) LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.4.2012 – 5 T 203/12, VIA 2012, 63; LG Köln, Beschl. v. 14.8.2003 – 19 T 92/03, ZVI 2004, 53, 54 = NZI 2003, 669; a. A. Wimmer-Ahrens, FK-InsO, § 294 Rz. 29. 39) AG Göttingen, Beschl. v. 2.10.2006 – 74 IN 351/05, ZVI 2006, 522 = NZI 2006, 714. 40) BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – IX ZB 287/03, ZIP 2005, 1616 = ZVI 2006, 29; BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732 = ZVI 2004, 197, dazu EWiR 2004, 1231 (Lüke/ Ellke); AG Köln, Beschl. v. 4.11.2010 – 73 IN 206/10, BeckRS 2011, 05602; Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, § 89 Rz. 44; a. A. wohl BGH, Beschl. v. 18.5.2011 – X ARZ 95/11, ZIP 2011, 1283, 1284. 41) AG Köln, Beschl. v. 4.11.2010 – 73 IN 206/10, BeckRS 2011, 05602. 42) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379 f = ZVI 2004, 625; OLG Jena, Beschl. v. 17.12.2001 – 6 W 695/01, ZVI 2002, 24 = ZInsO 2002, 134. 43) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732 = ZVI 2004, 197, dazu zust. Lüke, EWiR 2004, 1231 f; BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379 f = ZVI 2004, 625; BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; a. A. Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 6 Rz. 78; Althammer/Löhnig, KTS 2004, 525, 533.
§ 90 Vollstreckungsverbot bei Masseverbindlichkeiten (1) Zwangsvollstreckungen wegen Masseverbindlichkeiten, die nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden sind, sind für die Dauer von sechs Monaten seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig. (2) Nicht als derartige Masseverbindlichkeiten gelten die Verbindlichkeiten: 1. 588
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat; Breitenbücher
§ 90
Vollstreckungsverbot bei Masseverbindlichkeiten
2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter kündigen konnte;
3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch nimmt.
Literatur: Breitenbücher, Masseunzulänglichkeit, 2007. Übersicht I.
I.
Bedeutung und Anwendungsbereich ................................................... 1
II. Rechtsfolgen ......................................... 4 Breitenbücher
Bedeutung und Anwendungsbereich
Um ein Auseinanderreißen der Masse in der Anfangsphase des Verfahrens zu verhindern und dem Insolvenzverwalter ausreichenden Bewegungsspielraum zu verschaffen, ordnet Absatz 1 ein auf die ersten sechs Monate seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens befristetes gesetzliches Vollstreckungsverbot für Massegläubiger an, deren Forderungen nicht durch eine Rechtshandlung des Verwalters entstanden sind, sog. oktroyierte Masseverbindlichkeiten, wozu insbesondere solche aus fortbestehenden Dauerschuldverhältnissen gehören (§§ 108, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2).1) Aus dem Wortlaut des Absatzes 1 und seinem systematischen Zusammenhang mit Absatz 2 ergibt sich, dass vollstreckbare gewillkürte Masseverbindlichkeiten nur solche sind, die durch selbstbestimmtes Handeln des Verwalters ausgelöst wurden.2) Ein Schuldverhältnis ist unmittelbar durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters „begründet“, wenn dieser den Rechtsgrund dafür erst nach Verfahrenseröffnung gelegt hat, insbesondere durch eine Handlung i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1.3) Nach seinem Wortlaut erfasst das Vollstreckungsverbot auch im Eröffnungsverfahren nach § 55 Abs. 2 begründete Masseverbindlichkeiten.4)
1
Masseverbindlichkeiten aus vor Verfahrenseröffnung vom Schuldner begründeten Schuldverhältnissen gelten nach Absatz 2 als vom Verwalter freiwillig begründet, wenn dieser die Möglichkeit zu ihrer Verhinderung gehabt hätte.5) Absatz 2 Nr. 1 knüpft an das Wahlrecht des Verwalters nach § 103 an und erfasst die Massever-
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2)
3)
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Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 138, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 267, 268; Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 165, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 268. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 138, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 267; BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 363 = ZIP 2003, 914 – zu § 209 Abs. 1 Nr. 2, dazu EWiR 2003, 651 (Tetzlaff); Breitenbücher, Masseunzulänglichkeit, S. 78 ff, 83 f; für enge Auslegung des Vollstreckungsverbots Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 90 Rz. 6; Kayser in: HK-InsO, § 90 Rz. 3. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 138, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 267; zu § 209 Abs. 1 Nr. 2: BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 363 = ZIP 2003, 914, 468; BAG, Urt. v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, ZIP 2004, 1660 f = DB 2004, 2053, dazu EWiR 2004, 1139 (Schneider). Nerlich/Römermann-Wittkowski, InsO, § 90 Rz. 4; Breutigam/Blersch/Goetsch-Blersch/ v. Olshausen, InsR, § 90 InsO Rz. 5; a. A. Kayser in: HK-InsO, § 90 Rz. 2; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 90 Rz. 10; Wimmer-App, FK-InsO, § 90 Rz. 4; Kübler/Prütting/ Bork-Lüke, InsO, § 90 Rz. 10. BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 365 = ZIP 2003, 914.
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§ 90
Vollstreckungsverbot bei Masseverbindlichkeiten
bindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1.6) Absatz 2 Nr. 2 betrifft Masseverbindlichkeiten aus nach § 108 fortbestehenden Dauerschuldverhältnissen für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach Verfahrenseröffnung kündigen konnte (zum Begriff des „Könnens“ vgl. die Rechtsprechung des BAG zu § 209 Abs. 2 Nr. 2, unten § 209 Rz. 6).7) Vor Eröffnung gekündigte Verträge sind erneut zu kündigen, wenn dies aufgrund der §§ 109, 113 zu einer früheren Beendigung führt. 3
Masseverbindlichkeiten für die Zeit der Kündigungsfrist sind aufgezwungen, es sei denn, der Verwalter nimmt die Gegenleistung in Anspruch (Abs. 2 Nr. 3).8) Unter „Inanspruchnahme“ ist – wie bei § 55 Abs. 2 Satz 2 und § 209 Abs. 2 Nr. 3 – ein Verhalten des Insolvenzverwalters zu verstehen, mit dem er die Gegenleistung nutzt, obwohl er dies pflichtgemäß hätte verhindern können.9) Der Verwalter ist gehalten, von sich aus alles zu unternehmen, um die weitere Inanspruchnahme der Gegenleistung zu verhindern und hat daher, soweit er durch eine noch laufende Kündigungsfrist gebunden ist, die Vertragspartner, insbesondere Arbeitnehmer, i. V. m. einer Kündigung von ihren Pflichten freizustellen (vgl. auch die Nachweise zu § 209 Abs. 2 Nr. 3, unten § 209 Rz. 9).10) Ein Vermieter ist aus seiner Überlassungspflicht „freizustellen“, indem ihm die weitere Nutzung der Mietsache durch Rückgewähr des unmittelbaren Besitzes oder bei fortdauernder Unter- oder Weitervermietung durch Übergabe des mittelbaren Besitzes einschließlich des Rechts, den Untermietzins einzuziehen, angeboten wird.11) II. Rechtsfolgen
4
Wie die §§ 88 und 89 ist auch § 90 Abs. 1 von Amts wegen zu beachten und verbietet sowohl Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach dem Achten Buch der ZPO wie auch die Verwaltungsvollstreckung.12) Eine dennoch ausgebrachte Zwangsvollstreckungsmaßnahme führt zwar zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung, nach der gemischt öffentlich-rechtlichen/privat-rechtlichen Theorie aber nicht zur Entstehung eines Pfändungspfandrechts.13) Absatz 1 lässt Fälligkeit und Verzug unbe_____________ 6) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 138, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 267, 268; BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 363 = ZIP 2003, 914. 7) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 90 Rz. 8; a. A. Wimmer-App, FK-InsO, § 90 Rz. 7 – keine Begrenzung auf § 108. 8) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 138, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 268; zu § 209 Abs. 1 Nr. 3: BAG, Urt. v. 31.3.2004 – 10 AZR 253/03, ZIP 2004, 1323, 1326, dazu EWiR 2004, 815 (Bork). 9) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 365 = ZIP 2003, 914; BGH, Urt. v. 4.12.2003 – IX ZR 222/02, ZIP 2004, 326, 329 = ZVI 2004, 105, dazu EWiR 2004, 349 (Pape); a. A. Marotzke, Gegenseitige Verträge, S. 549 Rz. 14.49 f – „Verlangen“ zu § 55 Abs. 2. 10) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 220, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 439; BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 366 = ZIP 2003, 914; Uhlenbruck, NZI 2003, 372 f (Urteilsanm.). 11) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 366 = ZIP 2003, 914. 12) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 90 Rz. 18; Wimmer-App, FK-InsO, § 90 Rz. 3. 13) Heilungsmöglichkeit mit Ablauf der Schutzfrist Kayser in: HK-InsO, § 90 Rz. 14; a. A. Wimmer-App, FK-InsO, § 90 Rz. 3.
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Breitenbücher
§ 91
Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs
rührt, sodass die vereinbarten oder gesetzlichen Zinsen weiterlaufen und als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind.14) Der nach allgemeinem Vollstreckungsrecht statthafte Rechtsbehelf kann nur vom Verwalter eingelegt werden, § 89 Abs. 3 ist analog anwendbar.15) _____________ 14) Begr. RA z. RegE InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 165, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWSDok. 18, S. 268; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 90 Rz. 3; Eckert, ZIP 1996, 897, 906; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 90 Rz. 3. 15) Kayser in: HK-InsO, § 90 Rz. 15; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 90 Rz. 20; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 90 Rz. 23; Landfermann in: Kölner Schrift, S. 174 Rz. 46; Vallender ZIP 1997, 1993, 1999.
§ 91 Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs (1) Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. (2) Unberührt bleiben die §§ 878, 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 3 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, § 5 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen und § 20 Abs. 3 der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung. Literatur: Eickmann, Die Verfügungsbeschränkungen des § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO und der Immobiliarrechtsverkehr, in: Festschrift für Wilhelm Uhlenbruck, 2000, S. 149; Gehrlein, Erwerb von Rechten zu Lasten der Insolvenzmasse im Eröffnungsstadium, ZIP 2011, 5; Gerhardt, Verfügungsbeschränkungen in der Eröffnungsphase und nach Verfahrenseröffnung, in: Kölner Schrift, 2000, S. 193; Kesseler, Die freien Teile von Grundschulden als Massebestandteil, ZIP 2014, 110. Übersicht I. II. 1. 2.
Vorbemerkung ..................................... Anwendungsbereich ............................ Gegenstände der Insolvenzmasse ........ Betroffene Rechte .................................
I.
Vorbemerkung
1 2 2 3
3. III. IV. V.
Zeitpunkt des Rechtserwerbs ............... 4 Rechtsfolge ........................................... 7 Einzelne Erwerbstatbestände .............. 8 Gutglaubensschutz nach Absatz 2 ... 19
Hofmann
Die Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit den Regelungen des § 81 über Verfügungen des Schuldners und der §§ 89, 90 über die Vollstreckungsverbote. Sie entspricht inhaltlich § 15 KO.1) § 91 bezweckt den Schutz der Insolvenzmasse und schließt die Lücken im System der §§ 81, 89, 90. Die Vorschrift ist letztlich Ausdruck des Insolvenzbeschlags. Nicht erfasst sind wegen § 80 Abs. 1 Verfügungen des Insolvenzverwalters.2) _____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 1; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 91 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 5.
Hofmann
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1
§ 91
Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs
II. Anwendungsbereich 1. 2
2. 3
Betroffene Rechte
Rechte i. S. des Absatzes 1 sind zunächst Vollrechte, d. h. Eigentum an Sachen bzw. Inhaberschaft an Forderungen oder sonstigen Rechten. Daneben betrifft Absatz 1 jedoch auch alle beschränkt dinglichen Rechte wie Pfandrechte, Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten.7) Gleiches gilt für Zurückbehaltungsrechte.8) Kein Fall des § 91 ist indes der Erwerb einer Forderung gegen den Schuldner nach Verfahrenseröffnung, da hiervon die Insolvenzmasse nicht betroffen ist. 3.
4
Gegenstände der Insolvenzmasse
Ausgehend vom Normzweck erfasst § 91 sämtliche Gegenstände der Insolvenzmasse. Die Vorschrift bezieht sich auf §§ 35, 36. Mit der Erweiterung des § 35 gegenüber der KO auf den Neuerwerb (§ 35 Rz. 14) wurde auch der Anwendungsbereich des § 91 gegenüber § 15 KO erweitert.3) Einem Rechtserwerb an Gegenständen des insolvenzfreien Vermögens (§ 35 Rz. 16 ff) des Schuldners steht § 91 nicht entgegen.4) Gleiches gilt für Vermögen aus einem gemäß § 35 Abs. 2 freigegebenen Geschäftsbetrieb.5) Erhält der Schuldner die Verfügungsbefugnis durch Freigabe oder infolge der Beendigung des Insolvenzverfahrens zurück, so erstarkt ein zuvor von § 91 verhinderter gestreckter Rechtserwerb infolge Konvaleszens, sofern er auf einer Verfügung des Schuldners beruhte.6)
Zeitpunkt des Rechtserwerbs
§ 91 hindert jeden Rechtserwerb, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anders als durch Verfügung des Schuldners oder Zwangsvollstreckung abgeschlossen wird. Verfügungen des Schuldners nach Eröffnung sind bereits nach § 81 unwirksam. Bedeutung hat § 91 vor allem bei gestreckten Erwerbsvorgängen sowie bei Rechten an zukünftigen Gegenständen. Bei mehraktigen Erwerbsvorgängen ist maßgebend der letzte zum Rechtserwerb erforderliche Tatbestand.9) Bei Rechten an zukünftigen Sachen und Forderungen entscheidet das Entstehen des Gegenstands,10) es sei denn der Rechtserwerber hatte bereits bei Verfahrenseröffnung eine gesicherte Rechtsposition.11) Im Fall der Vorausabtretung kontokorrentgebundener Forderungen hindert § 91 einen Rechtserwerb für den Fall, dass die entsprechende Saldoforderung gemäß §§ 115, 116 erst mit der Verfahrenseröffnung _____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
11)
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Gerhardt in: Kölner Schrift, S. 193 Rz. 51. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 3; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 8. BGH, Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, ZIP 2013, 1181, dazu EWiR 2013, 551 (Hofmann). BGH, Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, ZIP 2013, 1181, 1183 f, dazu EWiR 2013, 551 (Hofmann). Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 16. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 17. BGH, Urt. v. 30.10.1974 – VIII ZR 81/73, NJW 1975, 122; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 13. BGH, Urt. v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380, 382 = ZInsO 2009, 383, dazu EWiR 2009, 317 (Schulz/Schröder); BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, ZIP 2006, 1254 = ZVI 2006. BGH, Urt. v. 8.1.2009 – IX ZR 217/07, ZIP 2009, 380, 382 = ZInsO 2009, 383.
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§ 91
Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs
entsteht.12) Hingegen hat das Entstehen der zu sichernden Forderung erst nach Verfahrenseröffnung im Falle eines Sicherungsrechts auf den bereits abgeschlossenen Erwerb des Sicherungsrechts keine Auswirkung.13) War der Rechtserwerb bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen, so ist dieser wirksam. Da § 24 nur auf §§ 81, 82 verweist, kommt eine Anwendung des § 91 im Insolvenzeröffnungsverfahren auch bei Anordnung von Verfügungsbeschränkungen nicht in Betracht.14) Dies gilt auch für Vorausverfügungen des Schuldners, namentlich für Verrechnungs- und Kontokorrentvereinbarungen.15) Möglich ist ggf. jedoch eine Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff, die bei allen Rechtshandlungen „vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ offensteht.16) Die §§ 129 ff und 91 schließen sich damit in ihren zeitlichen Anwendungsbereichen gegenseitig aus.
5
Maßnahmen zur Rechtserhaltung und -sicherung, beispielsweise auch Poolvereinbarungen, berühren die Insolvenzmasse nicht und bleiben deshalb von § 91 unberührt.17) Gleiches gilt für die letztlich nur noch deklaratorische Grundbuchberichtigung.18)
6
III. Rechtsfolge Liegt der Tatbestand des Absatzes 1 vor, so ist der Rechtserwerb nicht nur relativ gegenüber den Insolvenzgläubigern, sondern absolut unwirksam.19) Eine Genehmigung durch den Insolvenzverwalter ist jedoch – wie bei § 81 (dort Rz. 6) – analog § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB zulässig.20)
7
IV. Einzelne Erwerbstatbestände Hat der Schuldner vor Verfahrenseröffnung unter einer aufschiebenden Bedingung verfügt, so steht § 91 einem Rechtserwerb infolge des Bedingungseintritt nicht entgegen, da der Erwerber bereits vor Verfahrenseröffnung ein durch § 161 BGB geschütztes Anwartschaftsrecht erworben hat und daher die Insolvenzmasse _____________ 12) BGH, Urt. v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08, BGHZ 181, 362 = ZIP 2009, 1529, dazu EWiR 2009, 777 (Junghans). 13) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191, 192 = ZVI 2001, 72, dazu EWiR 2007, 185 (Gundlach/Frenzel), m. Anm. Mitlehner, ZIP 2007, 804 – zum Vermieterpfandrecht; OLG Dresden, Urt. v. 11.1.2007 – 13 U 2119/05, ZIP 2007, 640, 641, dazu EWiR 2007, 309 (Stahlschmidt), zur Sicherungsabtretung an Kautionsversicherer bei Bürgschaftsinanspruchnahme nach Verfahrenseröffnung. 14) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191 = ZVI 2001, 72; Eickmann in: FS Uhlenbruck, S. 149, 151; Gehrlein, ZIP 2011, 5, 7; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 15. 15) BGH, Urt. v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737, 739 = BGHZ 135, 140; Bork, Zahlungsverkehr, Rz. 40. 16) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191, 192 = ZVI 2001, 72. 17) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 35; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NZI 2003, 142, 144 f. 18) Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 31 Rz. 34. 19) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 69. 20) OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.1991 – 10 U 124/90, ZIP 1992, 256, 257 f = WM 1992, 111, dazu EWiR 1992, 23 (H.-G. Eckert); Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 74.
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§ 91
Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs
nicht mehr berührt ist.21) Gleiches gilt im Fall der Übertragung eines aufschiebend bedingten Rechts, z. B. eines bereits bestehenden Anwartschaftsrechts.22) 9
Bedarf eine Verfügung des Schuldners der Genehmigung eines Dritten, die erst nach Verfahrenseröffnung erteilt wird, so wird die Wirksamkeit des Rechtserwerbs wegen der Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB nicht von § 91 berührt.23)
10
Hat der Schuldner vor Eröffnung als Nichtberechtigter über einen Gegenstand verfügt, der nach Eröffnung für die Masse erworben wird, so hindert Absatz 1 einen Erwerb durch Konvaleszenz gemäß § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB.24)
11
Einen gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen vom Nichtberechtigten gemäß §§ 932 ff BGB hindert § 91 nicht.25) Der gute Glaube an das Eigentum des Verfügenden wird von der Insolvenz nicht berührt.26)
12
Die Verpfändung, Pfändung oder Abtretung einer künftigen Forderung – auch i. R. einer Globalzession – scheitert an Absatz 1, wenn die Forderung erst nach Verfahrenseröffnung entsteht.27) War die abgetretene Forderung schon vor Verfahrenseröffnung entstanden, aber noch nicht fällig oder noch aufschiebend bedingt, so war der Rechtserwerb bereits abgeschlossen. Der Abtretungsempfänger hat dann eine gesicherte Rechtsposition, so dass § 91 nicht entgegensteht;28) nicht gesichert ist der Zedent jedoch gegen eine anderweitig zugelassene Entwertung seines Anspruchs, z. B. durch Neuvalutierung im Fall eines abgetretenen Grundschuldrückgewähranspruchs.29) Die §§ 110, 114 a. F. verdrängen in ihrem Anwendungsbereich § 91.30) _____________ 21) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87, 89 = ZVI 2006, 158, dazu EWiR 2006, 119 (Bärenz), Erwerb unter aufschiebender Bedingung der Kündigung; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 19, 20; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 91 Rz. 18. 22) BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638, dazu EWiR 2012, 491 (Weiß/Müller), zum Erwerb der Rechte an einem erst nach Verfahrenseröffnung infolge Kündigung entstehenden Rückkaufswerts aus einer Versicherung; BGH, Urt. v. 5.11.1976 – V ZR 5/75, NJW 1977, 247; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 23; UhlenbruckUhlenbruck, InsO, § 91 Rz. 18. 23) BGH, Beschl. v. 15.1.2009 – IX ZR 237/07, ZIP 2009, 485 = ZVI 2009, 207; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 52. 24) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZR 213/03, NZI 2004, 29, 30 = NJW-RR 2004, 259; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 91 Rz. 30. 25) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 55; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 91 Rz. 30. 26) Jaeger-Windel, InsO, § 91 Rz. 93. 27) BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638, 641; BGH, Urt. v. 14.1.2010 – IX ZR 78/09, ZIP 2010, 335; BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, ZIP 2006, 1254 = ZVI 2006, 300. 28) BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, ZIP 2003, 1208, 1209 = ZInsO 2003, 607, dazu EWiR 2003, 819 (Gundlach/Schmidt), zust. Huber, NZI 2003, 494 f (Urteilsanm.) – für den Fall eines bedingten Rückzahlungsanspruchs; BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, ZIP 2006, 1254, 1255 = ZVI 2006, 300 – zur Abtretung von Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen. 29) BGH, Urt. v. 10.11.2011 – IX ZR 142/10, ZIP 2011, 2364. 30) BGH, Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 62/12, ZIP 2013, 1082, 1084 (zu § 110), dazu EWiR 2013, 417 (Marotzke); BGH, Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, ZIP 2012, 2358 (zur Anwendbarkeit von § 114 a. F. auf ein nach Verfahrenseröffnung eingegangenes Dienstverhältnis), dazu EWiR 2013, 19 (Dimassi); BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, ZIP 2006, 1254 = ZVI 2006, 300 (zur Nichtanwendung von § 114 a. F. auf ärztliche Honoraransprüche gegen die kassenärztliche Vereinigung).
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§ 91
Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs
§ 91 steht auch der Verrechnung von Forderungen nach Verfahrenseröffnung entgegen, z. B. in Kontokorrentverhältnissen, da in der Verrechnungsvereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger eine Vorausverfügung enthalten ist, deren rechtliche Wirkung erst durch die endgültige Verrechnung eintritt (zur Verrechnung siehe auch § 94 Rz. 2 und § 96 Rz. 20).31)
13
Nicht von § 91 gehindert wird ein Erwerb von Massegegenständen, wenn der zugrunde liegende Anspruch wirksam durch eine Vormerkung gesichert ist. Dies gilt selbst dann, wenn der gesicherte Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung entsteht, da die Vormerkung gemäß § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB auch zur Sicherung künftiger Ansprüche zulässig ist.32) § 91 tritt insoweit gegenüber § 106 zurück.33) Eigentlich liegt ein Erwerb durch Handeln des Verwalters – und damit von vornherein kein Fall des § 91 – vor, da der Verwalter wegen § 106 zur Rechtsverschaffung verpflichtet ist (§ 106 Rz. 7 ff).
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Ein Rechtserwerb kraft Gesetzes wird von § 91 nur dann ausgeschlossen, wenn der Rechtserwerb auf eine Handlung des Schuldners zurückgeht, da § 91 Rechtserwerbe, die auf Verkehrsschutz und Rechtssicherheit beruhen, nicht erfasst. Im Einzelnen:
15
–
Eine Ersitzung gemäß § 937 BGB ist nach Absatz 1 unwirksam bei Erlangung des Eigenbesitzes vom Schuldner, nicht jedoch bei Besitzerlangung von einem Dritten.34)
–
Einem Rechtserwerb durch Verarbeitung, Verbindung oder Vermischung (§§ 946 ff BGB) steht § 91 nicht entgegen.35) Zum Ausgleich steht der Masse ein Anspruch aus §§ 951, 812 BGB zu.36)
–
Einem Fruchterwerb gemäß §§ 954 ff BGB steht Absatz 1 in den Fällen entgegen, in denen der Erwerber den Eigenbesitz vom Schuldner und nicht von einem Dritten erlangt hatte.37)
–
Eine dingliche Surrogation i. S. einer Fortsetzung eines wirksam begründeten Rechts an einem neuen Rechtsobjekt (z. B. §§ 1075, 1287 Satz 2 BGB, § 848 Abs. 2 ZPO) berührt als Vermögensumschichtung die Insolvenzmasse von vornherein nicht und fällt daher nicht unter § 91.38)
_____________ 31) Bork, Zahlungsverkehr, Rz. 40, 61; ebenso BGH, Urt. v. 4.5.1979 – I ZR 127/77, NJW 1979, 1658, 1659 = BGHZ 54, 253 – zu § 15 KO. 32) BGH, Urt. v. 14.9.2001 – V ZR 231/00, ZIP 2001, 2008, 2010 f = ZfIR 2001, 998; Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 31 Rz. 62; nach aktueller Rspr. auch bei Vormerkungswirkung des Löschungsanspruchs gemäß § 1179a BGB: BGH, Urt. v. 27.4.2012 – V ZR 270/10, ZIP 2012, 1140 = WM 2012, 1077; vgl. hierzu zuletzt Kesseler, ZIP 2014, 110. 33) OLG Köln, Urt. v. 22.12.2004 – 2 U 103/04, ZIP 2005, 1038, 1040 = ZInsO 2005, 268. 34) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 11, 12. 35) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 18 f; Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 31 Rz. 54. 36) Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 31 Rz. 54. 37) Im Einzelnen hierzu Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 14 – 17. 38) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 66.
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§ 91
Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs
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Der Erwerb von Rechten aufgrund hoheitlicher Maßnahmen wird von § 91 grundsätzlich nicht beeinträchtigt.39)
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Nimmt das Finanzamt nach Verfahrenseröffnung von einem Dritten Steuerabzugsbeträge ein, die auf eine Steuerpflicht im Rang einer Insolvenzforderung anzurechnen sind, so verstößt dies gegen § 91.40)
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In Erweiterung von § 89 verhindert Absatz 1 eine Zwangsvollstreckung durch Neugläubiger (§ 38 Rz. 3) in die Insolvenzmasse.41) V. Gutglaubensschutz nach Absatz 2
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Der immobiliarrechtliche Gutglaubensschutz der §§ 878, 892, 893 BGB bleibt nach Absatz 2 unberührt. Gleiches gilt für die entsprechenden Vorschriften des Schiffsbzw. Luftfahrzeugsrechts. Absatz 2 dient dem Schutz des redlichen Rechtsverkehrs vor Nachteilen infolge des wegen der Notwendigkeit der öffentlichen Registereintragung eintretenden Zeitverlusts bis zum endgültigen Rechtserwerb.42)
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Liegen Einigung und/oder Bewilligung nach Verfahrenseröffnung, so liegt kein sonstiger Rechtserwerb nach § 91, sondern eine Verfügung des Schuldners vor, bei der § 81 Abs. 1 Satz 2 den guten Glauben des Dritten schützt.43)
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Gemäß § 878 BGB kann ein Immobiliarrecht trotz Verfahrenseröffnung und Insolvenzbeschlag wirksam erworben werden, wenn die Erklärung des Schuldners zuvor bindend (§§ 873 Abs. 2, 875 Abs. 2, 877 BGB) und der Eintragungsantrag gestellt worden ist. War der Eintragungsantrag nur vom Schuldner oder allein in seinem Namen vom Notar (§ 15 GBO) gestellt worden, so kann ein Rechtserwerb vom Insolvenzverwalter durch Antragsrücknahme verhindert werden.44)
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Zulässig bleibt ein gutgläubiger Erwerb gemäß §§ 892, 893 BGB, wenn Einigung und Bewilligung vor Verfahrenseröffnung erfolgt sind, der Eintragungsantrag selbst jedoch erst nach Eröffnung – wegen des grundbuchrechtlichen Prioritätsprinzips (§ 17 GBO) aber vor dem Antrag auf Eintragung des Insolvenzvermerks – gestellt wird.45)
23
Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erweitern § 140 Abs. 2 und § 147 den eigentlich auf Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung beschränkten (§ 129 Abs. 1) Anwendungsbereich der Insolvenzanfechtung auf gemäß Absatz 2 wirksame Rechtserwerbe (§ 140 Rz. 7, § 147 Rz. 2). _____________ 39) Vgl. hierzu die ausführl. Darstellung bei Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 67 ff. Einzig die Einziehung mit Strafcharakter gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB sowie der Verfall gemäß §§ 73, 73a StGB werden von § 91 verhindert, vgl. LG Duisburg, Beschl. v. 27.1.2003 – 32 Qs 3/03, ZIP 2003, 1361, 1362 = ZVI 2003, 478, dazu EWiR 2003, 833 (Dahl). 40) BFH, Urt. v. 13.11.2002 – I B 147/02, ZIP 2003, 173, 174 = ZfIR 2003, 111 – zum Steuerabzug bei Bauleistungen nach §§ 48 ff EStG. 41) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 75 f. 42) Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 79. 43) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 91 Rz. 63. 44) Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 31 Rz. 72; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 91 Rz. 33; für Unwirksamkeit schuldnerischer Eintragungsanträge mit Verfahrenseröffnung Kesseler, ZfIR 2006, 117, 122 ff. 45) Gottwald-Eickmann, InsR-Hdb., § 31 Rz. 87; Breuer in: MünchKomm-InsO, § 91 Rz. 88.
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Hofmann
§ 92
Gesamtschaden
§ 92 Gesamtschaden 1 Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), können während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. 2Richten sich die Ansprüche gegen den Verwalter, so können sie nur von einem neu bestellten Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
Literatur: Böckmann, Die „Freigabe“ der von § 93 InsO erfassten Ansprüche wegen Existenzvernichtungshaftung durch den Insolvenzverwalter, ZIP 2005, 2186; Bork, Gesamt(schadens)liquidation und Arrestverfahren, ZInsO 2001, 835; Bork, Gesamt(schadens)liquidation im Insolvenzverfahren, in: Kölner Schrift, 2009, S. 1021; Dinstühler, Die Abwicklung massearmer Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung, ZIP 1998, 1697; Fuchs, Die persönliche Haftung des Gesellschafters gemäß § 93 InsO, ZIP 2000, 1089; Graeber/Pape, Der Sonderverwalter im Insolvenzverfahren, ZIP 2007, 991; Kiethe, Gesellschaftsrechtlicher Reflexschaden und Insolvenz, ZIP 2005, 1535; Krüger, Die Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters bei Ansprüchen nach §§ 92, 93 InsO, NZI 2002, 367; Lüke, Der Sonderinsolvenzverwalter, ZIP 2004, 1693; Schäffler, Bankenhaftung wegen Insolvenzverschleppung bei Auskehrung von Krediten in der Unternehmenskrise, BB 2006, 56; Uhlenbruck, Die Legitimation zur Geltendmachung von Neugläubigerschäden wegen Konkursverschleppung, ZIP 1994, 1153. Übersicht I. II. III. IV.
Vorbemerkung ..................................... 1 Gesamtschaden ..................................... 3 Rechtsfolgen ......................................... 7 Prozessuale Fragen ............................. 12
I.
Vorbemerkung
V. Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter (Satz 2) ............................... 13 VI. Sonstiges .............................................. 15 Hofmann
Die Vorschrift bezweckt die Förderung der Gläubigergleichbehandlung und soll einen Wettlauf der einzelnen Gläubiger verhindern.1) Zudem entspricht § 92 Erwägungen der Praktikabilität und Prozessökonomie.2)
1
§ 92 stellt keine zusätzliche Anspruchsgrundlage zur Verfügung, sondern regelt allein die Geltendmachung anderweitig bestehender Ersatzansprüche der Insolvenzgläubiger.3) Auf Ansprüche des Insolvenzschuldners ist § 92 nicht anwendbar, da insoweit bereits § 80 Abs. 1 den Insolvenzverwalter zur Geltendmachung berechtigt.4) Auch für Ansprüche der Gesellschafter gilt § 92 nicht.5)
2
_____________ 1) 2) 3)
4) 5)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 8; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 2; Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 92 Rz. 1. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 2; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 10. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 12; Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 92 Rz. 4; BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79 = ZInsO 2007, 35, dazu EWiR 2007, 115 (J. M. Schmidt) – zu § 93. Insbesondere fällt der Anspruch aus § 64 GmbHG nicht unter § 92; verfehlt daher LG Frankfurt/O., Urt. v. 15.8.2003 – 17 O 370/02, ZInsO 2003, 906, 907. BGH, Urt. v. 21.3.2013 – III ZR 260/11, ZIP 2013, 781; ebenso Kiethe, ZIP 2005, 1535.
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§ 92
Gesamtschaden
II. Gesamtschaden 3
Die Vorschrift erfasst gemeinschaftliche Schäden der Insolvenzgläubiger, sog. Gesamtschäden. Solche entstehen durch Verminderung der Aktivmasse oder – über den Wortlaut hinaus – durch Erhöhung der Verbindlichkeiten des Schuldners.6) Maßgebend ist die Masseschmälerung im Saldo, d. h. das Entstehen eines Quoten(verschlechterungs)schadens.7) Nicht anwendbar ist § 92 dagegen auf Individualschäden, d. h. auf Schäden einzelner Gläubiger.8) Gleichwohl setzt § 92 nicht ein schädigendes Ereignis zulasten aller Insolvenzgläubiger voraus, sondern erfasst auch einen Teilgesamtschaden.9) Aus insoweit eingezogenen Beträgen ist eine Sondermasse für die Geschädigten zu bilden (unten Rz. 7).
4
Entstehen durch dasselbe anspruchsbegründende Verhalten sowohl Quotal- als auch Individualschäden, so erfasst § 92 nur den Gesamtschaden.10) Der Verwalter ist nicht berechtigt, die individuellen Vertrauensschäden sog. Neugläubiger bei Insolvenzverschleppung geltend zu machen.11)
5
Auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses kommt es nicht an (vgl. Wortlaut: „vor oder nach der Eröffnung“). § 92 erfasst insbesondere auch Ansprüche gegen Verfahrensbeteiligte, z. B. die Haftung des Verwalters (§ 60) und der Gläubigerausschussmitglieder (§ 71) sowie die Amtshaftung des Insolvenzgerichts (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG).12)
6
Zur Anwendung kommt § 92 bei Ersatz eines Quotenschadens aus § 823 Abs. 2 BGB, § 15a InsO wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht,13) aus § 826 BGB wegen der Bankenhaftung für Insolvenzverschleppung durch eigennützige Kredite14) sowie aus § 826 BGB wegen Entwertung einer Patronatserklärung in der Insolvenz des Patrons,15) nicht jedoch in der Insolvenz des patronierten Unternehmens.16) Auch in den genannten Fällen ist § 92 nicht hinsichtlich der Nicht-Quotenschäden anwendbar. III. Rechtsfolgen
7
§ 92 weist zum einen dem Verwalter die Einziehung der Ansprüche auf Ersatz von Gesamtschäden zu (Ermächtigungswirkung) und hindert zum anderen die einzelnen Insolvenzgläubiger an der Geltendmachung ihrer Ansprüche (Sperrwirkung). _____________ 6) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 20; Bork in: Kölner Schrift, S. 1021 Rz. 2. 7) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 20. 8) OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.6.2002 – 19 U 150/01, ZIP 2002, 2001, 2002 = ZInsO 2002, 935 – zu (Quoten-) Schäden sog. Neugläubiger. 9) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 16; zum Begriff Teilgesamtschaden bereits Uhlenbruck, ZIP 1994, 1153. 10) BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211, 217 = ZIP 1998, 776, 778. 11) BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211, 214 ff = ZIP 1998, 776, 777 f; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.6.2002 – 19 U 150/01, ZIP 2002, 2001, 2002 = ZInsO 2002, 935. 12) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 16; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 10. 13) Hierzu BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 ff = ZIP 1998, 776 ff. 14) Hierzu Schäffler, BB 2006, 56. 15) BGH, Urt. v. 8.5.2003 – IX ZR 334/01, ZIP 2003, 1097, 1099 f = ZInsO 2003, 562. 16) OLG München, Urt. v. 22.7.2004 – 19 U 1867/04, ZIP 2004, 2102, 2103, dazu EWiR 2005, 31 f (Tetzlaff).
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§ 92
Gesamtschaden
Im Rahmen der Ermächtigungswirkung ist der Insolvenzverwalter berechtigt, die Gesamtschäden kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen geltend zu machen und zur Masse zu ziehen.17) Er ist auf die Geltendmachung der Schäden solcher Gläubiger beschränkt, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben.18) Zugunsten des Verwalters gilt jedoch die widerlegbare Vermutung, dass alle Gläubiger teilnehmen.19) Der Gesamtschaden wird grundsätzlich zur Insolvenzmasse liquidiert.20) Soweit es um Teilgesamtschäden (Rz. 3) geht, ist eine Sondermasse zu bilden.21) Aufgrund der Sperrwirkung verlieren die Anspruch innehabenden Insolvenzgläubiger – unabhängig von ihrer Beteiligung am Insolvenzverfahren22) – ihre Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis.23) Leistungen des Drittschuldners an einzelne Gläubiger haben mangels Empfangszuständigkeit keine schuldbefreiende Wirkung.24) Analog § 82 genießt der Drittschuldner jedoch Gutglaubensschutz bei Leistung in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung.25) Der Verwalter kann gemäß § 816 Abs. 2 BGB die Leistung beim Empfänger kondizieren.26)
8
Die Rechtszuständigkeit und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der von § 92 erfassten Ansprüche verbleibt bei den einzelnen Gläubigern, die ihre Forderungen stunden, erlassen oder abtreten dürfen.27) Gleichwohl kann der Verwalter als Inhaber der Prozessführungsbefugnis einen Vergleich über Gesamtschadensansprüche auch mit Wirkung für die Anspruchsinhaber schließen.28)
9
_____________ 17) 18) 19) 20) 21)
22) 23)
24) 25) 26) 27)
28)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 31. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 32. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 33; Bork in: Kölner Schrift, S. 1021 Rz. 14. Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 508; anders wohl Bork in: Kölner Schrift, S. 1021 Rz. 15. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 24; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 16. Die Sondermasse ist grundsätzlich Teil der einheitlichen (Gesamt-)Insolvenzmasse, vgl. Kübler/Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 35 Rz. 13. Sie ist bis zur Schlussverteilung beizubehalten und fortzuschreiben; d. h. die unmittelbar durch die Sondermasse verursachten Masseverbindlichkeiten sowie ein proportionaler Anteil der Verfahrenskosten (§ 54 InsO) sind der (rechnerischen) Sondermasse zu belasten. Hinsichtlich der zur Verteilung verbleibenden Sondermasse ist ein besonderes Verteilungsverzeichnis zu erstellen, Kübler/ Prütting/Bork-Holzer, InsO, § 188 Rz. 21. Bork in: Kölner Schrift, S. 1021 Rz. 13. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 27. Zur Vereinbarkeit der Sperrwirkung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK: Oepen, ZIP 2000, 526; diff. Bork, ZInsO 2001, 835, 839, der meint, die Sperrwirkung erfasse nicht ein Arrestverfahren. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 26. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 29; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 26. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 26. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 27; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 21. Wird eine von § 92 erfasste Forderung von einem Gläubiger erlassen, so ist zur Verteilung des eingezogenen Gesamtschadens – unter Ausschluss des verzichtenden Gläubigers – eine Sondermasse zu bilden. BAG, Urt. v. 28.11.2007 – 6 AZR 377/07, ZIP 2008, 846, 848 f = DB 2008, 1051, dazu EWiR 2008, 337 (S. Krüger); ebenso: K. Schmidt-K. Schmidt, InsO, § 92 Rz. 11; Krüger, NZI 2002, 367, 370; Gottwald-Haas/Hossfeld, InsR-Hdb., § 92 Rz. 515; anders Fuchs, ZIP 2000, 1089, 1093 f.
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§ 92
Gesamtschaden
10
Eine Freigabe der von § 92 erfassten Ansprüche ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig.29) Gleichermaßen zulässig ist eine Übertragung der Einziehungsbefugnis auf einen Gläubiger, der die Ansprüche in gewillkürter Prozessstandschaft im eigenen Namen zugunsten der Masse einklagen darf.30) Aus § 92 folgt keine Pflicht des Verwalters, etwaige Ansprüche um jeden Preis durchzusetzen, vielmehr steht die Geltendmachung in seinem pflichtgemäßen Ermessen.31)
11
Auf den Lauf von Verjährungsfristen hat § 92 keine Auswirkung, da die Vorschrift die Haftung bzw. deren Dauer nicht erweitert.32) IV. Prozessuale Fragen
12
Der Insolvenzverwalter führt Prozesse als Partei kraft Amtes und kann nach hier vertretener Auffassung auch hinsichtlich Gesamtschadensklagen Prozesskostenhilfe gemäß § 116 ZPO in Anspruch nehmen.33) Ist bei Verfahrenseröffnung ein Rechtsstreit eines Gläubigers im Anwendungsbereich von §§ 92, 93 anhängig, so tritt analog § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG eine Unterbrechung des Prozesses ein,34) der vom Verwalter aufgenommen werden kann, nicht jedoch muss.35) Auch die Zwangsvollstreckung aus bereits vorhandenen Titeln obliegt allein dem Insolvenzverwalter.36) Ihm ist analog § 727 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung etwaiger Titel zu erteilen.37) _____________ 29) Vgl. hierzu eingehend Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 92 Rz. 17; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 33; Kayser in: HK-InsO, § 92 Rz. 28; a. A. noch Graf-Schlicker-Hofmann, InsO, 3. Aufl., § 92 Rz. 10. 30) OLG Dresden, Urt. v. 9.8.2005 – 2 U 897/04, ZIP 2005, 1680, 1683 f = ZInsO 2005, 1288; BGH, Urt. v. 5.10.1989 – IX ZR 233/87, ZIP 1989, 1407, 1409 = DB 1989, 2375, dazu EWiR 1990, 595 (Balz); Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 34; Brandes/ Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 92 Rz. 16; Bork, ZInsO 2001, 835, 841; anders Böckmann, ZIP 2005, 2186, 2189, der gerade dies für unzulässig hält. 31) So wohl auch BGH, Urt. v. 8.5.2003 – IX ZR 334/01, ZIP, 2003, 1097, 1100 = ZInsO 2003, 562; a. A. wohl Bork in: Kölner Schrift, S. 1021 Rz. 33. 32) Besonderheiten gelten lediglich für die Haftung des Insolvenzverwalters, vgl. § 62 Rz. 5 ff sowie BGH, Urt. v. 22.4.2004 – IX ZR 128/03, ZIP 2004, 1218 = NZI 2004, 496, dazu EWiR 2004, 817 (Gundlach/Schmidt). 33) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 72; a. A. wohl BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – IX ZB 200/05, ZIP 2006, 1683 f = ZInsO 2006, 936, wonach für die Geltendmachung von Ansprüchen, welche nicht zum verwalteten Vermögen gehören, §§ 114, 115 ZPO Anwendung finden. 34) BGH, Beschl. v. 20.11.2008 – IX ZB 199/05, ZIP 2009, 47 = ZInsO 2009, 101, dazu EWiR 2009, 131 (Stahlschmidt), bzw. BGH, Beschl. v. 14.11.2002 – IX ZR 236/99, ZIP 2003, 39 = ZVI 2002, 469, jeweils zum rechtsfolgenidentischen § 93; für Unterbrechung analog § 240 ZPO: Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 67; für direkte Anwendung des § 240 ZPO: OLG Koblenz, Beschl. v. 15.1.2010 – 2 W 842/09, ZIP 2010, 448 = NZI 2010, 411; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 27. 35) Anders Bork in: Kölner Schrift, S. 1021 Rz. 33. 36) OLG Dresden, Beschl. v. 5.10.2000 – 13 W 1206/00, ZInsO 2000, 607; Kübler/Prütting/ Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 71. Entgegen Oepen, ZInsO 2002, 162, 165, dürfen aus den aufgrund bereits vorhandener Titel eingezogenen Beträgen nur die entsprechenden Titelgläubiger befriedigt werden (Sondermasse), falls der Verwalter die Haftung nicht ausdrücklich im Namen aller geschädigten Gläubiger geltend macht. Eine Zwangsvollstreckung aus dem Einzeltitel zugunsten aller Gläubiger scheidet freilich aus. 37) OLG Dresden, Beschl. v. 5.10.2000 – 13 W 1206/00, ZInsO 2000, 607; Wimmer-App, FKInsO, § 92 Rz. 11; Oepen, ZInsO 2002, 162, 165.
600
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§ 92
Gesamtschaden
V. Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter (Satz 2) § 92 erfasst auch Ansprüche der Insolvenzgläubiger gegen den Insolvenzverwalter, insbesondere aus der Haftung gemäß § 60 wegen pflichtwidriger Handlungen bzw. Unterlassungen zulasten der Insolvenzmasse, nicht jedoch wegen Schädigungen von Aus- und Absonderungsberechtigten.
13
Gesamtschadensansprüche gegen einen Insolvenzverwalter kann nach Satz 2 nur ein neuer Verwalter geltend machen. Dementsprechend kommt – aufgrund der dem Haftungsanspruch zugrunde liegenden Pflichtverletzung – die Entlassung des bisherigen Insolvenzverwalters gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 unter gleichzeitiger Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters in Betracht. Reicht die Pflichtverletzung des Verwalters nicht „als wichtiger Grund“ i. S. von § 59 Abs. 1 Satz 1 aus, steht sie nicht zur Überzeugung des Gerichts fest38) oder erscheint es sonst geboten, den Verwalter im Amt zu belassen, so bestellt das Insolvenzgericht – von Amts wegen oder auf Antrag der Gläubigerversammlung, nicht aber auf Antrag einzelner Gläubiger39) – einen Sonderinsolvenzverwalter, der die Ansprüche gegen den Verwalter geltend zu machen hat.40)
14
VI. Sonstiges Im Eröffnungsverfahren ist § 92 nicht anwendbar.41) Bei Anordnung der Eigenverwaltung ist gemäß § 280 der Sachwalter zur Geltendmachung der Gesamtschadensansprüche berufen. Unmittelbar gilt § 92 nur für Ansprüche der Insolvenzgläubiger. Bei Masseunzulänglichkeit ist eine analoge Anwendung auf Massegläubigergesamtschäden geboten,42) nicht hingegen auf Individualschäden einzelner Massegläubiger gemäß § 61.43) Gesamtschäden der Insolvenzgläubiger darf der Verwalter bei Masseunzulänglichkeit nicht mehr einziehen, da dies nicht mehr den Anspruchsinhabern zu Gute käme.44)
_____________ 38) Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 8.12.2005 – IX ZB 308/04, ZIP 2006, 247, 248 = NZI 2006, 158, dazu EWiR 2006, 315 (Römermann). 39) BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 = NZI 2009, 238, dazu EWiR 2009, 389 (Herchen). 40) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 65; zum Sonderinsolvenzverwalter eingehend Graeber/Pape, ZIP 2007, 991 ff sowie Lüke, ZIP 2004, 1693 ff. 41) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 54, 55. Einer analogen Anwendung steht entgegen, dass Aufgabe eines vorläufigen Verwalters lediglich die Sicherung der (zukünftigen) Masse, nicht deren Anreicherung ist. 42) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 92 Rz. 52; Brandes/Gehrlein in: MünchKommInsO, § 92 Rz. 8; Dinstühler, ZIP 1998, 1697, 1706. 43) BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – IX ZB 200/05, ZIP 2006, 1683 = NZI 2006, 580 –zur Nichtanwendung auf Ansprüche gemäß § 61. 44) Ebenso Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 92 Rz. 22.
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§ 93
Persönliche Haftung der Gesellschafter
§ 93 Persönliche Haftung der Gesellschafter Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eröffnet, so kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Literatur: Gerhardt, Zur Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters i. R. des § 93 InsO, ZIP 2000, 2181; Klinck, Die Konkurrenz zwischen Gesellschaftsverbindlichkeit und Gesellschafterbürgschaft im Hinblick auf § 93 InsO, NZI 2004, 651; Oepen, Die Zuständigkeiten des Insolvenzverwalters für Gesamtschadensersatzansprüche und Gesellschafterhaftung, ZInsO 2002, 162; K. Schmidt, Labyrinthus creditorum – Gesellschaftsrechtliche Haftung im Insolvenzverfahren nach §§ 92, 93 InsO –, ZGR 1996, 209. Übersicht
1
I. II. III. IV.
Vorbemerkung ..................................... 1 Anwendungsbereich ............................ 2 Rechtsfolgen ......................................... 8 Sonstiges ............................................. 13
I.
Vorbemerkung
V. 1. 2. 3.
Steuerrecht .......................................... 14 Haftung nach § 73 AO ....................... 15 Haftung nach § 74 AO ....................... 18 Haftung nach § 75 AO ....................... 23
Hofmann
Die Vorschrift verfolgt denselben Zweck und beruht auf denselben Grundgedanken wie § 92 (vgl. dazu § 92 Rz. 1 f). § 93 soll damit auch einer Massearmut trotz ausreichenden Privatvermögens der Gesellschafter vorbeugen.1) Eine eigenständige Anspruchsgrundlage stellt § 93 hingegen nicht dar.2) II. Anwendungsbereich
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Die Vorschrift erfasst die persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber Gläubigern für Verbindlichkeiten der insolventen Gesellschaft. Nicht von § 93 erfasst sind hingegen Haftungsansprüche der Gesellschaft selbst gegen ihre Gesellschafter, die der Verwalter ohnehin gemäß § 80 Abs. 1 geltend machen darf.
3
Die Vorschrift erfasst – ihrem Wortlaut nach – die Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit i. S. von § 11 Abs. 2 Nr. 1 oder einer KGaA. Gemeint ist hierbei die gegenüber den Gläubigern einer Personengesellschaft kraft Gesetzes bestehende akzessorische Haftung aus § 128 HGB und entsprechenden Anspruchsgrundlagen der jeweiligen Gesellschaftsform.3) Für die KG enthält § 171 Abs. 2 HGB eine inhaltsgleiche und damit letztlich überflüssige Regelung.
_____________ 1) 2) 3)
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Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 140, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 273. BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79 = ZInsO 2007, 35 dazu EWiR 2007, 115 (J. M. Schmidt). BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, ZIP 2002, 1492, 1493 = ZInsO 2002, 764, dazu EWiR 2003, 335 (Welzel).
Hofmann
§ 93
Persönliche Haftung der Gesellschafter
Nicht von § 93 erfasst sind rechtlich selbständige Verpflichtungen eines Gesellschafters, für Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen, z. B. aus Bürgschaft, Schuldbeitritt, abgaben- oder sozialrechtlichen Haftungsnormen.4)
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Für Masseverbindlichkeiten haften Gesellschafter nur dann, wenn deren Rechtsgrund bereits vor Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter gelegt worden ist.5) Hierzu zählen insbesondere Ansprüche aus von der Gesellschaft abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen.6) Eine Haftung für allein auf Verwalterhandeln beruhende Masseverbindlichkeiten ist nicht gerechtfertigt, da die Gesellschafter weder das Schicksal der Gesellschaft steuern können, noch ihnen Erträge zufließen.7)
5
Für eine ausnahmsweise bestehende persönliche (Durchgriffs-)Haftung der Gesellschafter juristischer Personen gilt § 93 analog.8) Als Fallgruppen sind die Haftung wegen Unterkapitalisierung, wegen Rechtsformmissbrauchs sowie wegen Vermögens- oder Sphärenvermischung anerkannt.9) Ein existenzvernichtender Eingriff führt nach neuerer Rechtsprechung nicht zu einer Durchgriffshaftung und zur Anwendung von § 93, sondern zu einem originären Anspruch der Gesellschaft aus § 826 BGB.10)
6
§ 93 gilt analog für die Gesellschafterhaftung bei Insolvenz des Rechtsnachfolgers der Gesellschaft, z. B. nach abwicklungsloser Beendigung einer zweigliedrigen Gesellschaft durch Übernahme sämtlicher Anteile durch einen (sodann insolventen) Gesellschafter oder bei Insolvenz des übernehmenden bzw. neuen Rechtsträgers nach einer Umwandlung.11)
7
_____________ 4) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, ZIP 2002, 1492, 1493 f = ZInsO 2002, 764; BSG, Urt. v. 27.5.2008 – B 2 U 19/07, ZIP 2008, 1965 = NZI 2008, 630; Kübler/Prütting/BorkLüke, InsO, § 93 Rz. 18–18b; Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 93 Rz. 21; Kayser in: HK-InsO, § 93 Rz. 14; K. Schmidt, ZGR 1996, 209, 219; a. A. (§ 93 analog): Klinck, NZI 2004, 651; Oepen, ZInsO 2002, 162, 168 (für Parallel-Bürgschaften). 5) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.5.2007 – 7 U 173/06, ZIP 2007, 1756, 1757 = ZInsO 2007, 1155; Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 93 Rz. 7 ff; a. A. Kübler/Prütting/ Bork-Lüke, InsO, § 93 Rz. 27 ff. 6) Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 93 Rz. 11. 7) Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 93 Rz. 7; a. A. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 93 Rz. 27 ff. 8) BGH, Urt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, ZIP 2006, 467, 468 = ZInsO 2006, 328; BGH, Urt. v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, ZIP 2005, 1734, 1738 = ZInsO 2005, 1043; BAG, Urt. v. 14.12.2004 – 1 AZR 504/03, ZIP 2005, 1174, 1176 = DB 2005, 1578; OLG Dresden, Urt. v. 9.8.2005 – 2 U 897/04, ZIP 2005, 1680, 1682 = ZInsO 2005, 1288; UhlenbruckHirte, InsO, § 93 Rz. 8; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rz. 9. 9) Vgl. i. E. die Darstellung bei Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rz. 7 ff m. w. N.; zur Vermögensvermischung zuletzt BGH, Urt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, ZIP 2006, 467 ff = ZInsO 2006, 328. 10) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 = ZInsO 2007, 881, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm), m. Anm. Weller, ZIP 2007, 1681. 11) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 93 Rz. 11; Gerhardt, ZIP 2000, 2181, 2184 ff; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 93 Rz. 12.
Hofmann
603
§ 93
Persönliche Haftung der Gesellschafter
III. Rechtsfolgen 8
Die Vorschrift entspricht in ihren Rechtsfolgen grundsätzlich § 92 (vgl. § 92 Rz. 7 ff): Die Gesellschaftsgläubiger verlieren – unabhängig, ob verfahrensbeteiligt oder nicht – die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis hinsichtlich der von § 93 erfassten Haftungsansprüche (Sperrwirkung).
9
Der Insolvenzverwalter ist zur Geltendmachung der Haftung berufen. Diese Ermächtigungswirkung erfasst jedoch nur Haftungsansprüche solcher Gläubiger, die ihre Forderungen im Verfahren angemeldet haben.12) Da der Verwalter einen Überschuss der Masse nach § 199 Satz 2 wieder an die Gesellschafter auskehren müsste, ist er bei der Geltendmachung der Haftung nach § 93 auf den Betrag beschränkt, der nach Verwertung der Insolvenzmasse und Berichtigung der Masseverbindlichkeiten zur vollen Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist.13) In Erweiterung der Ermächtigungswirkung unterliegen Gesellschafterleistungen in der Gesellschaftsinsolvenz grundsätzlich der Insolvenzanfechtung, es sei denn über das Vermögen des leistenden Gesellschafters ist ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet (Doppelinsolvenz).14)
10
Die Rechtszuständigkeit und Verfügungsbefugnis der Gläubiger hinsichtlich der erfassten Haftungsansprüche wird von § 93 – ebenso wie von § 92 (dort Rz. 9) – nicht berührt (zur Vergleichsbefugnis des Verwalters § 92 Rz. 9).15)
11
Betrifft die Gesellschafterhaftung nur einen Teil der Gesellschaftsverbindlichkeiten, z. B. infolge Ausscheidens aus der Gesellschaft, so ist – wie bei Teilgesamtschäden – eine Sondermasse (vgl. § 92 Rz. 7 und § 92 Fn. 21) zu bilden.16)
12
Zu prozessualen Fragen ist auf die entsprechenden Ausführungen zu § 92 (dort Rz. 12) zu verweisen. Zur Substantiierung hat der Verwalter die einzelnen Gesellschaftsverbindlichkeiten darzulegen.17) IV. Sonstiges
13
Bei vorläufiger Verwaltung ist § 93 – wie § 92 (dort Rz. 15) – nicht anwendbar. Im Verfahren der Eigenverwaltung macht gemäß § 280 der Sachwalter die Gesellschafterhaftung geltend. Zur Haftung bei Masseunzulänglichkeit ist auf die oben (Rz. 5 sowie § 92 Rz. 15) gemachten Ausführungen zu verweisen. Der Insolvenzverwalter der Gesellschaft ist analog § 93 auch zur Anfechtung von vor der Er_____________ 12) Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 93 Rz. 14; BGH, Urt. v. 19.5.1958 – II ZR 83/57, BGHZ 26, 152 = NJW 1958, 1139 – zur entsprechenden Vorschrift des § 171 Abs. 2 HGB. 13) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 93 Rz. 23. 14) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, ZIP 2008, 2224, 2226 = ZInsO 2008, 1275, dazu EWiR 2009, 273 (Runkel/Schmidt) m. w. N. 15) Brandes/Gehrlein in: MünchKomm-InsO, § 93 Rz. 15; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 93 Rz. 6; wohl auch Kayser in: HK-InsO, § 93 Rz. 33 anders Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 93 Rz. 16;. Die a. A. kann dogmatisch nicht überzeugen, da nicht die Ansprüche als solche, sondern nur die Einziehungsbefugnis der Masse zugewiesen ist. 16) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 93 Rz. 25; Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 93 Rz. 31; BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 57 = NJW 1958, 787. 17) BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79, 80 = ZInsO 2007, 35.
604
Hofmann
§ 93
Persönliche Haftung der Gesellschafter
öffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens an einzelne Gesellschaftsgläubiger geleisteten Zahlungen des Gesellschafters berechtigt.18) Paul
V. Steuerrecht Literatur: Schimmele/Weber, Haftung bei Organschaft – Offene Fragen zu § 73 AO, BB 2013, 2263.
Von der Sperr- und Ermächtigungswirkung des § 93 werden u. a. steuerrechtliche Haftungsnormen nicht erfasst (siehe Rz. 4). Das gilt namentlich für Haftungsvorschriften wie § 69 AO19) (vgl. dazu vor §§ 60, 61) und § 73 AO, aber auch für § 74 AO und § 75 AO. Mit diesen Haftungsnormen wird ein Insolvenzverwalter einerseits dann konfrontiert, wenn er Verwalter einer zur Haftung herangezogenen Person ist; andererseits aber auch dann, wenn seine gegen Beteiligte des Insolvenzverfahrens gerichteten (zivilrechtlichen) Ansprüche mit Haftungsansprüchen des Finanzamtes konkurrieren (z. B. hinsichtlich Anspruchsgegner, Haftungsmasse etc.). 1.
14
Haftung nach § 73 AO
Nach § 73 AO haftet die Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers, für die die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Durch diese Regelung sollen die steuerlichen Risiken ausgeglichen werden, die mit der Verlagerung der steuerlichen Rechtszuständigkeit auf den Organträger verbunden sind.20)
15
In der Insolvenz der Organgesellschaft endet die Organschaft nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bereits mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt.21)
16
§ 73 AO beschränkt die Haftung gegenständlich auf solche Steuern22) (nicht: steuerliche Nebenleistungen)23), die während der Organschaft entstanden sind. Noch nicht durch den Bundesfinanzhof entschieden ist, ob die Haftung nur die aus der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft resultierenden Verbindlichkeiten erfasst oder ob die Organgesellschaft auch für die „eigenen“ Steuerschulden des Organträgers haftet. Die h. M. im Schrifttum stellt auf den Verursachungsbeitrag ab und begrenzt die Haftung auf – durch die Organschaft bedingt – ausgefallene Steuern der Organgesellschaft, da nur dieses spezielle Ausfallrisiko abgesichert ist; dem Fiskus soll also nicht generell ein weiterer Haftungsschuldner auch für die Steuerverbindlichkeiten des Organträgers zur Seite gestellt werden.24)
17
_____________ 18) BGH, Urt. v. 9.10.2008 – IX ZR 138/06, ZIP 2008, 2224 = ZInsO 2008, 1275, s. a. dort für den anders zu behandelnden Fall der Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter. 19) BFH, Beschl. v. 15.11.2012 – VII B 105/12, BFH/NV 2013, 587 = BeckRS 2013, 94443. 20) BFH, Urt. v. 4.10.2004 – VII R 76/03, ZIP 2005, 122 (LS) = BB 2004, 2673. 21) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = NZI 2013, 857 m. Anm. de Weerth. 22) USt, GewSt und KSt. 23) BFH, Urt. v. 4.10.2004 – VII R 76/03, ZIP 2005, 122 (LS) = BB 2004, 2673. 24) Schimmele/Weber, BB 2013, 2263; Kübler/Prütting/Pape-Onusseit, InsO, InsSteuerR (Stand: 02/2012), II. F. Rz. 81.
Paul
605
§ 93 2.
Persönliche Haftung der Gesellschafter
Haftung nach § 74 AO
18
Die Vorschrift bezweckt die Vollstreckbarkeit von Betriebssteuern, indem einem Unternehmen dienende Gegenstände, die nicht dem Unternehmer, sondern einer an dem Unternehmen wesentlich beteiligten Person gehören, als Haftungsobjekt für Betriebssteuern des Unternehmens herangezogen werden. Die Norm stuft nicht die Beteiligung an sich, sondern den Beitrag des Eigentümers der Gegenstände an der Weiterführung des Unternehmens und damit am Entstehen der Steuerschuld als haftungsursächlich ein.25)
19
Wann eine wesentliche Beteiligung einer Person vorliegt, ergibt sich aus § 74 Abs. 2 AO. Es ist im Grundsatz eine Beteiligung von mehr als einem Viertel oder ein beherrschender Einfluss erforderlich.26)
20
Von sog. betrieblichen Gegenständen ist auszugehen, wenn sie dem Betrieb zur Verfügung stehen und für dessen Führung von Bedeutung sind. Ihr Beitrag darf allerdings nicht von untergeordneter Bedeutung sein. Die Gegenstände (wozu der Bundesfinanzhof auch Rechte zählt)27) müssen dem Unternehmen im Zeitpunkt der Steuerentstehung gedient haben. Allerdings müssen sie nicht im Eigentum des Haftenden stehen; es reicht Eigentum einer Gesellschaft aus, wenn deren Gesellschafter ausschließlich der Haftende und andere am Unternehmen wesentlich beteiligte Personen sind.28) Diese teleologisch-extensive Auslegung von § 74 AO durch die Fachgerichte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.29) Die Haftung ist nicht auf die im Zeitpunkt des Ergehens des Haftungsbescheids noch im Eigentum des Haftenden stehenden Gegenstände beschränkt. Stattdessen umfasst sie auch den Erlös aus dem Verkauf des Gegenstands oder ein sonstiges Surrogat.30) Ausdrücklich offengelassen hat der Bundesfinanzhof bislang, ob der frühere Eigentümer der betrieblichen Gegenstände, wenn diese und das Surrogat nicht mehr vorhanden sind, generell auf Wertersatz haftet.31) Gleiches gilt für die Frage, wie sich die unter Verwendung des Verkaufserlöses erfolgte Rückführung eines zur Finanzierung des Gegenstands aufgenommenen Kredits auf den Haftungsumfang auswirkt.32)
21
Gehaftet wird mit den Gegenständen nur für betriebliche Steuern. Darunter fallen insbesondere Umsatz- und Gewerbesteuern.
_____________ 25) BVerfG, Beschl. v. 14.12.1966 – 1BvR 496/65, BVerfGE 21, 6 = NJW 1967, 387; BFH, Urt. v. 10.11.1983 – V R 18/79, BFHE 139, 242 = BStBl. II 1984, 127. 26) BFH, Urt. v. 22.11.2011 – VII R 63/10, ZInsO 2012, 278 = DStR 2012, 237. 27) BFH, Urt. v. 23.5.2012 – VII R 28/10, NJW-RR 2012, 1428 = DStR 2012, 1655, dazu EWiR 2012, 745 (Schmittmann). 28) BFH, Urt. v. 23.5.2012 – VII R 28/10, NJW-RR 2012, 1428 = DStR 2012, 1655, dazu EWiR 2012, 745 (Schmittmann). 29) BVerfG, Beschl. v. 17.9.2013 – 1 BvR 1928/12 (BFH), ZIP 2013, 2105 = BeckRS 2013, 56587. 30) BFH, Urt. v. 22.11.2011 – VII R 63/10, ZInsO 2012, 278 = DStR 2012, 237; BFH, Urt. v. 23.5.2012 – VII R 28/10, NJW-RR 2012, 1428 = DStR 2012, 1655, dazu EWiR 2012, 745 (Schmittmann). 31) BFH, Urt. v. 22.11.2011 – VII R 63/10, ZInsO 2012, 278 = DStR 2012, 237. 32) BFH, Urt. v. 22.11.2011 – VII R 67/10, n. v.
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Paul
§ 93
Persönliche Haftung der Gesellschafter
Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalts berührt die Haftung nach § 74 AO für im Antragsverfahren entstandene Steuerforderungen nicht. 3.
22
Haftung nach § 75 AO
Nach § 75 Abs. 1 AO haftet der Erwerber eines im Ganzen übereigneten Unternehmens für betriebliche Steuern und Steuerabzugsbeträge, sofern die Steuern seit dem Beginn des letzten Jahres vor der Übereignung entstanden und spätestens ein Jahr nach der Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber von der Finanzverwaltung festgesetzt worden sind. Die nach § 75 Abs. 2 AO nicht für Erwerbe aus der Insolvenzmasse und für Erwerbe im Vollstreckungsverfahren geltende Vorschrift bezweckt, die Haftungsmasse für Steuerschulden trotz der Übertragung des Unternehmens nicht entfallen zu lassen.
23
Eine Übereignung eines Unternehmens im Ganzen liegt vor, wenn die übereigneten Gegenstände die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens waren und geeignet sind, die wesentlichen Grundlagen für den Betrieb des Erwerbers zu bilden. Eine Übereignung eines Unternehmens i. S. des § 75 AO setzt also zwar den Übergang des gesamten lebenden Unternehmens voraus, d. h. den Übergang der durch das Unternehmen repräsentierten organischen Zusammenfassung von Einrichtungen und dauernden Maßnahmen, die dem Unternehmen dienen oder mindestens seine wesentlichen Grundlagen ausmachen, so dass der Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte finanzielle Aufwendungen fortführen kann.33) Ob dies ein Mindestmaß an sächlichen Betriebsmitteln erfordert, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die Anforderungen an die wesentlichen Grundlagen hängen stark vom Gegenstand des Betriebs ab.34) Sind erhebliche Neuinvestitionen notwendig, schließt das eine Haftung nicht aus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn überhaupt kein lebendes Unternehmen übereignet wird.35) Maßgebender Zeitpunkt für die Frage, ob die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens auf den Erwerber übergegangen sind, ist derjenige der Übereignung des Unternehmens. An der Identität des Unternehmens kann es fehlen, wenn der Veräußerer sein Unternehmen auf einen Kernbestand reduziert und nur diesen an den Erwerber übereignet.36)
24
Gehaftet wird nur für Betriebssteuern, also vor allem Umsatz- und Gewerbesteuer.
25
Die Steuern müssen seit Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sein und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt (oder angemeldet) sein.
26
Der Erwerber haftet nur mit dem übernommenen Vermögen (§ 75 Abs. 1 Satz 2 AO), wobei Surrogate zu berücksichtigen sind.37) Die Haftungsbeschränkung ist im Haftungsbescheid deutlich zu machen. Eine genaue Bezeichnung der Haftungs-
27
_____________ 33) BFH, Urt. v. 7.11.2002 – VII R 11/01, BB 2003, 345 = DStR 2003, 205. 34) BFH, Urt. v. 18.3.1986 – VII R 146/81, BStBl. II 1986, 589 = BeckRS 1986, 22007616. 35) BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 11/08, DN 2011, 916 = NJW-RR 2011, 905; BFH, Urt. v. 7.11.2002 – VII R 11/01, BB 2003, 345 = DStR 2003, 205. 36) BFH, Urt. v. 7.11.2002 – VII R 11/01, BB 2003, 345 = DStR 2003, 205. 37) BFH, Urt. v. 14.5.2013 – VII R 36/12, BeckRS 2013, 96253.
Paul
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§ 94
Erhaltung einer Aufrechnungslage
gegenstände ist demgegenüber nicht geboten.38) Sind die übertragenen Gegenstände nach § 295 AO, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbar, steht das dem Erlass eines Haftungsbescheids auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht entgegen. Ein derartiger Einwand stellt allenfalls ein Vollstreckungshindernis dar, das erst im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen ist.39) Wird ein Unternehmen von mehreren Personen zu Miteigentum nach Bruchteilen erworben, haften sie als Gesamtschuldner.40) _____________ 38) BFH, Urt. v. 14.5.2013 – VII R 36/12, BeckRS 2013, 96253; BFH, Urt. v. 22.9.1992 – VII R 74/91, BFH/NV 1993, 215 = BeckRS 1992, 07665. 39) BFH, Urt. v. 14.5.2013 – VII R 36/12, BeckRS 2013, 96253. 40) BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 11/08, DB 2011, 916 = NJW-RR 2011, 905.
§ 94 Erhaltung einer Aufrechnungslage Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt. Literatur: Häsemeyer, Die Aufrechnung nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2009, S. 461; Rendels, Ist die Aufrechnungsbefugnis kraft einer Konzern-Netting-Abrede insolvenzfest?, ZIP 2003, 1583. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Gesetzliche Aufrechnungsbefugnis ................................................. 4 III. Vertragliche Aufrechnungsbefugnis ............................................... 11
I.
IV. Rechtsfolgen ....................................... 14 V. Sonstiges .............................................. 16 VI. Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter ............................. 17 Hofmann
Vorbemerkung
1
Die §§ 94 – 96 regeln in Erweiterung der §§ 387 – 396 BGB die Aufrechnung im Insolvenzverfahren. Sie betreffen nur die Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger, nicht eine solche durch den Verwalter (hierzu Rz. 17 f). § 94 stellt dabei den Ausgangspunkt dar und beruht auf dem Vertrauensschutz hinsichtlich einmal bestehender Aufrechnungslagen. Ist ein Insolvenzgläubiger unmittelbar vor Verfahrenseröffnung zur Aufrechnung berechtigt, so bleibt er dies – vorbehaltlich der Einschränkung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 – auch im Insolvenzverfahren.1) Für mit oder nach Verfahrenseröffnung eintretende Aufrechnungslagen gilt § 95 unter den Beschränkungen gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 sowie § 96.
2
Die §§ 94 – 96 erfassen im Grundsatz lediglich die eine Gestaltungserklärung voraussetzende Aufrechnung, nicht jedoch Verrechnungen, bei denen die Saldierung gegenüberstehender, selbständiger Forderungen bereits antizipiert vereinbart war.2) _____________ 1) 2)
608
Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 94 Rz. 1. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 94 Rz. 75; Brandes/Lohmann in: MünchKommInsO, § 94 Rz. 45.
Hofmann
§ 94
Erhaltung einer Aufrechnungslage
Derartige Verrechnungsvereinbarungen, insbesondere in Kontokorrentverträgen, werden als Vorausverfügungen des Schuldners von § 91 geregelt (dort Rz. 13). Ihre Wirkung endet mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens,3) nicht jedoch schon mit der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots.4) §§ 94, 95 werden von § 91 verdrängt, sodass Verrechnungen nach Verfahrenseröffnung unwirksam sind. Bei anfechtbarer Erlangung der Verrechnungsmöglichkeit (hierzu § 96 Rz. 20 ff) gilt gleichwohl § 96 Abs. 1 Nr. 3.5) Eine Verrechnung unselbständiger Rechnungsposten im Wege der gesellschaftsrechtlichen Kontenangleichung unterliegt dagegen niemals der Anwendung der §§ 94 – 96 (einschließlich § 96 Abs. 1 Nr. 3).6) Um den §§ 94-96 insoweit i. R. des Bereicherungsrechts zur Geltung zu verhelfen, ist die bereicherungsrechtliche Saldotheorie in der Insolvenz entsprechend eingeschränkt.7) Abgesehen von der Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 3 auf Verrechnungen erfassen die §§ 94 ff nur Aufrechnungen, die durch Gestaltungserklärung (§ 388 BGB) die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners (Insolvenzmasse) und die ihr gegenüberstehende Gegenforderung des Aufrechnungserklärers (Insolvenzgläubiger) zum Erlöschen bringen (§ 389 BGB). Voraussetzung ist eine bestehende gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Aufrechnungslage zur Zeit der Aufrechnung.
3
II. Gesetzliche Aufrechnungsbefugnis Die gesetzliche Aufrechnungsbefugnis richtet sich nach §§ 387 – 396 BGB. Voraussetzung ist zunächst die Gegenseitigkeit der Forderungen, sodass sowohl Aufrechnungserklärender als auch Aufrechnungsgegner zugleich Schuldner und Gläubiger des anderen sein müssen.
4
Die Aufrechnung setzt weiterhin Gleichartigkeit der Leistungsgegenstände voraus. Wie § 95 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich feststellt, findet insoweit eine Umrechnung in Geldforderungen nach § 45 nicht statt. Unterschiedliche Währungen schließen daher eine Aufrechnung eigentlich aus. Bei im Inland zu erfüllenden Fremdwährungsschulden gibt § 244 BGB dem Fremdwährungsschuldner jedoch das Recht, in Euro zu erfüllen und somit auch gegen eine Euro-Forderung aufzurechnen.8) Im Übrigen erweitert § 95 Abs. 2 die Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzverfahren bei auf unterschiedliche Währungen oder Rechnungseinheiten lautenden Forderungen (§ 95 Rz. 16). Sind die Leistungen bei Verfahrenseröffnung nicht gleichartig, so
5
_____________ 3) 4)
5)
6) 7) 8)
Bork, Zahlungsverkehr, Rz. 61. BGH, Urt. v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737, 739 = BGHZ 135, 140, dazu EWiR 1997, 943 (Henckel); Bork, Zahlungsverkehr, Rz. 40; sowohl der BGH als auch Bork weisen zutreffend auf die in § 24 fehlende Verweisung auf § 91 hin; a. A. Häsemeyer in: Kölner Schrift, S. 461 Rz. 67; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 94 Rz. 21. BGH, Urt. v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1721 = ZVI 2007, 419; BGH, Urt. v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620, 621 = ZVI 2004, 252, dazu EWiR 2004, 1141 (Beutler/Vogel). BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, ZIP 2007, 383, 384 f = ZInsO 2007, 213, dazu EWiR 2007, 343 (Bork). Vgl. ausführl. BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 200/03, ZIP 2005, 126, 130 = ZInsO 2005, 90, dazu EWiR 2005, 565 (Naraschewski). Palandt-Heinrichs, BGB, § 245 Rz. 20.
Hofmann
609
§ 94
Erhaltung einer Aufrechnungslage
besteht allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 320 BGB, § 369 HGB (zur Frage der Insolvenzfestigkeit der Zurückbehaltungsrechte § 51 Rz. 13 ff). Zum späteren Eintritt der Gleichartigkeit siehe § 95 Rz. 7. 6
Die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners muss gemäß § 387 BGB erfüllbar sein, da andernfalls eine Erfüllung auch durch Aufrechnung nicht zulässig ist. Hieran wird es angesichts § 271 Abs. 2 BGB nur in Ausnahmefällen fehlen.
7
Die Gegenforderung des aufrechnenden Insolvenzgläubigers muss nach §§ 387, 390 BGB vollwirksam und fällig sein. Wer kein durchsetzbares Leistungsrecht hat, darf sich auch nicht durch Aufrechnung befriedigen. Einzig die Einrede der Verjährung schließt nach § 215 BGB die Aufrechenbarkeit nicht aus, wenn die Forderung bei Eintritt der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war.
8
Gesetzliche Aufrechnungsverbote gelten auch in der Insolvenz.9) Zu beachten sind vor allem die §§ 390, 393, 394, 395 BGB. Die Kapitalaufbringungsvorschriften in § 19 Abs. 2 GmbHG und § 66 Abs. 1 Satz 2 AktG sowie die Kapitalerhaltungsregeln in § 30 GmbHG, § 57 AktG i. V. m. § 390 Satz 1 BGB verbieten ebenfalls eine Aufrechnung.10) Gegen den konzernrechtlichen Verlustausgleichsanspruch gemäß § 302 Abs. 1 AktG ist eine Aufrechnung nur wirksam, sofern die zur Aufrechnung gestellte Forderung werthaltig ist.11)
9
Bei vertraglichen Aufrechnungsverboten oder -beschränkungen ergibt in vielen Fällen eine (ergänzende) Vertragsauslegung, dass diese in der Insolvenz nicht gelten.12) Sofern die Aufrechnungsmöglichkeit erst mit Verfahrenseröffnung entsteht, gilt freilich § 95 und nicht § 94, sodass § 95 Abs. 1 Satz 3 bei früherer Durchsetzbarkeit der Hauptforderung der Insolvenzmasse eine Aufrechnung ausschließt.
10
Für die Aufrechnung mit Steuerforderungen gelten § 226 AO sowie die Vorschriften des BGB (zu Besonderheiten bei der Aufrechnung durch Steuergläubiger § 95 Rz. 11 ff). III. Vertragliche Aufrechnungsbefugnis
11
Entgegen § 53 KO belässt es § 94 nunmehr auch bei einer vertraglichen Aufrechnungsbefugnis. Unter §§ 94 ff fallen jedoch lediglich vertragliche Erweiterungen der gesetzlichen Aufrechnungsbefugnis, nicht jedoch Aufrechnungsverträge sowie Verrechnungsvereinbarungen.13)
12
Da der Schuldner gemäß § 80 Abs. 1 die Verfügungsbefugnis verloren hat, kann er nach Verfahrenseröffnung nicht mehr wirksam an Aufrechnungsverträgen mit sofortigem Aufrechnungsvollzug mitwirken.14) Alternative 2 ist insoweit von vornherein nicht anwendbar. Ebenfalls nicht von Alternative 2 geschützt werden Verrechnungsvereinbarungen, nach denen bestimmte Forderungen automatisch saldiert _____________ 9) Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 19. 10) Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 20, 21. 11) BGH, Urt. v. 10.7.2006 – II ZR 238/04, ZIP 2006, 1488, 1490 = ZInsO 2006, 818, dazu EWiR 2006, 577 (Lenz). 12) BGH, Urt. v. 12.10.1983 – VIII ZR 19/82, ZIP 1983, 1473, 1474 = MDR 1984, 482. 13) Vgl. hierzu Häsemeyer in: Kölner Schrift, S. 461 Rz. 62 ff. 14) Häsemeyer in: Kölner Schrift, S. 461 Rz. 64.
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§ 94
Erhaltung einer Aufrechnungslage
werden.15) Dies gilt vor allem für Kontokorrentverhältnisse sowie für (Konzern-) Clearing- bzw. Netting-Abreden.16) Solche Verrechnungsvereinbarungen, bei denen es sich letztlich um Vorausverfügungen des Schuldners handelt, erlöschen mit der Verfahrenseröffnung; vor Eröffnung erfolgte Verrechnungen können bei anfechtbarer Erlangung der Verrechnungsmöglichkeit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 unwirksam sein (vgl. bereits Rz. 2). Alternative 2 erfasst daher lediglich vertragliche Erweiterungen der gesetzlichen Aufrechnungsbefugnis.17) Die in der Praxis vielfach eingesetzten Konzernverrechnungsklauseln sind jedoch analog § 96 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 nicht insolvenzfest (§ 96 Rz. 12).
13
IV. Rechtsfolgen § 94 sieht vor, dass alle vor Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungslagen von der Verfahrenseröffnung unberührt bleiben. Hieran ändert es nichts, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung eine nachrangige Insolvenzforderung gemäß § 39 ist.18)
14
Zahlungen zur Insolvenzmasse trotz bestehender Aufrechnungslage können – wie auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens – nicht zurückgefordert werden, da die Aufrechenbarkeit kein Leistungshindernis i. S. von § 813 BGB darstellt.19)
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V. Sonstiges Kostenbeiträge entsprechend § 166 Abs. 2, § 170 Abs. 1, § 171 erscheinen wegen der absonderungsähnlichen Wirkung einer Aufrechnung zwar wünschenswert, fallen aber de lege lata im Falle einer zulässigen Aufrechnung nicht an. In der internationalen Insolvenz gelten Art. 4 Abs. 2 Buchst. d, Art. 6 EuInsVO sowie § 338. Die Aufrechnungsbefugnis der Massegläubiger wird durch die §§ 94 ff grundsätzlich nicht beschränkt.20) Im Falle der Masseunzulänglichkeit sind die §§ 94 ff analog anzuwenden;21) maßgebend ist der Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Durch einen Insolvenzplan (§§ 217 ff) kann die Aufrechnungsbefugnis unter Abweichung von §§ 94 ff beschränkt werden, soweit der Plan dies ausdrücklich regelt und der betreffende Gläubiger zustimmt oder jedenfalls nicht schlechter
_____________ 15) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 24.11.2005 – 1 U 19/05, ZIP 2005, 2325, 2326 = ZInsO 2006, 105, dazu EWiR 2006, 149 (Schultze). 16) Vgl. zum Konzern-Netting Rendels, ZIP 2003, 1583. 17) So auch BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, ZIP 2007, 383, 384 = ZInsO 2007, 213. 18) Brandes/Lohmann in: MünchKomm-InsO, § 94 Rz. 10; Aufrechnungsbeschränkungen für eigenkapitalersetzende Darlehen sind mit Abschaffung der Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz m. W. v. 1.11.2008 entfallen (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). 19) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 94 Rz. 112; Brandes/Lohmann in: MünchKommInsO, § 94 Rz. 34. 20) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 94 Rz. 14; Brandes/Lohmann in: MünchKommInsO, § 94 Rz. 11; Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 110. 21) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 94 Rz. 18; Brandes/Lohmann in: MünchKommInsO, § 94 Rz. 11; Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 112; BFH, Urt. v. 4.3.2008 – VII R 10/06, ZIP 2006, 886, 887 = BStBl. II 2008, 506.
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Eintritt der Aufrechnungslage im Verfahren
gestellt wird;22) der bloße Forderungsverzicht im Insolvenzplan lässt von § 94 geschützte Aufrechnungslagen indes unberührt.23) VI. Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter 17
Der Verwalter kann nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 387 ff BGB aufrechnen; den Beschränkungen der §§ 94 ff unterliegt er nicht.24) In jedem Fall möglich ist i. R. des Verteilungsverfahrens die Aufrechnung einer massezugehörigen Forderung gegen den Anspruch des Insolvenzgläubigers auf die Insolvenzquote. Die Aufrechnung stellt hierbei eine besondere Form der Verteilung gemäß §§ 187 ff dar.25)
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Auch die Aufrechnung des Verwalters gegen die Insolvenzforderung als solche ist gemäß §§ 387 ff BGB ohne weiteres zulässig; insbesondere ist eine förmliche Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht erforderlich.26) Schädigt der Verwalter durch die Aufrechnung die Insolvenzmasse, weil er dem Gläubiger entgegen §§ 94 ff einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft, so haftet er gemäß § 60 i. V. m. § 92.27) Bei offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit ist die Aufrechnung unwirksam.28) _____________ 22) Für die Möglichkeit einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis im Insolvenzplan sprechen bereits §§ 1, 217, wonach von den Vorschriften der InsO abweichende Regelungen getroffen werden können. Auch sind die Aufrechnungsmöglichkeiten einzelner Gläubiger ggf. i. R. des Minderheitenschutzes des Insolvenzplanverfahrens zu berücksichtigen, vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 29.3.2007 – IX ZB 204/05, ZIP 2007, 923 f = ZVI 2007, 278. 23) BGH, Urt. v. 19.5.2011 – IX ZR 222/08, ZIP 2011, 1271, 1273 = NZI 2011, 538. 24) Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 107. 25) Häsemeyer in: Kölner Schrift, S. 461 Rz. 111. 26) Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 108. 27) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 94 Rz. 35. 28) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 94 Rz. 35; Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 108.
§ 95 Eintritt der Aufrechnungslage im Verfahren (1) 1Sind zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet, so kann die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. 2 Die §§ 41, 45 sind nicht anzuwenden. 3Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. (2) 1Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Forderungen auf unterschiedliche Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, wenn diese Währungen oder Rechnungseinheiten am Zahlungsort der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, frei getauscht werden können. 2Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswert, der für diesen Ort zur Zeit des Zugangs der Aufrechnungserklärung maßgeblich ist. 612
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§ 95
Eintritt der Aufrechnungslage im Verfahren
Literatur: Onusseit, Aufrechnung des Finanzamts in der Insolvenz, ZInsO 2005, 638. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Eintritt der Aufrechnungslage im Insolvenzverfahren .............................. 2 III. Ausschluss nach Absatz 1 Satz 3 ...................................................... 8
I.
IV. Besonderheiten bei Steuerforderungen ........................................ 11 V. Aufrechnung bei Währungs- bzw. Rechnungseinheitsungleichartigkeit ....................................... 16
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Vorbemerkung
In Ergänzung zu § 94 schützt Absatz 1 auch eine bei Verfahrenseröffnung bestehende „Aufrechnungsanwartschaft“, d. h. das schutzwürdige Vertrauen in den späteren Eintritt einer Aufrechnungslage.1) Absatz 2 erweitert die Aufrechnungsbefugnis bei ungleichartigen, aber umrechenbaren Leistungen. Grenzen setzen der Aufrechnung die Regelungen des Absatzes 1 Satz 3 sowie des § 96.
1
II. Eintritt der Aufrechnungslage im Insolvenzverfahren Absatz 1 Satz 1 lässt im Grundsatz die Aufrechnung im Insolvenzverfahren auch dann zu, wenn die Aufrechnungslage erst im Verfahren eintritt, die Forderungen aber bereits bei Eröffnung begründet waren. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist die Aufrechnung gleichwohl erst nach Eintritt der Aufrechnungslage gemäß §§ 387 ff BGB zulässig.
2
Absatz 1 Satz 1 gilt zunächst für aufschiebend bedingte Forderungen. Der Insolvenzgläubiger kann weder mit einer aufschiebend bedingten Forderung noch gegen eine solche aufrechnen. Nach Absatz 1 Satz 1 kann hingegen aufgerechnet werden, sobald die Forderungen unbedingt geworden sind.2)
3
Auflösend bedingte Forderungen fallen nicht unter Absatz 1, können vielmehr vor Bedingungseintritt uneingeschränkt geltend gemacht und auch aufgerechnet werden.3) Mit Eintritt der Bedingung entfällt die bedingte Forderung rückwirkend, die Aufrechnung wird hinfällig und die andere Forderung kann neu geltend gemacht werden.4)
4
Für rechtlich bedingte Ansprüche gilt Absatz 1 Satz 1, soweit sie von Rechts wegen ohne weiteres Zutun der Parteien, d. h. insbesondere ohne Kündigung, entstehen.5)
5
Auch im Falle nicht fälliger Forderungen schützt Absatz 1 Satz 1 die Erwartung des Eintritts der Aufrechnungslage. Ist nur die zur Masse gehörige Hauptforderung bei Verfahrenseröffnung noch nicht fällig, aber erfüllbar, so besteht bereits eine durch § 94 geschützte Aufrechnungslage. Für die infolge einer Erfüllungswahl des
6
_____________ 1) 2)
3) 4) 5)
Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 44. BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 7/06, ZIP 2007, 239 = ZVI 2007, 71, dazu EWiR 2007, 381 (Beutler) – Aufrechenbarkeit von Nebenkostenguthaben aus der Zeit vor Insolvenz des Vermieters; BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608, 1609 = ZInsO 2004, 921, dazu EWiR 2005, 509 (Fliegner). Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 49; Brandes/Lohmann in: MünchKommInsO, § 95 Rz. 29. Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 49. BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608, 1609 = ZInsO 2004, 921.
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Eintritt der Aufrechnungslage im Verfahren
Verwalters gemäß § 103 zu Masseforderungen erstarkten Forderungen aus nicht erfüllten Verträgen gilt nicht Absatz 1, sondern § 96 Abs. 1 Nr. 1 (dort Rz. 4). 7
Zuletzt lässt Absatz 1 Satz 1 die Aufrechnung auch dann zu, wenn die von § 387 BGB geforderte Gleichartigkeit der Forderungen erst nach Verfahrenseröffnung eintritt. Sofern die Gleichartigkeit durch Vertragsverletzung eintritt, wird die Vorschrift zu Recht kritisiert, da hierauf kaum ein schutzwürdiges Vertrauen bestehen dürfte.6) Bei bewusstem Vertragsbruch zwecks Herbeiführung einer Aufrechnungslage ist daher eine Aufrechnung wegen unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB ausgeschlossen.7) Im Falle des Entstehens eines Schadensersatzanspruchs eines Insolvenzgläubigers infolge einer Erfüllungsablehnung gemäß § 103 kommt eine Aufrechnung wegen Absatz 1 Satz 3 nicht in Betracht, wenn die massezugehörige Hauptforderung vor der Erfüllungsablehnung unbedingt und fällig war.8) III. Ausschluss nach Absatz 1 Satz 3
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Absatz 1 Satz 3 schließt eine Aufrechnung dann aus, wenn die (zur Masse gehörige) Hauptforderung vor der Gegenforderung des Insolvenzgläubigers unbedingt und fällig geworden ist. Sinn von Absatz 1 Satz 3 ist der Schutz der Insolvenzmasse, wenn ein Gläubiger eine fällige und durchsetzbare Forderung nicht bezahlt, sondern die Erfüllung hinauszögert und den Eintritt einer Aufrechnungslage abwartet.9)
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Über den Wortlaut des Absatzes 1 Satz 3 verlangt der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nicht nur die Fälligkeit und Unbedingtheit, sondern die Durchsetzbarkeit der Hauptforderung der Insolvenzmasse vor der Gegenforderung des Insolvenzgläubigers.10) Dies überzeugt bei Vergleich mit den inhaltlich ähnlichen Vorschriften der §§ 392, 406 BGB.11)
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War allein die Hauptforderung der Masse aufschiebend bedingt, so kann der Insolvenzgläubiger nach Eintritt der Bedingung ungeachtet des Absatzes 1 Satz 3 aufrechnen.12) Unter den Voraussetzungen von § 96 Abs. 2 findet Absatz 1 Satz 3 keine Anwendung. _____________ 6) Zur Kritik an der Regelung vgl. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 95 Rz. 36 f; GottwaldGottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 73. Soweit Brandes/Lohmann in: MünchKommInsO, § 95 Rz. 32 darlegen, Regressgläubiger seien hinsichtlich des zunächst nicht gleichartigen Freistellungsanspruchs schutzwürdig, gewährleistet bereits die Berücksichtigung aufschiebend bedingter Forderungen diesen Fall. Der Regressanspruch ist bereits unter aufschiebender Bedingung der Zahlung durch den Regressgläubiger entstanden. 7) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 95 Rz. 36; Brandes/Lohmann in: MünchKommInsO, § 95 Rz. 32. 8) Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 74. 9) BGH, Urt. v. 22.9.2005 – VII ZR 117/03, ZIP 2005, 1972, 1973 = ZVI 2005, 600; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 95 Rz. 20. 10) BGH, Urt. v. 22.9.2005 – VII ZR 117/03, ZIP 2005, 1972, 1973 f = ZVI 2005, 600. 11) BGH, Urt. v. 18.12.2003 – VII ZR 315/02, NJW-RR 2004, 525 = DB 2004, 925 – zu § 392 BGB; Palandt-Heinrichs, BGB, § 392 Rz. 1, § 406 Rz. 8. 12) BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608, 1609 = ZInsO 2004, 921; Brandes/Lohmann in: MünchKomm-InsO, § 95 Rz. 9; a. A. wohl Kübler/Prütting/BorkLüke, InsO, § 95 Rz. 15.
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IV. Besonderheiten bei Steuerforderungen Für die Aufrechnung mit Steuerforderungen gelten über § 226 AO zunächst die Vorschriften der §§ 387 ff BGB. Zudem ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu beachten, die in der Vergangenheit oftmals eine Aufrechnung des Fiskus erleichtert hat, inzwischen aber gerade zur Aufrechnung deutlich insolvenzrechtlicher geprägt ist.13)
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Die steuerrechtliche, massezugehörige Hauptforderung ist auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in vielen Fällen bei Verfahrenseröffnung wenigstens bedingt begründet i. S. von Absatz 1 Satz 1, so dass eine Aufrechnung des Fiskus zulässig bleibt: Maßgebend für das Bestehen einer Forderung i. S. von Absatz 1 Satz 1 sowie von § 96 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 ist nicht das steuerrechtliche Entstehen der Forderung gemäß § 38 AO, sondern die tatbestandsmäßige Begründung der Forderung unter Zugrundelegung insolvenzrechtlicher Abgrenzungsgrundsätze.14) Massezugehörige Erstattungsansprüche im Zusammenhang mit Steuervorauszahlungen entstehen demnach steuerrechtlich zwar erst mit Festsetzung der (niedrigeren) Steuer bzw. mit Wegfall der Steuerpflicht, im insolvenzrechtlichen Sinne aber bereits bei Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Steuerschuld letztlich geringer ist als die Summe der Vorauszahlungen, die Steuerpflicht vor Ende des Entrichtungszeitraums endet.15) Wird der Tatbestand einer Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 17 UStG indes erst nach Verfahrenseröffnung verwirklicht, so ist die Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 ausgeschlossen.16) Der Vorsteuervergütungsanspruch entsteht steuerrechtlich erst nach Erteilung einer Rechnung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), insolvenzrechtlich bereits mit Erbringung der Leistung an den Schuldner, so dass eine Aufrechnung des Fiskus bei vorinsolvenzlicher Leistungserbringung gemäß Absatz 1 Satz 1 zugelassen ist,17) soweit nicht – wie z. B. im Fall der an die Masse erbrachten Leistung des vorläufigen Insolvenzverwalters oder auch im Fall der Aufrechnung von Umsatzsteuer aus dem Zeitraum der §§ 130, 131 gegen anderweitige Ansprüche der Masse gegen den Fiskus – die anfechtbare Begründung der Aufrechnungsmöglichkeit gemäß
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_____________ 13) Vgl. z. B. die Rechtsprechungsänderung durch BFH, Urt. v. 25.7.2012 – VII R 29/11, ZIP 2012, 2217, dazu EWiR 2013, 17 (Ries). 14) BFH, Urt. v. 25.7.2012 – VII R 29/11, ZIP 2012, 2217; BFH, Urt. v. 5.10.2004 – VII R 69/03, ZIP 2005, 266, 267 = ZInsO 2005, 542, dazu EWiR 2005, 475 (Onusseit); BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628, 630 = BStBl. II 2006, 193, dazu EWiR 2005, 477 (Onusseit). 15) BFH, Urt. v. 9.2.1993 – VII R 12/92, ZIP 1993, 933, 934 = NJW 1994, 1680, dazu EWiR 1993, 793 (Frotscher); BFH, Urt. v. 17.4.2007 – VII R 27/06, ZIP 2007, 1166 = ZInsO 2007, 664 – Grunderwerbsteuererstattung bei Rücktritt vom Kaufvertrag nach Verfahrenseröffnung; kaum zutreffend: BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 62/03, ZIP 2005, 264, 265 = ZVI 2005, 134 – Kfz-Steuererstattung mit Verfahrenseröffnung; insoweit ebenfalls abl. Onusseit, ZInsO 2005, 638, 643, und Gundlach/Frenzel, NZI 2005, 281 (Urteilsanm.). 16) BFH, Urt. v. 25.7.2012 – VII R 29/11, ZIP 2012, 2217, unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung. 17) BFH, Urt. v. 5.10.2004 – VII R 69/03, ZIP 2005, 266, 267 = ZInsO 2005, 542; BFH, Urt. v. 16.11.2004 – VII R 75/03, ZIP 2005, 628, 630 = BStBl. II 2006, 193.
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Eintritt der Aufrechnungslage im Verfahren
§§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130, 131 einer Aufrechnung entgegensteht.18) Aufrechenbar sind insoweit jedoch allenfalls nach Saldierung gemäß §§ 16 ff UStG bestehende Vorsteuervergütungsansprüche, nicht hingegen einzelne Vorsteuerbeträge.19) Im Rahmen der Saldierung gemäß § 16 UStG sind vorrangig die vor Verfahrenseröffnung begründeten Vorsteuerabzugsbeträge zu verrechnen.20) Bezieht sich ein massezugehöriger sonstiger Anspruch, z. B. auf Erstattungszinsen oder Eigenheimzulage, auf Zeiträume nach Verfahrenseröffnung, so hindert § 96 Abs. 1 Nr. 1 eine Aufrechnung des Finanzamts.21) 13
Bereits entstandene, aber mangels Festsetzung noch nicht fällige (Insolvenz-)Steuerforderungen werden nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit Verfahrenseröffnung fällig gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO.22) Auch hinsichtlich dieser Steuerforderungen ist gemäß Absatz 1 Satz 1 die Aufrechnung zulässig, sofern nicht die Hauptforderung der Masse (z. B. Steuererstattungsanspruch) bereits zuvor fällig war (Abs. 1 Satz 3). Dies gilt auch für die Aufrechnung mit noch nicht durch Bescheid festgesetzten Haftungsforderungen des Finanzamts gegen den Schuldner.23) Entsteht die Steuerforderung selbst dem Grunde nach erst mit der Verfahrenseröffnung, ist Absatz 1 Satz 1 hingegen nicht anwendbar, sodass die Aufrechnung ausgeschlossen ist.24)
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Für die Gegenseitigkeit der Forderungen kommt es grundsätzlich auf die materiellrechtliche Inhaberschaft der Steuerforderungen an.25) Eine Aufrechnung der steuerverwaltenden Körperschaft mit fremden Steuerforderungen aufgrund von § 226 Abs. 4 AO dürfte hingegen nach § 96 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 unzulässig sein.26) _____________ 18) BFH, Urt. v. 2.8.2012 – VII R 57/10, ZIP 2013, 379; BFH, Urt. v. 2.11.2010 – VII R 6/10, ZIP 2011, 181 ff = NZI 2011, 553. 19) BFH, Urt. v. 25.7.2012 – VII R 44/10, ZIP 2012, 2220, dazu EWiR 2013, 79 (Mitlehner) – zur Saldierung i. R. der Steuerberechnung für das mit Verfahrenseröffnung endende (Rumpf-)Steuerjahr; BFH, Urt. v. 24.11.2011 – V R 13/11, ZIP 2011, 2481, dazu EWiR 2012, 127 (de Weerth) – auch zum Vorrang der Saldierung vor dem Aufrechnungsverbot gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3. 20) BFH, Urt. v. 16.1.2007 – VII R 7/06, ZIP 2007, 490 = ZVI 2007, 377, dazu EWiR 2007, 311 (Beck). 21) BFH, Urt. v. 30.4.2007 – VII B 252/06, ZIP 2007, 1277 = DB 2007, 1394 – zu Erstattungszinsen gemäß § 233a AO für Zeiträume nach Eröffnung; BFH, Urt. v. 17.4.2007 – VII R 34/06, ZIP 2007, 1225 = DB 2007, 1450 – zur Eigenheimzulage für Jahre nach der Verfahrenseröffnung. 22) BFH, Urt. v. 4.2.2005 – VII R 20/04, ZIP 2005, 997, 998 = ZInsO 2005, 654; ebenso BGH, Urt. v. 6.12.2012 – VII ZR 189/10, ZIP 2013, 125, dazu EWiR 2013, 177 (Debus/ Schartl). 23) BFH, Urt. v. 10.5.2007 – VII R 18/05, ZIP 2007, 1514 = DB 2007, 2694, dazu EWiR 2008, 85 (Onusseit). 24) BGH, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZR 81/06, ZIP 2007, 1612 = NZI 2007, 655 – zur Vorsteuerberichtigung gemäß § 17 Abs. 2 UStG. 25) Ebenso wohl BFH, Urt. v. 10.5.2007 – VII R 18/05, ZIP 2007, 1514 = DB 2007, 2694. 26) Nach Auffassung des Verfassers müssen die vom BGH zu Konzernverrechnungsklauseln, vgl. hierzu § 96 Rz. 12, angeführten Argumente zu einer Anwendung von § 96 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 führen, da § 226 AO letztlich die gesetzliche „Konzernverrechnungsklausel“ von Bund und Ländern ist.
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Unzulässigkeit der Aufrechnung
Für Steuerforderungen im Rang von Masseverbindlichkeiten gelten die Aufrechnungseinschränkungen der §§ 95, 96 nicht bzw. lediglich im Fall der Masseunzulänglichkeit (vgl. § 94 Rz. 16).27) Einer Aufrechnung von Steuererstattungs- bzw. -vergütungsansprüchen aus dem schuldnerischen Geschäftsbetrieb nach „Freigabe“ gemäß § 35 Abs. 2 gegen Insolvenzforderungen stehen die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote, insbesondere gemäß § 96, ebenfalls nicht entgegen.28) Gleiches gilt für Steuervergütungs- bzw. -erstattungsansprüche, die der Schuldner während der Wohlverhaltensphase, d. h. nach Beendigung des eigentlichen Insolvenzverfahrens, erwirbt.29)
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V. Aufrechnung bei Währungs- bzw. Rechnungseinheitsungleichartigkeit Absatz 2 lässt im Fall unterschiedlicher Währungen und Rechnungseinheiten eine Aufrechnung zu, die außerhalb des Insolvenzverfahrens mangels Gleichartigkeit der Forderungen i. S. von § 387 BGB ausgeschlossen ist.30) Die Aufrechnung erfolgt gemäß Absatz 2 Satz 2 nach dem Kurswert, der für den Zahlungsort der Hauptforderung zur Zeit des Zugangs der Aufrechnungserklärung maßgeblich ist. _____________ 27) Gottwald-Frotscher, InsR-Hdb., § 45 Rz. 128 – 130. 28) BFH, Beschl. v. 1.9.2010 – VII R 35/08, ZIP 2010, 2359, 2360 f = NZI 2011, 35, dazu EWiR 2011, 53 (Kahlert) – zur Umsatzsteuer; FG Münster, Urt. v. 27.9.2013 – 14 K 1917/12 AO, ZIP 2013, 2420 – zu Einkommensteuererstattungsanspruch. 29) BFH, Urt. v. 22.5.2012 – VII R 58/10, ZInsO 2012, 2104. 30) Palandt-Heinrichs, BGB, § 387 Rz. 9; KG, Urt. v. 29.6.1988 – 24 U 6446/87, NJW 1988, 2181 = WM 1988, 1385.
§ 96 Unzulässigkeit der Aufrechnung (1) Die Aufrechnung ist unzulässig, 1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.
(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber Hofmann
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§ 96
Unzulässigkeit der Aufrechnung
oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes. Literatur: Häsemeyer, Die Aufrechnung nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2009, S. 461; Henkel, Die Verjährung der Hauptforderung des Insolvenzschuldners bei Unzulässigkeit der Aufrechnung nach § 96 I Nr. 3 InsO, NZI 2007, 84; Rendels, Ist die Aufrechnungsbefugnis kraft einer Konzern-Netting-Abrede insolvenzfest?, ZIP 2003, 1583. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Entstehung/Erwerb der Hauptforderung im Insolvenzverfahren ...... 2 III. Erwerb der Gegenforderung im Insolvenzverfahren .............................. 8
IV. Anfechtbar erlangte Auf rechnungslage ..................................... 15 V. Aufrechnung durch Neugläubiger ...................................... 24 VI. Prozessuales ........................................ 27 VII. Ausnahmen nach Absatz 2 ............... 28
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I. 1
Vorbemerkung
Die Vorschrift regelt besondere Aufrechnungsverbote im Insolvenzverfahren. § 96 dient – wie die großteils inhaltsgleiche Vorgängernorm des § 55 KO – dem Schutz der Insolvenzmasse gegenüber der Erhaltung von Aufrechnungslagen, die §§ 94, 95 im Hinblick auf das Vertrauen der Gläubiger normieren.1) Absatz 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 finden denknotwendig nur auf Aufrechnungen nach Verfahrenseröffnung, Absatz 1 Nr. 3 jedoch auch auf solche vor Verfahrenseröffnung Anwendung.2) II. Entstehung/Erwerb der Hauptforderung im Insolvenzverfahren
2
Die Aufrechnung ist gemäß Absatz 1 Nr. 1 unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Verfahrenseröffnung etwas zur Masse schuldig wird. Gemeint ist zunächst der Fall, dass die Forderung des Schuldners gegen den Insolvenzgläubiger (Hauptforderung) erst nach Verfahrenseröffnung entsteht.3) Entsteht die Forderung während des Eröffnungsverfahrens, steht Absatz 1 Nr. 1 einer Aufrechnung nicht entgegen.4)
3
War die Hauptforderung bei Eröffnung unter einer aufschiebenden Bedingung entstanden, so kommt Absatz 1 Nr. 1 nicht zur Anwendung.5) Es verbleibt vielmehr bei dem vorrangigen § 95 Abs. 1 Satz 1, Satz 3.6) Dies gilt auch für rechtlich _____________ 1) 2) 3) 4)
5) 6)
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Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 96 Rz. 1; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.5.1996 – 6 U 8/95, ZIP 1996, 1749, 1755 = IBR 1997, 361, dazu EWiR 1996, 1039 (App) – zu § 55 KO. BGH, Urt. v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2371 = ZVI 2004, 25, dazu EWiR 2004, 241 (Beutler/Vogel). Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 11. BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558 = ZVI 2004, 741; OLG Rostock, Urt. v. 21.8.2003 – 1 U 197/01, ZIP 2003, 1805, 1806 f = ZVI 2004, 34, dazu EWiR 2004, 447 (Runkel); Rendels, ZIP 2003, 1583, 1590. BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608 = ZInsO 2004, 921, dazu EWiR 2005, 509 (Fliegner). BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 7/06, ZIP 2007, 239 = ZVI 2007, 71, dazu EWiR 2007, 381 (Beutler); BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608 = ZInsO 2004, 921.
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§ 96
Unzulässigkeit der Aufrechnung
bedingte Ansprüche, soweit deren Entstehen nicht von weiterem Zutun der Parteien abhängt.7) Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Verfahrenseröffnung bei beiderseits nicht erfüllten Verträgen gemäß §§ 103 ff kein Erlöschen der gegenseitigen Verpflichtungen, sondern deren Nichtdurchsetzbarkeit zur Folge (hierzu auch § 103 Rz. 24 ff).8) Die Erfüllungswahl des Verwalters wertet die gegenseitigen Verpflichtungen sodann zu originären Masseverbindlichkeiten und -forderungen auf.9) Wegen dieses „Qualitätssprungs“ wird der Gläubiger i. S. von Absatz 1 Nr. 1 die konkrete Gegenleistung erst nach Verfahrenseröffnung zur Masse schuldig, sodass die Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung nicht zulässig ist.10)
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Für nach Verfahrenseröffnung fällig werdende Miet-/Pachtzinsforderungen sowie dienst-/arbeitsvertragliche Bezüge gelten die vorrangigen Vorschriften der §§ 110 Abs. 3 und 114 Abs. 2 a. F.11)
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Kommt es nach Verfahrenseröffnung zu einem Forderungserwerb der Insolvenzmasse durch Abtretung oder durch gesetzlichen Forderungsübergang, so schließt Absatz 1 Nr. 1 eine Aufrechnung ebenfalls aus, da dies dem Insolvenzgläubiger nicht zugute kommen soll. Dessen Vertrauen in eine vor der Abtretung bestehende Aufrechnungslage gegenüber dem früheren Forderungsinhaber schützt § 406 BGB.12)
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Zu Besonderheiten bei Steuerforderungen ist auf die Ausführungen bei § 95 Rz. 11 ff zu verweisen.
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III. Erwerb der Gegenforderung im Insolvenzverfahren Nach Absatz 1 Nr. 2 ist die Aufrechnung unzulässig, wenn der Insolvenzgläubiger seine Gegenforderung erst nach der Verfahrenseröffnung von einem anderen Gläubiger erworben hat. Andernfalls würde die Insolvenzforderung aufgrund des Inhaberwechsels entgegen dem Grundsatz der par condicio creditorum bevorzugt befriedigt.
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Um dies zu verhindern, erfasst Absatz 1 Nr. 2 jeden Fall der Rechtsnachfolge in Insolvenzforderungen, d. h. sowohl die Einzelrechtsnachfolge in Gestalt der Abtretung als auch jede Form von Gesamtrechtsnachfolge.
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Erwirbt der Gläubiger die Forderung im Eröffnungsverfahren, so gilt nicht Absatz 1 Nr. 2, ggf. jedoch Absatz 1 Nr. 3.13) War die Gegenforderung bei Verfah-
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_____________ 7) BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 147/03, ZIP 2004, 1608 = ZInsO 2004, 921. 8) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093, 1094 = ZInsO 2002, 577, dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot). 9) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093, 1095 = ZInsO 2002, 577. 10) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 96 Rz. 7; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 23. 11) BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 7/06, ZIP 2007, 239, 240 = ZVI 2007, 71 – zu § 110 InsO; BGH, Urt. v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521, 1522 = ZVI 2005, 431, dazu EWiR 2006, 21 (Beutler/Weissenfels) – zu § 110 InsO. 12) Ebenso Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 85; Kübler/Prütting/BorkLüke, InsO, § 96 Rz. 10. 13) Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 87; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 96 Rz. 16.
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Unzulässigkeit der Aufrechnung
renseröffnung bereits aufschiebend bedingt erworben, so geht § 95 Abs. 1 der Regelung des Absatzes 1 Nr. 2 vor.14) 11
Auch im Falle der Rückabtretung von zur Sicherung übertragenen Forderungen, schließt Absatz 1 Nr. 2 eine Aufrechnung aus, wenn die Rückabtretung erst nach Verfahrenseröffnung erfolgt.15) Bestand die Aufrechnungslage indes bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so schließt eine spätere Sicherungszession mit anschließender Rückabtretung die Aufrechnung nach h. M. nicht aus.16)
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Nach zutreffender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine aufgrund einer sog. Konzernverrechnungsklausel nach Eröffnung erklärte Aufrechnung analog Absatz 1 Nr. 2 unwirksam, da die Gegenforderung erst unmittelbar vor Erklärung der Aufrechnung und damit nach Verfahrenseröffnung zur Hauptforderung gezogen wird.17) Gleiches gilt analog Absatz 1 Nr. 1 für die Aufrechnung einer eigenen Insolvenzforderung gegen eine fremde Schuld.18)
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Dieselben Erwägungen dürften für sog. Konzern-Netting-Abreden gelten, die Aufrechnungsbefugnisse zwischen Konzerngesellschaften regeln. Auch hier ist eine Aufrechnung nach Verfahrenseröffnung gemäß Absatz 1 Nr. 2 unwirksam, wenn die fehlende Gegenseitigkeit durch die Netting-Abrede überwunden wird.19)
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Entgegen Absatz 1 Nr. 2 ist die Aufrechnung eines Genossen mit der Nachschusspflicht in der Genossenschaftsinsolvenz unter den besonderen Voraussetzungen des § 105 Abs. 5 GenG zugelassen.20) Auch eine nach der baurechtlichen Rechtsprechung der Schlusszahlung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B gleichstehende Aufrechnung ist unter den Voraussetzungen von Absatz 1 Nr. 2 unzulässig.21) IV. Anfechtbar erlangte Aufrechnungslage
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Absatz 1 Nr. 3 implementiert das Recht der Insolvenzanfechtung der §§ 129 ff in die Vorschriften der Aufrechnung und erfasst jede anfechtbare Herbeiführung der Aufrechnungs- oder auch der Verrechnungslage (hierzu Rz. 20 ff). Ausreichend, aber auch notwendig ist, dass irgendeine Voraussetzung der Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise geschaffen wurde, wie bspw. die Begründung der Haupt-, der _____________ 14) Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 88; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 30. 15) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 32; Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsRHdb., § 45 Rz. 92. 16) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 33; Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsRHdb., § 45 Rz. 96 m. w. N. auch zur a. A. 17) BGH, Urt. v. 15.7.2004 – IX ZR 224/03, ZIP 2004, 1764, 1765 f = ZVI 2004, 610, dazu EWiR 2004, 1041 (Rendels); ebenso Braun-Kroth, InsO, § 94 Rz. 24; anders noch Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 94 Rz. 73. 18) BGH, Urt. v. 13.7.2006 – IX ZR 152/04, ZIP 2006, 1740, 1741 = ZInsO 2006, 939, dazu EWiR 2007, 59 (Stahlschmidt). 19) Diff. Rendels, ZIP 2003, 1583, 1586 f. 20) Hierzu Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 96 Rz. 23. 21) BGH, Urt. v. 12.7.2007 – VII ZR 186/06, ZIP 2007, 1721 = NZI 2007, 583, weist zu Recht auf den Vorrang der InsO ggü. den VOB/B und der hierzu entwickelten Rechtsprechung hin.
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Unzulässigkeit der Aufrechnung
Gegenforderung oder der Gegenseitigkeit.22) Maßgeblich wird in vielen Fällen auf die als solche anfechtbare Werthaltigmachung einer ggf. bereits bestehenden Forderung abzustellen sein, die in entsprechendem Umfang zum Aufrechnungsausschluss gemäß Absatz 1 Nr. 3 führt.23) Entsteht die Aufrechnungslage im Dreimonatszeitraum vor Insolvenzantragstellung, so ist die Abgrenzung zwischen § 130 und § 131 entscheidend, da im letzteren Fall die Anfechtung eine Kenntnis der Krise seitens des Insolvenzgläubigers nicht voraussetzt. Ob die Begründung der Aufrechnungslage zu einer kongruenten oder einer inkongruenten Deckung führt, richtet sich nach dem Inhalt der Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Insolvenzgläubiger, insbesondere danach, ob der aufrechnende Insolvenzgläubiger Anspruch auf Herstellung einer Aufrechnungslage hatte.24) Im Grundsatz nicht maßgebend ist die Reihenfolge des Entstehens der gegenseitigen Forderungen.25) Zumeist wird eine inkongruente Deckung vorliegen, da bei Herstellung der Aufrechnungslage gerade nur Anspruch auf Zahlung, nicht jedoch auf Befriedigung im Wege der Aufrechnung bestehen dürfte.26) Entsteht die Gegenforderung und mit ihr die Aufrechnungslage erst nach der Hauptforderung, so liegt ausnahmsweise eine kongruente Deckung vor, wenn ein Anspruch auf Herstellung der Aufrechnungslage, d. h. auf Abschluss der die Aufrechnung ermöglichenden Vereinbarung, bestand.27)
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Gemäß § 133 Abs. 1 anfechtbar erlangt ist eine Aufrechnungslage, die durch vorsätzlich gläubigerbenachteiligendes Handeln des Schuldners entstand, wenn der Insolvenzgläubiger von diesem Vorsatz Kenntnis hatte. Eine unentgeltlich erlangte Aufrechnungslage (§ 134 Abs. 1) berechtigt ebenfalls nicht zur Aufrechnung.28)
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Bei bedingten Forderungen kommt es wegen § 140 Abs. 3 nicht auf die endgültige Aufrechenbarkeit nach Bedingungseintritt an, sondern auf den Abschluss der rechtsbegründenden Umstände.29) Entsteht die Aufrechnungsmöglichkeit durch _____________
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22) BGH, Urt. v. 7.5.2013 – IX ZR 191/12, ZIP 2013, 1180, dazu EWiR 2013, 553 (Eckardt) – Ausschluss der Aufrechnung gegen den Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB bei Kündigung des Vertragshändlervertrags; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 96 Rz. 24. 23) BGH, Urt. v. 14.2.2013 – IX ZR 94/12, ZIP 2013, 589, dazu EWiR 2013, 325 (St. Krüger); BGH, Urt. v. 11.2.2010 – IX ZR 104/07, ZIP 2010, 682 dazu EWiR 2010, 497 (Siepmann/ M. Knapp). 24) BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, ZIP 2006, 818, 819 = NZI 2006, 345; BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558, 1559 f = ZVI 2004, 741. 25) BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558, 1559 = ZVI 2004, 741. 26) BGH, Urt. v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507 = NZI 2007, 515, dazu EWiR 2008, 83 (H. -G. Eckert) – Inkongruenz bei Aufrechnung des Rechtsanwalts mit auszukehrendem Fremdgeldguthaben; BGH, Urt. v. 9.2.2006 – IX ZR 121/03, ZIP 2006, 818, 819 = NZI 2006, 345 – Inkongruenz bei Erwerb der Gegenforderung durch Abtretung. 27) BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZR 22/08, ZInsO 2009, 1294; Brandes/Lohmann in: MünchKomm-InsO, § 96 Rz. 31. 28) BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, ZIP 2009, 186 ff = ZVI 2009, 66, dazu EWiR 2009, 419 (Runkel/J. M. Schmidt) – zur unzulässigen Aufrechnung vorinsolvenzlicher Schadensersatzansprüche eines getäuschten Anlegers gegen Ansprüche auf Rückgewähr unentgeltlich ausgezahlter Scheingewinne. 29) BGH, Urt. v. 14.6.2007 – IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507, 1509 f = NZI 2007, 515 – zum maßgebenden Zeitpunkt bei Eingang von Fremdgeld auf Rechtsanwaltskonto; BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558, 1560 = ZVI 2004, 741.
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Unzulässigkeit der Aufrechnung
Gesamtrechtsnachfolge ohne Zutun des Insolvenzgläubigers oder des Schuldners, so fehlt es an der für jede Anfechtung notwendigen Rechtshandlung i. S. von § 129.30) 19
Rechnet ein Insolvenzgläubiger entgegen Absatz 1 Nr. 3 auf, so ist die Aufrechnung bzw. Verrechnung unwirksam; einer besonderen klageweisen Anfechtung bedarf es nicht.31) Eine vor Verfahrenseröffnung erklärte Aufrechnung wird mit Verfahrenseröffnung gemäß Absatz 1 Nr. 3 unwirksam.32) Die nach wie vor bestehende Forderung der Insolvenzmasse ist grundsätzlich nach den für sie maßgebenden Vorschriften durchsetzbar, allerdings unterliegt die Geltendmachung der Unwirksamkeit nach Absatz 1 Nr. 3 nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Verjährung bzw. Ausübungsfrist analog § 146.33)
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Auch bei anfechtbarer Erlangung einer Verrechnungslage gilt Absatz 1 Nr. 3, sodass insbesondere auch Verrechnungen im Kontokorrent mit Verfahrenseröffnung unwirksam werden können.34) Für die Abgrenzung zwischen kongruenter und inkongruenter Erlangung einer Verrechnungslage gilt: War der Rückzahlungsanspruch der Bank bei Zahlungseingang auf dem Konto bereits fällig (nach Kündigung oder bei nur geduldeter Überziehung), so liegt eine kongruente Deckung vor, die nur bei Vorliegen der subjektiven Elemente des § 130 anfechtbar ist.35) Bei Rückführung eines ungekündigten oder nicht wirksam gekündigten Kredits ist die Verrechnungsmöglichkeit hingegen inkongruent i. S. von § 131 erlangt;36) bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Drei-Monats-Zeitraum ist in diesem Fall die Verrechnung sämtlicher Zahlungseingänge gemäß Absatz 1 Nr. 3 unwirksam.
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Die Anfechtung ist freilich ausgeschlossen, soweit die Bank ihren Kunden über den Gegenwert eingehender Zahlungen wieder verfügen lässt, da in diesem Fall ein Bargeschäft (§ 142) vorliegt.37) Das gilt auch, wenn das Kreditinstitut nicht alle, aber einzelne Verfügungen des Kunden zulässt und diese gegen entsprechende Zahlungseingänge verrechnet.38) Verrechnungen sind damit nur insoweit unwirksam, als der Debetsaldo „netto“, d. h. unter Außerachtlassung zugelassener Zahlungsausgänge, zurückgeführt wurde (vgl. hierzu auch § 142 Rz. 10). _____________ 30) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 96 Rz. 24. 31) BGH, Urt. v. 29.6.2004 – IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558, 1559 = ZVI 2004, 741; BGH, Urt. v. 11.11.2004 – IX ZR 237/03, ZIP 2005, 181, 182 = ZInsO 2005, 94; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 54. 32) BGH, Urt. v. 9.10.2003 – IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2371 = ZVI 2004, 25; OLG Rostock, Urt. v. 11.8.2003 – 3 U 55/03, ZIP 2003, 1903, 1906; Kübler/Prütting/BorkLüke, InsO, § 96 Rz. 54. 33) BGH, Urt. v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1467 = ZVI 2007, 419; BGH, Urt. v. 28.9.2006 – IX ZR 136/05, ZIP 2006, 2178 = ZVI 2006, 580, dazu EWiR 2007, 19 (Wazlawik); zum Streitstand i. Ü. Henkel, NZI 2007, 84 ff. 34) BGH, Urt. v. 12.7.2007 – IX ZR 120/04, ZIP 2007, 1467 = ZVI 2007, 419; BGH, Urt. v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, ZIP 2004, 620, 621 = ZVI 2004, 252, dazu EWiR 2004, 1141 (Beutler/Vogel). 35) BGH, Urt. v. 18.4.2002 – IX ZR 219/01, ZIP 2002, 1204, 1205 f = ZInsO 2002, 670. 36) BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZVI 2002, 106, dazu EWiR 2002, 685 (Ringstmeier/Rigol). 37) BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812, 814 f = ZVI 2002, 106. 38) BGH, Urt. v. 1.10.2002 – IX ZR 360/99, ZIP 2002, 2182, 2184 = ZInsO 2002, 1136, dazu EWiR 2002, 29 (Huber).
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Unzulässigkeit der Aufrechnung
Unabhängig von der (In-)Kongruenz der Verrechnungslage ist die Anfechtbarkeit mangels Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 dann ausgeschlossen, wenn den verrechneten Zahlungseingängen Forderungen des Insolvenzschuldners zugrunde lagen, welche in unanfechtbarer Weise an die Bank abgetreten oder verpfändet waren.
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Für die Saldierung bzw. Verrechnung unselbständiger Rechnungsposten gilt Absatz 1 Nr. 3 hingegen nicht.39)
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V. Aufrechnung durch Neugläubiger Absatz 1 Nr. 4 erfasst sog. Neugläubiger, die erst nach Verfahrenseröffnung eine Forderung gegen den Schuldner, nicht gegen die Masse, erwerben und die daher nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen. Mangels Teilhabe an der Insolvenzmasse können sich Neugläubiger auch nicht durch Aufrechnung aus der Masse befriedigen.
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Im Falle vertraglicher Neugläubiger fällt der Anspruch des Schuldners gegen den Neugläubiger als Neuerwerb in die Insolvenzmasse (§ 35 Rz. 14); diese missliche Lage der Vertragsneugläubiger kann nicht durch eine teleologische Reduktion des Absatz 1 Nr. 4 überwunden werden.40) Jedoch können sich die Gläubiger durch Bestehen auf Zug-um-Zug-Leistungen oder auf Vorleistung des Schuldners schützen, beispielsweise auch i. R. eines Eigentumsvorbehalts.41) Zudem dürfte der gute Glaube des Neugläubigers im Fall der Nichtkenntnis der Verfahrenseröffnung analog § 406 BGB, § 82 InsO geschützt sein.42)
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Entgegen Absatz 1 Nr. 4 durch Neugläubiger erklärte Aufrechnungen sind wirkungslos.
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VI. Prozessuales Die Beweislast für die Voraussetzungen von Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 2 trifft den Insolvenzgläubiger, der ausnahmsweise eine Aufrechnung für zulässig hält.43) Gleiches gilt für Absatz 1 Nr. 4. Die Beweislast für die Voraussetzungen von Absatz 1 Nr. 3 trifft hingegen den Verwalter, dem die Beweiserleichterungen des Anfechtungsrechts zugute kommen.44)
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VII. Ausnahmen nach Absatz 2 Absatz 2 enthält Bereichsausnahmen für Finanzsicherheiten sowie Zahlungssysteme. Der im Gesetzgebungsverfahren kritisierten45) Ausnahme von Finanzsicherheiten nach Absatz 2 Alt. 1 kommt in der Praxis angesichts des nunmehr enger _____________ 39) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 194/05, ZIP 2007, 383, 384 f = ZInsO 2007, 213, dazu EWiR 2007, 343 (Bork) – Auseinandersetzungsbilanz. 40) Anders Häsemeyer in: Kölner Schrift, S. 461 Rz. 91; zweifelnd Kübler/Prütting/BorkLüke, InsO, § 96 Rz. 58; Gottwald-Gottwald/Adolphsen, InsR-Hdb., § 45 Rz. 104. 41) Ähnlich Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 58. 42) Ebenso Braun-Kroth, InsO, § 96 Rz. 14. 43) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 149/11, ZIP 2012, 1254, dazu EWiR 2012, 633 (Dörrscheidt); Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 61. 44) BGH, Urt. v. 27.2.1997 – IX ZR 79/96, ZIP 1997, 649, 651 = WM 1997, 728, dazu EWiR 1997, 409 (Paulus); Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 61. 45) Vgl. z. B. Hölzle, ZIP 2003, 2144, 2146.
Hofmann
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§ 97
Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners
gefassten § 1 Abs. 17 KWG nur in wenigen Verfahren Bedeutung zu. Da hinsichtlich Absatz 2 Alt. 2 der Insolvenzschuldner Teilnehmer des Zahlungssystems sein muss, ist die Regelung allein in der Insolvenz eines Kreditinstituts anwendbar.46) Sie soll für den Tag der Verfahrenseröffnung die Funktionsfähigkeit der erfassten Zahlungssysteme gewährleisten.47) _____________ 46) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 60d. 47) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 96 Rz. 60f.
§ 97 Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners (1) 1Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. 2Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. 3Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozeßordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden. (2) Der Schuldner hat den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. (3) 1Der Schuldner ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Gerichts jederzeit zur Verfügung zu stellen, um seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. 2Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung dieser Pflichten zuwiderlaufen. Literatur: Uhlenbruck, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners im Insolvenzverfahren, NZI 2002, 401. Übersicht I.
Umfassende Auskunftspflicht (Absatz 1) .............................................. 1 II. Mitwirkungspflicht (Abs. 2) ............... 7 III. Bereitschaftspflicht (Abs. 3) ............... 9 IV. Erzwingung, Rechtsmittel ................ 11
I. 1
V. Auskunfts-/Informationsansprüche gegenüber dem Finanzamt ........................................... 12 1. Akteneinsichtsrecht ............................ 13 2. Informationsfreiheitsgesetz ................ 14
Voß
Umfassende Auskunftspflicht (Absatz 1)
§ 97 regelt allgemein die Mitwirkungspflichten des Schuldners während des gesamten Insolvenzverfahrens. Im Antragsverfahren ist § 97 über die Verweisungen in den §§ 20 und 22 entsprechend anwendbar. Absatz 1 regelt die Auskunftspflichten. Danach ist der Schuldner den in Satz 1 genannten Personen zur umfassenden mündlichen Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Umstände verpflichtet. In geeigneten Fällen können Auskünfte auch schriftlich erteilt werden. Die Auskunftspflicht beinhaltet auch Auskünfte zu den Ursachen der Insolvenz. Zu 624
Voß
Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners
§ 97
sämtlichen Aktiva und Passiva sind die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, auch zu möglichem Auslandsvermögen.1) Das Verfahren betreffende Auskünfte sind auch solche über Anfechtungstatbestände und über das Bestehen von Aus- und Absonderungsrechten. Nicht nur präsentes Wissen ist mitzuteilen, sondern ggf. auch Nachforschungen anhand von Unterlagen sind vom Schuldner als Vorarbeiten zu verlangen.2) Auch können vom ihm Aufzeichnungen über verfahrensrelevante Tatsachen verlangt werden, z. B. Inventarlisten, Gläubigerlisten, Drittschuldnerlisten, Belege und ähnliches. Die dazu erforderlichen Vorarbeiten hat der Schuldner i. R. seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht zu erbringen. Die Auskunftspflicht trifft den Schuldner persönlich,3) nicht etwa dessen Anwalt,4) Steuerberater oder Notar,5) sodass eine Berufung darauf, das Gericht bzw. der Insolvenzverwalter möge sich die Auskünfte dort beschaffen, unbeachtlich ist. Bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften trifft die Auskunftspflicht sämtliche gesetzlichen Vertreter oder Aufsichtsorgane (§ 101 Abs. 1), selbst wenn diese in einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren vor dem Insolvenzeröffnungsantrag ausgeschieden waren. Hat der Schuldner keinen gesetzlichen Vertreter, sind auch die an ihm beteiligten Personen (Gesellschafter) zur Auskunft verpflichtet (§ 101 Abs. 1 Satz 2 a. E.; vgl. § 101 Rz. 1 f). Über die Verweisung in § 101 Abs. 2 besteht die Auskunftspflicht zusätzlich auch für Angestellte oder frühere Angestellte des Schuldners, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschieden sind. Die Auskunftspflichten sonstiger Dritter richten sich nicht nach § 97, sondern nach allgemeinen Vorschriften, z. B. im Fall der öffentlichen Hand nach den Vorschriften des IFG.6)
2
Nach Absatz 1 Satz 2 umfasst die Auskunftspflicht des Schuldners bzw. seiner gesetzlichen Vertreter oder Aufsichtsorgane auch solche Auskünfte, die geeignet sind sich oder die in § 52 StPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit auszusetzen.7) Jedoch besteht hinsichtlich dieser Auskünfte nach Satz 3 ein Verwertungsverbot in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren, es sei denn, der Schuldner stimmt der Verwertung ausdrücklich zu.
3
In Insolvenzgutachten sollten solche erzwungenen Auskünfte demzufolge möglichst nicht aufgenommen werden; ist dies unvermeidlich, sind sie im Fall einer
4
_____________ 1)
2)
3) 4) 5) 6) 7)
OLG Köln, Beschl. v. 28.4.1986 – 2 W 34/86, ZIP 1986, 658, dazu EWiR 1986, 505 (Schneider); BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 75/03, ZIP 2003, 2123 = ZVI 2003, 666, dazu EWiR 2004, 293 (Vallender). BGH, Urt. v. 17.2.2005 – IX ZB 62/04, BGHZ 162, 187, 198 = ZIP 2005, 722 = ZVI 2005, 200, dazu EWiR 2005, 571 (Bork); BGH, Beschl. v. 19.1.2006 – IX ZB 14/03, ZInsO 2006, 264; Kayser in: HK-InsO, § 97 Rz. 21. Zu einem auf den Verwalter übergegangene Auskunftsanspruch des Schuldners gegen dessen Ehefrau s. OLG Dresden, Beschl. v. 27.3.2012 – 20 W 1003/11, ZIP 2012, 1770. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 97 Rz. 7. OLG Schleswig, Urt. v. 14.5.2013 – 11 U 46/12, ZIP 2013, 1633, dazu Blank, EWiR 2013, 655. OVG Koblenz, Urt. v. 23.4.2010 – 10 A 10091/10. OVG, ZIP 2010, 1091, dazu EWiR 2010, 573 (Riedemann), Blank, ZInsO 2009, 1881; s. a. Rz. 12 ff. S. hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, ZIP 1981, 361 = BVerfGE 56, 37.
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§ 97
Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners
Akteneinsicht für berechtigte Dritte zu schwärzen oder entsprechende Aktenteile vor der Akteneinsicht zu entfernen. In der Praxis bestehen hier bei der Umsetzung des Verwertungsverbots – insbesondere bei Aktenüberlassung an die Staatsanwaltschaft – Schwierigkeiten.8) 5
Sofern ein (vorläufiger) Verwalter die Verfügungsbefugnis über Arbeitsverhältnisse des Schuldners erlangt hat und der Verwalter deswegen das Arbeitszeugnis schuldet, ist der Schuldner auch hierüber zur Auskunft und nach Absatz 2 zur entsprechenden Mitwirkung verpflichtet.9)
6
Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des § 97 bestehen vom Beginn des Insolvenzantragsverfahrens (§ 20 Abs. 1) bis zur Beendigung desselben, also möglicherweise auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Der Schwerpunkt der Auskunftsverpflichtung wird dabei aber immer im Vorverfahren und im ersten Jahr des eröffneten Insolvenzverfahrens liegen. II. Mitwirkungspflicht (Abs. 2)
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Die allgemeine Verpflichtung des Schuldners zur Verfahrensförderung wird in Absatz 2 konkretisiert durch die Verpflichtung zur Unterstützung des Verwalters. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 und § 22 Abs. 3 Satz 3 besteht die Mitwirkungspflicht auch im Eröffnungsverfahren gegenüber dem vorläufigen Verwalter. Dies ist bedeutsam bei der Frage, ob der Schuldner verpflichtet ist, seine Bank vom Bankgeheimnis, seinen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Anwalt u. Ä., i. R. des Vorverfahrens bis zur Insolvenzeröffnung von der Verschwiegenheitspflicht und das Finanzamt vom Steuergeheimnis zu entbinden.
8
Kann der Insolvenzverwalter Auslandsvermögen des Schuldners nur mit Hilfe einer besonderen Vollmacht des Schuldners feststellen und/oder verwerten, z. B. weil insolvenzgerichtliche Entscheidungen im Fremdstaat nicht anerkannt werden, ist der Schuldner verpflichtet, dem Verwalter eine dazu geeignete allgemeine Auslandsvollmacht zu erteilen.10) Zur Mitwirkungspflicht gehört insbesondere auch die Verpflichtung zur Vorlage aller erforderlichen Geschäftsunterlagen. Die Mitwirkungspflicht bedeutet generell keine Verpflichtung zur umfassenden Mitarbeit i. S. eines Beschäftigungsverhältnisses.11) Der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht kann sich ein organschaftlicher Vertreter nicht durch Kündigung oder Niederlegung seines Amtes nach Insolvenzeröffnung entziehen (§ 101 Abs. 1 Satz 2). III. Bereitschaftspflicht (Abs. 3)
9
Der Schuldner hat sich zur Verfügung zu stellen, um seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nachkommen zu können; eine generelle Residenzpflicht bedeutet dies jedoch nicht.12) Eine Vergütung oder Ersatz von Aufwendungen, _____________ 8) Uhlenbruck, NZI 2002, 401, 403 – 406 m. w. N. 9) BAG, Urt. v. 23.6.2004 – 10 AZR 495/03, ZIP 2004, 1974 = NJW 2005, 460, dazu EWiR 2004, 1185 (Richter). 10) BGH, Beschl. v. 18.9.2003 – IX ZB 75/03, ZIP 2003, 2123 = ZVI 2003, 666. 11) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 97 Rz. 7; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 97 Rz. 15. 12) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 97 Rz. 17; Kayser in: HK-InsO, § 97 Rz. 31.
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Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners
§ 97
stehen ihm in diesem Zusammenhang nicht zu.13) Die Bereitschaftspflicht beinhaltet auch die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in einer Gläubigerversammlung, wenn dies vom Gericht ausdrücklich angeordnet wurde; notfalls kann das Erscheinen des Schuldners oder der gesetzlichen Vertreter eines Schuldners nach § 98 erzwungen werden. Nach Absatz 3 Satz 2 hat der Schuldner zusätzlich alle Handlungen zu unterlassen, die der Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1 und 2 zuwiderlaufen. Nicht nur Beiseiteschaffen von Vermögen und/oder Geschäftsunterlagen fallen hierunter, sondern alle Aktivitäten, die die Feststellung und Verwertung der Insolvenzmasse erschweren.
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IV. Erzwingung, Rechtsmittel Die Erzwingung der Verpflichtungen des Schuldners ist in § 98 geregelt. Gegen richterliche Anordnungen zur Auskunft und auch zur Mitwirkung steht dem Schuldner kein Rechtsmittel zu, sondern i. R. des § 98 nur gegen deren zwangsweise Durchsetzung. Gegen Anordnungen des Rechtspflegers ist nach § 11 Abs. 2 RPflG die Erinnerung statthaft.
11
Paul
V. Auskunfts-/Informationsansprüche gegenüber dem Finanzamt Literatur: Blank, „Über allen Gipfeln ist Ruh …“, ZInsO 2013, 663; Eisolt, Informationsfreiheitsgesetze: BFH macht Weg zur den Verwaltungsgerichten frei, DStR 2013, 1872; Schmittmann, Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen die Finanzverwaltung aus dem Informationsfreiheitsrecht, NZI 2012, 633.
Dem Insolvenzverwalter stehen nicht nur Auskunfts- und Informationsansprüche gegenüber dem Schuldner, sondern auch gegenüber Bundes- und Landesbehörden wie z. B. der Finanzverwaltung oder den Trägern der Sozialversicherung zu. 1.
12
Akteneinsichtsrecht
Ein Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber der Finanzverwaltung ist – anders als etwa gegenüber Sozialversicherungsträgern (vgl. nur § 25 Abs. 1 SGB X)14) – nicht gesetzlich geregelt. Dennoch entspricht es ständiger Rechtsprechung des BFH, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens Akteneinsicht begehrenden Steuerpflichtigen ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des Finanzamtes zusteht, weil das Finanzamt nicht gehindert ist, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren.15) Entsprechendes gilt wegen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips, wenn ein Steuerpflichtiger in einem steuerrechtlichen Verfahren vom Finanzamt Auskunft begehrt.16) Bei der gebotenen Ermessensentscheidung über das Auskunftsverlangen (z. B. Erteilung eines Kontoauszugs) ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Aus_____________ 13) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 97 Rz. 17; Kayser in: HK-InsO, § 97 Rz. 28. 14) Vgl. hierzu Blank, ZInsO 2013, 663. 15) BFH, Urt. v. 19.3.2013 – II R 17/11, ZIP 2013, 1133 = DStRE 2013, 815; dazu EWiR 2013, 487 (von Spiessen); BFH, Beschl. v. 15.9.2010 – II B 4/10, BFH/NV 2011, 2; BFH, Beschl. v. 4.6.2003 – VII B 138/01, BB 203, 2052 = NJW 2004, 1790. 16) BFH, Urt. v. 19.3.2013 – II R 17/11, ZIP 2013, 1133 = DStRE 2013, 815; dazu EWiR 2013, 487 (von Spiessen); BFH, Urt. v. 5.10.2006 – VII R 24/03, BB 2007, 34 = DStR 2006, 2310.
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Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners
kunft und dem Interesse des Finanzamts an der Nichterteilung der Auskunft vorzunehmen. Dabei ist u. a. maßgebend, ob die Auskunft der Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden Steuerrechtsverhältnis dienen kann.17) Das ist z. B. anzunehmen, wenn der die Auskunft begehrende Insolvenzverwalter die vom Finanzamt als Insolvenzgläubiger zur Insolvenztabelle angemeldeten Abgabeforderungen zu prüfen hat.18) Der Verwalter hat in dieser Situation indes nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunftsbegehren. Keinen Grund für eine Ermessensreduzierung auf Null stellt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs insbesondere der Verdacht auf anfechtbare Steuerzahlungen des Schuldners dar.19) Bei einem abgelehnten Antrag ist nach erfolglosem Einspruchsverfahren der Weg zu den Finanzgerichten eröffnet,20) der jedoch im Regelfall wegen des nur eingeschränkten Prüfungsumfangs des Finanzgerichts auf Ermessensfehler nicht zum Erfolg verhelfen wird.21) 2.
Informationsfreiheitsgesetz
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Nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes bzw. den entsprechenden Ländergesetzen hat jeder gegenüber Behörden einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Vorschriften des IFG sind gegenüber den besonderen steuerverfahrensrechtlichen Regelungen über die Akteneinsicht nicht subsidiär.22)
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„Jeder“ i. S. der Informationsfreiheitsgesetze ist auch der Insolvenzverwalter. Zu den zur Auskunft verpflichteten Stellen gehören auch die Finanzverwaltungen, die dem Verwalter z. B. Einsicht in die Steuerakten zu gewähren oder ihm Kontoauszüge zum Steuerkonto des Schuldners auszuhändigen haben. Notwendig ist ein Antrag des Insolvenzverwalters, in dem die begehrten Auskünfte so genau wie möglich (Steuerart, Zeitraum etc.) zu bezeichnen sind.23) Für die Erteilung der Auskünfte kann die Behörde nach den gesetzlichen Vorschriften Gebühren verlangen.
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Streitigkeiten um den Informationszugang sind vor den Verwaltungsgerichten zu klären.24) Das war zunächst streitig. Der Bundesfinanzhof hat jedoch auf einen Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes25) mitgeteilt, an seiner Auffassung, der Finanzrechtsweg sei eröffnet,26) nicht mehr festzuhalten.27) _____________ 17) BFH, Beschl. v. 14.4.2011 – VII B 201/10, ZIP 2011, 1376 = BFH/NV 2011, 1296. 18) BFH, Urt. v. 19.3.2013 – II R 17/11, ZIP 2013, 1133 = DStRE 2013, 815; dazu EWiR 2013, 487 (von Spiessen). 19) BFH, Urt. v. 19.3.2013 – II R 17/11, ZIP 2013, 1133 = DStRE 2013, 815; dazu EWiR 2013, 487 (von Spiessen). 20) Blank, ZInsO 2013, 663. 21) Schmittmann, NZI 2012, 633. 22) BVerwG, Beschl. v. 14.5.2012 – 7 B 53/11, ZIP 2012, 1258 = NZI 2012, 684; dazu EWiR 2012, 527 (Priebe). 23) Schmittmann, NZI 2012, 633. 24) BVerwG, Beschl. v. 17.4.2013 – VII B 6/13, ZIP 2013, 1252; dazu Eisolt, DStR 2013, 1872. 25) BVerwG, Beschl. v. 15.10.2012 – 7 B 2.12, ZIP 2012, 2417 = ZInsO 2012, 2140; dazu EWiR 2013, 207 (Blank). 26) Vgl. nur BFH, Beschl. v. 10.2.2011 – VII B 183/10, ZIP 2011, 883 = BFH/NV 2011, 992; dazu EWiR 2011, 461 (Blank). 27) BFH, Beschl. v. 8.1.2013 – VII ER-S 1/12, ZIP 2013, 1252 = ZInsO 2013, 500.
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§ 98
Durchsetzung der Pflichten des Schuldners
§ 98 Durchsetzung der Pflichten des Schuldners (1) 1Wenn es zur Herbeiführung wahrheitsgemäßer Aussagen erforderlich erscheint, ordnet das Insolvenzgericht an, daß der Schuldner zu Protokoll an Eides Statt versichert, er habe die von ihm verlangte Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig erteilt. 2Die §§ 478 bis 480, 483 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. (2) Das Gericht kann den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen, 1.
wenn der Schuldner eine Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung oder die Mitwirkung bei der Erfüllung der Aufgaben des Insolvenzverwalters verweigert;
2.
wenn der Schuldner sich der Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten entziehen will, insbesondere Anstalten zur Flucht trifft, oder
3.
wenn dies zur Vermeidung von Handlungen des Schuldners, die der Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zuwiderlaufen, insbesondere zur Sicherung der Insolvenzmasse, erforderlich ist.
(3) 1Für die Anordnung von Haft gelten die § 802g Abs. 2, §§ 802h und 802j Abs. 1 der Zivilprozessordnung entsprechend. 2Der Haftbefehl ist von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft nicht mehr vorliegen. 3Gegen die Anordnung der Haft und gegen die Abweisung eines Antrags auf Aufhebung des Haftbefehls wegen Wegfalls seiner Voraussetzungen findet die sofortige Beschwerde statt. Übersicht I. Vorbemerkung ..................................... 1 II. Eidesstattliche Versicherung (Abs. 1) .................................................. 2 III. Zwangsmaßnahmen (Abs. 2 und 3) ....................................... 6
I.
1. Zwangsweise Vorführung ..................... 7 2. Haftanordnung ...................................... 8 IV. Rechtsmittel ....................................... 13 Voß
Vorbemerkung
§ 98 betrifft nicht nur die Durchsetzung von Pflichten im eröffneten Verfahren, sondern ist über die Verweisungen in den §§ 20 und 22 auch im Eröffnungsverfahren anwendbar. Allerdings ist dies nur bei Vorliegen eines schlüssigen und zulässigen Insolvenzantrages (siehe §§ 13, 14) der Fall. Bei einem unschlüssigen Eigenantrag des Schuldners im Vorverfahren können keine Zwangsmittel gegen ihn verhängt werden, sondern ist sein Eröffnungsantrag abzuweisen (s. auch § 13 Rz. 19).1)
_____________ 1)
BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZIP 2003, 358 = ZVI 2003, 64, dazu EWiR 2003, 589 (Gundlach/Frenzel).
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§ 98
Durchsetzung der Pflichten des Schuldners
II. Eidesstattliche Versicherung (Abs. 1) 2
Zur Erzwingung wahrheitsgemäßer und auch vollständiger Aussagen des Schuldners kann das Insolvenzgericht den Schuldner bzw. die in § 101 Abs. 1 genannten Personen vorladen und verlangen, dass sie die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskünfte an Eides statt versichern. Die eidesstattliche Versicherung ist nicht etwa durch eine vom Schuldner zu übersendende schriftliche Erklärung abzugeben, sondern nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut „zu Protokoll“ des Gerichts. Voraussetzung ist, dass die eidesstattliche Versicherung zur Herbeiführung wahrheitsgemäßer Aussagen erforderlich erscheint. Die Voraussetzungen für die Erforderlichkeit sind nicht hoch anzusetzen;2) es ist also nicht Voraussetzung, dass dem Schuldner falsche oder unvollständige Angaben schon nachzuweisen sind.
3
Die Anordnung des Gerichts kann von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten (Verwalter, Gläubiger) erfolgen. Die erforderlichen Auskünfte und die eidesstattliche Versicherung sind vor dem Insolvenzgericht abzugeben, nicht etwa vor dem Gerichtsvollzieher; funktional zuständig ist bis zur Insolvenzeröffnung der Richter, danach der Rechtspfleger (§ 18 RPflG). Die eidesstattliche Versicherung bezieht sich immer auf konkrete Angaben des Schuldners, die er entweder in einem Anhörungstermin oder in einer schriftlichen Vermögensübersicht gemacht hat (vgl. § 153 Abs. 2 Satz 1).
4
Da der Schuldner nicht verpflichtet ist, zu insolvenzfreiem Vermögen Angaben3) zu machen, ist er insoweit auch nicht verpflichtet, eine sich darauf beziehende eidesstattliche Versicherung abzugeben, denn der Umfang seiner Versicherungspflicht kann nicht über den seiner Auskunftspflicht (§§ 20 Abs. 1, 97 Abs. 1) hinausgehen.4) Falls es erforderlich erscheint, da z. B. neue Erkenntnisse zutage getreten sind, kann der Schuldner auch mehrfach zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgeladen werden.
5
Das Prozedere der eidesstattlichen Versicherung durch den Auskunftspflichtigen ergibt sich durch die Bezugnahme in Absatz 1 Satz 2 aus den §§ 478 – 480, 483 ZPO. Die Anordnung des Richters unterliegt nicht der sofortigen Beschwerde (§ 6 Abs. 1); bei Anordnung durch den Rechtspfleger ist aber die befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG statthaft. III. Zwangsmaßnahmen (Abs. 2 und 3)
6
Gegen den Schuldner bzw. die Mitglieder des Vertretungs- und Aufsichtsorgans einer juristischen Person und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners (§ 101 Abs. 1 Satz 1) sieht Absatz 2 als mögliche Zwangsmaßnahmen die zwangsweise Vorführung oder Beugehaft vor; andere Maßnahmen nach der ZPO (z. B. Verhängung von Zwangsgeld) sind ausgeschlossen.5) Bei Anordnung der Maßnahmen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dabei stellt die zwangsweise _____________ 2) 3) 4) 5)
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Kayser in: HK-InsO, § 98 Rz. 5. LG Dortmund, Beschl. v. 23.5.2005 – 9 T 127/05, ZInsO 2005, 829 = NZI 2005, 459. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 98 Rz. 4. Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 98 Rz. 6.
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§ 98
Durchsetzung der Pflichten des Schuldners
Vorführung den geringeren Eingriff in die Rechte des Schuldners dar als die Beugehaft. 1.
Zwangsweise Vorführung
Unter den in den Nummern 1 – 3 genannten Voraussetzungen kann der zur Auskunft und zur Mitwirkung im Verfahren Verpflichtete zwangsweise vorgeführt werden. Voraussetzungen sind die Verweigerung der Auskunft oder der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bzw. Verweigerung der Mitwirkung (Abs. 2 Nr. 1), beabsichtigte Entziehung der Erfüllung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (Abs. 2 Nr. 2) sowie Vermeidung von Behinderungshandlungen im Verfahren (Abs. 2 Nr. 3). Bevor der Schuldner zwangsweise durch den Gerichtsvollzieher oder Justizwachtmeister vorgeführt wird, sollte er zweckmäßigerweise zunächst auf die Erfüllung seiner Pflichten hingewiesen werden, sodass sich die Vorführungsanordnung ggf. erübrigt; jedoch ist eine vorherige Anhörung vor Anordnung der Vorführung nicht zwingend erforderlich.6) Die zwangsweise Vorführung geschieht mittels eines vom Richter (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 RPflG) zu erlassenden Vorführungsbefehls; eine zusätzliche Durchsuchungsanordnung nach § 758a ZPO für die Wohnung des Schuldners ist nach h. M. entbehrlich.7) Gegen die Anordnung der zwangsweisen Vorführung ist ein Rechtsmittel nicht statthaft (§ 6 Abs. 1). 2.
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Haftanordnung
Die Anordnung von Beugehaft (Erzwingungshaft) gegen den Schuldner8) setzt einen vom Richter erlassenen Haftbefehl voraus. Im anordnenden Teil des vom Insolvenzgerichts erlassenen Haftbefehls sind die Mitwirkungspflichten des Schuldners, die mit der Haft durchgesetzt werden sollen, so bestimmt zu bezeichnen, dass der Schuldner ohne weiteres erkennen kann durch welche Handlungen er seinen Mitwirkungspflichten genügt;9) dasselbe gilt für eine von ihm zu erteilende Auskunft. Die Regelungen der Beugehaft in der ZPO sind nach Absatz 3 entsprechend anwendbar. Nach § 802g Abs. 2 Satz 1 ZPO erfolgt die Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher. Eine gesonderte Anordnung nach § 758a Abs. 1 ZPO ist zur Verhaftung des Schuldners in seiner Wohnung nicht erforderlich, wohl aber dann, wenn er sich in der Wohnung eines Dritten aufhält und dort verhaftet werden soll.10) Der Haftbefehl ist dem Schuldner zwingend zuzustellen, da er nach Absatz 3 Satz 3 mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist. Nach § 802h Abs. 1 ZPO wird die Vollziehung des Haftbefehls unstatthaft, wenn seit dem Erlass des Haftbefehls zwei Jahre vergangen sind.
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Üblicherweise wird der Schuldner bei Bestehen eines Haftbefehls dem zuständigen Richter vorgeführt, er also nicht etwa durch den Gerichtsvollzieher in die Voll-
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_____________ 6) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 98 Rz. 6; Kayser in: HK-InsO, § 97 Rz. 19. 7) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 98 Rz. 16. 8) Keine Haftanordnung nach § 98 gegen den Insolvenzverwalter wegen unentschuldigten Ausbleibens zu einem gerichtlich angeordneten Termin zulässig, BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 175/08, ZIP 2010, 190 = ZVI 2010, 268. 9) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 62/04, ZIP 2005, 722 = ZVI 2005, 200, dazu EWiR 2005, 571 (Bork). 10) LG Göttingen, Beschl. v. 21.11.2005 – 10 T 148/05, ZInsO 2005, 1280.
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§ 98
Durchsetzung der Pflichten des Schuldners
zugsanstalt verbracht, sodann vom Richter angehört und ihm dann der Haftbefehl durch persönliche Übergabe zugestellt, falls der Grund für Beugehaft nicht durch das Verhalten des Schuldners im Anhörungstermin entfällt. Im Rahmen der richterlichen Anhörung ist dem Schuldner zugleich rechtliches Gehör zum beabsichtigten Vollzug des Haftbefehls zu gewähren. Die Anwendung eines weniger einschneidenden Mittels als der Haft kommt nur dann in Betracht, wenn auch dadurch die Einhaltung der Pflichten im Insolvenzverfahren gewährleistet wird.11) 10
Typische Anwendungsfälle von Haftanordnung sind die völlige Verweigerung von Auskünften oder von unverzichtbarer Mitwirkung sowie dann, wenn eine eidesstattliche Versicherung zur Richtigkeit oder Vollständigkeit von Angaben des Schuldners verweigert wird. Auch in den Fällen, in denen bereits mehrfach erfolglos versucht wurde, den Schuldner beim Insolvenzgericht vorzuführen, kann die Haft als einschneidenderes Zwangsmittel zur Erzwingung von Auskünften angeordnet werden.12)
11
Die äußerste Dauer der Beugehaft (Erzwingungshaft) beträgt sechs Monate (§ 802j Abs. 1 ZPO); das Gericht hat den Haftbefehl von Amts wegen nach § 99 Absatz 3 Satz 2 dann aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Haft nicht mehr vorliegen, also z. B. die erforderlichen Auskünfte erteilt wurden und/oder die eidesstattliche Versicherung gemäß Absatz 1 vollständig und richtig abgegeben wurde.
12
Hat der Schuldner (natürliche Person) Restschuldbefreiung beantragt, so kann statt Vorführung oder Haft auf Antrag eines Gläubigers im Schlusstermin nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, ohne dass es auf eine konkrete Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger ankommt.13) Verweigert er die seine Vermögensverhältnisse betreffende Angaben oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, liegt grundsätzlich ein vorsätzlicher Verstoß vor, der die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigt.14) Die Androhung dieser Maßnahme wird in der Regel wirkungsvoller sein als zwangsweise Vorführung oder Beugehaft. IV. Rechtsmittel
13
Nicht nur gegen die Anordnung der Haft, sondern auch gegen die Abweisung eines Antrags auf Aufhebung des Haftbefehls findet nach Absatz 3 Satz 3 die sofortige Beschwerde statt, nicht jedoch gegen die bloße Androhung der Verhaftung.15) Die Einlegung einer sofortigen Beschwerde hindert nicht die weitere Vollziehung des Haftbefehls bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts (§ 6 Abs. 3). Der Insolvenzrichter hat aber – wie auch das Beschwerdegericht – die Möglichkeit, den weiteren Vollzug des Haftbefehls auszusetzen. _____________ 11) BGH, Beschl. v. 23.10.2003 – IX ZB 159/03, NZI 2004, 86 = NJW-RR 2004, 339. 12) OLG Celle, Beschl. v. 23.1.2002 – 2 W 135/01, ZVI 2002, 21 = ZInsO 2002, 232, dazu EWiR 2002, 581 (A. Schmidt). 13) BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 73/08, ZVI 2009, 168 = ZInsO 2009, 395. 14) BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 212/07, ZIP 2008, 2276 = ZVI 2009, 38, dazu EWiR 2009, 25 (Foerste), Versagungsgrund schon bei unvollständigen Angaben. 15) LG Hamburg, Beschl. v. 1.7.1999 – 326 T 112/99, NZI 2000, 236 (LS).
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§ 99
Postsperre
§ 99 Postsperre (1) 1Soweit dies erforderlich erscheint, um für die Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners aufzuklären oder zu verhindern, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder von Amts wegen durch begründeten Beschluß an, dass die in dem Beschluss bezeichneten Unternehmen bestimmte oder alle Postsendungen für den Schuldner dem Verwalter zuzuleiten haben. 2Die Anordnung ergeht nach Anhörung des Schuldners, sofern dadurch nicht wegen besonderer Umstände des Einzelfalls der Zweck der Anordnung gefährdet wird. 3Unterbleibt die vorherige Anhörung des Schuldners, so ist dies in dem Beschluß gesondert zu begründen und die Anhörung unverzüglich nachzuholen. (2) 1Der Verwalter ist berechtigt, die ihm zugeleiteten Sendungen zu öffnen. 2 Sendungen, deren Inhalt nicht die Insolvenzmasse betrifft, sind dem Schuldner unverzüglich zuzuleiten. Die übrigen Sendungen kann der Schuldner einsehen. (3) 1Gegen die Anordnung der Postsperre steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. 2Das Gericht hat die Anordnung nach Anhörung des Verwalters aufzuheben, soweit ihre Voraussetzungen fortfallen. Literatur: Vallender, Kostentragungspflicht bei Anordnung der Postsperre, NZI 2003, 244; Frind, Das „zahnlose“ Insolvenzgericht?, NZI 2010, 749. Übersicht I. Anwendungsbereich ............................ 1 II. Voraussetzungen und Verfahren (Abs. 1) .................................................. 2
I.
III. Wirkungen der Postsperre (Abs. 2) .................................................. 6 IV. Rechtsmittel, Kosten ........................... 7
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Anwendungsbereich
Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen und Modalitäten einer Postsperre. Sie gilt auch für die vorläufige Postsperre im Eröffnungsverfahren (§ 21 Abs. 2 Nr. 4); im Verbraucherinsolvenzverfahren ist sie ebenfalls grundsätzlich anwendbar.1) Die Postsperre kann gegen natürliche und juristische Personen sowie gegen Personenhandelsgesellschaften angeordnet werden; über die Verweisung in § 101 Abs. 1 Satz 1 ist sie auch gegen die derzeitigen organschaftlichen Vertreter eines Schuldners zulässig.
1
II. Voraussetzungen und Verfahren (Abs. 1) Als Maßnahme, die in das Grundrecht nach Art. 10 Abs. 1 GG eingreift, kann die Postsperre nur unter den in Absatz 1 Satz 1 genannten Voraussetzungen verhängt werden. Sie muss danach erforderlich sein, um für die Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners aufzuklären oder zu verhindern. Für solche – ggf. auch nur drohende – Rechtshandlungen des Schuldners müssen konkrete Anhaltspunkte2) vorliegen. Eine routinemäßige Verhängung einer Postsperre kommt _____________ 1) 2)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 99 Rz. 8a; Passauer in: MünchKomm-InsO, § 99 Rz. 45. BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 65/03, ZIP 2003, 1953 = ZVI 2003, 604.
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§ 99
Postsperre
daher nicht in Betracht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass der Schuldner bereits erfolgreich Masse verschoben hat. Mangelnde Kooperationsbereitschaft3) und die dadurch indizierte Gefahr masseschädigender Verfügungen des Schuldners reichen aus. Typischer Fall im Eröffnungsverfahren ist, dass der Schuldner keinerlei oder nur zögerliche oder nachweisbar falsche Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen macht.4) 3
Bei Anordnung einer Postsperre ist die Verhältnismäßigkeit zu beachten, was sich schon daraus ergibt, dass ein Grundrecht eingeschränkt wird (§ 102).5) Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch das Verhalten des Schuldners wesentliche Belange der Masse gefährdet sind und diesen bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vorrang vor dem Schutz des Briefgeheimnisses gebührt.6) Ein allgemeiner Verdacht solchen Schuldnerverhaltens reicht nicht aus. Die Postsperre muss darüber hinaus auch geeignet sein, masseschädigendes Verhalten des Schuldners aufzuklären und/oder zu verhindern.
4
Die Postsperre kann nicht nur auf Anregung des (vorläufigen) Verwalters, sondern auch von Amts wegen (Abs. 1 Satz 1) i. R. der Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1) angeordnet werden. Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut ist ein begründeter Beschluss erforderlich. Der Beschluss hat daher die tatsächlichen Anhaltspunkte im Verhalten des Schuldners (Verdachtsmomente für nachteilige Rechtshandlungen) zu benennen und darf sich keinesfalls nur auf die Wiederholung des Gesetzeswortlauts beschränken.7) Die Adressaten des Gebots, nämlich das oder die Beförderungsunternehmen, sind in dem Beschluss namentlich zu benennen, nachdem das Beförderungsmonopol der Deutschen Post AG weggefallen ist.
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Gemäß Absatz 1 Satz 2 ergeht die Anordnung der Postsperre im Regelfall nach vorangegangener Anhörung des Schuldners (bzw. der organschaftlichen Vertreter im Fall des § 101 Abs. 1 Satz 1), es sei denn wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls würde der Zweck der Anordnung dadurch gefährdet. Diese Voraussetzung ist im Anordnungsbeschluss gesondert zu begründen8) und die Anhörung der betroffenen Personen ist dann unverzüglich nachzuholen (Abs. 1 Satz 3). Funktionell zuständig zur Anordnung der Postsperre ist bis zur Insolvenzeröffnung der Richter, danach der Rechtspfleger (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG).9) Wird sie zusammen mit dem Eröffnungsbeschluss angeordnet, bleibt der Richter funktionell zuständig. _____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
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OLG Bremen, Beschl. v. 1.4.1992 – 2 W 22/92, ZIP 1992, 1757 = NJW 1993, 798, dazu EWiR 1992, 1215 (Pape); LG Bonn, Beschl. v. 3.6.2004 – 6 T 157/04, ZIP 2005, 411 (LS) = ZVI 2005, 30. LG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.9.1999 – 2/09 T 733/99, InVO 1999, 346. Zur Verfassungsmäßigkeit s. BVerfG, Beschl. v. 6.11.2000 – 1 BVR 1746/00, ZIP 2000, 2311 = NZI 2001, 132. OLG Celle, Beschl. v. 17.12.2001 – 2 W 133/01, ZIP 2002, 578 = ZVI 2002, 23, dazu EWiR 2002, 291 (Fuchs); BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 65/03, ZIP 2003, 1953 = ZVI 2003, 604. OLG Celle, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 W 87/00, ZIP 2000, 1898 = ZInsO 2000, 557, dazu EWiR 2001, 123 (Voß); LG Bonn, Beschl. v. 21.7.2009 – 6 T 210, 211/09, ZIP 2009, 1875 = ZVI 2009, 382, dazu EWiR 2009, 753 (Voß). Zu den Anforderungen s. OLG Celle, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 W 87/00, ZIP 2000, 1898 = ZInsO 2000, 557. Kayser in: HK-InsO, § 99 Rz. 19.
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§ 100
Unterhalt aus der Insolvenzmasse
III. Wirkungen der Postsperre (Abs. 2) Die Postsperre hat die Wirkung, dass Sendungen an den Schuldner durch die im Beschluss genannten Beförderungsunternehmen nicht mehr an den Schuldner, sondern an den (vorläufigen) Verwalter gesandt werden. Dieser kann sie öffnen und leitet die Sendungen, die nicht die Insolvenzmasse betreffen, direkt an den Schuldner weiter (Abs. 2 Satz 2). Die übrigen Sendungen kann der Schuldner nur einsehen, sie verbleiben beim Verwalter, solange die Postsperre besteht. Eine Postsperre betrifft jegliche Art von Sendungen, also auch Faxe, Telegramme und E-Mails;10 das Gericht hat aber die Möglichkeit, die Postsperre auf bestimmte Sendungen zu beschränken. Befindet sich der Schuldner in Haft, erstreckt sich die Postsperre auch auf die Verteidigerpost, sofern das Verwertungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 beachtet wird.11) Bei Insolvenzen von Personen mit Pflichten zur Verschwiegenheit (z. B. Ärzten, Rechtsanwälten und Steuerberatern), kann der Verwalter auch die Post von Patienten und Mandanten öffnen.12)
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IV. Rechtsmittel, Kosten Nach Absatz 3 Satz 1 steht dem Schuldner gegen die Anordnung einer (vorläufigen) Postsperre die sofortige Beschwerde zu. Abgesehen davon hat das Gericht die Postsperre von Amts wegen unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für die Anordnung nicht mehr fortbesteht. Zuvor ist hierzu jedoch der (vorläufige) Verwalter anzuhören (Abs. 3 Satz 2). Nach Aufhebung der Postsperre ist eine sofortige Beschwerde unzulässig.13)
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Die Postsperre wird z. B. von der Deutschen Post AG wie ein Nachsendeantrag behandelt, sodass Nachsendegebühren anfallen. Die Kosten hierfür werden als gerichtliche Auslagen zu den Gerichtskosten zu rechnen sein (§ 54 GKG i. V. m. 9001 ff KV-GKG).14) _____________
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10) H. M.; A. Schmidt-Wendler, InsO, § 99 Rz. 7; zu den Praxisschwierigkeiten der Umleitung von Emails s. Frind, NZI 2010, 749, 753. 11) BVerfG, Beschl. v. 6.11.2000 – 1 BvR 1746/00, ZIP 2000, 2311 = NZI 2001, 132. 12) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 99 Rz. 6; OLG Bremen, Beschl. v. 1.4.1992 – 2 W 22/92, ZIP 1992, 1757 = NJW 1993, 798. 13) BGH, Beschl. v. 12.10.2006 – IX ZB 34/05, ZIP 2006, 2233 = ZVI 2006, 561. 14) A. A. Vallender, NZI 2003, 244; Passauer/Stephan in: MünchKomm-InsO, § 99 Rz. 46.
§ 100 Unterhalt aus der Insolvenzmasse Graf-Schlicker
(1) Die Gläubigerversammlung beschließt, ob und in welchem Umfang dem Schuldner und seiner Familie Unterhalt aus der Insolvenzmasse gewährt werden soll. (2) 1Bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung kann der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses, wenn ein solcher bestellt ist, dem Schuldner den notwendigen Unterhalt gewähren. 2In gleicher Weise kann den minderjährigen unverheirateten Kindern des Schuldners, seinem Ehegatten, Graf-Schlicker
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§ 100
Unterhalt aus der Insolvenzmasse
seinem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, seinem früheren Lebenspartner und dem anderen Elternteil seines Kindes hinsichtlich des Anspruchs nach den §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs Unterhalt gewährt werden. Literatur: Fischer/Hempler, Keine Pflicht zur Unterhaltsgewährung an den Schuldner aus Mieteinnahmen der Masse, ZInsO 2006, 474; Heidland, Die Rechtsstellung und Aufgaben des Gläubigerausschusses als Organ der Gläubigerselbstverwaltung in der Insolvenzordnung (InsO), in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 711; Keller, Die Gewährung von Unterhalt im Insolvenzverfahren, in Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung, NZI 2007, 316; Kothe, Die Behandlung von Unterhaltsansprüchen nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 781; Martini, Unterhaltsgewährung aus der Masse, jurisPR-InsR 16/2010. Übersicht I. Sinn und Zweck der Norm ................. 1 II. Unterhaltsgewährung durch die Gläubigerversammlung ....................... 3
I. 1
III. Vorläufige Unterhaltsgewährung durch den Verwalter ............................ 6
Sinn und Zweck der Norm
Die Gewährung von Unterhalt im Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren1) aus der Insolvenzmasse ist sowohl nach dem Wortlaut der Norm als auch nach dem Willen des Gesetzgebers in das Ermessen der in § 100 genannten Entscheidungsträger gestellt.2) Der Schuldner hat keinen klagbaren Anspruch auf Unterhalt, die Norm dient nicht dazu, sein Existenzminimum sicherzustellen.3) Bedeutung hat die Vorschrift nach der deutlichen Anhebung der Pfändungsfreigrenzen und der eingeführten Dynamisierung4) hauptsächlich bei Schuldnern, die über keine oder unregelmäßige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit verfügen. _____________ 1)
2)
3)
4)
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LG Dortmund, Beschl. v. 6.1.2000 – 9 T 1397/99, NZI 2000, 182; LG Bückeburg, Beschl. v. 31.10.2001 – 4 T 122/01, ZVI 2002, 78, 79; Jaeger-Schilken, InsO, § 100 Rz. 6; Kübler/ Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 100 Rz. 10. Der RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 143, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 285, sah noch einen Rechtsanspruch vor, den der Rechtsausschuss unter ausdrücklicher Inkaufnahme einer Schlechterstellung der Unterhaltsberechtigten gestrichen hat, BTDrucks. 12/7302 (zu § 114), S. 167, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 286. OLG Celle, Urt. v. 21.1.2010 – 5 U 90/09, juris; BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – IX ZA 9/10, juris; VG Karlsruhe, Urt. v. 27.2.2008 – 10 K 1092/06, NVwZ-RR 2008, 403 ff; LG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1999 – 326 T 178/99, ZInsO 2000, 108; Blersch/Goetsch/ Haas-v. Olshausen, InsR, § 100 InsO Rz. 1a; Jaeger-Schilken, InsO, § 100 Rz. 3, 17; Kayser in: HK-InsO, § 100 Rz. 10; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 100 Rz. 2; A. SchmidtWendler, InsO, § 100 Rz. 3; Wimmer-App, FK-InsO, § 100 Rz. 2; UhlenbruckUhlenbruck, InsO, § 100 Rz. 2; a. A. Martini, jurisPR-InsR 16/2010, Anm. 4 zum Urteil des OLG Celle 21.1.2010 – 5 U 90/09, juris; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.8.2000 – 26 W 61/00, ZInsO 2000, 614, allerdings nur für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen; Kothe in: Kölner Schrift, S. 781, 805 ff, der unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Existenzminimum bei der Besteuerung des Einkommens eine Pflicht zur Gewährung des Unterhalts annimmt. Die Überprüfung erfolgt aufgrund des Gesetzes v. 13.12.2001, BGBl. I 2001, 3638, alle zwei Jahre entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrages nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG (§ 850c Abs. 2a ZPO); die letzte Anhebung der Pfändungsfreigrenzen ist zum 1.7.2013 erfolgt, Bekanntmachung des BMJ v. 26.3.2013, BGBl. I 2013, 710. Danach beträgt der monatliche Grundfreibetrag 1 045,04 €, der wöchentliche 240,50 € und der tägliche 48,10 €.
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§ 100
Unterhalt aus der Insolvenzmasse
Die gewährten Unterhaltsansprüche sind Masseverbindlichkeiten (§ 55), die im Falle der Masseunzulänglichkeit erst an letzter Stelle zu berücksichtigen sind (§ 209 Abs. 1 Nr. 3).5)
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II. Unterhaltsgewährung durch die Gläubigerversammlung Über die Unterhaltsgewährung hat die Gläubigerversammlung durch Beschluss mit einfacher Mehrheit (§ 76 Abs. 2) zu entscheiden.6) Diese Entscheidung ist nicht notwendigerweise in der ersten Gläubigerversammlung (Berichtstermin) zu treffen.7) Sowohl hinsichtlich des Ob als auch hinsichtlich der Höhe steht die Entscheidung im freien Ermessen der Gläubigerversammlung. Der Unterhalt kann in der Form von Geld- oder Sachleistungen erfolgen, z. B. durch unentgeltliche Überlassung der zur Masse gehörenden Wohnung.8) Nutzungsentschädigung für eine solche Wohnung kann der Verwalter von den Familienangehörigen nur verlangen, wenn diese besonders vereinbart ist oder die Angehörigen dem Schuldner gegenüber zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sind.9)
3
Der Begriff der Familie ist von der Gläubigerversammlung festzulegen, die dabei weder an die zivilrechtliche Definition noch an diejenige in Absatz 2 gebunden ist.10) Aufgrund der Verweisung in § 101 Abs. 1 Satz 3 ist auch der vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners, nicht jedoch derjenige einer juristischen Gesellschaft, z. B. einer GmbH, in die Regelung einbezogen.11)
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Die Entscheidung der Gläubigerversammlung ist nicht im Rechtsmittelwege angreifbar, weil eine Regelung darüber in der InsO fehlt (§ 6 Abs. 1).12)
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III. Vorläufige Unterhaltsgewährung durch den Verwalter In der Zeit bis zur Gläubigerversammlung steht dem Insolvenzverwalter – soweit ein Gläubigerausschuss bestellt ist, mit dessen Zustimmung – unter eingeschränkten Voraussetzungen die Befugnis zu, vorläufig bis zur Entscheidung der Gläubigerver_____________ 5) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 100 Rz. 8; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 100 Rz. 13. 6) Eine Übertragung der Zuständigkeit auf den Gläubigerausschuss oder das Insolvenzgericht ist weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit der Gesetzessystematik vereinbar. Letzteres hält jedoch Jaeger-Schilken, InsO, § 100 Rz. 8 für möglich. 7) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 100 Rz. 3; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 100 Rz. 4. 8) BGH, Beschl. v. 25.4.2013 – IX ZR 30/11, ZIP 2013, 1189, auch zum Verhältnis zu § 149 Abs. 1 ZVG. 9) BGH, Urt. v. 11.10.1984 – VII ZR 216/83, ZIP 1984, 1504, 1506; OLG Nürnberg, Urt. v. 24.6.2005 – 5 U 215/05, ZInsO 2005, 892, 893; OLG Hamm, Urt. v. 20.2.2002 – 8 U 117/01, NZI 2002, 631. 10) Begr. RA z. RegE § 114/§ 100 InsO, BT-Drucks. 12/7302, S. 167, abgedr. in: Kübler/ Prütting, RWS-Dok. 18, S. 286; Kayser in: HK-InsO, § 100 Rz. 9; Stephan in: MünchKommInsO, § 100 Rz. 16, 17. 11) OLG Celle, Urt. v. 19.10.2011 – 9 U 86/11, ZIP 2011, 2311 – keine Unterhaltsgewährung für den Geschäftsführer einer GmbH oder dessen Familie; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 100 Rz. 5. 12) LG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1999 – 326 T 178/99, ZInsO 2000, 108; Kayser in: HKInsO, § 100 Rz. 12; Jaeger-Schilken, InsO, § 100 Rz. 17; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 100 Rz. 20, 33.
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§ 101
Organschaftliche Vertreter. Angestellte
sammlung Unterhalt zu gewähren. Er kann lediglich dem Schuldner und/oder den in Absatz 2 näher bezeichneten Personen als Obergrenze den notwendigen Unterhalt, der sich nach den sozialrechtlichen Regelungen richtet (SGB XII, Kapitel 3 und 11; SGB II Kapitel 3 Abschnitt 2)13) zuerkennen. Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, so entscheidet der Insolvenzverwalter allein.14) Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht vorgesehen (§ 6). Das Insolvenzgericht kann die Entscheidung des Insolvenzverwalters aber im Wege der Rechtsaufsicht (§ 58) beanstanden.15) 7
Im Falle der Eigenverwaltung ist der Schuldner berechtigt, die für eine bescheidene Lebensführung notwendigen Mittel selbst zu entnehmen (§ 278 Abs. 1).
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Die Vorschrift ist entsprechend im Eröffnungsverfahren anzuwenden, wenn ein vorläufiger „starker“ Insolvenzverwalter bestellt worden ist.16) _____________ 13) Kayser in: HK-InsO, § 100 Rz. 15; Blersch/Goetsch/Haas-v. Olshausen, InsR, § 100 InsO Rz. 7; Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 100 Rz. 5; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 100 Rz. 22 – 24. 14) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 100 Rz. 3; a. A. Heidland in: Kölner Schrift, S. 711, Rz. 55. 15) Vgl. LG Bückeburg, Beschl. v. 31.10.2001 – 4 T 122/01, ZVI 2002, 78, 79; Kayser in: HKInsO, § 100 Rz. 12, 20; Jaeger-Schilken, InsO, § 100 Rz. 18. 16) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 100 Rz. 9, Kayser in: HK-InsO, § 100 Rz. 5 m. w. N.; a. A. K. Schmidt-Jungmann, InsO, § 100 Rz. 3; LG Bonn, Beschl. v. 4.1.2013 – 6 T 239/ 12, ZVI 2013, 223, die § 100 Abs. 2 analog anwenden wollen, allerdings ohne sich mit dem Argument auseinanderzusetzen, dass ein „schwacher“ Insolvenzverwalter keine Masseverbindlichkeiten begründen kann.
§ 101 Organschaftliche Vertreter. Angestellte (1) 1Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gelten die §§ 97 bis 99 entsprechend für die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. 2 § 97 Abs. 1 und § 98 gelten außerdem entsprechend für Personen, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus einer in Satz 1 genannten Stellung ausgeschieden sind; verfügt der Schuldner über keinen Vertreter, gilt dies auch für die Personen, die an ihm beteiligt sind. 3 § 100 gilt entsprechend für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners. (2) § 97 Abs. 1 Satz 1 gilt entsprechend für Angestellte und frühere Angestellte des Schuldners, sofern diese nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschieden sind. (3) Kommen die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen ihrer Auskunftsund Mitwirkungspflicht nicht nach, können ihnen im Fall der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
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§ 101
Organschaftliche Vertreter. Angestellte
Literatur: Brandt, Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters, jurisPR-BVerwG 2/2011; Henssler, Die verfahrensrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH und der GmbH & Co. KG, in: Kölner Schrift, 3. Aufl. 2009, S. 991; Landfermann, Allgemeine Wirkungen der Insolvenzeröffnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 159; Uhlenbruck, Die Kündigung und Vergütung von Beratern, Vorständen und Geschäftsführern in der Unternehmensinsolvenz, BB 2003, 1185; Uhlenbruck, Die Rechtsstellung des Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz, GmbHR 2002, 817; Uhlenbruck, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners und seiner organschaftlichen Vertreter im Insolvenzverfahren, NZI 2002, 401. Übersicht I. Norminhalt und -zweck ...................... II. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im eröffneten Verfahren .............................................. 1. Organschaftliche Vertreter und persönlich haftende Gesellschafter ...... 2. Ausgeschiedene organschaftliche Vertreter und persönlich haftende Gesellschafter ........................................
I.
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3. Führungsloses Unternehmen ............... 8 4. (Ausgeschiedene) Angestellte ............. 9 III. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Eröffnungsverfahren ... 10 IV. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten in der Eigenverwaltung .... 11 V. Kostenhaftung des Schuldners (Abs. 3) ................................................ 12
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Norminhalt und -zweck
Die Norm erstreckt – um eine sachgerechte, effiziente Durchführung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen1) – die Regelungen der §§ 97–99, die für den Schuldner als natürliche Person gelten, auf die Mitglieder des Vertretungs- und Aufsichtsorgans sowie auf die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners,2) letzteren wird außerdem Unterhalt i. R. des § 100 zugebilligt. Für ehemalige organschaftliche Vertreter und vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus ihrer Position ausgeschieden sind, legt sie umfassende Auskunftspflichten, nicht jedoch Mitwirkungs- und Bereithaltungspflicht fest. Mit der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) eingefügten Regelung in Absatz 1 Satz 2 Halbs. 2 wird der Kreis der umfassend Auskunftspflichtigen für den Fall der Führungslosigkeit des schuldnerischen Unternehmens auf die an ihm Beteiligten ausgedehnt.3) Darüber hinaus sieht die Norm – im eingeschränkten Umfang – auch Auskunftspflichten für (ehemalige) Angestellte des Schuldnerunternehmens vor (Abs. 2).
1
Absatz 3 soll die verpflichteten Personen zu Auskunft und Mitwirkung disziplinieren und insbesondere eine als ungerecht empfundene Kostenfolge beseitigen: Über § 23 GKG waren antragstellende Gläubiger bei einer Abweisung des Antrags bisher selbst dann zur Kostentragung verpflichtet, wenn die Abweisung im Wesentlichen auf der Verletzung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten des Schuldners beruhte.4)
2
_____________ 1) 2)
3) 4)
Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 101 Rz. 2. Auskünfte nach § 101 gehen Ansprüchen des Insolvenzverwalters nach den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes nicht vor, vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 9.11.2010 – 7 B 43/10, ZIP 2011, 41, dazu EWiR 2011, 83 (Blank) und Brandt, jurisPR-BVerwG 2/2011 Anm. 5. BGBl. I 2008, 2026. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57.
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§ 101
Organschaftliche Vertreter. Angestellte
II. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im eröffneten Verfahren 1. 3
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Weitet sich allerdings die Mitwirkungspflicht zu einer echten Mitarbeitspflicht aus, so ist aus der Insolvenzmasse eine angemessene Vergütung zu entrichten.8) Vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien) können gemäß § 100 Unterhalt aus der Masse erlangen, weil sie in ihrer wirtschaftlichen Stellung mit der eines Einzelkaufmanns vergleichbar sind.9) 2.
7
Organschaftliche Vertreter und persönlich haftende Gesellschafter
Mitglieder der Vertretungs- oder Aufsichtsorgane5) (z. B. Vorstand und Liquidatoren der AG, der Genossenschaft, des Vereins, Geschäftsführer einer GmbH, Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG oder KGaA) und vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners (z. B. Gesellschafter der OHG, soweit sie nicht nach § 125 Abs. 1 HGB von der Vertretung ausgeschlossen sind, Komplementäre einer KG, Gesellschafter einer GbR) sowie faktische organschaftliche Vertreter6) sind zur umfassenden Auskunft über die das Verfahren betreffenden Verhältnisse sowie zur Unterstützung des Insolvenzverwalters verpflichtet. Sie haben selbst Tatsachen zu offenbaren, die eine strafrechtliche Verfolgung oder ein Verfahren nach dem OWiG zur Folge haben können. Jedoch darf eine solche Auskunft im Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren nur mit deren Zustimmung verwendet werden. Zur Durchsetzung ihrer Pflichten können gegen diese Personen Zwangsmittel (§ 98) eingesetzt und eine Postsperre verhängt werden. Sind mehrere organschaftliche Vertreter vorhanden, treffen die Pflichten aus §§ 97 – 99 jeden, unabhängig von einer Gesamtvertretung.7)
Ausgeschiedene organschaftliche Vertreter und persönlich haftende Gesellschafter
Personen, die aus dieser Stellung im schuldnerischen Unternehmen innerhalb von zwei Jahren vor dem Insolvenzantrag ausgeschieden sind, haben zwar ebenfalls eine mit Zwangsmitteln durchsetzbare umfassende Auskunftspflicht, jedoch – mangels Verweisung auf §§ 97 Abs. 2 und 3, 99 – weder eine Verpflichtung den Insolvenzverwalter zu unterstützen noch sich bereitzuhalten. Ebenso wenig kann gegen sie eine Postsperre verhängt werden.10) Mit der zeitlichen Ausdehnung der Auskunftsverpflichtungen auf vormals im Schuldnerunternehmen verantwortlich Tätige soll verhindert werden, dass organschaftliche Vertreter sich durch Amtsniederlegung ihrer Verantwortung entziehen.11) _____________ 5) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 14 – 17. 6) Für die Frage der faktischen Vertretung kommt es darauf an, ob das Organ mit Wissen und Wollen der Gesellschafter oder der Vertretungsorgane der juristischen Person tätig ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, NJW 1967, 1711; Kayser in: HK-InsO, § 101 Rz. 7; Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 19; einschränkend UhlenbruckUhlenbruck, InsO, § 101 Rz. 4. 7) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 101 Rz. 3. 8) LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.9.2008 – 10 Sa 162/08, ZInsO 2009, 679; Uhlenbruck, BB 2003, 1185 ff m. w. N. 9) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 26. 10) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 24b. 11) Vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2000 – 3 Wx 393/00, ZIP 2001, 25.
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§ 101
Organschaftliche Vertreter. Angestellte
3.
Führungsloses Unternehmen
Ist das schuldnerische Unternehmen bei Insolvenzantragstellung führungslos (vgl. hierzu § 10 Abs. 2),12) sind die aktuellen Gesellschafter13) von Kapital- und Personengesellschaften, in denen keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist, ebenso wie ehemalige organschaftliche Vertreter zur umfassenden Auskunft verpflichtet. Persönlich haftende Gesellschafter in anderen Personengesellschaften sind bereits nach Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 1 auskunftspflichtig.14) Können die Auskünfte von ehemaligen organschaftlichen Vertretern erteilt werden, geht deren Auskunftspflicht derjenigen der Gesellschafter vor.15) 4. (Ausgeschiedene) Angestellte Angestellte und frühere Angestellte des Schuldners, die bis zu zwei Jahren vor dem Insolvenzeröffnungsantrag in dem Unternehmen tätig waren, sind lediglich zur Auskunft nach § 97 Abs. 1 Satz 1 verpflichtet, sie müssen also keine Tatsachen offenbaren, die zu einer Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit führen könnten. Vielmehr haben sie im Insolvenzverfahren die Rechtsstellung von Zeugen, so dass ihnen gemäß §§ 383 bis 385 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.16) Der Angestelltenbegriff umfasst nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift alle im Betrieb tätigen Personen, er ist nicht auf den arbeitsrechtlichen Angestelltenbegriff beschränkt.17) Kommen die Angestellten ihrer Auskunftspflicht nicht nach, können gegen sie keine Zwangsmittel nach der InsO verhängt werden. Der Auskunftsberechtigte kann den ihm zustehenden Anspruch nur vor den ordentlichen Gerichten geltend machen.18) III. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Eröffnungsverfahren Im Eröffnungsverfahren gelten die für das eröffnete Verfahren unter II. (Rz. 3 – 9) dargestellten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 für das Insolvenzgericht und gemäß § 22 Abs. 3 Satz 3 für den vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend.
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IV. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten in der Eigenverwaltung Im Rahmen der Eigenverwaltung bleiben die vertretungsberechtigten Organe verwaltungs- und verfügungsbefugt, so dass sie dem Insolvenzgericht in vollem Umfang zur Auskunft verpflichtet sind. Die weiteren unter II. (Rz. 7 – 9) dargestellten Auskunftspflichten für ausgeschiedene vertretungsberechtigte Personen, führungslose Unternehmen und (ausgeschiedene) Angestellte gelten gemäß §§ 274 Abs. 3 Satz 3, 22 Abs. 3 Satz 3 auch gegenüber dem Sachwalter und gemäß §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 Satz 3, 22 Abs. 3 Satz 3 gegenüber dem vorläufigen Sachwalter. _____________ 12) Das Vertretungsorgan muss rechtlich nicht mehr existent, also abberufen, zurückgetreten oder verstorben sein, es reicht nicht, dass dessen Aufenthalt unbekannt ist, AG Hamburg, Beschl. v. 27.11.2008 – 67c IN 478/08, ZIP 2009, 333. 13) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 25b; a. A. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 101 Rz. 15. 14) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 25b. 15) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 25b; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 101 Rz. 15; a. A. Nerlich/Römermann-Wittkowsky/Kruth, InsO, § 101 Rz. 3b. 16) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 29. 17) Stephan in: MünchKomm-InsO, § 101 Rz. 27. 18) Kübler/Prütting/Bork-Lüke, InsO, § 101 Rz. 7.
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§ 102
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Einschränkung eines Grundrechts
V. Kostenhaftung des Schuldners (Abs. 3) Der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.200819) eingefügte Absatz 3 wendet sich an das über den Eröffnungsantrag entscheidende Gericht und räumt diesem für den Fall der Abweisung des Antrags – gleichviel, aus welchem Grunde – die Möglichkeit (und das Ermessen) ein, die Kosten des (Eröffnungs-) Verfahrens den in Absatz 1 und 2 genannten Personen aufzuerlegen, soweit sie zur Auskunft und Mitwirkung herangezogen wurden und dieser Pflicht nicht (oder nicht vollständig) nachgekommen sind. Nach Sinn und Zweck der Norm, die den Gläubiger, den sonst – gemäß § 23 GKG – regelmäßig die Kostenlast trifft, vor unbillig erscheinender Inanspruchnahme schützen soll,20) dürfte ein entsprechender Ausspruch des Gerichts immer dann in Frage kommen, wenn die Abweisung auf der mangelnden Auskunft und Mitwirkung beruht. Hierunter können unter Umständen auch sog. „Bestattungsfälle“ subsummiert werden.21) Aufgrund der das Gericht treffenden Amtsermittlungspflicht bei zulässigem Eröffnungsantrag dürfte es indes weitaus häufiger der Fall sein, dass fehlende Auskunft und/oder Mitwirkung zur Einschaltung eines Sachverständigen und dadurch – über die Auslagen – zu deutlich erhöhten Kosten führen. Insbesondere vor diesen Kosten soll der antragstellende Gläubiger geschützt werden, um zu vermeiden, dass er aus kostenrechtlichen Gründen von einer Antragstellung absieht.22) Nach allgemeinen Grundsätzen dürfte – je nach Lage des Einzelfalls – vor dem Hintergrund des Absatzes 3 auch eine Kostenverteilung in Betracht kommen. Erfolgt der entsprechende Ausspruch des Gerichts, hat dies für den antragstellenden Gläubiger den weiteren kostenrechtlichen Vorteil, dass er – als Zweitschuldner – nach § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG nur in Anspruch genommen wird, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der genannten Personen erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint.23) _____________ 19) 20) 21) 22) 23)
BGBl. I 2008, 2026. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57. Kayser in: HK-InsO, § 101 Rz. 1. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 57.
§ 102 Einschränkung eines Grundrechts
Voß
Durch § 21 Abs. 2 Nr. 4 und die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 wird das Grundrecht des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) eingeschränkt. 1
Die Vorschrift trägt dem Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung. Ein Eingriff in das Briefgeheimnis sowie das Postgeheimnis ist sowohl im Eröffnungsverfahren nach § 21 Abs. 2 Nr. 4 als auch im eröffneten Verfahren gemäß § 99 zulässig. In Fall von juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften ist eine Postsperre nach § 101 Abs. 1 nicht nur gegen jene selbst, sondern auch gegen deren aktuelle Vertretungs- und Aufsichtsorgane sowie vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter zulässig (siehe § 99 Rz. 1). Die InsO schränkt insoweit die Grundrechte des Art. 10 Abs. 1 GG ein, was nach Art. 10 Abs. 2 GG zulässig ist. 642
Voß
§6
Sofortige Beschwerde
Ermächtigung wird den Ländern hier die notwendige Gestaltungsfreiheit eingeräumt. VI. Weitere „Verfahrensgrundsätze“ 25
Im Insolvenzverfahren gelten neben dem in § 5 angesprochenen Untersuchungsgrundsatz und der (eingeschränkten) Mündlichkeit des Verfahrens vielfältige weitere allgemeine Verfahrensgrundsätze, die teilweise bereits unmittelbar aus dem Verfassungsrecht herzuleiten sind (z. B. Rechtsstaatsprinzip, gesetzlicher Richter, rechtliches Gehör, Willkürverbot, materieller Grundrechtsschutz, informationelle Selbstbestimmung), teilweise dem Insolvenzverfahren als gerichtlichem Verfahren jenseits der bekannten, klar abgegrenzten Kategorien des Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens43) immanent sind (nur beschränkte Geltung der Dispositionsmaxime, Antragsrecht; freie Entscheidung der Gläubiger betreffend der Forderungsanmeldung; Amtsbetrieb; nur – entsprechend der Mündlichkeit – eingeschränkte Bedeutung von Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit).44) _____________ 43) Vgl. Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 5 Rz. 4. 44) Weiterführend sei auf die Großkommentare verwiesen: Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 5 Rz. 4 ff; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 73 ff.
§6 Sofortige Beschwerde (1) 1Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. 2 Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung. (3) 1Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. 2Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen. Literatur: Kirchhof, Insolvenzrechtliche weitere Beschwerden im Zickzackkurs, ZInsO 2012, 16. Übersicht I. II. 1. 2. 3. 4.
Allgemeines, Normzweck ................... 1 Sofortige Beschwerde .......................... 2 Statthaftigkeit ........................................ 3 Zulässigkeit ............................................ 4 Wirkung der Beschwerdeeinlegung ...... 9 Verfahren ............................................. 10 a) Abhilfeverfahren .......................... 10 b) Beschwerdeverfahren ................... 12 5. Entscheidung ....................................... 14 6. Wirksamkeit der Entscheidung .......... 19 7. Prozesskostenhilfe .............................. 20 III. Rechtspflegererinnerung .................. 21 IV. Rechtsbeschwerde .............................. 22 1. Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO ................................ 26
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2.
Einlegung der Rechtsbeschwerde ....... 28 a) Frist ............................................... 28 b) Form ............................................. 29 c) Begründung .................................. 30 3. Wirkung der Beschwerdeeinlegung .... 32 4. Verfahren ............................................. 33 5. Begründetheit (§ 576 ZPO) ............... 35 6. Entscheidung ....................................... 36 7. Prozesskostenhilfe .............................. 39 V. Anhörungsrüge, außerordentliche Beschwerde ......................................... 40 VI. Formelle und materielle Rechtskraft ..................................................... 41
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§6
Sofortige Beschwerde
I.
Allgemeines, Normzweck
Durch § 6 wird das Beschwerderecht im Insolvenzverfahren auf die gesetzlich bestimmten Fälle beschränkt, d. h., grundsätzlich ist von der Unanfechtbarkeit insolvenzgerichtlicher Entscheidungen auszugehen, ausnahmsweise – in den ausdrücklich benannten Fällen – sind sie anfechtbar. Der Gesetzgeber wollte durch die Beschränkung den zügigen Fortgang des Verfahrens fördern.1) § 6 gilt jedoch nur für die „insolvenzgerichtlichen Entscheidungen“, also Entscheidungen, deren Rechtsgrundlagen sich in der InsO selbst befinden. Für insolvenzrechtliche „Nebenentscheidungen“, die i. R. eines Insolvenzverfahrens auf der Grundlage allgemeiner, nicht zum eigentlichen Insolvenzrecht gehöriger Vorschriften getroffen werden, bleiben also auch die dort ggf. vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten erhalten.2) Ähnliches gilt für die wegen besonderer Sachnähe dem Insolvenzgericht übertragenen Entscheidungen nach § 36 Abs. 4 Satz 1 und § 89 Abs. 3: Hier handelt das Insolvenzgericht funktional als Vollstreckungsgericht, sodass auch die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe einschlägig sind (vgl. unten zu § 36 Rz. 32 f).3) Unberührt bleibt des Weiteren die Möglichkeit der Rechtspflegererinnerung unter den Voraussetzungen des § 11 RPflG (unten Rz. 21).
1
II. Sofortige Beschwerde Die InsO trifft über § 6 hinaus keine Bestimmungen zum Beschwerdeverfahren, sodass über § 4 weitestgehend auf die entsprechende Anwendung der §§ 567 – 573 ZPO zurückgegriffen werden kann. 1.
Statthaftigkeit
Die sofortige Beschwerde gibt es nur in den Fällen, in denen die InsO dies ausdrücklich bestimmt.4) Fasst das Insolvenzgericht mehrere Maßnahmen in einem einheitlichen Beschluss zusammen, die teils anfechtbar, teils unanfechtbar sind, erweitert dies die Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber der einzelnen Maßnahme nicht.5) Die Beschwerde muss sich gegen eine Entscheidung des Insolvenzgerichts richten; Entscheidungen sind grundsätzlich sämtliche Richter- und Rechtspflegersprüche im Insolvenzverfahren, gleichviel, ob sie das Gesamtverfahren oder Zwischen_____________ 1)
2)
3)
4)
5)
2
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 110, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 153. Eine solche Beschränkung ist verfassungsrechtlich unbedenklich, vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.11.2009 – 1 BvR 339/09, ZIP 2010, 237 = ZInsO 2010, 34. BGH, Beschl. v. 16.3.2000 – IX ZB 2/00, ZIP 2000, 755 = ZInsO 2000, 280; JaegerGerhardt, InsO, § 6 Rz. 8 ff; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 57 ff; vgl. auch etwa für den Fall der Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 246/10, ZIP 2011, 1169 f = ZInsO 2011, 1032. BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 97/03, ZInsO 2004, 391, 392 = ZIP 2004, 732, dazu EWiR 2004, 1231 (Lüke/Ellke); BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; BGH, Beschl. v. 19.6.2008 – IX ZB 165/07, – juris. So etwa auch nicht gegen die Ablehnung der – von der InsO nicht geregelten – Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters, BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 ff = ZInsO 2009, 476, dazu EWiR 2009, 389 (Herchen). Vgl. nur BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 85/05, ZIP 2007, 394 ff = ZVI 2007, 270; Kirchhof in: HK-InsO, § 6 Rz. 5; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 8.
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3
§6
Sofortige Beschwerde
fragen bestimmen, ob sie Prozess leitenden oder sachlichen Inhalts sind.6) Keine Entscheidungen sind lediglich vorbereitende Maßnahmen, etwa solche i. R. des § 5 Abs. 1, ferner bloße Beurkundungen/Niederschriften, etwa im Prüfungstermin. Durch § 6 der Beschwerde entzogen ist weiter das bloße Untätigbleiben des Insolvenzgerichts. Entscheidungen des Insolvenzverwalters, des Gläubigerausschusses, der Gläubigerversammlung oder anderer Verfahrensbeteiligter sind nicht beschwerdefähig.7) 2.
Zulässigkeit
4
Die Beschwerdefrist beträgt § 569 Abs. 1 ZPO entsprechend zwei Wochen und beginnt, wie Absatz 2 bestimmt, mit der Verkündung der Entscheidung, im Falle der Nichtverkündung mit der Zustellung (siehe hierzu § 8). Dabei schließt die öffentliche Bekanntmachung nach § 9 Abs. 3, die grundsätzlich zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten genügt, den Nachweis einer früheren Zustellung an einzelne Beteiligte nicht aus, sodass Letztere für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblich wäre.8) Es handelt sich um eine Notfrist, sodass grundsätzlich auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (§ 233 ZPO). Die Einlegung der Beschwerde ist bereits vor Zustellung der wirksamen Entscheidung zulässig.9)
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Die Beschwerde ist schriftlich (§ 569 Abs. 2 ZPO) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) beim zuständigen Insolvenzgericht einzulegen, Abs. 1 Satz 2.10) Sie muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen sowie erkennen lassen, dass eine Beschwerde eingelegt wird (§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Beschwerde soll (§ 571 Abs. 1 ZPO), muss aber nicht begründet werden.
6
Die Zulässigkeit setzt weiterhin die Beschwer des Beschwerdeführers voraus, die einmal darin bestehen kann, dass sein Antrag abgelehnt wurde (formale Beschwer), zum anderen immer dann zu bejahen ist, wenn er durch die Entscheidung in seinen Interessen nachteilig betroffen ist (materielle Beschwer). Im letzteren Fall bleibt
_____________ 6) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 5 Rz. 30; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 66. 7) Für Gläubigerversammlung und -ausschuss: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.10.2000 – 3 W 198/00, ZInsO 2000, 670, 671 = ZIP 2000, 2173. Auch gegen die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gläubigerversammlung kann nicht vorgegangen werden, insbesondere findet § 78 keine analoge Anwendung: BGH, Beschl. v. 21.7.2011 – IX ZB 128/10, ZIP 2011, 1626 = ZVI 2011, 324. 8) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 140/02, ZIP 2003, 768, 769 = ZVI 2003, 165, dazu EWiR 2003, 977 (Keller); OLG Köln, Beschl. v. 3.1.2000 – 2 W 270/99, ZIP 2000, 195, 196 f = NZI 2000, 169, dazu EWiR 2000, 181 (Bork) m. w. N. 9) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 39. 10) § 6 Abs. 1 Satz 2 angefügt mit Wirkung vom 1.3.2012 durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 (ESUG), BGBl. I 2011, 2582; in Insolvenzverfahren, die vor dem 1.3.2012 beantragt worden sind, dürfte weiterhin auch noch die Einlegung beim Beschwerdegericht möglich sein, Art. 103g EGInsO. Dies ist in der Regel das LG, auch in Fällen mit Auslandsberührung – § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG (m. W. v. 1.9.2009 aufgehoben durch Gesetz v. 17.12.2008, BGBl. I 2008, 2586) ist im Insolvenzverfahren nicht anwendbar, BGH, Beschl. v. 23.10.2008 – IX ZB 193/06, WM 2009, 95 f = ZIP 2009, 48, dazu EWiR 2009, 111 (Mankowski).
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§6
Sofortige Beschwerde
die Beschwerde dennoch ausgeschlossen, wenn die Entscheidung dem Antrag entspricht (z. B. Verfahrenseröffnung auf Schuldnerantrag).11) Ausnahmsweise kann trotz gegebener Beschwer noch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen sein, etwa in Fällen der prozessualen Überholung.12) Nur in schwerwiegenden Sonderfällen wird man die Überprüfung einer bereits erledigten Entscheidung im Wege einer Fortsetzungsfeststellung zulassen können, etwa bei solchen Grundrechtseingriffen, die typischerweise die rechtzeitige Abwehr kaum erlauben,13) bei der Möglichkeit tief greifender Grundrechtsverletzung oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung, welche eine Sachentscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ausnahmsweise erfordert.14)
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Selbstverständlich müssen auch die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen, so die Partei- und Prozessfähigkeit, die sich nach den §§ 50, 51 ZPO richtet. Insbesondere bei juristischen Personen sind die gesetzlichen Vertretungsregeln zu beachten; die Beschwerdebefugnis korrespondiert hier nicht automatisch mit einer von der InsO eingeräumten Antragsbefugnis, etwa des nicht alleinvertretungsberechtigten Mitglied eines Verletzungsorgans (§ 15 Abs. 1). Beschwerdeberechtigt sind jeweils nur die in den Einzelbestimmungen genannten Personen.
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3.
Wirkung der Beschwerdeeinlegung
Die Beschwerde hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 570 ZPO). Nach § 570 Abs. 2 und 3 ZPO können erst- und zweitinstanzliches Gericht allerdings die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen. Die mit einem Eröffnungsbeschluss von Gesetzes wegen eintretenden Wirkungen bleiben jedoch selbst dann bestehen.15) 4.
9
Verfahren
a) Abhilfeverfahren Nach § 4 InsO i. V. m. § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgt auf die Einlegung der Beschwerde zunächst das Abhilfeverfahren beim Erstgericht. Dieses soll eine unnötige, kostenverursachende und zeitraubende Befassung des Beschwerdegerichts vermeiden, wenn gebotene Korrekturen unschwer durch das Insolvenzgericht selbst vorgenommen werden können.16) Im Rahmen des Abhilfeverfahrens muss neues Vorbringen, ggf. sogar eine Änderung des Verfahrensgegenstands,17) keinesfalls _____________ 11) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 31. 12) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 36. 13) BGH, Beschl. v. 4.3.2004 – IX ZB 133/03, NZI 2004, 312, 313 = ZIP 2004, 915, dazu EWiR 2004, 499 (Bähr). 14) BGH, Beschl. v. 12.10.2006 – IX ZB 34/05, WM 2006, 2329, 2330 = ZIP 2006, 2233; BGH, Beschl. v. 11.1.2007 – IX ZB 271/04, ZIP 2007, 438 f = ZVI 2007, 359, dazu EWiR 2007, 209 (Flitsch); BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – IX ZB 20/07, ZInsO 2008, 203. 15) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 33 m. w. N.; Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 6 Rz. 32. 16) Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 44. 17) So für die Erledigungserklärung OLG Köln, Beschl. v. 28.3.2001 – 2 W 39/01, ZInsO 2001, 420, 422 = ZIP 2001, 1018, dazu EWiR 2001, 677 (Beutler).
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aber ein gänzlich neuer Verfahrensgegenstand18) berücksichtigt werden. Vor Abänderung des angefochtenen Beschlusses muss unter Umständen einem Gegner rechtliches Gehör gewährt werden. 11
Über die Abhilfe hat das Insolvenzgericht durch Beschluss zu entscheiden, aus dem sich ergeben muss, ob und in welchem Umfang abgeholfen wird. Wird vollständig abgeholfen, so ist die Beschwerde erledigt; der Abhilfebeschluss muss dann eine Kostenentscheidung enthalten. In jedem anderen Fall ist die Beschwerde mit dem Beschluss dem Beschwerdegericht vorzulegen. Sind neue Tatsachen vorgebracht worden, deren Erheblichkeit verneint wird, muss sich die Begründung damit auseinandersetzen. Gleiches gilt, wenn das Ausgangsgericht seine Entscheidung nunmehr auf andere Gesichtspunkte stützen möchte. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht notwendige Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren. b) Beschwerdeverfahren
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Das Beschwerdegericht prüft zunächst von Amts wegen, ob die Beschwerde statthaft und zulässig ist (§ 572 ZPO). Es ist zweite Tatsacheninstanz; neue Tatsachen und Beweismittel sind uneingeschränkt zu berücksichtigen (§ 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO), hierzu zählen auch Tatsachen, die erstinstanzlich – auch verschuldet – nicht vorgebracht wurden. Für das Beschwerdevorbringen kann das Gericht oder der Vorsitzende eine Ausschlussfrist setzen (§ 571 Abs. 3 ZPO). Von der Frage, welcher Sachverhalt nach dem Verfahrensrecht grundsätzlich berücksichtigungsfähig ist, zu trennen ist aber die Frage, welcher Betrachtungszeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung maßgeblich ist.19) Dieser Zeitpunkt wird regelmäßig der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung als letzter Tatsachenentscheidung sein, soweit das materielle Recht nicht nach einem anderen Zeitpunkt verlangt und dadurch nicht das Gebot effektiven Rechtsschutzes ausgehöhlt würde. In der Rechtsprechung20) wird dieser Ausnahmefall angenommen für die Überprüfung eines Eröffnungsbeschlusses; hier soll es allein darauf ankommen, ob die Voraussetzungen der Eröffnung zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung vorlagen.21) Lagen sie nicht vor, ist der Eröffnungsbeschluss aufzuheben und der Eröffnungsantrag abzuweisen. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass die Voraussetzungen bei Erlass der Erstentscheidung vorlagen; sie hat dann Bestand, der nachträgliche Wegfall des Insolvenzgrundes kann nur im Verfahren nach § 212 geltend gemacht werden.22) Diese Rechtsprechung verdient angesichts der heraus_____________ 18) So für einen erst mit der Beschwerdeschrift gestellten Hilfsantrag: BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188 ff = ZVI 2007, 90 ff. 19) So für das Verwaltungsrecht BVerwG, Beschl. v. 27.4.1990 – 8 C 87.88, NJW 1991, 2584 = NVwZ 1991, 360; BVerwG, Beschl. v. 6.3.2003 – 9 B 17.03, n. v., wonach diese Frage in erster Linie durch das materielle Recht beantwortet wird. 20) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, ZIP 2006, 1957 = ZInsO 2006, 1051, dazu EWiR 2007, 17 (Bruns). 21) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, ZIP 2006, 1957 Rz. 8 = ZInsO 2006, 1051. 22) BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 12/06, ZVI 2006, 564 f; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, ZIP 2006, 1957 Rz. 19 = ZInsO 2006, 1051.
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ragenden Bedeutung des Zeitpunkts der Eröffnungsentscheidung23) und der durch diese ausgelösten einschneidenden, häufig nicht vollständig reparablen Wirkungen24) Zustimmung. Anders liegt der Fall hingegen, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstinstanzlich abgewiesen wurde – hier bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass also die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgeblich ist. Liegen die Eröffnungsvoraussetzungen – sei es auch erstmals – in diesem Zeitpunkt vor, ist das Verfahren zu eröffnen.25) Dem Beschwerdegericht kommt im Übrigen eine eigene Ermessenskompetenz zu.26) Die Überprüfung erstinstanzlicher Ermessensentscheidungen ist somit nicht auf eine bloße Ermessensfehlerkontrolle beschränkt. Auch im Beschwerdeverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 5). 5.
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Entscheidung
Die nicht statthafte oder sonst unzulässige Beschwerde wird verworfen (§ 572 Abs. 2 ZPO). Die vom Beschwerdegericht für unbegründet erachtete Beschwerde wird zurückgewiesen. Hält es die Beschwerde für begründet, so kann es in der Sache selbst entscheiden, nach § 572 Abs. 3 ZPO aber auch an das Insolvenzgericht zurückverweisen. Dieses ist dann analog § 563 Abs. 2 ZPO an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts gebunden, ebenso wie das Beschwerdegericht selbst, wenn es erneut mit der Sache befasst wird.27)
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Das Verbot der reformatio in peius ist auch im Beschwerdeverfahren zu beachten;28) allein bei zwei gegenläufigen Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung ist eine Verschlechterung zulasten jedes Rechtsmittelführers zulässig.
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Seit dem 27.10.2011 hat das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung auch die Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde zu erwägen. Mit der Abschaffung der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde (vormals § 7) gelten uneingeschränkt die §§ 574 ff ZPO. Lässt das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zu (zu den Voraussetzungen vgl. unten Rz. 26 ff), stellt es dies zweckmäßigerweise im Beschlusstenor fest, ausreichend ist jedoch auch eine ausdrückliche Zulassung in den Gründen.29) Die Nichtzulassung muss nicht ausgesprochen werden. Eine nachträgliche Zulassung ist grundsätzlich ausgeschlossen,30) eine ergänzende Zulassung der Rechtsbeschwerde analog § 321a ZPO ist nur möglich, wenn in der Beschwerde-
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_____________ 23) 24) 25) 26) 27)
BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, ZIP 2006, 1957 Rz. 11 = ZInsO 2006, 1051. BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 204/04, ZIP 2006, 1957 Rz. 12 = ZInsO 2006, 1051. BGH, Beschl. v. 27.3.2008 – IX ZB 144/07, ZIP 2008, 1034, 1035 NZI 2008, 391. Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 42 m. w. N.; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 6 Rz. 53. BGH, Beschl. v. 19.4.2007 – IX ZB 176/06, – juris; vgl. auch BGH, Beschl. v. 14.4.2011 – IX ZB 18/10, ZInsO 2011, 1566; Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 41 m. w. N. 28) Uhlenbruck-Pape, InsO, § 6 Rz. 20. 29) BAG, Beschl. v. 17.1.2007 – 5 AZB 43/06, NJW 2007, 3303 = DB 2007, 696. 30) BGH, Beschl. v. 12.3.2009 – IX ZB 193/08, ZInsO 2009, 885 = NZI 2009, 744; BGH, Beschl. v. 24.11.2003 – II ZB 37/02, NJW 2004, 779 = WM 2004, 1698.
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entscheidung durch willkürliche Nichtzulassung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt worden ist.31) 17
Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss (§ 572 Abs. 4 ZPO). Dieser ist zu begründen, bei Zulassung der Rechtsbeschwerde insbesondere auch mit einer Sachverhaltsdarstellung zu versehen.32) Dem Unterlegenen ist im letzteren Falle die Entscheidung zuzustellen (§ 329 Abs. 2 Satz 2, § 575 Abs. 1 ZPO).
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Die in dem Beschluss – außer in Fällen der Zurückverweisung – zu treffende Kostengrundentscheidung richtet sich nach den §§ 97, 91, 92 ZPO. Der Streitwert beruht grundsätzlich auf § 47 GKG, für die Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss auf § 58 Abs. 2 und 3 GKG. Die Gerichtsgebühren ergeben sich aus Nr. 2360, 2361 GKG-KV, § 58 Abs. 2 bzw. 3 GKG; die Anwaltsgebühren aus § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, für die der Gegenstandswert aus §§ 28, 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bestimmt wird. 6.
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7. 20
Wirksamkeit der Entscheidung
Nach Absatz 3 wird die Entscheidung des Beschwerdegerichts grundsätzlich erst mit Eintritt der – formellen – Rechtskraft wirksam. Durch diese Regelung soll die wiederholte Abänderung ggf. folgenschwerer Entscheidungen – etwa bei der Beschwerde gegen einen Eröffnungsbeschluss – vermieden werden.33) Das Beschwerdegericht kann jedoch nach seinem freien Ermessen gemäß Absatz 2 Satz 2 – immer gleichzeitig mit der Sachentscheidung – die sofortige Wirksamkeit anordnen. Prozesskostenhilfe
Für das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gelten auch für den Schuldner nicht die Stundungsvorschriften der §§ 4a – 4d. Der Beschwerdeführer kann Prozesskostenhilfe nach den §§ 114 ff ZPO beantragen und erhält diese abhängig von den Erfolgsaussichten des jeweils eingelegten Rechtsmittels.34) III. Rechtspflegererinnerung
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Ist nach der InsO die sofortige Beschwerde nicht gegeben, so eröffnet § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG die Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers35) (Ausnahme: § 11 Abs. 3 Satz 2 RPflG, keine Erinnerung gegen die Entscheidung über die Gewährung eines Stimmrechts.) Sie ist innerhalb der für die sofortige Beschwerde gegebene Frist beim Insolvenzgericht einzulegen. Für die aufschiebende Wirkung gilt das oben (Rz. 9) Ausgeführte entsprechend (§ 11 Abs. 2 Satz 4 _____________ 31) BGH, Beschl. v. 12.3.2009 – IX ZB 193/08, ZInsO 2009, 885 = NZI 2009, 744; BGH, Beschl. v. 19.5.2004 – IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529 = MDR 2004, 1254; BGH, Beschl. v. 4.7.2007 – VII ZB 28/07, WM 2007, 2035, 2036 = NJW-RR 2007, 1654. 32) BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – IX ZB 56/01, ZInsO 2002, 724 = NJW 2002, 2648; BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 88/05, ZVI 2006, 565; vgl. auch § 576 Abs. 3 i. V. m. § 547 Nr. 6 ZPO. 33) Jaeger-Gerhardt, InsO, § 6 Rz. 49 m. w. N. 34) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910, 2911 = ZVI 2003, 405; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574; zum Meinungsstand vgl. Jaeger-Eckardt, InsO § 4a Rz. 74 ff m. w. N. 35) BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223 f = NZI 2003, 31 f; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 5 Rz. 59 f; Kirchhof in: HK-InsO, § 6 Rz. 15.
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RPflG). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG kann der Rechtspfleger abhelfen. Hilft er ganz oder teilweise nicht ab, so legt er nach § 11 Abs. 2 Satz 3 RPflG die Sache dem Insolvenzrichter vor, der abschließend über die Erinnerung entscheidet. Gegen die richterliche Entscheidung ist sodann keine Überprüfungsmöglichkeit mehr gegeben (außer im vollstreckungsrechtlichen Rechtszug, § 793 ZPO; vgl. auch oben Rz. 1). Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 11 Abs. 4 RPflG). Auslagen sind zu erstatten. Anwaltsgebühren richten sich nach § 18 Nr. 5 RVG, der dortige Gegenstandswert nach § 28 RVG. IV. Rechtsbeschwerde Gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde kommt grundsätzlich nur noch die Rechtsbeschwerde in Betracht. Für diese gelten über § 4 die Regelungen in §§ 574–577 ZPO entsprechend.
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Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde, die bis einschließlich 26.10.2011 ergangen sind, galt – ggf. gilt – noch § 7 a. F. als ausdrückliche gesetzliche Bestimmung der Statthaftigkeit i. S. des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.36) Die Rechtsbeschwerde war danach dann – zulassungsfrei – eröffnet, wenn zuvor das Beschwerdegericht über eine sofortige Beschwerde nach § 6 entschieden hat, also eine Entscheidung des Insolvenzgerichts angegriffen ist und die InsO dagegen die sofortige Beschwerde vorsieht. Dies galt nicht nur, wenn der Erstbeschwerdeführer die Rechtsbeschwerde erhebt,37) sondern auch in dem Fall der Einlegung durch einen anderen Verfahrensbeteiligten, der sich durch die Beschwerdeentscheidung erstmals beschwert sieht. Auch dafür war die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn auch für diesen gegen die erstinstanzliche Entscheidung grundsätzlich die sofortige (erste) Beschwerde nach § 6 eröffnet gewesen wäre.38) Eine gesonderte Zulassung durch das Beschwerdegericht war daneben ebenso gegenstands- wie wirkungslos.39)
23
Für alle Beschwerdeentscheidungen, die ab dem 27.10.2011 erlassen worden sind bzw. werden, fehlt es nunmehr an dieser gesetzlichen Regelung und es gelten allein noch die §§ 574 ff ZPO.40) Damit ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur noch eröffnet, wenn das Beschwerdegericht sie zulässt. Das hat es nach § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu tun, wenn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen; ein Ermessensspielraum besteht nicht.41) _____________
24
36) Vgl. Art. 103f EGInsO. 37) BGH, Beschl. v. 25.1.2007 – IX ZB 240/05, ZIP 2007, 548 = ZInsO 2007, 326, dazu EWiR 2007, 341 (Römermann). 38) BGH, Beschl. v. 14.12.2005 – IX ZB 54/04, NZI 2006, 239; BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZB 161/07, NZI 2009, 246 = WM 2009, 363; Ganter in: MünchKomm-InsO, § 7 Rz. 21; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.3.2007 – IX ZB 163/06, ZIP 2007, 792 = ZVI 2007, 358, dazu EWiR 2007, 565 (Hofmann/Würdinger) – keine Rechtsbeschwerdemöglichkeit des Insolvenzverwalters gegen die zweitinstanzliche Aufhebung eines Eröffnungsbeschlusses. 39) BGH, Beschl. v. 20.2.2003 – V ZB 59/02, NJW-RR 2003, 784 f = MDR 2003, 645; BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 234/03, – juris; BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZB 60/04, – juris. 40) BGH, Beschl. v. 20.12.2011 – IX ZB 294/11, ZIP 2012, 796 = WM 2012, 276; BGH, Beschl. v. 18.1.2012 – IX ZB 1/12, – juris; BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – IX ZB 301/11, – juris; BGH, Beschl. v. 10.5.2012 – IX ZB 296/11, ZInsO 2012, 1185. 41) Kirchhof, ZInsO 2012, 16 f.
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Zu beachten ist, dass die positive Zulassungsentscheidung nicht vom Einzelrichter zu treffen ist; liegen die nachfolgend dargestellten Zulassungsvoraussetzungen vor, handelt es sich zugleich zwangsläufig um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, sodass die Sache der gesamten Zivilkammer zur Entscheidung zu übertragen ist, § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO.42) Hat das Beschwerdegericht verkannt, dass ihm die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde oblag, kann diese nicht vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden.43) 25
Auch bei Beschwerden auf anderer Grundlage, etwa §§ 567 oder 793 ZPO, gilt das Zulassungserfordernis des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO.44) 1.
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Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO vom Beschwerdegericht zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Grundsätzlich muss sich eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage stellen; eine solche liegt vor, wenn es um die Subsumtion eines verallgemeinerungsfähigen Lebenssachverhalts unter einen Normtatbestand und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen geht. Sie ist abzugrenzen von bloßen Tatfragen, die nicht unmittelbar der Überprüfung unterliegen, also insbesondere der Beurteilung, ob tatsächliche Umstände im Einzelfall die Begriffsmerkmal ausfüllen; das ist allein Sache des Tatrichters.45) Hinzukommen muss dann (mindestens) einer der in § 574 Abs. 2 ZPO aufgeführten besonderen Zulassungsgründe: –
Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), wenn eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage vorliegt, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen denkbar ist,46) oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen.47) Klärungsbedürftig ist auch eine Rechtsfrage, bei der die Instanzgerichte dem Bundesgerichtshof weitgehend die Gefolgschaft verweigern oder auch im Schrifttum ernstzunehmende Bedenken gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung geäußert werden.48) Auch das tatsächliche und wirtschaft-
_____________ 42) Die Zulassung ist dann zwar wirksam, die Entscheidung unterliegt jedoch allein schon wegen der fehlerhaften Besetzung des Beschwerdegerichts der Aufhebung und Zurückverweisung: BGH, Beschl. v. 13.3.2003 – IX ZB 134/02, BGHZ 154, 202 ff = ZIP 2003, 1561; BGH, Beschl. v. 22.11.2011 – VIII ZB 81/11, WuM 2012, 46 f = NJW-RR 2012, 125. 43) BGH, Beschl. v. 10.5.2012 – IX ZB 295/11, ZIP 2012, 1146 ff; BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 31/12, – juris; BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910 = ZVI 2003, 405. 44) BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZB 168/03, ZVI 2004, 476 = NZI 2004, 456; BGH, Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 246/10, ZIP 2011, 1169 = ZInsO 2011, 1032. 45) Mit ausdrücklichen Beispielen: Kirchhof, ZInsO 2012, 16 f. 46) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029; Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 104. 47) BGH, Beschl. v. 11.5.2004 – XI ZB 39/03, ZIP 2004, 502 = NJW 2004, 2222 m. w. N. 48) Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 102.
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Sofortige Beschwerde
liche Gewicht der Sache für die beteiligten Rechtskreise soll berücksichtigt werden.49) –
Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken aufzufüllen.50) Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt.51)
–
Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), wenn relevante Divergenzen in der Rechtsprechung erkennbar werden. Eine Abweichung liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts.52) Die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nur dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren.53) Hinzukommen muss in der Regel eine Wiederholungsgefahr, wie sie insbesondere bei einer bewussten Abweichung von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu bejahen ist. Keiner Wiederholungsgefahr bedarf es jedoch, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.54)
An die – zweckmäßigerweise im Tenor der Beschwerdeentscheidung erfolgende – Zulassung der Rechtsbeschwerde ist das Rechtsbeschwerdegericht sodann gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Bundesgerichtshof sieht die Zulassung der Rechtsbeschwerde aber als unwirksam an, wenn schon der Beschwerderechtsweg nicht eröffnet war.55) 2.
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Einlegung der Rechtsbeschwerde
a) Frist Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt gemäß § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Monat und beginnt mit der Zustellung des angegriffenen Beschlusses. _____________ 49) Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 105. 50) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029; vgl. auch Begr. RegE ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 104. 51) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029. 52) BGH, Beschl. v. 29.5.2002 – V ZB 11/02, ZIP 2002, 1506 = NJW 2002, 2473, dazu EWiR 2003, 607 (Wank). 53) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029. 54) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, ZIP 2002, 1826 = NJW 2002, 3029. 55) BGH, Beschl. v. 21.4.2004 – XII ZB 279/03, NJW 2004, 2224 ff = MDR 2004, 1137; BGH, Beschl. v. 17.10.2005 – II ZB 4/05, MDR 2006, 466 = NJW-RR 2006, 286.
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Sofortige Beschwerde
Weil es sich um eine Notfrist handelt, ist auch hier grundsätzlich die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung gegeben (§ 233 ZPO). b) Form 29
Die Frist wird durch das Einreichen einer Rechtsbeschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht, also dem Bundesgerichtshof, gewahrt. Diese muss gemäß § 575 Abs. 1 Satz 2 ZPO die genaue Bezeichnung der angegriffenen Beschwerdeentscheidung und die Erklärung enthalten, dass gegen diese Entscheidung die Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Die Beschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und begründet werden.56) c) Begründung
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Die Beschwerde bedarf einer Begründung, die gemäß § 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO ebenfalls innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung erfolgen muss.
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Die Begründung muss nach § 575 Abs. 3 ZPO enthalten:
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–
Die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt wird (Rechtsbeschwerdeanträge),
–
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, also die genaue Bezeichnung der einzelnen Umstände, aus denen sich entweder ein materiell-rechtlicher Rechtsfehler oder ein Verfahrensfehler ergibt, bei letzterem auch die Benennung der konkreten Tatsachen.
3.
Wirkung der Beschwerdeeinlegung
Auch die Rechtsbeschwerde hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, es geht um die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels. Nach § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 1 und 3 ZPO kann auch das Rechtsbeschwerdegericht die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung, auch der erstinstanzlichen,57) durch eine einstweilige Anordnung aussetzen. 4.
33
Verfahren
Es gibt kein Abhilfeverfahren, schon weil der Rechtsbeschwerdeführer seine Beschwerde unmittelbar beim Rechtsbeschwerdegericht einlegt. Dieses entscheidet zunächst von Amts wegen, ob die Rechtsbeschwerde statthaft und zulässig ist (§ 4 InsO i. V. m. § 577 Abs. 1 ZPO). Hierzu gehört auch die (Vorab-)Prüfung, ob die sofortige Erstbeschwerde zulässig war; sollte dies nicht der Fall sein, fehlt es an einem gültigen und zulässigen Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht.58) Bei der Prüfung der Begründetheit geht das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich _____________ 56) BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793 = NZI 2002, 574; BGH, Beschl. v. 17.2.2004 – IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441; BGH, Beschl. v. 12.8.2011 – IX ZB 202/11, – juris. 57) BGH, Beschl. v. 4.10.2007 – IX ZB 122/07, – juris; vgl. zudem BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 245/08, ZInsO 2009, 432 – Aussetzung der Vollziehung des Eröffnungsbeschlusses. 58) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379 = ZVI 2004, 625, dazu EWiR 2004, 1003 (Hintzen); BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188 ff = ZVI 2007, 90 ff.
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Kexel
§6
Sofortige Beschwerde
von dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt aus (§ 577 Abs. 2 Satz 3 und 4 i. V. m. § 559 ZPO). Die dortige Tatsachenfeststellung wird nur daraufhin überprüft, ob sie unter Verletzung des Gesetzes zustande gekommen ist. Der Prüfung unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge (§ 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO); an die geltend gemachten Gründe ist das Gericht jedoch nicht gebunden (§ 577 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel werden auch ohne Rüge geprüft, so etwa die fehlende Sachverhaltsdarstellung (vgl. § 547 Nr. 6 ZPO). 5.
Begründetheit (§ 576 ZPO)
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet, wenn sich aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsverletzung ergibt und die Entscheidung auf dieser Rechtsverletzung beruht (§ 577 Abs. 3 ZPO). Dies wird in den Fällen des § 547 ZPO unwiderlegbar vermutet. Der ursächliche Zusammenhang besteht bei festgestellten Verfahrensverstößen regelmäßig dann, wenn sie so schwer wiegen, dass die Möglichkeit einer anderen Entscheidung bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden kann.59) Die örtliche Zuständigkeit unterliegt nicht der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 576 Abs. 2 ZPO). 6.
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35
Entscheidung
Die nicht statthafte oder sonst unzulässige Rechtsbeschwerde wird verworfen (§ 577 Abs. 1 ZPO). War bereits die sofortige Beschwerde unzulässig, hat das Beschwerdegericht sie jedoch sachlich verbeschieden, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.60) Als unbegründet zurückzuweisen ist die Beschwerde, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 577 Abs. 3 ZPO). Hält das Rechtsbeschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so hat es, wenn der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO); hingegen spricht es die Aufhebung und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung aus (§ 577 Abs. 4 ZPO), wenn weitere tatsächliche Ermittlungen notwendig sind. Dabei kommt auch eine Zurückverweisung an das Amtsgericht in Betracht, wenn schon dieses entsprechenden Fragen nachzugehen hatte.61) Das Gericht, an das zurückverwiesen wird, ist an die rechtliche Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts gebunden (§ 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO).
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Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt das Verschlechterungsverbot.
37
Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss (§ 577 Abs. 6 Satz 1 ZPO). Die Begründungspflicht entfällt bei Rügen von Verfahrensmängeln gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 564 ZPO. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen
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_____________ 59) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 52 m. N. 60) BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188 ff = ZVI 2007, 90 ff. 61) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 589/02, ZIP 2004, 1555, 1557 = NZI 2004, 626.
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§6
Sofortige Beschwerde
grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO). Eine Zustellung erfolgt nur, wenn die Entscheidung einen Vollstreckungstitel bildet.62) Die in dem Beschluss – außer in Fällen der Zurückverweisung – zu treffende Kostengrundentscheidung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Der Rechtsbeschwerdewert bestimmt sich grundsätzlich nach § 47 GKG, im Verfahren über einen Eröffnungsbeschluss nach § 58 GKG. Die Gebühren des Gerichts ergeben sich aus Nr. 2362–2364 GKG-KV, die des Anwalts aus § 18 Nr. 5 RVG. Für den Gegenstandswert gelten §§ 28, 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. 7. 39
Prozesskostenhilfe
Es gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 114 ff ZPO. Die Stundungsvorschriften gelten nicht.63) V. Anhörungsrüge, außerordentliche Beschwerde
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Eine Abänderung der Entscheidung des Beschwerdegerichts für den Fall der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde oder der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts kann nur noch i. R. der Anhörungsrüge analog § 321a ZPO versucht werden. Für eine „Gegenvorstellung“ dürfte daneben kein Anwendungsbereich mehr bestehen. Eine „außerordentliche Beschwerde“ gegen die Rechtsbeschwerdeentscheidung, so man sie nach der ZPO-Reform überhaupt noch für zulässig erachten möchte, kommt jedenfalls so lange nicht in Betracht, wie nach § 133 GVG der Bundesgerichtshof als das höchste ordentliche Gericht selbst Rechtsbeschwerdegericht ist.64) Unbenommen bleibt die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde einzulegen. VI. Formelle und materielle Rechtskraft
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Entscheidungen in Insolvenzsachen sind – wie auch andere – dann formell rechtskräftig, wenn sie mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen werden können.
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In Einzelfällen wird man ihnen auch materielle Rechtskraft, d. h. die zukünftige Bindungswirkung des Inhalts der jeweiligen Entscheidung für Beteiligte und Gerichte,65) zubilligen können. Materielle Rechtskraft wird überwiegend bejaht im Falle von Kostenfestsetzungs- und ähnlichen Beschlüssen, etwa auch der Festsetzung von Vergütung und Auslagen, weil sie eine materiell-rechtliche Beziehung zwischen Verfahrensbeteiligten (hier kann auch „die Masse“ in Betracht kommen) festlegen.66) Dieser Definition nicht entsprechen können Entscheidungen über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Wirkungen des formell rechtskräftigen Er _____________ 62) Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 63 m. w. N. 63) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, NJW 2003, 2910, 2911 = ZVI 2003, 405; BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – IX ZB 221/02, NJW 2002, 2793, 2794 = NZI 2002, 574; zum Meinungsstand vgl. Jaeger-Eckardt, InsO, § 4a Rz. 74 ff m. w. N. 64) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 7 Rz. 34. 65) Zeiss/Schreiber, Zivilprozessrecht, 10. Aufl., Rz. 557 m. N. 66) Kübler/Prütting/Bork-Prütting, InsO, § 7 Rz. 37; Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 80, jeweils m. N.
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§7
Zustellungen
öffnungsbeschlusses, etwa die Heilung jedweder Mängel der Eröffnungsvoraussetzungen, kommen dieser materiellen Rechtskraft aber sehr nahe.67) _____________ 67) So wohl auch i. E. Wimmer-Schmerbach, FK-InsO, § 7 Rz. 83; zweifelnd Kübler/Prütting/ Bork-Prütting, InsO, § 7 Rz. 37.
§7 (aufgehoben)*) § 7 i. d. F. bis zum 26.10.2011 lautet: Rechtsbeschwerde Gegen die Entscheidung über die sofortige Beschwerde findet die Rechtsbeschwerde statt. _____________ *)
Aufgeh. durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung v. 21.10.2011, BGBl. I 2011, 2082, m. W. v. 27.10.2011. Als Überleitung bestimmt Art. 103 f EGInsO: „Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 6 der Insolvenzordnung, bei denen die Frist des § 575 der Zivilprozessordnung am 27. Oktober 2011 noch nicht abgelaufen ist, ist die Insolvenzordnung in der bis zum 27. Oktober 2011 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102 § 7 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung gilt Satz 1 entsprechend.“ Vgl. dazu oben § 6 Rz. 16 und Rz. 23 f.
§8 Zustellungen (1) 1Die Zustellungen erfolgen von Amts wegen, ohne dass es einer Beglaubigung des zuzustellenden Schriftstücks bedarf. 2Sie können dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Zustellungsadressaten zur Post gegeben wird; § 184 Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 3Soll die Zustellung im Inland bewirkt werden, gilt das Schriftstück drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt. (2) 1An Personen, deren Aufenthalt unbekannt ist, wird nicht zugestellt. 2 Haben sie einen zur Entgegennahme von Zustellungen berechtigten Vertreter, so wird dem Vertreter zugestellt. (3) 1Das Insolvenzgericht kann den Insolvenzverwalter beauftragen, die Zustellungen nach Absatz 1 durchzuführen. 2Zur Durchführung der Zustellung und zur Erfassung in den Akten kann er sich Dritter, insbesondere auch eigenen Personals, bedienen. 3Der Insolvenzverwalter hat die von ihm nach § 184 Abs. 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung angefertigten Vermerke unverzüglich zu den Gerichtsakten zu reichen. Übersicht I. Normzweck ........................................... 1 II. Zustellungen ......................................... 2
1. 2.
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Von Amts wegen ................................... 2 Aufgabe zur Post ................................... 3
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Vor §§ 103–112
Vorbemerkung
Zweiter Abschnitt Erfüllung der Rechtsgeschäfte. Mitwirkung des Betriebsrats Vor §§ 103 – 112 Vorbemerkung Breitenbücher
Literatur: Kreft, Ausgesuchte Fragen zum Einfluss des neuen Schuldrechts auf die Erfüllungswahl nach § 103 InsO, in: Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, 2003, S. 275.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat – vorbehaltlich des Rechts der Insolvenzanfechtung – grundsätzlich keinen Einfluss auf den rechtlichen Bestand der vom Schuldner eingegangenen Rechtsgeschäfte.1) Es stellt sich allerdings die Frage, ob noch nicht vollständig erfüllte Rechtsverhältnisse rein insolvenzmäßig abzuwickeln sind oder ob der Verwalter sie noch vertragsgemäß erfüllen kann oder muss.
1
Bei einseitigen Verträgen, unvollkommen zweiseitigen Verträgen und gegenseitigen Verträgen, die vor Verfahrenseröffnung bereits von einer Vertragspartei vollständig erfüllt wurden, ergeben sich die Rechtsfolgen aus den §§ 38 f, 80. Steht der noch offene Erfüllungsanspruch dem Vertragspartner zu, kann er diesen – unter Umständen gemäß § 45 Satz 1 in Geld umgerechnet – nur zur Tabelle anmelden, einen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners gerichteten nachrangigen Anspruch nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 allerdings nur auf besondere Aufforderung des Insolvenzgerichts nach § 174 Abs. 3. Ist der Schuldner Anspruchsinhaber, kann der Insolvenzverwalter den Erfüllungsanspruch für die Masse verwerten, soweit dieser nicht mit einem Absonderungsrecht belastet ist oder dem Vertragspartner ein aufrechenbarer Gegenanspruch zusteht.
2
Findet der Verwalter bei der Verfahrenseröffnung einen gegenseitigen Vertrag vor, der von beiden Seiten noch nicht erfüllt wurde, kann er den Anspruch des Schuldners nur verwerten, wenn er seinerseits die versprochene Gegenleistung erbringt (§ 320 BGB).2) Im Interesse der Masse räumt § 103 dem Verwalter als Regelfall das Recht ein, vom Vertragspartner die Leistung zu verlangen und die entsprechende Gegenleistung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 aus der Masse zu erbringen. Die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche erhalten durch die Erfüllungswahl die Rechtsqualität von originären Forderungen der und gegen die Masse.3) Die Erfüllungswahl ist grundsätzlich unteilbar, der Vertrag wird wie vereinbart durchgeführt.4)
3
Aufgrund des Masse schützenden Zwecks des Wahlrechts muss der Masse nach der ständigen Rechtsprechung für ihre Leistungen im Umkehrschluss auch die Gegenleistung ungeschmälert zustehen. Sowohl vorinsolvenzlichen Verfügungen des Schuldners wie auch einer Aufrechnung des Vertragspartners gegen originäre Masseforderungen wird daher vom Bundesgerichtshof die Wirksamkeit versagt (§§ 91, 96 _____________
4
1) 2) 3) 4)
Hahn, Materialien, Bd. IV, S. 82; BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 97 = ZIP 2003, 1208, dazu EWiR 2003, 819 (Gundlach/Schmidt). Hahn, Materialien, Bd. IV, S. 85; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359 = ZIP 2002, 1093, dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot). BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359 = ZIP 2002, 1093. Kreft in: FS Kirchhof, S. 275, 283 f; Nerlich/Römermann-Balthasar, InsO, § 103 Rz. 52 f.
Breitenbücher
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Abs. 1 Nr. 1).5) Hat eine Vertragspartei bereits vor Verfahrenseröffnung mit der Leistungserbringung begonnen, wird das Wahlrecht bei beiderseits teilbaren Leistungen nur bezüglich des beiderseits ausstehenden Vertragsrests ausgeübt. Einheitliche Vertragsverhältnisse werden dahingehend aufgespalten, dass es bezüglich der (überschießenden) Vorleistung bei der insolvenzmäßigen Abwicklung bleibt (§ 103 Rz. 28 ff, § 105 Rz. 8). Wählt der Verwalter nicht die Erfüllung, kann der Vertragspartner zur insolvenzmäßigen Abwicklung nach § 103 Abs. 2 Satz 1 übergehen.6) 5
Für bestimmte Dauerschuldverhältnisse ordnet schon das Gesetz in den §§ 108 ff die vertragsgemäße Erfüllung bis zur ersten insolvenzmäßigen oder allgemeinen Kündigungsmöglichkeit, die Differenzierung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten bei Leistungen des Vertragspartners vor und nach Verfahrenseröffnung sowie den Zufluss der Gegenleistung zur Masse ab einem bestimmten Zeitpunkt an. Dagegen sieht § 104 für Fixgeschäfte und Verträge über Finanzleistungen stets die insolvenzmäßige Abwicklung vor. Aufgrund ihrer bereits gefestigten Rechtsposition können Vormerkungsberechtigte und Anwartschaftsrechtsinhaber nach den §§ 106, 107 Abs. 1 vertragsgemäße Erfüllung verlangen. _____________ 5)
6)
BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 98 = ZIP 2003, 1208; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359 f = ZIP 2002, 1093; BGH, Urt. v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, BGHZ 147, 28, 31 = ZIP 2001, 1380, dazu EWiR 2001, 1107 (Tintelnot); BGH, Urt. v. 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236, 243 f = ZIP 1989, 171, dazu EWiR 1989, 283 (Pape); BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 341 = ZIP 1995, 926, dazu EWiR 1995, 691 (Uhlenbruck). BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 90 = ZIP 2003, 1208.
§ 103 Wahlrecht des Insolvenzverwalters (1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. (2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen. Literatur: Abel, Filmlizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers und Lizenznehmers, NZI 2003, 121; Adam, Die Spaltung von Rechtsverhältnissen im Insolvenzverfahren, DZWIR 2010, 187; Adolphsen, Die Insolvenz im Filmlizenzgeschäft, DZWIR 2003, 228; Bausch, Patentlizenz und Insolvenz des Lizenzgebers, NZI 2005, 289; Beck, Vorleistungsbürgschaften im Spannungsfeld der Massenmehrung, in: Festschrift für Eberhard Braun, 2007, S. 159; Blank/Möller, Der praktische Fall – Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters in der Warenkreditversicherung – § 103 InsO im Spannungsfeld vertraglicher und gesetzlicher Lösungsklauseln, ZInsO 2003, 437; Bork, Zur Dogmatik des § 17 KO, in: Festschrift für Albrecht Zeuner, 1994, S. 297; Brandt, Softwarelizenzen in der Insol-
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
venz – unter besonderer Berücksichtigung der Insolvenz des Lizenzgebers, NZI 2001, 340; Elfering, Versicherungsverträge im Insolvenzrecht, BB 2004, 617; Fezer, Lizenzrechte in der Insolvenz des Lizenzgebers, WRP 2004, 793; Fischer, Nicht ausschließliche Lizenzen an Immaterialgüterrechten in der Insolvenz des Lizenzgebers, WM 2013, 821; Fischer, Der maßgebliche Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung, ZIP 2004, 1679; Fischer, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Insolvenzrecht im Jahr 2001, NZI 2002, 281; Ganter, Patentlizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers, NZI 2011, 833; Gerhardt, Vorausabtretung und § 17 KO, in: Festschrift für Franz Merz, 1992, S. 117; Gottwald, Der unerkannte Baumangel in der Insolvenz, NZI 2005, 588; Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. IV 1881, (Neudruck 1983); Heidland, Konsequenzen der „Erlöschenstheorie“ und der Theorie der Teilbarkeit der Bauleistung für die baurechtliche Abnahme, für Vergütungsansprüche, Gewährleistungsfrist und Vertragsstrafe im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Auftraggebers, in: Festschrift für Wilhelm Uhlenbruck, 2000, S. 423; Heidland, Rechtliche und tatsächliche Folgen der Erfüllungswahl eines Bauvertrags durch den Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO, ZInsO 2011, 201; Heidland, Software in der Insolvenz unter besonderer Berücksichtigung der Sicherungsrechte, KTS 1990, 183; Henckel, Konstruktion, Funktion, Interessen – zur modifizierten Erlöschenstheorie durch den Bundesgerichtshof, in: Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, 2003, S. 191; Hoffmann, Immaterialgüterrechte in der Insolvenz, ZInsO 2003, 732; Huber, Erwerb eines Nutzungsrechts durch Kündigung in der Insolvenz des Lizenzgebers – Oder: Ein Fall zum Anfang vom Ende des Wahlrechts samt Diskussion um die insolvenzrechtliche Wirksamkeit einer Lösungsklausel?, ZInsO 2006, 290; Huber, Vertragsspaltung in der Insolvenz des Auftragsnehmers auch für mangelhafte Teilleistung vor Verfahrenseröffnung?, ZInsO 2005, 449; Huber, Rücktrittsrecht des Vorbehaltsverkäufers in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers, NZI 2004, 57; Huber, Gegenseitige Verträge und Teilbarkeit von Leistungen in der Insolvenz, NZI 2002, 467; Junker, Die Entwicklung des Computerrechts in den Jahren 2003/2004, NJW 2005, 2829; Kayser, Die Lebensversicherung im Spannungsfeld der Interessen von Insolvenzmasse, Bezugsberechtigtem und Sicherungsnehmer – eine Zwischenbilanz, ZInsO 2004, 1321; Kirchhof, Die Ziele des Insolvenzverfahrens in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in: Festschrift für Walter Gerhardt, 2004, S. 443; Kichhof, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zum Insolvenzrecht, WM Sonderbeil. Nr. 2/1996, 1; Koehler/Ludwig, Die Behandlung von Lizenzen in der Insolvenz, NZI 2007, 79; Kreft, Ausgesuchte Fragen zum Einfluss des neuen Schuldrechts auf die Erfüllungswahl nach § 103 InsO, in: Festschrift für Hans-Peter Kirchhof, 2003, S. 275; Kreft, Teilbare Leistungen nach § 105 InsO (unter besonderer Berücksichtigung des Bauvertragsrechts), in: Festschrift für Wilhelm Uhlenbruck, 2000, S. 387; Kreft, Die Wende in der Rechtsprechung zu § 17 KO, ZIP 1997, 865; Lange, Lebensversicherung und Insolvenz, ZVI 2012, 403; Marotzke, Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 25.4.2002 – IX ZR 313/99 (BGHZ 150, 353) betr. eine neue Theorie für die Behandlung gegenseitiger Verträge in der Insolvenz, ZZP 115 (2002), 501; Lüke, Die Auswirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf den Vollzug eines Grundstückserwerbsvertrags, ZfIR 2013, 573; Meyer, Das Erbbaurecht in der Insolvenz, NZI 2007, 487; Meyer/ Fuchs, Public Private Partnerships in der Insolvenz des Auftragnehmers (Teil 1), ZfIR 2005, 529; Müller, Abfindungsansprüche außenstehender Aktionäre in der Insolvenz des herrschenden Unternehmens, ZIP 2008, 1701; Musielak, Die Erfüllungsablehnung des Konkursverwalters. Zur Auslegung des § 17 Abs. 1 der Konkursordnung, AcP 179 (1979), 189; Piegsa, Der Grundstückskauf in der Insolvenz des Verkäufers, RNotZ 2010, 433; Prahl, Zur Bereicherung des anderen Teils aus Vorleistungen des Schuldners vor seiner Insolvenz, ZInsO 2005, 568; Proske, Die Kautionsversicherung in der Insolvenz des Unternehmers, ZIP 2006, 1035; Raitz von Frentz/Masch, Die Insolvenzfestigkeit von einfachen und ausschließlichen Nutzungsrechten an Schutzrechten (Patentlizenzen, Markenlizenzen und urheberrechtlichen Nutzungsrechten), ZIP 2011, 1245; Scherer, Neues Kaufgewährleistungsrecht und § 103 InsO, NZI 2002, 356; Schlosser, Insolvenz
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
nach Teilabsicherung von Zahlungsforderungen aus gegenseitigen Verträgen durch Verpflichtungserklärungen von Banken, ZIP 2005, 781; Schmitz, Die Dreiteilung des im Insolvenz-(eröffnungs-)verfahren fortgeführten Bauvertrages – Auswirkungen auf Gegenrechte des Bestellers, ZInsO 2004, 1051; Smid/Lieder, Das Schicksal urheberrechtlicher Lizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers – Auswirkungen des § 103 InsO, DZWIR 2005, 7; Stickelbrock, Urheberrechtliche Nutzungsrechte in der Insolvenz, WM 2004, 549; Thode, Erfüllungs- und Gewährleistungssicherheiten in innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Bauverträgen, ZfIR 2000, 165; Tintelnot, Zur Aufrechnung mit einer Nichterfüllungsforderung nach § 103 II 1 InsO, KTS 2004, 339; Wallner, Softwarelizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers, ZIP 2004, 2073; Wallner, Insolvenzfeste Nutzungsrechte und Lizenzen an Software NZI 2002, 70; Weber/Hötzel, Das Schicksal der Softwarelizenz in der Lizenzkette bei Insolvenz des Lizenznehmers, NZI 2011, 432; Wieser, Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters und Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung, JZ 2003, 231; v. Wilmowsky, Gegen einen § 108a InsO für Lizenzverträge – Die Pflichten des Lizenzgebers (Vermieters, Verpächters) nach Überlassung des Gegenstands zur Nutzung, NZI 2013, 377; v. Wilmowsky, Vermieter (Verpächter, Lizenzgeber) in Insolvenz, ZInsO 2011, 1473; v. Wilmowsky, Der Mieter eines beweglichen Gegenstands in Insolvenz, ZInsO 2007, 731; Windel, Der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und seine Auswirkungen auf die Abwicklung schwebender Austauschverträge, Jura 2002, 230; Wortberg, Die Überlegungsfrist bei der Ausübung des Verwalterwahlrechts – ein Instrument zur Masseanreicherung?, ZInsO 2006, 1256. Übersicht I. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. 4.
1
Bedeutung ............................................. 1 Anwendungsbereich ............................ 3 Gegenseitiger Vertrag ........................... 3 Schwebender Vertrag ............................ 6 Sonderregelungen .................................. 9 Erfüllungswahl ................................... 12 Ausübung ............................................. 12 Aufforderung zur Ausübung .............. 19 Vertragsgemäße Erfüllung .................. 22 Spaltung des Vertrags bei Teilleistung vor Verfahrenseröffnung ........... 28
a) Teilbare Leistung .......................... 28 b) Vorleistung Vertragspartner ........ 29 c) Vorleistung Schuldner ................. 30 d) Insolvenzanfechtung .................... 33 IV. Erfüllungsablehnung ......................... 34 1. Suspendierung ..................................... 34 2. Forderung wegen Nichterfüllung ...... 38 3. Vertragsspaltung bei teilbaren Leistungen ........................................... 41 4. Aussonderung ...................................... 44 V. Einzelne Vertragsverhältnisse .......... 45
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I. Bedeutung Der Gesetzgeber der KO ging davon aus, dass der Verwalter dann, wenn er die Erfüllung eines Vertrages verlangt, seinerseits die rückständige Leistung des Gemeinschuldners vollständig aus der Masse erbringen muss.1) Sinn und Zweck des Wahlrechts wurden dementsprechend auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zunächst darin gesehen, in erster Linie und möglichst lange den Vertragsgegner des Gemeinschuldners zu schützen.2) Im Ergebnis wurden die Gläubiger aus beiderseits nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen insoweit privilegiert, als sie auch bezüglich der bereits vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen nicht auf eine nur quotale Befriedigung verwiesen wurden.3) Umgestaltet wurde das Rechtsverhältnis nach damaliger Ansicht durch die Erfüllungsablehnung, sodass der Anspruch der Masse im Falle der Erfüllungswahl mit dem des Schuldners identisch _____________ 1) 2) 3)
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Hahn, Materialien, Bd. IV, S. 88. BGH, Urt. v. 17.3.1972 – V ZR 53/70, BGHZ 58, 246, 249 = NJW 1972, 875; BGH, Urt. v. 21.10.1976 – VII ZR 335/75, BGHZ 67, 242, 247, 248 = NJW 1977, 50. Hahn, Materialien, Bd. IV, S. 88, 231; BGH, Urt. v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87, 90 = ZIP 1986, 448, dazu EWiR 1986, 387 (Kilger).
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Wahlrecht des Insolvenzverwalters
und demzufolge in gleicher Weise mit Absonderungsrechten und Aufrechnungsmöglichkeiten belastet war.4) Im Jahre 1988 vollführte der Bundesgerichtshof jedoch eine Kehrtwende und erblickt den Zweck des Wahlrechts seither in erster Linie darin, es dem Verwalter zu ermöglichen, den noch von keiner Seite vollständig erfüllten Vertrag zum Vorteil der Masse und damit der Gläubigergesamtheit auszuführen.5) Insoweit soll dann aber auch zugleich dem Vertragspartner der durch das funktionelle Synallagma vermittelte Schutz erhalten bleiben.6) Das Verständnis von den Wirkungen der Verfahrenseröffnung und der Erfüllungswahl ist seitdem von dem Ziel bestimmt, der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen.7) Kernpunkt der Rechtsprechung ist der – mit wechselnden dogmatischen Ansätzen verfolgte – Gedanke, dass der Gegenwert für die aufgrund des Erfüllungsverlangens des Verwalters nach Verfahrenseröffnung mit Mitteln der Masse erbrachten Leistungen in vollem Umfang der Gläubigergesamtheit zugutekommen soll.8) Das Wahlrecht des Verwalters wurde nach der Begründung des Gesetzgebers inhaltlich unverändert aus § 17 KO übernommen.9)
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II. Anwendungsbereich 1.
Gegenseitiger Vertrag
Das Wahlrecht setzt einen gegenseitigen Vertrag voraus, der zur Zeit der Verfahrenseröffnung10) von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt war (Vor §§ 103–112 Rz. 2 ff; Beispiele siehe unten Rz. 6 ff, 45 ff). Ausgenommen sind insolvenzfreie Schuldverhältnisse, d. h. Rechtsgeschäfte, die sich auf insolvenzfreies Vermögen beziehen oder höchstpersönliche Ansprüche begründen.11) Das Wahlrecht ist an die Verfahrenseröffnung geknüpft und steht damit dem vorläufigen Verwalter nicht zu.12) Bei der Eigenverwaltung entscheidet nach § 279 Satz 1 der Schuldner über die Erfüllungswahl. _____________ 4) BGH, Urt. v. 5.5.1977 – VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379 f = NJW 1977, 1345; BGH, Urt. v. 25.2.1983 – V ZR 20/82, ZIP 1983, 709 f = NJW 1983, 1619; Jaeger-Lent, KO, 8. Aufl., § 17 Rz. 41 f; Musielak, AcP 179 (1979), 189, 212; OLG Hamm, Urt. v. 20.9.1984 – 27 U 393/83, ZIP 1985, 298, 300 = WM 1985, 841; RGZ 11, 49, 51 f; Bork in: FS Zeuner, S. 297, 310 f; zur bereicherungsrechtlichen Lösung Jaeger-Henckel, KO, § 17 Rz. 145. 5) BGH, Urt. v. 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236, 244 = ZIP 1989, 171, dazu EWiR 1989, 283 (Pape); BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, 2381 = ZVI 2003, 661, dazu EWiR 2004, 191 (Holzer); BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138, 148 = ZIP 2002, 858; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rz. 2.78. 6) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, 2381 = ZVI 2003, 661; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138, 148 = ZIP 2002, 858. 7) Kreft, ZIP 1997, 865; Kirchhof in: FS Gerhardt, S. 443, 445. 8) Kreft, ZIP 1997, 865, 866; Fischer, NZI 2002, 281, 283. 9) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 145, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 291. 10) BGH, Urt. v. 13.2.2014 – IX ZR 313/12, ZIP 2014, 736 Rz. 10. 11) Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 87 f; BGH, Urt. v. 19.2.2014 – IV ZR 163/13, ZIP 2014, 688 zum privaten Krankenversicherungsvertrag. 12) BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 53/04, ZIP 2007, 2322, 2323 = ZInsO 2007, 1275; BGH, Urt. v. 30.1.1986 – IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87, 90 = ZIP 1986, 448 – zum Sequester; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.4.2005 – I-10 U 161/04, ZInsO 2005, 820 f, dazu EWiR 2005, 769 (Moseschus); Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 201; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 150.
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Der Begriff des gegenseitigen Vertrages entspricht demjenigen in den §§ 320 ff BGB.13) Synallagmatische Hauptleistungspflichten zeichnen sich dadurch aus, dass die beiderseitigen Leistungspflichten nach dem Willen der Vertragsschließenden gegenseitig voneinander abhängen (zu einzelnen Vertragstypen siehe Rz. 45 ff).14) Ein ursprünglich gegenseitiges Vertragsverhältnis darf vor der Verfahrenseröffnung noch nicht in ein einseitiges Rechtsverhältnis verwandelt worden sein, z. B. durch das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB.
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Ausdrücklich offengelassen hat der Bundesgerichtshof, ob an der entsprechenden Anwendbarkeit des Wahlrechts auf Rückgewährschuldverhältnisse auf vertraglicher Grundlage im Allgemeinen festzuhalten ist.15) Ein Erfüllungswahlrecht besteht bei nichtigen Verträgen von vornherein nicht.16) In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass auch das beiderseits unerfüllte Rückgewährschuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung dem Wahlrecht unterliegt, soweit die rechtsgrundlos empfangene Leistung selbst noch herausgegeben werden kann.17) Hiergegen könnte sprechen, dass die InsO allgemein keine Verstärkung für Rückgewähransprüche aus nichtigen, vorinsolvenzlichen Rechtsgeschäften vorsieht, vielmehr auch die Grundsätze der Saldotheorie in der Insolvenz nur in abgewandelter Form gelten.18) Jedenfalls müssten für die Erfüllungswahl eines Rückgewährschuldverhältnisses infolge eines Rücktritts überhaupt Leistungen ausgetauscht worden sein, die rückabzuwickeln sind und im synallagmatischen Austauschverhältnis stehen.19) Die bloße Geltendmachung von gesetzlich festgelegten Ansprüchen durch den Insolvenzverwalter darf einer Erfüllungswahl jedenfalls dann nicht gleichgestellt werden, wenn dies ausschließlich die Wirkung hätte, dass der Vertragspartner einen bereits vor Verfahrenseröffnung begründeten Anspruch gegen die Masse durchsetzen könnte oder die Durchsetzung dinglich begründeter Ansprüche der Masse, z. B. auf Löschung einer Auflassungsvormerkung wegen Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Kaufvertrages, eingeschränkt würde.20) _____________ 13) So schon BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, ZIP 1980, 40 = NJW 1980, 226 f – zum „zweiseitigen Vertrag“ nach § 17 KO. 14) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, ZIP 2009, 428, 430 Rz. 15 = ZVI 2009, 155, dazu EWiR 2009, 417 (Dahl); BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 200/03, ZIP 2005, 126, 129 = ZInsO 2005, 90, dazu EWiR 2005, 565 (Naraschewski); Emmerich in: MünchKomm-BGB, vor § 320 Rz. 7. 15) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, ZIP 2009, 428, 429 Rz. 9 = ZVI 2009, 155; BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, 2380 f = ZVI 2003, 661; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138, 148 = ZIP 2002, 858; bejahend BGH, Urt. v. 14.12.1960 – VIII ZR 24/60, WM 1961, 482, 485 f; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.8.2003 – 5 U 62/03, ZfIR 2005, 58 f = ZInsO 2004, 1087; Marotzke in: HK-InsO, § 103 Rz. 33 ff; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 86; Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 43; Scherer, NZI 2002, 356, 359. 16) BGH, Urt. v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99, BGHZ 149, 326, 334 = ZIP 2002, 309, dazu EWiR 2002, 397 (Ringstmeier/Homann). 17) Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 86; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rz. 4.114. 18) BGH, Urt. v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99, BGHZ 149, 326, 334 = ZIP 2002, 309; BGH, Urt. v. 2.12.2004 – IX ZR 200/03, ZIP 2005, 126, 129 = ZInsO 2005, 90. 19) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, ZIP 2009, 428, 429 Rz. 9 = ZVI 2009, 155. 20) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, ZIP 2009, 428, 429 Rz. 9 = ZVI 2009, 155; BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, BGHZ 150, 138, 148 f = ZIP 2002, 858.
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2.
Schwebender Vertrag
Bewirkt ist die Leistung in der Regel noch nicht mit Vornahme der Leistungshandlung, sondern wie bei § 362 Abs. 1 BGB erst mit Eintritt des Leistungserfolgs, d. h. mit Eintritt der Erfüllungswirkung nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere auch durch Leistung an einen zur Entgegennahme ermächtigten Dritten nach § 362 Abs. 2 i. V. m. § 185 BGB, Leistung an Erfüllung statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB, nicht dagegen durch eine Leistung erfüllungshalber nach § 364 Abs. 2 BGB (zu einzelnen Vertragsverhältnissen vgl. auch Rz. 45 ff).21) Eine Hinterlegung beim Notar führt in der Regel noch nicht zum Erlöschen des Kaufpreisanspruchs.22)
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Bei einem Werkvertrag ist auch nach Abnahme des Werkes Erfüllung durch den Unternehmer so lange nicht eingetreten, als beseitigungsfähige Mängel bestehen (zu den Rechtsfolgen der Erfüllungswahl vgl. § 105 Rz. 12).23) Umgekehrt steht die fehlende Abnahme einer vollständigen Erfüllung durch den Unternehmer nicht entgegen, da sie allein zum Pflichtenkreis des Bestellers gehört.24) § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB stellt klar, dass auch der Verkäufer noch nicht vollständig erfüllt hat, wenn er die Kaufsache dem Käufer nicht frei von Mängeln verschafft hat.25) Allein die fehlende Abnahme der Kaufsache steht – soweit sie nicht Hauptleistungspflicht ist – einer vollständigen Erfüllung durch den Erwerber nicht entgegen.26)
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Im Interesse des Vertragspartners hat der Bundesgerichtshof zu § 36 Abs. 1 VglO entschieden, dass Art und Umfang der vom Gläubiger noch zu erbringenden Leistung nicht ausschlaggebend sei, wenn sie nur nicht völlig unbedeutend ist.27) Insbesondere schließe auch das Ausstehen einer bloßen Nebenleistung, wie z. B. der Abnahme des Kaufgegenstandes beim Grundstückskauf in Form der Entgegen-
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_____________ 21) BGH, Urt. v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, BGHZ 87, 156, 162 = ZIP 1983, 691; RG, Urt. v. 22.3.1933 – II 406/32, RGZ 140, 156, 159; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 122 ff; Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 103 Rz. 57 ff; Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 146 ff. 22) BGH, Urt. v. 25.3.1983 – V ZR 168/81, BGHZ 87, 156, 162 = ZIP 1983, 691. 23) BGH, Urt. v. 17.12.1998 – IX ZR 151/98, ZIP 1999, 199 f = ZInsO 1999, 181, dazu EWiR 1999, 269 (Schmitz); BGH, Urt. v. 6.2.1958 – VII ZR 39/57, BGHZ 26, 337, 340 = NJW 1958, 706; BGH, Urt. v. 10.10.1985 – VII ZR 303/84, BGHZ 96, 111, 119 ff = NJW 1986, 711, dazu EWiR 1986, 357 (Vygen); OLG Dresden, Urt. v. 24.1.2002 – 13 U 2215/01, ZIP 2002, 815 f = KTS 2002, 519, dazu EWiR 2002, 441 (Tintelnot); Kreft in: FS Uhlenbruck, S. 387, 397; Thode, ZfIR 2000, 165, 178 f; Huber, ZInsO 2005, 449 f. 24) BGH, Urt. v. 7.6.2001 – IX ZR 134/00, ZIP 2001, 1250, 1252 = ZInsO 2001, 706, dazu EWiR 2002, 75 (Homann); Heidland in: FS Uhlenbruck, S. 423, 427 f. 25) Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 199; BGH, Urt. v. 22.12.1995 – V ZR 52/95, ZIP 1996, 426 = NJW 1996, 1056, dazu EWiR 1996, 343 (Voss) – zur vertraglich vereinbarten VOB-Nachbesserung; Kreft in: FS Kirchhof, S. 275, 283; Scherer, NZI 2002, 356, 357 f; zur Anwendbarkeit des Wahlrechts auf Übernahmeverträge mit kaufähnlichem Charakter BGH, Urt. v. 18.10.2001 – IX ZR 493/00, ZIP 2001, 2142, 2144 = ZInsO 2001, 1100. 26) Häsemeyer, InsR, Rz. 20.14; a. A. BGH, Urt. v. 17.3.1972 – V ZR 53/70, BGHZ 58, 246, 249 = NJW 1972, 875; BGH, Urt. v. 25.2.1983 – V ZR 20/82, ZIP 1983, 709 = NJW 1983, 1619; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 123; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rz. 4.100. 27) BGH, Urt. v. 21.10.1976 – VII ZR 335/75, BGHZ 67, 242, 244 = NJW 1977, 50; zum Bauvertrag Heidland, ZInsO 2011, 201 ff.
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nahme der Auflassung, die Vollständigkeit der Vertragserfüllung aus.28) Dem kann zwar insoweit zugestimmt werden, als § 320 Abs. 2 BGB im Interesse der Masse auch bei einer nur geringfügigen rückständigen Leistung des Vertragspartners nicht anwendbar ist.29) Dagegen ist die Annahme, dass auch die bloße Nichterfüllung einer nicht im Synallagma stehenden Pflicht zur Anwendbarkeit des § 103 führt, mit Bedeutung und Zweck des Wahlrechts nicht zu vereinbaren, da der Vertragspartner nur dann eine Leistung aus der Masse erhalten soll, wenn und soweit er auf Verlangen des Verwalters das Äquivalent zu derselben noch ganz oder teilweise zu erbringen hat.30) 3.
Sonderregelungen
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Das Wahlrecht des Verwalters ist der Regelfall. Sonderregelungen enthalten § 108 für bestimmte Dauerschuldverhältnisse sowie die §§ 104 und 116 für Fixgeschäfte, Finanztermingeschäfte und Geschäftsbesorgungsverträge in der Insolvenz des Auftraggebers bzw. Geschäftsherrn. Auftragsverhältnisse i. S. von § 115 unterliegen als einseitige Verträge schon nicht dem Anwendungsbereich des § 103. Der Insolvenzverwalter hat keine einseitige Option zur Fortsetzung nach den §§ 115, 116 erloschener Aufträge oder Geschäftsbesorgungsverträge.31) Die §§ 106 und 107 schließen das Wahlrecht des Verwalters aus, um durch Vormerkung gesicherte Ansprüche sowie das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers insolvenzfest zu machen. Spezialvorschriften können auch in anderen Gesetzen, wie z. B. in § 13 VVG für den Fall der Insolvenz des Versicherungsgebers, enthalten sein.
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Hat ein Gesellschafter einer Gesellschaft ohne unmittelbar oder mittelbar persönlich haftenden Gesellschafter einen Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, also insbesondere einen Lizenzvertrag mit dieser abgeschlossen, enthält § 135 Abs. 3 eine Sonderregelung für die weitere Überlassung nach Verfahrenseröffnung zum Zwecke der Unternehmensfortführung und die Ausgleichszahlung aus der Masse (§ 135 Rz. 36 ff).
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§ 103 ist nicht abdingbar. Insolvenzabhängige Lösungsklauseln sind nach § 119 unwirksam (ausführlich § 119 Rz. 8).32) § 103 lässt jedoch § 14 Abs. 1 VVG unbe_____________ 28) BGH, Urt. v. 17.3.1972 – V ZR 53/70, BGHZ 58, 246, 249 = NJW 1972, 875; BGH, Urt. v. 25.2.1983 – V ZR 20/82, ZIP 1983, 709 = NJW 1983, 1619; Huber in: MünchKommInsO, § 103 Rz. 123. 29) Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 171; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rz. 4.90; Jaeger-Jacoby, InsO, § 103 Rz. 111; i. E. auch OLG Dresden, Urt. v. 24.1.2002 – 13 U 2215/01, ZIP 2002, 815, 817 = KTS 2002, 519. 30) Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 171 ff; a. A. Nerlich/RömermannBalthasar, InsO, § 103 Rz. 33; Marotzke in: HK-InsO, § 103 Rz. 70; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rz. 4.100; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 123; LG Mannheim, Urt. v. 27.6.2003 – 7 O 127/03, ZIP 2004, 576 f = DZWIR 2003, 479, dazu EWiR 2004, 767 (Beyerlein); BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, ZIP 1980, 40 = NJW 1980, 226 f. 31) BGH, Urt. v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 f = ZVI 2006, 584; a. A. Marotzke in: HK-InsO, § 115 Rz. 6. 32) BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 169/11, BGHZ 195, 348 = ZIP 2013, 274, dazu EWiR 2013, 153.
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Wahlrecht des Insolvenzverwalters
rührt, sodass die Kündigung einer Warenkreditversicherung durch den Versicherer nach § 15 Abs. 1 AVB Warenkredit nicht an § 119 scheitert.33) III. Erfüllungswahl 1.
Ausübung
Das Erfüllungsverlangen ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Verwalters i. S. der §§ 130 – 132 BGB.34) Die allgemeinen Bestimmungen über die Auslegung von Willenserklärungen, §§ 133, 157 BGB finden Anwendung.35) Als Gestaltungserklärung ist sie bedingungsfeindlich und kann nicht unter Vorbehalten erklärt werden.36) Eine Erklärung unter Vorbehalt oder mit Einschränkungen ist grundsätzlich als Ablehnung der Erfüllung zu behandeln.37) Eine den ursprünglichen Vertrag modifizierende oder nur einzelne Ansprüche oder Rechte betreffende Erfüllungswahl gibt es – auch bei Einvernehmen der Vertragspartner – nicht.38) Fügt der Insolvenzverwalter seiner Erklärung Vorbehalte oder Einschränkungen hinzu, kann dies als Ablehnung des alten Vertrags, verbunden mit dem Angebot auf Abschluss eines neuen, gewertet werden. Stimmt der andere Teil zu, liegt die Schaffung einer neuen vertraglichen Grundlage nahe, sodass Masseverbindlichkeiten zwar nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2, wohl aber nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 begründet werden.39)
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Geht man von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 103 auch auf die Geltendmachung von Ansprüchen bei Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrags aus, wählt der Insolvenzverwalter jedenfalls nicht schon mit der Ausübung des Rücktrittsrechts die Erfüllung des Rückabwicklungsverhältnisses. Vielmehr muss hinzukommen, dass er als Folge der Umgestaltung eine an den Vertragspartner bewirkte Leistung zurückverlangt. Erklärt der Vertragspartner den Rücktritt, kann ebenfalls nur dann eine Erfüllungswahl des Verwalters angenommen werden, wenn er die Rückgewähr der vom Schuldner erbrachten Leistungen beansprucht.40)
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_____________ 33) BGH, Urt. v. 26.11.2003 – IV ZR 6/03, ZIP 2004, 176, 177 = ZInsO 2004, 86, dazu abl. Blank, EWiR 2004, 295; Baldringer, ZInsO 2004, 1117 (Urteilsanm.); OLG Hamburg, Urt. v. 11.5.2004 – 9 U 136/03, ZInsO 2004, 812, 813; abl. Blank, ZInsO 2004, 795 (Urteilsanm.); AG Wiesbaden, Urt. v. 7.10.2004 – 92 C 1277/04-22, ZIP 2005, 500 – anteilige Jahresprämie, dazu zust. Göb, EWiR 2005, 151 f; a. A. Blank/Möller, ZInsO 2003, 437, 447. 34) BGH, Urt. v. 8.1.1998 – IX ZR 131/97, ZIP 1998, 298 = NJW 1998, 992, dazu EWiR 1998, 321 (Undritz); OLG Stuttgart, Urt. v. 22.2.2005 – 10 U 242/04, ZIP 2005, 588 f = ZVI 2005, 211; OLG Naumburg, Urt. v. 4.2.2004 – 5 U 129/03, ZInsO 2004, 1145 f. 35) BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778, 779 = ZVI 2008, 79, dazu EWIR 2007, 727 (Tintelnot). 36) BGH, Urt. v. 11.2.1988 – IX ZR 36/87, ZIP 1988, 322 = NJW 1988, 1790, dazu EWiR 1988, 285 (Marotzke); OLG Stuttgart, Urt. v. 22.2.2005 – 10 U 242/04, ZIP 2005, 588, 589 = ZVI 2005, 211; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 154. 37) BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778, 779 = ZVI 2008, 79. 38) BGH, Urt. v. 17.7.2013 – VIII ZR 163/12, ZIP 2013, 1729, 1730 Rz. 24, dazu EWiR 2013, 685 (Tintelnot). 39) BGH, Urt. v. 10.8.2006 – IX ZR 28/05, ZIP 2006, 1736 = ZInsO 2006, 993, dazu EWiR 2006, 63 (Schmitz). 40) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, ZIP 2009, 428, 429 Rz. 10 = ZVI 2009, 155.
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Bringt der Verwalter – für den anderen Teil erkennbar – zum Ausdruck, dass er keine länger dauernde Verbindlichkeit eingehen, sondern den Vertragsgegenstand nur bis zu einer endgültigen Entscheidung über das weitere Schicksal des Unternehmens nutzen wolle, kann dies dahingehend ausgelegt werden, dass er eine endgültige Entscheidung über die Erfüllung der Verträge erst nach dem Berichtstermin treffen wolle.41)
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Ein zurechenbares – unter Umständen aber wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins anfechtbares – Erfüllungsverlangen kann vorliegen, wenn der Verwalter aus irrigen tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen bei einem beiderseits unerfüllten Vertrag vom Vertragspartner Leistung verlangt.42) Ein Erfüllungsverlangen liegt allerdings dann nicht vor, wenn der Verwalter mit der Leistungsaufforderung, z. B. i. R. eines nach § 85 aufgenommenen Prozesses, zum Ausdruck bringt, dass der Schuldner nach seiner Auffassung den Vertrag bereits erfüllt habe.43) Eine Erfüllungswahl, die, offenkundig und für den Vertragsgegner erkennbar, der Insolvenzmasse keinen Nutzen bringen kann, ist wegen Insolvenzzweckwidrigkeit unwirksam.44)
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Da das Gesetz keine Form vorschreibt, kann das Wahlrecht auch durch konkludentes Verhalten ausgeübt werden.45) Ein Verhalten löst die Rechtswirkungen des § 103 nur aus, wenn ihm der Vertragspartner entnehmen konnte und musste, dass der Verwalter die Erfüllung wählen wollte.46) Schweigen und Zeitablauf allein rechtfertigen nicht die Annahme eines stillschweigenden Erfüllungsverlangens.47)
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Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat ein Erfüllungsverlangen verneint bei rein passiver Entgegennahme weiterer Leistungen des Vertragspartners.48) Eine Erfüllungswahl kann jedoch aus Sicht des Vertragspartners dann vorliegen, wenn der Verwalter die Leistung zunächst für eine gewisse Zeit entgegennimmt und auch die dafür geschuldete Zahlung entrichtet.49) Allein aufgrund der Verwertung, Veräußerung oder Verarbeitung von Vorbehaltsware durch den Verwalter kann der Vertragspartner – auch wenn der Verwalter den Eigentumsvorbehalt kannte –
_____________ 41) BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778, 779 = ZVI 2008, 79. 42) BGH, Urt. v. 10.10.1962 – VIII ZR 203/61, NJW 1962, 2296 = KTS 1962, 248; OLG Naumburg, Urt. v. 4.2.2004 – 5 U 129/03, ZInsO 2004, 1145 f; Huber in: MünchKommInsO, § 103 Rz. 155, 206 ff; Palandt-Ellenberger, BGB, Einf. vor § 116 Rz. 17, § 119 Rz. 15, 22. 43) BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – IX ZR 39/05, LNR 2007, 40802 = BeckRS 2007, 17770; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.1.2011 – 19 W 4/11, LNR 2011, 15032 = IBR 2011, 1356. 44) BGH, Urt. v. 22.1.2009 – IX ZR 66/07, ZIP 2009, 428, 430 Rz. 14 = ZVI 2009, 155. 45) BGH, Urt. v. 17.7.2013 – VIII ZR 163/12, ZIP 2013, 1729, 1730 Rz. 24; BGH, Urt. v. 1.7.1981 – VIII ZR 168/80, BGHZ 81, 90, 92 = ZIP 1981, 878. 46) BGH, Urt. v. 8.1.1998 – IX ZR 131/97, ZIP 1998, 298 = NJW 1998, 992; zu restriktiv OLG Stuttgart, Urt. v. 22.2.2005 – 10 U 242/04, ZIP 2005, 588 f = ZVI 2005, 211. 47) BGH, Urt. v. 1.7.1981 – VIII ZR 168/80, BGHZ 81, 90, 93 = ZIP 1981, 878; OLG Naumburg, Urt. v. 4.2.2004 – 5 U 129/03, ZInsO 2004, 1145, 1146. 48) BGH, Urt. v. 1.7.1981 – VIII ZR 168/80, BGHZ 81, 90, 93 f = ZIP 1981, 878. 49) OLG Naumburg, Urt. v. 4.2.2004 – 5 U 129/03, ZInsO 2004, 1145, 1146.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
nicht zwingend auf eine Erfüllungswahl schließen.50) Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, solches Verhalten in Einzelfällen als Erfüllungswahl auszulegen.51) Eine Vertretung des Insolvenzverwalters ist nach h. M. unzulässig, wenn die Ausübung des Wahlrechts nicht erkennbar auf seine eigene Willensbildung zurückzuführen ist.52) 2.
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Aufforderung zur Ausübung
Der Vertragspartner kann den Verwalter nach Absatz 2 Satz 2 – auch wenn die Erfüllungszeit noch nicht eingetreten ist – zur Ausübung des Wahlrechts zwingen.53) Eine für den Fall der Eröffnung an den vorläufigen Verwalter gerichtete Aufforderung ist wirkungslos, auch wenn dieser mit dem endgültigen Verwalter personenidentisch ist.54) Er muss den Verwalter nicht ausdrücklich vor die Alternative stellen, den Vertrag zu erfüllen oder dies abzulehnen, es genügt, dass er Erfüllung verlangt.55) Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung des Wahlrechts auf, muss dieser unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Die Länge der dem Verwalter eingeräumten Frist hängt davon ab, wie viel Zeit er braucht, um die Vor- und Nachteile der Erfüllung des Vertrages für die Insolvenzmasse beurteilen zu können; häufig wird er sich dazu zunächst einen ersten Überblick über die Möglichkeiten einer zeitweiligen Fortführung der Geschäfte des Schuldners verschaffen müssen.56) Lässt der Verwalter die Frist verstreichen, kann er nicht mehr auf Erfüllung bestehen (Abs. 2 Satz 3). Fordert der Vertragspartner den Verwalter nicht nach Absatz 2 zur Abgabe einer Erklärung auf, ist der Schwebezustand grundsätzlich nicht zeitlich begrenzt.57)
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Eine Sonderregelung enthält § 107 Abs. 2 für die Insolvenz des Vorbehaltskäufers, dem die gekaufte Sache bereits übergeben wurde. Analog § 107 Abs. 2 kann auch ein Vermieter, Verpächter oder Leasinggeber vor dem Berichtstermin keine Wahlrechtsentscheidung erzwingen.58)
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_____________ 50) BGH, Urt. v. 8.1.1998 – IX ZR 131/97, ZIP 1998, 298 f = NJW 1998, 992; Huber, NZI 2004, 57, 62. 51) BGH, Urt. v. 13.2.2014 – IX ZR 313/12, ZIP 2014, 736 Rz. 12. 52) OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.1995 – 11 U 47/94, ZIP 1996, 337, 339, dazu EWiR 1996, 179 (Marotzke); Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 149; Kübler/Prütting/BorkTintelnot, InsO, § 103 Rz. 209; noch weitergehend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.1988 – 3 Wx 169/88, ZIP 1988, 855 f = NJW-RR 1988, 1103; Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 103 Rz. 98; krit. Marotzke in: HK-InsO, § 103 Rz. 127. 53) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 145, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 291. 54) BGH, Urt. v. 8.11.2007 – IX ZR 53/04, ZIP 2007, 2322, 2323 = ZInsO 2007, 1275. 55) BGH, Urt. v. 7.6.1991 – V ZR 17/90, ZIP 1991, 945 f = NJW 1991, 2897, dazu EWiR 1991, 907 (Marotzke). 56) Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 145, abgedr. in: Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, S. 291; OLG Köln, Beschl. v. 2.12.2002 – 15 W 93/02, ZIP 2003, 543 f = ZInsO 2003, 336, bejaht Kündigungsrecht des Vertragspartners während der Schwebezeit wegen Verzugs; dazu abl. Runkel, EWiR 2003, 715 f. 57) BGH, Urt. v. 1.7.1981 – VIII ZR 168/80, BGHZ 81, 90, 93 = ZIP 1981, 878. 58) v. Wilmowsky, ZInsO 2007, 731, 733; offengelassen BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778 f = ZVI 2008, 79; mit anderer Begr. i. E. auch OLG Köln, Beschl. v. 2.12.2002 – 15 W 93/02, ZIP 2003, 543 f = ZInsO 2003, 336.
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§ 103 21
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Der Vertragspartner kann keinen Schadensersatzanspruch als Masseverbindlichkeit geltend machen, wenn der Verwalter bei einem Kaufvertrag mit Lieferung von Teilmengen auf Abruf eine nach Verfahrenseröffnung aber vor Erfüllungswahl abgerufene Teilmenge nicht liefert.59) 3.
Vertragsgemäße Erfüllung
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Der Vertragspartner genießt den Schutz des § 320 BGB, wenn und soweit er seine Leistung vor Verfahrenseröffnung noch nicht erbracht hat. Will der Insolvenzverwalter die noch ausstehende Leistung nach Verfahrenseröffnung für die Masse vereinnahmen, muss er seinerseits die Gegenleistung aus der Masse erbringen, wozu er aufgrund der Erfüllungswahl nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 befugt ist.
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Grundsätzlich ist die Erfüllungswahl unteilbar und erfasst somit den gesamten Vertrag.60) Ein vorleistungspflichtiger Vertragspartner kann die Unsicherheitseinrede nach § 321 BGB nur erheben, wenn erkennbar wird, dass die Befriedigung seines Anspruchs aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit der Masse gefährdet ist.61)
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Eine Erfüllungswahl zum Vorteil der Gläubigergesamtheit würde vereitelt, wenn der Vertrag zwar aus der Masse zu erfüllen wäre, der Anspruch auf die Gegenleistung aber z. B. infolge einer vor Verfahrenseröffnung vereinbarten Abtretung oder einer Aufrechnung mit Insolvenzforderungen der Masse nicht zugutekäme.62) Aus dem Zweck des Wahlrechts wie auch im Umkehrschluss aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 folgert der Bundesgerichtshof, dass die Gegenleistung der Masse ungeschmälert gebühren muss, wenn diese aufgrund der Erfüllungswahl die Leistung erbringt.63) Dieses Ergebnis hat die Rechtsprechung zunächst mit Hilfe der Erlöschenstheorie dogmatisch zu begründen versucht. Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass die ursprünglichen Erfüllungsansprüche mit der Verfahrenseröffnung erlöschen und erst durch die Erfüllungswahl des Verwalters mit dem bisherigen Inhalt wieder neu entstehen. Der neu entstandene Anspruch der Masse war durch § 15 Satz 1 KO, § 91 vor Absonderungsrechten Dritter und durch § 55 Nr. 1 KO, § 96 Abs. 1 Nr. 1 vor einer Aufrechnung des Vertragspartners mit Konkurs- bzw. Insolvenzforderungen geschützt.64) _____________ 59) OLG Rostock, Urt. v. 26.6.2006 – 3 U 237/03, ZIP 2006, 1882 (LS). 60) BGH, Urt. v. 17.7.2013 – VIII ZR 163/12, ZIP 2013, 1729, 1730 Rz. 24, 1731 Rz. 36; Kreft in: FS Kirchhof, S. 275, 283 f; Uhlenbruck-Berscheid, InsO, § 105 Rz. 32 ff; Kichhof, WM Sonderbeil. Nr. 2/1996, 1, 10. 61) Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 14; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 166; Marotzke in: HK-InsO, § 103 Rz. 106. 62) BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 339, 341 = ZIP 1995, 926, dazu EWiR 1995, 691 (Uhlenbruck). 63) BGH, Urt. v. 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236, 243 f = ZIP 1989, 171; BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 341 = ZIP 1995, 926; BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 98 = ZIP 2003, 1208; BGH, Urt. v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, BGHZ 147, 28, 31 = ZIP 2001, 1380, dazu EWiR 2001, 1107 (Tintelnot); abl. u. a. Bork in: FS Zeuner, S. 297, 313. 64) BGH, Urt. v. 20.12.1988 – IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236, 243 = ZIP 1989, 171; BGH, Urt. v. 21.11.1991 – IX ZR 290/90, BGHZ 116, 156, 158 = ZIP 1992, 48, dazu EWiR 1992, 71 (Marotzke); abl. u. a. Bork in: FS Zeuner, S. 297, 312; Marotzke, Gegenseitige Verträge, Rz. 4.35 ff; Gerhardt in: FS Merz, S. 117, 132.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Die Erlöschenstheorie hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2002 ausdrücklich aufgegeben.65) Nach der aktuellen Rechtsprechung bewirkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine materiell-rechtliche Umgestaltung des gegenseitigen Vertrages, sondern hat wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinrede der Vertragspartner (§ 320 BGB) nur zur Folge, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche – soweit es sich nicht um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt – nicht durchsetzen können. Wählt der Verwalter die Erfüllung des Vertrages, so erhalten die zunächst nicht durchsetzbaren Ansprüche die Rechtsqualität von „originären Forderungen der und gegen die Masse“.66) Unterschiede zu den früher mit Hilfe der Erlöschenstheorie erzielten Ergebnissen ergeben sich in weiten Bereichen nicht.
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An dem zu einer originären Masseforderung aufgewerteten Gegenleistungsanspruch der Masse kann aufgrund einer vor Eröffnung erfolgten Sicherungszession kein Absonderungsrecht erworben werden.67) Auch das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 ist weiterhin einschlägig.68) Sicherungsnehmer wie Vertragspartner werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt, da nur ein (weiteres) Werthaltigmachen ihrer Rechtsposition nach Verfahrenseröffnung ausgeschlossen wird.
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Der Bundesfinanzhof geht in seiner neuesten Rechtsprechung auch für Verträge, die der Erfüllungswahl unterliegen, davon aus, dass Forderungen des Vertragspartners aus Lieferungen und Leistungen an den späteren Schuldner mit Verfahrenseröffnung zunächst unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich werden i. S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.69) Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers nach § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen. Die Vorsteuerberichtigung hat der Insolvenzverwalter bereits für den Voranmeldungszeitraum der Verfahrenseröffnung zu vollziehen. Wird ein uneinbringlich gewordenes Entgelt aufgrund einer Erfüllungswahl des Verwalters nachträglich vereinnahmt, ist der Umsatzsteuerbetrag erneut zu berichtigen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.70)
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_____________ 65) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353 = ZIP 2002, 1093, dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot). 66) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 359 = ZIP 2002, 1093; abl. Henckel in: FS Kirchhof, S. 191, 199 ff; Marotzke, ZZP 115 (2002), 501, 510 ff, 513 – bzgl. der Masseforderung Surrogationsprinzip. 67) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, BGHZ 150, 353, 358 = ZIP 2002, 1093; BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 96, 98 = ZIP 2003, 1208; Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 41; a. A. Henckel in: FS Kirchhof, S. 191, 206 – bereicherungsrechtliche Lösung. 68) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 41; i. E. zust. Wieser, JZ 2003, 231, 233 – über teleologische Reduktion von § 94; Henckel in: FS Kirchhof, S. 191, 206 – bereicherungsrechtliche Lösung. 69) BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 14/08, ZIP 2010, 383 ff Rz. 27, 42 = ZInsO 2010, 487, dazu EWiR 2010, 227 (Kahlert); Aufgabe von BFH, Urt. v. 28.6.2000 – V R 45/99, BFHE 192, 129 = ZIP 2000, 2120, dazu EWiR 2001, 31 (Drescher). 70) BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 14/08, ZIP 2010, 383, 386 Rz. 41 = ZInsO 2010, 487; Aufgabe von BFH, Urt. v. 28.6.2000 – V R 45/99, BFHE 192, 129 = ZIP 2000, 2120.
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§ 103 4.
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Spaltung des Vertrags bei Teilleistung vor Verfahrenseröffnung
a) Teilbare Leistung 28
Sind bereits vor Verfahrenseröffnung Teilleistungen erbracht worden, wird das Wahlrecht bei teilbaren Leistungen gemäß § 105 nur für den beiderseits ausstehenden Vertragsrest ausgeübt. Die Erfüllungswahl führt dann zu einer „Spaltung“ des Vertrags.71) Im Interesse der Gläubigergleichbehandlung wird die Teilbarkeit einheitlicher Ansprüche, die schon vor der Insolvenzeröffnung begründet, aber teilweise erst danach mit Mitteln der Masse durchsetzbar oder werthaltig gemacht werden, von der Rechtsprechung nicht nur bei Leistungen nach Zeitabschnitten bejaht, sondern immer dann, wenn sich die vor und nach Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen feststellen und bewerten lassen (§ 105 Rz. 3 ff).72) b) Vorleistung Vertragspartner
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Das Gesetz bringt diese beschränkte Wirkung der Erfüllungswahl bei (überschießender) Vorleistung des Vertragspartners im Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 2 sowie durch die §§ 105, 108 Abs. 2 zum Ausdruck.73) Masseverbindlichkeiten entstehen nur, „soweit“ die Erfüllung zur Masse verlangt wird. Soweit der Vertragspartner vor Verfahrenseröffnung eine Teilleistung erbracht hat, hat er sich des Schutzes des § 320 BGB begeben und bleibt mit dem „kreditierten“ Gegenleistungsanspruch Insolvenzgläubiger (§ 105 Satz 1, dort Rz. 8). In Höhe seiner Vorleistung kann der Gläubiger jedoch trotz der Erfüllungswahl eine Sicherheit, die zur Absicherung von Erfüllungsansprüchen gewährt wurde, in Anspruch nehmen.74) Nur wenn der Verwalter die weitere Erbringung einer nicht teilbaren Leistung verlangt, hat er die gesamte Gegenleistung aus der Masse zu erbringen.75) c) Vorleistung Schuldner
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Zu einer Spaltung des Vertrages kommt es auch bei einer (überschießenden) Vorleistung des Schuldners, wenn dieser seine Ansprüche auf die Gegenleistung abgetreten hat oder eine Aufrechnung seitens des Vertragspartners droht. Noch auf der Grundlage der Erlöschenstheorie hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass der Masse schützende Zweck des Wahlrechts nur dahin geht, der Masse für die von ihr erbrachte Leistung auch die entsprechende Gegenleistung zu belassen. Der Zweck des Wahlrechts sowie der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung rechtfertigt oder fordert es dagegen nicht, dass Leistungen, die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits vom Schuldner erbracht waren, die Masse also nicht mehr verringern, voll zur Masse zu vergüten sind.76) Soweit der Schuldner den Vertrag bereits vor Verfahrenseröffnung teilweise erfüllt hat, wird der dieser Teilleistung entsprechende Anspruch auf die Gegenleistung durch die Verfah_____________ 71) Kreft in: FS Uhlenbruck, S. 387, 399; Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 47; abl. Gottwald, NZI 2005, 588, 590. 72) Kirchhof in: FS Gerhardt, S. 443, 448; Adam, DZWIR 2010, 187 ff. 73) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 47. 74) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 50; Gottwald-Huber, InsR-Hdb., § 35 Rz. 24. 75) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 105 Rz. 29. 76) BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 341 = ZIP 1995, 926.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
renseröffnung nicht berührt und die Masse insoweit auch nicht vor einer Abtretung oder Aufrechnung geschützt.77) Auf der Grundlage des neuen dogmatischen Ansatzes des Bundesgerichtshofs berührt das Erfüllungsverlangen des Verwalters erst recht nicht die Ansprüche des Schuldners, die auf bei Verfahrenseröffnung bereits erbrachte Leistungen entfallen, auch wenn sie bei Verfahrenseröffnung noch nicht fällig waren.78) Welche Ansprüche als „originäre Masseforderungen“ vor einer Abtretung oder Aufrechnung geschützt sind, richtet sich maßgeblich nach dem Grundsatz, dass der Masse (nur) für die von ihr aufgrund der Erfüllungswahl erbrachte Leistung auch die Gegenleistung zustehen soll.79) Aus bereits erbrachten Leistungen des Schuldners können somit keine originären Masseforderungen entstehen, gleichgültig ob der Verwalter Erfüllung verlangt oder nicht.80) Die Leistungen, die bis zur Verfahrenseröffnung erbracht wurden, und die Leistungen, die danach mit Mitteln der Masse erbracht werden, sind somit gesondert abzurechnen, wenn der Schuldner über den Gegenleistungsanspruch verfügt hatte oder dem Vertragspartner eine grundsätzlich zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung zusteht.81) Im Falle der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) muss der Verwalter bei der Erfüllungswahl beachten, dass nach Ansicht des BFH die Umsatzsteuer auf Leistungen vor und nach Eröffnung eine Masseverbindlichkeit darstellt. Eine Aufteilung der Umsatzsteuer auf Leistungen des Schuldners vor und nach Eröffnung kommt nur bei i. S. von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 vereinbarten Teilleistungen in Betracht. Vor Eröffnung vereinnahmte Anzahlungen des Vertragspartners können jedoch gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 4 UStG in jedem Fall von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, sog. kombinierte Soll- und Istbesteuerung.82)
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d) Insolvenzanfechtung Gegenüber Leistungen, die eine Sicherheit in der Krise werthaltig gemacht haben, kommt ein Schutz der Masse nur über die Vorschriften der Insolvenzanfechtung in Betracht.83) Eine Aufrechnung des Vertragspartners ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig, soweit die Aufrechnungslage erst in der Krise durch eine anfechtbare Wertschöpfung des Schuldners geschaffen wurde(siehe auch § 96 Rz. 15, § 129 Rz. 2 und § 130 Rz. 9).84) Im Ergebnis wird der Vertrag damit noch_____________ 77) BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336 = ZIP 1995, 926. 78) BGH, Urt. v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, BGHZ 147, 28, 31 = ZIP 2001, 1380; BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 96 = ZIP 2003, 1208; BGH, Urt. v. 18.10.2001 – IX ZR 493/00, ZIP 2001, 2142 f = ZInsO 2001, 1100; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093, 1095 = BGHZ 150, 353; Kreft in: MünchKommInsO, § 103 Rz. 51. 79) BGH, Urt. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 98 = ZIP 2003, 1208. 80) BGH, Urt. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 98 = ZIP 2003, 1208. 81) Kreft in: FS Uhlenbruck, S. 387, 399. 82) BFH, Urt. v. 30.4.2009 – V R 1/06, ZIP 2009, 1677, 1678 Rz. 17 ff = ZVI 2009, 378. 83) Kirchhof in: FS Gerhardt, S. 443, 448. 84) BGH, Urt. v. 22.2.2001 – IX ZR 191/98, BGHZ 147, 28, 35 = ZIP 2001, 1380; BGH, Urt. v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, ZIP 2001, 2055 f = NZI 2002, 35, dazu zust. Rigol, EWiR 2002, 107; BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 343 f = ZIP 1995, 926; Fischer, ZIP 2004, 1679, 1683; Schmitz, ZInsO 2004, 1051, 1057.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
mals geteilt, bezogen auf den Zeitpunkt des Vorliegens der Anfechtungsvoraussetzungen.85) IV. Erfüllungsablehnung 1.
Suspendierung
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Der gegenseitige Vertrag bleibt ungeachtet der Verfahrenseröffnung und der Erfüllungsablehnung in der Lage bestehen, in der er sich bei Verfahrenseröffnung befand.86) Damit wird auch ein vertraglich eingeräumtes Kündigungs- oder Rücktrittsrecht für den Fall der Nichtdurchführung des Vertrags – sofern es nicht nach § 119 unwirksam ist –, nicht beeinflusst.87)
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Ein Grundstückserwerber hat nicht schon aufgrund der Erfüllungsablehnung einen Anspruch auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, sondern erst, wenn er die Forderung wegen Nichterfüllung zur Tabelle angemeldet hat.88)
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Die Ablehnung erfolgt wie die Erfüllungswahl durch einseitige – ausdrückliche oder konkludente – empfangsbedürftige Willenserklärung.89) Die Erklärung ist analog Absatz 2 Satz 3 unwiderruflich.90) Auch das Verstreichenlassen der nach Absatz 2 Satz 2 durch die Aufforderung des Vertragspartners zur Wahlrechtsausübung ausgelösten Frist hat die Wirkung einer Erfüllungsablehnung (oben Rz. 19).
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Nimmt der Verwalter die Leistung aus dem gegenseitigen Vertrag in Anspruch, nutzt er insbesondere eine Mietsache, bevor er sein Wahlrecht ausgeübt hat, ist die Nutzungsentschädigung für die Schwebezeit Masseverbindlichkeit, auch wenn er schließlich die Erfüllung ablehnt.91) 2.
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Forderung wegen Nichterfüllung
Eine Feststellung des Erfüllungsanspruchs des Vertragspartners zur Tabelle ist nicht möglich, soweit dieser seine Leistung noch nicht erbracht hat, da seiner Forderung die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB entgegensteht.92) Der Vertragspartner ist jedoch nach Absatz 2 Satz 1 berechtigt, eine Forderung wegen Nichterfüllung als Insolvenzgläubiger geltend zu machen. Erst durch diese Teilnahme am Verfahren wird der Vertrag durch den Vertragspartner umgestaltet.93) An die Stelle des gegenseitigen Schuldverhältnisses tritt der ein_____________ 85) BGH, Urt. v. 4.10.2001 – IX ZR 207/00, ZIP 2001, 2055 f = NZI 2002, 35. 86) BGH, Urt. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 90 = ZIP 2003, 1208. 87) BGH, Urt. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 90 = ZIP 2003, 1208; BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87, 90 = ZVI 2006, 158, dazu EWiR 2006, 119 (Bärenz). 88) BFH, Urt. v. 23.11.2006 – II R 38/05, ZIP 2007, 976 = DStRE 2007, 433, dazu zust. Dahl, EWiR 2007, 695 f. 89) BGH, Urt. v. 3.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333, 335 = NJW 1955, 259. 90) Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 167; Marotzke in: HK-InsO, § 103 Rz. 127 f. 91) BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778, 779 = ZVI 2008, 79; Wortberg, ZInsO 2006, 1256, 1259. 92) Kreft in: FS Uhlenbruck, S. 387, 398; Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 16. 93) Prahl, ZInsO 2005, 568 f; Huber, NZI 2002, 467, 469; Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 22.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
seitige Anspruch des Vertragspartners wegen der Nichterfüllung.94) Sicherheiten für den Erfüllungsanspruch sichern auch die Forderung wegen Nichterfüllung.95) Wurden Vorauszahlungen geleistet, kann der Gläubiger den Bürgen aus einer Vorauszahlungsbürgschaft in Anspruch nehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Verwalter zum Schutz der Masse zunächst die Nichterfüllung gewählt und hiernach einen neuen Vertrag mit dem Gläubiger abgeschlossen und gegen nochmalige Zahlung des Vorauszahlungsbetrags auch durchgeführt hat.96) In der Bauträgerinsolvenz löst im Falle einer Vorauszahlungsbürgschaft nach § 7 Abs. 1 MaBV bereits der Anspruch auf Wandelung nach den §§ 634 Abs. 4, 635 BGB a. F. den Sicherungsfall aus. Der Bürge kann sich nicht darauf berufen, dass der Gläubiger den Vollzug der Wandelung und damit den Rückzahlungsanspruch nach Verfahrenseröffnung gegen den Willen des Verwalters nicht mehr durch eine Rückzahlungsklage durchsetzen kann.97) Beteiligt sich der Vertragspartner dagegen nicht am Verfahren, wird der Vertrag auch nicht umgestaltet und die gegenseitigen Erfüllungsansprüche werden mit der Verfahrensbeendigung – vorbehaltlich eines Insolvenzplans, einer Restschuldbefreiung oder der Vollabwicklung einer Gesellschaft – wieder durchsetzbar.98) Der Vertragspartner hat zu beweisen, dass ihm durch die Nichterfüllung des Vertrags ein Schaden entstanden ist, indem er vorträgt, wie sich sein Vermögen bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung entwickelt hätte, und dem die tatsächliche Vermögenslage gegenüberstellt.99) Das Herausgreifen einzelner Positionen ergibt keine schlüssige Darstellung, erforderlich ist vielmehr ein Gesamtvermögensvergleich.100) Hat der Vertragspartner vor der Eröffnung bereits teilweise erfüllt, kann er auch den seiner Vorausleistung entsprechenden vertraglichen Gegenleistungsanspruch – unter Umständen gemäß § 45 Satz 1 in Geld umgerechnet – und einen weiteren Schaden wegen Nichterfüllung nach Absatz 2 Satz 1 als Insolvenzgläubiger geltend machen.101)
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Aus § 105 Abs. 1 Satz 2 folgt im Erst-recht-Schluss, dass er seine (Vor-)Leistung nicht zurückverlangen kann. Die Forderung wegen Nichterfüllung gilt als schon vor Verfahrenseröffnung aufschiebend bedingt entstanden. Eine Aufrechnung gegen
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_____________ 94) Der BGH, Urt. v. 5.5.1977 – VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379, 380 = NJW 1977, 1345, hat mangels praktischer Bedeutung offengelassen, ob der „Schadensersatzanspruch“ auf bürgerlich-rechtlichen oder insolvenzrechtlichen Vorschriften beruht. 95) Huber, NZI 2002, 467, 469; Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 24; Schlosser, ZIP 2005, 781. 96) Beck in: FS Braun, S. 159, 182. 97) BGH, Urt. v. 8.12.2009 – XI ZR 181/08, ZIP 2010, 264 = ZInsO 2010, 289, dazu EWiR 2010, 181 (Grziwotz). 98) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 18, 22. 99) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, ZIP 2001, 31, 32 = ZInsO 2001. 71, dazu EWiR 2001, 737 (Tintelnot); Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 185; nach a. A. kein Schadensersatzanspruch und somit keine Berücksichtigung entgangenen Gewinns Windel, Jura 2002, 230, 233; Nerlich/Römermann-Balthasar, InsO, § 103 Rz. 62; Kübler/ Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 317 ff. 100) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, ZIP 2001, 31, 32 = ZInsO 2001. 71; BGH, Urt. v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182, 196 f = ZIP 1987, 297, dazu EWiR 1987, 131 (Eckert). 101) Kreft in: FS Uhlenbruck, S. 387, 400; Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 25, 27.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Ansprüche der Masse war nach § 54 Abs. 1 KO möglich.102) Umstritten ist, ob sie unter Geltung der Insolvenzordnung an den engen Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 scheitert.103) 3.
Vertragsspaltung bei teilbaren Leistungen
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Dem Insolvenzverwalter steht für eine vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung – auch wenn der Vertragspartner den Vertrag nicht umgestaltet – ein Anspruch auf die noch nicht erfüllte anteilige Gegenleistung zu.104) Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner zur Vorleistung verpflichtet war.105) Da die Masse keine Leistungen erbringt, derentwegen sie nach Sinn und Zweck des Wahlrechts schutzwürdig wäre, handelt es sich nicht um eine originäre Masseforderung (siehe oben Rz. 30).106) Gegen den Anspruch kann mit einer Insolvenzforderung aufgerechnet werden.107) Eine Abtretung ist insolvenzfest.108)
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Verfahrenseröffnung und Erfüllungsablehnung alleine lösen dagegen in aller Regel bei beiderseits teilbaren Leistungen keinen Anspruch der Masse auf Rückgewähr einer Vorleistung des Schuldners aus.109) Einen Rückzahlungsanspruch wegen Wegfalls des Interesses des Verwalters an der noch ausstehenden Gegenleistung des Vertragspartners110) hat der Bundesgerichtshof „im Sonderfall der beiderseits teilbaren Leistungen der Vertragsparteien erwogen, um dem Verwalter die Erfüllungsablehnung auch des insolvenzrechtlich grundsätzlich vollständig erfüllten Vertragsteils zu ermöglichen“.111) Auch in der Literatur wird hier in Analogie zu § 323 Abs. 3 BGB ein strenger Maßstab angelegt. Bei Dienst- oder Werkleistungen kommt ein solcher Anspruch nur dann in Betracht, wenn die Teilleistung nach Inhalt und Zweck des Vertrages für den Insolvenzverwalter nicht verwendbar ist.112) Auch _____________ 102) BGH, Urt. v. 5.5.1977 – VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379, 382 = NJW 1977, 1345. 103) Für grundsätzliche Aufrechenbarkeit Tintelnot, KTS 2004, 339, 356; krit. Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 23 – abl. jedenfalls für den Sachleistungsgläubiger; ebenso Häsemeyer, InsR, Rz. 19.25. 104) Huber, NZI 2002, 467, 470; BGH, Urt. v. 5.5.1977 – VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379, 381 = NJW 1977, 1345; Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 32; BGH, Urt. v. 3.12.1954 – V ZR 96/53, BGHZ 15, 333, 336 = NJW 1955, 259 – Bereicherungsausgleich bei Erlöschen des Erfüllungsanspruchs; ebenso Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 185; a. A. Prahl, ZInsO 2005, 568, 570 – Anspruch nur bei Umgestaltung des Vertrags. 105) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 32; BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 340 = ZIP 1995, 926; missverständlich BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 98 = ZIP 2003, 1208. 106) BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 98 = ZIP 2003, 1208. 107) BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 96 = ZIP 2003, 1208; BGH, Urt. v. 27.2.1997 – IX ZR 5/96, BGHZ 135, 25, 26 = ZIP 1997, 688, dazu EWiR 1997, 517 (Huber). 108) BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 96 = ZIP 2003, 1208; BGH, Urt. v. 4.5.1995 – IX ZR 256/93, BGHZ 129, 336, 340 = ZIP 1995, 926. 109) BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 96 = ZIP 2003, 1208; Piegsa, RNotZ 2010, 433, 439. 110) BGH, Urt. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 96 = ZIP 2003, 1208; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, ZIP 2001, 31, 32 = ZInsO 2001. 71. 111) BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526, 527 Rz. 9, dazu EWiR 2013, 351 (Tintelnot). 112) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 34.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
wenn die Gegenleistung des Vertragspartners ausnahmsweise unteilbar ist, wird in der Literatur ein Anspruch des Verwalters auf Rückforderung der Leistung des Schuldners entsprechend dem Rechtsgedanken des § 326 Abs. 4 BGB (§ 323 Abs. 3 BGB a. F.) bejaht.113) Besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Rückzahlung, ist dieser jedenfalls nicht aufgrund einer Leistung der Masse entstanden und stellt deshalb keine originäre Masseforderung dar. Eine Abtretung ist insolvenzfest.114) Er gelangt mit den bereits vor Insolvenzeröffnung bestehenden Aufrechnungs- und Verrechnungsmöglichkeiten belastet zur Masse. Insbesondere ist ein Rückzahlungsanspruch der Masse auch mit der Forderung wegen Nichterfüllung aus § 103 Abs. 2 Satz 1 verrechenbar.115) 4.
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Aussonderung
Das Besitzrecht des insolventen Vorbehaltskäufers und des insolventen Mieters einer beweglichen Sache endet, ohne dass es eines Rücktritts oder einer Kündigung bedarf, wenn der Verwalter nicht die Erfüllung des Vertrages wählt.116) Das gleiche gilt in der Insolvenz des Verkäufers.117) Der Verkäufer kann als Eigentümer die Aussonderung des Kaufgegenstandes verlangen.118) Hat der Verwalter die Kaufsache herauszugeben, kann er im Gegenzug Teilzahlungen des Schuldners zur Masse zurückverlangen.119) Rückzahlungsanspruch und Nichterfüllungsschaden des Vertragspartners nach § 103 Abs. 2 Satz 1 werden (bei nicht teilbaren Leistungen und nicht möglicher Vertragsspaltung) aufgrund ihrer synallagmatischen Verbundenheit verrechnet.120)
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V. Einzelne Vertragsverhältnisse Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem Aufhebungsvertrag zur Zahlung einer Abfindung, handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, der nicht unter die Sonderregelungen für Dienstverträge, §§ 108, 113, fällt. Da der Arbeitnehmer mit dem Abschluss des Vertrages seine Leistung auch dann bereits vollständig erbracht hat, wenn der Beendigungszeitpunkt erst nach Verfahrenseröffnung liegt, ist für das Wahlrecht kein Raum mehr. Die entsprechende Anwendung des § 105 Abs. 1 Satz 2 auf nicht teilbare und von einer Seite vollständig erbrachte Leistungen steht
_____________ 113) Kreft in: MünchKomm-InsO, § 105 Rz. 26. 114) BGH, Urt. 27.5.2003 – IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 99 = ZIP 2003, 1208. 115) BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526, 528 Rz. 12; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, ZIP 2001, 31, 32 = ZInsO 2001, 71; BGH, Urt. v. 5.5.1977 – VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379, 380 = NJW 1977, 1345, Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 185. 116) BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778 f = ZVI 2008, 79; a. A. OLG Köln, Beschl. v. 2.12.2002 – 15 W 93/02, ZIP 2003, 543 f = ZInsO 2003, 336 – Kündigung unter Beachtung von § 112. 117) Lüke, ZfIR 2013, 573, 575. 118) BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526, 528 Rz. 10. 119) BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526, 528 Rz. 11. 120) BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 218/11, ZIP 2013, 526, 528 Rz. 12.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
einem Rücktritt und Anspruch auf Wiedereinstellung des Arbeitnehmers nach Verfahrenseröffnung entgegen.121) 46
Vom Betriebsrat abgeschlossene Beraterverträge unterfallen, auch wenn der Schuldner als Arbeitgeber ggf. nach § 40 BetrVG die Kosten zu tragen hat, nicht dem Wahlrecht des Verwalters, da der Schuldner weder Vertragspartner des Betriebsrats noch des Beraters ist, der Vertrag vielmehr zwischen Betriebsrat und Berater besteht.122)
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Durch den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags erlangen außenstehende Aktionäre gemäß § 305 AktG die Option, gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Die Abfindungsoption erlischt nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der herrschenden Gesellschaft. Mit der Ausübung dieser Option kommt ein Abfindungsvertrag zustande, der der Situation eines gegenseitigen Vertrags i. S. von § 103 entspricht. Dem Verwalter steht somit ein Wahlrecht zu, ob er die ihm angedienten Aktien mit Mitteln der Masse erwerben möchte oder nicht.123)
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Entgeltliche Darlehensverträge unterfallen dem Wahlrecht des Verwalters nur dann, wenn die Darlehensvaluta bzw. der geschuldete Gegenstand vor Verfahrenseröffnung noch nicht ausgezahlt wurde (vgl. § 108 Rz. 13).124) Für die Insolvenz des Darlehensgebers ist dies nunmehr ausdrücklich in § 108 Abs. 2 klargestellt. Der Kontokorrentvertrag endet gemäß §§ 116, 115 Abs. 1 (siehe oben Rz. 9).125)
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Der Erbbaurechtsvertrag ist ausschließlich als Rechtskauf, nicht als Dauerschuldverhältnis anzusehen und damit seitens des Grundstückseigentümers mit der Bestellung des Erbbaurechts und der Einräumung des Besitzes an den Erbbauberechtigten vollständig erfüllt (siehe auch § 108 Rz. 5).126) Eine entsprechende Anwendung des § 108 kommt nicht in Betracht, Erbbauzinsansprüche für die Zeit nach Verfahrenseröffnung sind somit keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2.127)
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Lehnt der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Hauptunternehmers gegenüber dem Bauherrn die Erfüllung des Generalunternehmervertrages ab, kann er von dem Nachunternehmer bei mangelhafter Leistung sofort Minderung statt Nachbesserung verlangen.128) _____________ 121) LAG Düsseldorf, Urt. v. 19.3.2010 – 9 Sa 1138/09, ZIP 2010, 1099 = NZI 2010, 857, dazu EWiR 2010, 449 (Roth). 122) BAG, Beschl. v. 9.12.2009 – 7 ABR 90/07, ZIP 2010, 588, 592 Rz. 32 ff = NZI 2010, 515, dazu EWiR 2010, 543 (Tintelnot/Graj). 123) BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 45/06, ZIP 2008, 778, 781 = WM 2008, 793, dazu EWiR 2008, 357 (Goslar); Müller, ZIP 2008, 1701 ff. 124) BGH, Urt. v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, NJW 1990, 1356 f = WM 1990, 54; Kontokorrentkreditverträge unterfallen in der Insolvenz des Kreditnehmers § 115 Abs. 1, § 116 Satz 1: BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513, 515 = ZVI 2004, 188. 125) BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513, 515 = ZVI 2004, 188. 126) BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 145/04, ZIP 2005, 2267 f = ZVI 2005, 632, dazu EWiR 2006, 313 (Tintelnot); Meyer, NZI 2007, 487 ff. 127) BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 145/04, ZIP 2005, 2267 f = ZVI 2005, 632. 128) BGH, Urt. v. 10.8.2006 – IX ZR 28/05, ZIP 2006, 1736 = ZInsO 2006, 993.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Handelsvertreterverträge unterfallen in der Insolvenz des Geschäftsherrn § 116 und in der Insolvenz des Handelsvertreters als Geschäftsbesorger § 108 Abs. 1, sodass § 103 in keinem Fall anwendbar ist.129)
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Die Kündigung des Anstellungsvertrags eines Geschäftsführers gemäß § 113 schließt eine Erfüllungswahl für die dadurch ausgelöste Wettbewerbsabrede nach § 103 nicht aus. Kündigt der Verwalter den Anstellungsvertrag und werden beiderseits keine weiteren Erklärungen abgegeben, so ist der Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot keine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1.130)
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Da § 108 – im Gegensatz zu § 21 KO – nur noch eine Sonderregelung für Immobilien und refinanzierte Finanzierungsleasingverträge über sonstige Gegenstände enthält, unterliegen Miet- oder Pachtverträge sowie Bezugsverträge über bewegliche Gegenstände dem Wahlrecht des Verwalters.131) Als Dauerschuldverhältnisse sind sie typischerweise auf teilbare Leistungen i. S. von § 105 gerichtet. In der Mieterinsolvenz ist der Verwalter ab Verfahrenseröffnung zur Herausgabe der Mietsache verpflichtet, wenn er nicht die Erfüllung des Mietvertrages wählt, ohne dass der Vermieter kündigen oder das Ende der Mietzeit abwarten müsste.132) Ansprüche auf Nutzungsentschädigung entsprechend § 546a BGB für die Zeit von der Eröffnung bis zur Rückgabe qualifiziert der Bundesgerichtshof dann als Masseverbindlichkeit, wenn der Verwalter die Mietsache für die Masse in Anspruch genommen, d. h. für die Masse Besitz ergriffen und zugleich den Vermieter gegen dessen Willen gezielt ausgeschlossen hat.133) Nach a. A. bleibt der Vermieter mit diesem vertragsähnlichen und verschuldensunabhängigen Anspruch eigener Art Insolvenzgläubiger gemäß Absatz 2 Satz 1. Die Nutzung kann jedoch zu einer Massebereicherung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 oder bei schuldhaft verspäteter Rückgabe nach Erfüllungsablehnung zu einem Schadensersatzanspruch des Vermieters gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 führen.134) In der Vermieterinsolvenz hat der Mieter keinen Anspruch auf weitere Gebrauchsüberlassung, wenn der Verwalter die Nichterfüllung wählt.135)
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Auch der Lizenzvertrag wird grundsätzlich entsprechend der Rechtspacht als Dauernutzungsvertrag eingeordnet und unterliegt dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters, wenn kein unbewegliches Vermögen betroffen ist (dann § 108) und
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_____________ 129) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2009 – I-16 U 160/09, ZIP 2010, 194 = ZInsO 2010, 143, dazu EWiR 2010, 159 (Ströbl). 130) BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZR 61/06, ZIP 2009, 2204 = ZInsO 2009, 2150. 131) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, ZIP 2001, 31 f = ZInsO 2001. 71 – Getränkelieferungsvertrag. 132) BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778, 780 = ZVI 2008, 79; a. A. Tintelnot, EWiR 2007, 727, 728, der auf den Ablauf der Entscheidungsfrist abstellt. 133) BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 81/05, ZIP 2007, 778, 780 = ZVI 2008, 79. 134) Tintelnot, EWiR 2007, 727, 728. 135) Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 303; Eckert in: MünchKomm-InsO, § 108 Rz. 170 ff; Marotzke in: HK-InsO, § 108 Rz. 7; a. A. v. Wilmowsky, ZInsO 2011, 1473, 1485.
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§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
gegenseitige Dauerleistungen für die Zukunft noch ausstehen.136) Nur wenn die vertragliche Leistung ausnahmsweise als einmaliger, abgeschlossener Akt einzuordnen ist, z. B in einem Sponsoring-Vertrag, der weder Lizenzgebühren noch eine Erlösbeteiligung o. Ä. vorsieht, wenn das Nutzungsrecht unentgeltlich eingeräumt wird oder wenn ein von zumindest einer Seite vollständig erfüllter Rechtskauf vorliegt, fehlt es an einem gegenseitigen, von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllten Vertrag, wie § 103 ihn voraussetzt.137) In der Insolvenz des Lizenznehmers kann der Lizenzgeber im Falle der Nichterfüllungswahl die Herausgabe der Lizenz verlangen. Sein Anspruch hat Aussonderungskraft.138) 55
Trotz mehrerer Referentenentwürfe für einen neuen § 108a mit dem Ziel des Schutzes von Lizenznehmern in der Insolvenz ihres Lizenzgebers, gibt es bislang keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Wählt der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Lizenzgebers die Nichterfüllung des Vertrags, können ausschließliche Patent-, Know-how- oder Softwarelizenzen sowie urheberrechtliche Nutzungsrechte aufgrund ihres quasi-dinglichen Charakters vom Lizenznehmer ausgesondert werden.139) Sie erlöschen nicht analog § 9 VerlG durch Nichterfüllungswahl des Lizenzvertrags.140) Eine Erfüllungsablehnung steht auch dem Erwerb eines bereits bei Vertragsschluss aufschiebend bedingt für den Fall der Kündigung des Lizenzvertrags eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrechts nach Verfahrenseröffnung nicht entgegen.141)
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Im Urheberrecht haben nicht nur die ausschließlichen, sondern auch die schuldrechtlichen Nutzungsrechte dinglichen Charakter, so dass auch diese vom Lizenznehmer ausgesondert werden können.142) Umstritten ist dagegen, ob dies auch für nicht ausschließliche Lizenzen an Patenten, Know-how oder Software gilt. Nach einer Ansicht vermitteln die einfachen patent- und markenrechtlichen Lizenzen keine quasi-dingliche Rechtsstellung, sondern gewähren nur schuldrechtliche Nutzungsrechte, die in der Insolvenz des Lizenzgebers ohne Erfüllungswahl des _____________ 136) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87, 89 f = ZVI 2006, 158; Smid/ Lieder, DZWIR 2005, 7, 14 f; Wallner, ZIP 2004, 2073, 2081; Brandt, NZI 2001, 340, 339; Hoffmann, ZInsO 2003, 732, 737; Huber in: MünchKomm-InsO, § 103 Rz. 76; Kübler/ Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 62; Abel, NZI 2003, 121, 124; LG Mannheim, Urt. v. 27.6.2003 – 7 O 127/03, ZIP 2004, 576 f = DZWIR 2003, 479 – stellt auf Nebenleistungspflichten ab; Wiedemann, Lizenzen, Rz. 1049 ff; a. A. Fezer, WRP 2004, 793, 809; Koehler/Ludwig, NZI 2007, 79, 81. 137) LG München I, Urt. v. 13.6.2007 – 21 O 23532/06, ZIP 2008, 751 f m. abw. Begr.; Dahl/ Schmitz, NZI 2013, 878, 880 (Urteilsanm.). 138) Adolphsen, DZWIR 2003, 228, 233; Weber/Hötzel, NZI 2011, 432, 434 f – zum automatischen Rückfall und zu Begründungsansätzen; Abel, NZI 2003, 121, 129 – bereicherungsrechtlicher Anspruch als Masseverbindlichkeit. 139) Ganter, NZI 2011, 833, 834. 140) Fischer, WM 2013, 821, 823; Dahl/Schmitz, NZI 2013, 878, 879 (Urteilsanm.); Wiedemann, Lizenzen, Rz. 1377, 1459, 1464 ff; Bausch, NZI 2005, 289, 293 f; Hoffmann, ZInsO 2003, 732, 740; a. A. LG Mannheim, Urt. v. 27.6.2003 – 7 O 127/03, ZIP 2004, 576 f = DZWIR 2003, 479. 141) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 162/04, ZIP 2006, 87, 89 f = ZVI 2006, 158; Huber, ZInsO 2006, 290, 293. 142) BGH, Urt. v. 26.3.2009 – I ZR 153/06, BGHZ 180, 344 = NJW-RR 2010, 186; Wallner, NZI 2002, 70 ff.
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Breitenbücher
§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Verwalters nicht mehr durchsetzbar sind.143) Nach a. A. sollen dagegen – mit unterschiedlicher Begründung – auch einfache Lizenzen insolvenzfest sein können. Hier wird zum Teil darauf abgestellt, ob überhaupt noch eine offene Forderung des Lizenznehmers besteht, die undurchsetzbar werden kann.144) Zum Teil wird anknüpfend an den Aussonderungsansatz darauf abgestellt, ob die Vereinbarung im Einzelfall eine Verfügung beinhaltet. Durch Auslegung müsse im Einzelfall die einfache dingliche Lizenz von der bloß schuldrechtlichen Lizenz abgegrenzt werden. Für eine dingliche Lizenz spreche z. B. die Zahlung einer einmaligen Lizenzgebühr im Gegensatz zu regelmäßig fälligen Gebühren oder die Einräumung einer unwiderruflichen Lizenz.145) Fallen beide Umstände in einem Vertrag zusammen, ist auch die Abgrenzung zum Rechtskauf zu prüfen. In Lizenzketten führt das Erlöschen der Hauptlizenz in aller Regel nicht zum Erlöschen einer Unterlizenz, unabhängig davon, ob es sich um ein einfaches146) oder ein ausschließliches147) Nutzungsrecht handelt. Wählt der Verwalter in der Insolvenz des Hauptlizenznehmers in Bezug auf den Hauptlizenzvertrag die Nichterfüllung und in Bezug auf den Unterlizenzvertrag die Erfüllung nach § 103, so hat der Hauptlizenzgeber gegen den Hauptlizenznehmer einen Anspruch auf Abtretung des gegen den Unterlizenznehmer bestehenden Lizenzzahlungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 3).148) Auch kann ein Enkelrecht nach seiner Abspaltung vom Tochterrecht von diesem unabhängig fortbestehen.149)
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Auf Public Private Partnerships finden – je nach vertraglicher Ausgestaltung – § 103 oder die §§ 108 ff in der Insolvenz des privaten Auftragnehmers Anwendung.150) Der Registrierungsvertrag des Domain-Inhabers mit der DENIC unterliegt als Dauerschuldverhältnis dem Wahlrecht. Die DENIC schuldet nach der erfolgten Konnektierung insbesondere die Aufrechterhaltung der Eintragung im Primary Nameserver als Voraussetzung für deren Fortbestand.151)
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An eine vom Schuldner geschlossene Schiedsabrede ist der Verwalter gebunden, soweit es um Rechte geht, die sich unmittelbar aus dem vom Schuldner abgeschlossenen _____________
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143) Ganter, NZI 2011, 833, 843; Dahl/Schmitz, NZI 2013, 878, 879 (Urteilsanm.); Wiedemann, Lizenzen, Rz. 1458; Huber, ZInsO 2006, 290, 293; a. A. Raitz von Frentz/Masch, ZIP 2011, 1245, 1250; LG Mannheim, Urt. v. 18.2.2011 – 7 O 100/10, dazu EWiR 2011, 645 (Westpfahl/Schönen). 144) OLG München, Urt. v. 25.7.2013 – 6 U 541/12 (Qimonda/Infineon), ZIP 2013, 1734, Rev. anhängig Az. d. BGH: X ZR 94/13; hierzu Bensinger, EWiR 2013, 585, 586; Raitz von Frentz/Masch, ZIP 2011, 1245; 1246; v. Wilmowsky NZI 2013, 377 – Fortbestand der Nutzungsgestattung. 145) Fischer, WM 2013, 821, 827 ff. 146) BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 70/10 (M2Trade), ZIP 2012, 1561. 147) BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 24/11 (Take Five), ZIP 2012, 1671. 148) BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 70/10 (M2Trade), ZIP 2012, 1561, 1563 Rz. 26. 149) BGH, Urt. v. 26.3.2009 – I ZR 153/06, BGHZ 180, 344Rz. 20 = NJW-RR 2010, 186, 189; zu urheberrechtlichen Nutzungsrechten in der Insolvenz des Urhebers ausführl. Stickelbrock, WM 2004, 549 ff. 150) Ausführl. Meyer/Fuchs, ZfIR 2005, 529, 569 ff. 151) BGH, Beschl. v. 5.7.2005 – VII ZB 5/05, InVo 2005, 507 f = NJW 2005, 3353, dazu EWiR 2005, 811 (Beyerlein).
Breitenbücher
665
§ 103
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Vertrag ergeben.152) Keine Bindung besteht jedoch dann, wenn es um Rechte geht, die auf der Insolvenzordnung beruhen. Zu diesen einer vertraglichen Vereinbarung einschließlich einer Schiedsvereinbarung durch den Schuldner entzogenen Rechten gehört neben der Insolvenzanfechtung auch das Wahlrecht nach § 103, wie schon § 119 deutlich macht.153) 60
Software(überlassungs)verträge können – je nach Vertragsgestaltung – auch i. R. der §§ 103 ff nicht als Dauerschuldverhältnisse, sondern als Austauschverträge in Form von Kauf- oder Werkverträgen zu behandeln sein.154) Der ASP-Vertrag mit monatlicher Entgeltzahlung ist ein Mietvertrag über eine bewegliche Sache.155)
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Ein Wahlrecht, die Erfüllung eines Vergleichs abzulehnen und stattdessen die Erfüllung der eigentlichen Schuld zu verlangen, scheidet jedenfalls dann aus, wenn die vergleichsweise versprochene Leistung vor Verfahrenseröffnung erbracht wurde. Offengelassen hat der Bundesgerichtshof, ob allein die nach einem Vergleichsvertrag sogleich mit seinem Abschluss beiderseits eingetretene positive und negative Anerkenntniswirkung ausreicht, das Wahlrecht auszuschalten.156)
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In der Insolvenz des Versicherungsnehmers wird die Masse im Falle von Lebens-, Haftpflicht oder Rechtsschutzversicherungen durch das Wahlrecht vor weiteren Prämienzahlungen geschützt (Verdrängung des Wahlrechts in der Versichererinsolvenz, siehe oben Rz. 9). Mit der Erfüllungswahl wird der Vertrag gemäß § 105 aufgespalten.157) Wurde die Versicherung vor Verfahrenseröffnung in eine prämienfreie Versicherung umgestaltet, ist der Vertrag vom Versicherungsnehmer bereits vollständig erfüllt, sodass kein Wahlrecht besteht.158) Darüber hinaus kann der Verwalter bei Lebensversicherungsverträgen ohne oder mit widerruflichem Bezugsrecht159) durch Kündigung160) des Versicherungsverhältnisses und Widerruf der
_____________ 152) BGH, Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 49/12, ZIP 2013, 1539 = NZI 2013, 934, dazu EWiR 2013, 659 (Flöther/Gelbrich); zur Undurchführbarkeit wegen Massearmut nach § 207: OLG Köln, Beschl. v. 5.6.2013 – 18 W 32/12, NJW-Spezial 2013, 695. 153) BGH, Beschl. v. 30.6.2011 – III ZB 59/10, ZIP 2011, 1477 = ZInsO 2011, 1457, dazu EWiR 2011, 545 (Prütting); BGH, Beschl. v. 20.11.2003 – III ZB 24/03, ZInsO 2004, 88 = DZWIR 2004, 161; BGH, Beschl. v. 17.1.2008 – III ZB 11/07, NJW-RR 2008, 558 Rz. 17 = ZIP 2008, 478. 154) Wallner, ZIP 2004, 2073; Heidland, KTS 1990, 183, 200; BGH, Urt. v. 25.3.1987 – VIII ZR 43/86, ZIP 1987, 788, 790 = NJW 1987, 2004, dazu EWiR 1987, 653 (v. Westphalen); zur Typologie Junker, NJW 2005, 2829, 2831; a. A. Wiedemann, Lizenzen, Rz. 1120. 155) BGH, Urt. v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, NZM 2007, 379 f = WM 2007, 467. 156) BGH, Urt. v. 16.11.2006 – IX ZR 135/05, ZIP 2006, 2390, 2392 = ZVI 2007, 273, dazu EWiR 2007, 119 (Bork). 157) OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.7.2005 – I-4 U 133/04, NZI 2006, 297 f = NJW-RR 2006, 494. 158) Kayser, ZInsO 2004, 1321; OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.3.2001 – 12 U 299/00, VersR 2001, 1501 f. 159) Zum eingeschränkt widerruflichen Bezugsrecht BGH, Urt. v. 8.6.2005 – IV ZR 30/04, ZIP 2005, 1373 = ZVI 2005, 480, dazu EWiR 2005, 801 (Blank). 160) Zum Erfordernis der Kündigung BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34, 36 Rz. 22.
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Breitenbücher
§ 104
Fixgeschäfte. Finanzleistungen
Bezugsberechtigung,161) den Rückkaufswert zur Masse ziehen, wenn die Lebensversicherung pfändbar ist und in die Insolvenzmasse fällt (§§ 169, 168 Abs. 3 Satz 2 VVG, §§ 851c f ZPO)162) und kein insolvenzfestes Absonderungsrecht besteht.163) In diesem Fall ist der Verwalter auch an einen vom Schuldner mit der Versicherung vereinbarten Kündigungsausschluss nach § 168 Abs. 3 Satz 1 VVG nach dem Rechtsgedanken des § 851 Abs. 2 ZPO nicht gebunden.164) Die Erfüllungswahl führt im Falle der vorinsolvenzlichen Abtretung des Erfüllungsanspruchs zu einer Spaltung des Vertrags in dem Sinne, dass der Masse die Differenz zwischen dem Rückkaufswert im Zeitpunkt Verfahrenseröffnung und der Ablaufleistung zusteht.165) Der Kautionsversicherungsvertrag ist Geschäftsbesorgungsvertrag und erlischt in der Insolvenz des Versicherungsnehmers gemäß §§ 116, 115 insgesamt mit Wirkung für die Zukunft.166) Private Krankenversicherungsverträge unterfallen nicht dem Wahlrecht, da es sich um insolvenzfreie Schuldverhältnisse handelt.167) _____________ 161) BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZR 138/04, ZIP 2005, 909 f = ZInsO 2005, 535 – Widerruf durch Kündigung mit Aufforderung zur Zahlung auf das Massekonto; gegen Rechtserwerb im Versicherungsfall trotz unterlassenen Widerrufs: Elfring, BB 2004, 617, 620; Kayser, ZInsO 2004, 1321, 1324. 162) Ausführl. hierzu Lange, ZVI 2012, 403 ff. 163) BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638, 642 Rz. 33, dazu EWiR 2012, 491 (Weiß/Müller); Kayser, ZInsO 2004, 1321, 1325; OLG Dresden, Urt. v. 2.12.2004 – 13 U 1569/04, ZIP 2005, 631, 632 = ZVI 2005, 273; OLG Celle, Beschl. v. 23.6.2005 – 16 W 54/05, ZInsO 2005, 890; BGH, Urt. v. 18.6.2003 – IV ZR 59/02, NJW 2003, 2679 f = WM 2003, 2247. 164) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 79/11, ZIP 2012, 34, 37 Rz. 29, 33 ff. 165) Kayser, ZInsO 2004, 1321, 1325 f. 166) BGH, Urt. v. 6.7.2006 – IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781 f = ZVI 2006, 584; Proske, ZIP 2006, 1035, 1036. 167) BGH Urt. v. 19.2.2014 – IV ZR 163/13, ZIP 2014, 688.
§ 104 Fixgeschäfte. Finanzleistungen Bornemann
(1) War die Lieferung von Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist vereinbart und tritt die Zeit oder der Ablauf der Frist erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, so kann nicht die Erfüllung verlangt, sondern nur eine Forderung wegen der Nichterfüllung geltend gemacht werden. (2) 1War für Finanzleistungen, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte Frist vereinbart und tritt die Zeit oder der Ablauf der Frist erst nach der Eröffnung des Verfahrens ein, so kann nicht die Erfüllung verlangt, sondern nur eine Forderung wegen der Nichterfüllung geltend gemacht werden. 2Als Finanzleistungen gelten insbesondere 1.
die Lieferung von Edelmetallen,
Bornemann
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§ 104
Fixgeschäfte. Finanzleistungen
2.
die Lieferung von Wertpapieren oder vergleichbaren Rechten, soweit nicht der Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen zur Herstellung einer dauernden Verbindung zu diesem Unternehmen beabsichtigt ist,
3.
Geldleistungen, die in ausländischer Währung oder in einer Rechnungseinheit zu erbringen sind,
4.
Geldleistungen, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar durch den Kurs einer ausländischen Währung oder einer Rechnungseinheit, durch den Zinssatz von Forderungen oder durch den Preis anderer Güter oder Leistungen bestimmt wird,
5.
Optionen und andere Rechte auf Lieferungen oder Geldleistungen im Sinne der Nummern 1 bis 4,
6.
Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes.
3
Sind Geschäfte über Finanzleistungen in einem Rahmenvertrag zusammengefaßt, für den vereinbart ist, daß er bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes nur einheitlich beendet werden kann, so gilt die Gesamtheit dieser Geschäfte als ein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 103, 104.
(3) 1Die Forderung wegen der Nichterfüllung richtet sich auf den Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Markt- oder Börsenpreis, der zu einem von den Parteien vereinbarten Zeitpunkt, spätestens jedoch am fünften Werktag nach der Eröffnung des Verfahrens am Erfüllungsort für einen Vertrag mit der vereinbarten Erfüllungszeit maßgeblich ist. 2Treffen die Parteien keine Vereinbarung, ist der zweite Werktag nach der Eröffnung des Verfahrens maßgebend. 3Der andere Teil kann eine solche Forderung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Literatur: Beck/Samm/Kokemoor, KWG, Kommentar, Loseblatt, Stand: 10/2013; Benzler, Nettingvereinbarungen im außerbörslichen Derivatehandel, 1999; Bosch, Differenz- und Finanztermingeschäfte nach der Insolvenzordnung, in: Kölner Schrift, 2. Aufl. 2000, S. 1009; Casper, Der Optionsvertrag, 2005; Ebenroth/Benzler, Close-out Netting nach der neuen Insolvenzordnung, ZVglRW 95 (1996), 335; Ehricke, Zur Ermittlung eines Marktpreises im Sinne des § 104 Abs. 3 InsO durch eine Auktion, ZInsO 2009, 547; Ehricke, Zur Zulässigkeit von vertraglich festgelegten Bestimmungen eines Stichtags und zur Ermittlung eines Markt- oder Börsenpreises nach § 104 Abs. 3 InsO, NZI 2006, 564; Ehricke, Finanztermingeschäfte im Insolvenzverfahren, ZIP 2003, 273; Fuchs, Close-out Netting, Collateral und systemisches Risiko, 2013; Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. IV 1881, (Neudruck 1983); v. Hall, Die Bestimmung des Börsenpreises gem. § 104 Abs. 3 InsO in zentralisierten, elektronischen Handelssystemen, WM 2011, 2161; Hartenfels, § 104a InsO-E und seine Folgen, ZInsO 2011, 1835; Hull, Futures, Optionen und andere Derivate, 7. Aufl. 2009; Kliebisch/Linsenbarth, Insolvenzsicherung bei Rahmenverträgen über Finanztermingeschäfte im Lichte der BGHEntscheidung zur Unwirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln, DZWIR 2013, 449; Kieper, Abrechnungssysteme in der Insolven, 2004; Knof, Insolvenzbedingte Lösungsklauseln auf dem Prüfstand, DB 2013, 1769; Kollmann, Zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten in das deutsche Recht, WM 2004, 1012; Köndgen/Theissen, „Internalisierter“ Wertpapierhandel zu Börsenpreisen?, WM 2003, 1497; Neftci, Principles of Financial Engineering, 2nd ed. 2008; Obermüller, Lösungsklauseln im Bankgeschäft, ZInsO 2013, 476; Paech, Netting, Finanzmarktstabilität und Bankenrestrukturierung – Die Notwendigkeit eines interna-
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Bornemann
§ 104
Fixgeschäfte. Finanzleistungen
tionalen zivilrechtlichen Standards zum Netting, WM 2010, 1965; Reiner, ISDA Master Agreement, Kommentar, 2013; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002; Ruzik, Finanzmarktintegration durch Insolvenzrechtsharmonisierung, 2010; Siegfried, Börsen-Papiere, 4. Aufl., 1884; Weber, Die Ergebnisse der deutschen Börsenenquete – Teil 1, ZHR 43 (1895), 83, Teil 2, ZHR 43 (1895), 457; Westbrook, Exemption of Financial Assets from Bankruptcy, 2008; v. Wilmowsky, Termingeschäft und Insolvenz: Die gesetzliche Regelung – Plädoyer für ein neues Verständnis des § 104 InsO, WM 2002, 2264; Zerey (Hrsg.), Finanzderivate, 3. Aufl. 2013; Zimmer/Fuchs, Die Bank in Krise und Insolvenz: Ansätze zur Minderung des systemischen Risikos, ZGR 2010, 597. Übersicht I. 1. 2.
Allgemeines .......................................... 1 Überblick ............................................... 1 Bedeutung und Zweck .......................... 2 a) Schutz der Marktrisikosteuerungsfähigkeit des Vertragsgegners .................................... 2 b) Reduzierung der Kontrahentenrisiken aus Finanzmarktgeschäften ............................. 5 c) Bedeutung für die Finanzmarktstabilität ................................ 7 3. Verhältnis zu § 103 ................................ 8 II. Fixgeschäfte über Waren (Abs. 1) .................................................. 9 III. Verträge über Finanzleistungen (Abs. 2 Satz 1 und 2) .......................... 12 1. Allgemeines ......................................... 12 2. Die Regelbeispiele des Absatzes 2 Satz 2 .................................................... 16 3. Unbenannte Geschäftstypen .............. 22 IV. Rechtsfolgen (Abs. 3) ........................ 25 1. Umwandlung in ein Differenzgeschäft ................................................ 25 2. Berechnung der Nichterfüllungsforderung ............................................. 26 a) Maßgeblichkeit des Markt- und Börsenpreises ............................... 26 b) Konkreter vs. abtrakter Marktund Börsenpreis ........................... 27 c) Bestimmung bei illiquiden Märkten ....................................... 29 d) Maßgeblicher Zeitpunkt .............. 30 3. Sonstiges .............................................. 31
I.
Allgemeines
1.
Überblick
V. Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Rahmenvertrags nach Absatz 2 Satz 3 .................................................... 34 VI. Vertragliches Liquidationsnetting ................................................ 35 1. Rahmenverträge in der Finanzmarktpraxis .......................................... 35 2. Wirksamkeit des vertraglichen Liquidationsnettings ........................... 36 a) Vorinsolvenzliche Anknüpfung ................................. 37 b) Bewertungsmethoden und -verfahren ..................................... 40 c) Einbeziehung gesetzlich nicht erfasster Geschäfte ....................... 43 d) Ausstiegsklauseln (Walkaway-Klauseln) ................... 45 e) Aufrechnungsklauseln ................. 46 3. Insolvenzanfechtungsrechtliche Behandlung .......................................... 47 VII. Internationales Insolvenzrecht ........ 50 VIII. Besonderheiten bei Abwicklung der über eine zentrale Gegenpartei (Art. 102b EGInsO i. V. m. Art. 48 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012) ...................................... 51 1. Reichweite des Vorrangs ..................... 52 2. Privilegierte Maßnahmen .................... 53 a) Eigenhandel (Art. 48 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 EMIR) ..................... 54 b) Kundengeschäft (Art. 48 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 EMIR) ......... 55 3. Internationales Insolvenzrecht ........... 56
§ 104 schließt die Erfüllung der zum Eröffnungszeitpunkt noch unerfüllten Leistungspflichten aus bestimmten markt- und börsengängigen Geschäften – nämlich Fixgeschäften über Waren (Abs. 1) und Verträgen über Finanzleistungen (Abs. 2 Satz 1) – aus. Das vertragliche Leistungsprogramm wird auf eine Nichterfüllungsforderung zugunsten derjenigen Partei reduziert, aus deren Sicht die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis des Geschäfts und dessen Markt- bzw. Börsenpreis positiv ist (Abs. 3 Satz 1). Haben die Parteien einen Rahmenvertrag Bornemann
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1
§ 104
Fixgeschäfte. Finanzleistungen
geschlossen, der eine Mehrzahl von Verträgen über Finanzleistungen zusammenfasst, ist die Gesamtheit dieser Verträge nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 3 als einheitlicher Vertrag zu behandeln, sodass die Nichterfüllungsforderungen aus den Einzelverträgen zu einer Nettoforderung zu saldieren sind (Netting). Eine dem Vertragsgegner zustehende Nichterfüllungs(netto)forderung steht im Rang einer Insolvenzforderung (Abs. 3 Satz 3). 2.
Bedeutung und Zweck
a) Schutz der Marktrisikosteuerungsfähigkeit des Vertragsgegners 2
Indem die Vorschrift das vertragliche Leistungsprogramm auf eine Nichterfüllungsforderung reduziert, lässt sie keinen Raum für das Verwalterwahlrecht des § 103.1) Dem Vertragsgegner bleibt die mit einem solchen Wahlrecht einhergehende Schwebelage erspart. Dies ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass er die mit dem Geschäft verbundenen Marktrisiken effektiv steuern kann: Zwar wäre es ihm auch bei Bestehen eines Wahlrechts stets möglich, sich im Falle einer Erfüllungsverweigerung mit der weggefallenen Position über den Markt neu einzudecken.2) Allerdings wäre er dabei schutzlos dem Risiko ausgesetzt, dass sich der hierfür aufzuwendende Preis im Zeitraum zwischen Eröffnung und Erfüllungsverweigerung erhöht.3) Diesen Verlust könnte er, wenn überhaupt,4) nur teilweise über die Nichterfüllungsforderung auf den Schuldner abwälzen, da diese im Rang einer Insolvenzforderung steht und daher nur eine Bedienung zur Quote verspricht (Abs. 3 Satz 3).5)
3
Während der Ausschluss des Verwalterwahlrechts – nicht zuletzt mit Blick auf die hohen Marktpreisvolatilitäten, denen die von § 104 erfassten Geschäfte unterliegen können6) – für den Erhalt der (Markt-)Risikosteuerungsfähigkeit des Vertragsgegners unerlässlich ist, hat er für die Masse keine substantiellen Nachteile: Der Verwalter kann das wegfallende Geschäft durch den Abschluss eines Neueindeckungsgeschäft zu eben dem Markt- oder Börsenpreis (und damit grundsätzlich verlustfrei) ersetzen, zu welchem das wegfallende Geschäft abgerechnet wird.7) Mangels _____________ 1)
2) 3) 4)
5)
6)
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Anschaulich Andres/Leithaus/Dahl-Andres, InsO, 2. Aufl., 2011, § 104 Rz. 1 – Verdrängung des § 103; davon zu trennen ist die Frage danach, ob § 104 lex specialis zu § 103 ist, dazu unten Rz. 8. Vgl. Zobl/Werlen, 1992 ISDA-Master Agreement, S. 90 f. Jaeger-Henckel, KO, § 18 Rz. 2 (zur Vorgängervorschrift von Absatz 1 in § 18 KO). Der für die Bestimmung des Umfangs der Nichterfüllungsforderung des § 103 Abs. 2 maßgebliche Zeitpunkt ist streitig, vgl. Kübler/Prütting/Bork-Tintelnot, InsO, § 103 Rz. 317 (Eröffnung) und Leonhardt/Smid/Zeuner-Zeuner, InsO, § 103 Rz. 50 (Erfüllungsverweigerung). Unzutreffend daher die Annahme von v. Wilmowsky, WM 2002, 2264, 2268, dass sich die vorzeitige Beendigung des Geschäfts nicht auf die Befriedigungsaussicht des Vertragsgegners auswirken könne. Auf die „regelmäßigen und ... erheblichen Preisschwankungen“ stellten bereits die historischen Motive zur Vorgängervorschrift des Absatzes 1 (§ 18 KO) ab (Hahn, Materialien, Bd. IV, S. 88). Selbstredend unterliegen auch die von Absatz 2 erfassten Finanzmarktkontrakte sol