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German Pages 1900 [1705] Year 2014
Wachter (Hrsg.) AktG
AktG Kommentar zum Aktiengesetz 2. Auflage 2014
Herausgegeben von Notar Dr. Thomas Wachter, München
Bearbeitet von Prof. Dr. Uwe Blaurock, Dr. Michael Bormann, Boris Dürr, Dr. Jan Eckert, Daniel Epe, Dr. Alexander Franz, Prof. Dr. Bernd Früchtl, Dr. Thomas Kantenwein, Thomas Mayrhofer, Dr. Klaus J. Müller, Dr. Wolfgang Ott, Dr. Oliver Rothley, Dr. Werner Paul Schick, Prof. Dr. Wolfgang Servatius, Dr. Thomas Wachter, Dr. Jens Wagner, Dr. Thomas Zwissler
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH · Köln
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Inhaltsübersicht Seite Bearbeiterverzeichnis....................................................................................................... XIII Literaturverzeichnis ........................................................................................................... XV Einführung.............................................................................................................................. 1 Erstes Buch Aktiengesellschaft (§§ 1 – 277) ............................................................................................ 17 Erster Teil
Allgemeine Vorschriften (§§ 1 – 22)................................................ 17
Zweiter Teil
Gründung der Gesellschaft (§§ 23 – 53)........................................ 130
Dritter Teil
Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter (§§ 53a – 75)...................................................................... 289 [Anhang zu § 57: Aktionärsdarlehen] .......................................... 343
Vierter Teil
Verfassung der Aktiengesellschaft (§§ 76 – 149) .......................... 443
Erster Abschnitt
Vorstand (§§ 76 – 94) ..................................................................... 443
Zweiter Abschnitt
Aufsichtsrat (§§ 95 – 116) .............................................................. 591
Dritter Abschnitt
Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft (§ 117)............................................................................................. 679
Vierter Abschnitt
Hauptversammlung (§§ 118 – 149)................................................ 683 Erster Unterabschnitt Rechte der Hauptversammlung (§§ 118 – 120)............................... 683 Zweiter Unterabschnitt Einberufung der Hauptversammlung (§§ 121 – 128) ..................... 701 Dritter Unterabschnitt Verhandlungsniederschrift. Auskunftsrecht (§§ 129 – 132) ............. 742 Vierter Unterabschnitt Stimmrecht (§§ 133 – 137) .............................................................. 787 Fünfter Unterabschnitt Sonderbeschluß (§ 138) .................................................................. 831 Sechster Unterabschnitt Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§§ 139 – 141).............................. 835 Siebenter Unterabschnitt Sonderprüfung. Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§§ 142 – 149) ............................................. 854
Fünfter Teil
Rechnungslegung. Gewinnverwendung (§§ 150 – 178).................................................................................. 880
Erster Abschnitt
Jahresabschluss und Lagebericht. Entsprechenserklärung (§§ 150 – 161) .......................................... 880
IX
Inhaltsübersicht Zweiter Abschnitt
Prüfung des Jahresabschlusses (§§ 162 – 171)............................... 908 Erster Unterabschnitt Prüfung durch Abschlußprüfer (§§ 162 – 169) (aufgehoben) ............ 908 Zweiter Unterabschnitt Prüfung durch den Aufsichtsrat (§§ 170 – 171) ............................... 908
Dritter Abschnitt
Feststellung des Jahresabschlusses. Gewinnverwendung (§§ 172–176) ................................................ 922 Erster Unterabschnitt Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 172 – 173) ............................ 922 Zweiter Unterabschnitt Gewinnverwendung (§ 174) .......................................................... 927 Dritter Unterabschnitt Ordentliche Hauptversammlung (§§ 175 – 176) ............................ 930
Vierter Abschnitt
Bekanntmachung des Jahresabschlusses (§§ 177 – 178) (aufgehoben)........................................................... 936
Sechster Teil
Satzungsänderung. Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Kapitalherabsetzung (§§ 179 – 240) .................. 937
Erster Abschnitt
Satzungsänderung (§§ 179 – 181)................................................... 937
Zweiter Abschnitt
Maßnahmen der Kapitalbeschaffung (§§ 182 – 221)..................... 967 Erster Unterabschnitt Kapitelerhöhung gegen Einlagen (§§ 182–191) .............................. 967 Zweiter Unterabschnitt Bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192–201)...................................... 1028 Dritter Unterabschnitt Genehmigtes Kapital (§§ 202–206) .............................................. 1067 Vierter Unterabschnitt Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207–220) .............. 1095 Fünfter Unterabschnitt Wandelschuldverschreibungen. Gewinnschuldverschreibungen (§ 221) ........................................ 1131
Dritter Abschnitt
Maßnahmen der Kapitalherabsetzung (§§ 222 – 240)................. 1151 Erster Unterabschnitt Ordentliche Kapitalherabsetzung (§§ 222 – 228) .......................... 1151 Zweiter Unterabschnitt Vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 229 – 236) ......................... 1175 Dritter Unterabschnitt Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien. Ausnahme für Stückaktien (§§ 237 – 239)..................................... 1193 Vierter Unterabschnitt Ausweis der Kapitalherabsetzung (§ 240) ..................................... 1208
X
Inhaltsübersicht Siebenter Teil
Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und des festgestellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung (§§ 241 – 261a) .............................................................................. 1210
Erster Abschnitt
Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 241–255)................................................................................. 1210 Erster Unterabschnitt Allgemeines(§§ 241–249) ............................................................. 1210 Zweiter Unterabschnitt Nichtigkeit bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse (§§ 250 – 255)................................................................................ 1259
Zweiter Abschnitt
Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses (§§ 256 – 257)................................................................................ 1276
Dritter Abschnitt
Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung (§§ 258 – 261a) .............................................................................. 1286
Achter Teil
Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft (§§ 262 – 277)................................................................................ 1302
Erster Abschnitt
Auflösung (§§ 262 – 274) ............................................................. 1302 Erster Unterabschnitt Auflösungsgründe und Anmeldung (§§ 262 – 263) ....................... 1302 Zweiter Unterabschnitt Abwicklung (§§ 264 – 274) ........................................................... 1310
Zweiter Abschnitt
Nichtigerklärung der Gesellschaft (§§ 275 – 277)................................................................................ 1345
Zweites Buch Kommanditgesellschaft auf Aktien (§§ 278 – 290)........................................................ 1353 Drittes Buch Verbundene Unternehmen (§§ 291 – 338) ..................................................................... 1385 Erster Teil
Unternehmensverträge (§§ 291 – 307) ........................................ 1385
Erster Abschnitt
Arten von Unternehmensverträgen (§§ 291–292)..................... 1385
Zweiter Abschnitt
Abschluß, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen (§§ 293 – 299) ...................................... 1405
Dritter Abschnitt
Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger (§§ 300 – 303)................................................................................ 1443
Vierter Abschnitt
Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304 – 307)................................................................................ 1453
Zweiter Teil
Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen (§§ 308 – 318) ........................ 1469
XI
Inhaltsübersicht Erster Abschnitt
Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags (§§ 308 – 310)................................ 1469
Zweiter Abschnitt
Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags (§§ 311 – 318) ......................................... 1484
Dritter Teil
Eingegliederte Gesellschaften (§§ 319 – 327).............................. 1525
Vierter Teil
Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327a – 327f) ............................................................................. 1556
Fünfter Teil
Wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 328) .......................... 1586
Sechster Teil
Rechnungslegung im Konzern (§§ 329 – 338) (aufgehoben)......................................................... 1589
Bisheriges Viertes Buch (§§ 339–393) (aufgehoben) Viertes Buch Sonder-, Straf- und Schlußvorschriften (§§ 394 – 410)................................................. 1591 Erster Teil
Sondervorschriften bei Beteiligung von Gebietskörperschaften (§§ 394–395) .......................................... 1591
Zweiter Teil
Gerichtliche Auflösung (§§ 396–398)......................................... 1600
Dritter Teil
Straf- und Bußgeldvorschriften. Schlußvorschriften (§§ 399–410) ................................................................................. 1605
Stichwortverzeichnis........................................................................................................ 1625
XII
Siebenter Teil Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und des festgestellten Jahresabschlusses. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung Erster Abschnitt Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Erster Unterabschnitt Allgemeines § 241 Nichtigkeitsgründe Daniel Epe
Ein Beschluß der Hauptversammlung ist außer in den Fällen des § 192 Abs. 4, §§ 212, 217 Abs. 2, § 228 Abs. 2, § 234 Abs. 3 und § 235 Abs. 2 nur dann nichtig, wenn er 1. in einer Hauptversammlung gefaßt worden ist, die unter Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und 3 Satz 1 oder Abs. 4 einberufen war, 2. nicht nach § 130 Abs. 1 und 2 Satz 1 und Abs. 4 beurkundet ist, 3. mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, 4. durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt, 5. auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, 6. nach § 398 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Grund rechtskräftiger Entscheidung als nichtig gelöscht worden ist. Literatur: Baums/Drinhausen, Weitere Reformen des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, ZIP 2008, 145; Baums/Keinath/Gajek, Fortschritte bei Klagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse? Eine empirische Studie, ZIP 2007, 1629; Bork, Streitgegenstand und Beschlussmängelklage im Gesellschaftsrecht, NZG 2002, 1094; Bungert, Der BGH und der Squeeze Out: Höchstrichterliche Beurteilung der Standardrügen von Anfechtungsklagen, BB 2006, 2761; Cahn, Zum Begriff der Nichtigkeit im Bürgerlichen Recht, JZ 1997, 8; Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Drinhausen/Keinath, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie, BB 2008, 2078; Eberspächer, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 241 Nr. 3 AktG, 2009; Fleischer, Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, NJW 2005, 3525; Florstedt, Die Reform des Beschlussmängelrechts durch das ARUG, AG 2009, 465; Fuhrmann/Linnerz, Das überwiegende Vollzugsinteresse im aktienrecht- und umwandlungsrechtlichen Freigabeverfahren, ZIP 2004, 2306 Goslar/von der Linden, Grenzen des Rechtsmissbrauchseinwands gegen Gestaltungen beim aktienrechtlichen Squeeze out, BB 2009, 1986; Gölz/Holzborn, Die Aktienrechtsreform durch das Gesetz für Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, WM 2006, 157; Habersack, Wandlungen des Aktienrechts, AG 2009, 1; Heller, Zur Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen bei unterschiedlicher Feststellung und Verkündung durch zwei Versammlungsleiter, AG 2009,
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Daniel Epe
§ 241
Nichtigkeitsgründe
278; Kersting, Die aktienrechtliche Beschlussanfechtung wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen, ZGR 2007, 319; Koch/Wackerbeck, Der Schutz vor räuberischen Aktionären durch die Neuregelungen des ARUG, ZIP 2009, 1603; Martens/ Martens, Rechtsprechung und Gesetzgebung im Kampf gegenmissbräuchliche Anfechtungsklagen, AG 2009, 173; Neumann/Siebmann, Aktuelle Fragestellungen im aktien- und umwandlungsrechtlichen Freigabeverfahren, DB 2006, 435; Noack/Zetsche, Die Informationsanfechtung nach der Neufassung des § 243 Abs. 4 AktG, ZHR 170 (2006), 218; Pauschos/Goslar, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), AG 2009, 14; Riegger, Aktuelle Fragen des gesellschaftsrechtlichen Freigabeverfahrens, in: Festschrift für Rainer Bechthold, 2006, S. 375; Rubel, Die Interessenabwägungsklauseln in Freigabeverfahren nach dem ARUG – Bestandsaufnahme und Anwendungshinweise, DB 2009, 2027; Schmidt, K., Reflexionen über das Beschlussmängelrecht, AG 2009, 248; Tielmann, Die Anfechtungsklage – ein Gesamtüberblick unter Berücksichtigung des UMAG, WM 2007, 1686; Verse, Das Beschlussmängelrecht nach dem ARUG, NZG 2009, 1127; Vetter/van Laak, Die angefochtene Aufsichtsratswahl, ZIP 2008, 1806; Wasmann, Bestätigungsbeschluss, in: Festgabe für Bodo Riegger, 2008, S. 47; Zöllner, Zur Problematik der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, AG 2000, 145.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Einberufungsmängel (§ 241 Nr. 1) ....................................... 6 III. Beurkundungsmängel (§ 241 Nr. 2) ..................................... 10 IV. Nicht mit dem Wesen der AG vereinbar (§ 241 Nr. 3 Alt. 1) ......... 13 V. Verletzung von Gläubigerschutzvorschriften (§ 241 Nr. 3 Alt. 2) .......................... 14 I.
VI. Verletzung von Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben sind (§ 241 Nr. 3 Alt. 3) ... VII. Verstoß gegen die guten Sitten (§ 241 Nr. 4) ..................................... VIII. Nichtigerklärung durch rechtskräftiges Urteil (§ 241 Nr. 5) ..................................... IX. Amtslöschung (§ 241 Nr. 6) ...........
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Überblick
Die Norm regelt abschließend die Fälle der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbe- 1 schlusses: –
In § 241 Nr. 1 ist festgesetzt, welche Einberufungsmängel zur Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses führen.
–
Die zur Nichtigkeit führenden Beurkundungssmängel normiert § 241 Nr. 2.
–
In § 241 Nr. 3 sind drei Nichtigkeitsfälle zusammengefasst: • die Unvereinbarkeit des Beschlusses mit dem Wesen der AG, • die Verletzung von Gläubigerschutzvorschriften und • die Verletzung von Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben sind.
–
Schließlich ist nach § 241 Nr. 5 ein Hauptversammlungsbeschluss auch nichtig, wenn er gegen die guten Sitten verstößt.
Die Nichtigkeitsfälle von § 241 werden im Einleitungssatz ergänzt durch spezielle 2 Nichtigkeitsgründe im Zusammenhang mit –
einer bedingten Kapitalerhöhung (§ 192 Abs. 4),
–
dem Beschluss einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 212),
–
dem Ablauf der Frist zur Eintragung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 217 Abs. 2), Daniel Epe
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§ 241
Nichtigkeitsgründe
–
dem Ablauf der Frist zur Eintragung einer Kapitalherabsetzung (§ 228 Abs. 2),
–
dem Ablauf der Frist zur Eintragung einer vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 234 Abs. 3) und
–
dem Ablauf der Frist zur Eintragung einer Kapitalherabsetzung bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung (§ 235 Abs. 2).
3 § 241 schafft Rechtssicherheit, indem er die Möglichkeiten der Nichtigkeit einschränkt.1) Zum anderen grenzt er Nichtigkeit und Anfechtbarkeit deutlich voneinander ab.2) Die Norm stellt mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit eine Ausnahmeregelung auf („nur dann nichtig“), während es also in der Regel bei der bloßen Anfechtbarkeit von Beschlüssen verbleibt. 4 Voraussetzung für § 241 ist zunächst, dass überhaupt ein Beschlusses der Hauptversammlung vorliegt. Ein Hauptversammlungsbeschluss in diesem Sinne ist die Willensbildung und -äußerung der Versammlung, die durch Abstimmung der Aktionäre über einen Antrag erfolgt.3) Der Rechtsnatur nach handelt es sich bei einem Hauptversammlungsbeschluss um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art.4) 5 Keine Hauptversammlungsbeschlüsse sind Sonderbeschlüsse (etwa nach § 179 Abs. 3 Satz 2). Für sie gelten die §§ 241 ff. aber gemäß § 138 Satz 2 sinngemäß.5) Kein Beschluss und einem solchen auch nicht vergleichbar ist das Erreichen eines Quorums für ein Minderheitsverlangen etwa dahingehend, über einen bestimmten Gegenstand abzustimmen oder die Weigerung der Hauptversammlung über einen bestimmten Antrag abzustimmen.6) Das gilt auch dann, wenn die Ermittlung des Quorums – wie in der Praxis nicht selten – unter Einsatz von Stimmkarten erfolgt. II.
Einberufungsmängel (§ 241 Nr. 1)
6 Ein Hauptversammlungsbeschluss ist nach § 241 Nr. 1 nichtig, wenn die beschließende Hauptversammlung unter Verstoß gegen die §§ 121 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 einberufen worden ist (vgl. auch § 121 Rz. 9 ff.). Nichtigkeitsgründe sind danach das Unterbleiben der Einberufung, die fehlende Befugnis zur Einberufung, die unterbliebene Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (wenn nicht § 121 Abs. 4 Satz 2 gilt) und fehlende Mindestangaben in der Einberufung.7) Bei Einberufung mit eingeschriebenem Brief gemäß § 121 Abs. 4 liegt ein Nichtigkeitsgrund vor, wenn die Form nicht gewahrt wird oder die Einladung nicht allen Aktionären zuging, es sei denn, die AG hat dies nicht zu vertreten.8) 7 Zu der Frage, ob sämtliche Einberufungsmängel hinsichtlich der Teilnahmevoraussetzungen zur Nichtigkeit führen hat das OLG Frankfurt entschieden, dass eine Einladung die Voraussetzungen für Teilnahme und Ausübung des Stimmrechts klar verständlich, vollständig und richtig wiedergeben muss.9) Beschlüsse sind trotz unrichtiger Teilnahmebedingungen aber nur dann nichtig, wenn vom Gesetz als Mindestanforderungen angesehene Voraussetzungen nicht eingehalten sind. Auslassungs- und Bekanntmachungsfehler (Fehlen des _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Hüffer, AktG, § 241 Rz. 1. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 241 Rz. 6. Hüffer, AktG,§ 241 Rz. 2. Hüffer, AktG,§ 241 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 241 Rz. 9. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 241 Rz. 32. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 13.3.2008 – 5 W 4/08, AG 2008, 667.
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§ 241
Nichtigkeitsgründe
Hinweises, dass Gesellschaft bei Zweifeln an Richtigkeit oder Echtheit des Berechtigungsnachweises einen geeigneten weiteren Nachweis verlangen kann und bei Zweifeln die Berechtigung zurückweisen kann), die sich auf das Teilnahmerecht eines durchschnittlichen Lesers schlechterdings nicht auswirken oder die Aktionäre in keiner Weise beschweren, bleiben außer Betracht.10) Nach dem LG Hamburg soll sich eine Nichtigkeit gemäß §§ 241, 121 Abs. 3, 123 Abs. 3 8 nicht daraus ergeben, dass in der Einladung der Record Date datumsmäßig nicht exakt bezeichnet worden ist; die bloße Wiederholung des Gesetzestextes (§ 123 Abs. 3) in der Einladung sei ausreichend.11) In der Praxis empfiehlt es sich dennoch, sämtliche Datumsangaben konkret auszufüllen. Eine Regelung über die Stimmrechtsausübung durch einen Bevollmächtigten zählt nicht zu den von § 121 Abs. 3 Satz 2 umfassten bekannt zu machenden Sachverhalten, die nach § 241 Nr. 1 die Beschlussnichtigkeit nach sich ziehen. Angaben zur Stimmrechtsausübung durch einen Vertreter in der Einberufung stellen keine Teilnahmebedingung dar. Den hierzu von den OLG ausgetragenen Streit12) hat der BGH mittlerweile entschieden und einen zur Nichtigkeit führenden Verstoß abgelehnt. Falsche Angaben zur Bevollmächtigung können laut des BGH nur zur Anfechtbarkeit führen.13) Keine Nichtigkeit liegt vor, wenn trotz Verstoßes gegen § 121 Abs. 2 und 3 Satz 1 oder 4 9 eine Vollversammlung stattfindet, also alle Aktionäre (gemeint ist wohl die 100 %-ige Kapitalpräsenz, vgl. BT.-Drucks. 12/6721) erschienen bzw. vertreten sind. Dies ergibt sich aus § 121 Abs. 6. Allerdings hat der BGH entschieden, dass § 121 Abs. 6 nicht anwendbar ist, wenn ohne einen Aktionär, der aufgrund Verstoßes gegen § 20 Abs. 7 seiner Rechte vorübergehend verlustig ist, rechtsmissbräuchlich eine Hauptversammlung abgehalten wird. Der temporäre Rechtsverlust gemäß § 20 Abs. 7 berührt nämlich nicht die – als solche sanktionsfeste – Mitgliedschaft selbst und damit auch nicht die Treuepflicht der Mitaktionäre bzw. das Verbot eines Rechtsmissbrauchs ihr gegenüber.14) III.
Beurkundungsmängel (§ 241 Nr. 2)
Gemäß § 241 Nr. 2 führt es zur Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, wenn 10 dieser nicht nach § 130 Abs. 1 und 2 Satz 1 und Abs. 4 beurkundet worden ist. Das ist der Fall, wenn die Beurkundung vollständig unterbleibt, bei Nichtbeurkundung von förmlichen und inhaltlichen Essentialia (d. h. Ort und Tag der Verhandlung, Name des Notars, Art und Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung), wie sie in § 130 Abs. 2 Satz 1 vorgeschrieben sind, und beim Fehlen der Unterschrift gemäß § 130 Abs. 4.15) Zu den Essentialia des § 130 Abs. 2 Satz 1 zählen laut LG München I auch Angaben über die Ermittlungsmethode des Abstimmungsergebnisses, d. h. Substraktionsverfahren oder Ermittlung der Ja- und Nein-Stimmen.16) Das privatschriftliche Protokoll genügt anstelle der notariellen Beurkundung nur wenn die
_____________ 10) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 13.3.2008 – 5 W 4/08, AG 2008, 667. 11) LG Hamburg, Urt. v. 27.11.2008 – 420 O 72/08. 12) Einen Nichtigkeitsgrund annehmend OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.2010 – 5 U 144/09, ZIP 2010, 1390; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 19.6.2009 – 5 W 6/09, AG 2010, 212; dagegen OLG München, Urt. v. 22.12.2010 – 7 U 1584/10. 13) BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 124/10, ZIP 2011, 1813 = BB 2011, 1793. 14) BGH, Beschl. v. 20.4.2009 – II ZR 148/07, ZIP 2009, 1317. 15) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 241 Rz. 37. 16) LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 1378/12, ZIP 2012, 2209 = NZG 2012, 1310.
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§ 241
Nichtigkeitsgründe
Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 3 erfüllt sind.17) Das Beurkundungserfordernis besteht auch bei der Einmann-AG.18) 11 Weist der Versammlungsleiter einen Antrag auf seine Abwahl ohne Abstimmung zurück, so liegt nach zutreffender Ansicht des OLG Bremen in diesem Verfahrensfehler kein Nichtigkeitsgrund gemäß § 241 Nr. 2 i. V. m. § 130 Abs. 2, sondern ein Anfechtungsgrund gemäß § 243 Abs. 1.19) Andere Gerichte wollen hierin hingegen einen ungeschriebenen Nichtigkeitsgrund erblicken.20) 12 Laut BGH fällt die Überwachung und Protokollierung der Stimmenauszählung nicht unter die zwingenden, mit der Nichtigkeitssanktion des § 241 Nr. 2 bewehrten Protokollierungserfordernisse gemäß § 130 Abs. 1, 2 und 4.21) Ist in einem Protokoll nur das Datum der Hauptversammlung, aber nicht das Datum der Fertigstellung des Protokolls angegeben, so führt das ebenfalls nicht zur Nichtigkeit der protokollierten Beschlüsse nach § 241 Nr. 2.22) IV.
Nicht mit dem Wesen der AG vereinbar (§ 241 Nr. 3 Alt. 1)
13 Beschlüsse, die mit dem Wesen der AG unvereinbar sind, sind nichtig. Das ist immer dann der Fall, wenn ein Beschluss seinem Inhalt nach von Vorschriften abweicht, die die Struktur der AG prägen, z. B. ein Beschluss, wodurch der Aufsichtsrat einer AG abgeschafft werden soll23) oder ein Beschluss, für den die Hauptversammlung nicht zuständig ist.24) Erfasst werden sollen durch diesen Auffangtatbestand die Fälle schwerwiegender Rechtsverstöße, in denen der Beschluss der Hauptversammlung offensichtlich keinen Bestand haben kann, ohne dass man dafür eine konkretere Vorschrift heranziehen könnte.25) Ein Zustimmungsbeschluss zu einem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Gesellschaft und der Mehrheitsaktionärin ist wegen Verstoßes gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung nur anfechtbar und nicht nichtig nach § 241 Nr. 3, wenn sich der Vorstand in einem mit dem Vertrag eine rechtliche Einheit (§ 139 BGB) bildendenden sog. Business Combination Agreement verpflichtet, eine Kapitalerhöhung aus genehmigten Kapital nur mir Zustimmung der Mehrheitsaktionärin vorzunehmen, obwohl die Entscheidung hierüber alleine dem Vorstand obliegt.26) Ein Beschluss über eine Kapitalherabsetzung kann nicht mit dem Wesen der AG unvereinbar sein, da es sich hierbei um ein in den §§ 222 ff. gesetzlich geregeltes Verfahren handelt.27) V.
Verletzung von Gläubigerschutzvorschriften (§ 241 Nr. 3 Alt. 2)
14 Gemäß § 241 Nr. 3 Alt. 2 ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig, wenn er gegen gläubigerschützende Vorschriften verstößt. Der Verstoß kann im Beschlussinhalt oder im Beschlussverfahren bzw. dem Verstoß gegen bestimmte Beschlussvoraussetzungen liegen. _____________ 17) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 16; Hüffer in MünchKomm-AktG, § 241 Rz. 37; Hüffer; AktG, § 241 Rz. 13. 18) RG, Beschl. v. 9.12.1927 – II 161/27, RGZ 119, 229, 230; Hüffer, AktG, § 241 Rz. 13. 19) OLG Bremen, Urt. v. 13.11.2009 – 2 U 57/09, AG 2010 256. 20) LG Frankfurt/M., Urt. v. 11.1.2005 – 3-5 O 100/04, AG 2005, 892, 893; LG Köln, Urt. v. 6.7.2005 – 82 O 150704, AG 2005, 696, 701. 21) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche Bank), ZIP 2009, 460. 22) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche Bank), ZIP 2009, 460. 23) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 19. 24) Eberspächer, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen, S. 196 m. w. N. 25) Hüffer, AktG, § 241 Rz. 21. 26) OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12, ZIP 2012, 2439. 27) OLG Frankfurt, Urt. v. 6.11.2012 – 5 U 154/11, ZIP 2013, 212 = AG 2013, 132.
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§ 241
Nichtigkeitsgründe
Erforderlich ist ein Verstoß gegen Vorschriften, die entweder (jedenfalls schwerpunktmäßig)28) den Schutz des einzelnen Gesellschaftsgläubigers bezwecken oder den Schutz des Gesellschaftsvermögens als Haftungsgrundlage für die Gläubiger der Gesellschaft sicherstellen wollen.29) Solche Vorschriften sind bspw. die §§ 5730), 71 ff., 207, 225 und 272. VI.
Verletzung von Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben sind (§ 241 Nr. 3 Alt. 3)
Verstößt ein Beschluss gegen eine Vorschrift, die im öffentlichen Interesse gegeben ist, so 15 ist der Beschluss ebenfalls nichtig. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist weit auszulegen.31) Unter einer Vorschrift im öffentlichen Interesse sind solche Vorschriften zu verstehen, die (jedenfalls schwerpunktmäßig32) dem Schutz der Allgemeinheit dienen oder die außenstehenden Personen, also Nicht-Aktionäre bzw. künftige Aktionäre, die keine Anfechtungsmöglichkeit haben, schützen wollen.33) Generell formuliert ist eine Vorschrift im öffentlichen Interesse gegeben, wenn sie zwingend ist und der Gesetzgeber ihre Beachtung für so bedeutsam hält, dass er die bloße Anfechtbarkeit als Folge ihrer Verletzung nicht für ausreichend erachten kann.34) Um solche Vorschriften handelt es sich auch bei den wesentlichen Regelungen des Mitbestimmungsrechts.35) Ebenso gehört § 192 Abs. 3 AktG hierzu, so dass ein Beschluss zum bedingten Kapital durch den die Höchstbetragsgrenze überschritten wird, keinen Bestand haben kann. Eine teleologische Reduktion auf den zulässigen Betrag ist nicht möglich.36) Entgegenstehende Beschlüsse sind daher nichtig. Daneben gilt etwa § 192 Abs. 2 als Schutznorm im öffentlichen Interesse, da die Vorschrift die bedingte Kapitalerhöhung auf bestimmte Zwecke beschränkt und dadurch den Missbrauch dieses Instruments unterbinden will.37) VII. Verstoß gegen die guten Sitten (§ 241 Nr. 4) Verstößt der Beschluss durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten, ist er nach § 241 16 Nr. 4 nichtig. Der Wortlaut („durch seinen Inhalt“) fasst den Tatbestand enger als § 138 Abs. 1 BGB.38) Andere Eigenschaften des Beschlusses als sein Inhalt (z. B. Zustandekommen, Beweggründe oder sein Zweck) führen bei Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB nur zur Anfechtbarkeit.39) Der Begriff der guten Sitten deckt sich mit dem Verständnis in § 138 Abs. 1 BGB.40) Ein Verstoß liegt vor, wenn der Beschluss außergesetzliche Normen _____________ 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35)
36) 37) 38) 39) 40)
Hüffer, AktG, § 241 Rz. 17. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 21. Hierzu jüngst: BGH, Urt. v. 26.6.2012 – II ZR 30/11, ZIP 2012, 1753 = NZG 2012, 1030. Hüffer, AktG, § 241 Rz. 18. Hüffer, AktG, § 241 Rz. 18. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 22; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.11.1967 – 6 U 280/66, DB 1967, 2155; Hüffer in MünchKomm-AktG, § 241 Rz. 59. OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.6.1980 – 15 U 171/79, NJW 1980, 2137; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 22. Für §§ 25 ff. MitbestG 1976 entschieden u. a. durch BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 110 = ZIP 1982, 434; BGH, Urt. v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 50 = ZIP 1984, 55; Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 24. OLG München, Beschl. v. 14.9.2011 – 31 Wx 360/11, ZIP 2012, 2007 = NZG 2012, 350. OLG Celle, Urt. v. 7.11.2007 – 9 U 57/07, AG 2008, 85, 86 = ZIP 2008, 926; K. Schmidt/LutterSchwab, AktG, § 241 Rz. 23. Hüffer, AktG, § 241 Rz. 24. Hüffer, AktG, § 241 Rz. 24. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 26.
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§ 242
Heilung der Nichtigkeit
außer Acht lässt, auf deren Einhaltung ein billig und gerecht Denkender nach seinem Anstandsgefühl nicht verzichten kann.41) 17 Für den in der Praxis relevanten Fall der Gläubigerschädigung hat der BGH entschieden, dass ein Beschluss auch dann gegen § 241 Nr. 4 verstößt, wenn sich die Sittenwidrigkeit zwar nicht aus seinem Wortlaut ergibt, jedoch sein innerer Gehalt in einer sittenwidrigen Schädigung einer nicht anfechtungsberechtigten Person besteht.42) VIII. Nichtigerklärung durch rechtskräftiges Urteil (§ 241 Nr. 5) 18 Ergeht ein Urteil über eine Anfechtungsklage, mit dem ein Beschluss für nichtig erklärt wird und erwächst dieses Urteil in Rechtskraft, so folgt daraus die Nichtigkeit des Beschlusses. Umstritten ist, ob die Vorschrift lediglich klarstellende Bedeutung hat,43) oder ob sie eine eigenständige rechtliche Aussage dahingehend enthält, dass sich im Umkehrschluss die schwebende Wirksamkeit des Beschlusses bis zur rechtskräftigen Entscheidung ergibt.44) IX.
Amtslöschung (§ 241 Nr. 6)
19 § 241 Nr. 6 betrifft den Fall, dass das Registergericht einen Beschluss löschen möchte und dafür eine Widerspruchsfrist bestimmt (§ 398 i. V. m. § 395 Abs. 2 FamFG). Wird Widerspruch eingelegt, ergeht darüber eine gerichtliche Entscheidung, wogegen die Beschwerde möglich ist (§ 398 i. V. m. §§ 395 Abs. 3, 393 Abs. 3 FamFG). Erst wenn darauf eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, darf das Registergericht die Löschung vornehmen. Der Hauptversammlungsbeschluss gilt dann als nichtig. _____________ 41) 42) 43) 44)
K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 26. BGHZ 15, 382, 385 f.; Hüffer, AktG, § 241 Rz. 24. So Hüffer, AktG, § 241 Rz. 25. So K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 241 Rz. 28.
§ 242 Heilung der Nichtigkeit (1) Die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der entgegen § 130 Abs. 1 und 2 Satz 1 und Abs. 4 nicht oder nicht gehörig beurkundet worden ist, kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen worden ist. (2) 1Ist ein Hauptversammlungsbeschluß nach § 241 Nr. 1, 3 oder 4 nichtig, so kann die Nichtigkeit nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre verstrichen sind. 2Ist bei Ablauf der Frist eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses rechtshängig, so verlängert sich die Frist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. 3Eine Löschung des Beschlusses von Amts wegen nach § 398 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird durch den Zeitablauf nicht ausgeschlossen. 4Ist ein Hauptversammlungsbeschluß wegen Verstoßes gegen § 121 Abs. 4 Satz 2 nach § 241 Nr. 1 nichtig, so kann die Nichtigkeit auch dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der nicht geladene Aktionär den Beschluß genehmigt. 5Ist ein Hauptversammlungsbeschluss nach § 241 Nr. 5 oder § 249 nichtig, so kann das Urteil nach § 248 Abs. 1 Satz 3 nicht mehr eingetragen werden, wenn ge1216
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§ 242
Heilung der Nichtigkeit
mäß § 246a Abs. 1 rechtskräftig festgestellt wurde, dass Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen; § 398 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet keine Anwendung. (3) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn in den Fällen des § 217 Abs. 2, § 228 Abs. 2, § 234 Abs. 3 und § 235 Abs. 2 die erforderlichen Eintragungen nicht fristgemäß vorgenommen worden sind. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Voraussetzungen ............................... 4 1. Bei Beurkundungsmängeln (§ 242 Abs. 1) ..................................... 4 2. Bei Einberufungsmängeln (§ 242 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1) ................ 5 3. Bei Inhaltsmängeln (§ 242 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2) und bei Sittenverstoß (§ 242 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3) ................ 9 I.
4. Nicht heilbare Beschlüsse ................ III. Rechtsfolgen der Heilung .............. IV. Wirkung des Freigabeverfahrens (§ 242 Abs. 2 Satz 5) ........................ V. Entsprechende Anwendung des § 242 ...........................................
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Überblick
§ 242 Abs. 1 regelt die Heilung von Beurkundungsmängeln. § 242 Abs. 2 normiert die 1 Heilung von Einberufungsmängeln, sowie Inhaltsmängeln und von Beschlüssen, die durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen. In § 242 Abs. 3 wird die Heilungsmöglichkeit entsprechend angeordnet für den Fall des Ablaufs der Frist zur Eintragung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 217 Abs. 2), einer Kapitalherabsetzung (§ 228 Abs. 2), einer vereinfachten Kapitalherabsetzung (§ 234 Abs. 3) und einer Kapitalherabsetzung bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung (§ 235 Abs. 2). Die Norm bezweckt Rechtssicherheit, da sie Beschlüssen, die nach § 241 nichtig wären, 2 dennoch Gültigkeit verschafft.1) Ohne die Vorschrift könnte die Nichtigkeit nach § 241 von jedermann und zu jeder Zeit geltend gemacht werden.2) Das wird durch § 242 verhindert. Die Norm setzt voraus, dass der betroffene Beschluss in das Handelsregister eingetragen 3 wird. Damit sind zumindest eintragungspflichtige Beschlüsse der Heilung zugänglich.3) Auch eintragungsfähige Beschlüsse sollen der Heilungswirkung unterliegen.4) Nicht eintragungsfähige Beschlüsse können durch dennoch erfolgte Eintragung nicht geheilt werden, da für sie die Publizität des Handelsregisters keine schützende Wirkung entfalten kann.5) II.
Voraussetzungen
1.
Bei Beurkundungsmängeln (§ 242 Abs. 1)
Bei Beurkundungsmängeln tritt die Heilungswirkung gemäß § 242 Abs. 1 unmittelbar mit 4 der Eintragung des Beschlusses ins Handelsregister ein. Die Einreichung des Beschlusses _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
BGH, Urt. v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, NJW 2000, 2819, 2820 = ZIP 2000, 1294; Hüffer, AktG, § 242 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 1. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 242 Rz. 2. Spindler/Stilz-Casper, AktG, § 242 Rz. 1. Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse, S. 98 f.; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 3; A. A. wohl Hüffer, AktG, § 130 Rz. 30 a. E. Ebenso: K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 3; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 242 Rz. 4.
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§ 242
Heilung der Nichtigkeit
beim Registergericht genügt nicht.6) Die Heilungswirkung tritt nur ein, wenn die Eintragung beim zuständigen Registergericht nach § 14 erfolgt. 2.
Bei Einberufungsmängeln (§ 242 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1)
5 Zur Heilung von Einberufungsmängeln ist gemäß § 242 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 ebenfalls die Eintragung ins Handelsregister nötig, allerdings bedarf es laut Gesetzestext noch einer weiteren Voraussetzung: Der Ablauf einer Drei-Jahres-Frist nach Eintragung des mangelhaften Beschlusses. Die Frist beginnt mit dem tatsächlichen Tag der Eintragung.7) Dies gilt auch dann, wenn das Handelsregister fälschlicherweise einen anderen Tag ausweist oder die Bekanntmachung gar nicht oder später geschehen ist.8) Der Fristbeginn bestimmt sich gemäß § 187 Abs. 1 BGB, das Fristende berechnet sich nach § 188 Abs. 2 BGB.9) § 193 BGB gilt analog.10) 6 Zu einer Fristverlängerung kommt es gemäß § 242 Abs. 2 Satz 2, wenn bei Ablauf der Frist eine Nichtigkeitsklage gemäß § 249 rechtshängig ist. Erfolgt die Zustellung der Klage demnächst gemäß § 167 ZPO, so ist die Anhängigkeit der Klage ausreichend.11) Das ist auch dann der Fall, wenn sich die Zustellung durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zeitlich verzögert.12) Strittig ist, ob auch eine allgemeine Feststellungsklage zur Fristverlängerung führt.13) 7 Die Frist verlängert sich gemäß § 242 Abs. 2 Satz 2 bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Klage oder ihrer endgültigen Erledigung auf andere Weise. 8 In § 242 Abs. 2 Satz 4 ist eine spezielle Heilungsmöglichkeit für den Fall geregelt, dass ein Aktionär bei Einberufung durch eingeschriebenen Brief gemäß § 121 Abs. 4 Satz 2 übergangen wird. Hierfür eröffnet § 242 Abs. 2 Satz 4 eine Heilungsmöglichkeit in Form der Genehmigung des Beschlusses durch den betroffenen Aktionär. Die Genehmigungsmöglichkeit besteht selbst bei vorsätzlicher Übergehung eines Aktionärs.14) Voraussetzung für die Heilungsmöglichkeit ist ein Verstoß gegen § 121 Abs. 4 Satz 2, d. h. der Vorstand muss sich für das Verfahren der Einberufung durch eingeschriebenen Brief entschieden haben. Dies ist nicht der Fall, wenn der Vorstand die Aktionäre weder persönlich noch in den Gesellschaftsblättern eingeladen hat.15) 3.
Bei Inhaltsmängeln (§ 242 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2) und bei Sittenverstoß (§ 242 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3)
9 Die Ausführungen zur Heilung und zur Fristverlängerung bei Einberufungsmängeln gelten für die Inhaltsmängel und für den Verstoß eines Beschlusses gegen die guten Sitten entsprechend. Für die Praxis ergeben sich hier Unsicherheiten, die aus den gesetzlichen Wertungswidersprüchen resultieren: Wäre eine einzutragende Satzungsänderung, die ihrem _____________ 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15)
Hüffer, AktG, § 242 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 6. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 6; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 242 Rz. 7. Hüffer, AktG, § 242 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 6; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 242 Rz. 7; a. A. Hüffer, AktG, § 242 Rz. 3. BGH, Urt. v. 27.10.1988 – IX ZR 27/88, NJW 1989, 904, 905 = ZIP 1988, 1610; K. Schmidt/LutterSchwab, AktG, § 242 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 242 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 8. Abl.: K. Schmidt in: Großkomm-AktG, § 242 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 242 Rz. 4; bejahend: K. Schmidt/ Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 7. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 10; Hüffer in MünchKomm-AktG, § 242 Rz. 15. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 10.
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§ 242
Heilung der Nichtigkeit
Inhalt nach gegen zwingende Vorgaben des Aktienrechts verstößt tatsächlich heilbar, müssten die Organe nach erfolgter Heilung die betreffende Satzungsbestimmung, sofern die Eintragung nicht wieder gelöscht wird, beachten. Hingegen ist eine zunächst wirksame Satzungsbestimmung, die nach einer Gesetzesänderung gegen die gesetzliche Neuregelung verstößt unheilbar nichtig. 4.
Nicht heilbare Beschlüsse
Keine Heilungsmöglichkeit besteht für Fälle, die nicht in § 242 genannt werden. Das sind 10 Beschlüsse, deren Nichtigkeit aus § 192 Abs. 4 oder § 212 Satz 2 resultiert. Auch die Nichtigkeit nach § 241 Nr. 5 und Nr. 6 ist nicht heilbar. Ebenso unheilbar ist die Nichtigkeit aufgrund eines Urteils über eine Klage gemäß § 249. III.
Rechtsfolgen der Heilung
Durch die Heilung verändert sich die materielle Rechtslage, so dass nunmehr rück- 11 wirkend ein gültiger Beschluss vorliegt.16) Der Wortlaut des § 242 („Die Nichtigkeit … kann nicht mehr geltend gemacht werden …“) ist nicht dahingehend zu verstehen, dass der Beschluss aufgrund der Heilung zwar nichtig bleibe, sich aber keiner mehr darauf berufen könne.17) Der geheilte Beschluss ist vielmehr für Vorstand und Aufsichtsrat zwingend und muss durch die Organe ausgeführt werden.18) Strittig ist, ob diese Folgepflicht der Verwaltung zum Ausschluss ihrer Organhaftung auf 12 Schadensersatz gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 führt. Die Ansicht, die von der fortbestehenden Nichtigkeit des geheilten Beschlusses ausgeht, nimmt eine Haftung der Verwaltung konsequenter Weise an.19) Die Gegenansicht, die in der Heilung eine veränderte materielle Rechtslage sieht, nimmt teilweise einen Haftungsausschluss an, allerdings nur hinsichtlich der Ausführung des Beschlusses, nicht etwa hinsichtlich des Unterlassens seiner Beseitigung.20) Ein anderer Teil der Gegenansicht differenziert zwischen § 242 Abs. 1 und 2 und will einen Haftungsausschluss nur für die Fälle der Heilung gemäß § 242 Abs. 1 annehmen.21) IV.
Wirkung des Freigabeverfahrens (§ 242 Abs. 2 Satz 5)
Bei erfolgreichem Freigabeverfahren gemäß § 246a stellt das Gericht fest, dass die Klage- 13 erhebung oder Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses der Eintragung nicht entgegenstehen bzw. die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. Daher darf ein Anfechtungs- oder Nichtigkeitsurteil gegen diesen Beschluss anschließend nicht mehr eingetragen werden und eine Amtslöschung nach § 398 FamFG ist nicht mehr möglich. Durch § 242 Abs. 2 Satz 5 erfolgt keine Heilung des Beschlusses, sondern es werden widersprüchliche Handelsregistereintragungen unterbunden.22)
_____________ 16) Hüffer, AktG, § 242 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 14. 17) Hüffer, AktG, § 242 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 14; a. A. Heidel-Heidel, § 242 AktG Rz. 5; Cahn, JZ 1997, 8, 11. 18) Str., zust. BGH, Urt. v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 178; Spindler/Stilz-Casper, AktG, § 242 Rz. 16; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 242 Rz. 21. 19) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 155; Zöllner in: KölnKomm-AktG, § 242 Rz. 46. 20) Hüffer, AktG, § 242 Rz. 7. 21) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 17. 22) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 19.
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§ 243 V.
Anfechtungsgründe Entsprechende Anwendung des § 242
14 Die in § 242 Abs. 3 aufgezählten Vorschriften betreffen Fälle, in denen ein Hauptversammlungsbeschluss aufgrund Ablaufs einer gesetzlichen Frist, innerhalb derer die Eintragung erfolgt sein muss, nichtig geworden ist. Für diese Fälle ordnet § 242 Abs. 3 eine entsprechende Anwendung des § 242 Abs. 2 an. Wird der Beschluss trotz Fristablaufs, also verspätet eingetragen, so wird er bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 242 Abs. 2 geheilt. Die Verweisung bezieht sich auf § 242 Abs. 2 Satz 1 bis 3.23) 15 Darüber hinaus entspricht es der h. M., dass § 242 Abs. 2 auf unwirksame Beschlüsse generell analog angewendet werden kann, was bedeutet, dass ein unwirksamer Beschluss, der ins Handelsregister eingetragen und in der Drei-Jahres-Frist nicht angegriffen wird, endgültig Wirksamkeit erlangt.24) _____________ 23) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 242 Rz. 20. 24) OLG Schleswig, Urt. v. 16.3.2000 – 5 U 244/97, NZG 2000, 895, 896; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 242 Rz. 26 Fn. 86 m. w. N.
§ 243 Anfechtungsgründe (1) Ein Beschluß der Hauptversammlung kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden. (2) 1Die Anfechtung kann auch darauf gestützt werden, daß ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchte und der Beschluß geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. 2Dies gilt nicht, wenn der Beschluß den anderen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. (3) Die Anfechtung kann nicht gestützt werden: 1. auf die durch eine technische Störung verursachte Verletzung von Rechten, die nach § 118 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und § 134 Abs. 3 auf elektronischem Wege wahrgenommen worden sind, es sei denn, der Gesellschaft ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen; in der Satzung kann ein strengerer Verschuldensmaßstab bestimmt werden, 2. auf eine Verletzung des § 121 Abs. 4a, des § 124a oder des § 128, 3. auf Gründe, die ein Verfahren nach § 318 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs rechtfertigen. (4) 1Wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen kann nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte. 2Auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen in der Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von Ausgleich, Abfindung, Zuzahlung oder über sonstige Kompensationen kann eine Anfechtungsklage nicht gestützt werden, wenn das Gesetz für Bewertungsrügen ein Spruchverfahren vorsieht. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
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§ 243
Anfechtungsgründe Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 243 Abs. 1) ...................... 4 1. Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ............................. 8 2. Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ......................... 12 3. Fehler bei der Einberufung und der Teilnahme ................................... 13 4. Verstoß gegen Informationspflichten ............................................ 19 5. Fehler bei Feststellung von Abstimmungsergebnissen ................ 20 6. Relevanz bei Verfahrensfehler ......... 21 7. Materielle Beschlusskontrolle .......... 25 8. Satzungsverletzungen ....................... 32 9. Stimmbindungsverträge ................... 33 I.
III. Sondervorteile (§ 243 Abs. 2) ........ 1. Überblick .......................................... 2. Begriff des Sondervorteils ................ 3. Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre ............................ 4. „Zu erlangen suchte“ ........................ 5. Ausschluss gemäß § 243 Abs. 2 Satz 2 ................................................. 6. Verhältnis § 243 und § 311 .............. IV. Ausschluss der Anfechtung (§ 243 Abs. 3) ................................... V. Anfechtung wegen mangelhafter Informationserteilung (§ 243 Abs. 4) ................................... VI. Ablauf der richterlichen Prüfung bei eintragungspflichtigen Beschlüssen ......................................
35 35 37 41 42 43 44 45
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Überblick
Die Norm regelt die verschiedenen Gründe, auf die eine Anfechtung gestützt werden 1 kann. Gemäß § 243 Abs. 1 kann der Hauptversammlungsbeschluss bei Verstoß gegen Gesetz oder Satzung angefochten werden. Daneben besteht nach § 243 Abs. 2 ein Anfechtungsgrund, wenn ein Aktionär sein Stimmrecht zur Verfolgung von Sondervorteilen zum Schaden der Gesellschaft oder Mitaktionären ausübt. In § 243 Abs. 3 sind die Ausschlussgründe aufgezählt, bei deren Vorliegen eine Anfechtung nicht möglich ist. Schließlich ist die Anfechtung wegen mangelhafter Informationserteilung nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 243 Abs. 4 möglich. Die Norm ist im Zusammenhang mit § 245 (Anfechtungsbefugnis) und § 246 (Anfech- 2 tungsklage) zu sehen. Gemeinsam regeln diese Vorschriften das Instrument der Anfechtungsklage. Der Zweck der Norm liegt zum einen, nämlich durch das Festsetzen konkreter Voraus- 3 setzungen für eine Anfechtung, in der Schaffung von Rechtssicherheit und zum anderen in der gesetzlichen Anerkennung der Anfechtungsbefugnis.1) II.
Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 243 Abs. 1)
Gesetz ist jede Rechtsnorm, also formelle Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen 4 von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, geschriebene und ungeschriebene Rechtsnormen.2) Es gilt der materielle Gesetzesbegriff des Art. 2 EGBGB. Auch ein Verstoß gegen eine gesetzliche Sollvorschrift kann nach zutreffender Ansicht in der Rechtsprechung die Anfechtbarkeit begründen.3) Keine Rechtsnormen sind Verträge oder die Empfehlungen des Corporate Governance Kodex.4) Die Regelungen im Corporate Governance Kodex können für die Anfechtungsklage aber 5 über § 161 Bedeutung erhalten. So hat der BGH entschieden, dass eine Unrichtigkeit der _____________ 1) 2) 3) 4)
Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 243 Rz. 5 f. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 7; RG, Entsch. v. 24.9.1942 – II 50/42, RGZ 170, 83, 97. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 243 Rz. 16.
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§ 243
Anfechtungsgründe
nach § 161 abzugebenden Entsprechenserklärung eine Verletzung der Organpflichten des Vorstands bedeutet, was zu einer Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses für den betreffenden Zeitraum führen kann.5) In der Praxis wird teilweise verlangt, eine Anfechtung aufgrund der Verletzung von Erklärungspflichten gemäß § 161 auszuschließen, da sonst die Unsicherheit für gefasste Beschlüsse, insbesondere zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, zu groß sei. 6 Ein Hauptversammlungsbeschluss, durch den einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, kann von dem Vorstandsmitglied (das auch Aktionär ist) nicht mit der Begründung angefochten werden, dass der Vertrauensentzug aus unsachlichen Gründen i. S. des § 84 Abs. 3 Satz 2 erfolgt sei.6) 7 Es ist bei den Verletzungen i. S. der Vorschrift zwischen Verfahrensfehlern und Inhaltsfehlern zu unterscheiden. Verfahrensfehler betreffen das Zustandekommen des Beschlusses während Inhaltsfehler sich auf den sachlichen Inhalt des Beschlusses beziehen.7) Die Unterscheidung ist für die Relevanztheorie von Bedeutung, die nur für Verfahrensfehler gilt (siehe Rz. 21). Ein Inhaltsfehler führt stets zur Anfechtbarkeit. 1.
Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht
8 Zum Gesetzesbegriff gehört auch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, unerheblich worauf genau man sie letztlich zurückführen möchte.8) Gegenüber den anderen Gesellschaftern hat der Aktionär Rücksicht auf deren mitgliedschaftliche Interessen zu nehmen. Gegenüber dem Verband hat der Aktionär die Pflicht den gemeinsamen Zweck zu fördern und Handlungen, die den Zweck behindern könnten, zu unterlassen. Das kann soweit gehen, dass der Aktionär verpflichtet ist, bestimmten Maßnahmen, die im Gesellschaftsinteresse sind, zuzustimmen.9) 9 Wird ein Mehrheitsbeschluss gefasst, der nicht auf die mitgliedschaftlichen Interessen der Minderheit Rücksicht nimmt, kann darin ein zur Anfechtung berechtigender Verstoß gegen die Treuepflicht liegen: Die Treuepflicht gebietet es bei einer Kapitalherabsetzung auf null und anschließender Erhöhung des Grundkapitals möglichst vielen Aktionären das Verbleiben in der AG zu ermöglichen, weshalb bei der Festsetzung des Nennwerts der neuen Aktien so wenig Spitzen wie möglich entstehen sollten.10) Die Bestellung eines befangenen Abschlussprüfers stellt ebenfalls einen Treuepflichtverstoß dar, sofern die Mehrheit von der Befangenheit wusste.11) Ein mehrheitlich gefasster Entlastungsbeschluss kann eine Treuepflichtverletzung darstellen, wenn Vorstand bzw. Aufsichtsrat einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungverstoß begangen haben.12) 10 Ein Ausgliederungsbeschluss ist wegen Verletzung der Treuepflicht anfechtbar, wenn ein Mehrheitsaktionär seine Mehrheitsmacht dazu missbraucht, um einen für die übrigen Aktionäre wesentlichen Geschäftsbereich an eine gemeinnützige KGaA auszugliedern, wodurch die restlichen Aktionäre nicht mehr am Ertragswert teilhaben können.13) _____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13)
BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460. OLG Hamm, Urt. v. 7.7.2010 – I-8 119/09, GWR 2010, 401. K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 243 Rz. 5. BGH, Urt. v. 26.2.1996 – II ZR 77/95, BGHZ 132, 84, 93 f. = ZIP 1996, 676; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2003 – 6 U 60/02, AG 2003, 578 f.; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 3. Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 36. BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, NJW 2003, 970, 973 = ZIP 2003, 290. BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 (Macrotron), BGHZ 153, 47 = ZIP 2003, 387. KG Berlin, Urt. v. 17.9.2009 – 23 U 15/09, NZG 2010, 462.
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§ 243
Anfechtungsgründe
§ 243 Abs. 2 stellt einen gesetzlich geregelten besonders schweren Treuepflichtverstoß 11 dar.14) 2.
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Auch das Gleichbehandlungsgebot gemäß § 53a kann im Falle seiner Verletzung einen 12 Anfechtungsgrund darstellen.15) Ebenso wie bei der Treuepflicht ist Ziel und Inhalt des Gleichbehandlungsgebots der Schutz der Mitgliedschaft vor Eingriffen durch Verwaltung und Hauptversammlung.16) Die Bedeutung in der Praxis tritt aber hinter dem Treupflichtgebot deutlich zurück.17) 3.
Fehler bei der Einberufung und der Teilnahme
In § 241 Nr. 1 ist geregelt, dass die dort genannten Einberufungsfehler (Verfahrensfehler) 13 zur Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses führen. Andere Einberufungsfehler führen (lediglich) zur Anfechtbarkeit der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse nach § 243 Abs. 1: –
etwa die Nichteinhaltung der Einberufungsfrist gemäß § 123 Abs. 1,18)
–
die Wahl eines unzulässigen Versammlungsorts,19)
–
die Beschlussfassung über einen Gegenstand, der nicht in der Einladung genannt war (§ 124 Abs. 4 Satz 1),20)
–
die Beschlussfassung über einen Unternehmensvertrag, der nicht bekannt gemacht worden war,21)
–
der Beschlussvorschlag eines unterbesetzen Vorstands,22)
–
ein Verstoß gegen die §§ 125 bis 127.23)
–
Eine in der Einladung enthaltene Forderung, dass die Stimmrechtsvollmacht drei Tage vor der Versammlung bei der Gesellschaft eingehen muss, führt ebenfalls zur Anfechtbarkeit.24)
Auch die Frage des Nichtbestehens von Stimmrechten kann als Anfechtungsgrund 14 geltend gemacht werden, sofern es um die sich darauf begründende Teilnahme an Abstimmung in der Hauptversammlung geht.25) In der Praxis empfiehlt es sich deshalb, dass die Gesellschaft die aktienrechtlichen oder kapitalmarktrechtlichen Stimmrechtsmeldungen zumindest auf Plausibilität hin prüft.
_____________ 14) 15) 16) 17) 18)
19) 20) 21) 22) 23) 24) 25)
K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 5. K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 243 Rz. 44. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 243 Rz. 45. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 243 Rz. 45. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.7.2009 – 5 U 139/08, AG 2010, 334, 336; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2009 – 5 U 9/08, AG 2010, 130, 132; OLG München, Urt. v. 17.3.2009 – 5 U 9/08, NZG 2008, 599, 600. BGH, Urt. v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, AG 1985, 188, 189. OLG Brandenburg, Urt. v. 10.11.2010 – 7 U 164/09, AG 2011, 418; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 7. LG München I, Urt. v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06, ZIP 2008, 555, 556. BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, NJW 2002, 1128 = ZIP 2002, 172. LG Stuttgart, Urt. v. 27.1.1994 – 2 KfH O 166/93, DB 1994, 625. LG Dresden, Urt. v. 13.9.1979 – 25 T 65/79, Der Konzern 2007, 461, 462. LG München I, Urt. v. 27.11.2008 – 5 HK O 3928/08, ZIP 2009, 584.
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§ 243
Anfechtungsgründe
15 Fehler bei der Teilnahme bzw. der Durchführung der Hauptversammlung können zur Anfechtung berechtigen: etwa zu strenge Zugangsbeschränkungen,26) unverhältnismäßige oder unnötige Ordnungsmaßnahmen,27) aber auch die überlange Dauer der Hauptversammlung, da Aktionäre ab einem gewissen Punkt nicht mehr aufnahmefähig sind.28) 16 Umstritten ist der Fall des satzungsmäßigen Versammlungsleiters, dessen Abwahl beantragt wird, über dessen Abwahl aber trotz Vorliegens sachlicher Gründe dennoch nicht abgestimmt wird. Das LG Frankfurt am Main und das LG Köln sehen in diesem Vorgang einen ungeschriebenen Nichtigkeitsgrund.29) Das OLG Bremen sieht in der Zurückweisung des Abwahlantrags durch den Versammlungsleiter keinen Nichtigkeitsgrund, sondern einen zur Anfechtung berechtigenden Verfahrensfehler gemäß § 243 Abs. 1.30) Im Schrifttum sind beide Urteile auf Kritik gestoßen. Dort wird in der unterbliebenen Abstimmung nicht einmal ein Anfechtungsgrund erblickt.31) 17 Keine zur Anfechtbarkeit führende Verletzung des Teilnahmerechts stellt es dar, wenn die Gesellschaft die Umschreibung von Namensaktien im Aktienregister vor Durchführung der Hauptversammlung ab einem gewissen Zeitpunkt aussetzt, der sich an der Anmeldefrist orientiert (Umschreibestopp).32) 18 Keine Anfechtbarkeit ergibt sich bei Verstoß gegen § 128.33) 4.
Verstoß gegen Informationspflichten
19 Die mangelhafte Informationserteilung ist ein Verfahrensfehler, der allerdings durch das UMAG in § 243 Abs. 4 speziell geregelt worden ist. § 243 Abs. 4 erlaubt die Anfechtung unter der Voraussetzung, dass ein objektiv urteilender Aktionär die Information zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Rechte benötigt.34) Damit findet die Relevanztheorie (siehe hierzu Rz. 21 und 48) Eingang in das Gesetz;35) darüber hinausgehende Voraussetzungen für die Relevanz von Informationsmängeln sollten durch § 243 Abs. 4 nicht geschaffen werden.36) Mängel bei der Auskunftserteilung gemäß § 131 können nach § 243 Abs. 4 angefochten werden. Parallel dazu kann auch ein Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 angetrebt werden. 5.
Fehler bei Feststellung von Abstimmungsergebnissen
20 Fehler bei der Feststellung von Abstimmungsergebnissen37) sind Verfahrensfehler und können gemäß § 243 Abs. 1 zur Anfechtbarkeit führen. Ein Feststellungsfehler liegt insbesondere vor, wenn Stimmen gezählt wurden, die gemäß § 136 oder anderen Stimmver_____________ 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37)
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.2.2007 – 5 W 43/06, AG 2007, 357 f. = ZIP 2007, 629. BGH, Urt. v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245, 251 ff. LG München I, Urt. v. 12.7.2007 – 5 HK O 9543/07, WM 2008, 77, 80. LG Frankfurt/M., Urt. v. 11.1.2005 – 3-5 O 100/04, AG 2005, 892, 893 = ZIP 2005, 1176; LG Köln, Urt. v. 6.7.2005 – 82 O 150/04, AG 2005, 696, 701. OLG Bremen, Urt. v. 13.11.2009 – 2 U 57/09, AG 2010, 256. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 16 m. w. N. BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08 (Umschreibestopp), ZIP 2009, 2051. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 14. Vgl. auch LG Hannover, Urt. v. 3.12.2009 – 23 O 123/09. Vgl. auch Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 243 Rz. 38; Kersting, ZGR 2007, 319, 327; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3528 f. Kersting, ZGR 2007, 319, 326; a. A.: Noack/Zetsche, ZHR 170 (2006) 218, 226 f. Zu dem Kuriosum von zwei Versammlungsleitern mit zwei Feststellungen von unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen vgl den Fall bei Heller, AG 2009, 278 ff.
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§ 243
Anfechtungsgründe
boten nicht hätten gezählt werden dürfen38) oder wenn gezählte Stimmen in Wahrheit aufgrund von Treuepflichtverstößen oder Gleichbehandlungsverstößen ungültig waren.39) 6.
Relevanz bei Verfahrensfehler
In der Rechtsprechung ist es mittlerweile anerkannt, dass § 243 Abs. 1 mit Hilfe der Rele- 21 vanztheorie einerseits einschränkend ausgelegt werden muss, um zu verhindern, dass schlichtweg jeder Verfahrensfehler zu einer Anfechtbarkeit des Beschlusses führt, was bei strenger Befolgung des Wortlauts der Fall wäre.40) Andererseits ist darauf zu achten, dass das geringe Stimmgewicht von Minderheitsaktionären und die deshalb fehlende Kausalität der Stimmabgabe für das Abstimmungsergebnis nicht regelmäßig die Anfechtung verhindert; insofern wirkt die Relevanztheorie erweiternd.41) Danach kann die Anfechtung nur auf solche Verfahrensfehler gestützt werden, die für die Mitgliedschaft des Aktionärs relevant sind. Das ist anhand einer wertenden Betrachtung, die sich am Normzweck orientiert, festzustellen.42) Entscheidend ist die Beeinträchtigung der Mitverwaltungsrechte als Legitimationsdefizit der Beschlussfassung.43) Nach einer Entscheidung des LG Köln soll die Relevanz von Mängeln bei der Vorberei- 22 tung und Durchführung der Hauptversammlung, insbesondere Mängel bei der Einberufung, in der Regel zu bejahen sein, vorausgesetzt das Teilnahmerecht der Aktionäre werde dabei berührt. Dies gelte auch bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Auslegung von Unterlagen, selbst wenn ein Übersendungsanspruch bestünde, da es möglich erscheint, dass Aktionäre sonst wegen der Unkenntnis der Unterlagen nicht an der Hauptversammlung teilnehmen würden.44) Diese Ansicht ist als zu undifferenziert abzulehnen. Keine Relevanz für das Mitgliedschaftsrecht besteht dagegen nach Ansicht des KG Berlin, 23 falls die Angaben in der Einladung das Erfordernis einer schriftlichen Vollmacht für alle Stimmrechtsvertreter suggerieren, weil sie keine Unterscheidung zwischen Bevollmächtigungen nach § 135 und der Bevollmächtigung sonstiger Dritter enthalten.45) Eine unzureichende Berufsangabe in der Einladung über zur Wahl vorgeschlagene Auf- 24 sichtsratsmitglieder gemäß § 124 Abs. 3 Satz 4 soll nach Ansicht des LG Düsseldorf ebenfalls keine Relevanz haben.46) 7.
Materielle Beschlusskontrolle
Mittlerweile ist in der Rechtsprechung (und auch in der Literatur) anerkannt, dass die 25 Mehrheit der Aktionäre auf die Interessen der Gesellschaft oder der Minderheitsaktionäre Rücksicht nehmen muss, und dass ein Beschluss, dessen materieller Gehalt diese Rücksicht unterlässt, anfechtbar ist (siehe auch oben Rz. 9 f.).47) Auf diese Kriterien kann der _____________ 38) BGH, Urt. v. 24.4.2006 – II ZR 30/05, ZIP 2006, 1134, 1137; Hüffer, AktG, § 243 Rz. 19. 39) Hüffer, AktG, § 243 Rz. 19 m. w. N. 40) BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, NJW 2002, 1128, 1129 = ZIP 2002, 172; BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, NJW 2003, 970, 971 = ZIP 2003, 290; BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, NJW 2005, 828, 830 = ZIP 2004, 2428; Hüffer, AktG, § 243 Rz. 27. 41) K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 243 Rz. 23 f. 42) Hüffer, AktG, § 243 Rz. 13. 43) K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 243 Rz. 24. 44) LG Köln, Urt. v. 17.10.2008 – 82 O 5/08. 45) KG, Urt. v. 21.9.2009 – 23 U 46/09, BB 2009, 2730, dazu EWiR 2010, 37 (Willburger). 46) LG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.2008 – 39 O 144/07. 47) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 (ITT), BGHZ 65, 15, 19; BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76 (Kali + Salz), BGHZ 71, 40, 46; BGH, Urt. v. 19.4.1982 – II ZR 55/81 (Holzmann), BGHZ 83, 319, 321 ff. = ZIP 1982, 689; BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), BGHZ 103, 184, 194 = ZIP 1988, 301.
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§ 243
Anfechtungsgründe
Inhalt des Beschlusses überprüft werden, so dass die gefundene Mehrheit die Beschlussfassung nicht immer rechtfertigen kann. Als Rechtsgrundlage dienen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht und das Gleichbehandlungsgebot.48) 26 Häufiges Beispiel aus der Praxis ist der Bezugsrechtsausschluss bei einer Kapitalerhöhung oder bei der Schaffung eines genehmigten Kapitals. Hierbei muss der Bezugsrechtsausschluss im Gesellschaftsinteresse liegen und sachlich gerechtfertigt sein.49) 27 Die Rechtsprechung hat die Bedeutung der materiellen Beschlusskontrolle im Zusammenhang mit einem Bezugsrechtsausschluss allerdings vor einiger Zeit eingeschränkt, indem der BGH entschieden hat, dass es für die Schaffung eines genehmigten Kapitals ausreicht, wenn die Hauptversammlung von dem mit dem genehmigten Kapital geplanten Vorhaben in abstrakt-genereller Weise Kenntnis erlangt hat und daran ersehen kann, dass der Bezugsrechtsausschluss im Gesellschaftsinteresse liegt.50) 28 Die Kapitalherabsetzung stellt regelmäßig keinen Fall der materiellen Beschlusskontrolle dar.51) Ebenso wenig die Vermögensübertragung gemäß § 179a Abs. 1.52) 29 Umstritten ist, ob Grundlagenbeschlüsse über Verschmelzung, Unternehmensverträge, Mehrheitseingliederung und Umwandlungen mit der materiellen Beschlusskontrolle überprüft werden können. Eine klare Rechtsprechung hierzu fehlt bislang.53) Richtigerweise sind sie einer materiellen Beschlusskontrolle entzogen, da sie ihre materielle Rechtfertigung in sich selber tragen. Gleiches gilt für einen Squeeze out.54) 30 Nicht der materiellen Beschlusskontrolle unterliegen jedenfalls Auflösungsbeschlüsse.55) Benutzt der Mehrheitsaktionär die Auflösung allerdings nicht zur Deinvestition, sondern dazu, die Minderheitsaktionäre endgültig auszuschließen, so kann darin eine Treuepflichtverletzung liegen.56) 31 Auch die nachträgliche Einführung eines Höchststimmrechts kann nach umstrittener Rechtsprechung nicht mit der materiellen Beschlusskontrolle überprüft werden.57) 8.
Satzungsverletzungen
32 Eine Verletzung der Satzung wird ausdrücklich im Gesetz als Anfechtungsgrund genannt. Das gilt nach umstrittener aber zutreffender Ansicht für sämtliche Satzungsbestimmungen.58) Sie entfällt nur bei völlig unerheblichen Verstößen.59) Keine Satzungsverletzung ist der Verstoß gegen eine Geschäftsordnung.60)
_____________ 48) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59) 60)
Hüffer, AktG, § 243 Rz. 21. BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76 (Kali + Salz), BGHZ 71, 40, 46. BGH, Urt. v. 23.6.1997 – II ZR 132/93 (Siemens/Nolde), BGHZ 136, 133, 139 = ZIP 1997, 1497. BGH, Urt. v. 9.2.1998 – II ZR 278/96, BGHZ 138, 71, 76 f. = ZIP 1998, 692 = NJW 1998, 2054. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 243 Rz. 64. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 26 m. w. N. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 13; zum Vorwurf des Rechtsmissbrauchs beim Squeeze out: Bungert, BB 2006, 2761, 2762; Goslar/von der Linden, BB 2009, 1986 ff. BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), BGHZ 103, 184 = ZIP 1988, 301; BGH, Urt. v. 28.1.1980 – II ZR 124/78, BGHZ 76, 352, 353 = ZIP 1980, 275. BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), BGHZ 103, 184, 191 ff. = ZIP 1988, 301. BGH, Urt. v. 15.1.1992 – XII ZR 247/90, BGHZ 70, 117, 121 ff., Hüffer, AktG, § 243 Rz. 28. Heidel-Heidel, § 243 AktG Rz. 8; Grigoleit-Ehmann, AktG, § 243 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 8. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 17.
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§ 243
Anfechtungsgründe 9.
Stimmbindungsverträge
Auf die Verletzung eines Stimmbindungsvertrags kann eine Anfechtung in der Regel 33 nicht gestützt werden, da es sich um schuldrechtliche Nebenvereinbarungen handelt, und nicht um ein Gesetz oder eine Satzungsvorschrift.61) Der BGH hat allerdings in zwei Urteilen zur GmbH entschieden, dass eine Anfechtbar- 34 keit bei Verstoß eines Beschlusses gegen einen Stimmbindungsvertrag möglich sei, wenn alle Gesellschafter dem Vertrag zugestimmt haben.62) III.
Sondervorteile (§ 243 Abs. 2)
1.
Überblick
§ 243 Abs. 2 ist eine besondere Ausgestaltung des Treuepflichtgebots. Die Norm hat nur 35 noch geringe praktische Bedeutung für die Frage des Anfechtungsgrundes, da im Falle ihres Vorliegens auch immer ein Anfechtungsgrund nach § 243 Abs. 1 gegeben sein wird.63) Wichtig ist die Norm aber für die Frage der Anfechtungsbefugnis, da § 245 Nr. 3 im 36 Falle des § 243 Abs. 2 erleichterte Voraussetzungen vorsieht (kein Anwesenheitsbedürfnis für anschließende Anfechtung).64) 2.
Begriff des Sondervorteils
Ein Sondervorteil ist jeder Vorteil unerheblich wie er erlangt worden ist, der als sach- 37 widrige Bevorzugung des Aktionärs oder Dritten erscheint.65) Die aktuelle Rechtsprechung hat als Sondervorteile bspw. angesehen:
38
–
die günstige und schnelle Unternehmensübernahme, bei der der Mehrheitsgesellschafter durch einen Auflösungsbeschluss die Interessen der Minderheit übergeht;66)
–
das Zustandebringen eines Zustimmungsbeschlusses zum Aktientausch durch den Mehrheitsgesellschafter, wenn dieser dadurch um 200 Mio. DM begünstigt wird;67)
–
das Übergehen einer Pachtofferte des Minderheitsgesellschafters bezüglich eines Betriebspachtvertrags zugunsten des für die Gesellschaft ungünstigeren Angebots des Mehrheitsgesellschafters;68)
–
das Ausnutzen eines vorübergehenden Stimmrechtsausschluss für den Beschluss einer Kapitalerhöhung am Wochenende,69)
–
das Zustandebringen eines Verschmelzungsbeschlusses durch den Mehrheitsaktionär, wenn dieser dadurch als Darlehensgläubiger des übertragenden Rechtsträgers mit dem übernehmenden Rechtsträger einen neuen Schuldner mit besserer Kapitalausstattung erhält.70)
_____________ 61) Hüffer, AktG, § 243 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 19. 62) BGH, Urt. v. 20.1.1983 – II ZR 243/81, NJW 1983, 1910, 1911 = ZIP 1983, 297; BGH, Urt. v. 27.10.1986 – II ZR 240/85, NJW 1987, 1890, 1892 = ZIP 1987, 293. 63) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 20. 64) Vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 20. 65) BGH, Urt. v. 9.2.1998 – II ZR 278/96, NJW 1998, 2054, 2056 = ZIP 1998, 692; Hüffer, AktG, § 243 Rz. 35 m. w. N. 66) BGH, Urt. v. 28.1.1980 – II ZR 124/78, BGHZ 76, 352, 357 = ZIP 1980, 275. 67) LG München I, Urt. v. 17.5.2001 – 5 HK O 15414/99, AG 2002, 301. 68) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.2.1973 – 13 U 2/72, AG 1973, 136, 137. 69) BGH, Beschl. v. 20.4.2009 – II ZR 148/07, ZIP 2009, 1317 = NZG 2009, 827; OLG Schleswig, Urt. v. 31.5.2007 – 5 U 177/06, AG 2008, 129, 131 ff. = ZIP 2007, 2214. 70) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.3.2012 – 5 AktG 4/11, ZIP 2012, 766 = NZG 2013, 140.
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§ 243
Anfechtungsgründe
39 In Betracht kommt ein Sondervorteil auch, wenn eine enge Verknüpfung zwischen einem sog. Business Combination Agreement und einem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag besteht und dem Vorstand der Gesellschaft in Erstgenanntem ein Vorteil gewährt wird.71) 40 Kein Sondervorteil sind Steuervorteile des Mehrheitsaktionärs bei Formwechsel in eine GmbH & Co. KG.72) Auch eine Satzungsänderung, wonach zugunsten eines Aktionärs ein Entsenderecht für Aufsichtsratsmitglieder begründet wird, stellt keinen Sondervorteil dar.73) Ebenso wenig kann die Änderung des Unternehmensgegenstandes ein Sondervorteil sein, da er keiner sachlichen Rechtfertigung bedarf.74) 3.
Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre
41 Diesem Merkmal kommt kaum eigene Bedeutung zu. Es muss durch den Sondervorteil ein Schaden eintreten oder eintreten können, der mit dem Sondervorteil im Kausalzusammenhang steht oder stehen würde.75) 4.
„Zu erlangen suchte“
42 § 243 Abs. 2 setzt einen beschränkten Vorsatz auf den Erwerb des Sondervorteils voraus. Bedingter Vorsatz genügt.76) 5.
Ausschluss gemäß § 243 Abs. 2 Satz 2
43 Die Anfechtung nach § 243 Abs. 2 Satz 1 (und nur diese) ist gemäß § 243 Abs. 2 Satz 2 ausgeschlossen, wenn der in Frage stehende Beschluss einen Ausgleich enthält. Der Wortlaut des Satzes 2 könnte nahelegen, als gelte der Anfechtungsausschluss auch dann, wenn ein Schaden der Gesellschaft besteht und die Minderheitsaktionäre hierfür einen Ausgleich erhalten. Das kann aber aus Gläubigerschutzgesichtspunkten nicht sein, da sonst die Mehrheit durch Ausgleich der Minderheit über das Gesellschaftsvermögen verfügen könnte.77) Ausgleich bedeutet nicht Naturalrestitution i. S. des § 249 BGB, sondern eine wirtschaftliche Kompensation für den Schaden.78) Schuldner des Ausgleichs ist der Empfänger (Aktionär, Dritte) des Sondervorteils, nicht die Gesellschaft.79) 6.
Verhältnis § 243 und § 311
44 Nach zutreffender h. M. stehen § 243 Abs. 2 und die §§ 311 ff. nebeneinander, so dass die Anfechtung wegen Erlangung eines Sondervorteils von den §§ 311 ff. nicht berührt wird.80) Auch im faktischen Konzern ist eine Anfechtung daher gemäß § 243 Abs. 2 Satz 2 nur ausgeschlossen, wenn der Beschluss eine Ausgleichsregelung gewährt. In seiner HVB/ Unicredit-Entscheidung hat der BGH sich zudem der Ansicht angeschlossen, wonach im _____________ 71) 72) 73) 74) 75) 76) 77) 78) 79) 80)
OLG München, Beschl. v. 14.12.2011 – 7 AktG 3/11, ZIP 2012, 773 = NZG 2012, 261. BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 29/03, AG 2005, 613, 614 = ZIP 2005, 1318. OLG Hamm, Urt. v. 31.3.2008 – 8 U 222/07, BB 2008, 1136, 1137 f. = ZIP 2008, 1530. OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.12.1993 – 6 U 2/93, AG 1994, 228. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 33. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 34. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 40. Spindler/Stilz-Würthwein, AktG, § 243 Rz. 232; Hüffer, AktG, § 243 Rz. 38. Spindler/Stilz-Würthwein, AktG, § 243 Rz. 226. BGH, Urt. v. 26.6.2012 – II ZR 30/11, ZIP 2012, 1753 = NZG 2012, 1030; Hüffer, AktG, § 243 Rz. 43; K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 243 Rz. 58; Spindler/Stilz-Würthwein, AktG, § 243 Rz. 219 ff.
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Daniel Epe
§ 243
Anfechtungsgründe
faktischen Konzern für einen Nachteil, der durch einen Hauptversammlungsbeschluss veranlasst wird, bereits in diesem Hauptversammlungsbeschluss eine Ausgleichsregelung enthalten sein müsse; ein Ausgleich erst zum Ende des Geschäftsjahres (§ 311 Abs. 2 Satz 1) sei in dem Fall nicht möglich.81) IV.
Ausschluss der Anfechtung (§ 243 Abs. 3)
§ 243 Abs. 3 Nr. 1 bezieht sich vor allem auf die Online-Teilnahme.82) Grobe Fahr- 45 lässigkeit meint die Verletzung eines jedermann einleuchtenden Mindestmaßes an organisatorischer und technischer Sorgfalt.83) § 243 Abs. 3 Nr. 2 schließt die Anfechtung von Beschlüssen börsennotierter Gesellschaften 46 wegen Verletzung ihrer Weiterleitungspflicht an Medien zur Verbreitung in der EU ausdrücklich aus (§ 121 Abs. 4a), sowie bei Verletzung der Pflicht zur Veröffentlichung im Internet (§§ 124a) und bei Verstoß eines Kreditinstituts gegen seine Weiterleitungspflicht aus § 128. § 243 Abs. 3 Nr. 3 ordnet hinsichtlich der Anfechtung der Abschlussprüferwahl eine ver- 47 drängende Spezialität des § 318 Abs. 3 HGB an.84) Das Ersetzungsverfahren des § 318 Abs. 3 HGB hat damit Vorrang vor der Anfechtung. V.
Anfechtung wegen mangelhafter Informationserteilung (§ 243 Abs. 4)
Für die Anfechtung wegen mangelhafter Informationserteilung (unrichtige, unvollständige 48 oder verweigerte Erteilung) stellt § 243 Abs. 4 Satz 1 zusätzliche beschränkende Voraussetzungen auf. In § 243 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 wird ein konkret auf die mangelhafte Informationserteilung zugeschnittenes Relevanzerfordernis normiert, das für eine Anfechtung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 vorliegen muss. Aufgrund dieses Relevanzerfordernisses ist ein Beschluss anfechtbar, wenn eine wertende Betrachtung, die sich am Zweck der Norm orientiert, zu dem Ergebnis kommt, dass aufgrund des Eingriffs in die Mitgliedsrechte der auskunftsverlangenden Aktionäre die Anfechtbarkeit gerechtfertigt erscheint.85) Dem hypothetischen Abstimmungsverhalten, also ob ein Aktionär bei Kenntnis der Information anders abgestimmt hätte, kommt hierbei keine Bedeutung zu.86) Unter einem objektiv urteilenden Aktionär ist ein Aktionär zu verstehen, der vernünftig 49 und im wohlverstandenen Unternehmensinteresse handelt, wobei er keine kurzfristigen Ziele verfolgt, sondern nur die langfristige Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeit im Blick hat.87) Als wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung der Teilnahme- und Mitgliedschafts- 50 rechte wurde in der Rechtsprechung etwa die Erteilung folgender Informationen angesehen: –
Bei einem Beschluss über die Auslagerung von Vertrieb und Produktion in eine Tochtergesellschaft, soll die Informationserteilung über die Geschäftsplanung und den Umsatz der Gesellschaft wesentlich sein.88)
_____________ 81) 82) 83) 84) 85) 86) 87) 88)
BGH, Urt. v. 26.6.2012 – II ZR 30/11, ZIP 2012, 1753 = NZG 2012, 1030. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 44. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 44. OLG München, Urt. v. 24.9.2008 – 7 U 4230/07, WM 2009, 265, 270 = ZIP 2009, 1667; Hüffer, AktG, § 243 Rz. 44c. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 46a; dazu auch: BGH, Urt. v. 12.11.2011 – II ZR 225/99, NJW 2002, 1128, 1129 = ZIP 2002, 172; BGH, Urt. v. 28.10.2004 – II ZR 250/02, NJW 2005, 828, 829 = ZIP 2004, 2428. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 31. Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 26; krit.: K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 243 Rz. 32. LG München I, Urt. v. 30.8.2007 – 5 HK O 2797/07, WM 2007, 2111, 2114.
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§ 243
Anfechtungsgründe
–
Bei einem Beschluss über die Entlastung des Vorstands ist die Informationserteilung über das Verjähren lassen von Ansprüchen gegen Dritte durch den Vorstand als wesentlich betrachtet worden.89)
–
Ein zur Anfechtung berechtigender Informationsmangel gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 liegt bei der Entlastung des Aufsichtsrats etwa dann vor, wenn der Hauptversammlung nur unzureichende Aufsichtsratsberichte vorgelegt wurden.90)
–
Wesentlich ist die Information, die der objektiv urteilende Aktionär benötige, um sich eine sachgerechte Meinung zur Beschlussvorlage zu bilden.91)
51 Zwischen Ziff. 5.4.1 Abs. 5 des DCGK und § 243 Abs. 4 ergeben sich Abweichungen hinsichtlich des Maßstabs der zu erteilenden Information: Laut Kodex soll (Empfehlung) der Wahlvorschlag für einen Aufsichtsratskandidaten die persönlichen und geschäftlichen Beziehungen des Kandidaten zu den Organen, der Gesellschaft und einem wesentlichen Aktionär offenlegen, die nach der Einschätzung des Aufsichtsrats ein objektiv urteilender Aktionär für seine Wahlentscheidung als maßgebend ansehen würde. Nach § 243 Abs. 4 kann ein Beschluss hingegen angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teil- und Mitgliedschaftsrechte angesehen hätte. Es kommt also in Ziff. 5.4.1 Abs. 5 auf die Sichtweise des Aufsichtsrats und in § 243 Abs. 4 auf die Sichtweise eines objektiven Aktionärs an. Kodex und Gesetz laufen in diesem Punkt daher nunmehr auseinander. 52 Kein Fall des § 243 Abs. 4 ist in der unterbliebenen Versendung von Informationsunterlagen im Vorfeld der Hauptversammlung zu sehen. Hierbei handelt es sich vielmehr um einen allgemeinen Verfahrensfehler.92) 53 In § 243 Abs. 4 Satz 2 wird der Vorrang des Spruchverfahrens gegenüber der Anfechtungsklage angeordnet, sofern ersteres anwendbar ist.93) Die Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach nur für Mängel der Informationserteilung, die in der Hauptversammlung zu Tage getreten sind. Für Informationsmängel außerhalb der Hauptversammlung kommt die Anfechtungsklage nach wie vor in Betracht. Kein Fall der mangelhaften Information i. S. des § 243 Abs. 4 Satz 2 ist die vollständige Verweigerung einer Information, da der Wortlaut diese Handlungsalternative nicht nennt. VI.
Ablauf der richterlichen Prüfung bei eintragungspflichtigen Beschlüssen
54 In der Praxis prüft das Registergericht bei eintragungspflichtigen Beschlüssen, ob sie formell und materiell rechtmäßig sind. Kommt es zu dem Ergebnis, dass der Beschluss formell oder materiell rechtswidrig ist, kann es das Verfahren gemäß § 381 FamFG aussetzen. Grundsätzlich soll der Registerrichter den Beschluss nicht vor Ablauf der Anfechtungsfrist eintragen. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist kann und muss der Registerrichter auch ohne erfolgte Anfechtung die Eintragung dann zurückweisen, wenn der Beschluss gegen Vorschriften verstößt, die im öffentlichen Interesse liegen. Beruhte die Anfechtbarkeit auf der Verletzung anderer Vorschriften, wird der Beschluss eingetragen.
_____________ 89) 90) 91) 92) 93)
LG Frankfurt/M., Urt. v. 22.11.2006 – 3/4 O 68/06, NZG 2007, 197, 198. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.2.2008 – I-6 U 197/06, FD-HGR 2008, 270718. LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.6.2008 – 3-5 O 158/07, NZG 2009, 149. KG Berlin, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223. Hüffer, AktG, § 243 Rz. 47b.
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Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse
§ 244
Verlangt das Gesetz eine Negativerklärung der Verwaltungsorgane, wonach die Verwal- 55 tungsmitglieder erklären müssen, dass keine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen erhoben wurden, besteht eine Registersperre bis diese Erklärung abgegeben wurde. Bei allen anderen Beschlüssen hat das Gericht den erwähnten Entscheidungsspielraum, ob es das Verfahren gemäß § 381 FamFG aussetzt. Ein einstweiliger Rechtsschutz ist möglich; Voraussetzungen sind glaubhaft gemachter 56 Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch.
§ 244 Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse 1 Die Anfechtung kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Hauptversammlung den anfechtbaren Beschluß durch einen neuen Beschluß bestätigt hat und dieser Beschluß innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. 2Hat der Kläger ein rechtliches Interesse, daß der anfechtbare Beschluß für die Zeit bis zum Bestätigungsbeschluß für nichtig erklärt wird, so kann er die Anfechtung weiterhin mit dem Ziel geltend machen, den anfechtbaren Beschluß für diese Zeit für nichtig zu erklären.
Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Voraussetzungen ............................... 3 III. Wirkung des Bestätigungsbeschlusses ........................................ 10 I.
IV. Feststellung der zeitweisen Nichtigkeit (§ 244 Satz 2) .............. 13 V. Prozessuale Vorgehensweise .......... 14
Überblick
Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit einen Beschlussmangel auf einfache Weise durch 1 Bestätigungsbeschluss zu beheben, was durch eine bloße Neuvornahme sonst nicht immer möglich wäre (z. B. wenn die angefochtene Kapitalerhöhung bereits im Handelsregister eingetragen ist oder ein Unternehmensvertrag aufgrund mangelhaften Beschlusses bereits geschlossen ist).1) Die Norm bezweckt Rechtssicherheit, da sie durch den Ausschluss der Anfechtung die 2 Zweifel an der Gültigkeit angefochtener Beschlüsse auszuräumen vermag.2) II.
Voraussetzungen
Die Hauptversammlung muss erklären, ihren ersten Beschluss als gültig anerkennen zu 3 wollen, obwohl er aufgrund eines oder mehrerer Mängel anfechtbar ist.3) Nichtige Beschlüsse können nicht bestätigt werden, es bedarf eines anfechtbaren Be- 4 schlusses.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Vgl. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 244 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 244 Rz. 1. BGH, Urt. v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, NJW 2004, 1165 = ZIP 2004, 310; Hüffer, AktG, § 244 Rz. 2. OLG Stuttgart, Urt. v. 6.5.2004 – 20 U 16/03, AG 2004, 457 = ZIP 2004, 1456; LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 1378/12, ZIP 2012, 2209 = NZG 2012, 1310.
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§ 244
Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse
5 Der Bestätigung zugänglich sind Beschlüsse, die aufgrund falscher Feststellungen des Versammlungsleiters hinsichtlich der gültigen Stimmen zustande gekommen sind,5) oder denen ein Verfahrensfehler anlastet, da die Hauptversammlung das Verfahren dann den Vorschriften entsprechend durchführen kann.6) Bei Inhaltsfehlern ist hingegen problematisch, dass der inhaltliche Fehler des (Erst-)Beschlusses auch dem Beschluss anhaftet, der den (Erst-)Beschluss (inhaltlich) bestätigt. Allerdings ist auch hier ein Bestätigungsbeschluss möglich, da es denkbar ist, dass der Kläger die fristgerechte Anfechtung des Bestätigungsbeschlusses versäumt bzw. unterlässt, und der Bestätigungsbeschluss dann seine Wirkung entfalten könnte.7) 6 Zu den Beschlüssen, die der Bestätigung zugänglich sind, gehört laut BGH auch die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern.8) 7 Zum Ausschluss der Anfechtung muss der Bestätigungsbeschluss gültig und wirksam sein. Die Anfechtbarkeit des Bestätigungsbeschlusses steht dem Ausschluss der Anfechtung hinsichtlich des Erstbeschluss nicht entgegen,9) und zwar selbst dann nicht, wenn er denselben Mangel wie der Erstbeschluss aufweist.10) Wird der Bestätigungsbeschluss angefochten, kann die bestätigende Wirkung nur durch ablehnende rechtskräftige Entscheidung über diese Anfechtungsklage eintreten.11) 8 Unterliegen Erstbeschluss und Bestätigungsbeschluss demselben Mangel, so bedarf es einer Doppelanfechtung.12) Wird nur der Erstbeschluss angefochten, kann der Bestätigungsbeschluss trotz identischen Mangels die Anfechtung ausschließen. 9 Änderungen der Rechts- oder Sachlage im Zeitraum zwischen dem Erstbeschluss und dem Bestätigungsbeschluss sollen nach dem BGH für die Rechtmäßigkeit des Bestätigungsbeschlusses unerheblich sein.13) Es soll also für die Beurteilung allein auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erstbeschlusses abgestellt werden.14) Das kann jedoch nur für den Beschlussinhalt und bestimmte Beschlussvoraussetzungen, nicht aber für das Verfahren des Zustandekommens des Beschlusses gelten. Des Weiteren müssen Erst- und Bestätigungsbeschluss inhaltlich übereinstimmen, was gerade nicht der Fall ist, wenn inhaltliche Mängel eines Beschlusses durch Änderung des zugrunde liegenden Sachverhalts korrigiert werden sollen (z. B. Änderung eines Business Combination Agreement, das mit einem angefochtenen Unternehmensvertrag in rechtlicher Einheit steht). Die Hauptversammlung bestätigt dann nicht den ursprünglichen Beschluss, sondern bildet einen neuen Regelungswillen.15) III.
Wirkung des Bestätigungsbeschlusses
10 Die Rechtsfolge von § 244 liegt darin, dass die Anfechtung des Erstbeschlusses nicht mehr geltend gemacht werden kann. Damit erfolgt nach h. M. eine materiell-rechtliche _____________ 5) BGH, Urt. v. 12.12.2005 – II ZR 253/03, AG 2006, 158, Rz. 17 f. = ZIP 2006, 227; OLG Stuttgart, Urt. v. 6.5.2004 – 20 U 16/03, AG 2004, 457 = ZIP 2004, 1456. 6) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 244 Rz. 3; a. A. wohl LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 1378/12, ZIP 2012, 2209, 2211 = NZG 2012, 1310. 7) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 244 Rz. 3. 8) BGH, Beschl. v. 1.8.2010 – II ZR 24/10, AG 2010, 709. 9) Hüffer, AktG, § 244 Rz. 3. 10) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 244 Rz. 7. 11) Hüffer, AktG, § 244 Rz. 3. 12) LG München I, Urt. v. 10.12.2009 – 5 HK O 13261/08, AG 2010, 173, 177 = ZIP 2010, 283. 13) BGH, Urt. v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, NJW 2004, 1165, 1166 = ZIP 2004, 310. 14) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 244 Rz. 9. 15) OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12, ZIP 2012, 2439.
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Bestätigung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse
§ 244
Heilung des Erstbeschlusses und nicht bloß der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für die Anfechtungsklage.16) Nach der Rechtsprechung des BGH soll diese Wirkung allerdings nur ex nunc und nicht 11 rückwirkend auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Erstbeschlusses eintreten.17) Ein Bestätigungsbeschluss, der den Mangel des Erstbeschluss vermeidet, dafür aber aus 12 anderen Gründen angefochten und für nichtig erklärt wird, kann den Erstbeschluss nicht heilen, da ein Hauptversammlungsbeschluss nur insgesamt für nichtig erklärt werden kann und die Vermeidung einzelner Mängel daher nicht hilft.18) IV.
Feststellung der zeitweisen Nichtigkeit (§ 244 Satz 2)
Falls der Anfechtungskläger ein Interesse daran hat, den Erstbeschluss für die Zeit bis 13 zum Bestätigungsbeschluss für nichtig zu erklären, so eröffnet ihm § 244 Satz 2 die Möglichkeit seine ursprüngliche Anfechtungsklage trotz Heilungswirkung nach § 244 Satz 1 mit diesem Ziel aufrechtzuerhalten. Das kann der (seltene) Fall sein, wenn die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds angefochten wird und die Gültigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses von der Stimme dieses Mitglieds abhängt, der Anfechtungskläger aber aus seiner Aktionärseigenschaft ein besonderes Interesse an der Vernichtung des Aufsichtsratsbeschlusses geltend machen kann.19) V.
Prozessuale Vorgehensweise
Die Anfechtungsklage gegen den Erstbeschluss wird mit der Heilung abweisungsreif, so 14 dass der Kläger die Erledigung der Hauptsache erklären muss, wenn er eine Klageabweisung vermeiden will.20) Das anschließende Vorgehen bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Erledigungserklärung. Bei Doppelanfechtung (siehe oben Rz. 8) liegt eine nachträgliche objektive Klagehäufung 15 vor, die gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig ist (auch noch im Berufungsverfahren).21) Das Gericht kann nach § 148 ZPO die Verhandlung über die Anfechtungsklage aussetzten, bis über die Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss entschieden ist. Umstritten ist, ob die Gesellschaft auch noch in der Revisionsinstanz einen zwischen 16 Berufung und Revision ergangenen Bestätigungsbeschluss vorbringen kann, da im Revisionsverfahren nur das Parteivorbringen der Berufungsinstanz überprüft werden kann.22) Wurden Erstbeschluss und Bestätigungsbeschluss angefochten, so ist das Verfahren über 17 die (Erst-)Anfechtungsklage auszusetzen bis zur Entscheidung über den ebenfalls angefochtenen Bestätigungsbeschluss, da sonst die Ausgangsbeschlüsse rechtskräftig für nichtig erklärt werden könnten, wodurch der Bestätigungsbeschluss keine Heilungswirkung mehr erzielen würde.23) Ein Bestätigungsbeschluss entzieht auch einer positiven Feststellungklage hinsichtlich des 18 Erstbeschlusses die Grundlage.24) _____________ 16) Hüffer, AktG, § 244 Rz. 5 m. w. N.; Wasmann in: Festgabe Riegger, S. 47, 49. 17) BGH, Urt. v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, NJW 2004, 1165, 1166 = ZIP 2004, 310; BGH, Urt. v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, NZG 2004, 235, 236 = ZIP 2004, 310. 18) OLG Hamburg, Urt. v. 23.12.2010 – 11 U 185/09, ZIP 2011, 1209. 19) Vetter/van Laak, ZIP 2008, 1806, 1808. 20) Hüffer, AktG, § 244 Rz. 8. 21) Hüffer, AktG, § 244 Rz. 9. 22) Bejahend: Hüffer, AktG, § 244 Rz. 10 m. w. N. 23) BGH, Beschl. v. 11.8.2010 – II ZR 24/10, AG 2010, 709. 24) BGH, Beschl. v. 11.8.2010 – II ZR 24/10, AG 2010, 709.
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§ 245
Anfechtungsbefugnis
§ 245 Anfechtungsbefugnis Zur Anfechtung ist befugt 1. jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und gegen den Beschluß Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat; 2. jeder in der Hauptversammlung nicht erschienene Aktionär, wenn er zu der Hauptversammlung zu Unrecht nicht zugelassen worden ist oder die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen oder der Gegenstand der Beschlußfassung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden ist; 3. im Fall des § 243 Abs. 2 jeder Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte; 4. der Vorstand; 5. jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats, wenn durch die Ausführung des Beschlusses Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn sie ersatzpflichtig werden würden. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Der in der Hauptversammlung erschienene Aktionär (§ 245 Nr. 1) ...................................... 5 III. Der in der Hauptversammlung nicht erschienene Aktionär (§ 245 Nr. 2) .................................... 12 I.
IV. Anfechtung wegen Sondervorteil (§ 245 Nr. 3) ..................................... 17 V. Anfechtung durch den Vorstand (§ 245 Nr. 4) ..................................... 19 VI. Anfechtung durch ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats (§ 245 Nr. 5) ............. 21 VII. Missbrauch der Anfechtung ......... 22
Überblick
1 § 245 regelt die Anfechtungsbefugnis zur Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses. Anfechtungsbefugt sind: der in der Hauptversammlung anwesende Aktionär, sofern er die Vorbesitzzeit erfüllt und in der Hauptversammlung seinen Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat (§ 245 Nr. 1); der nicht anwesende Aktionär, sofern er zu Unrecht nicht zur Hauptversammlung zugelassen wurde, die Einberufung der Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß erfolgt war oder die Tagesordnung nicht richtig bekannt gemacht wurde (§ 245 Nr. 2); der Aktionär, der das Verfolgen eines Sondervorteils durch einen anderen Aktionär beklagen will (§ 245 Nr. 3), der Vorstand (§ 245 Nr. 4); ein Mitglied von Vorstand oder Aufsichtsrat, wenn sie sich sonst durch Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses schadensersatzpflichtig machen würden (§ 245 Nr. 5). 2 Das Anfechtungsrecht ist nach ganz h. M. ein subjektives Recht1) und keine prozessuale Befugnis.2) Dementsprechend ist die Anfechtungsklage bei Fehlen der Anfechtungsbefugnis unbegründet, nicht unzulässig.3) _____________ 1) 2) 3)
Hüffer, AktG, § 245 Rz. 2. So K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 1. BGH, Beschl. v. 11.6.2007 – II ZR 152/06, AG 2007, 863, 865 = ZIP 2007, 2122; OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.11.1986 – 15 U 78/84, WM 1987, 533, 536.
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§ 245
Anfechtungsbefugnis
Der Zweck von § 245 besteht darin, die Personen, die zur Anfechtung befugt sein sollen, 3 klar zu benennen und dadurch, diesen Personen die Anfechtungsmöglichkeit zu gewährleisten.4) Nach der Rechtsprechung des BGH bleibt die Anfechtungsbefugnis des § 245 Nr. 1 bis 3 4 nach Handelsregistereintragung eines Übertragungsbeschlusses gemäß § 327a bestehen, wenn die Eintragung nach fristgerechter Klageeinreichung aber vor Zustellung erfolgt.5) II.
Der in der Hauptversammlung erschienene Aktionär (§ 245 Nr. 1)
Die Aktionärseigenschaft wird durch den Erwerb bzw. das Halten von bereits nur einer 5 Aktie begründet, und zwar unerheblich davon, ob das Stimmrecht der Aktien wegen der Aktiengattung (z. B. stimmrechtslose Vorzugsaktien) oder kraft Gesetzes oder auf sonstige Weise ausgeschlossen ist.6) Problematisch ist der Fall einer Aktie, die mehreren Berechtigten zusteht. Gemäß § 69 6 Abs. 1 könnte das Anfechtungsrecht eigentlich nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausgeübt werden. Für die Erbengemeinschaft hat die Rechtsprechung entschieden, dass § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB Vorrang vor § 18 Abs. 1 GmbHG (das Äquivalent zu § 69 Abs. 1) haben soll.7) Daraus wird teilweise abgeleitet, dass dies auch für § 69 Abs. 1 gelten muss und daher auch der einzelne Mitberechtigte Anfechtungsklage erheben kann.8) Der Aktionär ist erschienen, wenn er entweder persönlich anwesend ist (auch nur zeit- 7 weise) oder wenn eine offene oder verdeckte Stellvertretung für ihn besteht.9) Anderes soll nur gelten, wenn der Aktionär zu Unrecht des Präsenzbereichs verwiesen wurde.10) Auch der Aktionär, der einen Dritten gemäß § 129 Abs. 3 ermächtigt hat (Legitimationszession) gilt als erschienen und ist daher anfechtungsberechtigt.11) Nicht erschienen ist ein Aktionär, wenn er einem Legitimationsaktionär i. R. von § 129 Abs. 3 Satz 1 nur das Stimmrecht übertragen hat, aber nicht den Besitz oder ein Surrogat an seinen Inhaberaktien übergeben hat.12) Im Falle einer Treuhand ist der Treuhänder, nicht der Treugeber anfechtungsberechtigt.13) Der nach § 118 Abs. 1 Satz 2 online teilnehmende Aktionär ist mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift richtigerweise nicht als erschienen und mithin nicht nach § 245 Nr. 1 anfechtungsbefugt zu betrachten. § 245 Nr. 1 fordert eine Vorbesitzzeit, d. h. der Aktionär muss die Aktien vor Bekannt- 8 machung der Tagesordnung erworben haben. Bei Namensaktien bedeutet dies, dass der Aktionär vor Bekanntmachung bereits im Aktienregister gemäß § 67 Abs. 2 eingetragen war.14) Werden mehrere Gesellschaftsblätter von der AG verwendet, so kommt es für § 245 Nr. 1 auf die Bekanntmachung im zuletzt veröffentlichten Blatt an.15) Der Aktionär muss Widerspruch gegen den Beschluss zur Niederschrift erklärt haben, 9 um anfechtungsberechtigt zu sein. Widerspruch ist die Erklärung des Aktionärs, dass er _____________ 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15)
Hüffer, AktG, § 245 Rz. 1. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055 = BB 2011, 1613 m. Anm. Ihrig/Seibel. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 5. BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 246/88, BGHZ 108, 21, 31 = ZIP 1989, 913. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 6; vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 11. OLG München, Beschl. v. 28.7.2010 – 7 AktG 2/10, ZIP 2011, 1147. Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 49. KG Berlin, Beschl. v. 10.12.2009 – 23 AktG 1/09, ZIP 2010, 180 = NZG 2010, 224. BGH, Urt. v. 15.4.1957 – II ZR 34/56, BGHZ 24, 119, 124. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 7. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 7.
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Anfechtungsbefugnis
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses hat und diesen nicht gegen sich gelten lassen wolle.16) Auch wenn der teilnehmende Legitimationsaktionär den Widerspruch erklärt, bleibt Anfechtungsberechtigter nur der wahre Aktionär; das soll bei Namensaktien selbst dann gelten, wenn der Legitimationsaktionär in das Aktienregister eingetragen ist.17) Das bloße Stimmen gegen den Beschlussantrag genügt dem Widerspruchserfordernis nicht.18) Der Widerspruch bedarf keiner Begründung, es muss aber klar erkennbar sein gegen welchen Punkt des Beschlusses er sich richtet.19) Er muss in der Hauptversammlung erklärt werden, d. h. nach Beendigung der Hauptversammlung ist der Widerspruch nicht mehr möglich.20) Er kann schon vor Beschlussfassung erklärt werden, was nötig ist, wenn der Aktionär nicht die gesamte Hauptversammlung über anwesend sein will.21) 10 Strittig ist, ob auf das Erfordernis eines Widerspruchs für die Anfechtungsbefugnis verzichtet werden kann, wenn der Anfechtungsgrund während der Hauptversammlung nicht erkennbar war. Die h. M. im Schrifttum nimmt dies an.22) In der Rechtsprechung ist dazu noch keine feste Praxis erkennbar, weshalb bei Unklarheiten über den Anfechtungsgrund immer Widerspruch in der Hauptversammlung erhoben werden sollte. 11 Ist ein Übertragungsbeschluss i. R. eines Squeeze out-Verfahrens verfrüht in das Handelsregister eingetragen und dem Aktionär dadurch die Anfechtungsklage eigentlich verwehrt, kommt, nach Aussage des BVerfG, eine verfassungsrechtlich gebotene Auslegung von § 245 Nr. 1 in Betracht, wonach der Aktionär trotzdem auch nach der verfrühten Registereintragung zur Anfechtung berechtigt ist.23) Eine analoge Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO zur Begründung einer Anfechtungsbefugnis scheidet hingegen aus.24) III.
Der in der Hauptversammlung nicht erschienene Aktionär (§ 245 Nr. 2)
12 § 245 Nr. 2 setzt zunächst voraus, dass der Aktionär nicht erschienen ist, d. h. er ist weder persönlich anwesend, noch offen oder verdeckt vertreten, noch ist ein Legitimationsaktionär für ihn anwesend.25) Vorübergehende Anwesenheit führt dazu, dass der Aktionär nur gemäß § 245 Nr. 1 anfechtungsbefugt ist. Dies gilt ausnahmsweise nicht im Falle eines unberechtigten Saalverweises (hier gilt § 245 Nr. 2); ist der Saalverweis zu Recht ausgesprochen worden, so verbleibt es bei den Voraussetzungen der § 245 Nr. 1.26) Dies wurde in der Rechtsprechung jüngst bestätigt.27) 13 Zu Unrecht nicht zugelassen i. S. des § 245 Nr. 2 Alt. 1 ist der Aktionär, wenn ihm, seinem Vertreter oder einem legitimierten Dritten der Zutritt zur Hauptversammlung trotz Bestehens und Nachweises der Berechtigung nicht gewährt wird.28) Eine unrechtmäßige _____________ 16) 17) 18) 19) 20) 21)
22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)
K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 13. LG München I, Urt. v. 30.7.2009 – 5 HKO 16915/08, AG 2010, 47, dazu EWiR 2010, 39 (Linnerz). Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 51; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 13. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 14. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 14. BGH, Beschl. v. 11.6.2007 – II ZR 152/06, AG 2007, 863, 865 = ZIP 2007, 2122; BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, WM 2009, 459 Rz. 17 = ZIP 2009, 460; KG Berlin, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223. K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 245 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 16 m. w. N. BVerfG, Beschl. v. 9.12.2009 – 1 BvR 1542/06, ZIP 2010, 571. OLG München, Urt. v. 3.3.2010 – 7 U 4744/09, ZIP 2010, 725; BVerfG, Beschl. v. 9.12.2009 – 1 BvR 1542/06, ZIP 2010, 571. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 19; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 17. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 17; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 245 Rz. 44. OLG München, Beschl. v. 28.7.2010 – 7 AktG 2/10, ZIP 2011, 1147. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 18.
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§ 245
Anfechtungsbefugnis
Nichtzulassung soll sogar dann vorliegen, wenn dem Aktionär wegen Verweigerung einer unzumutbaren Einsichtnahme in Taschen der Zutritt verweigert wird.29) Das erscheint jedoch in den Fällen nicht überzeugend, in denen die Gesellschaft begründeten Anlass dazu hat, um die Taschen auf Gefahrquellen zu kontrollieren und andere Kontrollmechanismen wie Durchleuchtungsapparaturen nicht zur Verfügung stehen. Nichtzulassung eines Bevollmächtigten allein wegen Fehlens der Eintrittskarte stellt unzweifelhaft einen Fall der unrechtmäßigen Nichtzulassung dar.30) Um keine unrechtmäßige Nichtzulassung handelt es sich, wenn der Zutritt wegen eines 14 Fehlers verweigert wird, der durch das zwischengeschaltete Kreditinstitut begangen wurde und nicht durch die Gesellschaft.31) Gemäß § 245 Nr. 2 Alt. 2 ist der nicht erschienene Aktionär auch dann zur Anfechtung 15 berechtigt, wenn die Einberufung der Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß war. Das ist der Fall bei Verletzung der §§ 121 bis 123 und nach h. M. im Schrifttum auch bei Verletzung der §§ 125 bis 127.32) Gemäß § 245 Nr. 2 Alt. 2 ergibt sich ein Anfechtungsrecht des nicht erschienen Aktio- 16 närs schließlich dann, wenn der Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. Um einen Bekanntmachungsfehler handelt es sich bei Verletzung der § 124 Abs. 1 bis Abs. 3.33) IV.
Anfechtung wegen Sondervorteil (§ 245 Nr. 3)
Für die Anfechtung eines Beschlusses, bei der ein Aktionär durch Ausübung seines 17 Stimmrechts einen Sondervorteil zu erlangen sucht, muss der Aktionär nicht in der Hauptversammlung anwesend gewesen sein und es bedarf auch keines Widerspruchs zur Niederschrift. Hintergrund ist, dass das Zustandekommen eines solchen Beschlusses sittenwidrig ist.34) Nach dem BGH erfasst der temporäre Rechtsverlust gemäß § 20 Abs. 7 aufgrund Unter- 18 bleibens einer Mitteilung nach § 20 Abs. 1 bis 4 nur die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 und 2, nicht aber das Anfechtungsrecht gemäß § 245 Nr. 3, wenn die nach § 20 erforderliche Mitteilung vor Ablauf der Anfechtungsfrist erfolgt.35) V.
Anfechtung durch den Vorstand (§ 245 Nr. 4)
Der Vorstand als Organ ist gemäß § 245 Nr. 4 ohne weitere Formalien anfechtungsbe- 19 rechtigt. Zur Ausübung des Anfechtungsrechts muss der Vorstand die Erhebung der Anfechtungsklage im Vorfeld entsprechend beschließen. Dem Anfechtungsrecht steht nicht entgegen, dass der Vorstand in der Hauptversammlung den Beschluss vorgeschlagen oder seine Mitglieder für den Beschluss gestimmt haben.36) Wird die AG abgewickelt, steht das Recht aus § 245 Nr. 4 dem Abwickler zu.37) Befindet 20 sich die AG im Insolvenzverfahren, gilt § 245 Nr. 4 für den Insolvenzverwalter nur dann _____________ 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37)
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.2.2007 – 5 W 43/06, AG 2007, 357 f. = ZIP 2007, 629. OLG München, Urt. v. 12.11.1999 – 23 U 3319/99, NZG 2000, 553, 555 = ZIP 2000, 272. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 18. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 22; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 19; K. Schmidt in: GroßKommAktG, § 245 Rz. 27; Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 53. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 20. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 24. BGH, Beschl. v. 20.4.2009 – II ZR 148/07, ZIP 2009, 1317. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 28. Hüffer, AktG, § 245 Rz. 29.
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Anfechtungsbefugnis
wenn sich die Anfechtung gegen Beschlüsse richtet, die sich auf die Insolvenzmasse auswirken.38) VI.
Anfechtung durch ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats (§ 245 Nr. 5)
21 Anfechtungsberechtigt sind unter den Voraussetzungen des § 245 Nr. 5 auch die einzelnen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Voraussetzung ist, dass die klagende Person im Zeitpunkt der Klagerhebung (noch nicht zwingend bei Beschlussfassung) Mitglied von Vorstand oder Aufsichtsrat ist.39) In der Praxis kommt eine solche Anfechtung jedoch nur äußerst selten vor. VII. Missbrauch der Anfechtung 22 Eine rechtsmissbräuchliche Anfechtungsklage liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die der Klage zugrunde liegende Absicht des Aktionärs darauf gerichtet ist, von der Gesellschaft eine Leistung zu erlangen, auf die der Aktionär keinen Anspruch hat, wobei er aber dennoch davon ausgeht, dass die Gesellschaft zur Vermeidung weiterer aus der Anfechtungsklage resultierender Nachteile leisten wird.40) Es reicht aus, wenn sich diese Absicht erst während des Klageprozesses herausbildet.41) 23 Zur Feststellung des Rechtsmissbrauchs hat die Rechtsprechung mittlerweile einen nicht abschließenden Katalog verschiedener Indizien aufgestellt.42) Ein solches Indiz ist die Verhaltensweise des Klägers in anderen Verfahren,43) wenn er schon an anderer Stelle in jüngster Zeit versucht hat Sondervorteile durch Erhebung der Anfechtungsklage zu erlangen, oder das Herantreten des Klägers an die Gesellschaft, um über einen finanziellen Vergleich zu verhandeln.44) Die Indizwirkung kann widerlegt werden, etwa wenn der Kläger Fälle nachweisen kann, in denen er mit einer Anfechtungsklage Interessen der Gesellschaft verfolgt hat.45) Eine abschließende Beschreibung der Missbrauchsfälle ist nicht möglich, so dass nur eine einzelfallbezogene Beurteilung bleibt.46) 24 Beweisanzeichen sind nach Ansicht der Rechtsprechung nicht in der Tatsache zu sehen, dass der oder die Aktionäre formelle Beschlussmängel zur Überprüfung stellen oder lediglich über einen geringen Aktienbesitz verfügen. Auch falls die Kläger in der Vergangenheit eine Vielzahl aktienrechtlicher Verfahren geführt haben, wird darin allein nicht immer ein Beweisanzeichen gesehen.47)
_____________ 38) Str.; vgl. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 30; Hüffer, AktG, § 245 Rz. 29. 39) Hüffer, AktG, § 245 Rz. 31. 40) BGH, Urt. v. 22.5.1989 – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, 311 = ZIP 1989, 980; BGH, Urt. v. 18.12.1989 – II ZR 254/88, WM 1990, 140, 144 = ZIP 1990, 168; BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 146/89, AG 1991, 102, 104 = ZIP 1990, 1560; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.3.2002 – 20 W 32/01, AG 2003, 456, 457; LG Hamburg, Urt. v. 22.12.2008 – 418 O 106/07, ZIP 2009, 686, 687. 41) BGH, Urt. v. 14.10.1991 – II ZR 249/90, WM 1991, 2061, 2062 = ZIP 1991, 1577; OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 6.11.1990 – 5 U 191/84, AG 1991, 206, 207. 42) Vgl. die Übersicht bei Martens/Martens, AG 2009, 173, 175 f. 43) BGH, Urt. v. 22.5.1989 – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, 312 f. = ZIP 1989, 980; BGH, Urt. v. 29.10.1990 – II ZR 146/89, AG 1991, 102, 104 = ZIP 1990, 1560. 44) BGH, Urt. v. 25.9.1989 – II ZR 254/88, NJW 1990, 322 = ZIP 1989, 1388. 45) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 245 Rz. 43. 46) Hüffer, AktG, § 245 Rz. 24. 47) Vgl. KG Berlin, Urt. v. 29.10.2010 – 14 U 96/09, ZIP 2011, 123; OLG Köln, Urt. v. 15.1.2009 – 18 U 205/07, ZIP 2009 1469.
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§ 246
Anfechtungsklage
Die Rechtsfolge bei Rechtsmissbrauch liegt in dem Verlust der Anfechtungsbefugnis. 25 Damit wird die Klage unbegründet.48) Insgesamt haben die Reformen der letzten Jahre den Missbrauch der Anfechtungsklage 26 eindämmen können.49) Allerdings wurden vielfach geforderte weitere Änderungen noch nicht umgesetzt.50) _____________ 48) Hüffer, AktG, § 245 Rz. 26; a. A. K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 245 Rz. 75 f. – „unzulässig“. 49) Vgl hierzu: Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629; Baums/Drinhausen, ZIP 2008, 145; Florstedt, AG 2009, 465; Verse, NZG 2009, 1127; Tielmann, WM 2007, 1686; krit.: Koch/Wackerbeck, ZIP 2009, 1603; grundlegend: Zöllner, AG 2000, 145. 50) Habersack, AG 2009, 1, 12 f.; K. Schmidt, AG 2009, 248, 255 f.
§ 246 Anfechtungsklage (1) Die Klage muß innerhalb eines Monats nach der Beschlußfassung erhoben werden. (2) 1Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten. 2Die Gesellschaft wird durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. 3Klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratsmitglied, wird sie durch den Vorstand vertreten. (3) 1Zuständig für die Klage ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. 2Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet diese an Stelle der Zivilkammer. 3§ 148 Abs. 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. 4Die mündliche Verhandlung findet nicht vor Ablauf der Monatsfrist des Absatzes 1 statt. 5Die Gesellschaft kann unmittelbar nach Ablauf der Monatsfrist des Absatzes 1 eine eingereichte Klage bereits vor Zustellung einsehen und sich von der Geschäftsstelle Auszüge und Abschriften erteilen lassen. 6Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. (4) 1Der Vorstand hat die Erhebung der Klage und den Termin zur mündlichen Verhandlung unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. 2Ein Aktionär kann sich als Nebenintervenient nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung an der Klage beteiligen. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anfechtungsfrist (§ 246 Abs. 1) ..... 10 III. Richtige Beklagte (§ 246 Abs. 2) ... 15 I.
IV. Zuständigkeit (§ 246 Abs. 3) .......... 21 V. Bekanntmachung (§ 246 Abs. 4) ... 23
Überblick
Die Vorschrift regelt die Anfechtungsfrist, die richtige Beklagte, die Zuständigkeiten für 1 das Anfechtungsverfahren und die Bekanntmachungspflichten betreffend die Erhebung einer Klage. Die Norm muss zum einen im Zusammenhang mit §§ 243, 245 gesehen werden, mit 2 denen sie das Institut der Anfechtungsklage bildet. Zum anderen gibt es verschiedene prozessuale Vorschriften, die mit § 246 in Verbindung stehen können.
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§ 246
Anfechtungsklage
3 Aktivlegitimiert ist der aus § 245 Anfechtungsbefugte. Bei einer Vielzahl von Anfechtungsklägern sind diese notwendige Streitgenossen gemäß § 62 Alt. 1 ZPO. 4 Einen Nebenintervenienten gemäß § 66 Abs. 1 ZPO kann es auf beiden Seiten geben. Um als Nebenintervenient beitreten zu können, muss es sich um eine parteifähige Person handeln, also einen Aktionär oder ein Mitglied von Vorstand und Aufsichtsrat.1) Der Vorstand als Organ kann grundsätzlich nur auf Klägerseite intervenieren.2) Nebenintervention kann auch nach Ablauf der Monatsfrist nach § 246 Abs. 1 erklärt werden, im Falle des Aktionärs aber nur i. R. von § 246 Abs. 4.3) § 246 Abs. 4 gilt nur für die Nebenintervention auf der Klägerseite, da nur dann eine Beteiligung an der Klage vorliegt.4) Der Nebenintervenient wird gemäß §§ 61, 69 ZPO Streitgenosse. 5 Für die Anfechtungsklage bedarf es eines Rechtsschutzbedürfnisses. Nicht erforderlich ist, dass der Kläger durch den Verstoß bei Beschlussfassung persönlich betroffen ist.5) 6 Der Streitgegenstand der Anfechtungsklage bestimmt sich nach Ansicht des BGH aus dem Klageantrag und dem Lebenssachverhalt der Beschlussfassung unter Einschluss aller Ereignisse in der Hauptversammlung, die zur Anfechtung dieses Beschlusses befugen.6) Auf diese Weise entsteht ein sog. „einheitlicher Streitgegenstand“7), der sämtliche Beschlussmängel zusammenfasst, mit der Folge, dass ein Beschluss, über den hinsichtlich eines Beschlussmangels ein abweisendes rechtskräftiges Urteil ergangen ist, nicht mehr wegen eines anderen Beschlussmangels durch den ursprünglichen Kläger angegriffen werden kann.8) 7 Im prozessualen Verfahren der Anfechtungsklage gilt für den Kläger der Dispositionsgrundsatz.9) Auch für die beklagte Gesellschaft gilt grundsätzlich der Dispositionsgrundsatz.10) Bei Letzerer ist allerdings problematisch, dass die Gesellschaft durch ihre Prozesshandlungen darüber (mit-)entscheiden könnte, den angefochtenen Beschluss nichtig werden zu lassen, z. B. durch Hinnehmen eines Versäumnisurteils oder durch Nichtbestreiten von Klägervorträgen. Vorstand und Aufsichtsrat dürfen aber nicht über einen Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung disponieren. Nach h. M. darf die beklagte Gesellschaft im Prozess dennoch Tatsachen zugestehen, Versäumnisurteile hinnehmen und Anerkenntnisurteile bewirken.11) Einen Vergleich, der die Wirkung des Beschlusses betrifft, darf die Gesellschaft hingegen nicht schließen.12) Ein Vergleich soll nach h. M. aber möglich sein, wenn er die Wirkung des Beschlusses nicht berührt, z. B. Klagerück_____________ 1) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 5; a. A. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 30. 2) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 5; a. A. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 30. 3) BGH, Beschl. v. 23.4.2007 – II ZB 29/05, NZG 2007, 675 Rz. 11 ff. = ZIP 2007, 1528; vgl. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 5. 4) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 40. K. Schmidt/Lutter-Schwab, § 246 Rz. 30. 5) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 9. 6) BGH, Urt. v. 22.7.2002 – II ZR 286/01, NJW 2002, 3465, 3466 = ZIP 2002, 1684. 7) BGH, Hinweisbeschl. v. 10.7.2012 – II ZR 122/10 (KG), NZG 2012, 1222; krit.: Bork, NZG 2002, 1094. 8) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 2. 9) Grigoleit-Ehmann, AktG, § 246 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 246 Rz. 16; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246 Rz. 48. 10) Grigoleit-Ehmann, AktG, § 246 Rz. 24; Hüffer, AktG, § 246 Rz. 17; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246 Rz. 49. 11) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246 Rz. 28 f.; Hüffer, AktG, § 246 Rz. 17; Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 79. a. A. Grigoleit-Ehmann, AktG, § 246 Rz. 24; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246 Rz. 51. 12) Grigoleit-Ehmann, AktG, § 246 Rz. 24; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246 Rz. 30; Hüffer, AktG, § 246 Rz. 18; Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 79; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246 Rz. 50.
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§ 246
Anfechtungsklage
nahme gegen Übernahme der Prozesskosten.13) Abzulehnen ist die Ansicht, wonach eine Verpflichtung der Gesellschaft, den Beschluss nicht auszuführen, möglich sein soll, da es sich dabei um eine Umgehung des Vergleichsverbots handelt.14) Streitigkeiten über Hauptversammlungsbeschlüsse sind nicht schiedsfähig, weder durch 8 Satzungsregelung noch Nebenvereinbarung.15) Mit der positiven Beschlussfeststellungsklage kann der nach Auffassung des Klägers 9 eigentlich zustande gekommene Beschluss festgestellt werden. Diese ist nur statthaft, wenn über den festzustellenden Beschluss überhaupt in der Hauptversammlung abgestimmt wurde.16) Ihr Verfahren richtet sich nach den §§ 241 ff., insbesondere nach § 246 Abs. 1 und § 245, entsprechend.17) II.
Anfechtungsfrist (§ 246 Abs. 1)
Die Anfechtungsfrist beträgt einen Monat nach Beschlussfassung und kann nicht ver- 10 längert oder verkürzt werden. Es handelt sich nach h. M. in Schrifttum und Rechtsprechung um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, weshalb die Klage bei Verstreichen unbegründet, nicht unzulässig wird.18) Keine Anwendung finden die §§ 233 ff. ZPO und § 538 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 ZPO, sowie die Vorschriften §§ 203 ff. BGB über die Hemmung der Verjährung.19) Die Fristberechnung erfolgt nach den §§ 187 ff. BGB. Fristbeginn ist gemäß § 187 11 Abs. 1 der Tag, der der beschlussfassenden Hauptversammlung folgt. Für das Fristende ist § 188 Abs. 2 maßgeblich. § 193 BGB findet Anwendung. Zur Wahrung der Anfechtungsfrist muss die Klage samt Darlegung der Anfechtungs- 12 gründe20) erhoben sein, was mit Zustellung der Fall ist oder wenn gemäß § 167 ZPO die Klage rechtzeitig eingereicht ist und die Zustellung demnächst erfolgt.21) Bei der Zustellung ist die Doppelvertretung der AG gemäß § 246 Abs. 2 Satz 2 zu beachten, weshalb sie Vorstand und Aufsichtsrat zugestellt werden muss. Es genügt aber, dass die Klageschrift an jeweils ein Mitglied von Vorstand und Aufsichtsrat übergeben wird.22) Durch Einreichung bei einem unzuständigen Gericht kann die Frist nach h. M. gewahrt werden.23) Das erscheint mit Blick auf die dadurch in der Praxis für die Gesellschaft und die übrigen Aktionäre bestehende Unsicherheit mehr als unbefriedigend. Durch Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags kann die Anfechtungsfrist nicht gewahrt werden.24)
_____________ 13) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 18; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246 Rz. 30; Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 79; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246 Rz. 50. 14) A. A. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 18. 15) Anders bei der GmbH: BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 255/08, ZIP 2009 1003 = NZG 2009, 620; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 9.9.2010 – 26 SchH 4/10, NZG 2011, 629. 16) OLG Köln, Urt. v. 6.6.2012 – 18 U 240/11, NZG 2012, 946. 17) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 43. 18) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 20; LG München I, Urt. v. 27.11.2008 – 5 HKO 3928/08, NZG 2009, 226, 227; BGH Urt. 22.2.2002 – V ZR 251/00, NJW 2002, 3465; a. A. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 4. 19) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 20 und 21. 20) BGH, Urt. v. 9.11.1991 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 157 = ZIP 1992, 1728; BGH, Urt. v. 26.9.1994 – II ZR 236/93, NJW 1995, 260, 261 = ZIP 1994, 1857. 21) Hüffer, AktG, § 246 Rz. 23; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 7. 22) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246 Rz. 59. 23) H. M. vgl. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 8. 24) OLG Celle, Beschl. v. 25.3.2010 – 9 W 19/10, ZIP 2011, 1198.
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§ 246
Anfechtungsklage
13 Der Anfechtungskläger muss innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 die Gründe in ihrem wesentlichen Kern darlegen. Nachgeschobene Anfechtungsgründe sind dagegen nicht mehr zu berücksichtigen.25) Zum wesentlichen Kern gehört bei Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses die Benennung der konkreten Handlung des zu Entlastenden, auf der ein Rechtsverstoß beruhen soll. Bei Anfechtung wegen Verstoßes gegen § 131 gehört die einzelne Frage, die nach Klägeransicht unzureichend beantwortet wurde, zum wesentlichen Kern und muss dementsprechend angegeben werden.26) Wird die unrichtige Beantwortung geltend gemacht, muss innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 auch die betreffende Antwort bezeichnet werden; der Kläger kann die Unrichtigkeit der Auskunftserteilung nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht aus der Antwort einer anderen Frage herleiten, deren Beantwortung er nicht fristgerecht gerügt hat.27) 14 Das OLG Frankfurt am Main hat in einem obiter dictum seiner Neigung Ausdruck verliehen, eine analoge Anwendung des § 246 Abs. 1 auf die allgemeine Feststellungklage abzulehnen, da schon die Nichtigkeitsklage gemäß § 249 nicht der Verfristung des § 246 Abs. 1 unterliegt.28) III.
Richtige Beklagte (§ 246 Abs. 2)
15 Die richtige Beklagte der Anfechtungsklage ist gemäß § 246 Abs. 2 Satz 1 die Gesellschaft. Strittig ist, ob die Vorschrift die Passivlegitimation29) der Gesellschaft oder ihre passive Prozessführungsbefugnis30) begründet. 16 In der Insolvenz der Gesellschaft ist nach der Rechtsprechung hinsichtlich des Beklagten zu differenzieren: Führt die stattgegebene Anfechtungsklage zu einer Verkleinerung der Insolvenzmasse, ist die Klage gegen den Insolvenzverwalter zu richten.31) Bleibt die Anfechtungsklage für die Insolvenzmasse ohne Folge oder vergrößert sich die Insolvenzmasse, ist die Gesellschaft nach wie vor die richtige Beklagte.32) 17 Bei einer Liquidation bleibt die Gesellschaft nach dem BGH bis zu deren Abschluss in der Form der Abwicklungsgesellschaft die richtige Beklagte.33) In dem Fall wird sie durch die Abwickler vertreten. 18 Im Fall von Umwandlungsmaßnahmen muss unterschieden werden zwischen den einzelnen Maßnahmen und dem Stadium des Umwandlungsprozesses:34) –
Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme bzw. Neugründung bleibt bis zur Eintragung bzw. Vollzug der Verschmelzung die Gesellschaft passivlegitimiert. Nach Eintragung ist der aufnehmende bzw. neu gegründete Rechtsträger aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge passivlegitimiert.35)
–
Bei einer Abspaltung zur Aufnahme bzw. Neugründung bleibt die Gesellschaft die richtige Beklagte.
_____________ 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35)
K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 11. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.11.2010 – 20 U 2/10, ZIP 2010, 2349. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 7.9.2010 – 5 U 187/09, AG 2011, 631. H. M. vgl. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246 Rz. 47. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 13. RG, Urt. v. 6.5.1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 246 ff.; BGH, Urt. v. 10.3.1960 – II ZR 56/59, BGHZ 32, 114, 121 f. RG, Urt. v. 6.5.1911 – Rep. I 164/10, RGZ 76, 244, 246 ff. BGH, Urt. v. 14.12.1961 – II ZR 97/59, BGHZ 36, 207, 208. Vgl. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246 Rz. 50 f. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 16.
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§ 246
Anfechtungsklage –
Im Falle einer Aufspaltung sind die Rechtsträger, die Teile der Gesellschaft erhalten haben, als notwendige Streitgenossen gemäß § 62 ZPO passivlegitimiert.
–
Bei einem Formwechsel bleibt die Gesellschaft die richtige Beklagte, nur in neuer Rechtsform, auch dann wenn die neue Rechtsform keine Anfechtungsklage kennt.36)
In Abweichung von § 78 gilt bei Anfechtungsklagen von Aktionären gemäß § 246 Abs. 2 19 Satz 2 die sog. Doppelvertretung, d. h. die Gesellschaft wird durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Auf diese Weise ist es dem Vorstand unmöglich, in Absprache mit dem Kläger den mehrheitlichen Hauptversammlungsbeschluss zu kippen. Gemäß § 246 Abs. 2 Satz 3 wird die Gesellschaft bei einer Anfechtungsklage durch den 20 Vorstand vom Aufsichtsrat alleine vertreten, bei Anfechtungsklagen durch den Aufsichtsrat vertritt der Vorstand alleine die Gesellschaft. Die Vorschrift führt dazu, dass kein Organ gleichzeitig klagen und vertreten kann. Für den Fall, dass Vorstand und Aufsichtsrat klagen ist gemäß § 57 ZPO ein Prozesspfleger für die Gesellschaft zu bestellen.37) IV.
Zuständigkeit (§ 246 Abs. 3)
In § 246 Abs. 3 ist eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts am Sitz der Gesell- 21 schaft angeordnet.38) Dabei ist die aus dem Verweis auf § 148 Abs. 2 Satz 3 und 4 folgende Möglichkeit einer landesgesetzlich begründeten Zuständigkeitskonzentration zu beachten. Richtet sich die Klage gegen einen Beschluss einer verschmolzenen Gesellschaft, ist nach Erlöschen der übertragenden Gesellschaft am Sitz der übernehmenden Gesellschaft zu klagen.39) Die jeweilige Kammer für Handelssachen ist funktional zuständig, falls es keine gibt entscheidet die Zivilkammer.40) § 246 Abs. 3 Satz 4 ist i. V. m. Satz 6 zu sehen, wodurch gewährleistet werden soll, dass von Anfang an mehrere Prozesse miteinander verbunden werden können.41) Gemäß § 246 Abs. 3 Satz 6 ist die Prozessverbindung mehrerer Verfahren zwingend vorgeschrieben. Nach § 246 Abs. 3 Satz 5 ist Akteneinsicht für die Gesellschaft nach Ablauf der Monats- 22 frist aber schon vor der Zustellung der Klage möglich, da manche Kläger versuchen die Zustellung hinaus zu schieben, damit ein Freigabeantrag gemäß § 246a nicht ohne weiteres vorbereitet werden kann.42) Für den Antrag auf Akteneinsicht gilt richtigerweise nicht die Vertretungsregelung des § 246 Abs. 2. Vielmehr wird die Gesellschaft hierbei allein durch den Vorstand vertreten, weil dieser die Gesellschaft auch in dem Freigabeverfahren allein vertritt, dessen Vorbereitung die Akteneinsicht in der Regel dient. V.
Bekanntmachung (§ 246 Abs. 4)
§ 246 Abs. 4 verpflichtet den Vorstand zur Bekanntmachung der Klageerhebung und des 23 Termins zur mündlichen Verhandlung in den Gesellschaftsblättern und zwar unverzüglich. Auf diese Weise erfolgt die Information und Warnung der interessierten Öffentlichkeit.43) _____________ 36) 37) 38) 39) 40) 41) 42) 43)
K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 246 Rz. 36. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 20. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 37; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246 Rz. 21. LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.9.2006 – 3-05 O 42/06, NZG 2007, 120. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 37. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 38. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 38a. Hüffer, AktG, § 246 Rz. 40.
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§ 246a
Freigabeverfahren
24 In § 246 Abs. 4 Satz 2 wird dem Aktionär, der als Nebenintervenient beitreten möchte, eine Frist auferlegt. Verfassungsrechtliche Bedenken sind in der Rechtsprechung bislang zurückgewiesen worden, weil die Vorschrift dem Gesetzeszweck der Beschränkung von Anfechtungsklagen dient; die Nebenintervention soll nicht besser stehen als die Klage selbst.44) _____________ 44) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.3.2010 – 5 W 10/10, ZIP 2010, 1153.
§ 246a Freigabeverfahren (1) 1Wird gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über eine Maßnahme der Kapitalbeschaffung, der Kapitalherabsetzung (§§ 182 bis 240) oder einen Unternehmensvertrag (§§ 291 bis 307) Klage erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Gesellschaft durch Beschluss feststellen, dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. 2Auf das Verfahren sind § 247, die §§ 82, 83 Abs. 1 und § 84 der Zivilprozessordnung sowie die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. 3Über den Antrag entscheidet ein Senat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. (2) Ein Beschluss nach Absatz 1 ergeht, wenn 1. die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, 2. der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 Euro hält oder 3. das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor. (3) 1Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen; einer Güteverhandlung bedarf es nicht. 2In dringenden Fällen kann auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden. 3Die vorgebrachten Tatsachen, auf Grund deren der Beschluss ergehen kann, sind glaubhaft zu machen. 4Der Beschluss ist unanfechtbar. 5Er ist für das Registergericht bindend; die Feststellung der Bestandskraft der Eintragung wirkt für und gegen jedermann. 6Der Beschluss soll spätestens drei Monate nach Antragstellung ergehen; Verzögerungen der Entscheidung sind durch unanfechtbaren Beschluss zu begründen. (4) 1Erweist sich die Klage als begründet, so ist die Gesellschaft, die den Beschluss erwirkt hat, verpflichtet, dem Antragsgegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus einer auf dem Beschluss beruhenden Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses entstanden ist. 2Nach der Eintragung lassen Mängel des Beschlusses seine Durchführung unberührt; die Beseitigung dieser Wirkung der Eintragung kann auch nicht als Schadensersatz verlangt werden. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
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§ 246a
Freigabeverfahren Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anwendungsbereich (§ 246a Abs. 1) .................................... 4 III. Materielle Voraussetzung (§ 246a Abs. 2) .................................... 6 I.
IV. Prozessuales Verfahren (§ 246a Abs. 3) ................................. 14 V. Schadensersatzanspruch (§ 246a Abs. 4) ................................. 15
Überblick
Das Freigabeverfahren ist Bestandteil eines Systems zur Verhinderung des Missbrauchs 1 der Anfechtungsklage.1) Der rechtmissbräuchlich handelnde Aktionär, der die Anfechtungsklage nur zur Erlangung eines Sondervorteils erhebt, soll hinsichtlich bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse nicht die Möglichkeit haben, die Gesellschaft zu blockieren. § 246a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 regeln die materiellen Voraussetzungen für das Frei- 2 gabeverfahren. In § 246a Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie in § 246a Abs. 3 werden Verfahrensanforderungen und Rechtswirkung des Freigabeverfahrens normiert: Erforderlich ist ein Antrag der Gesellschaft, bei dem der Vorstand gemäß § 78 die Gesellschaft vertritt. Zuständig für den Antrag ist das OLG des Bezirkes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Es handelt sich um ein Eilverfahren nach den Vorschriften der ZPO. Antragsgegner ist der Anfechtungskläger,2) sowie jeder streitgenössische Nebenintervenient.3) Das OLG entscheidet als Senat durch unanfechtbaren Beschluss (§ 246a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 und 4). Eine Entscheidung soll spätestens innerhalb von drei Monaten gemäß § 246a Abs. 3 Satz 6 ergehen. Auf eine mündliche Verhandlung kann in dringenden Fällen verzichtet werden. Gemäß § 246a Abs. 3 Satz 3 reicht hinsichtlich der Beweiserhebung für im Antrag vorgebrachte Tatsachen deren Glaubhaftmachung aus. Der Beschluss ist für das Registergericht gemäß § 246a Abs. 3 Satz 5 bindend. Das soll allerdings nur hinsichtlich des oder der konkreten Beschlussmängel gelten, die in den Klagen geltend gemacht wurden, über die das Freigabeverfahren ergangen ist.4) Daher sollte der Freigabeantrag in der Praxis stets nicht nur entweder die Unzulässigkeit oder die offensichtliche Unbegründetheit geltend machen, sondern beide Punkte sowie das vorrangige Vollzugsinteresse umfassen.5) § 246a Abs. 4 regelt den Fall, das die Anfechtungsklage sich im Nachhinein als begründet 3 erweist. Die Gesellschaft ist dem Kläger dann zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Verschulden der Gesellschaft ist insoweit unerheblich.6) Zu ersetzen ist der kausale Schaden. Ist der angefochtene Beschluss bereits eingetragen, kann seine Beseitigung gemäß § 246a Abs. 4 nicht mehr gefordert werden. II.
Anwendungsbereich (§ 246a Abs. 1)
Ein Freigabeverfahren ist dem Wortlaut von § 246a Abs. 1 Satz 1 nach nur für Hauptver- 4 sammlungsbeschlüsse über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung, der Kapitalherabsetzung (§§ 182 bis 240) oder einen Unternehmensvertrag (§§ 291 bis 307) möglich. Ein Freigabeverfahren, wie § 246a es regelt, findet sich daneben auch für die Eingliederung in § 319 Abs. 6, für den Squeeze out in § 327e Abs. 2. sowie für die Verschmelzung in § 16 _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246a Rz. 2. OLG Jena, Beschl. v. 12.10.2006 – 6 W 452/06, AG 2007, 31, 32 = ZIP 2006, 1989. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246a Rz. 29. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246a Rz. 34. Bürgers/Körber-Göz, AktG, 2. Aufl. 2011, § 246a Rz. 5. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246a Rz. 36.
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§ 246a
Freigabeverfahren
Abs. 3 UmwG. Auf andere Maßnahmen ist § 246a weder direkt noch entsprechend anwendbar.7) 5 Durch den Verweis in § 249 Abs. 1 Satz 1 gilt § 246a nicht nur bei Anfechtungs-, sondern auch bei Nichtigkeitsklagen. III.
Materielle Voraussetzung (§ 246a Abs. 2)
6 Für einen Freigabebeschluss muss einer der Fälle des § 246a Abs. 2 Nr. 1 bis 3 vorliegen: –
Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit der Klage (§ 246a Nr. 1),
–
fehlender Nachweis des Mindestaktienbesitzes (§ 246a Nr. 2);
–
überwiegendes Interesse der Gesellschaft am Vollzug des Beschlusses (§ 246a Nr. 3).
7 Ist die Klage unzulässig, ergeht ein Beschluss zur Freigabe. Anders als bei der Begründetheit, prüft das Gericht die Zulässigkeit abschließend.8) Für die Prüfung der Begründetheit i. R. von § 246a Abs. 2 Nr. 1 ist es nach der Rechtsprechung entscheidend, dass die Sach- und Rechtslage eindeutig ist, d. h. ein anderes Ergebnis nicht ernsthaft vertreten werden kann.9) Der genaue Prüfungsmaßstab und -umfang ist im Einzelnen umstritten.10) Richtigerweise muss das Gericht eine umfassende rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhalts und der glaubhaft gemachten Tatsachen vornehmen und zu einer kaum anders vertretbaren Beurteilung kommen.11) Eine kursorische rechtliche Prüfung, auch in einem summarischen Verfahren, reicht nicht aus.12) Das bedeutet, dass die Rechtsfragen der Klage vollständig durch das Gericht zu prüfen sind. Hinsichtlich der Tatfragen auf Tatbestandsseite ist hingegen keine umfängliche Prüfung erforderlich, sondern es genügt gemäß § 246a Abs. 3 Satz 3 die Glaubhaftmachung dieser Tatsachen.13) Das wirkt sich in praktischer Hinsicht auf die Gestaltung des Freigabeantrags aus: Zu den betreffenden Rechtsfragen sind detaillierte Ausführungen zu machen und Meinungsstände zu relevanten Rechtsstreiten sind umfassend im Freigabeantrag darzustellen. Bei Tatsachen genügt die Glaubhaftmachung. Beispielsweise muss für die Beatwortung der Frage, ob eine Aktie unter ihrem Wert verkauft wurde, nicht der Wert der Aktie durch das Gericht festgestellt werden, sondern es genügt, dass die betreffende Partei den Wert der Aktie zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft macht. 8 Eindeutig erkennbar ist die Sach- und Rechtslage u. a. dann, wenn die betreffende Rechtsfrage bereits vom BGH entschieden wurde.14) Für das prüfende Gericht ist entscheidend, dass eine andere Entscheidung als die Abweisung der Klage unvertretbar erscheint, wobei maßgebend die Sicherheit ist, mit der das Gericht die Unbegründetheit im Eilverfahren _____________ 7) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246a Rz. 1; Hüffer, AktG, § 246a Rz. 4; Gölz/Holzborn, WM 2006, 157, 161. 8) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246a Rz. 2. 9) OLG München, Beschl. v. 12.11.2008 – 7 W 1775/08, NZG 2009, 506, 507 = ZIP 2009, 416; OLG München, Beschl. v. 3.9.2008 – 7 W 1432/08, AG 2008, 746, 747 = ZIP 2008, 2117; KG, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, AG 2009, 30, 32 = ZIP 2009, 1223; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.12.2006 – 7 W 78/06, ZIP 2007, 270, 271; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2004 – I-16 W 63/ 03, AG 2004, 207, 208 = ZIP 2004, 359; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246a Rz. 3; Hüffer, AktG, § 246a Rz. 17. 10) Vgl. Darstellung bei Bürgers/Körber-Göz, AktG, 2. Aufl. 2011, § 246a Rz. 4. 11) Zum Freigabeverfahren beim Squeeze out: OLG München, Beschl. v. 6.7.2011 – 7 AktG 1/11, ZIP 2011, 2199; zum Freigabeverfahren gem. § 16 UmwG: OLG München, Beschl. v. 4.11.2009 – 7 A 2/09, ZIP 2010, 84 = AG 2010, 170; OLG München, Beschl. v. 3.9.2008 – 7 W 1432/08, AG 2008, 746, 747 = ZIP 2008, 2117. 12) OLG München, Beschl. v. 4.11.2009 – 7 A 2/09, ZIP 2010, 84 = AG 2010, 170. 13) Grigoleit-Ehmann, AktG, § 246a Rz. 6; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246a Rz. 22. 14) BGH, Beschl. v. 29.5.2006 – II ZB 5/06, NJW 2006, 2924, 2925 = ZIP 2006, 1151.
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§ 246a
Freigabeverfahren
prognostizieren kann; die Sicherheit kann auch dann noch gegeben sein, wenn einzelne Rechtsfragen in Literatur und Rechtsprechung umstritten sind.15) Ein Freigabebeschluss hat auch dann zu ergehen, wenn der klagende Aktionär nicht seit 9 der Bekanntmachung der Einberufung mindestens 1.000 € des Nennbetrags vom Grundkapital hält und dies nicht innerhalb einer Woche nach Zustellung des Freigabeantrags durch Vorlage von Urkunden bei Gericht nachweist.16) Nach der jüngsten Rechtsprechung des OLG München kommt es dabei auf das tatsächliche Halten der Aktien an. Bei Namensaktien ist daher nicht der Zeitpunkt der Eintragung im Aktienregister entscheidend.17) Sinn und Zweck von § 246a Abs. 2 Nr. 2 ist es zu verhindern, dass sich Aktionäre mit einem verschwindend geringen Anteil an Klagen anderer Aktionäre beteiligen (sog. Trittbrettfahrer).18) In der Rechtsprechung ist streitig, ob der Kläger den Anteilsbesitz auch dann nachweisen muss, wenn die beklagte AG ihn nicht bestreitet.19) Es reicht nicht aus, dass der Kläger den erforderlichen Besitz allein zu einem bestimmten Stichtag, z. B. für die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 123, nachweist.20) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 246a Abs. 2 Nr. 2 wurden bislang zurückgewiesen.21) Abschließend muss die Freigabe auch gemäß § 246a Abs. 2 Nr. 3 erfolgen, wenn i. R. 10 einer Interessenabwägung nach freier Überzeugung des Gerichts das Vollzugsinteresse der Mehrheit und der Gesellschaft an dem Beschluss das Interesse des klagenden Aktionärs an der Aussetzung des Beschlusses überwiegt. Die Gesellschaft und der Kläger müssen die ihnen jeweils drohenden wirtschaftlichen Nachteile aller Art substantiiert darlegen und glaubhaft machen (§ 246a Abs. 3 Satz 3). Der Kläger muss zudem die Tatsachen für das Vorliegen eines besonders schweren Rechtsverstoßes glaubhaft machen.22) Das Gericht nimmt dann auf der Grundlage der Vorträge die Interessenabwägung vor. Ein Aufschubinteresse des klagenden Aktionärs i. S. des § 246a Abs. 2 Nr. 3 fehlt nach zutreffender Ansicht des OLG Stuttgarts bei einem Kapitalerhöhungsbeschluss im Normalfall, weil der Aktionär vor einer Verwässerung seiner Anteile bereits durch sein Bezugsrecht geschützt ist.23) Ein Freigabebeschluss aufgrund Interessenabwägung ist laut § 246a Nr. 3 a. E. nicht 11 möglich, wenn der Anfechtungsgrund einen besonders schweren Rechtsverstoß darstellt. Dieser muss objektiv vorliegen, das bloße Behaupten des Anfechtungsklägers genügt nicht.24) Um einen solchen handelt es sich, wenn ein Rechtsverstoß in ganz erheblicher Weise grundlegende Aktionärsrechte verletzt und dieser Verstoß nicht durch Schadensersatz aufgewogen werden kann.25) Beispiele hierfür sind –
absichtliche Verstöße gegen die Treuepflicht oder den Gleichbehandlungsgrundsatz,
_____________ 15) 16) 17) 18) 19)
20) 21) 22) 23) 24) 25)
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.6.2009 – 23 W 3/09, AG 2009, 549. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246a Rz. 26. OLG München, Beschl. v. 10.4.2013 – 7 AktG 1/13, ZIP 2013, 931 = BB 2013, 1360 m. Anm. Wagner. Hüffer, AktG, § 246a Rz. 20. Bejahend: KG Berlin, Beschl. v. 6.12.2010 – 23 AktG 1/10, ZIP 2011, 172; nunmehr auch: OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.7.2012 – 12 AktG 778/12, ZIP 2012, 2052; noch verneinend: OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.9.2010 – 12 AktG 1218/10, ZIP 2010, 2498. OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.9.2010 – 12 AktG 1218/10, ZIP 2010, 2498. OLG Hamburg, Beschl. v. 11.12.2009 – 11 AR 2/09, AG 2010, 214. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246a Rz. 28. OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.12.2012 – 20 AktG 1/12, ZIP 2013, 170 = NZG 2013, 139 (LS). Koch/Wackerbeck, ZIP 2009, 1603, 1607; Pauschos/Goslar, AG 2009, 14, 20; K. Schmidt/LutterSchwab, AktG, § 246a Rz. 12. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246a Rz. 28.
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§ 246a
Freigabeverfahren
–
das absichtliche, nicht ordnungsgemäße Einberufen der Hauptversammlung,
–
das vollständige Fehlen der notariellen Beurkundung bei einer börsennotierten Gesellschaft und
–
die Unvereinbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses mit grundlegenden Strukturprinzipien des Aktienrechts.26)
–
Ein besonders schwerer Verstoß liegt des Weiteren dann vor, wenn in einer ZweiPersonen AG der Mehrheitsaktionär zu Unrecht von der Hauptversammlung ausgeschlossen wird und der Minderheitsaktionär anschließend einen Kapitalerhöhungsbeschluss fasst; ein vorrangiges Vollzugsinteresse ist in diesem Fall unbeachtlich.27)
12 Nach dem durch das UMAG neugefassten Wortlaut sind aber die Rechtsverletzungen selbst nicht mehr in die Abwägung mit einzubeziehen, sodass in der Regel die Nachteile für die Gesellschaft und die Aktionäre das Interesse des Antragsgegners überwiegen werden, mit der Folge, dass ein Freigabebeschluss in aller Regel dann ergehen wird, wenn es an einem besonders schweren Rechtsverstoß fehlt. 13 Als Nachteile auf der Seite der AG steht in der Regel das Eintreten mittelbarer oder unmittelbarer finanzieller Einbußen.28) Konkrete Nachteile sind etwa das Ausbleiben von Synergieeffekten29) (nach neuerer Rechtsprechung allerdings wohl nur, sofern sie in betriebswirtschaftlich nachvollziehbarer Weise dargelegt sind30) oder die drohende Abwanderung von qualifiziertem Personal, die Unmöglichkeit einer späteren Vollziehung des betreffenden Hauptversammlungsbeschlusses oder die Insolvenzgefahr.31) Berücksichtigungsfähige Nachteile auf Seiten der Antragsgegner können, wenn keine unternehmerische Beteiligung vorliegt, im Wesentlichen nur finanzieller Natur sein, sind dann aber der absoluten Höhe nach zumeist gering. Ein Aufschubinteresse des Antragsgegners fehlt, wenn Gegenstand des Freigabeverfahrens ein Kapitalerhöhungsbeschluss gegen Bareinlagen ist, da die Aktionäre durch ihr Bezugsrecht geschützt sind.32) IV.
Prozessuales Verfahren (§ 246a Abs. 3)
14 Das Freigabeverfahren unterliegt den Regelungen der ZPO, d. h. es gelten insbesondere der Dispositionsgrundsatz und die Verhandlungsmaxime. Es ist ein Eilverfahren „besonderer Art“33), d. h. es richtet sich nicht nach den §§ 935 ff. ZPO, sondern nach den in § 246a Abs. 1 und 3 genannten Vorschriften. Nach Ansicht des OLG München ist der Freigabeantrag schon dann zulässig, wenn spätestens im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die streitgegenständliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage rechtshängig geworden ist.34) Damit könnte ein Freigabeantrag, bei dem im Zeitpunkt seiner Stellung eine Klage noch nicht rechtshängig geworden ist, bereits statthaft sein, sofern die Klage zum Zeitpunkt der Entscheidung im Freigabeverfahren rechtshängig ist. Die h. M. scheint bislang aber noch davon auszugehen, dass ein Freigabeantrag erst zulässig ist, wenn be_____________ 26) BT-Drucks. 16/13098, S. 42. 27) OLG München, Beschl. v. 28.7.2010 – 7 AktG 2/10, ZIP 2011, 1147. 28) LG München I, Beschl. v. 12.1.2006 – 5 HK O 23795/05, BB 2006, 459, 460; Fuhrmann/Linnerz, ZIP 2004, 2306, 2309 f. 29) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.2.2006 – 12 W 185/05, ZIP 2006, 370 = DB 2006, 438; Neumann/ Siebmann, DB 2006, 435. 30) OLG München, Beschl. v. 14.12.2011 – 7 AktG 3/11, ZIP 2012, 773. 31) Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246a Rz. 31. 32) OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.12.2012 – 20 AktG 1/12, ZIP 2013, 170. 33) Hüffer, AktG, § 246a Rz. 24. 34) OLG München, Beschl. v. 10.4.2013 – 7 AktG 1/13, ZIP 2013, 931 = BB 2013, 1360 m. Anm. Wagner.
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§ 247
Streitwert
reits eine Klage rechtshängig geworden ist oder demnächst zugestellt wird.35) Im Freigabeverfahren wird die Gesellschaft nicht durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten, sondern nur durch den Vorstand, da § 246 Abs. 2 Satz 2 keine Anwendung findet.36) Liegen die Voraussetzungen des § 246a Abs. 2 vor, so hat das Gericht kein Ermessen, sondern entscheidet entsprechend dem Antrag.37) Das Freigabeverfahren ist nach zutreffender Ansicht selbst dann zulässig, wenn das Bestehen des Unternehmensvertrags, um den gestritten wird, bereits im Handelsregister eingetragen ist, da Sinn und Zweck des Freigabebeschlusses nicht nur die Überwindung der Registersperre, sondern auch das Verleihen von Bestandsschutz ist.38) Für die anderen in § 246a Abs. 1 genannten Maßnahmen kann nichts anderes gelten. Zulässig ist auch ein zweiter Freigabeverfahrensantrag, wenn sich der zugrunde liegende Lebenssachverhalt nach dem ersten erfolglosen Freigabeverfahren geändert hat, insbesondere wenn zwischenzeitlich ein Bestätigungsbeschluss ergangen ist.39) Notwendig ist eine Senatsentscheidung. Eine Dringlichkeitsentscheidung des Vorsitzenden ist nicht möglich.40) Gemäß § 246a Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ist eine Güteverhandlung im Freigabeverfahren nicht erforderlich. Für die Glaubhaftmachung gemäß § 246a Abs. 3 Satz 3 bietet sich in der Praxis die eidesstattliche Versicherung an.41) V.
Schadensersatzanspruch (§ 246a Abs. 4)
Stellt sich die Klage im Nachhinein als begründet heraus, besteht ein Schadensersatzan- 15 spruch des Anfechtungsklägers gegen die Gesellschaft. Auf ein Verschulden der Gesellschaft kommt es nicht an. Der Schaden kann gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.42) Ersatzfähig sind neben den Kosten des Freigabeverfahrens etwa der Verwässerungsschaden infolge einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss. Nach der Eintragung des Beschlusses ist dagegen dessen Beseitigung im Wege der Naturalrestitution gemäß § 246a Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 nicht mehr möglich. _____________ 35) Hüffer, AktG, § 246a Rz. 6; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246a Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246a Rz. 26; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 246a Rz. 8. 36) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.4.2009 – 5 W 7/09. 37) Rubel, DB 2009, 2027, 2028; Drinhausen/Keinath, BB 2008, 2078, 2081; wohl auch: Hüffer, AktG, § 246a Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 246a Rz. 23. 38) KG Berlin, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223. 39) OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12, ZIP 2012, 2439. 40) Hüffer, AktG, § 246a Rz. 25. 41) Riegger in: FS Bechthold, S. 375, 382 f. 42) Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 246a Rz. 40.
§ 247 Streitwert (1) 1Den Streitwert bestimmt das Prozeßgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. 2Er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000 Euro beträgt, 500.000 Euro nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist. (2) 1Macht eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem gemäß Absatz 1 bestimmten Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Prozeßgericht auf ihren Antrag anordnen, daß ihre Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepaßten Daniel Epe
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§ 247
Streitwert
Teil des Streitwerts bemißt. 2Die Anordnung hat zur Folge, daß die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. 3Soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. 4Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben. (3) 1Der Antrag nach Absatz 2 kann vor der Geschäftsstelle des Prozeßgerichts zur Niederschrift erklärt werden. 2Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. 3 Später ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert durch das Prozeßgericht heraufgesetzt wird. 4Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Streitwertfestsetzung (§ 247 Abs. 1) ..................................... 3 I.
III. Streitwertspaltung (§ 247 Abs. 2) ..................................... 7 IV. Antragsvoraussetzungen (§ 247 Abs. 3) ................................... 15
Überblick
1 Durch § 247 sollen angemessene Regelstreitwerte gewährleistet werden.1) In § 247 Abs. 1 ist die Festsetzung des Streitwerts durch das Prozessgericht geregelt. § 247 Abs. 2 gibt dem Prozessgericht auf Antrag die Möglichkeit der Streitwertspaltung. In § 247 Abs. 3 sind Verfahrensvorschriften für den Antrag zur Streitwertspaltung normiert. 2 Die Norm kann auf vergleichbare Klagen bei anderen Rechtsformen angewendet werden (h. M.).2) II.
Streitwertfestsetzung (§ 247 Abs. 1)
3 Der Streitwert ist gemäß § 247 Abs. 1 anhand des Wertes des Streitgegenstands zu bestimmen. Das ist bei der Anfechtungsklage das Begehren des Klägers, den Hauptversammlungsbeschluss zu beseitigen.3) Gemäß § 247 Abs. 1 kann das Prozessgericht für die Streitwertfestsetzung auch die Bedeutung für die Gesellschaft (und andere Aktionäre)4) miteinbeziehen. Der so ermittelte Regelstreitwert ist auch die Grundlage für die Anwaltsgebühren und auch für die Bestimmung der Beschwer nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, nicht aber für die sachliche Zuständigkeit, da hierfür § 246 Abs. 3 Satz 1 eine ausschließliche Zuständigkeit des LG normiert.5) 4 Der Streitwert ist nach billigem Ermessen festzusetzten. Der Wortlaut ist gleichbedeutend mit dem Begriff des billigen Ermessens in § 3 ZPO, allerdings ist zu beachten, das im Unterschied zu § 3 ZPO bei § 247 Abs. 1 auch die Interessen der Gesellschaft und der anderen Aktionäre zu berücksichtigen sind.6) Für den klagenden Aktionär besteht sein zu _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Hüffer, AktG, § 247 Rz. 1. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.1.2013 – 4 W 338/12, ZIP 2013, 341, 342. Hüffer, AktG, § 247 Rz. 4. BGH, Urt. v. 28.9.1981 – II ZR 88/81, AG 1982, 19, 20. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 247 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 247 Rz. 4. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 247 Rz. 7 f.; Hüffer, AktG, § 247 Rz. 5.
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§ 247
Streitwert
berücksichtigendes Interesse in der Regel maximal aus dem Kurswert seiner Beteiligung.7) Bei der beklagten Gesellschaft bildet der Vermögenswert der beschlossenen Maßnahme ihr maßgebliches Interesse. Falls ein Vermögenswert nicht feststellbar ist, sind das Grundkapital und die Bilanzsumme Indizien für ihr Interesse.8) Streitig ist, ob das Gericht für die Feststellung der Bedeutung der Sache für die Parteien, 5 in der Gewichtung der einzelnen Interessen frei ist.9) Die h. M. in Schrifttum und Rechtsprechung bejaht dies.10) In § 247 Abs. 1 Satz 2 wird eine Grenze für den Streitwert normiert, die nur bei höherer 6 Bedeutung für den Kläger überschritten werden darf. Betrachtet wird dabei immer der einzelne Klageantrag, mit Ausnahme der Doppelanfechtung bei Erst- und Bestätigungsbeschluss.11) III.
Streitwertspaltung (§ 247 Abs. 2)
Unter dem Begriff „Streitwertspaltung“ versteht man das Herabsetzen des nach § 247 7 Abs. 1 ermittelten Streitwerts für nur eine der beiden Parteien, wodurch sich die Kosten dieser Partei entsprechend reduzieren.12) Dadurch entstehen unterschiedliche Streitwerte für die Parteien, denn für die andere Partei bleibt der Regelstreitwert gemäß § 247 Abs. 1 maßgebend. Die Streitwertspaltung betrifft nur den Gebührenstreitwert – der Regelstreitwert bleibt weiterhin für die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit maßgeblich.13) Für eine Streitwertspaltung muss die beantragende Partei glaubhaft machen, dass ihre 8 wirtschaftliche Lage durch die Belastung mit den auf dem Regelstreitwert beruhenden Kosten erheblich gefährdet werden würde. Eine ernsthafte Gefährdung liegt vor, wenn ein vernünftiger Kläger auf der Basis des Regelstreitwertes den Prozess nicht wagen würde, weil die Belastung seines Vermögens in keinem vertretbaren Verhältnis zum beabsichtigten Prozesserfolg stünde.14) Zur Beurteilung der Kostenbelastung sind zunächst die Prozesskosten auf der Grundlage 9 des Regelstreitwerts zu berechnen. Solche Kosten, die nicht notwendig sind, fließen nicht mit in die Berechnung ein.15) Die so ermittelte Kostenlast muss eine erhebliche Gefährdung darstellen. Diese Gefährdung ist durch den Kläger glaubhaft zu machen, wozu er sich liquider Be- 10 weismittel, der eidesstattlichen Versicherung16) oder auch seiner Einkommensteuerbescheide bedienen kann.17)
_____________ 7) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2011 – I-6 W 241/11, BeckRS 2012, 02252. 8) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2011 – I-6 W 241/11, BeckRS 2012, 02252. 9) Bejahend: OLG München, Urt. v. 28.9.1988 – 7 W 2358/88, AG 1989, 212; abl. K. Schmidt/LutterSchwab, AktG, § 247 Rz. 6. 10) Hüffer, AktG, § 247 Rz. 6; Spindler/Stilz-Dörr, § 247 Rz. 10; Zöllner in: KölnKomm-AktG, § 247 Rz. 6; OLG München, Urt. v. 28.9.1988 – 7 W 2358/88, AG 1989, 212; OLG Stuttgart, Urt. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, AG 1995, 237. 11) Hüffer, AktG, § 247 Rz. 9. 12) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 247 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 247 Rz. 11. 13) Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 247 Rz. 16. 14) OLG Celle, Urt. v. 9.10.1991 – 9 W 105/91, DB 1992, 466; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 247 Rz. 19. 15) Hüffer, AktG, § 247 Rz. 12. 16) Hüffer, AktG, § 247 Rz. 14. 17) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.10.1983 – 5 U 18/83, WM 1984, 1470, 1471.
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Streitwert
11 Für die Streitwertspaltung kommt es nicht auf die Erfolgsaussichten der Klage an, da eine solche Prüfung das Verfahren verlangsamen würde.18) Bei offensichtlicher Erfolglosigkeit oder mutwilliger Aussichtslosigkeit kann das Gericht allerdings den Antrag zurückweisen. Diese Kriterien sind erfüllt, wenn kein Zeitverlust durch eine erforderliche Prüfung droht, sondern die Aussichtslosigkeit bzw. Erfolglosigkeit ohne weiteres erkennbar ist.19) 12 Die Kosten des Verfahrens richten sich durch die Streitwertspaltung für jede Partei nach ihrem persönlichen Streitwert. Das bedeutet, dass die Partei mit dem geringeren persönlichen Streitwert (begünstigte Partei i. S. des § 247 Abs. 2 Satz 2) zwar im Falle ihres Obsiegens die Kosten auf der Grundlage des vollen Regelstreitwerts ersetzt bekommt; auch der Anwalt der begünstigten Partei berechnet seine Gebühren auf der Basis des Regelstreitwerts (§ 247 Abs. 2 Satz 4). Im Falle ihres Unterliegens muss die begünstigte Partei aber die Kosten ihres eigenen Anwalts und die Kosten der gegnerischen Partei nur auf der Grundlage ihres geringeren persönlichen Streitwertes ersetzen. Dadurch muss die gegnerische Partei, für die der Regelstreitwert gilt, trotz ihres Obsiegens einen Teil ihrer Kosten selber tragen. 13 Die Streitwertspaltung und die Prozesskostenhilfe bestehen nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus.20) Die Prozesskostenhilfe hat strengere Voraussetzungen (Erfolgsaussichten der Klage) und geht in ihrer Wirkung weiter, da die Partei von sämtlichen Gerichtskosten und eigenen außergerichtlichen Kosten befreit wird.21) 14 Umstritten ist, ob die Streitwertspaltung auf die jeweilige Instanz beschränkt bleibt, oder ob sie für alle folgenden Instanzen weiterwirkt. In der Rechtsprechung fehlt es an einer einheitlichen Linie, die h. M. scheint aber in die Richtung zu gehen, die Wirkung der Streitwertspaltung auf die jeweilige Instanz zu beschränken.22) IV.
Antragsvoraussetzungen (§ 247 Abs. 3)
15 Die Streitwertspaltung ist ein Antragsverfahren (§ 247 Abs. 3 Satz 1). Das Gericht entscheidet durch Beschluss.23) Nach h. M. muss der Antrag in jeder Instanz neu gestellt werden. Der Antrag kann zur Niederschrift des Urkundsbeamten erklärt werden, hier besteht kein Anwaltszwang gemäß § 78 ZPO.24) Der Antragsgegner ist vor Entscheidung über die Streitwertspaltung anzuhören (§ 247 Abs. 3 Satz 4). Grundsätzlich muss der Antrag vor der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache gestellt werden (§ 247 Abs. 3 Satz 2).25) Ausnahmsweise kann er auch danach gestellt werden, aber nur wenn das Gericht den Regelstreitwert heraufsetzt, denn dann stellt sich auch die Frage der Belastung auf der Grundlage des neuen Regelstreitwertes und damit die Frage der Streitwertspaltung neu. _____________ 18) Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 247 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 247 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 247 Rz. 15. 19) BGH, Beschl. v. 4.7.1991 – II ZR 249/90, AG 1992, 59 = ZIP 1991, 1581. 20) Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 247 Rz. 20. 21) Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 247 Rz. 20. 22) Für Beschränkung auf jeweilige Instanz: BGH, Beschl. v. 12.10.1992 – II ZR 213/91, AG 1993, 85 = ZIP 1992, 1734; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.2.1991 – 15 U 127/90, ZIP 1991, 930, 931; Hüffer, AktG, § 247 Rz. 18; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 247 Rz. 29; K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 247 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 247 Rz. 23; für Ausdehnung auf folgende Instanzen: Hirte, EWiR 1991, 633, 634; Heidel-Heidel, § 247 AktG Rz. 16; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.10.1983 – 5 U 18/83, WM 1984, 1470, 1471. 23) Hüffer, AktG, § 247 Rz. 20. 24) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 247 Rz. 24. 25) Vgl. BGH, Beschl. v. 22.2.2012 – II ZR 233/09, BeckRS 2012, 06004.
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§ 248
Urteilswirkung
§ 248 Urteilswirkung (1) 1Soweit der Beschluß durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt ist, wirkt das Urteil für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch wenn sie nicht Partei sind. 2Der Vorstand hat das Urteil unverzüglich zum Handelsregister einzureichen. 3War der Beschluß in das Handelsregister eingetragen, so ist auch das Urteil einzutragen. 4Die Eintragung des Urteils ist in gleicher Weise wie die des Beschlusses bekanntzumachen. (2) Hatte der Beschluß eine Satzungsänderung zum Inhalt, so ist mit dem Urteil der vollständige Wortlaut der Satzung, wie er sich unter Berücksichtigung des Urteils und aller bisherigen Satzungsänderungen ergibt, mit der Bescheinigung eines Notars über diese Tatsache zum Handelsregister einzureichen. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Wirkung des Anfechtungsurteils (§ 248 Abs. 1) ..................................... 4 I.
III. Einreichungspflichten des Vorstands (§ 248 Abs. 1 Sätze 2 – 4, Abs. 2) .............................. 9
Überblick
Gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 entfaltet das rechtskräftige Urteil, durch das der Beschluss für 1 nichtig erklärt wird, Wirkung für und gegen alle Aktionäre, den Vorstand und den Aufsichsrat, auch wenn sie nicht Partei des Prozesses gewesen sind. Dadurch wird über die konkrete Anfechtungsklage in einer für alle verbindlichen Weise entschieden.1) In § 248 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 und Abs. 2 werden darüber hinaus Verfahrensvorschriften 2 für die Einreichung des Urteils durch den Vorstand beim Handelsregister geregelt. Aufgrund der Verweisung in § 249 Abs. 1 Satz 1 gilt § 248 auch für die Nichtigkeitsklage. II.
3
Wirkung des Anfechtungsurteils (§ 248 Abs. 1)
Das rechtskräftige Anfechtungsurteil verändert die materielle Rechtslage, dahingehend, 4 dass der angefochtene Beschluss nunmehr nichtig ist. Es ist Gestaltungsurteil.2) Erforderlich ist die formelle Rechtskraft des Urteils.3) Die grundsätzlich geltende inter partes – Wirkung der Rechtskraft gemäß § 325 Abs. 1 5 ZPO wird durch § 248 verändert. Das stattgebende Urteil wirkt in seiner Rechtskraft auch gegenüber allen anderen Aktionären, sowie Vorstand und Aufsichtsrat. Der Beschluss kann daher von keiner der potentiell anfechtungsberechtigten Personengruppen mehr angefochten werden. Das gilt nach dem Wortlaut von § 248 nicht für klageabweisende Urteile, darüber hinaus auch nicht für die Beendigung durch Prozessvergleich, Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärung;4) bei ihnen ist § 325 Abs. 1 ZPO nach wie vor maßgeblich. Wie das Urteil ergangen ist (z. B. im streitigen
_____________ 1) 2) 3) 4)
K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 248 Rz. 1; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 248 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 248 Rz. 4 f. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 248 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 248 Rz. 13 f.
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§ 248
Urteilswirkung
Verfahren, aufgrund Versäumnis oder Anerkenntnis) ist irrelevant.5) § 248 gilt auch für das einseitige Erledigungsurteil.6) 6 Eine erfolgreiche Anfechtungsklage eines notwendigen Streitgenossen entfaltet auch gegenüber den anderen Streitgenossen Rechtskraftwirkung, so dass eine Prüfung ihrer Anfechtungsgründe nicht erforderlich ist.7) 7 Von der Rechtskraftwirkung zu unterscheiden ist die Gestaltungswirkung der erfolgreichen Anfechtungsklage, also die Auswirkung des Urteils auf den angefochtenen Beschluss. Diese ergibt sich aus § 241 Nr. 5. Danach gilt die Gestaltungswirkung für und gegen jedermann, d. h. der Beschluss ist für jedermann nichtig.8) 8 Das rechtskräftige Urteil hat Rückwirkung mit der Folge, dass der Beschluss als von Anfang an nichtig zu betrachten ist.9) Problematisch ist, wie sich diese Rückwirkung auf bereits durchgeführte Beschlüsse auswirkt. Dafür kommt es auf die Art des Durchführungsgeschäfts an: eine aufgrund nichtigen Beschlusses fehlerhafte Kapitalerhöhung ist nach Eintritt der Rechtskraft rückabzuwickeln;10) die Unternehmensverschmelzung, die Spaltung oder der Formwechsel, welche auf einem erfolgreich angefochtenen Beschluss beruhen, bleiben im Falle der bereits erfolgten Eintragung ins Handelsregister dagegen aufgrund umwandlungsrechtlicher Sonderregelungen wirksam; eine Vermögensübertragung gemäß § 179a ist unwirksam, wenn der zugrunde liegende Beschluss für nichtig erklärt wird.11) III.
Einreichungspflichten des Vorstands (§ 248 Abs. 1 Sätze 2 – 4, Abs. 2)
9 Gemäß § 248 Abs. 1 Satz 2 muss der Vorstand das ganz oder teilweise stattgebende Urteil beim Handelsregister einreichen, und zwar unverzüglich i. S. von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB.12) Bei mehreren Instanzen muss nur das letzte Urteil eingereicht werden.13) Bei Verletzung der Pflicht droht den Mitgliedern des Vorstands ein Zwangsgeld gemäß § 14 HGB. Falls der Beschluss im Handelsregister eingetragen war, ist gemäß § 248 Abs. 1 Sätze 3 und 4 auch das Urteil einzutragen und entsprechend bekannt zu machen. 10 Für Urteile über Beschlüsse, durch die eine Satzungsänderung beschlossen werden sollte, gelten hinsichtlich der Einreichungspflichten die Besonderheiten des § 248 Abs. 2. Zusammen mit dem Urteil, durch das der Beschluss (und damit die Satzungsänderung) vernichtet wurde, ist eine Satzungsfassung einzureichen, die bereits das Anfechtungsurteil berücksichtigt, sowie eine Notarbescheinigung über diese Berücksichtigung. Dieses Erfordernis entfällt, wenn die für nichtig erklärte Satzungsänderung noch nicht angemeldet worden ist, da beim Handelsregister dann die aktuell geltende Satzung vorliegt.14)
_____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14)
Hüffer, AktG, § 248 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 248 Rz. 2. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 248 Rz. 6. H. M.: Hüffer, AktG, § 248 Rz. 6; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 248 Rz. 7. Hüffer, AktG, § 248 Rz. 7a. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 248 Rz. 10. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 248 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 248 Rz. 10. Hüffer, AktG, § 248 Rz. 10. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 248 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 248 Rz. 12.
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§ 249
Nichtigkeitsklage
§ 248a Bekanntmachungen zur Anfechtungsklage 1
Wird der Anfechtungsprozess beendet, hat die börsennotierte Gesellschaft die Verfahrensbeendigung unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. 2§ 149 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 I.
II. Pflicht zur Bekanntmachung .......... 3
Überblick
In § 248a wird eine Pflicht zur Bekanntmachung durch die börsennotierte Gesellschaft 1 für den Fall der Beendigung eines Anfechtungsverfahrens geregelt. Die Norm ist i. V. m. § 248 Abs. 1 Satz 2 und 3, sowie § 248 Abs. 2 zu sehen. Beide Bekanntmachungspflichten treten nebeneinander.1) Im Unterschied zu § 248 gilt die Bekanntmachungspflicht ihrem Wortlaut nach für jede Art von Verfahrensbeendigung, allerdings nur für börsennotierte Gesellschaften. Die Norm soll die stillschweigende Beendigung von Verfahren unmöglich machen, durch 2 die ein klagender Aktionär möglicherweise Sondervorteile erstrebt.2) II.
Pflicht zur Bekanntmachung
Bekannt zu machen ist jede Art der Verfahrensbeendigung eines Anfechtungsprozesses 3 gegen eine börsennotierte Gesellschaft. Adressat der Bekanntmachungspflicht ist die Gesellschaft. Ort der Bekanntmachung sind die Gesellschaftsblätter. Für den Umfang der Bekanntmachungspflicht gilt gemäß § 248a Satz 2 die Regelung in 4 § 149 Abs. 2 und 3. Insbesondere ist gemäß § 149 Abs. 2 Satz 3 eine Leistung, die aufgrund der Verfahrensbeendigung erfolgt, unwirksam, wenn die Verfahrensbeendigung nicht entsprechend bekannt gemacht worden ist. Sich vergleichende Anfechtungskläger finden sich damit in der vom Gesetzgeber gewollten Situation, dass sie entweder ihre Ansprüche aus einem etwaigen Vergleich nicht durchsetzen können oder aber der Umstand, dass ein Vergleich geschlossen wurde, und der Vergleichsinhalt öffentlich werden. In der Praxis zwingt dies professionelle Kläger zu deutlich moderateren Forderungen. _____________ 1) 2)
Hüffer, AktG, § 248a Rz. 1. Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 248a Rz. 1.
§ 249 Nichtigkeitsklage (1) 1Erhebt ein Aktionär, der Vorstand oder ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses gegen die Gesellschaft, so finden § 246 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 bis 5, Abs. 4, §§ 246a, 247, 248 und 248a entsprechende Anwendung. 2Es ist nicht ausgeschlossen, die Nichtigkeit auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend zu machen. 3Schafft der Hauptversammlungsbeschluss Voraussetzungen für eine Umwandlung nach § 1 des Um-
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§ 249
Nichtigkeitsklage
wandlungsgesetzes und ist der Umwandlungsbeschluss eingetragen, so gilt § 20 Abs. 2 des Umwandlungsgesetzes für den Hauptversammlungsbeschluss entsprechend. (2) 1Mehrere Nichtigkeitsprozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. 2Nichtigkeits- und Anfechtungsprozesse können verbunden werden. Literatur: Gehrlein, Zur streitgenössischen Nebenintervention eines Gesellschafters bei der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage, AG 1994, 103; Großfeld/Brondics, Die Stellung des fakultativen Aufsichtsrats (Beirats) in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und in der GmbH & Co KG, AG 1987, 293; Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz in aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsverfahren, ZGR 1979, 293; siehe auch die Literaturangaben zu § 241.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Klagebefugter Personenkreis .......... 6 III. Verfahren (§ 249 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2) ...................................... 10 I.
IV. Besonderheiten bei Umwandlung (§ 249 Abs. 1 Satz 3) ............... 20
Überblick
1 Neben der Anfechtungsklage hält das Gesetz in § 249 die Nichtigkeitsklage bereit, mit der ein Aktionär, der Vorstand oder ein Mitglied von Vorstand und Aufsichtsrat auf Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses klagen können, wobei die Nichtigkeitsgründe in § 241 abschließend aufgeführt sind. Anders als die Anfechtungsklage ist die Nichtigkeitsklage nach h. M. keine Gestaltungsklage, sondern eine Feststellungsklage,1) allerdings mit einigen Besonderheiten. 2 Die Nichtigkeitsklage ist insofern eine Sonderregelung zur allgemeinen Feststellungsklage, als dass sie die genannten Personen aus dem Klägerkreis der allgemeinen Feststellungsklage herauslöst und für diese Personen besondere Voraussetzungen aufstellt.2) Im Umkehrschluss ist dem in § 249 Abs. 1 Satz 1 genannten Personenkreis eine allgemeine Feststellungklage auf Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses versagt.3) Wollen andere Personen die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses feststellen lassen, bleibt es bei der allgemeinen Feststellungsklage und ihren Voraussetzungen. 3 Für das Verfahren der Nichtigkeitsklage gelten gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 teilweise dieselben Vorschriften wie für die Anfechtungsklage (§ 246 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 bis Satz 5, Abs. 4, §§ 246a, 247, 248, 248a). Strittig ist, ob der Kläger ein besonderes Feststellungsinteresse haben muss. Dies wird teilweise verneint, von der Rechtsprechung jedoch zurecht bejaht.4) Das Feststellungsinteresse folgt für die Aktionäre und den Vorstand aber bereits aus der besonderen Beziehungen zur Gesellschaft.5) 4 Mit der Nichtigkeitsklage kann grundsätzlich nicht die bloße Unwirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses geltend gemacht werden. Die Unwirksamkeit eines Beschlusses liegt vor, wenn das Gesetz neben dem ordnungsgemäßen Zustandekommen eines inhalt_____________ 1)
2) 3) 4) 5)
Heinze, ZGR 1979, 293, 297; Großfeld/Brondics, AG 1987, 293, 302 f.; Gehrlein, AG 1994, 103, 105; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.4.1997 – 6 U 20/96, DB 1997, 1170 = ZIP 1997, 1153; BGH, Urt. v. 23.5.1960 – II ZR 89/58, BGHZ 32, 318, 322. Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 97. Hüffer, AktG, § 249 Rz. 2. Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 97; a. A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.4.2010 – I-6 U 99/09. Hüffer, AktG, § 249 Rz. 11.
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§ 249
Nichtigkeitsklage
lich beanstandungsfreien Beschlusses noch weitere zusätzliche Voraussetzungen für seine Wirksamkeit aufstellt und diese nicht erfüllt sind. Das ist bspw. bei einem Hauptversammlungsbeschluss über die Aufhebung des Vorzugs der Fall, der gemäß § 141 Abs. 1 zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedarf. Zur Rüge der Unwirksamkeit eines Beschlusses ist die allgemeine Feststellungklage die richtige Klageart.6) Eine Ausnahme gilt allerdings für die in § 241 Halbs. 1 genannten Fälle, in denen das Gesetz die dort genannten unwirksamen Beschlüsse als nichtig bezeichnet.7) Eine darüber hinaus gehende analoge Anwendung auf die Fälle der Unwirksamkeit wird von der h. M. abgelehnt.8) Ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gemäß § 249 Abs. 1 enthält auch immer einen 5 Antrag auf Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses. Dies gilt auch umgekehrt. Der Grund liegt darin, dass beide Klagen das gleiche Rechtsschutzziel verfolgen.9) Hinsichtlich des Streitgegenstandes vertritt die Rspr. die gleiche Ansicht wie zur Anfechtungsklage. Der Streitgegenstand umfasst den Antrag und alle Beschlussmängel, so dass der in § 249 Abs. 2 genannte Personenkreis bei Abweisung der Klage wegen eines anderen Beschlussmangels nicht mehr klagen kann. II.
Klagebefugter Personenkreis
Die Nichtigkeitsklage kann gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 durch einen Aktionär, den Vor- 6 stand oder ein Mitglied von Vorstand oder Aufsichtsrat erhoben werden. Der Aufsichtsrat als Organ ist dazu nicht befugt. Eine Änderung der Aktionärseigenschaft während des Verfahrens wird berücksichtigt, 7 da diese Eigenschaft sowohl im Moment der jeweiligen Prozesshandlung als auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss.10) Wird der Kläger erst nach Erhebung der (allgemeinen Feststellungs-)Klage Aktionär, gelten ab diesem Zeitpunkt die Regeln zur Nichtigkeitsklage. Der Grundsatz der Doppelvertretung gemäß § 246 Abs. 2 Satz 2 ist zu beachten, weshalb bei der Umstellung der Feststellungsklage auf die Nichtigkeitsklage die Zustellung der Klage an den Aufsichtsrat nachgeholt werden muss.11) Umstritten ist der Fall, dass ein Aktionär seine Aktionärsstellung während des Verfahrens 8 verliert. Die Rechtsprechung nimmt mittlerweile in diesem Fall an, dass die Nichtigkeitsklage zur allgemeinen Feststellungsklage wird und als solche fortgeführt werden kann, sofern der Kläger ein besonderes Feststellungsinteresse hat.12) Neben den Aktionären können auch der Vorstand und einzelne Mitglieder des Vorstands 9 oder des Aufsichtsrats im Wege der Nichtigkeitsklage klagen. Für den Aufsichtsrat als Organ bleibt es bei der allgemeinen Feststellungklage.
_____________ 6) OLG Hamburg, Beschl. v. 6.10.1989 – 11 W 91/98, NJW 1990, 521; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 249 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 249 Rz. 3, 21. 7) Hüffer, AktG, § 249 Rz. 3. 8) Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 98; Hüffer, AktG, § 249 Rz. 21; BGH, Urt. v. 10.11.1954 – II ZR 229/53, BGHZ 15, 177, 181; a. A. K. Schmidt, GroßKomm-AktG, § 249 Rz. 9. 9) Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 104 f. 10) OLG Stuttgart, Urt. v. 10.1.2001 – 20 U 91/99, AG 2001, 315, 316 = ZIP 2001, 650; K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 249 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 249 Rz. 6. 11) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 249 Rz. 12. 12) BGH, Urt. v. 23.10.1998 – LwZR 1/98, AG 1999, 180, 181 = ZIP 1999, 23; OLG München, Urt. v. 8.7.2009 – 7 U 1777/08, AG 2009, 912, 913 = ZIP 2009, 2314.
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§ 249 III.
Nichtigkeitsklage Verfahren (§ 249 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2)
10 Für die Nichtigkeitsklage gelten die in § 249 aufgezählten Vorschriften der Anfechtungsklage entsprechend. Anders als die Anfechtungsklage unterliegt die Nichtigkeitsklage mangels Verweisung auf § 246 Abs. 1 keiner Frist. Allerdings bedeutet die Heilung gemäß § 242 Abs. 2 nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist für eintragungspflichtige und -fähige Beschlüsse eine zeitliche Beschränkung für die Geltendmachung einer Nichtigkeitsklage. Richtige Beklagte ist auch im Falle der Nichtigkeitsklage die AG. Dabei gelten die Vertretungsregeln des § 246 Abs. 2 Satz 2 und 3. Für die Nichtigkeitsklage ist gemäß § 246 Abs. 3 das LG des Sitzes der Gesellschaft ausschließlich zuständig. Dabei ist – wie bei der Anfechtungsklage – die Möglichkeit einer landesgesetzlich begründeten Zuständigkeitskonzentration zu beachten. Der Verweis auf § 246 Abs. 3 Satz 4 in § 249 Abs. 1 ist mangels Geltung der Monatsfrist bei der Nichtigkeitsklage ohne Bedeutung.13) Das Recht zur Akteneinsicht besteht für die Gesellschaft ab Anhängigkeit der Klage gemäß § 246 Abs. 3 Satz 5. 11 Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 246 Abs. 4 gelten die Pflichten zur Bekanntmachung der Klage entsprechend. 12 Eine Nebenintervention ist möglich. Ist Nebenintervenient ein Aktionär oder Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied, liegt eine streitgenössischen Nebenintervention vor.14) Aufgrund der Verweisung in § 249 Abs. 1 Satz 1 kann ein Aktionär gemäß § 246 Abs. 4 Satz 2 nur innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Klage nebenintervenieren. 13 Auch i. R. der Nichtigkeitsklage gibt es das Freigabeverfahren gemäß § 246a. In der Folge können nichtige Beschlüsse nach entsprechender Freigabeentscheidung Bestandsschutz genießen. 14 Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 247 Abs. 1 nach billigem Ermessen des Gerichts. Liegen die Voraussetzungen des § 247 Abs. 2 vor, kann das Gericht eine Streitwertspaltung vornehmen. 15 Die Rechtskraftwirkung des Nichtigkeitsurteils gilt gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 248 Abs. 1 Satz 1 für und gegen alle Aktionäre und Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Eine Gestaltungswirkung für und gegen jedermann ist dem Gesetz für die Nichtigkeitsklage nicht zu entnehmen, wird aber von der h. M. aus Gründen des Gleichlaufs von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage bejaht.15) 16 Die Einreichungspflichten gemäß § 248 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4, sowie Abs. 2 gelten für den Vorstand bei Nichtigkeitsklage ebenfalls. 17 Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 248a bestehen die dort normierten Bekanntmachungspflichten auch für die Nichtigkeitsklage. 18 Die Klageerhebung ist laut § 249 Abs. 1 Satz 2 nicht der einzige Weg, um die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses geltend zu machen. In Betracht kommt u. a. die Einrede gegen Ansprüche, die auf dem Beschluss beruhen. 19 Mehrere Nichtigkeitsklagen müssen gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 miteinander verbunden werden. Für Nichtigkeits- und Anfechtungsklage kann – so der Gesetzeswortlaut – eine Verbindung vorgenommen werden, wobei namhafte Vertreter im Schrifttum dennoch
_____________ 13) Hüffer, AktG, § 249 Rz. 14. 14) Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 249 Rz. 16. 15) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 249 Rz. 25; Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 103; Spindler/Stilz-Dörr, AktG, § 249 Rz. 19; a. A. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 249 Rz. 1.
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Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
§ 250
eine Pflicht des Gerichts zur Verbindung annehmen.16) Durch die Verbindung sollen widersprüchliche Entscheidungen verhindert werden. IV.
Besonderheiten bei Umwandlung (§ 249 Abs. 1 Satz 3)
Wie jeder Beschluss kann auch der Umwandlungsbeschluss unwirksam oder nichtig sein. 20 Für die Wirksamkeit und die Nichtigkeit des Umwandlungsbeschlusses gilt § 14 Abs. 1 UmwG mit der Wirkung, dass Klagen nach Ablauf der Monatsfrist verfristet sind.17) § 14 Abs. 1 UmwG gilt aber nur für den konkreten Umwandlungsbeschluss und nicht für vorbereitende Maßnahmen wie Satzungsänderungen oder Kapitalerhöhungen.18) Nach Verfristung der Nichtigkeitsklage gemäß § 14 Abs. 1 UmwG wäre ohne § 249 Abs. 1 Satz 3 eine Nichtigkeitsklage gegen solche Maßnahmen, die „Voraussetzungen für eine Umwandlungen“ schaffen, weiterhin möglich. Das wird durch § 249 Abs. 1 Satz 3 verhindert. _____________ 16) K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 249 Rz. 27; Hüffer, AktG, § 249 Rz. 21. 17) Hüffer, AktG, § 249 Rz. 19a. 18) Hüffer, AktG, § 249 Rz. 19a.
Zweiter Unterabschnitt Nichtigkeit bestimmter Hauptversammlungsbeschlüsse § 250 Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Jens Wagner
(1) Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung ist außer im Falle des § 241 Nr. 1, 2 und 5 nur dann nichtig, wenn 1. der Aufsichtsrat unter Verstoß gegen § 96 Abs. 2, § 97 Abs. 2 Satz 1 oder § 98 Abs. 4 zusammengesetzt wird; 2. die Hauptversammlung, obwohl sie an Wahlvorschläge gebunden ist (§§ 6 und 8 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes), eine nicht vorgeschlagene Person wählt; 3. durch die Wahl die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder überschritten wird (§ 95); 4. die gewählte Person nach § 100 Abs. 1 und 2 bei Beginn ihrer Amtszeit nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann. (2) Für die Klage auf Feststellung, daß die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nichtig ist, sind parteifähig 1. der Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernbetriebsrat, 2. der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernsprecherausschuss, 3. der Gesamtbetriebsrat eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, Jens Wagner
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Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
4. der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss, 5. jede in der Gesellschaft oder in einem Unternehmen, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, vertretene Gewerkschaft sowie deren Spitzenorganisation. (3) 1Erhebt ein Aktionär, der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder eine in Absatz 2 bezeichnete Organisation oder Vertretung der Arbeitnehmer gegen die Gesellschaft Klage auf Feststellung, dass die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds nichtig ist, so gelten § 246 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 bis 4, Abs. 4, §§ 247, 248 Abs. 1 Satz 2, §§ 248a und 249 Abs. 2 sinngemäß. 2Es ist nicht ausgeschlossen, die Nichtigkeit auf andere Weise als durch Erhebung der Klage geltend zu machen. Literatur: Diekmann/Bidmon, Das „unabhängige“ Aufsichtsratsmitglied nach dem BilMoG – insbesondere als Vertreter des Hauptaktionärs, NZG 2009, 1087; v. Falkenhausen/Kocher, Wie wird der unabhängige Finanzexperte in den Aufsichtsrat gewählt?, ZIP 2009, 1601; Kropff, Der unabhängige Finanzexperte in der Gesellschaftsversammlung, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1023; Marsch-Barner, Zur Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1109; Priester, Beschlussmitwirkung fehlerhaft bestellter Aufsichtsratsmitglieder, GWR 2013, 175; Schürnbrand, Noch einmal: Das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied, NZG 2013, 481; Vetter/van Laak, Die angefochtene Aufsichtsratswahl, AG 2008, 1806; Widmann, Das Fehlen des Finanzexperten nach dem BilMoG – Worst Case Szenario für den Aufsichtsrat, BB 2009, 2602.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Nichtigkeitsgründe (§ 250 Abs. 1) ..................................... 1. Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 250 Abs. 1 Nr. 1) ................... 2. Bindung an Wahlvorschläge (§ 250 Abs. 1 Nr. 2) ........................... 3. Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 250 Abs. 1 Nr. 3) ......... I.
1 3 3 4
4. Fehlende Eignung gemäß § 100 Abs. 1 und 2 (§ 250 Abs. 1 Nr. 4) ..... 8 III. Parteifähiger Personenkreis (§ 250 Abs. 2) ..................................... 9 IV. Verfahren der Nichtigkeitsklage (§ 250 Abs. 3) ................................... 10 V. Rechtsfolge der Nichtigkeit ........... 12
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Überblick
1 Die §§ 250 bis 255 regeln die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit für ganz bestimmte Hauptversammlungsbeschlüsse abschließend.1) Für die Nichtigkeit von Wahlbeschlüssen von Aufsichtsratsmitgliedern gelten gemäß § 250 Abs. 1 die Nichtigkeitsgründe des § 241 Nr. 1, 2 und 5, nicht aber die Inhaltsmängel der Nr. 3 und 4. Die Vorschriften, deren Verletzung zu einem die Nichtigkeit begründenden Inhaltsmangel führen sollen, hat der Gesetzgeber stattdessen in § 250 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 abschließend geregelt. § 250 Abs. 2 enthält eine spezielle Regelung zur Parteifähigkeit. § 250 Abs. 3 enthält besondere Verfahrensbestimmungen. Die Rechtsfolgen des die Nichtigkeit feststellenden Urteils regelt (in Teilen) § 252 Abs. 1. 2 Die Vorschriften gelten nur für Aufsichtsratswahlen durch Hauptversammlungsbeschluss. Wird eine Person durch ein anderes Verfahren Mitglied eines Aufsichtsrats (namentlich _____________ 1)
Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 250 Rz. 3.
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Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
§ 250
durch Wahl nach mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften oder durch Entsendung), gilt § 250 ebenso wenig wie § 252.2) II.
Nichtigkeitsgründe (§ 250 Abs. 1)
1.
Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 250 Abs. 1 Nr. 1)
Führt der Wahlbeschluss zu einer Verletzung des Kontinuitätsgrundsatzes in § 96 Abs. 2 3 oder des Statusverfahrens gemäß §§ 97 Abs. 2 Satz 1, 98 Abs. 4, so ist dieser Beschluss nichtig. Nach diesen Vorschriften müssen die geltenden mitbestimmungsrechtlichen Normen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats solange angewendet bleiben, bis im Wege des Statusverfahrens neue Mitbestimmungsvorschriften für anwendbar erklärt werden.3) 2.
Bindung an Wahlvorschläge (§ 250 Abs. 1 Nr. 2)
Ist die Hauptversammlung an einen Wahlvorschlag aufgrund mitbestimmungsrechtlicher 4 Vorschriften gebunden, wählt aber dennoch eine andere Person, ist dieser Beschluss nichtig. 3.
Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 250 Abs. 1 Nr. 3)
Wird durch die Wahl die gesetzliche Höchstzahl des Aufsichtsrats überschritten, ist der 5 Beschluss ebenfalls nichtig. Die Höchstzahl ist grundsätzlich § 95 zu entnehmen; bei Geltung des MitbestG (1976) gilt die Höchstzahl des § 7 MitbestG; i. R. des MontanMitbestG gilt § 4 MontanMitbestG und § 5 MontanMitbestGErgG.4) Zur Bestimmung des nichtigen Wahlbeschlusses kommt es auf die Art des Wahlverfahrens 6 an. Erfolgt eine Einzelwahl, so ist nur der Wahlbeschluss nichtig durch den die gesetzliche Höchstzahl überschritten wird. Dabei wird man, insbesondere bei zeitlicher Zusammenfassung der Abstimmungsvorgänge, richtigerweise auf die Reihenfolge der Beschlussfeststellungen durch den Versammlungsleiter abstellen müssen. Wird hingegen bei einer – heutzutage seltenen – Listenwahl die zulässige Höchstzahl überschritten, ist der gesamte Wahlbeschluss nichtig.5) Etwas anderes kann richtigerweise dann gelten, wenn der Liste zugleich eine Rangfolge zu entnehmen ist. Bei Geltung der Mitbestimmung sind Besonderheiten zu beachten. Werden die Aktio- 7 närsvertreter vor den Arbeitnehmervertretern gewählt, so führt bereits die Überschreitung der für die Aktionärsvertreter maßgeblichen gesetzlichen Höchstzahl zur Nichtigkeit, weil sonst die Arbeitnehmer bei ihrer anschließenden Wahl aufgrund der zeitlichen Abfolge benachteiligt würden.6) 4.
Fehlende Eignung gemäß § 100 Abs. 1 und 2 (§ 250 Abs. 1 Nr. 4)
Wählt die Hauptversammlung eine Person zum Aufsichtsrat, die nicht über die Voraus- 8 setzungen des § 100 Abs. 1 verfügt bzw. einen Hindernisgrund des § 100 Abs. 2 aufweist, so ist dieser Wahlbeschluss nichtig. Erfasst wird auch das mit dem VorstAG eingeführte Cooling-off nach § 100 Abs. 2 Nr. 4. Für die Frage der Eignung der gewählten Person ist nach dem Wortlaut des § 250 Abs. 1 Nr. 4 auf den Zeitpunkt des Beginns ihrer Amtszeit abzustellen. Liegt daher zwischen Wahlbeschluss und Amtsantritt der Nichtigkeitsgrund _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
Hüffer, AktG, § 250 Rz. 2. Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 110. Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 110. Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 250 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 250 Rz. 7. Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 250 Rz. 15.
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Nichtigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
des § 250 Abs. 1 Nr. 4 vor, entfällt aber, aus welchen Gründen auch immer, bei Amtsbeginn, so fehlt es an den Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 4.7) Entfällt der Nichtigkeitsgrund erst nach Amtsbeginn, hat das keine heilende Wirkung; es bleibt vielmehr bei der Nichtigkeit des Wahlbeschlusses.8) § 250 Abs. 1 Nr. 4 gilt analog auch für einen Verstoß gegen § 105 Abs. 1.9) Verstößt die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds gegen § 100 Abs. 5, so führt das hingegen nicht zur Nichtigkeit des Wahlbeschlusses.10) III.
Parteifähiger Personenkreis (§ 250 Abs. 2)
9 Gemäß § 250 Abs. 3 sind für die Nichtigkeitsklage nach § 250 zunächst dieselben Personen parteifähig, die auch bei der Nichtigkeitsklage nach § 249 Partei sein können: jeder Aktionär, der (Gesamt-)Vorstand, sowie jedes Mitglied von Vorstand und Aufsichtsrat. Da die Nichtigkeitsgründe des § 250 aber auch den Schutz der Arbeitnehmer bezwecken,11) erklärt § 250 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 auch die dort näher spezifizierten Betriebsräte, Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen, sowie die Sprecherausschüsse für parteifähig, damit diese Gruppen ihre Interessen verteidigen können. Das Feststellungsinteresse der Aktionäre, des Vorstands oder der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat folgt aus ihrer Stellung zur Gesellschaft. Streitig ist, ob für den parteifähigen Personenkreis aus § 250 Abs. 2 ebenso ein Feststellungsinteresse ohne weiteres angenommen werden kann. Die h. M. nimmt hier an, dass in mitbestimmten Unternehmen das Feststellungsinteresse der Arbeitnehmer-Organisationen ebenfalls aus ihrer Stellung zur Gesellschaft folgt.12) IV.
Verfahren der Nichtigkeitsklage (§ 250 Abs. 3)
10 Für die Nichtigkeitsklage gegen einen Wahlbeschluss gelten verfahrensrechtliche Besonderheiten gegenüber sonstigen Nichtigkeitsklagen. Denn § 250 Abs. 3 verweist nur auf einen Teil der für die reguläre Nichtigkeitsklage anwendbaren Bestimmungen. Ein Freigabeverfahren gibt es bei einer Nichtigkeitsklage gegen Wahlbeschlüsse nicht, da diese nicht in das Handelsregister eingetragen werden.13) Ebenso wenig besteht ein Recht der Gesellschaft auf vorzeitige Akteneinsicht gemäß § 246 Abs. 3 Satz 5. 11 Auch wenn die Klage inhaltlich das betreffende Aufsichtsratsmitglied angreift, ist ihr Gegenstand dennoch der Wahlbeschluss, sodass sich auch die Klage nach § 250 gegen die Gesellschaft richtet. Diese wird dabei von Vorstand und Aufsichtsrat (Prinzip der Doppelvertretung) vertreten (§ 246 Abs. 2). Der Vorstand muss die Klage gemäß § 250 Abs. 3 i. V. m. § 246 Abs. 4 bekannt machen. Auch die Vorschriften zur Verfahrensverbindung, Streitwertfestsetzung und und zur Bekanntmachung der Prozessbeendigung gelten sinngemäß (§ 250 Abs. 3 i. V. m. §§ 247, 248a, 249 Abs. 2). Der Vorstand muss das Urteil unverzüglich beim Handelsregister einreichen (§ 248 Abs. 1 Satz 2). V.
Rechtsfolge der Nichtigkeit
12 Durch den nichtigen Wahlbeschluss ist die betreffende Person nicht Mitglied des Aufsichtsrats geworden. Das gilt sowohl für den von Anfang an an einem Nichtigkeitsgrund _____________ 7) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 250 Rz. 5. 8) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 250 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 250 Rz. 9. 9) K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 250 Rz. 25; Hüffer, AktG, § 250 Rz. 11; K. Schmidt/LutterSchwab, AktG, § 250 Rz. 5. 10) LG München I, Urt. v. 26.2.2010 – 5 HKO 14 083/09, NZG 2010, 621. 11) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 250 Rz. 4. 12) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 250 Rz. 27; Hüffer, AktG, § 250 Rz. 15; K. Schmidt in: GroßKommAktG, § 250 Rz. 37; Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 41 Rz. 117. 13) Hüffer, AktG, § 250 Rz. 14.
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Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
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leidenden Wahlbeschluss als auch für den nach § 250 Abs. 1 (Einleitungssatz) i. V. m. § 241 Nr. 5 auf eine Anfechtungsklage hin für nichtig erklärten Wahlbeschluss. Die mit dem nichtigen bzw. für nichtig erklärten Beschluss vermeintlich gewählte Person ist für zwischenzeitlich gefasste Beschlüsse des Aufsichtsrats wie ein Nichtmitglied zu behandeln; für die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Organ bzw. vom fehlerhaften Bestellungsakt sieht der BGH insoweit keinen Raum.14) Hat daher die Person bereits an Beschlussfassungen des Aufsichtsrats teilgenommen, sind diese Beschlüsse nichtig, wenn die Teilnahme entscheidend war, d. h. wenn ohne sie die Beschlussfähigkeit oder die erforderliche Mehrheit nicht zustande gekommen wäre.15) Bei Nichtigkeit der Wahl des gesamten Aufsichtsrats sind alle gefassten Beschlüsse nichtig.16) Für Pflichten, Haftung und Vergütung des nichtig bestellten Aufsichtsratsmitglieds gelten hingegen die Grundsätze vom fehlerhaften Bestellungsakt.17) Die Gesellschaft hat im Fall einer Nichtigkeitsklage nach der Rechtsprechung nicht die 13 Möglichkeit, das oder die betreffenden Aufsichtsratsmitglieder vorsorglich auch durch das Registergericht analog § 104 Abs. 2 bestellen zu lassen.18) Für die Praxis ergeben sich daher erhebliche Risiken. Der BGH will es vom Einzelfall abhängig machen, ob eine Rückabwicklung den berechtigten Interessen der Beteiligten widerspricht und deshalb unterbleiben kann.19) Die Nichtigkeit der Aufsichtsratswahl kann auch in anderer Weise als durch die spezielle 14 Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Das stellt § 250 Abs. 3 Satz 2 ausdrücklich klar. In Betracht kommt etwa eine Klage auf Feststellung, dass ein Aufsichtsratsbeschluss mangels Erreichen der erforderlichen Mehrheit oder sogar mangels Quorum unwirksam ist. Denkbar sind insbesondere auch Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse einer späteren Hauptversammlung mit der Begründung, ein nach § 124 Abs. 3 notwendiger Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats sei nicht wirksam. Eine Anfechtbarkeit soll insoweit aber dann nicht bestehen, wenn die Aufsichtsratswahl im Zeitpunkt der Verabschiedung des Beschlussvorschlags zwar anfechtbar war, aber noch nicht wirksam für nichtig erklärt ist.20) _____________ 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20)
BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 722. BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 722. BGH, Urt. v. 16.12.1953 – II ZR 167/52, BGHZ 11, 327, 331. BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 722. OLG Köln, Beschl. v. 23.2.2011 – 2 Wx 41/11, ZIP 2011, 522 = AG 2011, 465. BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 722. BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 389 = ZIP 2013, 720, 722.
§ 251 Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (1) 1Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden. 2Ist die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden, so kann die Anfechtung auch darauf gestützt werden, daß der Wahlvorschlag gesetzwidrig zustande gekommen ist. § 243 Abs. 4 und § 244 gelten. (2) 1Für die Anfechtungsbefugnis gilt § 245 Nr. 1, 2 und 4. 2Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds, das nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz auf Vorschlag der Betriebsräte gewählt worden ist, kann auch von jedem Betriebsrat eines Betriebs der Gesellschaft, jeder in den Betrieben der Gesellschaft vertretenen Gewerkschaft oder deren
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Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern
Spitzenorganisation angefochten werden. 3Die Wahl eines weiteren Mitglieds, das nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt worden ist, kann auch von jedem Aufsichtsratsmitglied angefochten werden. (3) Für das Anfechtungsverfahren gelten die §§ 246, 247, 248 Abs. 1 Satz 2 und § 248a. Literatur: Siehe auch die Angaben zu § 250; Diekmann/Bidmon, Das „unabhängige“ Aufsichtsratsmitglied nach dem BilMoG – insbesondere als Vertreter des Hauptaktionärs, NZG 2009, 1087; v. Falkenhausen/Kocher, Wie wird der unabhängige Finanzexperte in den Aufsichtsrat gewählt?, ZIP 2009, 1601; Widmann, Das Fehlen des Finanzexperten nach dem BilMoG – Worst Case Szenario für den Aufsichtsrat, BB 2009, 2602.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Anfechtungsgründe (§ 251 Abs. 1) ..................................... 2 III. Anfechtungsbefugnis (§ 251 Abs. 2) ..................................... 8 I.
IV. Anfechtungsverfahren (§ 251 Abs. 3) ................................... 11 V. Rechtsfolge der Anfechtbarkeit .... 13
Überblick
1 Während § 250 speziell für Wahlbeschlüsse von Aufsichtsratsmitgliedern deren Nichtigkeit regelt, ist die Anfechtung speziell dieser Beschlüsse in § 251 abschließend normiert.1) § 251 Abs. 1 regelt die Anfechtungsgründe. § 251 Abs. 2 trifft Regelungen zur Anfechtungsbefugnis. Hinsichtlich des Anfechtungsverfahrens bedient sich die Vorschrift schließlich in § 251 Abs. 3 einer Verweisung auf die Verfahrensvorschriften der (allgemeinen) Anfechtungsklage (§§ 246, 247, 248 Abs. 1 Satz 2 und § 248a). Die Rechtsfolgen des den Wahlbeschluss für nichtig erklärenden Urteils regelt (in Teilen) § 252 Abs. 2. II.
Anfechtungsgründe (§ 251 Abs. 1)
2 Als Anfechtungsgründe gelten zunächst gemäß § 251 Abs. 1 Satz 1 die allgemeinen Anfechtungsgründe, d. h. eine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung. In erster Linie kommen dabei Verstöße gegen die §§ 126, 127, 137 in Betracht.2) Teilweise wird zu Unrecht auch eine Verletzung des § 100 Abs. 5 als Anfechtungsgrund gewertet.3) In dem Fall wäre bei Listenwahl der Beschluss für die Wahl des Gesamtaufsichtsrats bzw. der gesamten Anteilseignerbank und bei Einzelwahl oder Nachwahlen der Beschluss zur Wahl des letzten Mitglieds (vgl. dazu § 250 Rz. 6), wenn damit die Chance auf eine Besetzung i. S. des § 100 Abs. 5 endgültig vertan ist, anfechtbar.4) Ein zur Anfechtung berechtigender Satzungsverstoß liegt u. a. dann vor, wenn der Gewählte nicht die dort aufgestellten persönlichen Voraussetzungen erfüllt. Ein Wahlbeschluss, durch den ein Aufsichtsratsmitglied gewählt wird, bei dem in Abweichung von der Entsprechenserklärung gemäß § 161 ein Interessenskonflikt möglich ist, wird von der Rechtsprechung zu Unrecht für anfechtbar erachtet.5) Denn der Beschluss beruht nicht darauf, dass es Vorstand und Auf_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 251 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 251 Rz. 2. So etwa von v. Falkenhausen/Kocher, ZIP 2009, 1601, 1603; Diekmann/Bidmon, NZG 2009, 1087, 1091; Widmann, BB 2009, 2602, 2603. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 251 Rz. 1. OLG München, Urt. v. 6.8.2008 – 7 U 5628/07, ZIP 2009, 133, 134; LG Hannover, Urt. v. 17.3.2010 – 23 O 124/09, ZIP 2010, 833 = NZG 2010, 744 (LS).
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sichtsrat in gesetzeswidriger Weise unterlassen haben, die Abweichung entsprechend § 161 unterjährig bekanntzumachen. Keine Anfechtbarkeit wird durch die Überschreitung der Drittelgrenze des § 4 Abs. 1 3 DrittelbG begründet.6) Streitig ist, ob Verstöße gegen eine Stimmbindungsvereinbarung eine Anfechtbarkeit begründen können, wenn alle Aktionäre dieser Vereinbarung zugestimmt haben.7) Eine Tendenz in der Rechtsprechung kann nicht ausgemacht werden. Zusätzlich zu den allgemeinen Anfechtungsgründen normiert § 251 Abs. 1 Satz 2 den be- 4 sonderen Anfechtungsgrund eines Verstoßes gegen die gesetzlichen Bestimmungen über das Zustandekommen eines Wahlvorschlags für die Fälle der Bindung an den Wahlvorschlag aufgrund mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften. In teleologischer Reduktion schränkt die h. M. die Anfechtung auf den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften ein.8) Die Relevanz wird dann regelmäßig vorliegen. Aufgrund der Verweisung des § 251 Abs. 1 Satz 3 wird deutlich, dass auch Verstöße 5 gegen das Auskunftsrecht gemäß § 131 als Anfechtungsgrund gelten. Hierfür gilt die besondere Relevanzprüfung des § 243 Abs. 4. Nicht in die Verweisung des § 251 Abs. 1 Satz 3 aufgenommen ist § 243 Abs. 2, woraus 6 die h. M. ableitet, dass die Anfechtung eines Wahlbeschlusses nach § 251 Abs. 1 nicht wegen der Verfolgung von Sondervorteilen erfolgen kann.9) Ebenfalls kein Anfechtungsgrund ist nach h. M. in der Verletzung der Weitergabepflichten gemäß § 128 zu sehen.10) Anfechtbare Wahlbeschlüsse können gemäß § 251 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 244 bestätigt 7 werden.11) III.
Anfechtungsbefugnis (§ 251 Abs. 2)
Für die Anfechtungsbefugnis verweist § 251 Abs. 2 Satz 1 auf § 245 Nr. 1, 2 und 4, nicht 8 jedoch auf Nr. 3 und 5. Daraus ergibt sich eine Anfechtungsbefugnis für die Aktionäre und den (Gesamt-)Vorstand. Daneben wird die Anfechtungsbefugnis durch § 251 Abs. 2 Satz 2 auf Betriebsräte, Ge- 9 werkschaften und deren Spitzenorganisationen ausgedehnt, sofern durch den angefochtenen Wahlbeschluss ein Kandidat aufgrund des § 4 Abs. 1 Satz 2 lit. b Montan-MitbestG gewählt wurde. Dies gilt nicht für die Wahl des Aktionärsvertreters gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 lit. a Montan-MitbestG.12) § 251 Abs. 2 Satz 3 bezieht sich auf die Wahl des neutralen Mitglieds gemäß § 4 Abs. 1 10 Satz 2 lit. c Montan-MitbestG. Dieser Wahlbeschluss kann nicht nur von den in § 251 Abs. 2 Satz 2 genannten Berechtigten angefochten werden, sondern auch von jedem der übrigen Aufsichtsratsmitglieder.13)
_____________ 6) H. M. vgl. Hüffer, AktG, § 251 Rz. 2 m. w. N.; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 251 Rz. 5. 7) Verneinend: Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 251 Rz. 4; Heidel, AktG, § 251 Rz. 3; bejahend: K. Schmidt/ Lutter-Schwab, AktG, § 251 Rz. 1; K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 251 Rz. 4. 8) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 251 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 251 Rz. 3. 9) K. Schmidt in: GroßKomm-AG, § 251 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 251 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 251 Rz. 5; OLG Hamburg, Urt. v. 5.5.1972 – 11 U 46/71, AG 1972, 183, 187. 10) Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 251 Rz. 114; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 251 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 251 Rz. 6. 11) BGH, Beschl. v. 11.8.2010 – II ZR 24/10, AG 2010, 709. 12) Hüffer, AktG, § 251 Rz. 9. 13) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 251 Rz. 16.
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§ 252 IV.
Urteilswirkung Anfechtungsverfahren (§ 251 Abs. 3)
11 Für das Anfechtungsverfahren gelten die §§ 246, 247, 248 Abs. 1 Satz 2 und 248a. § 248 Abs. 1 Satz 1 gilt nicht, weil § 252 eine spezielle Regelung für die Urteilswirkung vorsieht. Die übrigen Vorschriften, auf die nicht verwiesen wird, sind bereits der Sache nach nicht einschlägig.14) 12 Wird die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung angefochten, so führt die Beendigung des Amtes durch Rücktritt des gewählten Aufsichtsratsmitglieds zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses für die Wahlanfechtungsklage, wenn die Nichtigerklärung keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft, der Aktionäre sowie der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats mehr haben kann.15) Die Darlegungslast trägt nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast die Beklagte Gesellschaft.16) V.
Rechtsfolge der Anfechtbarkeit
13 Erst mit Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils wird der Wahlbeschluss gemäß § 250 Abs. 1 (Einleitungssatz) i. V. m. § 241 Nr. 5 mit Wirkung ex tunc nichtig (zu den Rechtsfolgen siehe § 250 Rz. 12). Bis zu diesem Zeitpunkt ist das anfechtbar bestellte Aufsichtsratsmitglied als wirksam bestellt zu behandeln.17) Die Gesellschaft hat deshalb nach der Rechtsprechung im Fall einer Anfechtungsklage nicht die Möglichkeit, das oder die betreffenden Aufsichtsratsmitglieder vorsorglich auch durch das Registergericht analog § 104 Abs. 2 bestellen zu lassen.18) Ist absehbar, dass es auf die Teilnahme dieses Mitglieds an der Beschlussfassung ankommen wird, was namentlich in paritätisch besetzten Aufsichtsräten der Fall sein dürfte, lassen sich etwaige Unsicherheiten nur durch Amtsniederlegung und – dann mögliche – gerichtliche Bestellung beseitigen. Die Bestellung derjenigen Person, die zuvor ihr Amt niedergelegt hat, ist dabei richtigerweise zulässig, solange das Auswahlermessen des Gerichts bei der Bestellung nicht eingeschränkt ist. _____________ 14) 15) 16) 17) 18)
Hüffer, AktG, § 251 Rz. 10. BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 721. BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 721. BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 722. OLG Köln, Beschl. v. 23.2.2011 – 2 Wx 41/11, ZIP 2011, 522 = AG 2011, 465.
§ 252 Urteilswirkung (1) Erhebt ein Aktionär, der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder eine in § 250 Abs. 2 bezeichnete Organisation oder Vertretung der Arbeitnehmer gegen die Gesellschaft Klage auf Feststellung, daß die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung nichtig ist, so wirkt ein Urteil, das die Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig feststellt, für und gegen alle Aktionäre und Arbeitnehmer der Gesellschaft, alle Arbeitnehmer von anderen Unternehmen, deren Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie die in § 250 Abs. 2 bezeichneten Organisationen und Vertretungen der Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht Partei sind. (2) 1Wird die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt, so wirkt das Urteil für und gegen alle Ak1266
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§ 252
Urteilswirkung
tionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats, auch wenn sie nicht Partei sind. 2Im Fall des § 251 Abs. 2 Satz 2 wirkt das Urteil auch für und gegen die nach dieser Vorschrift anfechtungsberechtigten Betriebsräte, Gewerkschaften und Spitzenorganisationen, auch wenn sie nicht Partei sind. Literatur: Siehe die Angaben zu § 250.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Nichtigkeitsurteil (§ 252 Abs. 1) ..... 2 I.
III. Anfechtungsurteil (§ 252 Abs. 2) .... 3
Überblick
§ 252 Abs. 1 behandelt die Urteilswirkung für die Nichtigkeitsklage nach § 250, während 1 § 252 Abs. 2 die Urteilswirkung der Anfechtungsklage nach § 251 zum Gegenstand hat. Beide Absätze gelten ihrem Wortlaut nach nur für den Fall stattgebender Urteile. Ein klageabweisendes Urteil wirkt nur zwischen den Parteien.1) § 252 ist für die Klagen aus §§ 250, 251 das Pendant zu § 248 Abs. 1 Satz 1. Es wird die Erstreckung der materiellen Rechtskraft geregelt.2) Von der Rechtskraftwirkung ist die Feststellungswirkung bzw. die Gestaltungswirkung zu unterscheiden (dazu im Folgenden). II.
Nichtigkeitsurteil (§ 252 Abs. 1)
Durch das rechtskräftige Nichtigkeitsurteil wird die bereits bestehende Rechtslage festge- 2 stellt. Dementsprechend handelt es sich um ein Feststellungsurteil.3) Die Drittwirkung des § 252 Abs. 1 tritt ein, wenn eine der dort aufgezählten Parteien klagt.4) Dann wirkt die materielle Rechtskraft des Urteils für und gegen die Aktionäre, alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie für und gegen die in § 250 Abs. 2 genannten Organisationen und Vertretungen sowie alle Arbeitnehmer der Gesellschaft und der abhängigen Gesellschaften, die selbst oder durch Delegierte an der Wahl teilgenommen haben. Dadurch werden diese Personengruppen von einer weiteren Klageerhebung gegen den Beschluss ausgeschlossen. Die Feststellungswirkung des Urteils soll nach h. M. über den Wortlaut hinaus für und gegen jedermann wirken mit der Folge, dass der betreffende Beschluss gegenüber jedermann als nichtig gilt.5) III.
Anfechtungsurteil (§ 252 Abs. 2)
Durch das rechtskräftige Anfechtungsurteil wird die materielle Rechtslage neu gestaltet. 3 Es handelt sich daher um ein Gestaltungsurteil.6) Die Gestaltungswirkung tritt gegenüber jedermann ein, mit der Folge, dass der angefochtene Beschluss gegenüber jedermann als nichtig gilt. Die Rechtskraftwirkung erstreckt sich auf die in § 252 Abs. 2 beschriebenen Personengruppen, mit der Konsequenz, dass eine erneute Klage gegen den betreffenden Beschluss für sie (und damit insgesamt, da sonst niemand anfechtungsberechtigt ist) unzulässig ist. Anders als § 252 Abs. 1 für die Nichtigkeitsklage, erstreckt sich die Rechts_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Vgl. Hüffer, AktG, § 252 Rz. 1. Diegger/Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 252 Rz. 1; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 252 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 252 Rz. 2; a. A.: K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 252 Rz. 4; Grigoleit-Ehmann, AktG, § 252 Rz. 2 (Gestaltungsurteil). Hüffer, AktG, § 252 Rz. 2; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 252 Rz. 4. Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 252 Rz. 4 m. w. N. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 252 Rz. 3.
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§ 253
Nichtigkeit des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns
kraftwirkung nicht auf die Arbeitnehmer, da sie gemäß § 251 Abs. 2 nicht anfechtungsberechtigt sind. 4 Die Rückwirkung des der Klage stattgebenden Anfechtungsurteils gilt auch im Fall von Wahlbeschlüssen für Aufsichtsratsmitglieder. Das hat der BGH jüngst klargestellt und hinsichtlich der Mitwirkung der betroffenen Personen an Aufsichtsratsbeschlüssen der Lehre vom faktischen Organ bzw. vom fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglied eine Absage erteilt (siehe auch § 250 Rz. 12).7) _____________ 7)
BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, AG 2013, 387, 388 = ZIP 2013, 720, 721 f.
§ 253 Nichtigkeit des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (1) 1Der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns ist außer in den Fällen des § 173 Abs. 3, des § 217 Abs. 2 und des § 241 nur dann nichtig, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses, auf dem er beruht, nichtig ist. 2Die Nichtigkeit des Beschlusses aus diesem Grund kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses nicht mehr geltend gemacht werden kann. (2) Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gegen die Gesellschaft gilt § 249. Literatur: Hueck, G., Minderheitenschutz bei der Ergebnisverwendung in der GmbH, in Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, S. 45; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbHRecht, 1988.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Nichtigkeit des zugrunde liegenden Jahresabschlusses ............ 5 III. Heilungsmöglichkeit (§ 253 Abs. 1 Satz 2) ......................... 7 I.
IV. Nichtigkeitsklage gemäß § 249 (§ 253 Abs. 2) ..................................... 8 V. Rechtsfolge des nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses ..... 9
Überblick
1 Während die §§ 250 bis 252 besondere Vorschriften für die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern enthalten, regeln die §§ 253 und 254 besondere Voraussetzungen für die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Gewinnverwendungsbeschlüssen der Hauptversammlung nach § 174. Zunächst verweist § 253 Abs. 1 auf die allgemeinen Nichtigkeitsgründe nach § 241, sowie die speziellen Nichtigkeitsgründe gemäß §§ 173 Abs. 3, 217 Abs. 2 und erweitert1) abschließend die Nichtigkeitsgründe hinsichtlich des Gewinnverwendungsbeschlusses auf den Fall der Nichtigkeit des zugrunde liegenden Jahresabschlusses.2) 2 Nach § 173 Abs. 3 wird ein Gewinnverwendungsbeschluss, der nach einer Änderung des geprüften Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung erfolgt, nichtig, wenn die Ände_____________ 1) 2)
Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 253 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 253 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 253 Rz. 1.
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Nichtigkeit des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns
§ 253
rung nicht innerhalb von zwei Wochen seit Beschlussfassung mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen wird. Gemäß § 217 Abs. 2 Satz 4 wird ein Gewinnverwendungsbeschluss, der die rückwirkende 3 Teilnahme junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln am Gewinn des Vorjahres vorsieht, nichtig, wenn die Kapitalerhöhung nicht innerhalb von drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen wird (dazu auch § 217 Rz. 5). Zu den Fällen der Nichtigkeit nach § 241 gehören u. a. der Verstoß des Gewinnverwen- 4 dungsbeschlusses gegen § 174 Abs. 1 Satz 2 (Nichtigkeit gemäß § 241 Nr. 3 Alt. 3) und die stattgegebene Anfechtungsklage, etwa wegen übermäßiger Rücklagenbildung gemäß § 254.3) Ein Verstoß gegen § 174 Abs. 2 stellt dagegen nach h. M. keinen Nichtigkeitsgrund dar.4) II.
Nichtigkeit des zugrunde liegenden Jahresabschlusses
Der Gewinnverwendungsbeschluss ist darüber hinaus nichtig, wenn die Feststellung des 5 Jahresabschlusses nichtig ist und der Gewinnverwendungsbeschluss auf dem Jahresabschluss beruht. Die Nichtigkeit eines festgestellten Jahresabschlusses richtet sich nach § 256. Auf diese Weise wird die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses an die Nichtigkeit des Jahresabschlusses gebunden.5) Das Beruhen des Gewinnverwendungsbeschlusses ist dann zu bejahen, wenn er den 6 Bilanzgewinn, in der Höhe wie er im Jahresabschluss genannt wird, zugrunde legt. Geht der Gewinnverwendungsbeschluss von einem höheren oder niedrigeren Betrag aus, so ist er schon nach § 241 Nr. 3, Alt. 3 nichtig.6) Der Gewinnverwendungsbeschluss beruht auch dann noch auf dem fehlerhaften Jahresabschluss, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses fehlerfrei wiederholt wird, und der Bilanzgewinn nach wie vor in derselben Höhe feststeht, die in dem Gewinnverwendungsbeschluss zugrunde gelegt wurde. Der Gewinnverwendungsbeschluss muss also in jedem Fall neu gefasst werden.7) III.
Heilungsmöglichkeit (§ 253 Abs. 1 Satz 2)
Kann die Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses wegen Fristablaufs gemäß § 256 7 Abs. 6 nicht mehr geltend gemacht werden, so kann auch die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses nicht mehr geltend gemacht werden.8) Der Eintritt der Heilungswirkung des nichtigen Jahresabschlusses wird durch eine Klage gegen den Gewinnverwendungsbeschluss nicht gehindert. Erfolgt während der isolierten Klage gegen den Gewinnverwendungsbeschluss die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses, wird die Klage unbegründet.9) IV.
Nichtigkeitsklage gemäß § 249 (§ 253 Abs. 2)
Zur Geltendmachung der Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses verweist § 253 8 Abs. 2 auf die allgemeinen Vorschriften über die Nichtigkeitsklage gemäß § 249 und damit auch auf die dort in Bezug genommenen Vorschriften über die Anfechtungsklage. _____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Hüffer, AktG, § 253 Rz. 3. Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 253 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 253 Rz. 3. OLG Stuttgart, Urt. v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, NZG 2003, 778, 780 = ZIP 2003, 1981; Spindler/StilzStilz, AktG, § 253 Rz. 12. Hüffer, AktG, § 253 Rz. 4; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 253 Rz. 13. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 253 Rz. 6. Hüffer, AktG, § 253 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 253 Rz. 9. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 253 Rz. 9.
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§ 254 V.
Anfechtung des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns Rechtsfolge des nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses
9 Durch einen nichtigen Gewinnverwendungsbeschluss kann kein Anspruch auf Dividendenauszahlung entstehen.10) Wurde eine Dividende schon ausgezahlt, gilt § 62 Abs. 1 Satz 2, mit der Folge, dass die Aktionäre die Dividende zurückzahlen müssen, sofern sie von der Nichtigkeit wussten oder ihr Nichtwissen auf Fahrlässigkeit beruht.11) Wird für das betreffende Geschäftsjahr zu einem späteren Zeitpunkt an Stelle des nichtigen bzw. für nichtig erklärten ein neuer Gewinnverwendungsbeschluss gefasst, so entsteht der Anspruch auf Dividendenauszahlung grundsätzlich bei den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Aktionären und mithin nicht zwingend bei denjenigen, die eventuell bereits aufgrund des nichtigen Beschlusses eine Dividende ausgezahlt erhalten haben. Noch ungeklärt ist, inwieweit die Hauptversammlung beschließen kann, dass die infolge des nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses ausgezahlte Dividende nicht zurückgezahlt werden muss, sondern als endgültig aus dem Bilanzgewinn gezahlt gilt. Das ist richtigerweise jedenfalls dann möglich, wenn die Satzung gemäß § 58 Abs. 3 Satz 2 eine Verteilung des Gewinns an Nichtaktionäre und gemäß § 54 Abs. 5 eine Sachausschüttung zulässt. _____________ 10) Hüffer, AktG, § 253 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 253 Rz. 7. 11) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 253 Rz. 20.
§ 254 Anfechtung des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (1) Der Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns kann außer nach § 243 auch angefochten werden, wenn die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn Beträge in Gewinnrücklagen einstellt oder als Gewinn vorträgt, die nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen sind, obwohl die Einstellung oder der Gewinnvortrag bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern und dadurch unter die Aktionäre kein Gewinn in Höhe von mindestens vier vom Hundert des Grundkapitals abzüglich von noch nicht eingeforderten Einlagen verteilt werden kann. (2) 1Für die Anfechtung gelten die §§ 244 bis 246, 247 bis 248a. 2Die Anfechtungsfrist beginnt auch dann mit der Beschlußfassung, wenn der Jahresabschluß nach § 316 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs erneut zu prüfen ist. 3Zu einer Anfechtung nach Absatz 1 sind Aktionäre nur befugt, wenn ihre Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen. Literatur: Siehe die Angaben zu § 253.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Anfechtungsvoraussetzungen (§ 254 Abs. 1) ..................................... 4 I.
III. Verfahrensvoraussetzungen (§ 254 Abs. 2) ..................................... 8
Überblick
1 Die Vorschrift des § 254 regelt einen besonderen Anfechtungsgrund für Gewinnverwendungsbeschlüsse, wenn die Hauptversammlung die übermäßige Einstellung in die Rücklagen 1270
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Anfechtung des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns
§ 254
oder den Gewinnvortrag beschließt und dadurch Minderheitsaktionären ihren Gewinnanteil verwehrt (sog. „Aushungern“).1) Eine Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses aus den in § 243 genannten Grün- 2 den ist daneben ebenfalls möglich.2) § 254 bezieht sich nach h. M. nur auf den Gewinnverwendungsbeschluss i. S. des § 58 3 Abs. 3. Sie eröffnet daher keinen besonderen Anfechtungsgrund für einen Vorstands- und Aufsichtsratsbeschluss i. S. des § 58 Abs. 2 Satz 1.3) II.
Anfechtungsvoraussetzungen (§ 254 Abs. 1)
Eine Anfechtung nach § 254 kommt nur in Betracht, wenn durch den Gewinnverwen- 4 dungsbeschluss verteilungsfähige Beträge in die Gewinnrücklagen gemäß § 266 Abs. 3 A. III. HGB oder in den Gewinnvortrag gemäß § 266 Abs. 3 A. IV. HGB eingestellt werden. Ansonsten kann nur nach § 243 angefochten werden.4) Nicht verteilungsfähig sind Beträge, die in gesetzliche oder satzungsmäßige Rücklagen eingestellt werden müssen. Das gleiche gilt für unverteilbare Spitzenbeträge; diese dürfen auf neue Rechnung vorgetragen werden.5) Weitere Voraussetzung für die Anfechtbarkeit nach § 254 ist, dass durch die im Gewinn- 5 verwendungsbeschluss vorgesehene Einstellung in die Gewinnrücklagen oder den darin vorgesehenen Vortrag auf neue Rechnung der an die Aktionäre auszuschüttende Gewinn 4 % des Grundkapitals, auf das die Einlagen erbracht sind, unterschreitet. Streitig ist, ob § 254 insoweit kollektivistisch6) oder individualistisch7) zu verstehen ist, d. h. –
ob maßgeblich die Gesamtausschüttung ist und diese 4 % des gesamten durch Einlagen belegten Grundkapitals erreichen muss,
–
oder ob maßgeblich die einzelne Einlage des Aktionärs ist und die ihm zukommende Gewinnausschüttung 4 % seiner erbrachten Einlage erreichen muss.
Diese Betrachtungsweisen kommen in der Regel zu den gleichen Ergebnissen, unter- 6 scheiden sich aber bspw. dann, wenn Vorzugsaktionäre vorhanden sind, die als solche eine höhere Gewinnausschüttung erhalten als die Stammaktionäre.8) In der Rechtsprechung hat sich hierzu noch keine klare Linie herausgebildet.9) Auch wenn die vorstehenden Voraussetzungen vorliegen, ist die Anfechtung nach § 254 7 bei einer wirtschaftlich notwendigen Thesaurierung ausgeschlossen. Diese liegt nach dem Gesetz dann vor, wenn mit der Nichtausschüttung der Sicherung der Lebens- und Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gedient werden soll, diese Sicherung für einen übersehbaren Zeitraum (maximal fünf Jahre)10) erfolgen soll und die Thesaurierung bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtung dazu auch notwendig ist.11) Ziel muss es sein, den Bestand und die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens zu erhalten.12) Ge_____________ 1) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 1; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 1. 2) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 1. 3) BGH, Urt. v. 1.3.1971 – III ZR 53/69, BGHZ 55, 359, 364 f.; Hüffer, AktG, § 254 Rz. 1; K. Schmidt/ Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 2; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 2. 4) Hüffer, AktG, § 254 Rz. 4. 6) Hüffer, AktG, § 254 Rz. 3; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 13. 7) K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 254 Rz. 1, 7; K. Schmidt/Lutter-Schwab, § 254 Rz. 1. 8) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 3; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 13. 9) Unklar: BGH, Urt. v. 28.6.1982 – II ZR 69/81, BGHZ 84, 303, 305 = ZIP 1982, 959. 10) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 5. 11) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 254 Rz. 7. 12) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 254 Rz. 15.
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rade die Sicherung der Widerstandsfähigkeit kann aber auch eine Expansion erfordern, sodass sich trotz des objektivierten Tatbestands erhebliche Schwierigkeiten bei der Konkretisierung und mithin Rechtsunsicherheiten in der Praxis ergeben. III.
Verfahrensvoraussetzungen (§ 254 Abs. 2)
8 Für das Verfahren der Anfechtung gelten die §§ 244 bis 246, 247 bis 248a. Ein Freigabeverfahren i. S. des § 246a gibt es nicht. Am Beginn der Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage gemäß § 246 Abs. 1 (mit Beschlussfassung) ändert sich nach § 254 Abs. 2 Satz 2 auch dann nichts, wenn nach Fassung des Beschlusses eine Nachtragsprüfung gemäß § 316 Abs. 3 HGB stattfindet.13) 9 Die Anfechtungsbefugnis der Aktionäre für die Klage nach § 254 richtet sich nach Absatz 2 Satz 3. Erforderlich ist das Erreichen eines Quorums von 5 % des Grundkapitals oder eines anteiligen Betrags des Grundkapitals von 500.000 €. Streitig ist, ob das Quorum nur bei Klageerhebung oder während des gesamten Rechtsstreits bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss. Das Schrifttum scheint mehrheitlich Letzteres zu bejahen.14) Andererseits wird teils von denselben Autoren zugleich der Rechtsgedanke des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO aufgegriffen und vertreten, dass die Veräußerung der Aktien im Prozess für das Quorum unbeachtlich sei.15) Nur die Klagerücknahme einzelner Aktionäre könnte sich dann auf das Quorum auswirken.16) Diese bedeutsamen Rechtsfragen sind nach wie vor nicht abschließend geklärt. Dasselbe gilt für die Frage, ob bei der Berechnung des Quorums auch Aktionäre zu berücksichtigen sind, die keine Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 oder Nr. 2 besitzen.17) 10 Für die Organmitglieder verbleibt es bei der Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 4 und 5.18) _____________ 13) Hüffer, AktG, § 254 Rz. 8. 14) So etwa Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 11; a. A. etwa Hüffer, AktG, § 254 Rz. 9. 15) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Schwab, § 254 Rz. 11; ebenso Hüffer, AktG, § 254 Rz. 9. 16) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 11. 17) Zum Meinungsstand Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 254 Rz. 17. 18) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 254 Rz. 12.
§ 255 Anfechtung der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (1) Der Beschluß über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen kann nach § 243 angefochten werden. (2) 1Die Anfechtung kann, wenn das Bezugsrecht der Aktionäre ganz oder zum Teil ausgeschlossen worden ist, auch darauf gestützt werden, daß der sich aus dem Erhöhungsbeschluß ergebende Ausgabebetrag oder der Mindestbetrag, unter dem die neuen Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unangemessen niedrig ist. 2Dies gilt nicht, wenn die neuen Aktien von einem Dritten mit der Verpflichtung übernommen werden sollen, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. (3) Für die Anfechtung gelten die §§ 244 bis 248a. Literatur: Bayer, Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß und Vermögensschutz der Aktionäre nach § 255 Abs. 2 AktG, ZHR 163 (1999), 505; Bezzenberger, Der Greenshoe und die An-
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gemessenheit des Aktienausgabebetrags beim Börsengang, AG 2010, 765; Hüffer, Unternehmenszusammenschlüsse: Bewertungsfragen, Anfechtungsprobleme und Integrationsschranken, ZHR 172 (2008), 572; Löbbe, Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten des Debt Equity Swap, Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, 423; Martens, Bewertungsspielräume bei Fusionen und fusionsähnlichen Strukturänderungen, in Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 987; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996; Schaefer/ Grützediek, Haftung der Gesellschaft für „mangelhafte“ Gesellschaftsanteile bei Kapitalerhöhung, NZG 2006, 204; Sinewe, Die Relevanz des Börsenkurses i. R. d. § 255 II AktG, NZG, 2002, 314; Schlitt/Schäfer, Alte und neue Fragen im Zusammenhang mit 10 %-Kapitalerhöhungen, AG 2005, 67; Wagner, J. Zur aktienrechtlichen Zulässigkeit von Share MatchingPlänen, BB 2010, 1739; Wieneke, Der Einsatz von Aktien als Akquisitionswährung, NZG 2004, 61.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anfechtung nach § 243 (§ 255 Abs. 1) ................................................. 5 I.
III. Anfechtung bei Ausschluss des Bezugsrechts (§ 255 Abs. 2) .............. 6 IV. Anwendbare Vorschriften (§ 255 Abs. 3) ................................... 11
Überblick
§ 255 Abs. 1 verweist auf § 243 AktG und stellt damit klar, dass für die Anfechtung einer 1 Kapitalerhöhung gegen Einlagen im Ausgangspunkt die allgemeinen Anfechtungsgründe gelten. § 255 Abs. 2 normiert über diese hinausgehend einen besonderen Anfechtungsgrund für den Fall, dass das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen worden ist: Eine Anfechtung kann bei Ausschluss des Bezugsrechts darauf gestützt werden, dass der Erhöhungsbeschluss einen unangemessen niedrigen Ausgabebetrag bzw. Mindestbetrag für die neuen Aktien vorsieht. Eine Ausnahme sieht § 255 Abs. 2 Satz 2 für den Fall vor, dass die neuen Aktien von einem Dritten übernommen werden, der zum anschließenden Angebot der neuen Aktien an die Aktionäre verpflichtet ist. § 255 Abs. 2 Satz 2 sichert so die praktische Durchführung des mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 Satz 1 ab. In direkter Anwendung gilt § 255 Abs. 2 für die Fälle der regulären Kapitalerhöhung ge- 2 gen Einlagen gemäß § 182 und der bedingten Kapitalerhöhung gemäß §§ 192 ff. Er gilt wegen § 203 Abs. 1 Satz 2 auch für die Schaffung genehmigten Kapitals, wenn bereits der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung neben dem Bezugsrechtsausschluss eine Bestimmung zum Ausgabebetrag enthält.1) Eine entsprechende Anwendung wird angenommen für die Sachkapitalerhöhung.2) Anstelle von „Ausgabebetrag“ ist dann der „Wert der Sacheinlage“ in den Normtext hineinzulesen. Nach umstrittener Rechtsprechung soll § 255 Abs. 2 bei einer gemischten Bar- und Sacheinlage auch dann gelten, wenn das Bezugsrecht nicht ausgeschlossen wurde, weil nämlich gewährleistet werden müsse, dass nicht entweder der Bar- oder der Sacheinleger verwässert wird.3) Soweit andere Literaturstimmen hierin (nur) einen Verstoß gegen § 53a sehen,4) macht das für die Praxis keinen Unterschied, da auch insoweit im Ergebnis eine Anfechtbarkeit (dann nach allgemeinen Regeln) besteht. Auch auf andere Arten der Kapitalzuführung, bei denen die Gefahr der _____________ 1) 2)
3)
4)
BGH v. 21.7.2008 – II ZR 1/07, ZIP 2009, 913. BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 50 ff.; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.7.1998 – 21 U 166/97, AG 1999, 231; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 255 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG § 255 Rz. 6. OLG Jena, Beschl. v. 12.10.2006 – 6 W 452/06, ZIP 2006, 1989 ff.; Hüffer, AktG, § 255 Rz. 15; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 12; a. A.: Bürgers/Körber-Göz, AktG, § 255 Rz. 4; Schaefer/ Grützediek, NZG 2006, 204, 207. K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG, § 255 Rz. 6.
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Verwässerung der Anteile besteht, wie z. B. bei der Ausgabe von Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen und Genussrechten, wird eine entsprechende Anwendung von § 255 Abs. 2 befürwortet.5) Ebenso findet § 255 i. R. einer Verschmelzung auf den Kapitalerhöhungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft Anwendung, durch den die Aktien für die Neuaktionäre geschaffen werden sollen.6) Für die Wertkontrolle bei der Ausgabe von Vorzugsaktien gilt die Vorschrift ebenfalls.7) 3 Unabhängig davon, ob man dies auf eine entsprechende Anwendung oder auf das Bestehen eines dem § 255 Abs. 2 zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes stützt, sind in der Praxis auch i. R. der Ausübung eines genehmigten Kapitals oder der Veräußerung eigener Aktien bei der Bemessung des Ausgabe- bzw. Veräußerungsbetrags vom Vorstand die Vorgaben des § 255 Abs. 2 zu beachten.8) Streitig ist die analoge Anwendung des § 255 Abs. 2 auf einen Beschluss, mit dem das Andienungsrecht beim Rückerwerb eigener Aktien gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 ausgeschlossen wird.9) 4 Die Forderung, § 255 zu streichen und die Angemessenheitsprüfung des Ausgabebetrags dem Spruchverfahren zu überlassen, hat der Gesetzgeber weder i. R. des UMAG noch des ARUG umgesetzt.10) II.
Anfechtung nach § 243 (§ 255 Abs. 1)
5 Der Kapitalerhöhungsbeschluss kann auch aufgrund der allgemeinen Anfechtungsgründe angefochten werden, d. h. bei Verstoß gegen Gesetz oder Satzung. Die Regelungen der § 243 Abs. 2 steht ebenfalls neben § 255 Abs. 2 – eine Verdrängung der einen Vorschrift durch die andere erfolgt nicht.11) Eine Anfechtung kann neben § 255 Abs. 2 insbesondere auch auf einen Gesetzesverstoß wegen unzulässigen Ausschlusses des Bezugsrechts gestützt werden.12) III.
Anfechtung bei Ausschluss des Bezugsrechts (§ 255 Abs. 2)
6 Die Anfechtung nach § 255 Abs. 2 kommt (von dem unter Rz. 2 dargestellten Fall der gemischten Bar- und Sachkapitalerhöhung abgesehen) nur in Betracht, wenn das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen ist, weil (abgesehen vom vorgenannten Sonderfall) nur dann eine Verwässerungsgefahr besteht.13) Voraussetzung für die Anfechtbarkeit nach § 255 Abs. 2 ist, dass der im Erhöhungsbeschluss festgesetzte Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist. 7 Unangemessen niedrig ist der Ausgabebetrag im Ausgangspunkt nur dann, wenn er hinter dem vollen Wert der Aktien (zu dessen Ermittlung siehe Rz. 8) zurückbleibt.14) Eine Unangemessenheit liegt allerdings nicht in jedem Fall schon dann vor, wenn sich zwischen _____________ 5) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG § 255 Rz. 10. 6) LG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.1.1990 – 3/11 T 62/89, WM 1990, 592; OLG Hamm, Urt. v. 20.6.1998 – 8 U 329/87, ZIP 1988, 1051; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG § 255 Rz. 10; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 14. 7) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 13. 8) Vgl. für den Fall der Ausnutzung genehmigten Kapitals BGH, Urt. v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 = ZIP 1997, 1499. 9) Zum Meinungsstand vgl. Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 13. 10) Vgl. dazu Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 2. 11) Hüffer, AktG, § 255 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG § 255 Rz. 2. 12) K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG § 255 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 255 Rz. 3; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 17. 13) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 255 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 255 Rz. 4. 14) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 19; Hüffer, AktG, § 255 Rz. 5.
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Ausgabebetrag und vollem Wert eine negative Differenz ergibt. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Ausgabebetrag im zu entscheidenden Einzelfall als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung der konkreten Interessenlage, bei der auch strategische Gesellschaftsinteressen berücksichtigungsfähig sind, angemessen erscheint oder nicht.15) Vor diesem Hintergrund sind auch Aktienoptionsprogramme für Mitglieder von Geschäftsführungsorganen und Mitarbeiter sowie Mitarbeiteraktienprogramme und sog. Share Matching-Pläne selbst in größerem Umfang zulässig, wenn die Gesamtbetrachtung ergibt, dass die Verwässerung der Anteile der Altaktionäre durch Ausgabe neuer Aktien unter dem vollen Wert, durch nicht in einer Einlageleistung liegende Vorteile wieder aufgewogen werden, etwa durch die Gewinnung und Motivierung von Führungskräften und (sonstigen) Mitarbeitern.16) Aufgrund einer Gesamtbetrachtung kann zudem ein unter dem vollen Wert liegender Ausgabebetrag für sog. Greenshoe-Aktien durchaus angemessen sein.17) Bei der Ermittlung des vollen Werts sind nach h. M. auch die stillen Reserven und der 8 innere Geschäftswert einzubeziehen.18) Der volle Wert kann belastbar durch Unternehmensbewertung im Ertragswertverfahren oder anhand der Discounted-Cashflow Methode ermittelt werden.19) Bei einer börsennotierten AG nehmen Teile des Schrifttums an, dass der Börsenkurs anders als in den Abfindungsfällen (etwa bei § 305) keinen Einfluss auf den für den angemessenen Ausgabebetrag i. S. des § 255 relevanten vollen Wert hat.20) Diese Ansicht kann sich auf eine ältere Entscheidung des BGH stützen.21) Für sie spricht, dass es bei § 255 nicht um die Abfindung des Aktionärs geht und der grundrechtliche Eigentumsschutz nicht in gleichem Maße geboten erscheint. Je nach Fallgestaltung ist es für die Unternehmen allerdings sogar praktikabler, den vollen Wert mit dem Börsenkurs gleichsetzen zu können. Denn nur so lässt sich eine aufwendige Unternehmensbewertung vermeiden. Dem trägt die Ansicht Rechnung, die den Unternehmenswert nicht lediglich als Untergrenze des vollen Werts heranziehen will, sondern bei börsennotierten Unternehmen dafür plädiert, dass ausschließlich der Börsenkurs ausschlaggebend ist.22) Andere wiederum sehen den Börsenkurs nur als Untergrenze des vollen Anteilswerts an.23) In der Praxis werden diese unterschiedlichen Ansichten zur Berücksichtigung des Börsenkurses durch den Spielraum ausgeglichen, den die Gesellschaft i. R. der unter Rz. 7 dargestellten Gesamtbetrachtung hat. Für den Fall des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses (§ 186 Abs. 3 Satz 4) ist richtiger- 9 weise die von § 255 Abs. 2 geforderte Angemessenheit zu vermuten, wenn der Ausgabebetrag nicht wesentlich unter dem Börsenkurs liegt.24) Selbst wenn man eine Spezialität des § 186 Abs. 3 Satz 4 gegenüber § 255 Abs. 2 ablehnt,25) dürfte deshalb eine Anfechtung nach § 255 Abs. 2 also regelmäßig nicht in Betracht kommen.26) _____________ 15) OLG Koblenz, Urt. v. 16.5.2002 – 6 U 211/01, NZG 2003, 182, 184 = ZIP 2002, 1845; Spindler/StilzStilz, AktG, § 255 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG § 255 Rz. 3. 16) J. Wagner, BB 2010, 1739, 1744; Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 19. 17) Dazu ausführlich Bezzenberger, AG 2010, 765, 768 ff.; BGH, Hinweisbeschl. v. 21.7.2008 – II ZR 1/07, ZIP 2009, 913 = NZG 2009, 589. 18) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.7.1998 – 21 U 166/97, AG 1999, 231, 232 f.; K. Schmidt in: GroßKommAktG, § 255 Rz. 12; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 255 Rz. 16. 19) Spindler/Stilz-Stilz, AktG, § 255 Rz. 20. 20) So insbesondere Hüffer, AktG, § 255 Rz. 8. 21) BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40. 22) Sinewe, NZG 2002, 314, 317; ebenso K. Schmidt/Lutter-Schwab, AktG § 255 Rz. 4; Grigoleit-Ehmann, AktG, § 255 Rz. 6. 23) So etwa Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, S. 267 f. 24) Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 72; Hüffer, AktG, § 186 Rz. 39e. 25) So insbesondere Hüffer, AktG, § 255 Rz. 9 f. 26) Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 72.
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§ 256
Nichtigkeit
10 Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 255 Abs. 2 ist schließlich, dass sich der Ausgabe- bzw. Mindestbetrag aus dem Erhöhungsbeschluss ergibt.27) IV.
Anwendbare Vorschriften (§ 255 Abs. 3)
11 Der Verweis in § 255 Abs. 3 auf die Vorschriften der §§ 244 bis 248a stellt klar, dass hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen für die Anfechtungsklage die allgemeinen Regeln gelten. Insbesondere besteht auch im Fall Anfechtung nach § 255 Abs. 2 für die Gesellschaft die Möglichkeit eines Freigabeverfahrens gemäß § 246a. Dabei ist der volle Wert, der Ausgangspunkt für die Prüfung der Angemessenheit i. S. des § 255 ist, vom Antragsteller nur glaubhaft zu machen und vom Gericht, weil es sich nicht um eine Rechtssondern um eine Tatfrage handelt, nur kursorisch zu prüfen. _____________ 27) Hüffer, AktG, § 255 Rz. 13.
Zweiter Abschnitt Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses § 256 Nichtigkeit Bernd Früchtl
(1) Ein festgestellter Jahresabschluß ist außer in den Fällen des § 173 Abs. 3, § 234 Abs. 3 und § 235 Abs. 2 nichtig, wenn 1. er durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft gegeben sind, 2. er im Falle einer gesetzlichen Prüfungspflicht nicht nach § 316 Abs. 1 und 3 des Handelsgesetzbuchs geprüft worden ist, 3. er im Falle einer gesetzlichen Prüfungspflicht von Personen geprüft worden ist, die nach § 319 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs oder nach Artikel 25 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch nicht Abschlussprüfer sind oder aus anderen Gründen als einem Verstoß gegen § 319 Abs. 2, 3 oder Abs. 4, § 319a Abs. 1 oder § 319b Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs nicht zum Abschlussprüfer bestellt sind, 4. bei seiner Feststellung die Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in Kapital- oder Gewinnrücklagen oder über die Entnahme von Beträgen aus Kapital- oder Gewinnrücklagen verletzt worden sind. (2) Ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat. (3) Ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluß ist außer nach Absatz 1 nur nichtig, wenn die Feststellung 1. in einer Hauptversammlung beschlossen worden ist, die unter Verstoß gegen § 121 Abs. 2 und 3 Satz 1 oder Abs. 4 einberufen war, 2. nicht nach § 130 Abs. 1 und 2 Satz 1 und Abs. 4 beurkundet ist, 3. auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist.
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Nichtigkeit
(4) Wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses sowie wegen der Nichtbeachtung von Formblättern, nach denen der Jahresabschluß zu gliedern ist, ist der Jahresabschluß nur nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind. (5) 1Wegen Verstoßes gegen die Bewertungsvorschriften ist der Jahresabschluß nur nichtig, wenn 1. Posten überbewertet oder 2. Posten unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. 2
Überbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem höheren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 bis 256 des Handelsgesetzbuchs zulässig ist. 3Unterbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 bis 256 des Handelsgesetzbuchs zulässig ist. 4Bei Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten sowie bei Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinn des § 17 des Kapitalanlagegesetzbuchs liegt ein Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften nicht vor, soweit die Abweichung nach den für sie geltenden Vorschriften, insbesondere den §§ 340e bis 340g des Handelsgesetzbuchs, zulässig ist; dies gilt entsprechend für Versicherungsunternehmen nach Maßgabe der für sie geltenden Vorschriften, insbesondere der §§ 341b bis 341h des Handelsgesetzbuchs. (6) 1Die Nichtigkeit nach Absatz 1 Nr. 1, 3 und 4, Absatz 2, Absatz 3 Nr. 1 und 2, Absatz 4 und 5 kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung nach § 325 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4, des Absatzes 2 und des Absatzes 3 Nr. 1 und 2 sechs Monate, in den anderen Fällen drei Jahre verstrichen sind. 2Ist bei Ablauf der Frist eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses rechtshängig, so verlängert sich die Frist, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist oder sie sich auf andere Weise endgültig erledigt hat. (7) 1Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gegen die Gesellschaft gilt § 249 sinngemäß. 2Hat die Gesellschaft Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes ausgegeben, die an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, so hat das Gericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Eingang einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit sowie jede rechtskräftige Entscheidung über diese Klage mitzuteilen. Übersicht I. Regelungsgegenstand und -zweck ................................................. 1 II. Ausnahmen von den Nichtigkeitsgründen gemäß § 256 Abs. 1 ........................................ 3 III. Nichtigkeitsgründe ........................... 5 IV. Mängel bei der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 256 Abs. 2) ..................................... 9
V. Mängel bei Feststellung durch die Hauptversammlung (§ 256 Abs. 3) ................................... VI. Gliederungsverstöße (§ 256 Abs. 4) ................................... VII. Bewertungsfehler (§ 256 Abs. 5) ................................... VIII. Heilung der Nichtigkeit (§ 256 Abs. 6) ................................... IX. Nichtigkeitsklage (§ 256 Abs. 7) ... X. Folgen der Nichtigkeit ...................
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§ 256 I.
Nichtigkeit Regelungsgegenstand und -zweck
1 Neben der Publizitätsfunktion über die wirtschaftliche Lage der AG dient der Jahresabschluss als Grundlage für die Entscheidung über die Gewinnverwendung in der Hauptversammlung, so dass die Wirksamkeit des Jahresabschlusses von großer Bedeutung ist und damit auch § 256, welcher die (abschließenden) Nichtigkeitsgründe aufzählt. Während § 256 Abs. 1 allgemeine Nichtigkeitsgründe unabhängig von der Feststellungsart beschreibt, enthalten § 256 Abs. 2 und Abs. 3 spezielle Nichtigkeitsgründe für den Fall der Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat bzw. die Hauptversammlung. § 256 Abs. 4 und Abs. 5 sehen die Nichtigkeit im Falle von Gliederungsverstößen und Verstößen gegen Bewertungsvorschriften vor. Die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses wird in § 256 Abs. 6 vorgeschrieben und § 256 Abs. 7 enthält verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen und Mitteilungspflichten des Gerichts gegenüber der BaFin. Der Zweck der Vorschrift ist insbesondere die Festlegung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses und daher die Herstellung von Rechtssicherheit für Aktionäre und Gläubiger der Gesellschaft. 2 Technisch ist im Gegensatz zum Wortlaut des § 256 nicht der festgestellte Jahresabschluss Gegenstand der Nichtigkeit, sondern nur der Feststellungsakt als Willenserklärung. Dabei ist die Feststellung desselben nach § 172 oder § 173 zu unterscheiden, weil im erstgenannten Falle die Billigung durch den Aufsichtsrat und im zweiten Fall der Beschluss der Hauptversammlung nichtig ist.1) Soweit Konzernabschlüsse oder andere Bilanzen betroffen sind, können diese nicht nichtig sein, weil es an einem rechtsgeschäftlichen Feststellungsakt, welcher angegriffen werden könnte, fehlt.2) II.
Ausnahmen von den Nichtigkeitsgründen gemäß § 256 Abs. 1
3 In § 173 Abs. 3 wird die Befugnis der Hauptversammlung zur Änderung der Jahresabschlüsse mit dem Verfahren der gesonderten Abschlussprüfung koordiniert, wobei dies nur für zwingende, nicht aber auch freiwillig durchgeführte Abschlussprüfungen gilt, weil diese keine Voraussetzung für die Feststellung des Abschlusses darstellen. Sofern die Hauptversammlung einen vom Vorstand aufgestellten und geprüften Jahresabschluss ändert und feststellt, so hat die Hauptversammlung einen noch nicht geprüften Jahresabschluss festgestellt, wodurch dieser Feststellungsbeschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 nichtig ist.3) Aus der genannten Norm ergibt sich auch, dass bei Änderungen nur eine sog. Vereinfachte Nachtragsprüfung gemäß § 316 Abs. 3 HGB erforderlich wird, welche ohne einen ergänzenden Prüfungsbericht auskommt. Vielmehr muss nur ein hinsichtlich der Änderungen uneingeschränkter Bestätigungsvermerk durch den Abschlussprüfer erteilt werden, sodass die bis dahin schwebend unwirksamen Beschlüsse wirksam werden, § 173 Abs. 3 Satz 1. Um den Bestätigungsvermerk uneingeschränkt zu erhalten und die Wirksamkeit der Beschlüsse zu erreichen, muss der Bestätigungsvermerk gemäß § 173 Abs. 3 Satz 2 innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist seit Beschlussfassung erteilt werden, um eine endgültige Nichtigkeit beider Beschlüsse zu vermeiden. 4 § 234 Abs. 3 regelt die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Abbildung der vereinfachten Kapitalherabsetzung im Jahresabschluss des vorhergehenden Geschäftsjahres. Die Norm soll eine enge Verbindung zwischen der Kapitalherabsetzung und dem Jahresabschluss offenlegen, weil beide Beschlüsse gleichzeitig erfasst werden sollen. Dasselbe gilt für § 235 Abs. 2, welcher eine gleichzeitige Erhöhung des Grundkapitals mit der Kapitaler_____________ 1) 2) 3)
Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 4. Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 4. Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 5.
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§ 256
Nichtigkeit
höhung sowie die Rückbeziehung auf den letzten Jahresabschluss zulässt, um die zeitliche Ungewissheit über die Gesamtmaßnahme zu begrenzen. Daher müssen erneute Beschlüsse, insbesondere auch die Feststellung des Jahresabschlusses, innerhalb von drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen werden. III.
Nichtigkeitsgründe
Die Generalklausel des § 256 Abs. 1 Nr. 1 führt zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, 5 wenn dieser durch seinen Inhalt Gläubigerschutzvorschriften verletzt. Unter die Vorgaben aus § 256 Abs. 1 Nr. 1 fallen nur die gesetzlichen Vorgaben, nicht aber Satzungsbestimmungen, weil diese von § 256 Abs. 1 Nr. 4 erfasst werden.4) Da also nur gesetzliche Vorschriften erfasst sind, welche durch den Inhalt des Jahresabschlusses verletzt sein müssen, sind hier regelmäßig nur Verstöße gegen Gliederungs- und Bewertungsvorschriften denkbar, welche jedoch in § 256 Abs. 4 und Abs. 5 gesondert geregelt sind. Daher ist häufig nur beim Fehlen des Anhanges des Jahresabschlusses oder bei einem schweren Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften, welche zu einer verzerrten Wahrnehmung der Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft führt, eine Verletzung von § 256 Abs. 1 Nr. 1 gegeben.5) Mängel i. S. des § 256 Abs. 1 Nr. 2 sind das Fehlen einer Prüfung gemäß § 316 Abs. 1 6 und 3 HGB, wobei nur die Mängel einer Pflicht-, nicht aber einer freiwillig durchgeführten Abschlussprüfung zur Nichtigkeit führen, selbst wenn Art und Umfang einer freiwilligen, derjenigen einer gesetzlichen Abschlussprüfung entsprechen. Darüber hinaus ist § 256 Abs. 1 Nr. 2 insbesondere dann anwendbar, wenn eine von § 316 Abs. 3 HGB geforderte Nachschriftprüfung unterblieben ist. Bei einer fehlenden Abschlussprüfung kann der Jahresabschluss gemäß § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB ohnehin nicht festgestellt werden.6) Zur Nichtigkeit führt jedoch das Fehlen von wesentlichen Ergebnissen der Abschlussprüfung oder eines Prüfungsberichts, welcher den gesetzlichen Anforderungen entspricht, vgl. § 321 HGB.7) Unmittelbar zur Nichtigkeit führt auch der Bestätigungsvermerk bzw. der Vermerk über seine Versagung, wobei Einschränkungen des Bestätigungsvermerks unbeachtlich sind. Darüber hinaus sind auch unvollständige oder schlechthin unzureichende Prüfungshandlungen ein Anwendungsfall nach § 256 Abs. 1 Nr. 2, allerdings nur dann, wenn sie einer verweigerten Prüfung nahe- oder gleichkommen.8) Mängel in der Person des Abschlussprüfers gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 3 sind nur im Falle 7 einer prüfungspflichtigen AG, §§ 316 Abs. 1 Satz 1, 267 HGB relevant, allerdings nicht bei freiwilligen Abschlussprüfungen.9) Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses kann dabei an zwei unterschiedliche Mängel geknüpft werden, nämlich zum einen das Fehlen der Prüferbefähigung und zum anderen eine fehlerhafte Bestellung. Die Frage der Prüferbefähigung richtet sich nach § 319 Abs. 1 HGB. Ein Verstoß gegen Tätigkeitsverbote, vgl. §§ 319 Abs. 2 – 4, 319a Abs. 1 HGB, führt nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, sondern nur zu der Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen dem Abschlussprüfer und der AG gemäß § 134 BGB.10) Allerdings kann in solchen Fällen ein Ersetzungsverfahren durchgeführt werden, sofern die Voraussetzungen des § 318 Abs. 2 HGB eingehalten werden. Ein Mangel bei der Bestellung des Abschlussprüfers durch _____________ 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
Hüffer, AktG, § 256 Rz. 7. Hüffer, AktG, § 256 Rz. 7; Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 9 m. w. N. Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 10. Hüffer, AktG, § 256 Rz. 11. Hüffer, AktG, § 256 Rz. 11. Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 12. BGH, Urt. v. 30.4.1992 – III ZR 151/91, BGHZ 188, 142, 148 f. = ZIP 1993, 833.
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Nichtigkeit
die Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 4, § 318 Abs. 1 Nr. 1 HGB führt nicht zur Unwirksamkeit des Jahresabschlusses, sofern nur personale Mängel nach den §§ 319 Abs. 2 – 4, 319a Abs. 1 HGB vorliegen. Daneben kann ein Abschlussprüfer unter den Voraussetzungen des § 318 Abs. 3, Abs. 4 HGB ausnahmsweise auch durch ein Gericht bestellt werden, wobei die Wirksamkeit der Bestellung insbesondere bei der Vorlage des Prüfungsberichtes gemäß § 321 HGB vorliegen muss. Insbesondere ist auch eine vertragliche Beziehung zwischen Abschlussprüfer und AG, der sog. Prüfungsauftrag, für die Wirksamkeit des Jahresabschlusses irrelevant, weil insoweit zwischen vertraglicher Grundlage und dem gesellschaftsrechtlichen Akt der Bestellung zu differenzieren ist.11) 8 Gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 4 ist der Jahresabschluss auch dann nichtig, wenn bei seiner Feststellung die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestimmungen über die Einstellung von Beträgen in die Kapital- oder Gewinnrücklage oder über die Entnahme aus diesen verletzt worden sind. Die gesetzlichen Bestimmungen sind in zahlreichen Vorschriften des AktG und HGB enthalten, so dass § 256 Abs. 1 Nr. 4 ein spezieller Anwendungsfall der Generalklausel nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 ist. Im Rahmen der Feststellung ist es für die Anwendung von § 256 Abs. 1 Nr. 4 und die von dieser Norm erfassten Fehldotierungen und Inhaltsmängel des Jahresabschlusses irrelevant, ob der Jahresabschluss gemäß § 173 durch die Hauptversammlung festgestellt wurde oder die Einstellungen aus oder in die Kapital- oder Gewinnrücklage bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand vorgenommen wurden; beide Varianten führen ggf. zur Anwendung von § 256 Abs. 1 Nr. 4. Dies wird insbesondere vor den Wirkungen von § 257 Abs. 1 Satz 2 erklärbar, welcher eine Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses bei Verstößen gegen Gesetz oder Satzung nicht zulässt, so dass ohne § 256 Abs. 1 Nr. 4 Fehldotierungen folgenlos blieben. IV.
Mängel bei der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 256 Abs. 2)
9 Die nicht ordnungsgemäße Mitwirkung von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung kann sich zum einen aus einer grundsätzlich fehlenden Mitwirkung bzw. der Mitwirkung des falschen bzw. unzuständigen Organs bzw. Organteils ergeben. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Aufsichtsrat den Jahresabschluss billigt und feststellt, obwohl hierfür die Hauptversammlung zuständig ist bzw. wäre. In diesen Fällen liegt jedoch nicht ein Fall des § 256 Abs. 2 vor, weil dann vielmehr von einer überhaupt und grundsätzlich fehlenden Feststellung des Jahresabschlusses auszugehen ist, sodass auch keine Heilung der Nichtigkeit nach § 256 Abs. 6 in Betracht kommt.12) Vielmehr ist durch § 256 Abs. 2 eine nicht ordnungsgemäße Mitwirkung erfasst, d. h. dass wenigstens ein Organ nur mangelhaft mitgewirkt hat. Hierbei ist insbesondere bei einer Mitwirkung des Vorstands zu beachten, dass die Aufstellung des Jahresabschlusses durch das Kollegialorgan Vorstand bewirkt werden muss, während die Vorlagen an den Aufsichtsrat auch durch ein einzelnes zuständiges Vorstandsmitglied in Gesamtverantwortung für den gesamten Vorstand bewirkt werden kann. Das Gleiche gilt für eine Unterbesetzung des Vorstands unter Verstoß gegen § 76 Abs. 2.13) Bei der Mitwirkung des Aufsichtsrats sind insbesondere Mängel bei der Beschlussfassung für eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 2 relevant; dasselbe gilt für den Fall der nichtigen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, wenn diese zur Beschlussunfähigkeit oder zum Mehrheitsverlust bei der Beschlussfassung zur Feststellung des Jahresabschlusses beitragen.14) _____________ 11) 12) 13) 14)
Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 14. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 256 Rz. 46 m. w. N. Hüffer, AktG, § 256 Rz. 18 m. w. N. – auch zur Gegenansicht. Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 22.
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Nichtigkeit V.
Mängel bei Feststellung durch die Hauptversammlung (§ 256 Abs. 3)
§ 256 Abs. 3 sieht für den Fall der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptver- 10 sammlung, insbesondere im Fall des § 173, die Nichtigkeit vor. Hierbei ist die Zuständigkeit der Hauptversammlung als Vorfrage zu stellen, weil die Wirksamkeit der Feststellung des Jahresabschlusses wegen einer Unzuständigkeit zu einer schlichten Nichtfeststellung des Jahresabschlusses führt.15) In § 256 Abs. 3 sind hingegen abschließend –
der Verstoß gegen die Einberufungsvorschriften, § 256 Abs. 3 Nr. 1,
–
die Mängel der Beurkundung, § 256 Abs. 3 Nr. 2, und
–
die Nichtigkeitserklärung durch rechtskräftiges Urteil, § 256 Abs. 3 Nr. 3,
genannt. Diese Tatbestände sind den Nichtigkeitsgründen des § 241 entlehnt. VI.
Gliederungsverstöße (§ 256 Abs. 4)
Bei Verstößen gegen die Gliederungsvorschriften oder bei der Nichtbeachtung von 11 Formblättern, nach denen der Jahresabschluss zu gliedern ist, folgt die Nichtigkeit als Rechtsfolge nur im Extremfall, nämlich wenn hierdurch die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses gemäß § 243 Abs. 2 HGB wesentlich beeinträchtigt ist. Naturgemäß ist damit das Kriterium der „wesentlichen Beeinträchtigung“, welche jedoch als unbestimmter Rechtsbegriff in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten aufweist und nicht der Rechtssicherheit dient, entscheidend16) Darüber hinaus entzieht es sich einer allgemeinen Definition, was unter „Gliederungsverstößen“ zu verstehen ist, wobei die Abweichung von ausdrücklichen Darstellungsgeboten als eindeutiger Verstoß anzusehen ist. VII. Bewertungsfehler (§ 256 Abs. 5) Im Rahmen der Nichtigkeitsvorschriften enthält § 256 Abs. 5 bezüglich Bewertungsfeh- 12 lern eine ausführliche Regelung, wobei in dessen Satz 1 insbesondere die Überbewertung und die Unterbewertung von Posten des Jahresabschlusses, also Bilanzposten und solche der Gewinn- und Verlustrechnung genannt wird; nur die Bilanzposten werden auch von § 256 Abs. 5 Sätze 2 und 3 erfasst. Eine Überbewertung von Bilanzposten ist anzunehmen, wenn Aktivposten mit höheren Werten und Passivposten mit niedrigeren Werten angesetzt sind als nach den §§ 253 ff. HGB zulässig (§ 256 Abs. 5 Sätze 2 und 3). Allerdings sind nicht nur die Fehlbewertungen solcher Positionen, sondern auch vorschriftswidrige Aktivierungen oder unterbliebene Passivierungen Überbewertungen, sofern die Bilanzposition höher als zulässig ausgewiesen wird. Bei der Vornahme von Wahlrechten liegt solange keine Überbewertung vor, solange der gesetzliche Ermessensspielraum für die Wahl nicht überschritten wird. Entscheidend ist auch, dass nur auf Bilanzposten abgestellt wird, so dass Bewertungsfehler bezüglich einzelner aktiver oder passiver Wirtschaftsgüter sich innerhalb eines Bilanzpostens neutralisieren können. Vergleichbar zur Nichtigkeit nach § 256 Abs. 4 ist bei der Überbewertung ebenfalls nur dann von Nichtigkeit auszugehen, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung der Aussagekraft des Jahresabschlusses im Ganzen besteht, also unter Berücksichtigung der Bedeutung des Bilanzpostens für die Bilanz insgesamt. Angesichts dieser unbestimmten Begrifflichkeit ist hier regelmäßig eine Einzelfallentscheidung angezeigt, womit Rechtssicherheit verloren geht. Auch die Unterbewertung von Bilanzposten kann zur Nichtigkeit des festgestellten 13 Jahresabschlusses führen, wenn dadurch die Vermögens- und Ertragslage der AG vor_____________ 15) Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 23. 16) Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 16.
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Nichtigkeit
sätzlich unrichtig widergegeben oder verschleiert wird (§ 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2). An dieser gesetzgeberischen Wertung lässt sich der Vorzug des Gläubigerschutzes vor dem Aktionärsschutz eindeutig ablesen, weil die Rechtsfolgen im Falle einer Unterbewertung für die Gläubiger zu vernachlässigen sind, während sie für die Aktionäre von entscheidender Bedeutung sind. Insofern zeigt sich, dass die Bilanzvorschriften des AktG sich noch nicht auf der Höhe der kapitalmarktrechtlichen Entwicklung befinden. Die Unterbewertung liegt – vergleichbar zur Überbewertung – vor, wenn Aktivposten einen niedrigeren Wert und Passivposten einen höheren Wert als nach dem §§ 253 ff. HGB vorgesehen ausweisen. Die oben stehenden Ausführungen zur Überbewertung sind insoweit mutatis mutandis heranzuziehen. Die falsche Wiedergabe oder Verschleierung der Vermögens- und Ertragslage ist dann gegeben, wenn der außenstehende Dritte durch die Bilanz kein klares Bild über die Vermögens- und Ertragslage der AG erhält, wobei ein grundsätzliches Fehlverständnis bezüglich einer der beiden genannten Begriffe bereits ausreichend ist.17) Fälle, in denen allein aufgrund der Fehlbewertung eines Bilanzpostens diese Voraussetzungen erreicht werden, sind jedoch wohl eher als Ausnahme anzusehen, weil die Lage der Gesellschaft sich nicht aus der falschen Bewertung eines einzigen Bilanzpostens ergibt. Zudem ist nach dem deutlichen Gesetzeswortlaut ein Vorsatz bei allen Organen bei der Feststellung des Jahresabschlusses von Nöten, sodass zumindest bei einer Feststellung durch die Jahreshauptversammlung gemäß § 173 dieses Tatbestandsmerkmal regelmäßig ausscheiden wird, zumal sich der Vorsatz auf beide Tatbestandsmerkmale, also Unterbewertung und Verfälschung und Verschleierung der Vermögens- und Ertragslage beziehen muss.18) VIII. Heilung der Nichtigkeit (§ 256 Abs. 6) 14 § 256 Abs. 6 bestimmt, dass manche Nichtigkeitsgründe nach Ablauf bestimmter Fristen „nicht mehr geltend gemacht werden“ können, also die Nichtigkeit „geheilt“ werden kann.19) Hierdurch wird faktisch die Rechtslage durch den Wegfall der Nichtigkeit umgestaltet.20) Dabei ist zwischen unheilbar nichtigen Jahresabschlüssen sowie leichteren und schweren, aber heilbaren Mängeln zu unterscheiden. Während erstere nicht von § 256 Abs. 6 erfasst werden, tritt bei schweren, aber heilbaren Mängeln nach drei Jahren eine Heilung ein (§ 256 Abs. 6 Satz 1). Hierzu gehören die Fälle der Generalklauseln nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 sowie die Fälle von Gliederungsverstößen und unzulässigen Über- oder Unterbewertungen gemäß § 256 Abs. 4 und Abs. 5. Leichtere Mängel sind nach § 256 Abs. 6 Satz 1 bereits nach einer Sechs-Monats-Frist geheilt; die Fälle sind durch die Nummerierung der Norm explizit zu entnehmen. Insgesamt wirkt die Einordnung eher zufällig, weil der Unterschied zwischen leichten und schweren Mängeln nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist. 15 Der Fristbeginn und Fristlauf richtet sich bei allen heilbaren Mängeln nach der Bekanntmachung gemäß § 325 Abs. 2 HGB im Bundesanzeiger. Aufgrund der dort eindeutig vorgegebenen Publizitätsweisen ist eine Bekanntmachung der Mitteilung in weiteren Gesellschaftsblättern irrelevant. Die Fristberechnung richtet sich nach den §§ 187 ff. BGB, wobei § 193 BGB keine Anwendung findet.21) Die Heilungsfristen sind nicht ver_____________ 17) Hüffer, AktG, § 256 Rz. 26a. 18) BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 120 = ZIP 1993, 1862. 19) Zur vom BGH offengelassenen Frage, ob die Heilung zur Wirksamkeit des Jahresabschlusses führt oder ob sich nur niemand mehr auf die Nichtigkeit berufen kann, vgl. zuletzt und weiterhin die Frage offenlassend BGH, Urt. v. 2.7.2013 – II ZR 293/11, ZIP 2013, 1577 = WM 2013, 1560 m. w. N. 20) Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 33 m. w. N. 21) Vgl. Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 35 a. E. m. w. N.
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Nichtigkeit
jährungsähnlich ausgestaltet, sondern sind materiell-rechtliche Fristen, welche daher nicht durch eine prozessuale Geltendmachung des Anspruchs gehemmt werden können. Gemäß § 256 Abs. 6 Satz 2 wird jedoch der Fristablauf einer Heilungsfrist über den regulären Ablauf hinaus verschoben, bis zu dem über eine evtl. anhängige Feststellungsklage endgültig entschieden worden ist. Daher liegt eine Ablaufhemmung vor, welche nur dann gemäß § 261 Abs. 1 ZPO eintritt, wenn die Klage zum Zeitpunkt des Fristablaufs bereits rechtshängig war. Trotz der Heilung sind (Schadensersatz-)Ansprüche gegen einen Wirtschaftsprüfer dennoch nicht ausgeschlossen, weil die Heilung nur Rechtssicherheit für die Gesellschaft und ihre (haftenden) Organe bringen soll.22) IX.
Nichtigkeitsklage (§ 256 Abs. 7)
§ 256 Abs. 7 legt fest, dass die Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch eine entsprechen- 16 de Klage festgestellt werden kann, wobei es sich hier rechtstechnisch um eine Feststellungsklage handelt. Der Klagegegenstand ist hierbei nicht die Feststellung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses, sondern der aktienrechtliche Feststellungsakt, unabhängig davon, ob der Jahresabschluss durch die Hauptversammlung oder durch den Aufsichtsrat auf Grundlage des Entwurfs des Vorstandes beschließt. § 256 Abs. 7 Satz 1 verweist auf die Vorschriften über die allgemeine Nichtigkeitsklage nach § 249, sodass keine Unterschiede zu einer Feststellungsklage bzw. Nichtigkeitsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss vorliegen. Damit sind jedoch auch die in § 249 Abs. 1 Satz 1 genannten Personen ausschließlich klagebefugt und die Nichtigkeitsfeststellung wirkt gegenüber jedermann. Bei Einreichung einer Klage nach der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist ist diese als materiell-rechtlich unbegründet zurückzuweisen. Bei einer kapitalmarktorientierten AG muss das LG sowohl den Eingang einer Nichtig- 17 keitsklage wie auch jede rechtskräftige Entscheidung hierüber zwingend mitteilen (§ 256 Abs. 7 Satz 2). Eine Nichtigkeitsfähigkeit geht auch einer Prüfung des Jahresabschlusses durch die Prüfstelle für Rechnungslegung vor (§ 342b Abs. 3 Satz 1 HGB). Eine allgemeine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1) ist jedoch nicht von § 256 Abs. 7 Satz 2 erfasst, sodass insoweit keine Mitteilungspflichten bestehen.23) X.
Folgen der Nichtigkeit
Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bedeutet, dass die Feststellung unwirksam ist, 18 wodurch der Gewinnverwendungsbeschluss gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 ebenfalls nichtig ist. Dennoch muss die Abschlussprüfung durchgeführt werden, wobei Zweifel an der Nichtigkeit im Prüfungsbericht gemäß § 321 HGB zu vermerken sind, ggf. ist der Bestätigungsvermerk zu versagen oder er kann bzw. muss eingeschränkt werden.24) Die Korrektur der Nichtigkeit kann entweder über schlichtes Zuwarten bis zum Fristablauf bei einer Haltbarkeit gemäß § 256 Abs. 6 erreicht werden oder durch eine Neuvornahme, d. h. eine neue Feststellung des Jahresabschlusses. Sofern der Mangel nur geringes Gewicht hat, ist auch eine Korrektur im nachfolgenden Jahresabschluss oder in der laufenden Rechnung zulässig.25) Angesichts der gravierenden Rechtsfolgen der Nichtigkeit, dürfte die Korrektur wie gerade genannt nur ausnahmsweise zulässig sein.26) Die Veröffentlichung des nichtigen Jahresabschlusses im elektronischen Bundesanzeiger gemäß § 325 _____________ 22) Vgl. BGH, Urt. v. 2.7.13 – II ZR 293/11, ZIP 2013, 1577 = WM 2013, 1560; krit. dazu Schindler, GWR 2013, 379 (Urteilsanm.). 23) Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 40. 24) Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 41 a. E. 25) Hüffer, AktG, § 256 Rz. 33 m. w. N. 26) Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 42.
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§ 257
Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung
Abs. 2 HGB hat immer zu erfolgen, unabhängig von der Nichtigkeit, weil die rechtskräftige Feststellung der Nichtigkeit innerhalb der Einreichungsfrist kaum möglich sein wird und zudem die Offenlegungspflicht aus § 325 HGB erfüllt werden muss. Allerdings muss bei einer Neuvornahme die Offenlegung des neuen Jahresabschlusses unverzüglich erfolgen, weil sowohl die Aktionäre als auch der Kapitalmarkt Anspruch auf die Kenntnis eines mangelfreien Jahresabschlusses haben. Allerdings führt die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses nicht zu einer automatischen Nichtigkeit des bzw. der Folgeabschlüsse.27) Allerdings kann bei einem Folgeabschluss der gleiche nichtigkeitsbegründende Mangel vorliegen wie bei dem bereits angegriffenen „Erstabschluss“, was sich insbesondere bei Gliederungs- und Bewertungsverstößen ergeben kann. Etwaige Heilungsfristen nach § 256 Abs. 6 laufen dann für jeden Jahresabschluss gesondert, ebenso wie bei der gesetzeskonformen Neuvornahme der Feststellung, welche für jeden betroffenen Jahresabschluss gesondert vorzunehmen ist. Eine gesetzliche Rückwirkung einer Neuvornahme der Feststellung eines Jahresabschlusses auf frühere Jahresabschlüsse ist nicht unumstritten, sollte jedoch aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit nicht anerkannt werden, sodass jeder Abschluss einzeln festgestellt werden muss.28) _____________ 27) BGH, Urt. v. 30.9.1996 – II ZR 51/95, NJW, 1997, 196, 196 f. = ZIP 1996, 1984. 28) Hölters-Waclawik, AktG, § 256 Rz. 44 m. w. N.
§ 257 Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (1) 1Die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung kann nach § 243 angefochten werden. 2Die Anfechtung kann jedoch nicht darauf gestützt werden, daß der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzung verstößt. (2) 1Für die Anfechtung gelten die §§ 244 bis 246, 247 bis 248a. 2Die Anfechtungsfrist beginnt auch dann mit der Beschlußfassung, wenn der Jahresabschluß nach § 316 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs erneut zu prüfen ist. Übersicht I. Regelungsgegenstand und -zweck ................................................ 1 II. Anfechtungsgründe (§ 257 Abs. 1) ..................................... 3 I.
III. Verweis auf allgemeine Anfechtungsvorschriften (§ 257 Abs. 2) ..................................... 6 IV. Rechtsfolgen ...................................... 7
Regelungsgegenstand und -zweck
1 § 257 steht in engem Zusammenhang mit den §§ 251, 254 f. und dient ebenfalls der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Insbesondere der Rechtssicherheit ist § 257 Abs. 1 Satz 2 geschuldet, wonach die Anfechtung nicht auf inhaltliche Mängel des Jahresabschlusses gestützt werden kann, sodass keine über die in § 256 genannten inhaltlichen Mängel zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen können.1) Dadurch wird sichergestellt, dass eine Anfechtung des Jahresabschlusses nur ausnahmsweise erfolgt, der Jahresabschluss stattdessen entweder von Anfang an gemäß § 256 nichtig oder endgültig wirksam ist. Zudem ist bei durch die Hauptversammlung festgestellten Jahresabschlüssen aus_____________ 1)
Spindler/Stilz-Rölike, AktG, § 257 Rz. 2.
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Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung
§ 257
geschlossen, dass sie aus anderen Gründen nichtig sein können, wobei sich dieser Gleichlauf der Mängelfolgen auf inhaltliche, nicht aber auf verfahrensrechtliche Mängel bezieht. Anfechtbar ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur der Feststellungsbeschluss der 2 Hauptversammlung, d. h. auf den Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat findet die Norm keine Anwendung.2) Grundsätzlich gilt die Norm jedoch auch i. R. von Anfechtungsrechten bei der GmbH, auf welche die aktienrechtlichen Anfechtungsvorschriften analog angewendet werden.3) Allerdings wird kritisch diskutiert, ob die in § 257 Abs. 1 Satz 2 enthaltene Einschränkung des Anfechtungsrechts auf die GmbH übertragbar ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein einheitliches Mängelregime bei der GmbH nicht notwendig ist und die GmbH aufgrund der fehlenden Sonderprüfungsrechte nach § 258 schutzlos gestellt würde und die Nichtigkeit von Jahresabschlüssen der GmbH nach § 256 Abs. 5 Nr. 2 nur ausnahmsweise und bei vorsätzlichem Handeln der Organe in Betracht käme, wird § 257 Abs. 1 Satz 2 auf die GmbH nicht angewendet.4) Eine gewisse Rechtsunsicherheit für den Anfechtungsprozess bezüglich des Jahresabschlusses einer GmbH ist damit unvermeidbar, jedoch aufgrund der oftmals personalistischen Struktur der GmbH wohl hinnehmbar. II.
Anfechtungsgründe (§ 257 Abs. 1)
Durch den Verweis auf § 243 wird die Anfechtbarkeit des Beschlusses der Hauptver- 3 sammlung nach allgemeinen Grundsätzen festgeschrieben. Gemäß dieser Norm sind alle Gesetzes- oder Satzungsverstöße Anfechtungsgründe, wobei nach § 257 Abs. 1 Satz 2 eine Ausnahme hinsichtlich inhaltlicher Verstöße des Jahresabschlusses besteht. Unter solchen versteht man Verstöße, welche nicht auf das Zustandekommen des Feststellungsbeschlusses gerichtet sind. Unter inhaltliche Mängel fallen insbesondere alle Fragen der Bewertung, wohingegen Verstöße gegen Satzungsvorschriften regelmäßig für die Feststellung des Jahresabschlusses irrelevant sind, sofern diese nicht von § 256 Abs. 1 Nr. 4 erfasst werden. Allgemeine Verfahrensverstöße liegen vor, wenn der Beschluss unter Verletzung ge- 4 setzlicher oder satzungsmäßiger Vorgaben zustande gekommen ist. Hierbei können auch Vorbereitungen zur Durchführung der Hauptversammlung oder deren Beschlussfassung selbst anfechtungsbegründend sein, wobei hierfür insbesondere Fehler bei der Einberufung der Hauptversammlung oder deren Beschlussfassung, aber auch insbesondere Verstöße bei der Durchführung der Hauptversammlung fallen.5) Eine ungeschriebene Verfahrensrügevoraussetzung ist jedoch die Relevanz des Verstoßes, d. h. es darf bei wertender Betrachtung nicht ausgeschlossen sein, dass der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis durchgeschlagen ist (diese Ansicht ist jedoch umstritten, siehe dazu § 243 Rz. 20 ff.).6) Insbesondere ist dabei an eine Verletzung des Auskunftsrechts zu beachten. Die Vorgaben der §§ 175 f. zur Feststellung des Jahresabschlusses sind Anfechtungsgründe nach § 257.7) Nur als Ausnahme ist festzuhalten, dass Verstöße gegen die zeitlichen Vorgaben des § 175 Abs. 1 keine Anfechtungsberechtigung mit sich bringen, sondern nur zu Zwangs-
_____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 257 Rz. 3 m. w. N. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 257 Rz. 14. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 257 Rz. 14 m. w. N. Spindler/Stilz-Rölike, AktG, § 257 Rz. 9. BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 334/02, ZIP 2004, 2186, 2190; BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 165 = ZIP 2002, 172. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 257 Rz. 6 ff.
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geldern nach § 407 führen.8) Dasselbe gilt für die als reine Sollvorschrift ausgestattete Norm des § 176 Abs. 1 Satz 2, wodurch ein Verstoß gegen die Erläuterungspflicht nicht den Feststellungsbeschluss anfechtbar macht. Den Aktionären steht es vielmehr frei, den Jahresabschluss nicht festzustellen. 5 Während also Verfahrensfehler eine Anfechtung begründen, ist dies bei inhaltlichen Fehlern des Jahresabschlusses ausgeschlossen. Umstritten ist diese Folge von inhaltlichen Fehlern im Lagebericht als selbstständige Informationsquelle neben dem Jahresabschluss sowie Fehlern, die mit einer rechtswidrigen Zweckverfolgung bei der Feststellung des Jahresabschlusses verbunden sind. Zwar umfasst der Verweis in § 257 Abs. 1 wohl auch den Anhang als Teil des Jahresabschlusses gemäß § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB,9) aber eine Nichtigkeit als zwingende Rechtsfolge, sollte durch inhaltliche Fehler von Lagebericht oder weiteren Anhängen nicht geschaffen werden, zumal Inhaltsmängel des Jahresabschlusses selbst nicht durchgreifen.10) III.
Verweis auf allgemeine Anfechtungsvorschriften (§ 257 Abs. 2)
6 Anfechtungsbefugt sind unter den Vorgaben des § 245 alle Aktionäre, der Vorstand und seine Mitglieder sowie der Aufsichtsrat samt Mitgliedern. Die Anfechtungsfrist gemäß § 246 Abs. 1 beträgt einen Monat und die Frist sowie der Ablauf sind nach §§ 187 f. BGB zu berechnen. Gemäß § 257 Abs. 2 Satz 2 gilt dies auch dann, wenn aufgrund einer Änderung eine Nachtragsprüfung erforderlich ist, sodass für einen Zeitraum von maximal zwei Wochen der Beschluss schwebend unwirksam ist, und dieser Zeitraum bei der Fristberechnung berücksichtigt werden muss. IV.
Rechtsfolgen
7 Durch die Anfechtungsklage wird die Rechtslage gestaltet und ex tunc der rechtswidrige, aber zunächst gültige Feststellungsbeschluss der Jahreshauptversammlung vernichtet, also auch der Jahresabschluss für nichtig erklärt, § 256 Abs. 3 Nr. 3. Eine Heilungsmöglichkeit scheidet insofern aus. _____________ 8) Hüffer, AktG, § 175 Rz. 4. 9) Hölters-Waclawik, AktG, § 257 Rz. 8 10) Spindler/Stilz-Rölike, AktG, § 257 Rz. 14 m. w. N. – auch zur Gegenansicht.
Dritter Abschnitt Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung § 258 Bestellung der Sonderprüfer (1) 1Besteht Anlaß für die Annahme, daß 1. in einem festgestellten Jahresabschluß bestimmte Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind (§ 256 Abs. 5 Satz 3) oder 2. der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthält und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist,
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so hat das Gericht auf Antrag Sonderprüfer zu bestellen. 2Die Sonderprüfer haben die bemängelten Posten darauf zu prüfen, ob sie nicht unwesentlich unterbewertet sind. 3 Sie haben den Anhang darauf zu prüfen, ob die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig gemacht worden sind und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht hat und die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden ist. (1a) Bei Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten sowie bei Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinn des § 17 des Kapitalanlagegesetzbuchs kann ein Sonderprüfer nach Absatz 1 nicht bestellt werden, soweit die Unterbewertung oder die fehlenden Angaben im Anhang auf der Anwendung des § 340f des Handelsgesetzbuchs beruhen. (2) 1Der Antrag muß innerhalb eines Monats nach der Hauptversammlung über den Jahresabschluß gestellt werden. 2Dies gilt auch, wenn der Jahresabschluß nach § 316 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs erneut zu prüfen ist. 3Er kann nur von Aktionären gestellt werden, deren Anteile zusammen den Schwellenwert des § 142 Abs. 2 erreichen. 4 Die Antragsteller haben die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag zu hinterlegen oder eine Versicherung des depotführenden Instituts vorzulegen, dass die Aktien so lange nicht veräußert werden, und glaubhaft zu machen, daß sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind. 5Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar. (3) 1Vor der Bestellung hat das Gericht den Vorstand, den Aufsichtsrat und den Abschlußprüfer zu hören. 2Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. 3Über den Antrag gemäß Absatz 1 entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. (4) 1Sonderprüfer nach Absatz 1 können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. 2Für die Auswahl gelten § 319 Abs. 2 bis 4, § 319a Abs. 1 und § 319b Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs sinngemäß. 3Der Abschlußprüfer der Gesellschaft und Personen, die in den letzten drei Jahren vor der Bestellung Abschlußprüfer der Gesellschaft waren, können nicht Sonderprüfer nach Absatz 1 sein. (5) 1§ 142 Abs. 6 über den Ersatz angemessener barer Auslagen und die Vergütung gerichtlich bestellter Sonderprüfer, § 145 Abs. 1 bis 3 über die Rechte der Sonderprüfer, § 146 über die Kosten der Sonderprüfung und § 323 des Handelsgesetzbuchs über die Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers gelten sinngemäß. 2Die Sonderprüfer nach Absatz 1 haben die Rechte nach § 145 Abs. 2 auch gegenüber dem Abschlußprüfer der Gesellschaft. Übersicht I. Regelungsgegenstand und -zweck ................................................. 1 II. Voraussetzungen der Sonderprüfung (§ 258 Abs. 1 Satz 1) ........... 4 III. Antrag auf Sonderprüfung (§ 258 Abs. 2) ................................... 10 I.
IV. Bestellungsverfahren (§ 258 Abs. 3) ................................... 13 V. Prüfer (§ 258 Abs. 4) ....................... 17 VI. Stellung der Sonderprüfer (§ 258 Abs. 5) ................................... 18
Regelungsgegenstand und -zweck
§ 258 ist Einleitungsvorschrift für die folgenden Paragraphen und regelt neben der 1 Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung auch die mögliche Unvollständigkeit des Anhangs, vgl. §§ 284 – 288 HGB. Bei ersterem geht es primär um die Sicherung des verlässlichen Einblicks in die Vermögenslage der AG, § 264 Abs. 2 Satz 1 Bernd Früchtl
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HGB, insbesondere im Interesse der Aktionäre, weswegen auch der Fall einer Überbewertung als Nichtigkeitsgrund in § 256 Abs. 5 genannt ist. Durch die zweite Variante soll die vollständige und zuverlässige Darstellung im Anhang gesichert werden, sofern Aktionäre hierfür in der Hauptversammlung Interesse gezeigt haben, weil der Anhang für die Auswertung des Jahresabschlusses zentral ist. 2 Die Möglichkeit von Sonderprüfungen und damit die §§ 258 f. dienen eher präventiven Zwecken. Auch wenn die Fokussierung auf Unterbewertung bzw. Überbewertung und Unvollständigkeit des Anhangs zufällig erscheint, so ist doch die generelle Präventivwirkung der Normen erheblich, weil eine grundsätzliche Nachprüfbarkeit rechtssicher ausgestaltet ist.1) 3 Die §§ 258 ff. stehen neben den Sonderprüfungen nach den §§ 142 ff., welche thematisch erheblich weiter gefasst sind und sowohl Gründungs- wie auch Geschäftsführungsvorgänge umfassen und daher inhaltlich sehr weitgehend sind. Während bei den §§ 258 ff. eine gerichtliche Anordnung notwendig ist, liegt bei den §§ 142 ff. das Initiativrecht primär bei der Hauptversammlung, § 142 Abs. 1. Die Subsidiarität der §§ 142 ff. im Verhältnis zu den §§ 258 ff. ergibt sich aus dem Gesetz, § 142 Abs. 3. Ausreichend ist hierfür, dass eine abstrakte Sonderprüfung nach den §§ 258 ff. möglich ist, nicht dass sie durchgeführt wird.2) II.
Voraussetzungen der Sonderprüfung (§ 258 Abs. 1 Satz 1)
4 Nach § 258 Abs. 1 Satz 1 muss das Gericht Sonderprüfer bestellen, wenn eine Unterbewertung oder eine Unvollständigkeit des Anhangs angenommen werden kann. Dieser breite Formulierungsansatz zeigt, dass keine hohen Anforderungen an das Vorbringen der Antragsteller zu stellen sind, sondern diese vielmehr nur konkrete Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich für einen sachverständigen, objektiven Leser möglicherweise eine Unterbewertung oder unvollständige Berichterstattung ergeben könnte. Hiervon abzugrenzen sind jedoch Vermutungen oder unsubstantiiertes Vorbringen.3) Der Anlass besteht dann, wenn bestimmte Posten wesentlich unterbewertet sind, wobei hierfür ein festgestellter Jahresabschluss Voraussetzung ist, gleich ob die Feststellung gemäß § 172 oder § 173 erfolgt ist. Die angesprochenen Posten des Jahresabschlusses sind diejenigen Positionen, welche sich aus dem Gliederungsschema des § 266 HGB ergeben, nicht aber auch der Gewinn- und Verlust-Teil des Jahresabschlusses. Insbesondere ist nicht eine Darlegung der mangelhaften Bewertung einzelner Verbindlichkeiten oder Vermögensgegenstände erforderlich, sondern der entsprechende Bilanzposten als solcher muss in Zweifel gezogen werden. Für das Kriterium der Unterbewertung verweist die Norm auf § 256 Abs. 5 Satz 3, sodass insoweit auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Grundsätzlich bleibt es aber bei der Regel, dass Passivposten unterbewertet sind, wenn sie mit einem höheren Wert angesetzt werden, während Aktivposten unterbewertet sind, wenn sie mit einem niedrigeren Wert angesetzt sind. 5 Die Unterbewertung muss nach dem Gesetzeswortlaut nicht unwesentlich sein, sodass der Gesetzgeber bei wörtlicher Interpretation hier ein Maß anlegt, welches sich von einer wesentlichen Unterbewertung unterscheiden lässt.4) Dies wird jedoch zunehmend kritisiert, weil es sich angeblich um schlechtes Juristendeutsch handele und kein Differenzierungskriterium durch den Gesetzgeber gewollt war.5) Eindeutig ist jedoch zu klären, dass _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Hölters-Waclawik, AktG, § 258 Rz. 4. Hölters-Waclawik, AktG, § 258 Rz. 7. OLG München, Beschl. v. 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, AG 2006, 801, 802 = ZIP 2006, 1538. Hüffer, AktG, § 258 Rz. 7 m. w. N. Hölters-Waclawik, AktG, § 258 Rz. 14.
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hierbei nur auf den einzelnen Bilanzposten abgestellt wird, also auch nur insofern eine wesentliche Abweichung vorliegen muss. Dabei wird zwar grundsätzlich vertreten, dass eine einschränkende Auslegung angezeigt sei, nach der nur für die Bewertung der Vermögenslage der AG wichtige Bilanzposten eine Abweichung ausweisen müssen.6) Allerdings steht hiergegen der klare Wortlaut, welcher für jegliche Abweichung, welche zu einer nachteiligen Beurteilung der Vermögenslage der AG führt, eine solche Sonderprüfung für notwendig erachtet. Bei einem unvollständigen Anhang muss gemäß § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ebenfalls eine 6 Sonderprüfung durchgeführt werden, sofern die Unvollständigkeit nicht in der Hauptversammlung ausgeräumt werden konnte. Der Inhalt des Anhangs ergibt sich aus den §§ 284 ff. HGB sowie aus §§ 160. Wichtig ist hierbei, dass auch falsche Angaben zu einer Unvollständigkeit der Angaben führen, weil damit die richtigen Angaben nicht vollständig dargelegt werden. Auch eine Wertigkeit der fehlenden Angaben ist der Norm nicht zu entnehmen, so dass ganz i. S. der oberen Ausführungen zu § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, auch hier bei jeglichem Verstoß eine Sonderprüfung durchgeführt werden muss. Im Unterschied zu § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 muss dieser Mangel jedoch von mindestens 7 einem Aktionär in der Hauptversammlung nachgefragt bzw. angesprochen worden sein und diese Frage muss vom Vorstand nicht beantwortet sein, um die Möglichkeit einer Sonderprüfung zu eröffnen. Wichtig ist dabei insbesondere die Dokumentation der Frage und des weiteren Prozederes in der Niederschrift gemäß § 130. Damit hat der Vorstand i. R. der Hauptversammlung eine Abhilfemöglichkeit, welche eine Sonderprüfung verhindern kann. Die nötige Abhilfe kann jedoch nur in der ordentlichen Hauptversammlung erfolgen, weil diese über den Jahresabschluss entscheidet (§ 258 Abs. 2 Satz 1, § 175). Die Beantwortung derartiger Fragen durch den Vorstand führt zu einer Abhilfe, sofern nicht etwa Streit über die Vollständigkeit des Antrags besteht und der Antragsteller die Aufnahme in die Niederschrift fordert, egal ob diese nachweislich erhoben wird.7) In § 258 Abs. 1a ist eine Bereichsausnahme für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsin- 8 stitute sowie Kapitalanlagegesellschaften enthalten, wodurch gemäß §§ 340 f. HGB ins Belieben der Gesellschaft gestellt wird, inwieweit stille Reserven gebildet werden. Diese Möglichkeit zur Abwertung ist damit keine Unterbewertung im Rechtssinne, soweit der Rahmen des §§ 340 f. HGB eingehalten wird. Die Prüfer müssen die Frage der wesentlichen Unterbewertung klären, wobei das bestel- 9 lende Gericht hier konkretisierende Vorgaben machen kann. Eine Fokussierung erfolgt dabei auf den oder die umstrittenen Bilanzposten; eine gesonderte Prüfung der gesamten Bilanz kann jedoch nicht angeordnet werden. Bei der Prüfung ist sowohl die Zahlenbasis wie auch das Mengengerüst in die Prüfung einzubeziehen, wobei regelmäßig die Unterund Höchstgrenzen der einzelnen Aktiv- bzw. Passivposten zu ermitteln sind, § 259 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1. Das Sonderprüfungsprogramm bei Mängeln des Anhangs entspricht nach § 258 Abs. 1 Satz 3 dem Prüfungsanlass, sodass neben den nicht vollständigen Angaben diese in der Hauptversammlung auch nachgefragt worden sein und vom Vorstand nicht beantwortet worden sein müssen. III.
Antrag auf Sonderprüfung (§ 258 Abs. 2)
Nur die Aktionäre sind gemäß § 258 Abs. 2 Satz 3 berechtigt, eine Sonderprüfung zu 10 beantragen, sofern sie den Schwellenwert des § 142 Abs. 2 i. H. von 1 % des Grundkapitals oder einem anteiligen Betrag von 100.000 € mit ihrem Antrag vereinen. Durch _____________ 6) 7)
So Hölters-Waclawik, AktG, § 258 Rz. 14. Hölters-Waclawik, AktG, § 258 Rz. 18.
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diesen Verweis besteht ein gleiches Niveau bezüglich der Antragsberechtigung bei den Sonderprüfungen nach den §§ 258 ff. und den §§ 142 ff. Dabei sind jedoch eigene Anteile, welche die Gesellschaft hält, nicht zu berücksichtigen, weil diese das Grundkapital nicht verringern.8) 11 Das Quorum muss bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung erreicht werden und gemäß § 258 Abs. 2 Satz 4 müssen die Antragsteller ihre Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag hinterlegen oder alternativ eine entsprechende Bescheinigung des depotführenden Instituts vorlegen, dass die Aktien solange nicht veräußert werden können. Zudem müssen die Antragsteller eine dreimonatige Aktionärsstellung vor dem Tag der Hauptversammlung glaubhaft machen, wozu gemäß § 258 Abs. 2 Satz 5 eine eidesstattliche Versicherung vor einem Notar genügt. Letzteres zeigt, dass das Phänomen „aktivistischer Aktionäre“ vermieden werden soll, um die aufwendige und kostenträchtige Sonderprüfung nur in bedeutsamen und ernsthaften Fällen durchführen zu müssen. Allerdings müssen die Aktien nicht bis zum Abschluss der Sonderprüfung gehalten werden.9) 12 Der Antrag auf Sonderprüfung muss innerhalb eines Monats nach der ordentlichen Hauptversammlung beim Gericht gestellt werden, wobei der Grund für die Sonderprüfung, also ob § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 vorliegt, angegeben und substantiiert werden muss. Diese Monatsfrist ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, sodass weder eine Fristverlängerung durch das Gericht noch eine Verjährungshemmung nach dem §§ 203 ff. BGB möglich ist. Eine Antragstellung vor der Hauptversammlung ist – denklogisch – nicht möglich, weil es ansonsten an einer Voraussetzung für das Sonderprüfungsrecht fehlt, weil ein entsprechender Antrag in der Hauptversammlung nicht erfolgt ist. Allerdings ist vertreten worden, dass ein vorzeitig gestellter Antrag nach der Hauptversammlung weiterverfolgt werden kann.10) Dieser Auffassung ist jedoch neben dem klaren Gesetzeswortlaut auch der Sinn und Zweck der Heilungsmöglichkeit des Vorstands in der Hauptversammlung entgegenzuhalten, so dass dieser Ansicht nicht gefolgt werden kann. Die Fristberechnung erfolgt nach den §§ 187 f. BGB und beginnt mit dem Ablauf des Tages der ordentlichen Hauptversammlung zu laufen. IV.
Bestellungsverfahren (§ 258 Abs. 3)
13 Das LG, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, ist für den Antrag nach § 258 Abs. 1 zuständig (§ 258 Abs. 3 Satz 3), wodurch ein Gleichlauf zu den Vorschriften über die „allgemeine“ Sonderprüfung gemäß §§ 142 ff. erreicht wird. Das LG muss neben den üblichen Sachentscheidungsvoraussetzungen insbesondere das Vorliegen eines Antragsgrundes bejahen, wofür es gemäß § 26 FamFG von Amts wegen ermitteln darf. Hierfür wird es regelmäßig die Vorlage des Prüfungsberichtes des Abschlussprüfers gemäß § 321 HGB verlangen, sowie Protokolle über Vorstands-, Aufsichtsratssitzungen sowie der Hauptversammlung. Gemäß § 258 Abs. 3 Satz 1 sollte der Vorstand, der Aufsichtsrat sowie der Abschlussprüfer vor einer etwaigen Entscheidung angehört werden, wenn das Gericht dem Antrag stattgeben möchte. Insbesondere bezüglich des Vorstands und des Aufsichtsrates, welche als Kollegialorgane gehört werden müssen, sind hierfür schriftliche Stellungnahmen praktikabel und angezeigt.11) 14 Das LG entscheidet über den Antrag durch einen begründeten Beschluss, damit hiergegen Rechtsmittel eingelegt werden können. Bei einem Antrag auf Sonderprüfung muss zu_____________ 8) 9) 10) 11)
Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 258 Rz. 44. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 258 Rz. 46. OLG München, Beschl. v. 20.6.2006 – 31 Wx 36/06, AG 2006, 801, 802 = ZIP 2006, 1538. Hölters-Waclawik, AktG, § 258 Rz. 31.
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Bestellung der Sonderprüfer
gleich die Person des oder der Sonderprüfer genannt werden, wobei mehrere Sonderprüfer bei komplexen Prüfungen möglich sind. Zudem muss das Gericht in dem Beschluss den Prüfungsauftrag formulieren bzw. über den Antrag in der Hauptversammlung hinaus konkretisieren, weil eine gezielte Bereichsprüfung erfolgt und keine neuerliche Abschlussprüfung durch die §§ 258 ff. angezeigt ist. Gemäß § 258 Abs. 3 Satz 2 ist gegen den Beschluss des LG die Beschwerde zum OLG 15 nach den §§ 58 ff. FamFG möglich. Die Beschwerdefrist hierfür beträgt einen Monat, § 63 Abs. 1 FamFG, wo zunächst ein Abhilfeverfahren gemäß § 68 FamFG stattfindet. Gegebenenfalls ist die Rechtsbeschwerde zum BGH gegen die Entscheidung des OLG statthaft, wenn sie durch dieses zugelassen wurde. Die Kosten für die Sonderprüfung müssen wie bei der allgemeinen Sonderprüfung ge- 16 mäß § 258 Abs. 5 i. V. m. § 146 von der AG getragen werden, ebenso wie die Gerichtskosten. Das Ergebnis der Sonderprüfung hat keine Auswirkung auf die Kostentragung. Bei Abweisung des Antrags steht die Kostentragung des Gerichtsverfahrens gemäß § 81 Abs. 1 FamFG im Ermessen des LG. V.
Prüfer (§ 258 Abs. 4)
Nach § 258 Abs. 4 Satz 1 können für die Sonderprüfung nur Wirtschaftsprüfer oder Wirt- 17 schaftsprüfungsgesellschaften bestellt werden, weil bei diesen spezifisch rechnungslegungsbezogenen Prüfungen und Problemen ein Experte zu Beantwortung der Fragen notwendig ist. Dabei ist nach § 258 Abs. 4 Satz 3 der Abschlussprüfer der AG als Sonderprüfer ebenso ausgeschlossen wie Personen, welche in den letzten drei Jahren Abschlussprüfer der Gesellschaft waren. Zudem wird durch § 258 Abs. 4 Satz 2 auf die allgemeinen Ausschlussgründe gemäß § 319 Abs. 2 – 4 und § 319a Abs. 1 HGB Bezug genommen, sodass ein Gleichlauf zum allgemeinen Verfahren besteht. Da sich das Gericht über die Bestellungshindernisse Gedanken machen muss, wird es regelmäßig eine Negativerklärung der zu bestimmten Person oder Gesellschaft verlangen.12) VI.
Stellung der Sonderprüfer (§ 258 Abs. 5)
Gemäß § 258 Abs. 5 Satz 1 ist für die Frage der Vergütung des Sonderprüfers § 142 Abs. 6 18 entsprechend anzuwenden, sodass der Sonderprüfer grundsätzlich Anspruch auf Auslagenersatz und Tätigkeitsvergütung hat. Beides wird durch das Gericht festgesetzt, wogegen Beschwerde zum OLG statthaft ist. Die Sonderprüfer haben auch die allgemeinen Rechte nach § 145 Abs. 1 – 3, also das Recht zur Prüfung der Bücher der Gesellschaft sowie der Vermögensgegenstände, sowie die Befugnis, Aufklärung und Nachweise vom Vorstand bzw. Aufsichtsrat zu verlangen, § 145 Abs. 1 und 2. Zudem besteht die vergleichbare Berechtigung auch gegenüber Konzernunternehmen, § 145 Abs. 3. Zusätzlich ergibt sich aus § 258 Abs. 5 Satz 2 für den Sonderprüfer ein Auskunfts- und Nachweisrecht gegenüber dem Abschlussprüfer der AG, um auch ein eventuelle Fehleraufdeckung zu ermöglichen. Der Sonderprüfer ist ebenso verantwortlich wie der gesetzliche Abschlussprüfer, d. h. er 19 muss eine gewissenhafte und unparteiische Prüfung durchführen sowie verschwiegen sein (§ 258 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 323 HGB). Grundsätzlich besteht zwischen dem Sonderprüfer und der AG kein Geschäftsbesorgungsvertrag, die AG kann einen solchen jedoch durch Vertrag begründen.
_____________ 12) Hölters-Waclawik, AktG, § 258 Rz. 37.
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Prüfungsbericht. Abschließende Feststellungen
§ 259 Prüfungsbericht. Abschließende Feststellungen (1) 1Die Sonderprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. 2 Stellen die Sonderprüfer bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben fest, daß Posten überbewertet sind (§ 256 Abs. 5 Satz 2), oder daß gegen die Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses verstoßen ist oder Formblätter nicht beachtet sind, so haben sie auch darüber zu berichten. 3Für den Bericht gilt § 145 Abs. 4 bis 6 sinngemäß. (2) 1Sind nach dem Ergebnis der Prüfung die bemängelten Posten nicht unwesentlich unterbewertet (§ 256 Abs. 5 Satz 3), so haben die Sonderprüfer am Schluß ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung zu erklären, 1. zu welchem Wert die einzelnen Aktivposten mindestens und mit welchem Betrag die einzelnen Passivposten höchstens anzusetzen waren; 2. um welchen Betrag der Jahresüberschuß sich beim Ansatz dieser Werte oder Beträge erhöht oder der Jahresfehlbetrag sich ermäßigt hätte. 2 Die Sonderprüfer haben ihrer Beurteilung die Verhältnisse am Stichtag des Jahresabschlusses zugrunde zu legen. 3Sie haben für den Ansatz der Werte und Beträge nach Nummer 1 diejenige Bewertungs- und Abschreibungsmethode zugrunde zu legen, nach der die Gesellschaft die zu bewertenden Gegenstände oder vergleichbare Gegenstände zuletzt in zulässiger Weise bewertet hat. (3) Sind nach dem Ergebnis der Prüfung die bemängelten Posten nicht oder nur unwesentlich unterbewertet (§ 256 Abs. 5 Satz 3), so haben die Sonderprüfer am Schluß ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung zu erklären, daß nach ihrer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung die bemängelten Posten nicht unzulässig unterbewertet sind. (4) 1Hat nach dem Ergebnis der Prüfung der Anhang die vorgeschriebenen Angaben nicht oder nicht vollständig enthalten und der Vorstand in der Hauptversammlung die fehlenden Angaben, obwohl nach ihnen gefragt worden ist, nicht gemacht und ist die Aufnahme der Frage in die Niederschrift verlangt worden, so haben die Sonderprüfer am Schluß ihres Berichts in einer abschließenden Feststellung die fehlenden Angaben zu machen. 2Ist die Angabe von Abweichungen von Bewertungs- oder Abschreibungsmethoden unterlassen worden, so ist in der abschließenden Feststellung auch der Betrag anzugeben, um den der Jahresüberschuß oder Jahresfehlbetrag ohne die Abweichung, deren Angabe unterlassen wurde, höher oder niedriger gewesen wäre. 3Sind nach dem Ergebnis der Prüfung keine Angaben nach Satz 1 unterlassen worden, so haben die Sonderprüfer in einer abschließenden Feststellung zu erklären, daß nach ihrer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung im Anhang keine der vorgeschriebenen Angaben unterlassen worden ist. (5) Der Vorstand hat die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer nach den Absätzen 2 bis 4 unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen.
Übersicht I. Allgemeines ....................................... 1 II. Prüfungsbericht ................................ 2 I.
III. Abschließende Feststellungen ......... 4 IV. Publizität ............................................ 6
Allgemeines
1 § 259 normiert die Berichtspflicht der Sonderprüfer als solche und einzelne Inhaltsbestimmungen sowie andere Feststellungen hierfür. Diese Feststellungen sind insbesondere 1292
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Prüfungsbericht. Abschließende Feststellungen
§ 259
für die Aufstellung des Folgeabschlusses gemäß § 261 relevant. Die Publizität des Prüfungsberichts sowie die Befassung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung hiermit ist ein weiterer Regelungspunkt des § 259. II.
Prüfungsbericht
Die Darstellung des Prüfungsberichts wird von § 259 nicht näher konkretisiert, son- 2 dern in § 259 Abs. 1 Satz 1 der Norm wird lediglich auf das Ergebnis der Prüfung hingewiesen. Damit muss im Gegensatz zur gesetzlichen Abschlussprüfung nicht über Art und Umfang der Sonderprüfung berichtet werden. Da die Festlegung der Art und des Umfangs der Sonderprüfung durch das Gericht vorgenommen wird, kann sich die Prüfung auch hierauf beschränken, sofern die Unterrichtungsfunktion für die Aktionäre erreicht wird, § 145 Abs. 6 Satz 5. Zu diesem Zweck ist grundsätzlich aus sich heraus einfach verständliche Darstellung der Prüfungsergebnisse zu erwarten. Dabei bedarf der Prüfungsbericht naturgemäß der Schriftform; die Sonderprüfer haben den Bericht gemäß § 259 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 145 Abs. 6 Satz 3 zu unterzeichnen. Der Prüfungsbericht muss sich also auf die Frage der wesentlichen Unterbewertung 3 bzw. der Unvollständigkeit des Anhangs konzentrieren, wobei etwaige Nichtigkeitsgründe, welche im Zuge der Sonderprüfung erkannt werden, gemäß § 259 Abs. 1 Satz 2 berücksichtigt werden müssen. Allerdings muss die Nichtigkeit nicht durch die Sonderprüfer festgestellt werden.1) Die Berichtspflicht ist dabei auf die in § 259 Abs. 1 Satz 2 genannten Nichtigkeitsgründe beschränkt, auch wenn die Beschränkung nicht zwingend nachvollziehbar ist.2) Bedeutsam ist, dass die Nichtigkeitsgründe dabei keinen Aufgabenschwerpunkt darstellen, sondern nur als Nebenerkenntnisse bei der eigentlichen Prüfungstätigkeit entstehen. III.
Abschließende Feststellungen
Bei den Feststellungen ist insbesondere von Bedeutung, ob der die Prüfungsbestellung 4 begründende Anfangsverdacht durch die Sonderprüfung bestätigt wird oder nicht. Daher ist die Prüfung im Bericht bezüglich einer wesentlichen Unterbewertung und wegen Vollständigkeit des Antrags detailliert zu beschreiben. Sofern eine wesentliche Unterbewertung vorliegt, muss gemäß § 259 Abs. 2 Satz 1 der Sonderprüfer zum Ende des Berichts zumindest die Bewertung sowie deren Ergebnisauswirkung darstellen. Dabei ist für die Unterbewertung insbesondere die Grenze darzustellen, bei der der rechtlich noch vertretbare Bewertungsspielraum verlassen wird,3) wobei die Beurteilung sich nach den Verhältnissen am Stichtag des Jahresabschlusses richtet (§ 259 Abs. 2 Satz 2). Allerdings sind auch sog. wertaufhellende Ereignisse, welche nachträglich eingetreten sind, aber auf den Stichtag zurückwirken, zu berücksichtigen.4) Bei der Sonderprüfung müssen die durch den Vorstand der AG gewählten Bewertungsmethoden durch den Sonderprüfer übernommen werden (§ 259 Abs. 2 Satz 3), weil nur rechtliche Fehlentscheidungen der AG überprüft werden sollen und nicht deren Ermessen ersetzt oder eingeschränkt werden soll. Bei der Darstellung der Auswirkungen der Mindestkorrektur auf das Jahresergebnis sind etwaige Überbewertungen, über welche nach § 259 Abs. 1 Satz 2 zu berichten ist, nicht hinsichtlich des Jahresergebnisses zu verrechnen, eine Kompensation darf also nicht stattfinden. Auch das Fehlen einer wesentlichen Unterbewertung ist nach einer _____________ 1) 2) 3) 4)
Hüffer, AktG, § 259 Rz. 3. Hölters-Waclawik, AktG, § 259 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 259 Rz. 5. Hölters-Waclawik, AktG, § 259 Rz. 9.
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§ 260 Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer abschließenden Feststellung darzulegen; diese sog. Negativerklärung sollte dabei auch die einzelnen Bilanzposten, welche überprüft wurden, bezeichnen.5) 5 Bei einer Prüfung wegen Unvollständigkeit des Anhangs darf der Prüfer nicht nur die fehlenden oder unvollständigen Anhänge aufdecken, sondern muss vielmehr die fehlenden Angaben nachholen (§ 259 Abs. 4 Satz 1). Diese Pflicht zur Vervollständigung des Anhangs besteht jedoch nur, wenn alle Voraussetzungen des § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vorliegen, also insbesondere, wenn die Fragen hierzu in der Hauptversammlung gestellt wurden und dies zusammen mit der Reaktion des Vorstands in der Niederschrift vermerkt wurde. Bei fehlenden Angaben zu Abweichungen von früheren Bewertungs- oder Abschreibungsmethoden müssen deren Auswirkungen auf die Ergebnisse der AG dargestellt werden (§ 259 Abs. 4 Satz 2). Auch bei einer Negativerklärung hinsichtlich einer Berichtslücke muss dies angegeben werden und es sollte klargestellt werden, dass keine vollständige Überprüfung des Jahresabschlusses und des Anhangs erfolgt ist.6) IV.
Publizität
6 Der Vorstand muss die abschließenden Feststellungen des Sonderprüfers unverzüglich, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, in den Gesellschaftsblättern, § 25 HGB, bzw. im Bundesanzeiger bekannt machen. Der Prüfungsbericht selbst muss nicht auf diesem Weg publiziert werden. Die Bekanntmachung kann auch gemäß § 407 Abs. 1 durch eine Zwangsgeldfestsetzung erzwungen werden. Zudem muss der Prüfungsbericht gemäß § 145 Abs. 6 Satz 3 unverzüglich zum Handelsregister des Sitzes der AG eingereicht werden, sodass jeder Aktionär davon Kenntnis nehmen kann. Darüber hinaus muss der Vorstand jedem Aktionär auf Verlangen eine Abschrift des Sonderprüfungsberichts übergeben bzw. übermitteln, § 259 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 145 Abs. 6 Satz 4. Darüber hinaus muss der Prüfungsbericht dem Vorstand vorgelegt werden und in der nächsten Hauptversammlung zwingend behandelt werden, § 259 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 145 Abs. 6 Satz 5. _____________ 5) 6)
Hölters-Waclawik, AktG, § 259 Rz. 11. Hölters-Waclawik, AktG, § 259 Rz. 13.
§ 260 Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer (1) 1Gegen abschließende Feststellungen der Sonderprüfer nach § 259 Abs. 2 und 3 können die Gesellschaft oder Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen, innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger den Antrag auf Entscheidung durch das nach § 132 Abs. 1 zuständige Gericht stellen. 2§ 258 Abs. 2 Satz 4 und 5 gilt sinngemäß. 3Der Antrag muß auf Feststellung des Betrags gerichtet sein, mit dem die im Antrag zu bezeichnenden Aktivposten mindestens oder die im Antrag zu bezeichnenden Passivposten höchstens anzusetzen waren. 4Der Antrag der Gesellschaft kann auch auf Feststellung gerichtet sein, daß der Jahresabschluß die in der abschließenden Feststellung der Sonderprüfer festgestellten Unterbewertungen nicht enthielt. (2) 1Über den Antrag entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. 2§ 259 Abs. 2 Satz 2 und 3 ist anzuwenden. 3Soweit die volle Auf-
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Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer § 260 klärung aller maßgebenden Umstände mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, hat das Gericht die anzusetzenden Werte oder Beträge zu schätzen. (3) 1§ 99 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 5 gilt sinngemäß. 2Das Gericht hat seine Entscheidung der Gesellschaft und, wenn Aktionäre den Antrag nach Absatz 1 gestellt haben, auch diesen zuzustellen. 3Es hat sie ferner ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. 4Die Beschwerde steht der Gesellschaft und Aktionären zu, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen. 5§ 258 Abs. 2 Satz 4 und 5 gilt sinngemäß. 6 Die Beschwerdefrist beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger, jedoch für die Gesellschaft und, wenn Aktionäre den Antrag nach Absatz 1 gestellt haben, auch für diese nicht vor der Zustellung der Entscheidung. (4) 1Die Kosten sind, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Gesellschaft, sonst dem Antragsteller aufzuerlegen. 2§ 247 gilt sinngemäß. Übersicht I. Allgemeines ....................................... 1 II. Einleitung des Verfahrens ................ 2 I.
III. Gerichtliches Verfahren ................... 5 IV. Entscheidung ..................................... 6
Allgemeines
§ 260 regelt das gerichtliche Feststellungsverfahren im Anschluss an die Sonderprüfung, 1 welche sowohl von den Aktionären als auch der Gesellschaft betrieben werden kann. In diesen gerichtlichen Feststellungsverfahren können die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer gemäß § 259 Abs. 2 und Abs. 3 zum Thema der wesentlichen Unterbewertung angegriffen werden, nicht aber Feststellungen zu einer unvollständigen Berichterstattung im Anhang gemäß § 259 Abs. 4. Diese Differenzierung wird teilweise damit begründet, dass die Feststellung nach § 259 Abs. 4 sowieso in der Welt seien und sich nicht mehr rückgängig machen ließen.1) Richtigerweise sollte jedoch als Begründung herangezogen werden, dass die Berichterstattung in den Anhängen durch das Gesetz als weniger wichtig angesehen wird als Fragen einer materiell-rechtlichen wesentlichen Unterbewertung. II.
Einleitung des Verfahrens
Der formlose Antrag muss innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung der 2 Feststellungen des Sonderprüfers gemäß § 259 Abs. 5 gestellt werden. Hierfür gelten die allgemeinen Fristberechnungsvorschriften der §§ 187 f. BGB. Nach § 260 Abs. 1 Satz 1 kann sowohl die AG selbst, vertreten durch den Vorstand, § 78 Abs. 1 Satz 1, bzw. ausnahmsweise den Aufsichtsrat, § 111 Abs. 4, sowie die Aktionäre der AG selbst den Antrag stellen. Diese müssen allerdings ein Quorum von 5 % des Grundkapitals bzw. eines Mindestbetrags i. H. von 500.000 € daran erreichen. Irrelevant für die Antragsbefugnis ist jedoch eine Beteiligung an der Einleitung der Sonderprüfung, weil dies im Gesetz nicht vorgesehen ist.2) Gemäß § 132 Abs. 1 ist das LG am Sitz der AG zuständig, wobei grundsätzlich die Kammer für Handelssachen entscheidet oder eine Zuständigkeitskonzentration möglich ist. Der Antrag selbst richtet sich gegen die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer 3 hinsichtlich einer vorliegenden oder nicht vorliegenden wesentlichen Unterbewertung. Nach § 260 Abs. 1 Sätze 3 und 4 müssen im Antrag sowohl die Mindest- sowie die _____________ 1) 2)
Hüffer, AktG, § 260 Rz. 1. Hölters-Waclawik, AktG, § 260 Rz. 5.
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§ 260 Gerichtliche Entscheidung über die abschließenden Feststellungen der Sonderprüfer Höchstbeträge der Aktiv- bzw. Passivposten und dessen genaue Bezeichnung genannt sein. Das Gericht ist an diesen Antrag nicht gebunden, zumal es gemäß § 26 FamFG zur Amtsermittlung verpflichtet ist. Prozessual ist festzuhalten, dass die Stellung eines unbezifferten Antrages genügt, sofern ein Mindest- bzw. ein Höchstbetrag genannt wird, wobei insbesondere die AG jedoch auch eine Negativfeststellung beantragen darf, wenn sie mit den Feststellungen des Sonderprüfers nicht einverstanden ist. Dieses Recht steht jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm ausschließlich der AG zu, nicht jedoch den Aktionären. Diese dürfen somit nur eine Bewertungsverschiebung beantragen, nicht jedoch ein Negativtestat. 4 Gemäß § 260 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 258 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 müssen die antragstellenden Aktionäre hier ebenfalls die für die Erreichung des Quorums vorgeschriebenen Aktien hinterlegen bzw. eine entsprechende Versicherung des depotführenden Instituts vorlegen. Zudem muss eine Glaubhaftmachung regelmäßig durch eidesstattliche Versicherung, dass die Aktionäre mindestens drei Monate vor Antragstellung Inhaber der Aktien waren bzw. sind, unterlegt bzw. substantiiert werden. III.
Gerichtliches Verfahren
5 Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 26 FamFG, welcher nach § 260 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 anwendbar ist, kann das Gericht Unterlagen der AG, aber auch der Sonderprüfer und Abschlussprüfer anfordern, sowie letztere anhören und eine weitere Sachverständigenbegutachtung anordnen. Insbesondere besteht keine Bindung des Gerichts an die gestellten Anträge, sondern es kann nach freier Überzeugung unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden (§ 260 Abs. 2 Satz 1). Das Gericht muss dabei die Verhältnisse am Stichtag des Jahresabschlusses zugrunde legen, vgl. § 260 Abs. 2 Satz 2, § 258 Abs. 2 Satz 2. Dabei ist es an von der AG und ihren Organen zulässigerweise gewählten Bewertungs- und Abschreibungsregeln gebunden. Bei fehlender Aufklärungsmöglichkeit aller Umstände kann das Gericht jedoch auch Werte und Beträge schätzen (§ 260 Abs. 2 Satz 3). Diese Schätzungsbefugnis ist pragmatisch gedacht, aber rechtsstaatlich bedenklich, weil eine Schätzung bezüglich eines objektiv durch Gutachter feststellbaren Zustands ermöglicht wird, allein um den Rechtsfrieden herzustellen. IV.
Entscheidung
6 Das Gericht muss bereits den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in den Gesellschaftsblättern bekannt machen, § 260 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 2 Satz 1, ebenso wie die gerichtliche Entscheidung selbst, § 260 Abs. 3 Satz 3. Das Gericht entscheidet über den Antrag regelmäßig durch Beschluss, welcher aus Gründen der Rechtsmittelfähigkeit zu begründen ist (§ 260 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 3 Satz 1). Der Beschluss wirkt für und gegen jedermann, wird also rechtskräftig mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit; der Vorstand der AG hat diese rechtskräftige Entscheidung unverzüglich zum Handelsregister anzumelden (§ 260 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 5 Satz 3), um allen Aktionären eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Beschlusses zu geben. 7 Gegen den Beschluss ist eine Beschwerde statthaft (§ 260 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 3 Satz 2), welche nur von einem Rechtsanwalt eingereicht werden kann. Beschwerdeberechtigt sind die oben als antragsberechtigt genannten Personen, also die AG, vertreten durch ihren Vorstand bzw. Aufsichtsrat sowie die Aktionäre unter Einhaltung des genannten Quorums. Daher ist auch eine Sperrung der Aktien durch Hinterlegung bzw. Versicherung des depotführenden Instituts in diesem Rechtsmittelverfahren angezeigt. Allerdings wird durch die Beschwerde keine neue Tatsacheninstanz erreicht, sondern es werden nur Rechtsverletzungen im erstinstanzlichen Verfahren überprüft, so dass nahezu von einer
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Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung
§ 261
Rechtsbeschwerde ausgegangen werden kann. Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 63 Abs. 1 FamFG einen Monat nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, beginnt aber nicht vor der Zustellung des Beschlusses (§ 260 Abs. 3 Satz 6) und muss beim LG eingereicht werden, § 64 Abs. 1 FamFG, obwohl das OLG das Beschwerdegericht ist, § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG. Gemäß § 260 Abs. 4 Satz 2 ist § 247 sinngemäß anzuwenden, d. h. der Geschäftswert wird nach billigem Ermessen bestimmt. Die Kosten sind bei einer stattgebenden Entscheidung von der AG, ansonsten vom Antragsteller zu tragen (§ 260 Abs. 4 Satz 1).
§ 261 Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung (1) 1Haben die Sonderprüfer in ihrer abschließenden Feststellung erklärt, daß Posten unterbewertet sind, und ist gegen diese Feststellung nicht innerhalb der in § 260 Abs. 1 bestimmten Frist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt worden, so sind die Posten in dem ersten Jahresabschluß, der nach Ablauf dieser Frist aufgestellt wird, mit den von den Sonderprüfern festgestellten Werten oder Beträgen anzusetzen. 2Dies gilt nicht, soweit auf Grund veränderter Verhältnisse, namentlich bei Gegenständen, die der Abnutzung unterliegen, auf Grund der Abnutzung, nach §§ 253 bis 256 des Handelsgesetzbuchs oder nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung für Aktivposten ein niedrigerer Wert oder für Passivposten ein höherer Betrag anzusetzen ist. 3In diesem Fall sind im Anhang die Gründe anzugeben und in einer Sonderrechnung die Entwicklung des von den Sonderprüfern festgestellten Wertes oder Betrags auf den nach Satz 2 angesetzten Wert oder Betrag darzustellen. 4Sind die Gegenstände nicht mehr vorhanden, so ist darüber und über die Verwendung des Ertrags aus dem Abgang der Gegenstände im Anhang zu berichten. 5Bei den einzelnen Posten der Jahresbilanz sind die Unterschiedsbeträge zu vermerken, um die auf Grund von Satz 1 und 2 Aktivposten zu einem höheren Wert oder Passivposten mit einem niedrigeren Betrag angesetzt worden sind. 6Die Summe der Unterschiedsbeträge ist auf der Passivseite der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung als "Ertrag auf Grund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung" gesondert auszuweisen. (2) 1Hat das gemäß § 260 angerufene Gericht festgestellt, daß Posten unterbewertet sind, so gilt für den Ansatz der Posten in dem ersten Jahresabschluß, der nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung aufgestellt wird, Absatz 1 sinngemäß. 2Die Summe der Unterschiedsbeträge ist als "Ertrag auf Grund höherer Bewertung gemäß gerichtlicher Entscheidung" gesondert auszuweisen. (3) 1Der Ertrag aus höherer Bewertung nach Absätzen 1 und 2 rechnet für die Anwendung des § 58 nicht zum Jahresüberschuß. 2Über die Verwendung des Ertrags abzüglich der auf ihn zu entrichtenden Steuern entscheidet die Hauptversammlung, soweit nicht in dem Jahresabschluß ein Bilanzverlust ausgewiesen wird, der nicht durch Kapitaloder Gewinnrücklagen gedeckt ist. Übersicht I. Allgemeines ....................................... 1 II. Bilanzielle Folgen der Sonderprüfung (§ 261 Abs. 1) ...................... 2
III. Bilanzielle Transformation einer gerichtlichen Entscheidung (§ 261 Abs. 2) ..................................... 7 IV. Ertragsverwendung (§ 261 Abs. 3) ..................................... 8
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§ 261 I.
Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung Allgemeines
1 Die Norm regelt die Auswirkungen der bilanziellen Berücksichtigung einer von den Sonderprüfern festgestellten wesentlichen Unterbewertung in § 261 Abs. 1 und Abs. 2. Dies zeigt, dass die §§ 258 ff. auch etwaige Fehlbewertungen in der Bilanz der AG korrigieren, wobei nur wesentliche Unterbewertungen, nicht aber auch Unvollständigkeiten des Anhangs gemäß § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erfasst werden. Allerdings folgt aus § 259 Abs. 4, dass die Sonderprüfer die insoweit fehlenden Angaben in ihrem Prüfungsbericht machen müssen, obwohl eine bilanzielle Korrektur bzw. die Umsetzung dieser Prüfungsfeststellungen nicht zwingend erforderlich ist. Gemäß § 261 Abs. 3 kann die Hauptversammlung über die Verwendung des Ertrags aus der höheren Bewertung entscheiden und kann grundsätzlich zwischen einer Thesaurierung und einer Ausschüttung des Mehrergebnisses wählen.1) II.
Bilanzielle Folgen der Sonderprüfung (§ 261 Abs. 1)
2 Gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1 werden die Prüfungsergebnisse bei einer abschließenden Feststellung einer wesentlichen Unterbewertung seitens der Sonderprüfer in die Bilanz übernommen, d. h. es darf weder eine sog. Negativfeststellung noch ein Antrag auf eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 260 Abs. 1 vorliegen. Sofern diese Voraussetzungen nicht vorliegen, werden im ersten folgenden Jahresabschluss die von den Sonderprüfern festgestellten Werte und Beträge angesetzt, also nicht rückwirkend auf den Jahresabschluss, welcher den Bewertungsfehler enthalten hat. Dadurch soll der „alte“ Jahresabschluss Bestandsschutz genießen, weil regelmäßig auf dessen Grundlage bereits Gewinnverwendungsentscheidungen getroffen wurden. Die Durchführung dieser Korrekturen ist durch den Vorstand als für die Jahresabschlusserstellung zuständiges Organ gemäß § 91 Abs. 2 vorzunehmen. 3 Daher liegt zwischen der Umsetzung und dem Stichtag der Sonderprüfung gemäß § 259 Abs. 2 Satz 2 mindestens ein Geschäftsjahr, so dass die Fortentwicklung der bilanziellen Verhältnisse berücksichtigt werden muss. Daher muss die Übernahme von Feststellungen unterbleiben, soweit aufgrund geänderter Verhältnisse für Aktivposten ein niedriger und für Passivposten ein höherer Wert anzusetzen ist, sog. Übernahmeverbot (§ 261 Abs. 1 Satz 2). Die Verweisung auf die §§ 253 – 256 HGB in § 261 Abs. 1 Satz 2 ist nicht abschließend, und es gelten insbesondere die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB). Als Grundregel kann festgehalten werden, dass prüferische Feststellungen insbesondere dann nicht übernommen werden dürfen, wenn eine zulässige Bewertung des Folgeabschlusses unterlaufen würde, so dass auch eine zulässige Änderung der Bewertungsmethoden zu einem Übernahmeverbot führen kann, sofern dies nicht rechtsmissbräuchlich, d. h. zur Vermeidung der Übernahme der Feststellung des Sonderprüfers, erfolgt.2) Gemäß § 261 Abs. 1 Satz 3 muss eine Berichterstattung im Anhang über eine Nichtübernahme von abschließenden Feststellungen nach § 261 Abs. 1 Satz 2 erfolgen, welche darüber hinausgehend noch in einer Sonderrechnung die Wertentwicklung des Bilanzpostens und die Gründe für das Übernahmeverbot angeben. Dies ist notwendig, um die Sonderprüfung sowie ihre Ergebnisse nicht zu unterlaufen und zu entwerten, sowie für einen aufmerksamen Leser nach außen hin publik zu machen. 4 Ein Sonderfall des Übernahmeverbots findet sich in § 261 Abs. 1 Satz 4, nach dem frühere Fälle des Abgangs von Gegenständen sowie die Ertragsverwendung aus diesen zu berichten ist. Eine fiktive bilanzielle Weiterführung der nicht mehr vorhandenen _____________ 1) 2)
Hölters-Waclawik, AktG, § 261 Rz. 1 a. E. Hüffer, AktG, § 261 Rz. 3.
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Entscheidung über den Ertrag auf Grund höherer Bewertung
§ 261
Gegenstände findet nicht mehr statt, so dass auch eine Bewertungskorrektur nach § 261 Abs. 1 Satz 1 denklogisch nicht mehr möglich ist. Allerdings soll durch die Pflicht zur Angabe des Ertrags eine Nachvollziehbarkeit der wesentlichen Bedeutung der Fehlbewertung ermöglicht und der Nachweis der enthaltenen stillen Reserven offengelegt werden. Allerdings genügt für die Angabe der Ertragsverwendung, dass diese in den Bilanzgewinn bzw. -verlust eingeflossen ist.3) Eine Einstellung in die Gewinnrücklagen gemäß § 158 Abs. 1 Nr. 4 ist ebenfalls möglich. Gemäß § 261 Abs. 1 Satz 5 muss in der Bilanz offengelegt werden, inwieweit sich die be- 5 troffenen Bilanzposten ohne bzw. mit den abschließenden Feststellungen des Sonderprüfers unterscheiden, es müssen also die Unterschiedsbeträge bei den einzelnen betroffenen Bilanzposten ausgewiesen werden. Darüber hinausgehend wird keine genauere Konkretisierung der Darstellungsform verfolgt, so dass ein Klammerzusatz ebenso wie eine Zuschreibungsspalte oder die Verwendung von Fußnoten möglich ist.4) Darüber hinaus muss gemäß § 261 Abs. 1 Satz 6 auch eine gesamte Ergebnisauswirkung 6 aus der Summe aller Unterschiedsbeträge in der Bilanz sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung als „Ertrag aufgrund höherer Bewertung gemäß dem Ergebnis der Sonderprüfung“ gesondert ausgewiesen werden. Der Ausweis muss nach ausdrücklicher Anordnung in § 261 Abs. 1 Satz 6 auch in der Bilanz erfolgen, wo er innerhalb des Eigenkapitals, § 266 Abs. 3 A HGB, nach dem Posten „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ geboten ist. Sofern die Bilanz unter Berücksichtigung der Ergebnisverwendung gemäß § 268 Abs. 1 HGB aufgestellt wird, so muss dies in analoger Form nach dem Posten „Bilanzgewinn/Bilanzverlust“ gemäß § 268 Abs. 1 Satz 2 HGB erfolgen.5) Insbesondere darf keine Saldierung durch etwaige Erhöhungen der Gewerbe- bzw. Körperschaftssteuer (inkl. Solidaritätszuschlag) erfolgen, sondern die Unterschiedsbeträge sind brutto auszuweisen. Allerdings sollten solche kompensatorischen Effekte im Anhang dargestellt werden. III.
Bilanzielle Transformation einer gerichtlichen Entscheidung (§ 261 Abs. 2)
Die Übernahme von Feststellungen zur Unterbewertung nach einem gerichtlichen 7 Verfahren nach § 260 erfolgt gemäß § 260 Abs. 2 Satz 1 entsprechend den oben stehenden Ausführungen zu § 261 Abs. 1. Hierzu bestehen allerdings zwei notwendige Unterschiede: Die bilanzielle Verarbeitung muss im ersten Jahresabschluss nach der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung erfolgen, weil damit etwaige Unterbewertungen erst rechtskräftig feststehen. Damit haben auch die Regelungen zum Übernahmeverbot gemäß § 260 Abs. 1 Satz 2 sowie zum Abgang von Vermögensgegenständen gemäß § 260 Abs. 1 Satz 4 für diesen Anwendungsfall größere Bedeutung, weil sich das gerichtliche Verfahren möglicherweise mehrere Jahre hinziehen kann. Als weitere logische Unterscheidung folgt aus § 260 Abs. 2 Satz 2, dass die Ergebnisauswirkung in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung als „Ertrag aufgrund höherer Bewertung gemäß gerichtlicher Entscheidung“ ausgewiesen werden muss. IV.
Ertragsverwendung (§ 261 Abs. 3)
Gemäß § 261 Abs. 3 Satz 1 ist der Ertrag aus einer höheren Bewertung nicht zum Jahres- 8 überschuss zu rechnen, wodurch eine konstitutive Anordnung getroffen wird, denn dieser Betrag ist grundsätzlich Teil des Jahresabschlusses, weil darunter ein Saldo aller Erträge und Aufwendungen eines Geschäftsjahres zu verstehen ist. Die Trennung dieses Ertrages _____________ 3) 4) 5)
Hölters-Waclawik, AktG, § 261 Rz. 6. Hüffer, AktG, § 261 Rz. 6. Hölters-Waclawik, AktG, § 261 Rz. 8.
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§ 261a
Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
aus den Bewertungsänderungen sowie der Verweis auf § 58 bringt deren Trennung voneinander sowie die Notwendigkeit einer eigenen Entscheidung über den Ertrag aus der Bewertungsänderung zum Ausdruck. Dies kann auch Auswirkungen haben auf eventuelle Inzentivierungen von Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern bzw. leitenden Angestellten haben. Eine Bezugnahme zum Jahresüberschuss bzw. Bilanzgewinn ist in derartigen Konstellationen häufig vorgesehen, soll aber nicht auch den Ertrag aus einer Bewertungsänderung umfassen.6) Diese Folge ist jedoch zwingend systemkonform zum Inzentivierungsgedanken, welcher honorierende Leistungen nicht durch die Korrektur von Fehlbewertungen fälschlicherweise vergüten soll. 9 Aufgrund der Trennung und gesonderten Entscheidung über die Verwendung, bedarf es eines zusätzlichen Beschlusses der Hauptversammlung, § 260 Abs. 3 Satz 2. Einzige Ausnahme hiervon bildet der Fall, dass der relevante Jahresabschluss einen Bilanzverlust ausweist, welcher nicht durch Kapital- oder Gewinnrücklagen gedeckt ist, weil ansonsten die Erträge bereits aufgebraucht sind und nicht für weitere Verwendung zur Verfügung stehen. § 260 Abs. 3 Satz 2 stellt auch klar, dass für die Ertragsverwendung eine eventuelle Steuermehrbelastung abzuziehen ist. Diese Steuermehrbelastung ist in gemeinsamem Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat an die Hauptversammlung offen vom Ertrag aus der Bewertungsänderung abzusetzen. Zudem darf nach allgemeinen Grundsätzen im Falle eines Bilanzverlustes ohne Deckung durch Kapital- oder Gewinnrücklagen kein Verwendungsbeschluss gefasst werden, § 174 Abs. 1 Satz 1, wobei eine Verlustdeckung vorrangig durch die Gewinn- oder Kapitalrücklagen zu erfolgen hat, § 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3. Die Hauptversammlung ist ansonsten bezüglich der Verwendung der Erträge aus der Neubewertung in ihrer Entscheidung frei und kann insbesondere eine Ausschüttung oder auch Einstellung in die Gewinnrücklagen oder die Bildung bzw. Einstellung in einen Gewinnvortrag vorsehen. Andere Verwendungen i. S. des § 58 Abs. 3 Satz 2 sind insofern zwar zulässig, aber praktisch selten.7) _____________ 6) 7)
Hüffer, AktG, § 261 Rz. 9. Hölters-Waclawik, AktG, § 261 Rz. 15.
§ 261a Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Das Gericht hat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Eingang eines Antrags auf Bestellung eines Sonderprüfers, jede rechtskräftige Entscheidung über die Bestellung von Sonderprüfern, den Prüfungsbericht sowie eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über abschließende Feststellungen der Sonderprüfer nach § 260 mitzuteilen, wenn die Gesellschaft Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes ausgegeben hat, die an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. Übersicht I. Allgemeines ....................................... 1 I.
II. Kapitalmarktorientierte AG und Mitteilungspflichten ......................... 2
Allgemeines
1 Die Vorschrift betrifft nur die kapitalmarktorientierte AG, bei welcher eine Sonderprüfung nach den §§ 258 ff. durchgeführt wurde. Aufgrund von § 261a ist das mit der 1300
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Mitteilungen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
§ 261a
Sonderprüfung befasste Gericht zu bestimmten Mitteilungen über die Verfahrenseinleitung und weiteren Verfahrensschritten verpflichtet. Diese Sonderprüfung nach den §§ 258 ff. hat vor einer Prüfung durch die BaFin gemäß § 37o Abs. 2 Satz 2 WpHG oder einer Enforcement-Prüfung durch die Prüfstelle für Rechnungslegung gemäß § 342b Abs. 3 Satz 2 HGB Vorrang und die BaFin wird in die Lage versetzt, zwischen der Sonderprüfung und einer Enforcement-Prüfung eine Abstimmung vorzunehmen. Darüber hinaus leitet die BaFin die Mitteilungen an die Prüfstelle für Rechnungslegung weiter, sofern diese die Prüfung eines betroffenen Unternehmens beabsichtigt oder eingeleitet hat, gemäß § 37p Abs. 3 WpHG. II.
Kapitalmarktorientierte AG und Mitteilungspflichten
Eine AG unterfällt der Norm, wenn sie Aktien oder andere Wertpapiere i. S. des § 2 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG ausgegeben hat, welche an einer deutschen Börse zum regulierten Markt gem. §§ 32 f. BörsG zugelassen sind.1) Diese Inlandsbeschränkung beruht auf den Vorgaben der Enforcement-Prüfung, welche ebenfalls Inlandsbezug aufweisen muss, vgl. § 342b Abs. 2 Satz 2 HGB, § 37n WpHG. Die Mitteilungspflichten gemäß § 261a treffen ausschließlich das LG am Sitz der AG, § 258 Abs. 3 Satz 3. Im Falle einer Beschwerdeentscheidung kommt auch eine Mitteilung des OLG in Betracht. Die mitzuteilenden Ereignisse sind abschließend in der Norm aufgeführt und umfassen neben dem Eingang des Antrags auf Bestellung eines Sonderprüfers nach § 258 Abs. 2 Satz 1 eine rechtskräftige Entscheidung über dessen Bestellung gemäß § 258 Abs. 3. Des Weiteren muss der Prüfungsbericht gemäß § 259 sowie jede rechtskräftige Entscheidung über die abschließenden Feststellungen des Sonderprüfers gemäß § 260 durch das Gericht veröffentlicht werden.
_____________ 1)
Hölters-Waclawik, AktG, § 261 Rz. 3.
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Achter Teil Auflösung und Nichtigerklärung der Gesellschaft Erster Abschnitt Auflösung Erster Unterabschnitt Auflösungsgründe und Anmeldung § 262 Auflösungsgründe Wolfgang Ott
(1) Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst 1. durch Ablauf der in der Satzung bestimmten Zeit; 2. durch Beschluss der Hauptversammlung; dieser bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst; die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen; 3. durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft; 4. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird; 5. mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel der Satzung festgestellt worden ist; 6. durch Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. (2) Dieser Abschnitt gilt auch, wenn die Aktiengesellschaft aus anderen Gründen aufgelöst wird. Literatur: Hirte, Auflösung der Kapitalgesellschaft, ZInsO 2000, 127; Roth, M., Die übertragende Auflösung nach Einführung des Squeeze-out, NZG 2003, 998; Schmidt, K., Insolvenzordnung und Gesellschaftsrecht, ZGR 1998, 633; Schmidt, K., Löschung und Beendigung der GmbH, GmbHR 1988, 209; Schmidt, K., Zur Gläubigersicherung im Liquidationsrecht der Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereine, ZIP 1981, 1; Sethe, Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer AG, ZIP 1998, 770; Vallender, Auflösung und Löschung der GmbH – Veränderungen aufgrund des neuen Insolvenzrechts, NZG 1998, 249.
Übersicht I. Normverständnis und Systematik .... 1. Allgemeines zum System gesetzlicher Abwicklungsmechanismen ..... 2. Regelungsgegenstand und Normzweck ....................................... 3. Anwendungsbereich ..........................
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II. Auflösungsgründe (§ 262 Abs. 1) .... 7 1. Zeitablauf (§ 262 Abs. 1 Nr. 1) .......... 8 2. Beschluss Hauptversammlung (§ 262 Abs. 1 Nr. 2) ......................... 10 3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 262 Abs. 1 Nr. 3) ......................... 11
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§ 262
Auflösungsgründe 4. Abweisung mangels Masse (§ 262 Abs. 1 Nr. 4) ......................... 12 5. Amtsauflösung wegen festgestellter Satzungsmängel (§ 262 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 399 FamFG) ........... 13
6. Löschung wegen Vermögenslosigkeit (§ 262 Abs. 1 Nr. 6) .......... 17 III. Andere Auflösungsgründe (§ 262 Abs. 2) ................................... 20
I.
Normverständnis und Systematik
1.
Allgemeines zum System gesetzlicher Abwicklungsmechanismen
Das gemeinsame Ziel jeder (Voll-)Abwicklung (auch: nach InsO, §§ 393 ff. FamFG1)) 1 ist es, nach dem Gesellschafterwillen nicht mehr fortzuführende oder wirtschaftlich nicht mehr lebensfähige oder wesentliche Rechtsgrundsätze missachtende Gesellschaften in einem geordneten Verfahren unter bestmöglicher Wahrung von Gläubiger- und Gesellschafterinteressen vom Markt zu nehmen. Für die AG regeln dies §§ 262 – 273. Parallelen – teils wortgleich – finden sich in §§ 60 – 74 GmbHG. Auf die dortigen Rechtsgrundsätze kann ergänzend zurückgegriffen werden, soweit sich keine aktienrechtlichen Besonderheiten ergeben.2) Vorrang – aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung – hat die Abwicklung in einem eröffneten Insolvenzverfahren, § 264 Abs. 1. Das Ausscheiden aus dem Rechts- und Geschäftsleben erfolgt im Regelfall in den aufein- 2 anderfolgenden Stufen Auflösung – durch Eintritt der gesetzlichen Auflösungsgründe, § 262 – Abwicklung, §§ 264 – 273, wenn kein Insolvenzverfahren eröffnet ist, § 264 Abs. 1, oder Vermögenslosigkeit vorliegt, § 262 Abs. 1 Nr. 6 (vgl. Rz. 3, 17) und Löschung (Vollbeendigung) mit entsprechendem Eintrag im Handelsregister, § 273 Abs. 1 Satz 2, sowie bei Eintrag der Nichtigkeit im Handelsregister (vgl. § 273 Rz. 5) aufgrund (register-)richterlicher Entscheidung, § 277 Abs. 1 (vgl. § 277 Rz. 1). Systemfremd ist die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit, § 262 Abs. 1 3 Nr. 6, als Auflösungsgrund. Die Gesellschaft wird nicht durch Löschung aufgelöst. Löschung ist die registermäßige Vollbeendigung, der keine Abwicklung mehr folgen kann.3) 2.
Regelungsgegenstand und Normzweck
§ 262 Abs. 1 nennt die in der Praxis wichtigsten Gründe, die zur Auflösung der Aktien- 4 gesellschaft führen. Auf andere – gesetzliche – Auflösungsgründe finden die Vorschriften des ersten Abschnitts (§ 263 – 274) ebenfalls Anwendung, § 262 Abs. 2. Liegt ein gesetzlicher Auflösungsgrund vor, so wird die werbende Gesellschaft in das Ab- 5 wicklungsstadium übergeleitet.4) Systematisch zu unterscheiden sind gesellschafterautonome Auflösungsgründe (§ 262 Abs. 1 Nr. 1, 2 – Aktionärsschutz), Vermögensverfall (§ 262 Abs. 1 Nr. 3, 4 – Gläubigerschutz) sowie wesentliche Satzungsmängel (§ 262 Abs. 1 Nr. 5), Vermögenslosigkeit (§ 262 Abs. 1 Nr. 6) und andere – gesetzliche – Gründe (§ 262 Abs. 2) –, sämtlich zum Schutz des Rechtsverkehrs. Materiell wird der Normzweck durch den mit Eintritt der Auflösungsgründe kraft Gesetzes sich ändernden Gesellschaftszweck (Zweckänderung) erreicht: Die werbende Gesellschaft wird zur Abwicklungsgesellschaft.
_____________ 1) 2) 3) 4)
Uhlenbruck-Pape, InsO, § 1 Rz. 1; Vallender, NZG 1998, 249; Keidel-Heinemann, § 394 FamFG Rz. 1. Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 1; Henssler/ Strohn-Drescher, GesR, § 262 AktG Rz. 2. Hüffer, AktG, § 262 Rz. 22. Allg. M.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 2; Henssler/StrohnDrescher, GesR, § 262 AktG Rz. 1, 14; Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 1; BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, NJW 2007, 589, 591 – für Vor-AG.
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§ 262 3.
Auflösungsgründe Anwendungsbereich
6 § 262 gilt – als actus contrarius zum rechtswirksamen Entstehen der AG – nur für im Handelsregister eingetragene Gesellschaften, arg. § 41 Abs. 1 Satz 1. § 262 findet somit keine Anwendung auf die Voraussetzungen zur Auflösung der Vorgesellschaft, wohl aber wegen ihrer körperschaftlichen Struktur teilweise auf die Modalitäten der Abwicklung.5) II.
Auflösungsgründe (§ 262 Abs. 1)
7 § 262 Abs. 1 nennt einzelne, zwingende Auflösungstatbestände, die jeweils selbständige, voneinander unabhängige Auflösungsgründe beinhalten. Jeder Aktionär kann die Abwicklung bei Vorlage der Auflösungsgründe durch Feststellungsklage durchsetzen.6) 1.
Zeitablauf (§ 262 Abs. 1 Nr. 1)
8 Der satzungsmäßig – auch durch nachträgliche Satzungsänderung, §§ 179 ff.7) – bestimmte Zeitablauf (Eintragungspflicht, § 39 Abs. 2) kann ein kalendermäßig bestimmter, konkreter Zeitpunkt sein; ausreichend auch Bestimmbarkeit (hohe Anforderungen) des Auflösungszeitpunkts:8) Gesellschaft für die Dauer eines Patents,9) für die Dauer einer vertraglich übernommenen Aufgabe, Wegfall sämtlicher Beteiligungen bei einer Holdinggesellschaft; nicht ausreichend bestimmt: Errichtung und Unterhaltung einer Wohnanlage, Verwaltung fremden Vermögens. Auch eine in der Satzung niedergelegte Auflösungsbedingung ist in der Regel zu unbestimmt.10) Mit Zeitablauf tritt Auflösung von selbst ein, was Anmeldung und Eintragung ins Handelsregister jedoch nicht entbehrlich macht.11) Im Zweifel ist ein Auflösungsbeschluss der Hauptversammlung erforderlich, § 262 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. Rz. 10). Auch ist nachträgliche Befristung sowie deren rechtzeitige Verlängerung durch Satzungsänderung mit zwingender Mehrheit des § 262 Abs. 1 Nr. 2 zulässig.12) 9 Soll die Auflösung vermieden werden, ist dies vor Eintritt des satzungsmäßig bestimmten oder bestimmbaren Zeitpunkts durch Satzungsänderung möglich, §§ 179, 181 Abs. 3, nach Eintritt dieses Zeitpunkts nur nach § 274 Abs. 1.13) Ansonsten sind Vorstand und Aufsichtsrat i. R. ihrer gesetzlichen Pflichten, §§ 93, 116, gehalten, die Abwicklung der Gesellschaft nach Maßgabe der §§ 263 ff. unverzüglich zu betreiben.14) 2.
Beschluss Hauptversammlung (§ 262 Abs. 1 Nr. 2)
10 Als Ausfluss der Gesellschafterautonomie ist es jederzeit möglich, die Gesellschaft durch Beschluss der Hauptversammlung (Initiativmöglichkeiten nach §§ 120 ff.) aufzulösen. Angesichts der existenziellen Bedeutung wird entsprechend den für vergleichbare Fälle _____________ 5) BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, ZIP 2006, 2267, zust. Anm. Krolop EWiR 2007, 289; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 1; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 66 f.; so bereits BGH, Urt. v. 28.11.1997 – V ZR 178/96, ZIP 1998, 109 – zur Rechts- und Parteifähigkeit der Vor-GmbH; a. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 1. 6) Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 8. 7) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 8. 8) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 21 f.; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 8; Henssler/Strohn-Arnold, GesR, § 60 GmbHG Rz. 11. 9) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 8; Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 15 Rz. 15. 10) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 4; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 6. 11) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 23; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, 262 Rz. 7. 12) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 6. 13) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 8; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 23; Henssler/Strohn-Arnold, GesR, § 60 GmbHG Rz. 12; Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 3. 14) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 8.
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§ 262
Auflösungsgründe
anerkannten Grundsätzen15) die doppelte Mehrheit gefordert, nämlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, §§ 133 Abs. 1, 134 Abs. 1, sowie eine Mehrheit von 75 % des vertretenen Grundkapitals.16) Satzungsmäßige Ergänzungen sind aus Gründen des Minderheitenschutzes auf weitergehende Zustimmungserfordernisse beschränkt (problematisch: Einstimmigkeit; unzulässig: Ausschluss), materielle Abstimmungserleichterungen in der Satzung somit nichtig, § 23 Abs. 5.17) Minderheitenschutz durch Anfechtung ist nur in engen Grenzen (Verletzung der Treuepflicht/Rechtsmissbrauch u. a.) möglich.18) Im Fall einer übertragenden Auflösung, § 179a, die vom Mehrheitsaktionär beschlossen wurde, hat die Rechtsprechung den Minderheitenschutz auf eine wirtschaftlich „volle“ Entschädigung reduziert.19) 3.
Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 262 Abs. 1 Nr. 3)
Auflösungsgrund ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der AG. 11 Der Auflösungsgrund entsteht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch rechtskräftigen Eröffnungsbeschluss, § 27 InsO, da Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses im Beschwerdeverfahren ex tunc wirkt.20) Die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses ist öffentlich bekannt zu machen, § 34 Abs. 3 Satz 1 InsO, und im Handelsregister von Amts wegen einzutragen, §§ 34 Abs. 3 Satz 2, 200 Abs. 2 Satz 2, 31 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Da die Gesellschaft nicht aufgelöst wurde, ist auch ein Fortsetzungsbeschluss nach § 274 Abs. 2 Nr. 1 nicht erforderlich.21) 4.
Abweisung mangels Masse (§ 262 Abs. 1 Nr. 4)
Das Insolvenzgericht weist einen zulässigen und begründeten Insolvenzantrag mangels 12 Masse ab, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) aus dem Schuldnervermögen voraussichtlich nicht gedeckt sind und auch kein Kostenvorschuss geleistet wird, § 26 Satz 1, 2 InsO. Mit Rechtskraft (sofortige Beschwerde des Antragstellers, in jedem Fall auch des Schuldners – allein wegen Beschwer durch Eintrag ins Schuldnerverzeichnis22) – ohne Fortsetzungsmöglichkeit nach § 274)23) ist der Auflösungsgrund mit der Rechtsfolge einer Abwicklung nach §§ 264 ff. erfüllt. Abweisung mangels Masse ist nicht mit dem Fall der Vermögenslosigkeit i. S. d. § 262 Abs. 1 Nr. 5 gleichzusetzen, da auch mit Dritt_____________ 15) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 11. 16) H. M. Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 10; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 262 AktG Rz. 4; Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 15 Rz. 12. 17) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 12; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 25; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 12. 18) Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 11 m. w. Rspr.-Nachweisen in Fn. 19; BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/97, BGHZ 103, 184, 190 f.; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.4.2009 – 5 U 68/08, LMR 2009, 35263 – Informationsmangel als Anfechtungsgrund; Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 6. 19) BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 225/04, NJW-RR 2007, 99 = ZIP 2006, 2080; bestätigt durch Beschl. d. BVerfG v. 19.9.2007 – 1 BvR 2984/06, ZIP 2007, 2121 – Squeeze-out auch im Liquidationsstadium; BVerfG, Beschl. v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, ZIP 2000, 1670 = NJW 2001, 279; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 11; abl.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 36 f. 20) Uhlenbruck-Pape, InsO, § 34 Rz. 30; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 262 AktG Rz. 5; a. A.: Spindler/ Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 40; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 16; Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 8. 21) A. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 8 (konsequent). 22) Uhlenbruck-Pape, InsO, § 34 Rz. 6; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 14. 23) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 14; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 21; AG Hamburg, Beschl. v. 26.4.2006 – 67 c IN 312/05, ZIP 2006, 1688, 1689; a. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 9.
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§ 262
Auflösungsgründe
rechten belastetes Schuldnervermögen aus Gründen des Gläubigerschutzes im gesetzlich geregelten Abwicklungsverfahren zu liquidieren ist. 5.
Amtsauflösung wegen festgestellter Satzungsmängel (§ 262 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 399 FamFG)
13 Der Auflösungsgrund besteht im Wesentlichen zum Schutz des Rechts- und Geschäftsverkehrs,24) da tragende Satzungselemente auch nach registergerichtlicher Aufforderung weiterhin fehlen oder nichtig sind und dies durch rechtskräftige Verfügung festgestellt ist. Die Amtsauflösung bei Fehlen/Nichtigkeit wesentlicher Bestimmungen entspringt gesetzgeberischer Vorsorge und ermöglicht dem Registergericht die Korrektur der Eintragungsverfügung, die bei korrekter registergerichtlicher Handhabung erst gar nicht hätte erfolgen dürfen, § 38 Abs. 1.25) 14 Das Abhilfe- und Feststellungsverfahren ist in § 399 FamFG (Rechtsgrundverweisung) geregelt: Ergebnis des Verfahrens sind Abhilfe oder rechtskräftige Feststellung der maßgeblichen Satzungsmängel. Die Auflösung selbst ist deren zwingende, gesetzliche Folge.26) 15 Zur Auflösung führen Fehlen oder Nichtigkeit von Bestimmungen über –
Firma und Sitz der Gesellschaft, § 23 Abs. 3 Nr. 1. Firmenbezogene Satzungsmängel können sein: Fehlen des Firmenzusatzes, § 4, Missachtung firmenrechtlicher Grundsätze wie Eignung zur Kennzeichnung und Unterscheidungskraft, § 18 Abs. 1 HGB, Verbot der Irreführung, § 18 Abs. 2 HGB, fehlende Unterscheidbarkeit am selben Ort, § 30 HGB; nachträgliche gesetzwidrige Änderung führt nicht zur Auflösung, sondern zur Nichtigkeit und damit Unbeachtlichkeit des Änderungsbeschlusses.27) Sitzbestimmung kann gegen § 5 verstoßen. Bei nachträglicher Sitzverlegung ist zu unterscheiden: tatsächliche Sitzverlegung bei Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes führt nicht zur Auflösung.28) Sitzverlegung ins Ausland durch Beschluss der Hauptversammlung bedeutet gleichzeitig Auflösung der Gesellschaft.29)
–
Regeln über die Höhe des Grundkapitals, § 23 Abs. 3 Nr. 3; Auflösung nur bei nichtiger Satzungsregel; Fehlen der Satzungsregel führt zur Nichtigkeitsklage, § 275 (§ 275 Rz. 5).30)
–
Zerlegung des Grundkapitals, § 23 Nr. 4; Auflösungsfall gegeben, wenn die gesetzlichen Bestimmungen über die Zerlegung des Grundkapitals in Aktien (Aktienform, Aufteilung des Grundkapitals), Aktiengattungen, Mindestausgabebetrag, Ausstellung als Inhaber- oder Namensaktien, §§ 8, 9, 10, nicht beachtet werden.
–
Ausstellung der Aktien als Inhaber- oder Namensaktien, § 23 Abs. 3 Nr. 5. Der Referentenentwurf des BMJ vom 2.11.2010 (Aktienrechtsnovelle 2011/2013) sah ursprünglich vor, § 23 Abs. 3 neu zu fassen. Danach sollte § 262 Abs. 1 Nr. 5 aufgehoben und § 262 Abs. 1 Nr. 6 zu Nr. 5 werden (Art. 1 Nr. 2 Aktienrechtsnovelle 2011/2013).
_____________ 24) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 20. 25) Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 23; Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 11. 26) Zum Verhältnis konkurrierender Verfahren untereinander: Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 13; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 58. 27) Strittig; ebenso Hüffer, AktG, § 262 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 21; Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 15 Rz. 26. 28) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 21; vgl. auch Schüppen/ Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 15 Rz. 28, 76. 29) H. M. – Nachweise bei Hüffer, AktG, § 5 Rz. 12; Henssler/Strohn-Arnold, GesR, § 60 GmbHG Rz. 16; ausführlich mit teils abw. Meinung: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 74 ff. 30) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 21; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 262 AktG Rz. 7; Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 15 Rz. 29.
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§ 262
Auflösungsgründe
Es sollte somit der Auflösungsgrund der Aktienausstellung auf den Inhaber oder auf den Namen entfallen. Seinen Grund hatte dies darin, dass künftig aus Gründen der Gesellschaftertransparenz nur noch Namensaktien ausgestellt werden sollten. Dieses Vorhaben ist in der am 22.10.2013 abgelaufenen 17. Legislaturperiode nicht mehr verwirklicht worden.31) Vorgesehen war, dass Inhaberaktien – eingeschränkt – zugelassen bleiben sollen, wenn die Gesellschaft börsennotiert ist, § 10 Abs. 1 Nr. 1 RegE oder der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen und die Sammelurkunde nach den Bestimmungen des DepotG hinterlegt ist, § 10 Abs. 1 Nr. 2 RegE. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. –
die Anzahl der Vorstandsmitglieder oder die Regeln, nach denen diese Anzahl festgelegt wird, § 23 Nr. 6.
Die vorgenannten, enumerativ aufgeführten Fälle sind abschließend.32) Sonstige Satzungs- 16 verstöße führen nicht zur Auflösung der AG, sondern nur zur Nichtigkeit (§ 23 Abs. 5 Satz 1) der fehlerhaften Satzungsbestimmung.33) 6.
Löschung wegen Vermögenslosigkeit (§ 262 Abs. 1 Nr. 6)
Die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit ist terminologisch verwirrend: 17 Vermögenslosigkeit führt unmittelbar zur Löschung, § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Verständnis und dogmatische Einordnung setzen daher eine Gesamtschau der einschlägigen Vorschriften unter Hinzunahme des § 394 FamFG voraus. Der dogmatische Streit mündet in folgende Lösungsansätze: –
Vermögenslosigkeit führt nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft, ist aber ihre Voraussetzung. Liegt von vornherein Vermögenslosigkeit vor, entfällt das Abwicklungsverfahren. Erst die (konstitutive) Löschung im Handelsregister führt zur liquidationslosen Vollbeendigung.34)
–
Da Vollbeendigung Vermögenslosigkeit voraussetzt, § 264 Abs. 2, ist Löschung nur deklaratorisch. Vollbeendigung tritt ein, wenn beide Voraussetzungen, nämlich Vermögenslosigkeit und Löschung vorliegen (Lehre vom Doppeltatbestand).35)
Im Ergebnis läuft der Streit auf die Frage hinaus, ob nachträglich auftauchendes Vermö- 18 gen die Gesellschaft weiterhin im Abwicklungsstadium hält, § 264 Abs. 2, oder zwangsläufig wegen bereits erfolgter Löschung im Handelsregister zur Nachtragsverteilung führt, § 273 Abs. 4. Da das Gesetz die Nachtragsverteilung vorsieht und diese nur bei eingetretener Vollbeendigung durch entsprechende Löschung denkbar ist, vermeidet allein die konstitutive Wirkung der Löschung Argumentationsbrüche.36) Hinzu kommt die Publizität als tragende Säule für Klarheit und Sicherheit im Rechtsverkehr. § 394 FamFG unterscheidet die Löschung wegen Vermögenslosigkeit ohne oder mit durch- 19 laufenem Insolvenzverfahren, § 394 Abs. 1. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat das zuständige Registergericht das Löschungsverfahren nach § 394 FamFG durchzu_____________ 31) 32) 33) 34)
S. a. oben Einf. Rz. 24 ff. Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 29. Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 29; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 54. Hüffer, AktG, § 262 Rz. 22; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 15; Spindler/StilzBachmann, AktG, § 262 Rz. 59. 35) OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2002 – 16 W 6/02, AG 2003, 449; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 15 m. w. N. in Fn. 32. 36) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 23; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 262 Rz. 59; Grigoleit-Servatius, AktG, § 262 Rz. 14.
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§ 263
Anmeldung und Eintragung der Auflösung
führen.37) Die missverständliche Formulierung „kann“ drückt die Ermächtigung des Gerichts zur Amtslöschung, nicht aber ein Ermessen aus. III.
Andere Auflösungsgründe (§ 262 Abs. 2)
20 Richtigerweise fallen hierunter nur gesetzliche Auflösungsgründe.38) Die Satzung selbst kann keine eigenen Gründe zur Auflösung festlegen, § 23 Abs. 5, also auch kein satzungsmäßig verankertes Kündigungsrecht festschreiben.39) Eine solche Satzungsbestimmung ist nichtig.40) Die Vorschrift hat wenig praktische Bedeutung. Diskutierte Fälle sind „kein Mann-AG“, Gemeinwohlgefährdung, Vereinsverbot sowie Entzug von Geschäftserlaubnis durch BaFin (für Banken) nach §§ 35, 38 Abs. 1 KWG oder für eine Versicherung-AG, §§ 81, 87 VAG,41) aber auch die Nichtigkeitsfälle des § 277 Abs. 1 (vgl. § 277 Rz. 1). _____________ 37) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 19. 38) Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 40; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 24, str. 39) BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, NJW 2007, 589, 590 f. = ZIP 2006, 2267 – bestätigt Kündigungsrecht in. § 723 Abs. 1 Satz 2 u. 3 Nr. 1 BGB entsprechend den allg. Rechtsgedanken in § 314 BGB nur ausnahmsweise für Vor-AG. 40) Hüffer, AktG, § 262 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 40. 41) Beispiele bei K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 23; Hölters-Hirschmann, AktG, § 262 Rz. 40; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 262 AktG Rz. 12.
§ 263 Anmeldung und Eintragung der Auflösung 1
Der Vorstand hat die Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Dies gilt nicht in den Fällen der Eröffnung und der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 und 4) sowie im Falle der gerichtlichen Feststellung eines Mangels der Satzung (§ 262 Abs. 1 Nr. 5). 3In diesen Fällen hat das Gericht die Auflösung und ihren Grund von Amts wegen einzutragen. 4 Im Falle der Löschung der Gesellschaft (§ 262 Abs. 1 Nr. 6) entfällt die Eintragung der Auflösung. Übersicht I. Regelungszweck und Regelungsinhalt .................................................. 1 II. Vorstandsanmeldung und Eintragung ........................................ 2 I.
III. Prüfungsumfang des Registergerichts ............................................... 3 IV. Eintragung von Amts wegen ........... 4 V. Entbehrlichkeit der Eintragung ...... 5
Regelungszweck und Regelungsinhalt
1 § 263 stellt die Publizität der eingetretenen Auflösung, also Zweckänderung von werbender zur Abwicklungsgesellschaft, durch deklaratorische1) Eintragung in das Handelsregister sicher.2) Unverzüglich anmeldepflichtig ist bei gesellschaftsautonomen Auflösungsgrün_____________ 1) 2)
Hüffer, AktG, § 263 Rz. 3; Hölters-Hirschmann, AktG, § 263 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 263 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 263 Rz. 1; Hölters-Hirschmann, AktG, § 263 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 263 Rz. 1; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 263 Rz. 2, der die Publizität rechtspolitisch für verbesserungswürdig hält.
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Anmeldung und Eintragung der Auflösung
§ 263
den der Vorstand, ansonsten erfolgt Eintragung von Amts wegen, sofern nicht sofortige Löschung. II.
Vorstandsanmeldung und Eintragung
Der Anmeldepflicht des Vorstands gehen vor: die Eintragung von Amts wegen (Rz. 4) 2 sowie die Löschung als Auflösungsgrund (Rz. 5). Die Anmeldepflicht besteht bei den gesellschaftsautonomen Auflösungsgründen (§ 262 Abs. 1 Nr. 1 – Zeitablauf, § 262 Abs. 1 Nr. 2 – Beschluss der Hauptversammlung) sowie § 262 Abs. 2 (Auflösung aus anderen Gründen), soweit hier nicht die Eintragung von Amts wegen vorgeht (z. B. § 398 Satz 2). Die Form der Anmeldung bestimmt § 12 HGB. Die Angabe des Auflösungsgrunds ist empfehlenswert, um die gerichtliche Prüfung (§ 26 FamFG) zu beschleunigen.3) Da die Anmeldung aus Gründen der Publizität unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB)4) zu erfolgen hat, trifft bei Führungslosigkeit die Mitglieder des Aufsichtsrats die Anmeldepflicht (Rechtsgedanke der §§ 15a Abs. 3 InsO, 78 Abs. 1 Satz 2). Nach hiesiger Auffassung zu eng ist die lediglich passive Vertretungsmacht des § 78 Abs. 1 Satz 2. Ansonsten bleibt Notbestellungsrecht, § 85 Abs. 1. Ausschließlich zuständig ist das Amtsgericht des Gesellschaftssitzes, § 377 Abs. 1 FamFG. Bei vorhandenen Zweigniederlassungen ist § 13 HGB zu beachten. Die Bekanntmachung erfolgt von Amts wegen, § 10 HGB. III.
Prüfungsumfang des Registergerichts
Gerichtliche Prüfungspflicht (Amtsermittlungspflicht, § 26 FamFG) in formeller und 3 materieller Hinsicht.5) Eintragung (nur deklaratorisch)6) und Bekanntmachung wirken – ohne größere praktische Bedeutung, da der Vertretungsumfang der Abwickler weitgehend dem des Vorstands gleichzusetzen ist, § 269 – nach § 15 HGB.7) IV.
Eintragung von Amts wegen
Die Eintragung von Amts wegen erfolgt in den Fällen des § 262 Abs. 1 Nr. 3, 4 und 5, 4 da das Registergericht entweder selbst Kenntnis vom Auflösungsgrund hat (§ 262 Abs. 1 Nr. 5) oder vom Insolvenzgericht über die Auflösungsgründe (§ 262 Abs. 1 Nr. 3, 4) informiert wird, § 31 InsO. Bei der Eintragung von Amts wegen ist auch der Auflösungsgrund einzutragen, § 263 Satz 3. V.
Entbehrlichkeit der Eintragung
Bei Löschung wegen Vermögenslosigkeit entfällt die Eintragung der Auflösung (§ 262 5 Abs. 1 Nr. 6). Die bereits eingetragene Löschung macht die Auflösungseintragung denknotwendig entbehrlich.8) Der registerlichen Hinweis- und Warnfunktion ist bereits durch die Eintragung der Löschung Genüge getan.
_____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8)
K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 263 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 263 Rz. 3; Henssler/ Strohn-Drescher, GesR, § 263 AktG Rz. 2. Allg. M.: Hüffer, AktG, § 263 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 263 Rz. 2; Spindler/ Stilz-Bachmann, AktG, § 263 Rz. 4; Grigoleit-Servatius, AktG, § 263 Rz. 8. Hölters-Hirschmann, AktG, § 263 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 263 Rz. 3; GrigoleitServatius, AktG, § 263 Rz. 10. Allg. M.: Hölters-Hirschmann, AktG, § 263 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 263 Rz. 3. Hüffer, AktG, § 263 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 263 Rz. 7. Hölters-Hirschmann, AktG, § 263 Rz. 5.
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§ 264
Notwendigkeit der Abwicklung
Zweiter Unterabschnitt Abwicklung § 264 Notwendigkeit der Abwicklung (1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet die Abwicklung statt, wenn nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. (2) 1Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, so findet eine Abwicklung nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. 2Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen. (3) Soweit sich aus diesem Unterabschnitt oder aus dem Zweck der Abwicklung nichts anderes ergibt, sind auf die Gesellschaft bis zum Schluß der Abwicklung die Vorschriften weiterhin anzuwenden, die für nicht aufgelöste Gesellschaften gelten. Literatur: Decher/Voland, Kapitalschnitte und Bezugsrechtsausschluss im Insolvenzplan – Kalte Enteignung oder Konsequenz des ESUG?, ZIP 2013, 103; Grub-Streit, Börsenzulassung und Insolvenz, BB 2004, 1397; Günther, Auswirkungen des ESUG auf das Insolvenzplanverfahren, ZInsO 2012, 2037; Heidel/Lochner, Delisting und Eigentumsgarantie, AG 2012, 169; Held/Royé, Das Delisting-Urteil des BVerfG aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive, Empirie und Fragestellungen für den Gesetzgeber, AG 2012, 660; Kiefner-Gillessen, Die Zukunft von „Macrotron“ im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG, AG 2012, 645; Madaus, Umwandlungen als Gegenstand eines Insolvenzplans nach dem ESUG, ZIP 2012, 2133; Oechsler, Der Aufsichtsrat in der Insolvenz, AG 2006, 606; Prütting/Huhn, Kollision von Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht bei der Eigenverwaltung?, ZIP 2002, 777; Schmidt, K., Aktienrecht und Insolvenzrecht – Organisationsprobleme bei der insolventen Aktiengesellschaft, AG 2006, 597; Sassenrath, Der Eingriff in Anteilseignerrechte durch den Insolvenzplan, ZIP 2003, 1517; Schmerbach, Das „große“ Insolvenzgericht – zugleich eine Anmerkung zum DiskE des BMJ für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 30.6.2010, ZInsO, 2010, 1670; Siebel, Insolvenzverwalter, Gesellschaftsorgane und die Börse, NZI 2007, 498; Wehdeking, Eigenverwaltung der insolventen Aktiengesellschaft, DZWIR 2006, 451.
Übersicht I. Normverständnis und Systematik ......................................... II. Vorrang Insolvenzverfahren (§ 264 Abs. 1) ..................................... 1. Vollabwicklung über Insolvenzverfahren ............................................ 2. Rückgriff auf §§ 264 ff. ..................... 3. Abwicklungsverfahren ....................... 4. Anhang: Nebeneinander von Insolvenz-, Aktien- und Kapitalmarktrecht ..........................................
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1 2 3 4 5
III. Vorrang der Löschung wegen Vermögenslosigkeit (§ 264 Abs. 2) ................................... 10 1. Dogmatischer Ansatz ....................... 10 2. Verteilungsfähiges Vermögen .......... 11 IV. Subsidiäre Anwendung allgemeiner Vorschriften (§ 264 Abs. 3) ................................... 12
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§ 264
Notwendigkeit der Abwicklung I.
Normverständnis und Systematik
Die aufgelöste Gesellschaft ist zwingend1) nach §§ 264 – 273 abzuwickeln. Satzungsauto- 1 nome Abweichungen (§ 23 Abs. 5), gar stille Liquidation sind mit dem (vorrangigen) Gläubiger- und Aktionärsschutz nicht zu vereinbaren.2) Vorrang haben allein die Abwicklung über ein eröffnetes Insolvenzverfahren sowie die Löschung wegen Vermögenslosigkeit, §§ 262 Abs. 1 Nr. 6, 263 Satz 4 – hier kommt (Nachtrags-)Abwicklung, § 264 Abs. 2, zum Zuge (siehe § 262 Rz. 18). Da Gesellschaft als juristische Person im Abwicklungsstadium fortbesteht,3) weist § 264 Abs. 3 auf die subsidiäre Anwendung der allgemeinen Vorschriften für werbende Gesellschaften hin, sofern Sondervorschriften zur Abwicklung oder der Abwicklungszweck dem nicht entgegenstehen. II.
Vorrang Insolvenzverfahren (§ 264 Abs. 1)
Vom Vorrang erfasst sind alle Fälle, in denen – und solange – ein rechtswirksam eröffnetes 2 Insolvenzverfahren durchgeführt wird;4) zur sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss siehe § 262 Rz. 11. Zu unterscheiden sind: 1.
Vollabwicklung über Insolvenzverfahren
Im eröffneten Insolvenzverfahren wird die Gesellschaft vollständig und abschließend ab- 3 gewickelt: –
Eröffnete Insolvenzverfahren, die nach Vollzug der Schlussverteilung, § 200 InsO, durch Beschluss des Insolvenzgerichts aufgehoben werden. Die Löschung erfolgt von Amts wegen, §§ 200 Abs. 2 Satz 2, 31 InsO, 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Für Abwicklung nach §§ 264 ff. bleibt kein Raum (Prinzip der Vollabwicklung im Insolvenzverfahren).5)
–
Wird nach Einstellung des Insolvenzverfahrens verteilungsfähiges Vermögen frei und/ oder neu ermittelt, so ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers/Massegläubigers oder von Amts wegen eine Nachtragsverteilung an, §§ 203 Abs. 1, 211 Abs. 3 Satz 1 InsO. Auch in diesem Fall hat die insolvenzrechtliche Nachtragsverteilung Vorrang vor den Abwicklungsvorschriften.6)
2.
Rückgriff auf §§ 264 ff.
Trotz Vorrang der Abwicklung über ein eröffnetes Insolvenzverfahren bleibt der Rück- 4 griff auf §§ 264 ff. möglich: –
Die Gesellschaft verfügt über insolvenzfreies Vermögen, also über unpfändbare Gegenstände, § 36 Abs. 1 InsO, oder Vermögen, welches der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegeben hat, was auch bei juristischen Personen möglich ist.7)
_____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6) 7)
Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 2a; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 2a; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 6 f.; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 264 AktG Rz. 1; zu den Folgen eines Verstoßes gegen das Gebot der Satzungsstrenge: Hüffer, AktG, § 23 Rz. 43. Allg. M.: K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 262 Rz. 3. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 11; K. Schmidt/ Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 11; Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 15 Rz. 20. Hüffer, AktG, § 264 Rz. 6; K. Schmidt, ZGR 1988, 633, 636. Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 6; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 28. Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 35 Rz. 69 ff.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 7. Im Fall der Freigabe fällt die Verfügungsbefugnis wieder den Gesellschaftsorganen zu, Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 264 AktG Rz. 8.
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§ 264
Notwendigkeit der Abwicklung
Für Grundstücke und dingliche Rechte sieht § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO dies ausdrücklich vor. Oder es verbleibt – höchst selten – nach vollständiger Gläubigerbefriedigung ein Überschuss für die Aktionäre, § 199 Satz 2 InsO, §§ 267, 271.8) –
Vorzeitig beendete Insolvenzverfahren mangels ausreichender, kostendeckender Masse, § 207 InsO, Eintritt der Masseunzulänglichkeit, § 211 Abs. 1 InsO, sowie auf Antrag des Schuldners auf Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen nachträglichem Wegfall des Eröffnungsgrundes, § 212 InsO, oder mit Zustimmung aller Insolvenzgläubiger, § 213 InsO. Bei vorzeitiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens aufgrund Schuldnerantrags, §§ 212, 213 InsO, wird in der Regel die Reaktivierung durch Fortsetzungsbeschluss, § 274 Abs. 2 Nr. 1, einhergehen. Ist dies nicht der Fall, wird – verteilungsfähiges Gesellschaftsvermögen unterstellt – ein Abwicklungsverfahren folgen.
–
Trotz verteilungsfähigem Vermögen ordnet das Insolvenzgericht keine Nachtragsverteilung an, §§ 203 Abs. 3, 211 Abs. 3 Satz 2 InsO. Da dies nur bei Geringfügigkeit des nachträglich zu verteilenden Vermögens, insbesondere bei die zu erwartende Verteilungsquote übersteigenden Verteilungskosten der Fall sein dürfte,9) wird im Ergebnis auch eine Abwicklung nach § 264 Abs. 2 entfallen, da kein verteilungsfähiges Vermögen mehr besteht.10)
3.
Abwicklungsverfahren
5 Hat die Gesellschaft nach durchlaufenem Insolvenzverfahren noch verteilungsfähiges Vermögen, kann sie nicht gelöscht werden, § 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG.11) In diesem Fall hat die AG zwingend das allgemeine Abwicklungsverfahren, § 264 Abs. 1, zu durchlaufen.12) 6 Ist die Gesellschaft im Handelsregister bereits gelöscht (§ 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG) herrscht Streit über das weitere Vorgehen: Nach der „Lehre vom Doppeltatbestand“ ist Vollbeendigung der Gesellschaft noch nicht eingetreten. Die Nachtragsabwicklung richtet sich nach § 264 Abs. 2.13) Misst man der Löschung – nach auch hier vertretener Auffassung (siehe § 262 Rz. 17 f.) – konstitutive Wirkung zu,14) so hat die Nachtragsverteilung konsequenterweise nach § 273 Abs. 4 zu erfolgen. 4.
Anhang: Nebeneinander von Insolvenz-, Aktien- und Kapitalmarktrecht
7 Die seit längerem kritisierte Zweigleisigkeit von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht15) ist durch das ESUG mit Wirkung vom 1.3.2012 teilweise aufgehoben worden. Es ist nunmehr – zumindest im Insolvenzplanverfahren – möglich, Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte an juristischen Personen in das Insolvenzplanverfahren einzubeziehen und die Rechte der Anteilsinhaber in verschiedenster Weise, etwa über Debt-Equity-Swap, Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung, Leistung von Sacheinlagen bis zum Ausschluss des Bezugsrechts oder der Zahlung von Abfindungen an ausscheidenden Gesell-
_____________ 8) 9) 10) 11) 12) 13)
Grigoleit-Servatius, AktG, § 264 Rz. 29. Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 203 Rz. 19 ff. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 13 f. Keidel-Heinemann, § 394 FamFG Rz. 7 – 9. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 13. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 13; Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 13; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 264 AktG Rz. 13; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.11.2003 – 16 U 95/98, NZG 2004, 916, 918; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2002 – 18 W 6/02, NZG 2002, 1062. 14) Hüffer, AktG, § 264 Rz. 13. 15) Sassenrath, ZIP 2003, 1517 ff.
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Notwendigkeit der Abwicklung
schafter aber auch die Fortsetzung der Gesellschaft (§ 274) einheitlich im Insolvenzplan zu regeln, § 225a ESUG.16) Bei der börsennotierten AG, § 3 Abs. 2, wirkt sich die Zweigleisigkeit bei kapitalmarkt- 8 rechtlichen Pflichten wie folgt aus: Aufgabe des Vorstands ist es, den Veröffentlichungspflichten (§§ 4, 21 Abs. 1, 25 WpHG) nachzukommen;17) die Kosten für Pflichtveröffentlichungen sowie Börsennotierung hat der Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit zu tragen, § 11 WpHG, § 43 BörsG.18) Für das Delisting (vollständiger Rückzug vom Kapitalmarkt) und das Downlistung 9 (Wechsel von dem regulären Markt in den Freiverkehr) hat das BVerfG seine bisherige Rechtsprechung19) geändert. Verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG geschützt ist die Eigentumssubstanz in ihrer „mitgliedschaftsrechtlichen und vermögenschaftsrechtlichen Ausgestaltung“, nicht aber der „wertbildende Effekt marktregulierender und unternehmensbezogener Vorschriften des Aktien- und Börsenrechts“.20) Letzteres berührt nach Auffassung des Gerichts den Schutzbereich des Art. 14 GG nicht. Die nähere Prüfung hierzu bleibt den Fachgerichten überlassen. III.
Vorrang der Löschung wegen Vermögenslosigkeit (§ 264 Abs. 2)
1.
Dogmatischer Ansatz
Erfolgt Löschung wegen Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG), so besteht dogmatischer 10 Streit über deren Folgen (§ 262 Rz. 17 f.)21) und damit über die Bedeutung des § 264 Abs. 2: Folgt man der Lehre vom Doppeltatbestand, führt § 264 Abs. 2 zu einem eigenen, gesetzlich nicht geregelten22) Abwicklungsverfahren. Für dieses Verfahren bestimmt das Registergericht auf Antrag eines Beteiligten (Gläubiger, Aktionär23), wohl auch Vorstandsmitglieder24)) die Abwickler nach pflichtgemäßem Ermessen. Da es sich bei § 264 Abs. 2 um ein eigenständiges Abwicklungsverfahren handelt, finden §§ 264 ff. nach h. M. nur eingeschränkt Anwendung.25) Danach sind – je nach Umfang des gerichtlich festzusetzenden Aufgabenbereichs – entbehrlich: Eintragung der Abwickler, § 266 Abs. 4, Gläubigerauf-
_____________ 16) Decher/Voland, ZIP 2013, 103, 104 ff.; Günther, ZInsO 2012, 2037, 2039. 17) BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 – 6 C 4.04, ZIP 2005, 1145 mit Anm. Ott; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 8 – 11a; vertiefend zu Einzelfragen der Übertragungs- und Verdrängungskompetenzen zwischen Gesellschaftsorganen und Insolvenzverwalter: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 15 – 20. 18) So bereits im Ergebnis vor der Gesetzesänderung durch das Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetz (TUG) vom 5.1.2007: BVerwG, Urt. v. 16.12.2009 – 8 C 9.09, ZIP 2010, 487 mit krit. Anm. Ott, EWiR 2010, 365. 19) BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 (DAT/Altana), ZIP 1999, 1436; BVerfG, Beschl. v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95 (Moto Meter), ZIP 2000, 1670; hierzu BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, ZIP 2003, 387 – Macrotron; hierzu: Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1406 f. 20) BVerfG, Urt. v. 11.7.2012 – 1 BvR 3142/07 und 1 BvR 1569/08, ZIP 2012, 1402 = AG 2012, 557; vertiefend Held/Royé, AG 2012, 660 – 673; Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645 – 660; Heidel/Lochner, AG 2012, 169 – 173. 21) Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 15 Rz. 44 ff. 22) Hüffer, AktG, § 264 Rz. 15; Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 17. 23) Hüffer, AktG, § 264 Rz. 14. 24) Hölters-Hirschmann, § 264 Rz. 16; Grigoleit-Servatius, AktG, § 264 Rz. 33. 25) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 15 m. w. N. in Fn. 32; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.11.2003 – 16 U 95/98, NZG 2004, 916/918; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2002 – 18 W 6/02, NZG 2002, 1062; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 13; unklar Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 28, der trotz „weitgehend gleichen Grundsätzen“ zu § 273 Abs. 4 von eigenständigem Abwicklungsverfahren ausgehen.
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§ 265
Abwickler
ruf, § 267, Bilanzierung, Verteilung, Sperrjahr, §§ 269 – 2 72.26) Hält man die Löschung im Handelsregister für konstitutiv,27) bleibt nur Nachtragsabwicklung nach § 273 Abs. 4.28) 2.
Verteilungsfähiges Vermögen
11 Die Durchführung der Nachtragsabwicklung setzt verteilungsfähiges Vermögen voraus. Hierbei wird es sich im Wesentlichen um durchsetzbare Ansprüche gegen Aktionäre (z. B. ausstehende Einlagenleistung, § 54), Haftung nach § 62 oder Organhaftungsansprüche, handeln.29) Die h. M. geht weiter davon aus, dass allein die Abgabe/Entgegennahme von Erklärungen oder sonstiger, nicht vermögenswerter Abwicklungsmaßnahmen ausreichend ist, die Nachtragsabwicklung anzuordnen.30) IV.
Subsidiäre Anwendung allgemeiner Vorschriften (§ 264 Abs. 3)
12 Da AG auch nach Auflösung als juristische Person fortbesteht (siehe § 262 Rz. 5; § 264 Rz. 1), gelten die allgemeinen Vorschriften fort, soweit §§ 264 – 274 oder der Abwicklungszweck (Herbeiführung der Vollbeendigung unter Beachtung der Gläubiger- und Aktionärsinteressen) dem nicht entgegenstehen.31) _____________ 26) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 262 Rz. 16; Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 17; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 264 AktG Rz. 14. 27) Hüffer, AktG, § 264 Rz. 12. 28) Insoweit inkonsequent Hüffer, AktG, § 264 Rz. 12, der von einer „Gesamthand ehemaliger Aktionäre“ als Rechtsträger des verteilungsfähigen Vermögens ausgeht. 29) Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 13. 30) Hölters-Hirschmann, AktG, § 264 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 13; krit.: K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 264 Rz. 15.; Spindler/Stilz – Bachmann, § 264 Rz. 29 „sonstiger Abwicklungsbedarf“. 31) Zu weiteren Einzelheiten: Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 18 f.; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 264 Rz. 4 – 10; Hüffer, AktG, § 264 Rz. 16; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 264 Rz. 34 – 40; Grigoleit – Servatius, AktG, § 264 Rz. 2.
§ 265 Abwickler (1) Die Abwicklung besorgen die Vorstandsmitglieder als Abwickler. (2) 1Die Satzung oder ein Beschluss der Hauptversammlung kann andere Personen als Abwickler bestellen. 2Für die Auswahl der Abwickler gilt § 76 Abs. 3 Satz 2 und 3 sinngemäß. 3Auch eine juristische Person kann Abwickler sein. (3) 1Auf Antrag des Aufsichtsrats oder einer Minderheit von Aktionären, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen, hat das Gericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Abwickler zu bestellen und abzuberufen. 2Die Aktionäre haben glaubhaft zu machen, dass sie seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien sind. 3Zur Glaubhaftmachung genügt eine eidesstattliche Versicherung vor einem Gericht oder Notar. 4Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (4) 1Die gerichtlich bestellten Abwickler haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. 2Einigen sich der gerichtlich bestellte Abwickler und die Gesellschaft nicht, so setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. 3Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechts-
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§ 265
Abwickler
beschwerde ist ausgeschlossen. 4Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung statt. (5) 1Abwickler, die nicht vom Gericht bestellt sind, kann die Hauptversammlung jederzeit abberufen. 2Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften. (6) Die Absätze 2 bis 5 gelten nicht für den Arbeitsdirektor, soweit sich seine Bestellung und Abberufung nach den Vorschriften des Montan-Mitbestimmungsgesetzes bestimmen. Übersicht I. Normaufbau und Regelungsinhalt ................................. 1 II. Vorstandsmitglieder als Abwickler (§ 265 Abs. 1) ..................................... 2 III. Gesellschaftsautonome Bestellung/Abberufung (§ 265 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1) ............. 4 I.
IV. Gerichtliche Bestellung/ Abberufung (§ 265 Abs. 3, Abs. 4) ......................... 8 V. Amt und Anstellungsvertrag (§ 265 Abs. 5 Satz 2) ........................ 12 VI. Arbeitsdirektor ................................ 15
Normaufbau und Regelungsinhalt
§ 265 stellt – auch für die Vor-AG1) – die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft bei Über- 1 leitung in das Abwicklungsstadium durch personelle Kontinuität sicher: Die Vorstandsmitglieder bleiben als (geborene) Abwickler im Amt, § 265 Abs. 1. Abweichende, gesellschaftsautonome Entscheidungen durch Satzungsregel oder Beschluss der Hauptversammlung, § 265 Abs. 2 – letzteres auch für Abberufung, § 265 Abs. 5, sind möglich (gekorene Abwickler). Das Bestellrecht des Aufsichtsrates sowie der Minderheitenschutz der Aktionäre werden zugunsten der Hauptversammlung bei wichtigem Grund darauf beschränkt,2) die gerichtliche Bestellung/Abberufung zu beantragen, § 265 Abs. 3 (gerichtlich bestellte Abwickler). Zu Recht wird auf die treuhandähnliche Stellung des Abwicklers verwiesen, der – wie der Insolvenzverwalter – vorrangig den Interessen der Gläubiger (§§ 267, 272) und der Aktionäre verpflichtet ist.3) Der letztlich – bei berufsmäßiger Beanspruchung – verfassungsrechtlich4) verbürgte Vergütungsanspruch sowie hiermit verbundene Verfahrensfragen werden geregelt, § 265 Abs. 4. Schließlich wird der Vorrang einschlägiger Regelungen für den Arbeitsdirektor nach den Bestimmungen des Montanmitbestimmungsgesetzes festgeschrieben, § 265 Abs. 6. II.
Vorstandsmitglieder als Abwickler (§ 265 Abs. 1)
Die bei Auflösung im Amt befindlichen Vorstandsmitglieder (gemeint: einzelne Personen)5) 2 fungieren nahtlos ohne weitere Rechtsmaßnahmen – ausgenommen (deklaratorische) Eintragung, § 266 Abs. 1 – als geborene Abwickler.6) Nach h. A. bleiben die Vorstandsmit_____________ 1)
2) 3) 4) 5) 6)
BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, ZIP 2006, 2267 mit zust. Anm. Krolop, EWiR 2007, 289; BGH, Urt. v. 31.3.2008 – II ZR 308/06, Rz. 6, ZIP 2008, 1025 = NJW 2008, 2441; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 2; Grigoleit-Servatius, AktG, § 265 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 1a; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 1. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 2. BVerfG, Urt. v. 1.7.1980 – 1 BvR 349/75, 1 BvR 378/76, NJW 1980, 2179; BVerfG, Beschl. v. 13.1.1999 – 1 BvR 1909/95, NJW 1999, 1621. Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 3. Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 3.
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§ 265
Abwickler
glieder als Abwickler bis zur Vollbeendigung (Löschung, § 273 Abs. 1 Satz 2), Fortsetzung der Gesellschaft, § 274, oder vorzeitiger Abberufung durch Hauptversammlung, § 265 Abs. 5, oder Gericht, § 265 Abs. 3 Satz 1, im Amt.7) Auch Amtsniederlegung ist nach allgemeinen Regeln möglich;8) richtiger dürfte sein, das Amt mit Auslaufen der jeweiligen Bestellperiode, § 264 Abs. 3 i. V. m. § 84 Abs. 1, unbeschadet der Möglichkeit zur Wiederbestellung, § 265 Abs. 2 Satz 1, enden zu lassen.9) Abwicklungsbedingte Abweichung von der gesetzlichen Mindestzahl der Vorstandsmitglieder, § 76 Abs. 2, ist konkludent, in jedem Fall aber durch entsprechende Satzungsänderung, § 76 Abs. 2 Satz 2, möglich.10) 3 Unberührt bleiben die Regelungen des Anstellungsvertrages.11) Notwendig erscheint allerdings, dienstvertraglich geregelte Rechte und Pflichten dem geänderten Gesellschaftszweck anzupassen (z. B.: Vertriebsvorstand). Zuständig hierfür ist – bei entsprechendem Beschluss der Hauptversammlung – der Aufsichtsrat.12) Strittig ist, ob im Einzelfall auch ein Recht zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses besteht.13) Richtig dürfte sein, ein Recht zur ordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zu bejahen, wenn sich der wichtige Grund aus dem geänderten Gesellschaftszweck ergibt. III.
Gesellschaftsautonome Bestellung/Abberufung (§ 265 Abs. 2, Abs. 5 Satz 1)
4 Anstelle der geborenen Abwickler (Vorstandsmitglieder) können auch andere Personen als Abwickler bestellt werden. Voraussetzungen hierfür sind: –
Eine konkrete Benennung und damit Bestimmung der zur Amtsübernahme bereiten Person; nicht ausreichend ist es, abstrakt einen Funktionsträger (z. B. Leiter des Finanzund Rechnungswesens) zu benennen oder das Bestimmungsrecht einem Dritten zu überlassen.14) Über die zu bestellende Person, ihre Bereitschaft zur Amtsannahme und Kompetenz muss Klarheit bestehen.
–
Zwingend ist, dass kein Bestellhindernis i. S. d. § 76 Abs. 3 Sätze 2, 3 besteht, § 265 Abs. 2 Satz 2. Nur wer die gesetzlichen Voraussetzungen zum Vorstandsmitglied erfüllt, kann auch Abwickler sein.15)
–
Zum Abwickler kann auch eine juristische Person (als Treuhandgesellschaft)16) bestellt werden, § 265 Abs. 2 Satz 3. In diesem Fall haben deren vertretungsberechtigten Organe in ihrer Person sicherzustellen, dass kein Bestellhindernis i. S. d. § 76 Abs. 3
_____________ 7) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 7. 8) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 4. 9) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 4 unter Hinweis auf. AG Duisburg, Beschl. v. 10.7.2008 – 62 IN 167/02, NZI 2008, 621 – Fortgeltung des § 84 Abs. 1 Satz 3 im eröffneten Insolvenzverfahren. 10) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 5; a. A.: K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 5. 11) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 3; Hölters-Hirschmann, AktG, § 265, Rz. 5; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 265 Rz. 4; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 8; OLG Brandenburg, Urt. v. 24.6.2008 – 6 U 104/07, AG 2009, 513. 12) BGH, Urt. v. 2.3.2009 – II ZA 9/08, ZIP 2009, 1058; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 4; krit.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 21 f. 13) Bejahend: K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 4; verneinend: Hüffer, AktG, § 265 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 5. 14) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 6; a. A.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 10. 15) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 6. 16) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 11.
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§ 265
Abwickler
Sätze 2, 3 vorliegt. Nach h. M. können auch Personengesellschaften mit Abwicklung betraut werden.17) Die Bestellung erfolgt durch Satzung oder Beschluss der Hauptversammlung. Die Satzung 5 kann – mit aufschiebender Wirkung18) – festlegen, wer in Person die Abwicklung zu besorgen hat. Einfacher und sicherer (siehe Rz. 6) ist der Weg über die Bestellung durch Beschluss der Hauptversammlung19) mit einfacher Stimmenmehrheit, § 133 Abs. 1. Die Satzung kann diesen Weg nicht versperren, selbst wenn sie ihrerseits den Abwickler bestellt hat (Grundsatz der Satzungsstrenge, § 23 Abs. 5).20) Im Falle gesellschaftsautonomer Bestellung hat letztlich die Hauptversammlung das 6 Personalbestimmungsrecht. Sie kann jederzeit geborene, satzungsmäßig bestimmte und auch von ihr selbst mit Beschluss eingesetzte Abwickler abberufen und neue Abwickler bestellen.21) Daneben bleibt Notbestellungsrecht, §§ 264 Abs. 3, 85.22) Die Vergütung der gesellschaftsautonom bestellten Abwickler ist im Anstellungsvertrag zu 7 regeln. Hierbei wird die Abwicklungsgesellschaft durch die Hauptversammlung mit dem Recht, Untervertreter zu bestellen, vertreten.23) Die Vergütung ist unter Beachtung der § 87 i. V. m. § 264 Abs. 3 leistungsgerecht zu vereinbaren. Ist die Höhe der Vergütung nicht festgelegt, so bieten – mutatis mutandis – die Vorstandsbezüge zeitnah ausgeschiedener Vorstandsmitglieder oder die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung Anhaltspunkte.24) IV.
Gerichtliche Bestellung/Abberufung (§ 265 Abs. 3, Abs. 4)
Das gerichtliche Bestellungsrecht verdrängt die gesellschaftsautonome Bestellung aus 8 wichtigem Grund zur Sicherung der Minderheitenrechte:25) – Antragsberechtigt ist der Aufsichtsrat. Als Aufsichtsorgan hat er seine Entscheidung auf dem gesetzlich vorgesehen Beschlusswege zu fassen und zu dokumentieren (§ 264 Abs. 3 i. V. m. § 108 Abs. 1, 4, § 107 Abs. 2).26) Antragsrecht hat auch eine qualifizierte Minderheit von Aktionären. Erforderlich hierfür sind entweder 5 % des Grundkapitals (Stückaktien) oder ein Anteilsbetrag von insgesamt 500.000 € (Nennbetragsaktien). Auf das jeweilige Stimmrecht kommt es nicht an.27) Die dreimonatige Haltefrist errechnet sich rückwirkend ab Antragseinreichung und muss durch eidesstattliche Versicherung vor Gericht oder vor einem Notar glaubhaft gemacht sein. Ansonsten ist der Antrag unzulässig.28) _____________ 17) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 8; Spindler/ Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 6; Grigoleit – Servatius, AktG, § 265 Rz. 5. 18) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 6. 19) Im Ergebnis ebenso: K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 6. 20) Allg. M.; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 5; HöltersHirschmann, AktG, § 265 Rz. 10; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 9. 21) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 9 spricht von „weitgehender Gestaltungsfreiheit“; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 1; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 1. 22) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 9; GrigoleitServatius, AktG, § 265 Rz. 16. 23) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 8; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 21; a. A.: Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 265 Rz. 12. 24) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 8, 11; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 20. 25) Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 12; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 12. 26) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 7, K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 9. 27) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 9; Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 14. 28) Hüffer, AktG, § 265 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 14.
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§ 265
Abwickler
Es muss weiter ein wichtiger Grund (Gefährdung einer ordnungsgemäßen Abwicklung)29) für die gerichtliche Bestellung/Abberufung vorliegen. Dieser kann – objektiv – im vertretungslosen Zustand der in Abwicklung befindlichen Gesellschaft liegen; bei vorübergehender Vertretungslosigkeit hat die Notbestellung, § 264 Abs. 3 i. V. m. § 85 Abs. 1, Vorrang.30) Ein wichtiger Grund kann auch in der Person der oder des tätigen Abwicklers liegen. Fälle dieser Art können sein: Parteilichkeit, grobe Pflichtverletzungen, Unfähigkeit, aber auch (objektive) Überforderung wegen der komplexen Aufgabenstellung, Verfeindung untereinander.31) 9 Das Verfahren richtet sich nach FamFG (§ 375 Nr. 3 FamFG). Örtlich zuständig ist das Amtsgericht am Gesellschaftssitz, § 14. Antragsgegner ist die AG, vertreten durch die Abwickler, soweit solche noch im Amt sind.32) Das Gericht hat von Amts wegen zu ermitteln, § 26 FamFG. Seine Entscheidung ist Ermessensentscheidung. Es ist nicht an die im Antrag benannte Person gebunden. Das Ermessen ist sachgerecht auszuüben, was die Bestellung von nicht annahmebereiten und/oder ungeeigneten Personen33) ausschließt.34) Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist die Beschwerde mit Monatsfrist nach § 63 FamFG statthaft; anschließend ist noch die Rechtsbeschwerde möglich, § 70 FamFG. 10 § 265 Abs. 4 Satz 1 stellt klar, dass die gerichtlich bestellten Abwickler Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit haben. Es handelt sich hierbei letztlich um einen aus Art. 12 GG fließenden Vergütungsanspruch bei hoheitlich übertragenen Aufgaben mit berufsmäßiger Beanspruchung35) in Gestalt eines gesetzlichen Vergütungsund Auslagenanspruchs.36) 11 Es besteht Anspruch auf angemessene Vergütung, deren Höhe vorrangig zwischen bestellten Abwicklern und Gesellschaft einvernehmlich geregelt werden soll,37) sowie auf Ersatz der Auslagen (§ 670 BGB). Subsidiär setzt das Gericht Auslagen und Vergütung fest (siehe Rz. 7). Der Festsetzungsbeschluss ist Titel i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Als Rechtsmittel gegen die gerichtliche Festsetzung ist allein die Beschwerde nach § 265 Abs. 4 Satz 3 zulässig. Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, § 265 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2. Empfehlenswert ist es, dass das Gericht – von Amts wegen – die Bestellung von Abwicklern von angemessenen Vorschusszahlungen (§ 669 BGB) abhängig macht.38) –
V.
Amt und Anstellungsvertrag (§ 265 Abs. 5 Satz 2)
12 Auch für die Abwicklungsgesellschaft gilt die jeweilige Selbständigkeit von Amt und Dienstvertrag. Die Wirksamkeit der Bestellung bleibt somit ohne Auswirkung auf den separat zu schließenden Dienstvertrag und umgekehrt. _____________ 29) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 9. 30) Im Ergebnis ebenso: Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 15.; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 8. 31) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 9; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 15. 32) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 16. 33) Vgl. § 56 Abs. 1 InsO: „… eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige … Person …“ – zur Bestellung des Insolvenzverwalters. 34) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 9. 35) BVerfG, Beschl. v. 13.1.1999 – 1 BvR 1909/95, NJW 1999, 1621. 36) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 11; Spindler/ Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 23. 37) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 10; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 23. 38) Hüffer, AktG, § 265 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 4; Spindler/StilzBachmann, AktG, § 265 Rz. 24.
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§ 266
Anmeldung der Abwickler
Abberufung und Amtsniederlegung sind nach Maßgabe der gesetzlichen Regeln mög- 13 lich: Durch die Hauptversammlung bestellte Abwickler können auch von dieser wieder abberufen werden, § 265 Abs. 5 Satz 1. Sie können – wie auch bei gerichtlicher Bestellung – ihr Amt nach allgemeinen Grundsätzen ohne Angabe von Gründen, jedoch nicht zur Unzeit, niederlegen.39) Entgegen allg. M. dürfte es angemessener sein, dem gerichtlich bestellten Abwickler nur in wichtigen Fällen ein Recht zur Amtsniederlegung einzuräumen; Analogie zum gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter, § 59 Abs. 1 Satz 2 InsO.40) Trotz Trennung von Amt und Dienstvertrag erscheint im Hinblick auf die besondere 14 Situation der Abwicklung eine differenziertere Betrachtung der arbeitsrechtlichen Lage sinnvoll: –
geborene und gesellschaftsautonom bestellte Abwickler: arbeitsrechtlicher Schutz nur, soweit die/der ursprüngliche Amtsperiode/Anstellungsvertrag laufen; ansonsten ordentliches Kündigungsrecht bei Beendigung des Amtes als Abwickler
–
für gerichtlich bestellte Abwickler: angemessene Vergütung für die tatsächliche Zeit ihrer Bestellung.41)
VI.
Arbeitsdirektor
Eine Sonderstellung genießt der Arbeitsdirektor nach § 13 MontanMitBestG. Dieser wird 15 kraft Amtes Abwickler. Das gesamte Rechtsverhältnis einschließlich Widerruf seiner Bestellung, die Neubestellung, richtet sich nach §§ 12, 13 MontanMitBestG i. V. m. §§ 76 Abs. 3, 84. Die Sonderregelung gilt nicht für den Arbeitsdirektor nach dem MitbestErgG oder dem MitbestG 1976; hier verbleibt es bei den §§ 264 ff.42) _____________ 39) BGH, Urt. v. 8.2.1993 – II ZR 58/92, ZIP 1993, 430 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 13; Grigoleit-Servatius, AktG, § 265 Rz. 25. 40) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 59 Rz. 18 f. 41) Hüffer, AktG, § 265 Rz. 11; Grigoleit-Servatius, AktG, § 265 Rz. 24; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 265 Rz. 22. 42) Hölters-Hirschmann, AktG, § 265 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 265 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 265 Rz. 13; Grigoleit-Servatius, AktG, § 265 Rz. 26.
§ 266 Anmeldung der Abwickler (1) Die ersten Abwickler sowie ihre Vertretungsbefugnis hat der Vorstand, jeden Wechsel der Abwickler und jede Änderung ihrer Vertretungsbefugnis haben die Abwickler zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung oder Abberufung sowie über die Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (3) 1In der Anmeldung haben die Abwickler zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 265 Abs. 2 Satz 2 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. 2§ 37 Abs. 2 Satz 2 ist anzuwenden. (4) Die Bestellung oder Abberufung von Abwicklern durch das Gericht wird von Amts wegen eingetragen. (5) (aufgehoben)
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§ 266
Anmeldung der Abwickler Übersicht
I. Normzweck ....................................... 1 II. Anmeldungsinhalt (§ 266 Abs. 1) ..... 2 III. Anlagen (§ 266 Abs. 2) ..................... 3 I.
IV. Bestellungshindernisse und Auskunftspflichten (§ 266 Abs. 3) ..... 4 V. Amtseintragung (§ 266 Abs. 4) ........ 5
Normzweck
1 § 266 stellt sicher, dass sich der Rechtsverkehr über die Abwickler und ihre Vertretungsbefugnisse aus dem Handelsregister informieren kann. Die Registereintragung wirkt nur deklaratorisch, schützt aber über § 15 HGB den Rechtsverkehr.1) Für die werbende Gesellschaft findet sich die fast wortgleiche Regelung in § 81. II.
Anmeldungsinhalt (§ 266 Abs. 1)
2 Die Anmeldung (Form: § 12 HGB) der ersten Abwickler erfolgt durch den Vorstand, § 78; bei Führungslosigkeit siehe § 263 Rz. 2. Im Register einzutragen sind gemäß § 43 Nr. 4 lit. a, b HRV Vor- und Familiennamen, Wohnort der zum Abwickler bestellten Person unter ihrer Bezeichnung als Abwickler sowie Art und Umfang der Vertretungsbefugnis (Einzel-, Gesamt- und unechte Gesamtvertretung, §§ 264 Abs. 3, 37 Abs. 3 Nr. 2). In der Folge ist bis zum Schluss der Abwicklung, § 273 Abs. 1 Satz 1, jede Änderung in Person und Vertretungsbefugnis in gleicher Weise durch jeweils (noch) eingetragene Abwickler2) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung hat aus Gründen aktueller Publizität unverzüglich nach Eintritt des jeweiligen Ereignisses zu erfolgen. Bei Säumnis droht dem Anmeldepflichtigen Zwangsgeld, § 14 HGB. III.
Anlagen (§ 266 Abs. 2)
3 Der Anmeldung beizufügen sind – im Original oder in öffentlich beglaubigter Abschrift – die Urkunden über Bestellung/Abberufung oder Niederlegung sowie Vertretungsbefugnis, soweit sie dem Registergericht nicht bereits vorliegen. In diesem Fall reicht Bezugnahme – wie bei § 81 – aus.3) Die Annahme des Amtes ist nachzuweisen, wenn der betroffene Abwickler nicht selbst anmeldet.4) IV.
Bestellungshindernisse und Auskunftspflichten (§ 266 Abs. 3)
4 (Gesetzestechnisch umständliche) Verweisungen führen, was Art und Umfang der Bestellhindernisse betrifft, über § 265 Abs. 2 Satz 2 zu § 76 Abs. 3 Sätze 2, 3. Die gerichtliche Prüfung erfolgt anhand der erteilten Selbstauskunft nach entsprechender Belehrung, §§ 264 Abs. 3, 37 Abs. 2 Satz 2.5) Die Nichtbeachtung hat Nichtigkeit der Bestellung und mangelnde Eintragungsfähigkeit zur Folge.6) Die umfassende Auskunftspflicht über persönliche Straffreiheit ergibt sich aus § 53 Abs. 2 BZRG.7) Die Belehrung hierüber kann _____________ 1)
2)
3) 4) 5) 6) 7)
Allg. M.: Hüffer, AktG, § 266 Rz. 1; Grigoleit-Servatius, AktG, § 266 Rz. 1, 5; Hölters-Hirschmann, AktG, § 266 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter Riesenhuber, AktG, § 266 Rz. 1; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 266 Rz. 1, 13; BayOLG, Beschl. v. 21.9.1994 – 3 Z BR 177/94, ZIP 1994, 1767, 1720. Hölters-Hirschmann, AktG, § 266 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 266 Rz. 5; GrigoleitServatius, AktG, § 266 Rz. 6; etwas unklar: K. Schmidt/Lutter Riesenhuber, AktG, § 266 Rz. 2 – „gegenwärtige“ Abwickler. Hüffer, AktG, § 266 Rz. 3. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 266 Rz. 9. Grigoleit-Servatius, AktG, § 266 Rz. 15. Hölters-Hirschmann, AktG, § 266 Rz. 5; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 266 Rz. 10. Hüffer, AktG, § 37 Rz. 6a; vergleichbar hiermit ist die weite Auskunftspflicht über § 101 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 97 Abs. 1 InsO bei der insolvenzrechtlichen Abwicklung.
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§ 267
Aufruf der Gläubiger
auch der Notar oder in § 37 Abs. 2 Satz 2 gleichgestellte Personen vornehmen. Eine falsche oder in wesentlichen Punkten unvollständige Versicherung ist strafbar, § 399 Abs. 1 Nr. 6. V.
Amtseintragung (§ 266 Abs. 4)
Gerichtlich bestellte/abberufene Abwickler (§ 265 Abs. 3 Satz 1) werden von Amts 5 wegen im Handelsregister vermerkt. Einzutragen ist auch die Art der Vertretungsbefugnis, ebenso die isolierte Änderung der Vertretungsbefugnis.8) Strittig ist, ob bei der Amtseintragung die Versicherung nach § 266 Abs. 3 entfällt. Richtigerweise ist sie trotz gesetzlich fehlender Erwähnung zum Schutz des Rechtsverkehrs nicht verzichtbar.9) _____________ 8) 9)
Hüffer, AktG, § 266 Rz. 5; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 266 Rz. 8. Grigoleit-Servatius, AktG, § 266 Rz. 16.
§ 267 Aufruf der Gläubiger 1
Die Abwickler haben unter Hinweis auf die Auflösung der Gesellschaft die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, ihre Ansprüche anzumelden. 2Die Aufforderung ist in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Übersicht I. Normverständnis .............................. 1 II. Gläubigeraufruf ................................. 2 I.
III. Rechtsfolgen ...................................... 3
Normverständnis
§ 267 verpflichtet die Abwickler aus Gründen des Gläubigerschutzes zum Gläubigerauf- 1 ruf. Mit der Veröffentlichung beginnt das Sperrjahr (§ 272). II.
Gläubigeraufruf
Die Abwickler haben die Gläubiger durch einmalige1) Bekanntgabe in den Gesellschafts- 2 blättern (mindestens elektronischer Bundesanzeiger, § 25) aufzufordern, ihre Ansprüche bei der Gesellschaft anzumelden. Die Aufforderung muss klar und verständlich sein. Ein Hinweis auf die Folgen verspäteter Anmeldung ist wünschenswert.2) Der Gläubigeraufruf soll unverzüglich3) nach Eintritt der Auflösungsgründe (§ 262) erfolgen, anderenfalls verzögert sich der Lauf des Sperrjahres. Registergerichtliche Sanktionen bei verspäteter Bekanntgabe sieht das Gesetz nicht vor.4) Bei schuldhafter Verzögerung drohen den Abwicklern Schadensersatzansprüche nach allgemeinen Vorschriften.5) Strittig sind Art und Weise der Haftungsverwirklichung durch die Gläubiger, insbesondere ob § 267 Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB ist. Eine Mindermeinung bejaht dies zu Recht.6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Hüffer, AktG, § 267 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 267 Rz. 2. Beispiele bei Hüffer, AktG, § 267 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 267 Rz. 3. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 267 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 267 Rz. 2. Allg. M.: Hüffer, AktG, § 267 Rz. 1; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 267 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 267 Rz. 1. Hölters-Hirschmann, AktG, § 267 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 267 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 267 Rz. 3. Grigoleit-Servatius, AktG, § 267 Rz. 6 m. w. N.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 267 Rz. 9.
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§ 268 III.
Pflichten der Abwickler Rechtsfolgen
3 Die Frist für Sperrjahr (§ 272) wird in Gang gesetzt; auch nach Fristablauf angemeldete Ansprüche sind zu bedienen, solange das Gesellschaftsvermögen noch nicht verteilt ist (Gläubigerrisiko).
§ 268 Pflichten der Abwickler (1) 1Die Abwickler haben die laufenden Geschäfte zu beenden, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. 2Soweit es die Abwicklung erfordert, dürfen sie auch neue Geschäfte eingehen. (2) 1Im Übrigen haben die Abwickler innerhalb ihres Geschäftskreises die Rechte und Pflichten des Vorstands. 2Sie unterliegen wie dieser der Überwachung durch den Aufsichtsrat. (3) Das Wettbewerbsverbot des § 88 gilt für sie nicht. (4) 1Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, die Tatsache, dass die Gesellschaft sich in Abwicklung befindet, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Abwickler und der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. 2Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht, so müssen in jedem Fall das Grundkapital sowie, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag nicht vollständig eingezahlt ist, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. 3Der Angaben nach Satz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. 4Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Satzes 1; Satz 3 ist auf sie nicht anzuwenden. Literatur: Schwab, Die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern im Liquidationsstadium, ZIP 2006, 1478.
Übersicht I. II. 1. 2.
Normverständnis .............................. Geschäftskreis (§ 268 Abs. 1) .......... Liquidation ......................................... Gläubigerbefriedigung .......................
I.
1 2 2 4
III. Vorstandsähnliche Stellung (§ 268 Abs. 2) ..................................... 5 IV. Wettbewerbsverbot ............................ 6 V. Angabe auf Briefbogen ..................... 7
Normverständnis
1 § 268 definiert als Pflichten der Abwickler lediglich Mindestaufgaben1) des gesetzlichen Abwicklungsauftrages (Parallele für werbende Gesellschaft: § 76 Abs. 1). Nach allg. A. ist die Abwicklung als unternehmerische Aufgabe2) umfassender. Klarer ist der vergleichbare Auftrag in § 1 Satz 1 InsO, das Schuldnervermögen (bestmöglich)3) zu verwerten. Die Ab_____________ 1) 2) 3)
Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 1; Grigoleit-Servatius, AktG, § 268 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 268 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 1; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 1. Uhlenbruck-Pape, InsO, § 1 Rz. 1.
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§ 268
Pflichten der Abwickler
wickler haben bis auf das Wettbewerbsverbot, § 88, vorstandsgleiche Rechte und Pflichten. Die Kennzeichnung der Abwicklung auf allen Geschäftsbriefen entspricht § 80 für die werbende Gesellschaft. II.
Geschäftskreis (§ 268 Abs. 1)
1.
Liquidation
Der Geschäftskreis (Liquidationsaufgabe)4) wird durch den Abwicklungszweck bestimmt 2 (siehe § 262 Rz. 1): Vollständige, bestmögliche5) Verwertung des Gesellschaftsvermögens zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung und Deinvestition des Eigenkapitals in einem geordneten, strukturierten und kontrollierten Verwertungsprozess. Diese Direktive ist Leitmotiv für alle Abwicklungsaufgaben. Die Mindestlaufzeit von zwölf Monaten ab Gläubigeraufruf (§ 267) ist zwingend festgelegt. Eine Höchstlaufzeit ist gesetzlich nicht bestimmt. Es gilt „bestmöglich“ statt „schnellstmöglich“. Vom Gesetz genannte Abwicklungsaufgaben sind beispielhaft: Zum Geschäftskreis ge- 3 hören alle unternehmerisch angezeigten Maßnahmen, die im Gläubiger- wie Gesellschafterinteresse der bestmöglichen Liquidation (wirtschaftliches Ergebnis) des Gesellschaftsvermögens dienen. –
Geordnete Beendigung laufender Geschäfte bei Einhaltung bestehender Verträge; Sonderrechte, wie sie dem Insolvenzverwalter (§§ 103 ff. InsO) zustehen, haben die Abwickler nicht.6) Auch die wirtschaftlich sinnvolle Fortsetzung anhängiger oder die Aufnahme neuer Rechtsstreitigkeiten gehört dazu.7) Eine gesetzliche, abwicklungsspezifische Unterbrechung anhängiger Gerichtsverfahren, die sich auf das Liquidationsvermögen beziehen mit Eintritt in das Abwicklungsstadium – wie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 240 ZPO –, besteht nicht, wäre aber wegen der offensichtlichen Vergleichbarkeit erwägenswert.
–
Forderungseinzug meint Realisierung8) und schließt gerichtliche Geltendmachung bis zur Zwangsvollstreckung, aber auch andere Verwertungsvarianten wie etwa Forderungsverkauf9) ein.
–
Unter die Aufgabe, das übrige Vermögen zu versilbern10), fallen alle geeigneten und erforderlichen, je nach Branche unterschiedlichen Aufgaben wie Ausproduktion, Abverkauf von Lagerware; aber auch Ausgliederung und selbständige Verwertung einzelner Geschäftsfelder durch Betriebs- oder Teilbetriebsveräußerungen; auch Verkauf des Unternehmens als Ganzes,11) aber auch Übertragung auf neuen, von AG gehaltenen und nicht selbst in Auflösung befindlichen12) Rechtsträger (Asset Deal), um diesen dann im Wege des Anteilskaufs (Share Deal) bestmöglich zu verwerten. Zustimmung
_____________ 4) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 2. 5) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 268 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 1. 6) Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 2. 7) Hüffer, AktG, § 268 Rz. 4; Grigoleit-Servatius, AktG, § 268 Rz. 17. 8) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 3. 9) Hüffer, AktG, § 268 Rz. 4; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 4. 10) Verteilung in natura soll mit Zustimmung der Hauptversammlung oder entsprechender Satzungsbestimmung zulässig sein (Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 7), zu Recht krit.: K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 286 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 5 – allenfalls i. R. d. §§ 271, 273. 11) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 268 Rz. 3; Grigoleit-Servatius, AktG, § 268 Rz. 5. 12) Str.; Nachweise bei Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 3.
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§ 268
Pflichten der Abwickler
der Hauptversammlung nach § 179a ist entgegen allg. M. nicht erforderlich,13) da Veräußerungsmaßnahme bereits vom Abwicklungsauftrag gedeckt ist. –
Zur Erreichung des Liquidationszweckes können auch neue Geschäfte eingegangen werden.14) Die Grenze ist (nur dann) überschritten, wenn das neue Geschäft nicht geeignet ist, dem Liquidationszweck zu dienen. „Soweit“ ist daher nicht restriktiv, sondern final.
2.
Gläubigerbefriedigung
4 Mit der Versilberung des Gesellschaftsvermögens einher geht die Befriedigung der Gläubiger, also vollständiger Ausgleich (§ 362 BGB einschließlich Erfüllungsurrogate) sämtlicher Verbindlichkeiten. Insoweit gibt es eine partielle Identität von Liquidations- und Insolvenzweck, § 1 Satz 1 InsO. Können anlässlich der Liquidation nicht alle (fälligen, § 17 Abs. 2 InsO) Verbindlichkeiten bedient werden, liegt Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO, und/oder Überschuldung, § 19 InsO (siehe § 274 Rz. 4), vor. In diesen Fällen sind die Abwickler verpflichtet, unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen, § 15a Abs. 1 InsO. Bei der Überschuldung ist die bis zum 31.12.2013 geltende Übergangsregelung (keine Überschuldung bei positiver Fortführungsprognose) unbeachtlich, da die Fortführungsmöglichkeit durch den Abwicklungszweck verdrängt wird. Dies gilt jedenfalls, solange kein Fortsetzungsbeschluss, § 274, gefasst ist. Ein Eigenantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO, ist möglich und mit dem Abwicklungszweck vereinbar. Allerdings dürften diese Fälle selten sein, da die über § 18 InsO bezweckte, vorgezogene Insolvenzeröffnung im Wesentlichen der Sanierung des drohend insolventen Unternehmens und damit letztlich seinem Erhalt dient, § 1 Satz 1 Alt. 2 InsO.15) III.
Vorstandsähnliche Stellung (§ 268 Abs. 2)
5 Die Abwickler haben ihr Amt – wie der Vorstand – persönlich und in eigener Verantwortung wahrzunehmen.16) Es gelten die für Vorstandsmitglieder normierten Rechte und Pflichten, teleologisch durch den Abwicklungszweck modifiziert, entsprechend.17) Die Abwickler werden durch den Aufsichtsrat – dieser mit beschränkten Kompetenzen – überwacht (§§ 90, 111).18) Es besteht Inkompatibilität von beiden Ämtern (§ 105).19) Beschränkungen liegen in der Personalhoheit der Hauptversammlung (§ 265 Abs. 2, 5) sowie dem Recht der Hauptversammlung, den Jahresabschluss festzustellen (§ 270 Abs. 2 Satz 1).20) Strittig ist ein gegenüber § 119 Abs. 2 weitergehendes Weisungsrecht der Hauptversammlung,21) was nach überwiegender Auffassung zu Recht zu verneinen sein dürfte.
_____________ 13) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 268 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 11. 14) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 3; Grigoleit-Servatius, AktG, § 268 Rz. 16. 15) Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 18 Rz. 1. 16) Hüffer, AktG, § 268 Rz. 5; Grigoleit-Servatius, AktG, § 268 Rz. 19. 17) Zu Einzelheiten: Hüffer, AktG, § 268 Rz. 5; Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 10 f. 18) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 18. 19) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 6. 20) Bejahend: Wiedemann in: GroßKomm-AktG, § 268 Rz. 6; verneinend: K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 13. 21) Zum Streitstand: Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 7; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 268 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 268 Rz. 6.
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§ 269
Vertretung durch die Abwickler IV.
Wettbewerbsverbot
Die Abwickler unterliegen nicht dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot des § 88. Zulässig 6 sind vertragliche Wettbewerbsverbote.22) V.
Angabe auf Briefbogen
Die Regelung entspricht bis auf § 80 Abs. 1 Satz 2 (kein Vorsitzender)23) inhaltlich § 80 7 Abs. 1 – 3. Fehlen die Angaben, löst dies die allgemeinen Sanktionen der §§ 407 Abs. 1, 388 ff. FamFG aus.24) _____________ 22) Hüffer, AktG, § 268 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 268 Rz. 5; Grigoleit-Servatius, AktG, § 268 Rz. 22. 23) Hölters-Hirschmann, AktG, § 268 Rz. 15. 24) Hüffer, AktG, § 268 Rz. 8.
§ 269 Vertretung durch die Abwickler (1) Die Abwickler vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. (2) 1Sind mehrere Abwickler bestellt, so sind, wenn die Satzung oder die sonst zuständige Stelle nichts anderes bestimmt, sämtliche Abwickler nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. 2Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Abwickler. (3) 1Die Satzung oder die sonst zuständige Stelle kann auch bestimmen, dass einzelne Abwickler allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. 2Dasselbe kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung oder ein Beschluss der Hauptversammlung ihn hierzu ermächtigt hat. 3Absatz 2 Satz 2 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) 1Zur Gesamtvertretung befugte Abwickler können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. 2 Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelner Abwickler in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. (5) Die Vertretungsbefugnis der Abwickler kann nicht beschränkt werden. (6) Abwickler zeichnen für die Gesellschaft, indem sie der Firma einen die Abwicklung andeutenden Zusatz und ihre Namensunterschrift hinzufügen. Literatur: Schmidt, K., Liquidationszweck und Vertretungsmacht der Liquidatoren, AcP 174 (1974), 55; Reymann, Die Vertretungsbefugnis der Liquidatoren bei der GmbH, GmbHR 2009, 176.
Übersicht I. Regelungsgegenstand und Regelungszweck ................................ 1 II. Grundsätzliches ................................. 2 1. Keine Vertretungskontinuität ........... 2 2. Vertretungsaufbau .............................. 3
III. Keine Beschränkung der Vertretungsbefugnis (§ 269 Abs. 1, Abs. 5) ......................... 4 IV. Zeichnung (§ 269 Abs. 6) ................. 5
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§ 269 I.
Vertretung durch die Abwickler Regelungsgegenstand und Regelungszweck
1 § 269 bestimmt – wie §§ 78, 82 Abs. 1 für werbende Gesellschaft – die im Außenverhältnis nicht beschränkte und nicht beschränkbare Vertretungsmacht der Abwickler und stellt damit im Interesse des Rechtsverkehrs die Handlungsfähigkeit der AG im Abwicklungsstadium sicher.1) Bei mehreren Abwicklern ist (aktive) Gesamtvertretung und (passive) Einzelvertretung der gesetzliche Regelfall, § 269 Abs. 2. § 269 Abs. 3, 4 lassen gesellschaftsautonome und gerichtlich bestimmte Abweichungen zu. II.
Grundsätzliches
1.
Keine Vertretungskontinuität
2 § 269 kennt keine Vertretungskontinuität bei den Organen.2) Art und Umfang der Vertretungsbefugnis von als Abwicklern tätigen Vorstandsmitgliedern, § 265 Abs. 1, richten sich ausschließlich nach § 269: Gemeinschaftliche Vertretung der Abwickler als gesetzlicher Regelfall, § 269 Abs. 2 Satz 1, mit passiver Einzelvertretungsbefugnis, § 269 Abs. 2 Satz 2. Eine Ausnahme gilt nur, wenn sich die Satzungsregel ausdrücklich auf den Abwicklungsfall bezieht.3) Auch erstarkt die Gesamtvertretungsbefugnis nicht zur Einzelvertretungsmacht, wenn nur noch ein Abwickler im Amt bleibt. Die Vollmacht muss in diesem Fall neu bestimmt werden.4) Anders sieht die h. M.5) die Vertretungskontinuität in Fällen rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht, also bei Prokuristen, Handlungs- und Abschlussbevollmächtigten. Dies erscheint inkonsequent. Aus Gründen der Klarheit und Nachvollziehbarkeit – Neueintrag im Handelsregister, § 266 Abs. 1 – ist mit der Bestellung der Abwickler auch die Vertretungskompetenz unterhalb der Organebene neu festzulegen; insoweit konsequente Regelung in § 117 InsO.6) 2.
Vertretungsaufbau
3 Der gesetzliche Vertretungsaufbau stellt sich wie folgt dar: –
Gesellschaftsautonome Vertretungsregelung in Satzung oder durch „sonst zuständige Stelle“, das ist Hauptversammlung, § 265 Abs. 2 Satz 1, oder das Registergericht, § 265 Abs. 3 Satz 1.7) Möglich: Einzelvertretung, Gesamtvertretung, unechte Gesamtvertretung, auch Einzelermächtigung durch Erteilung von Spezial- oder Gattungsvollmacht, § 269 Abs. 4 (wortgleich mit § 78 Abs. 4).8) Satzung oder Hauptversammlung können die Verleihung entsprechender Vertretungskompetenz auch dem Aufsichtsrat überlassen – Folge der Personalkompetenz der Hauptversammlung, § 265 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1.9)
_____________ 1) 2) 3) 4)
5) 6) 7) 8) 9)
Allg. M.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 269 Rz. 1; Hölters-Hirschmann, AktG, § 269 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 269 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 269 Rz. 3 („Kompetenzkontinuität“); K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 269 Rz. 1; BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 255/07, ZIP 2009, 34, Rz. 11 f. – zum GmbH-Geschäftsführer. Hüffer, AktG, § 269 Rz. 3; Grigoleit-Servatius, AktG, § 269 Rz. 3 a. E.; BGH, Beschl. v. 4.5.2007 – II ZR 330/05, ZIP 2007, 1406 – zur GmbH. Hüffer, AktG, § 269 Rz. 3; Grigoleit-Servatius, AktG, § 269 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 269 Rz. 4; BGH, Urt. v. 8.2.1993 – II ZR 62/92, ZIP 1993, 706, 707; kritisch: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 8. Hüffer, AktG, § 269 Rz. 3; Hölters-Hirschmann, AktG, § 269 Rz. 7; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 7. Uhlenbruck-Sinz, InsO, § 117 Rz. 3. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 9. Hölters-Hirschmann, AktG, § 269 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 269 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 269 Rz. 4.
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Eröffnungsbilanz. Jahresabschluss und Lagebericht
§ 270
–
Die subsidiär eingreifende gesetzliche Reglung sieht (aktive) Gesamtvertretung, auch unechte (arg. § 269 Abs. 4 Satz 2) Gesamtvertretung vor, § 269 Abs. 2 Satz 1. Einzelvertretungsbefugnis jedes Abwicklers ist bei passiver Vertretung ausreichend, § 269 Abs. 2 Satz 2, auch von Prokuristen, § 269 Abs. 3 Satz 2.10) Prozessuale Entsprechung: § 170 Abs. 3 ZPO. Gesamtvertretungsberechtigte Abwickler können Spezial- und/oder Gattungsvollmacht an einzelne Abwickler – nicht Prokuristen11) – erteilten, § 269 Abs. 4 Satz 1. Diese Möglichkeit besteht auch bei unechter Gesamtvertretung, § 269 Abs. 4 Satz 2.12)
–
Bei Führungslosigkeit ist (passive) Vertretungsmacht des Aufsichtsrates gegeben, § 78 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3.13) Diese sollte entsprechend § 15a Abs. 3 auch aktivisch ausgestaltet sein (§ 263 Rz. 2).
III.
Keine Beschränkung der Vertretungsbefugnis (§ 269 Abs. 1, Abs. 5)
Im Außenverhältnis ist der Umfang der Vertretungsbefugnis der Abwickler nicht be- 4 schränkt, § 269 Abs. 1, und nicht beschränkbar, § 269 Abs. 5; also keine Reduzierung auf Abwicklungszweck oder durch gesellschaftsautonome oder vertraglich geregelte Vorbehaltsgeschäfte.14) Ausnahme – wie allgemein – bei evidenten Missbrauchsfällen.15) IV.
Zeichnung (§ 269 Abs. 6)
Die Zeichnungsregelung für Abwickler sieht vor, dass der Firma neben ihrer Namens- 5 unterschrift ein Hinweis auf das Abwicklungsstadium hinzugefügt wird. Gebräuchlich ist „i. L.“ (in Liquidation); aber auch andere Hinweise, etwa „in Auflösung“ entsprechen der gesetzlichen Anforderung. Fehlen oder Fehler bei der Zeichnung berühren Wirksamkeit der Vertretungshandlung nicht.16) _____________ 10) 11) 12) 13) 14)
Hölters-Hirschmann, AktG, § 269 Rz. 8. Hüffer, AktG, § 269 Rz. 6; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 10 a. E. Hölters-Hirschmann, AktG, § 269 Rz. 10. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 10; Grigoleit-Servatius, AktG, § 269 Rz. 6. Hölters-Hirschmann, AktG, § 269 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 269 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 269 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 11. 15) Hüffer, AktG, § 269 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 269 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 12. 16) H. M. Hüffer, AktG, § 269 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 269 Rz. 13; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 269 Rz. 6; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 269 Rz. 13.
§ 270 Eröffnungsbilanz. Jahresabschluss und Lagebericht (1) Die Abwickler haben für den Beginn der Abwicklung eine Bilanz (Eröffnungsbilanz) und einen die Eröffnungsbilanz erläuternden Bericht sowie für den Schluss eines jeden Jahres einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen. (2) 1Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung der Eröffnungsbilanz und des Jahresabschlusses sowie über die Entlastung der Abwickler und der Mitglieder des Aufsichtsrats. 2Auf die Eröffnungsbilanz und den erläuternden Bericht sind die Vorschriften über den Jahresabschluss entsprechend anzuwenden. 3Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind jedoch wie Umlaufvermögen zu bewerten, soweit ihre Veräußerung innerhalb eines übersehbaren Zeitraums beabsichtigt ist oder diese
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§ 270
Eröffnungsbilanz. Jahresabschluss und Lagebericht
Vermögensgegenstände nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dienen; dies gilt auch für den Jahresabschluss. (3) 1Das Gericht kann von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer befreien, wenn die Verhältnisse der Gesellschaft so überschaubar sind, dass eine Prüfung im Interesse der Gläubiger und Aktionäre nicht geboten erscheint. 2Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. Literatur: Jurowsky, Bilanzierungszweckentsprechende Liquidationsrechnungslegung für Kapitalgesellschaften, DStR 1997, 1782; Förschle/Deubert, Entsprechende Anwendung allgemeiner Vorschriften über den Jahresabschluss in der Liquidationseröffnungsbilanz, DStR 1996, 1743; Förschle/Kropp/Deubert, „Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft“ kein Pflichtbestandteil der Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften in Liquidation, DB 1994, 998; Förschle/Kropp/ Deubert, Notwendigkeit der Schlussbilanz einer werbenden Gesellschaft und Zulässigkeit der Gewinnverwendung bei Abwicklung/Liquidation einer Kapitalgesellschaft, DStR 1992, 1523; Heni, Umgliederung in Liquidations- und Insolvenzbilanzen, ZInsO 2008, 998; Olbrich, Der Grundsatz der Unternehmensfortführung in der Rechnungslegung der Kapitalgesellschaft bei Auflösung, DB 2005, 565; Peetz, Handelsrechtliche Rechnungslegung der aufgelösten GmbH, GmbHR 2007, 858.
Übersicht I. Normzweck und Systematik ........... II. Erstmalige und periodische Rechnungslegung ............................. 1. Eröffnungsbilanz ............................... 2. Periodische Rechnungslegung .......... I.
1 2 2 5
3. Ende der Pflicht zur Rechnungslegung .................................................. 6 III. Prüfung und Offenlegung ............... 7 IV. Feststellung und Entlastung ............ 8
Normzweck und Systematik
1 Die Norm ist zwingend1), jedoch unvollständig2) und unsystematisch aufgebaut. Ihr Regelungsgehalt erschließt sich aus der Notwendigkeit, Transparenz, Information und Nachvollziehbarkeit für Gläubiger und Gesellschafter (§ 271 Abs. 1) über den Stand der Abwicklung sowie das jeweils erreichte wirtschaftliche Ergebnis zu schaffen.3) Nicht zuletzt dient sie der Selbstkontrolle der Abwickler, ob Insolvenzantragspflichten bestehen, § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO. Aus diesem Grund muss das zur Prüfung vorzulegende Rechenwerk nahtlos den Bogen vom Eintritt in das Abwicklungsstadium, § 264 Abs. 1, bis zur Beendigung der Abwicklung, § 273 Abs. 1 Satz 1, spannen. Allgemein gilt: Das Rechenwerk ist zu Beginn der Abwicklung, in jährlicher Periode während der Abwicklung und zum Zeitpunkt der Beendigung der Abwicklung nach allgemeinen Vorschriften, §§ 264 Abs. 3, 242 ff., 264 ff., 284 ff., 316 ff. HGB, aufzustellen und zu prüfen.4) Besonderheiten ergeben sich aus dem Abwicklungszweck sowie spezialgesetzlichen Abweichungen5), § 264 Abs. 3: Eröffnungsbilanz und Jahresabschlüsse werden durch die Hauptversammlung festgestellt, § 270 Abs. 2 Satz 1; Anlagevermögen wird unter den Voraussetzungen des § 270 Abs. 2 Satz 3 wie Umlaufvermögen bewertet; das Gericht kann von der Pflichtprüfung, §§ 264 Abs. 3, 316 ff. HGB, dispensieren, § 270 Abs. 3 Satz 1. Schließlich gehen in der Konsequenz des § 264 Abs. 1 die insolvenzrechtlichen Pflichten (des Insolvenzverwal_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Hüffer, AktG, § 270 Rz. 1, Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 1. Grigoleit-Servatius, AktG, § 270 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 5; Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 1. Allg. M.: Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 4; Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 9, 10; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 3. Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 2.
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Eröffnungsbilanz. Jahresabschluss und Lagebericht
§ 270
ters), §§ 66, 151 – 155 InsO, vor6). Unberührt hiervon bleibt auch in der Insolvenz der AG die Pflicht der Abwickler, über Verwertung und Verteilung von nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendem Vermögen Rechnung zu legen. II.
Erstmalige und periodische Rechnungslegung
1.
Eröffnungsbilanz
Mit Eintritt des Auflösungsgrundes (§ 262) ist eine Eröffnungsbilanz nebst Erläute- 2 rungsbericht der Abwicklungs-AG von den Abwicklern – auch für Rumpfgeschäftsjahre7) – entsprechend den allgemeinen Vorschriften über die Errichtung des Jahresabschlusses aufzustellen, also i. d. R. innerhalb der ersten drei Monate nach Eintritt des Auflösungsgrundes, §§ 264 Abs. 3, 264 Abs. 1 Satz 3 HGB. Die Eröffnungsbilanz (Bilanzstichtag: Tag vor Eintritt des Auflösungsgrundes8)) folgt den Gliederungsvorgaben der §§ 266 ff. HGB. Voraussetzung hierfür ist aus Gründen der Bilanzidentität, § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB,9) eine Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft. Zu beachten sind abwicklungsbedingte Besonderheiten: –
Es erfolgt wegen des nunmehr dominierenden Abwicklungszwecks (Vermögensverteilung) aus Gründen des Gläubiger- und Anlegerschutzes eine Neubewertung mit (geschätzten) Realisationswerten (modifizierte Going-Concern-Methode).10) Dies entspricht § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB unter der Annahme einer kurzen Abwicklungsphase11) sowie den Wertansätzen bei der Vermögensübersicht in der Insolvenz der AG, §§ 151 Abs. 2, 153 InsO;
–
der Ausweis des Eigenkapitals nach § 272 HGB (Brutto-Methode);12)
–
das Anlagevermögen wird wie Umlaufvermögen bewertet, soweit seine Veräußerung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums beabsichtigt ist – bedingt durch den Abwicklungszweck dürfte dies der Regelfall sein – oder die zu bewertenden Vermögensgegenstände nicht mehr betriebsnotwendig sind. Es handelt sich hier nicht um Bewertungswahlrechte, sondern um gesetzlich vorgegebene Pflichtbewertungen.13)
Zur Eröffnungsbilanz gehört der Erläuterungsbericht. Seine Aufgabe ist es, die Ände- 3 rungen zur Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft und damit den Übergang zur Abwicklungsgesellschaft zu erläutern14). Insbesondere sind die Bewertungsunterschiede – im Bericht (wohl: Lagebericht, § 289 HGB) wie im Anhang, §§ 284 ff. HGB – zu erläutern.15) Für die Eröffnungsbilanz gelten – ausgerichtet am Abwicklungszweck16) – die tragenden _____________ 6) Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 3, 4; Grigoleit-Servatius, AktG, § 270 Rz. 1 a. E.; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 1. 7) H. M. Hüffer, AktG, § 270 Rz. 3; Hölters-Hirschmann, § 270 Rz. 1; Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 30 ff. 8) BayObLG, Urt. v. 14.1.1994 – 3 Z BR 307/93, DB 1994, 523 mit krit. Besprechung: Förschle/Kropp/ Deubert, DB 1994, 998, Spindler/Stilz-Euler-Binger, § 270 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 4. 9) Hüffer, AktG, § 270 Rz. 2. 10) Hüffer, AktG, § 270 Rz. 7; a. A.: Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 4; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 270 Rz. 4. 11) Grigoleit-Servatius, AktG, § 270 Rz. 6. 12) Str.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 4; Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 44 f. 13) Hüffer, AktG, § 270 Rz. 8. 14) Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 87. 15) Überwiegende M.: Hüffer, AktG, § 270 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 4; Grigoleit-Servatius, AktG, § 270 Rz. 8. 16) Hüffer, AktG, § 270 Rz. 14.
Wolfgang Ott
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§ 270
Eröffnungsbilanz. Jahresabschluss und Lagebericht
Bewertungsgrundsätze des § 252 HGB (Bilanzidentität und -kontinuität sowie Vorsichtsprinzip).17) Die Eröffnungsbilanz ist zu prüfen, §§ 264 Abs. 3, 316 ff. HGB, und offenzulegen, § 264 Abs. 3, 325 ff. HGB.18) Zu den Ausnahmen siehe Rz. 7. 4 Ein Gewinnverwendungsbeschluss entfällt, da Ausschüttungen aus Gründen des Gläubigerschutzes, § 272, unzulässig sind. Die Auszahlung einer vor Auflösung beschlossenen Dividende ist hingegen unter Beachtung allgemeiner Regeln rechtens.19) Strittig ist die Ausschüttung, wenn sich die Feststellung des Jahresabschlusses (z. B. Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft) auf den Zeitraum vor Eintritt der Auflösungsgründe bezieht, aber erst nach Eintritt der Auflösungsgründe erfolgt.20) Wegen (vorrangigem) Gläubigerschutz, § 272 Abs. 1, ist es richtig, den Gewinnauszahlungsanspruch lediglich als Rechenposten in die Verteilungsberechnung, § 271 Abs. 2, einzustellen und Auszahlungen an Aktionäre zurückzustellen, bis die Voraussetzungen des § 271 Abs. 1 vorliegen.21) 2.
Periodische Rechnungslegung
5 Die periodische Rechnungslegung bezweckt, über den zum Bilanzstichtag – in Bilanzkontinuität zur Eröffnungsbilanz – und den operativ erreichten Abwicklungsstand in der Berichtsperiode zu unterrichten.22) Sie umfasst die Abwicklungsjahresbilanz, §§ 264 ff. HGB, nebst Gewinn- und Verlustrechnung, §§ 275 ff. HGB, sowie Anhang und Lagebericht, §§ 284 ff., 289 HGB. Abschreibungen nach dem Niederstwertprinzip, bezogen auf die Eröffnungsbilanzwerte, sind handelsrechtlich vorzunehmen, § 253 Abs. 4 HGB.23) Das „Jahr“ beginnt mit dem Stichtag für die Eröffnungsbilanz. Periodische Abweichungen, insbesondere die Beibehaltung des bisherigen Geschäftsjahres, sind durch Beschluss der Hauptversammlung möglich.24) Im Lagebericht – entbehrlich bei kleinen Gesellschaften, §§ 264 Abs. 1 Satz 4, 267 Abs. 1 HGB – sind der erreichte Stand der Abwicklung sowie die noch bevorstehenden Abwicklungsaufgaben einschließlich der Lage der Gesellschaft ausgewogen und umfassend zu erläutern, § 289 HGB. Aufzunehmen ist auch, ob die maßgeblichen Abwicklungsziele (vollständige Gläubigerbefriedigung und Ausschüttung des überschießenden Verteilungserlöses an die Aktionäre) erreicht werden.25) 3.
Ende der Pflicht zur Rechnungslegung
6 Die Pflicht zur Rechnungslegung endet mit der Erstellung der Schlussrechnung, § 273 Abs. 1 Satz 1 (§ 273 Rz. 4), zu dem Tag, an welchem nach Einschätzung der Abwickler die Voraussetzungen für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens vorliegen26) (vollständige Verwertung des Gesellschaftsvermögens, Befriedigung der Gläubiger sowie Ablauf des Sperrjahres, §§ 271 Abs. 1, 272 Abs. 1). _____________ 17) Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 4; Förschle/Kropp/Deubert, DB 1994, 998, 999; zu Einzelfragen ausführlich: Spindler/Stilz-Euler-Binger, AktG, § 270 Rz. 74 – 80. 18) Grigoleit-Servatius, AktG, § 270 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 4; Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 97, 98; Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 8. 19) Grigoleit-Servatius, AktG, § 270 Rz. 2 a. E.; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 2. 20) Zum Sachstand: Hüffer, AktG, § 270 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 5. 21) Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 5; Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 26 – 29. 22) Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 5. 23) Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 5; Spindler/Stilz-Euler/Binger, AktG, § 270 Rz. 84. 24) Hüffer, AktG, § 270 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 5. 25) Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 5. 26) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 5a.
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Wolfgang Ott
§ 271
Verteilung des Vermögens III.
Prüfung und Offenlegung
In der Regel verbleibt es bei der gesetzlichen Pflichtprüfung, §§ 270 Abs. 2 Satz 2, 316 ff. 7 HGB. Von der Pflichtprüfung ausgenommen sind kraft Gesetzes Aktiengesellschaften, die zu den Bilanzstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren die Voraussetzungen des § 267 Abs. 1 HGB (kleine Kapitalgesellschaft) erfüllen.27) Bei überschaubaren Vermögensverhältnissen kann das Registergericht – wie auch für Eröffnungsbilanz und Erläuterungsbericht – auf Antrag der AG auf eine Prüfung verzichten.28) Rechtsmittel gegen die Versagung der Befreiung: Beschwerde, §§ 58 ff. FamFG (Monatsfrist).29) Trotz überschaubarer Vermögensverhältnisse wird eine Befreiung von der Prüfungspflicht dann ausscheiden, wenn Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit oder Gesetzmäßigkeit der Rechnungslegung bestehen (Gläubiger- und Aktionärsschutz).30) Die Offenlegung von Eröffnungsbilanz nebst Erläuterungsbericht und deren periodische Fortschreibung nach allgemeinen Regeln hat auch bei Befreiung von der Prüfungspflicht31) im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen, § 270 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 325 HGB. IV.
Feststellung und Entlastung
Die Hauptversammlung stellt den Jahresabschluss fest (Abweichung von § 172) und 8 beschließt über die Entlastung der Abwickler und der Mitglieder des Aufsichtsrates, § 270 Abs. 2 Satz 1. Die Entlastungswirkung entspricht der des Vorstands bei einer werbenden Gesellschaft, § 120.32) Abwicklungsbedingt findet keine Verhandlung über Gewinn und Gewinnverwendung statt, sondern allein über die Ansammlung und Anlage des bislang liquidierten und zur Verteilung verfügbaren Vermögens, § 271 Abs. 1.33) _____________ 27) Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 11. 28) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 12; zur vergleichbaren Lage im eröffneten Insolvenzverfahren: AG München, Beschl. v. 6.10.2004 – HRB 44551, ZIP 2004, 2110 m. Anm. Hettlage. 29) Hüffer, AktG, § 270 Rz. 12. 30) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 270 Rz. 12. 31) Hierzu: Grigoleit-Servatius, AktG, § 270 Rz. 12. 32) Hölters-Hirschmann, AktG, § 270 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 270 Rz. 7. 33) Hüffer, AktG, § 270 Rz. 18.
§ 271 Verteilung des Vermögens (1) Das nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten verbleibende Vermögen der Gesellschaft wird unter die Aktionäre verteilt. (2) Das Vermögen ist nach den Anteilen am Grundkapital zu verteilen, wenn nicht Aktien mit verschiedenen Rechten bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens vorhanden sind. (3) 1Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so werden die geleisteten Einlagen erstattet und ein Überschuss nach den Anteilen am Grundkapital verteilt. 2Reicht das Vermögen zur Erstattung der Einlagen nicht aus, so haben die Aktionäre den Verlust nach ihren Anteilen am Grundkapital zu tragen; die noch ausstehenden Einlagen sind, soweit nötig, einzuziehen.
Wolfgang Ott
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§ 271
Verteilung des Vermögens
Literatur: Grub/Streit, Börsenzulassung und Insolvenz, BB 2004, 1397; Kiefner/Gillessen, Die Zukunft von „Macrotron“ im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG, AG 2012, 645.
Übersicht I. Norminhalt und Systematik ........... II. Gläubiger- und Aktionärsschutz .... 1. Vorrang vollständiger Gläubigerbefriedigung ....................................... 2. Verteilung an Aktionäre .................... 3. Verteilungsvoraussetzungen und Verteilungsverfahren ......................... I.
1 2 2 3 4
III. Verteilung bei vollständig erbrachter Einlageleistung (§ 271 Abs. 2) ..................................... 6 IV. Verteilung bei unterschiedlich erbrachter Einlageleistung (§ 271 Abs. 3) ...................................... 7 V. Rechtsschutz bei fehlerhafter Verteilung .......................................... 8
Norminhalt und Systematik
1 § 271 legt fest, in welcher Reihenfolge die Abwickler1) das Liquidationsvermögen zu verteilen haben, ohne das Verteilungsverfahren selbst zu regeln.2) Das allgemeine Abwicklungsziel (siehe § 262 Rz. 1) wird verfeinert: Gläubigerschutz (§ 272) geht vor Gesellschafterinteressen.3) Die Verteilung des verbleibenden Liquidationsvermögens nach vorrangiger Gläubigerbefriedigung unterscheidet – bei Gleichbehandlung der Aktionäre, § 53a – nach der Qualität der Beteiligtenrechte sowie der Höhe der erbrachten Eigenleistung. Das Verbot der Einlagenrückgewähr, § 57, verliert mit Ablauf der Sperrfrist, § 272 Abs. 1, zwangsläufig seine Gültigkeit.4) Im eröffneten Insolvenzverfahren gilt § 199 Satz 2 InsO. II.
Gläubiger- und Aktionärsschutz
1.
Vorrang vollständiger Gläubigerbefriedigung
2 § 271 Abs. 1 stellt in Ergänzung zu § 268 Abs. 1 Satz 1 klar, dass dem Verteilungsanspruch der Aktionäre die vollständige Befriedigung bekannter Gläubigeransprüche,5) u. U. auch Hinterlegung oder Leistung von Sicherheit, vorauszugehen hat. Weitere Einzelheiten regelt § 272. 2.
Verteilung an Aktionäre
3 Der Verteilungsanspruch der Aktionäre fließt aus dem Mitgliedschaftsrecht;6) er ist in seiner Durchsetzbarkeit durch das Verbot der Einlagerückgewähr, § 57, bis zum Eintritt der Verteilungsvoraussetzungen, §§ 271, 272, gehemmt. Nach h. M.7) mutiert das Aktionärsrecht zu einem Gläubigerrecht. Es entsteht ein Zahlungsanspruch, der auch durch gleichwertige Sachleistung aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung befriedigt werden kann.8) Der – ohne Not angenommene – Wandel vom Gesellschafter- zum Gläubigerrecht erscheint zumindest im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Behandlung von _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Hüffer, AktG, § 271 Rz. 1; Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 1, 3. Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 4. Allg. M.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 271 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 2. Allg. M.; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 1; Hölters-Hirschmann, AktG, Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 1; Spindler/Stilz-Bachmann, § 271 Rz. 1; Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 2. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 272 Rz. 10. H. M.; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 2; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 8. Hüffer, AktG, § 271 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 9; Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 2.
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Wolfgang Ott
§ 271
Verteilung des Vermögens
Ansprüchen aus dem Eigenkapital nach Vollbefriedigung der Gläubiger, § 199 Satz 2 InsO, dogmatisch fraglich.9) Strittig ist, ob Recht auf Abwicklungsüberschuss ausgeschlossen werden kann; nach h. M. ist Ausschluss nur in ursprünglicher Satzung – nicht nach Mutation zum Gläubigerrecht – oder mit Zustimmung aller Aktionäre zulässig.10) Richtig dürfte sein, auch den ursprünglich satzungsmäßigen Ausschluss des Überschussanspruchs auf als gemeinnützig (§§ 51 ff. AO) anerkannte Ausschüttungen zu beschränken.11) Dies gebietet sich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen.12) Hieran hat sich auch nach der neuesten Rechtsprechung des BVerfG13) nichts geändert: Das BVerfG ordnet allein die Börsennotierung von Aktien und damit das Delisting/Downlisting nicht mehr dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zu. Davon unberührt bleibt jedoch das grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG verbriefte Mitgliedschaftsrecht.14) 3.
Verteilungsvoraussetzungen und Verteilungsverfahren
Gesetzlich geregelt sind lediglich die Einhaltung des Sperrjahres, § 272, sowie der Vorrang 4 vollständiger Gläubigerbefriedigung. Regeln für das Verteilungsverfahren ergeben sich mit der Möglichkeit satzungsmäßiger Ausgestaltung nur aus allgemeinen Grundsätzen.15) Die Abwickler haben die Verteilung nach den Grundsätzen einer ordentlichen und gewissenhaften Abwicklung (§§ 264 Abs. 2, 93) und pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen.16) Hilfreich dürfte, insbesondere bei komplexen Sachverhalten, der Rückgriff auf die entsprechenden insolvenzrechtlichen Vorschriften sein: –
Aufforderung an die Aktionäre (Gläubiger), ihre Forderungen anzumelden (entsprechend § 174 InsO),
–
die angemeldeten Forderungen in ein Verteilungsverzeichnis aufzunehmen (analog § 175 InsO),
–
die angemeldeten und/oder den Abwicklern bekannten Forderungen zu prüfen (§ 176 InsO) und
–
die berechtigten Ansprüche in einen Verteilungsplan aufzunehmen.17)
Zu beachten ist die Ausschluss- und Verjährungsproblematik: Für Inhaberaktien gilt nach 5 h. M. die 30jährige Ausschlussfrist des § 801 Abs. 1 BGB; für Namensaktien verbleibt es bei der regelmäßigen Verjährung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.18) Eine satzungsmäßige Modifizierung von Ausschluss- und Verjährungsfrist ist zulässig.19) _____________ 9) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 11 Rz. 148 – gesellschaftsrechtliche Vollabwicklung. 10) Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 8; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 271 Rz. 4, 6; Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 9. 11) Hüffer, AktG, § 271 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann; AktG, § 271 Rz. 4. 12) BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, ZIP 2003, 387, 390 – Macrotron; Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1406. 13) BVerfG, Urt. v. 11.7.2012 – I BvR 3142/07, I BvR 1569/08 – MVS/Lindner, ZIP 2012, 1412 = AG 2012, 557. 14) Kiefner-Gillessen, AG 2012, 645 – 660; einschränkend auch Hüffer, AktG, § 271 Rz. 2, der auf die Notwendigkeit aktienrechtlicher Normen (§ 23 Abs. 5) verweist. 15) Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 271 Rz. 8. 16) Hölters-Hischmann, AktG, § 271 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 3. 17) Hüffer, AktG, § 271 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 11. 18) Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 12; krit.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 271 Rz. 10; a. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 3: Einheitliche Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. 19) Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 12; Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 11.
Wolfgang Ott
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§ 271 III.
Verteilung des Vermögens Verteilung bei vollständig erbrachter Einlageleistung (§ 271 Abs. 2)
6 Als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes, § 53a, postuliert § 271 Abs. 2, das Vermögen einschließlich noch bestehender Gewinnansprüche20) nach den Anteilen am Grundkapital zu verteilen: Bei Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 2) ist das Überschussvermögen im Verhältnis des Nennbetrages zum Grundkapital zuzuteilen, § 8 Abs. 4 Alt. 1. Bei Stückaktien (§ 8 Abs. 3) erfolgt die Überschussverteilung nach der Anzahl der ausgegebenen Stückaktien, § 8 Abs. 4 Alt. 2. Eigenaktien bleiben bei der Verteilung unberücksichtigt, § 71b.21) Im Rahmen satzungsautonomer Gestaltungsmöglichkeiten (§ 23 Abs. 3 Nr. 4) können verschiedene Beteiligungsgattungen bestimmt werden, § 11. Diese sind bei der Verteilung des Abwicklungsüberschusses in satzungsmäßig vorgegebener Weise zu behandeln.22) IV.
Verteilung bei unterschiedlich erbrachter Einlageleistung (§ 271 Abs. 3)
7 § 271 Abs. 3 ergänzt die Verteilungsregel des Absatzes 2 für den Fall rückständiger Einlageleistungen: Zunächst sind erbrachte Einlagen zu erstatten. Dies aber ist nur dann möglich, wenn das Verteilungsvermögen größer ist als die Einlagenerstattungsansprüche. Diese Voraussetzung ist durch eine Abwicklungsschlussbilanz zu prüfen und zu dokumentieren. Gewährte Einlagen sind zu erstatten und anschließend das verbleibende Liquidationsvermögen nach Maßgabe des § 271 Abs. 2 zu verteilen. Sind die Einlagenrückgewähransprüche größer als das noch vorhandene Verteilungsvermögen, sind offene Einlagen insoweit einzufordern, als es für eine gleichmäßige Einlagerückgewähr notwendig ist.23) V.
Rechtsschutz bei fehlerhafter Verteilung
8 Der Zahlungsanspruch auf das Abwicklungsvermögen kann gerichtlich gegen die Gesellschaft, vertreten durch die Abwickler, eingeklagt werden. Zu Unrecht ausgezahltes Vermögen ist nach § 62 an die Gesellschaft zu erstatten.24) Bei fehlerhafter Verteilung sind die Abwickler schadenersatzpflichtig, §§ 268 Abs. 2, 93.25) Daneben wird auch ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch der benachteiligten Aktionäre gegenüber den übervorteilten Gesellschaftern diskutiert, der zu einer Nachtragsliquidation, § 273 Abs. 4, führen soll.26) Dies setzt jedoch voraus, dass der mit der Nachtragsliquidation beauftragte Abwickler berechtigt ist, die Ausgleichsansprüche geltend zu machen, §§ 264 Abs. 3, 62 Abs. 1.
_____________ 20) Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 5. 21) Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 4. 22) Zum Verteilungsverfahren: Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 6; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 271 Rz. 8 – 13. 23) Hüffer, AktG, § 271 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 8, 9; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 5a, 11; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 271 Rz. 7; Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 8. 24) BGH, Beschl. v. 23.11.2007 – BLw 4/07, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = ZIP 2008, 562 (LS) dazu EWiR 2008, 217 (Lohlein); BGH, Urt. v. 2.3.2009 – II ZR 264/07, Rz 21, ZIP 2009, 1111, 1114 – konkludente Rückzahlungsvereinbarung. 25) Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 271 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 7; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 271 Rz. 14, 15. 26) Hierzu näher: Grigoleit-Servatius, AktG, § 271 Rz. 6.
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Wolfgang Ott
§ 272
Gläubigerschutz
§ 272 Gläubigerschutz (1) Das Vermögen darf nur verteilt werden, wenn ein Jahr seit dem Tag verstrichen ist, an dem der Aufruf der Gläubiger bekanntgemacht worden ist. (2) Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag für ihn zu hinterlegen, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht. (3) Kann eine Verbindlichkeit zur Zeit nicht berichtigt werden oder ist sie streitig, so darf das Vermögen nur verteilt werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist. Literatur: Erle, Die Funktion des Sperrjahres in der Liquidation der GmbH, GmbHR 1998, 216; Schmidt, K., Das Liquidations-Sperrjahr als Liquidationssicherung vor und nach MoMiG, DB 2009, 1971.
Übersicht I. Normzweck ........................................ 1 II. Sperrjahr (§ 272 Abs. 1) .................... 2 III. Hinterlegung und Sicherheitsleistung (§ 272 Abs. 2, Abs. 3) .......... 3 I.
IV. Folgen der Nichtbeachtung und Rechtsschutz ...................................... 4
Normzweck
§ 272 unterstützt in Konsequenz der §§ 267, 268 Abs. 1, 271 Abs. 11) als zwingendes 1 Recht2) den Vorrang vollständiger Gläubigerbefriedigung durch die Verpflichtung, vor der Verteilung des Restvermögens an die Aktionäre das Sperrjahr einzuhalten. Hinterlegung (§ 272 Abs. 2) oder Sicherheitsleistung (§ 272 Abs. 3) dienen der Beschleunigung der Abwicklung.3) Die Norm ist wesentlicher Bestandteil des Gläubigerschutzes. II.
Sperrjahr (§ 272 Abs. 1)
Zwingende Verteilungsvoraussetzung ist der Ablauf des Sperrjahres. Die Frist beginnt 2 mit dem auf die Bekanntmachung des Gläubigeraufrufs (§ 267) folgenden Tages, § 187 Abs. 1 BGB. Sie endet mit Ablauf des Tages gleichen Datums oder gleicher Benennung des Folgejahres, § 188 Abs. 2 Halbs. 1 BGB. Dem Verteilungsverbot vor Ablauf des Sperrjahres unterfallen alle Ansprüche auf Rückgewähr von Einlagen oder einlagenähnliche Ansprüche der Gläubiger (kapitalersetzende Darlehen), nicht aber originär schuldrechtliche Ansprüche aus Verkehrsgeschäften.4) Vorzeitig rückzahlbar sind auch Dividendenansprüche, die vor Eintritt der Auflösung (§ 262) beschlossen wurden, sofern Grundkapital und gesetzliche Rücklagen nicht angetastet werden.5) Konsequenter dürfte es im Hinblick auf die durch das MoMiG ab 1.11.2008 geschaffene Rechtslage sein, zumindest Darlehensrück-
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Spindler/Stilz-Bachmann; AktG, § 272 Rz. 1. Allg. M.; Hüffer, AktG, § 272 Rz. 1; Hölters-Hirschmann, AktG, § 271 Rz. 1; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 2; Grigoleit-Servatius, AktG, § 272 Rz. 1. Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 272 Rz. 3; Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 272 Rz. 4; Grigoleit-Servatius, AktG, § 272 Rz. 2. Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 272 Rz. 3.
Wolfgang Ott
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§ 272
Gläubigerschutz
zahlungsansprüche der Gesellschafter, gleich ob kapitalersetzend oder nicht, nur nach Maßgabe des § 271 Abs. 1 zu verteilen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO).6) III.
Hinterlegung und Sicherheitsleistung (§ 272 Abs. 2, Abs. 3)
3 Hinterlegung und Sicherheitsleistung beschleunigen die Vermögensverteilung, da sie eine Verteilung an Aktionäre vor vollständiger Gläubigerbefriedigung ermöglichen. Sie stehen den Abwicklern zur Sicherung des Gläubigervorrangs wahlweise zur Verfügung, soweit nicht die Möglichkeit zur Hinterlegung als Erfüllungssurrogat besteht, §§ 372 ff. BGB i. V. m. HinterlO (Hinterlegung unter Verzicht auf Rücknahmerecht, § 376 Abs. 2 BGB)7). Sie ermöglichen damit den Schluss der Abwicklung, § 273, ohne Nachtragsabwicklung, § 273 Abs. 4. Sicherheitsleistung bietet sich bei temporärer Unmöglichkeit, Forderungen zu erfüllen (Befristung, Bedingung) oder strittiger Gläubigerforderung, an. Art der Sicherheitsleistung: § 232 BGB8); bei (Teil-)Auflösung der Sicherheitsleistung Nachtragsabwicklung, § 273 Abs. 4; Sicherstellung des Gläubigeranspruchs ist auch durch einvernehmliche, zweiseitige Absprache möglich.9) IV.
Folgen der Nichtbeachtung und Rechtsschutz
4 Ein Verstoß gegen die Verteilungsvorschriften führt nicht zur Nichtigkeit nach § 134 BGB; auch verbotswidrige Verteilungsgeschäfte sind wirksam.10) Sie lösen jedoch Rückgewähransprüche, §§ 264 Abs. 3, 62 Abs. 1, einschließlich Verfolgungsrecht der Gläubiger, §§ 264 Abs. 3, 62 Abs. 2,11) aus, und zwar unabhängig von der Kenntnis der Verbotswidrigkeit; auch guter Glaube oder Wegfall der Bereicherung stehen dem Rückgewähranspruch nicht entgegen.12) Die Abwickler machen sich aber nach allgemeinen Vorschriften schadenersatzpflichtig.13) Eine verbotswidrige Verteilung kann im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durch einstweilige Verfügung oder dinglichen Arrest unterbunden werden.14)
_____________ 6) Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 39 Rz. 37 f. – gleiches gilt für „wirtschaftlich entsprechende“ Forderungen wie Stundungs- und Fälligkeitsvereinbarungen; im Ergebnis auch: Hüffer, AktG, § 272 Rz. 3; a. A.: K. Schmidt, DB 2009, 1971, 1974. 7) Hüffer, AktG, § 272 Rz. 4; Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 5 nur Ermessen: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 272 Rz. 8; Grigoleit-Servatius, AktG, § 272 Rz. 4. 8) Hüffer, AktG, § 272 Rz. 5; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 272 Rz. 9; Grigoleit-Servatius, AktG, § 272 Rz. 6. 9) Hüffer, AktG, § 272 Rz. 5; Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 4. 10) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 272 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 6; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 12. 11) Grigoleit-Servatius, AktG, § 272 Rz. 15. 12) Hüffer, AktG, § 272 Rz. 7. 13) Hüffer, AktG, § 272 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 7; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 272 Rz. 13; Grigoleit-Servatius, AktG, § 272 Rz. 13. 14) Hüffer, AktG, § 272 Rz. 6; Hölters-Hirschmann, AktG, § 272 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, §§ 271, 272 Rz. 7; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 272 Rz. 11.
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§ 273
Schluss der Abwicklung
§ 273 Schluss der Abwicklung (1) 1Ist die Abwicklung beendet und die Schlussrechnung gelegt, so haben die Abwickler den Schluss der Abwicklung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Die Gesellschaft ist zu löschen. (2) Die Bücher und Schriften der Gesellschaft sind an einem vom Gericht bestimmten sicheren Ort zur Aufbewahrung auf zehn Jahre zu hinterlegen. (3) Das Gericht kann den Aktionären und den Gläubigern die Einsicht der Bücher und Schriften gestatten. (4) 1Stellt sich nachträglich heraus, dass weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind, so hat auf Antrag eines Beteiligten das Gericht die bisherigen Abwickler neu zu bestellen oder andere Abwickler zu berufen. 2§ 265 Abs. 4 gilt. (5) Gegen die Entscheidungen nach den Absätzen 2, 3 und 4 Satz 1 ist die Beschwerde zulässig. Übersicht I. Norminhalt ........................................ 1 II. Anmeldung und Löschung (§ 273 Abs. 1) ..................................... 2 III. Bücher und Schriften (§ 273 Abs. 2, Abs. 3) ......................... 7 I.
IV. Nachtragsabwicklung (§ 273 Abs. 4) ..................................... 9 V. Rechtsmittel (§ 273 Abs. 5) ............ 16
Norminhalt
§ 273 Abs. 1 bestimmt, dass die Gesellschaft nach erfolgter Abwicklung und gelegter Schluss- 1 rechnung im Handelsregister zu löschen ist (Vollbeendigung). Geregelt werden ferner die Aufbewahrungspflicht (§ 273 Abs. 2) sowie Einsichtsrechte (§ 273 Abs. 3); schließlich thematisieren § 273 Abs. 4 die Nachtragsabwicklung sowie § 273 Abs. 5 die Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen. II.
Anmeldung und Löschung (§ 273 Abs. 1)
Die Abwickler haben den Vollzug der Vermögensverteilung als Schluss der Abwicklung 2 beim zuständigen (§ 14 HGB) Registergericht anzumelden (Form: § 12 HGB). Vorzulegen sind Unterlagen, die dem Gericht die formelle und materielle Prüfung1) der Eintragungsvoraussetzungen ermöglichen. Bei Pflichtverletzung kann Zwangsgeld von bis zu 5.000 € im Einzelfall angedroht und festgesetzt werden (§§ 407 Abs. 1, 14 HGB).2) Nachzuweisende Anmeldevoraussetzungen sind die Beendigung der Abwicklung und 3 Legung der Schlussrechnung. Im Einzelnen: –
Ablauf des Sperrjahres durch Vorlage des Gläubigeraufrufs (§ 271 Abs. 1); bei Vermögenslosigkeit (§ 262 Abs. 2 Nr. 5) kann die Anmeldung auch vor Ablauf des Sperrjahres erfolgen.3)
_____________ 1) 2) 3)
Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 7; Spindler/ Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 273 Rz. 5; Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 273 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 3; krit.: K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 273 Rz. 5.
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§ 273
Schluss der Abwicklung
–
Verwertung des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 268 Abs. 1), Verbleib von wirtschaftlich nicht sinnvoll verteilbarem Restvermögen (über Verwendung entscheidet Hauptversammlung) hindert den Abschluss nicht,4)
–
Erfüllung der bekannten Verbindlichkeiten (§ 268 Abs. 1), ggf. durch schuldbefreiende Hinterlegung (§ 272 Abs. 2, siehe dort Rz. 3); nicht ausreichend ist Stellung einer Sicherheit (§ 272 Abs. 3),5)
–
Verteilung des restlichen Vermögens an die Aktionäre (§ 27 Abs. 1) sowie
–
rechtskräftige Beendigung anhängiger Rechtsstreitigkeiten.6)
4 Der Inhalt der Schlussrechnung bestimmt sich mangels spezieller Vorschriften nach § 259 BGB, d. h. Einnahmen-/Ausgabenrechnung mit Belegen.7) Die Vorlage einer Abwicklungsschlussbilanz fordert das Gesetz nicht ausdrücklich.8) Dies ist inkonsequent, da § 270 neben der Eröffnungsbilanz für die gesamte Abwicklungsphase jährlich die Erstellung und Prüfung – vorbehaltlich gerichtlicher Befreiung, § 270 Abs. 3 Satz 1 – eines Jahresabschlusses nebst Lagebericht fordert. Es ist daher zumindest empfehlenswert, eine Abwicklungsschlussbilanz in Anlehnung an § 270 Abs. 1 zu erstellen9) und diese – außer bei überschaubaren Verhältnissen, § 270 Abs. 3 – prüfen zu lassen. Ansonsten ist die Prüfung der Rechnungslegung durch die Hauptversammlung einschließlich – vorzulegendem10) – (Entlastungs-)Beschluss, §§ 120, 270 Abs. 2, nicht möglich. Dies gilt umso mehr, als nach allg. M.11) ein Anspruch auf Entlastung (Leistungsklage) mit der Folge, dass Ersatzansprüche präkludiert sind – § 120 Abs. 2 Satz 2 findet keine Anwendung –, besteht. Abgeschlossen ist die Rechnungslegung mit Billigung durch die Hauptversammlung.12) 5 Die Löschung erfolgt von Amts wegen13) im Registerverfahren. Der Löschungsvermerk ist gemäß richterlicher Verfügung („Die Abwicklung ist beendet. Die Gesellschaft ist gelöscht.“)14) einzutragen und die Eintragung bekannt zu geben, § 10 HGB. 6 Auch hier herrscht Streit über rechtliche Tragweite der Löschung (deklaratorisch oder konstitutiv oder Vollbeendigung erst mit Eintritt der Vermögenslosigkeit und Löschung im Handelsregister – Lehre vom Doppeltatbestand – siehe § 262 Rz. 17 f.). Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ist konstitutive Wirkung anzunehmen.15) Mit der Löschung entfällt die Rechtsfähigkeit der AG; es erlöschen sämtliche noch offenen Verbindlichkeiten (str.).16) Drittsicherheiten – auch akzessorische – bleiben bestehen (teleo_____________ 4) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 2. 5) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 5; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 2. 6) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 2. 7) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 3; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 6. 8) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 6. 9) Ebenso: Hüffer, AktG, § 273 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 6; GrigoleitServatius, AktG, § 273 Rz. 3. 10) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 3. 11) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 3; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 6. 12) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 3; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 4. 13) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 4; Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 7. 14) Formulierungsbeispiel bei Hüffer, AktG, § 273 Rz. 6. 15) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 7 sowie § 262 Rz. 23; a. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 8: Löschung ist lediglich „widerlegliche Vermutung“ des tatsächlichen Erlöschens. 16) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 6; a. A.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 12.
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§ 273
Schluss der Abwicklung
logische Reduktion der Akzessorietät; vgl. auch § 254 Abs. 2 InsO).17) Passivprozesse gegen bereits gelöschte AG sind mangels Parteifähigkeit (§ 50 Abs. 1 ZPO) unzulässig. Vor Eintrag der Löschung anhängige Gerichtsverfahren werden unzulässig (str.).18) Denkbar sind Schadenersatzansprüche gegen Abwickler (§§ 268 Abs. 2 Satz 1, 93), wenn die Anmeldung vor rechtskräftigem Prozessabschluss erfolgte. Bei unberechtigter Löschung bleibt die Nachtragsabwicklung, § 273 Abs. 4. III.
Bücher und Schriften (§ 273 Abs. 2, Abs. 3)
§ 273 Absatz 2 ergänzt handelsrechtliche (§ 257 HGB) und steuerrechtliche (§ 147 AO) 7 Aufbewahrungspflichten durch gerichtliche Bestimmung des Aufbewahrungsortes. Nach allg. M. besteht Vorschlagsrecht der AG,19) bei Bank oder Treuhandgesellschaft, auch bei entsprechend zertifizierten Aufbewahrungsfirmen zu hinterlegen. Zu hinterlegen sind die Bücher und Schriften i. S. d. §§ 257 HGB, 147 AO, aber auch Abwicklungsunterlagen wie Eröffnungsbilanz, Jahresabschlüsse und Lageberichte (§ 270 Abs. 1), Gläubigeraufruf (§ 272 Abs. 1) sowie Schlussrechnung nebst Belegen (§ 273 Abs. 1). Die Aufbewahrungsfrist beträgt zehn Jahre ab Hinterlegung. Die hierfür entstehenden Kosten (Rückstellung vor Verteilung nach § 272 Abs. 1 notwendig) fallen der AG zur Last.20) Einsichtsberechtigt sind aufgrund herbeizuführender, gerichtlicher Entscheidung, § 375 8 Nr. 6 FamFG, (auch frühere)21) Aktionäre und bei Löschung noch vorhandene Gläubiger. Bei Letzteren kann es sich nur um ausgefallene (auch unbekannte, die sich nach Gläubigeraufruf, § 272, nicht gemeldet haben) oder unzureichend gesicherte (§ 272 Abs. 3) Gläubiger handeln.22) Voraussetzung ist ein glaubhaft zu machendes rechtliches Interesse,23) an welches hohe Anforderungen zu stellen sind, da selbst bei werbender Gesellschaft kein Einsichtsrecht der Aktionäre in Geschäftsunterlagen besteht, § 118 Abs. 1.24) Umfang des Einsichtsrechts: hinterlegte Geschäftsunterlagen, auf welche sich das berechtigte Einsichtsinteresse bezieht. Der Umfang ist ggf. in der gerichtlichen Ermächtigung festzulegen. Der Einsichtsberechtigte – auch legitimierte Vertreter – kann sich auf eigene Kosten Abschriften, Kopien etc. fertigen25); jedoch besteht kein Anspruch auf Aushändigung der hinterlegten Unterlagen.26) Die Durchsetzung des Einsichtsrechts gegen Verwahrer erfolgt durch gerichtlich festzusetzendes Zwangsgeld, § 35 FamFG.27) Nach allg. M. besteht daneben _____________ 17) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 3; Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 9. 18) BGH, Urt. v. 5.4.1979 – II ZR 73/78, BGHZ 74, 212, 213; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 9; HöltersHirschmann, AktG, § 273 Rz. 6; a. A.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 14 sowie BAG, Urt. v. 4.6.2003 – 10 AZR 448/02, NZA 2003, 1049, 1050 – zur GmbH. 19) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 10; Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 10. 20) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 10; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 8; Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 11. 21) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 11; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 8; Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 12. 22) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 10, Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 8; OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.8.1992 – 2 W 88/92, GmbHR 1993, 509. 23) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 8; krit. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 18. 24) Im Ergebnis ebenso: Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 9; weniger streng: Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 11. 25) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 9; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 9; a. A.: Hüffer, AktG, § 273 Rz. 12. 26) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 12; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 9, K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 9. 27) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 12.
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Einsichtsrecht nach § 810 BGB.28) Dessen Durchsetzung (gegen wen?) erscheint jedoch nach Löschung (Vollbeendigung) der Gesellschaft fraglich. Dogmatisch richtiger dürfte es daher sein, § 273 Abs. 3 als lex specialis zu sehen. IV.
Nachtragsabwicklung (§ 273 Abs. 4)
9 Die Nachtragsabwicklung ist Ergänzungsverfahren,29) das auf Antrag mit gerichtlicher Neubestellung von Abwicklern angeordnet wird, wenn weitere, nicht nur vermögensbezogene30) Abwicklungsmaßnahmen vorzunehmen sind. Geht man von der konstitutiven Wirkung der Löschung aus (vgl. §§ 262 Rz. 17 f.; 273 Rz. 5), so muss als Surrogat für die nicht mehr existente Gesellschaft ein neuer Rechtsträger gefunden werden. Träger ist die Gesamtheit ehemaliger Aktionäre als im Außenverhältnis rechtsfähige Abwicklungsgesellschaft (Zweckgesellschaft).31) 10 Weitere Abwicklungsmaßnahmen sind solche, die nach Eintragung der Löschung im Handelsregister32) anstehen. Dabei kann es sich auch um – pflichtwidrig – liegengelassene Abwicklungsaufgaben33) sowie (nach Kosten) noch verteilungsfähiges Vermögen handeln; ebenso bei Notwendigkeit, Erklärungen abzugeben/entgegenzunehmen (Löschungsbewilligungen, Freigabeerklärungen im Hinterlegungsverfahren, steuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Erklärungen oder auch Zeugniserteilungen).34) Keine Abwicklungsmaßnahmen liegen bei lediglich noch bestehenden Verbindlichkeiten ohne Aktivvermögen vor.35) 11 Die Bestellung erfolgt auf Antrag eines Beteiligten. Beteiligter ist jeder, der von der Notwendigkeit weiterer Abwicklungsmaßnahmen unmittelbar betroffen ist (einzelne Aktionäre, sofern das Mitgliedschaftsrecht bei Löschung noch bestand – wie § 273 Abs. 3 –, Gläubiger, Erklärungsempfänger oder -adressaten), somit ein rechtliches Interesse hat und dies durch Glaubhaftmachung entsprechend substantiierten Sachverhalts nachweisen kann.36) Die Entscheidung des AG (Zuständigkeit: § 14) ist hinsichtlich der Person des/ der Abwickler Ermessensentscheidung,37) ansonsten tatbestandsgebunden mit der Pflicht zur Amtsermittlung, § 26 FamFG.38)
_____________ 28) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 11; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 9; beschränkt auf ehemalige Vorstandsmitglieder und Abwickler: Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 12. 29) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 13. 30) OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.12.1994 – 8 W 311/93, GmbHR 1995, 595; OLG München, Beschl. v. 7.5.2008 – 31 Wx 28/08, ZIP 2009, 490, 491 = NZG 2008, 555. 31) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 13 m. w. N. 32) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 14. 33) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 14. 34) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 14; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 10; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.7.2010 – I-3 Wx 123/10, NZG 2010, 1111 (Löschungsbewilligung); Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 16. 35) BGH, Urt. v. 5.4.1979 – II ZR 73/78, BGHZ 74, 212. 36) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 15; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 11; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.9.2004 – 20 W 458/04, LNR 2004, 36367; KG Berlin, Beschl. v. 13.2.2007 – 1 W 272/06, GmbHR 2007, 542; Grigoleit-Servatius, AktG, § 273 Rz. 17. 37) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 11; Spindler/ Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 22; BGH, Urt. v. 2.6.2003 – II ZR 102/02, NJW 2003, 2676 – zur Publikums-KG; OLG Jena, Beschl. v. 22.8.2007 – 6 W 244/07, ZIP 2007, 1709 – zur Limited. 38) Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 11.
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§ 273
Schluss der Abwicklung
Die Bestellung annahmebereiter Personen ist in jedem Fall Neubestellung.39) Für Vergü- 12 tungen und Auslagen gilt § 265 Abs. 4. Da Gesellschaft bei Löschung für vermögenslos gehalten wurde, ist dem Antragsteller i. R. d. richterlichen Ermessens eine Vorschusszahlung i. H. d. mutmaßlichen Kosten (auch für erkennbar zu führende Rechtsstreitigkeiten) der Nachtragsabwicklung aufzugeben.40) Gesetzlich nicht geregelt ist, wie Vorschusszahlung bei vermögensgenerierender Nachtragsabwicklung zu behandeln ist. Richtig dürfte sein, die Vorschusszahlung zu erstatten, sobald diese nicht mehr benötigt wird.41) Erwägenswert erscheint auch eine Analogie zu § 26 Abs. 3 InsO, wonach der Vorleistende einen Erstattungsanspruch gegen denjenigen hat, der durch pflichtwidriges Handeln die Vorschusszahlung ausgelöst hat. Die (Wieder-)Eintragung der gelöschten AG im Handelsregister ist nicht angezeigt (str.).42) 13 Die bestellten Nachtragsabwickler sind – zumindest bei umfangreicheren Aufgaben – von Amts wegen im Handelsregister einzutragen, § 266 Abs. 4. Bei überschaubaren Aufgaben genügt ein Beschluss mit Bestellungsurkunde.43) Mangels ausdrücklicher Regelung gelten die §§ 264 ff., beschränkt auf die Aufgaben der 14 Nachtragsabwicklung, sinngemäß. Nicht anzuwenden sind §§ 267, 270 und § 272.44) Es ist Aufgabe des Gerichts, Inhalt und Umfang der Nachtragsabwicklung und die hiermit verbundenen Kompetenzen der Nachtragsabwickler festzulegen.45) Trotz konstitutiver Wirkung der Löschung (str. – siehe §§ 262 Rz. 17 f.; 263 Rz. 5) ist eine 15 partielle – nämlich bezogen auf die noch anstehenden Abwicklungsmaßnahmen – Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit der gelöschten AG anzunehmen.46) Nach dieser Auffassung kann auch die Rechts- und Prozessfähigkeit in den Fällen erklärt werden, in denen es um nicht vermögenswerte Abwicklungsmaßnahmen der ansonsten vermögenslosen und gelöschten AG geht. V.
Rechtsmittel (§ 273 Abs. 5)
Bei gerichtlichen Entscheidungen über den Verwahrungsort (§ 273 Abs. 2), die Einsicht- 16 nahme (§ 273 Abs. 3) sowie die Nachtragsabwicklung (§ 273 Abs. 4) ist die Beschwerde mit der Monatsfrist des § 63 FamFG statthaft. Beschwerdeberechtigt sind: –
§ 273 Abs. 2, Abwickler sowie noch existente AG;
–
§ 273 Abs. 3, der jeweils Beschwerte, nämlich Antragsteller oder ehemaliger Abwickler;
–
§ 273 Abs. 4, Antragsteller oder gelöschte Gesellschaft, vertreten durch die ehemaligen Abwickler.47)
_____________ 39) Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 16; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 273 Rz. 11; OLG München, Urt. v. 23.1.2002 – 7 U 4255/01, ZIP 2002, 1249; OLG München, Beschl. v. 7.5.2008 – 31 Wx 28/08, ZIP 2009, 490, 491 = NZG 2008, 555; GrigoleitServatius, AktG, § 273 Rz. 18. 40) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 16; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 24. 41) Dies entspricht der allg. M. zu § 26 Satz 2 InsO (Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 26 Rz. 32). 42) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 17; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 29; differenziert: K. Schmidt/ Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 13. 43) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 16; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 29. 44) Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 273 Rz. 18. 45) OLG München, Beschl. v. 7.5.2008 – 31 Wx 28/08, ZIP 2009, 490, 491 = NZG 2008, 555 – 557. 46) Im Ergebnis ebenso: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 273 Rz. 30 sowie die Rspr. (Lehre vom Doppeltatbestand): BGH, Urt. v. 29.9.1967 – V ZR 40/66, BGHZ 48, 303, 307 – zur GmbH; BGH, Urt. v. 5.4.1979 – II ZR 73/78, BGHZ 74, 212 – zum rechtsfähigen Verein; zum Streitstand: Hüffer, AktG, § 273 Rz. 19. 47) Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 17 f.; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 273 Rz. 14; BayObLG, Beschl. v. 31.5.1983 – BReg. 3 Z 13/83, WM 1984, 159.
Wolfgang Ott
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§ 274
Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft
17 Die Beschwerde der Abwickler kann sich gegen die Bestimmung des Aufbewahrungsortes (§ 273 Abs. 2) richten. Ferner ist die Beschwerde möglich, wenn dem Antrag auf Einsicht der Bücher und Schriften (§ 273 Abs. 3) nicht stattgegeben wird. Beschwert ist der nicht erfolgreiche Antragsteller. Wird dem Antrag stattgegeben, ist nach diesseitiger Auffassung die Abwicklungsgesellschaft (§ 273 Rz. 9), vertreten durch die früheren Abwickler, beschwerdeberechtigt.48) _____________ 48) Hüffer, AktG, § 273 Rz. 20; Hölters-Hirschmann, AktG, § 273 Rz. 18.
§ 274 Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft (1) 1Ist eine Aktiengesellschaft durch Zeitablauf oder durch Beschluss der Hauptversammlung aufgelöst worden, so kann die Hauptversammlung, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist, die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. 2Der Beschluss bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. 3Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (2) Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft 1. durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst, das Verfahren aber auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben worden ist; 2. durch die gerichtliche Feststellung eines Mangels der Satzung nach § 262 Abs. 1 Nr. 5 aufgelöst worden ist, eine den Mangel behebende Satzungsänderung aber spätestens zugleich mit der Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen wird. (3) 1Die Abwickler haben die Fortsetzung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Sie haben bei der Anmeldung nachzuweisen, dass noch nicht mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft unter die Aktionäre begonnen worden ist. (4) 1Der Fortsetzungsbeschluss wird erst wirksam, wenn er in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. 2Im Falle des Absatzes 2 Nr. 2 hat der Fortsetzungsbeschluss keine Wirkung, solange er und der Beschluss über die Satzungsänderung nicht in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden sind; die beiden Beschlüsse sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden. Literatur: Bitter/Hommerich/Reiß, Die Zukunft des Überschuldungsbegriffs – Expertenbefragung im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz, ZIP 2012, 1201; Decher/Voland, Kapitalschnitte und Bezugsrechtsausschluss im Insolvenzplan – Kalte Enteignung oder Konsequenz des ESUG?, ZIP 2013, 103; Gehrlein, Möglichkeiten und Grenzen der Fortsetzung einer aufgelösten GmbH, DStR 1997, 31; Horstkotte/Martini, Die Einbeziehung der Anteilseigner in den Insolvenzplan nach ESUG – Muster-Arbeitshilfen für Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ZInsO 2012, 557.
Übersicht I. Normzweck ....................................... 1 II. Gesellschaftsrechtliche Fortsetzungsfälle (§ 274 Abs. 1) ...... 2 III. Gleichgestellte Fälle (§ 274 Abs. 2) ...................................... 5 1342
IV. Pflichten der Abwickler (§ 274 Abs. 3) ..................................... 8 V. Publizität/Organstruktur ............... 10
Wolfgang Ott
Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft I.
§ 274
Normzweck
§ 274 ermöglicht bei Wahrung des Gläubiger- und Aktionärsschutzes1) die Rückführung 1 der aufgelösten AG in eine werbende Gesellschaft durch erneute Änderung des Gesellschaftszwecks (keine Satzungsänderung).2) Rückführungsfähig sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Nennung alle Fallkonstellationen, die zur Auflösung der AG nach § 262 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 5 geführt haben: gesellschaftsautonome (§ 274 Abs. 1) und gleichgestellte (§ 274 Abs. 2) Fälle. Erwogen wird, die Fortsetzungsmöglichkeit auch über die ausdrücklich genannten Fälle hinaus zu eröffnen, wenn Gläubiger- und Gesellschafterinteressen nicht „übermäßig beeinträchtigt werden“.3) Einschränkend kann dem unter der Voraussetzung voller Wahrung der Gläubiger- und Aktionärsinteressen zugestimmt werden (vgl. Rz. 6, 7). II.
Gesellschaftsrechtliche Fortsetzungsfälle (§ 274 Abs. 1)
Gesellschaftsautonome Fortsetzung ist in den Fällen möglich, in denen auch die Herbei- 2 führung der Auflösung in der Entscheidungskompetenz der Gesellschaft liegt4), also bei Auflösung durch Zeitablauf (§ 262 Abs. 1 Nr. 1) oder durch Beschluss der Hauptversammlung (§ 262 Abs. 1 Nr. 2). Eine Satzungsänderung ist nur dann notwendig, wenn zugleich Gegenstand des Unternehmens, § 23 Abs. 3 Nr. 2, oder ursprünglicher Zeitablauf geändert werden.5) Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf – als actus contrarius – derselben (doppelten) 3 Mehrheit wie der Auflösungsbeschluss (§ 262 Abs. 1 Nr. 2). Satzungsmäßige Erschwernisse, nicht aber Abstimmungserleichterungen sind möglich.6) Die Fortsetzung ist nicht mehr zulässig, sobald mit Verteilung des Restvermögens an 4 die Aktionäre (§ 271 Abs. 1) begonnen wurde. Auch eine nachträgliche Erstattung (§ 62) eröffnet den Weg des § 279 nicht.7) Die vollständige Gläubigerbefriedigung hindert den Fortsetzungsbeschluss hingegen nicht.8) Der Dispens vom Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57) gilt nur, wenn die Verteilung an die Aktionäre zwingend zur Vollbeendigung der Abwicklungs-AG (Löschung) führt.9) Das Vorhandensein des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Grundkapitals ist nicht erforderlich.10) Hieran ändert auch eine rechnerische Überschuldung nichts, wenn „die Fortführung des Unternehmens … nach dem Umständen
_____________ 1) Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 274 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 1. 2) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 1; Spindler/StilzBachmann, AktG, § 274 Rz. 1; Grigoleit-Servatius, AktG, § 274 Rz. 1. 3) Grigoleit-Servatius, AktG, § 274, Rz. 2; Einzelfälle bei Hüffer, AktG, § 274 Rz. 6. 4) Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 274 Rz. 2; Fallauflistung bei K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 274 Rz. 2. 5) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 274 Rz. 2; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 1. 6) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 274 Rz. 6. 7) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 4; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 274 Rz. 4; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 274 Rz. 4; a. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 274 Rz. 3. 8) Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 2. 9) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 4; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 2; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 274 Rz. 4. 10) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 4; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 2; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 274 Rz. 4; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.12.1991 – 8 W 17/91, GmbHR 1992, 471.
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§ 274
Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft
überwiegend wahrscheinlich“ ist, § 19 Abs. 2 InsO.11) Die Eintragung der Fortsetzung im Handelsregister hat daher unter den Voraussetzungen des § 274 trotz insolvenzrechtlicher Überschuldung zu erfolgen. Insoweit besteht keine Prüfungspflicht des Registergerichts. III.
Gleichgestellte Fälle (§ 274 Abs. 2)
5 § 274 Abs. 2 erweitert die Reaktivierung der AG unter ansonsten gleichen Voraussetzungen auf Fälle, die zur Auflösung der Gesellschaft nach § 262 Abs. 1 Nr. 3 und 5 geführt haben: –
Ist die AG durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (§ 262 Abs. 1 Nr. 3), das eröffnete Insolvenzverfahren aber entweder durch Einstellung auf Antrag der insolventen AG (Schuldnerin) oder nach gerichtlich bestätigtem Insolvenzplan beendet worden, so ist ein Fortsetzungsbeschluss möglich. Die Einstellung aufgrund Schuldnerantrag erfolgt bei (nachträglichem) Wegfall der Eröffnungsgründe, § 212 InsO, nämlich Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO, drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO, und/oder Überschuldung, § 19 InsO (siehe Fn. 12). Auch die rechtskräftige Bestätigung eines Insolvenzplans, §§ 248 Abs. 1, 253 InsO, eröffnet die Fortsetzung, sofern der Insolvenzplan dies vorsieht (§ 1 InsO: zum „Erhalt des Unternehmens“)12), also insbesondere nicht die Liquidation beabsichtigt. In Insolvenzverfahren, die ab dem 1.3.2012 beantragt worden sind, Art. 103g EGInsO, kann die Fortsetzung der Gesellschaft im Insolvenzplan vorgesehen und somit beschlossen werden, § 225a Abs. 3 InsO. Aus wichtigem Grund sieht § 225a Abs. 5 InsO die Austrittsmöglichkeit für Gesellschafter gegen einen etwaigen, verzinslich bis zu drei Jahren, zu stundenden Abfindungsanspruch vor.
–
Fortsetzungsmöglichkeit besteht auch, wenn eine fehlerhafte Satzung zu registergerichtlicher Auflösung (§ 262 Abs. 1 Nr. 5) geführt hat, und der Satzungsmangel spätestens mit Fortsetzungsbeschluss behoben wird.
6 Weitere, nicht ausdrücklich erwähnte Fälle sind – über analoge Anwendung des § 274 Abs. 1 Nr. 2 – denkbar: Auflösung durch wieder aufgehobenes Verbot oder aufsichtsrechtliche Maßnahmen oder durch Heilung von Mängeln anlässlich der Nichtigerklärung der Gesellschaft nach §§ 275, 277 Abs. 1, 276.13) 7 Keine Fortsetzung ist möglich, wenn der Schutz des Rechtsverkehrs sowie die Marktbereinigung bei eingetretener Vermögenslosigkeit, § 262 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 26 InsO, § 262 Abs. 1 Nr. 6, im Vordergrund stehen: Bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 200 InsO (Aufhebung nach Schlussverteilung im Regelinsolvenzverfahren), § 207 (Einstellung mangels Masse), §§ 208 ff., 211 InsO (Einstellung nach angezeigter Masseunzulänglichkeit), wohl auch im Stadium der Nachtragsabwicklung (§ 273 Abs. 4).14)
_____________ 11) Art. 18 des Gesetztes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess v. 5.12.2012, BGBl. I, 2418, hat die durch Art. 5 des Finanzmarktstabilisierungsgesetztes zwischenzeitlich bis zum 31.12.2013 befristete Fassung des § 19 Abs. 2 InsO unbefristet verlängert. Grundlage für die Verlängerung war eine vom BMJ in Auftrag gegebene Befragung von Fachleuten, die das Zentrum für Insolvenz und Sanierung der Universität Mannheim (ZIS) gemeinsam mit dem Institut Hommerich Forschung (IHF) durchgeführt hat; zum Ergebnis der Befragung: Bitter/Hommerich/Reiß, ZIP 2012, 1201. 12) Zu den verschiedenen Arten und Zielen eines Insolvenzplans: Uhlenbruck-Lüer, InsO, § 217 Rz. 4. 13) Hüffer, AktG, § 274 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 274 Rz. 2; kritisch: Spindler/StilzBachmann, AktG, § 274 Rz. 13 f. 14) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 6; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 11 – 15; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 274 Rz. 3.
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§ 275
Klage auf Nichtigerklärung IV.
Pflichten der Abwickler (§ 274 Abs. 3)
§ 274 Abs. 3 regelt nur den Fortsetzungsfall nach Absatz 1. Der Fortsetzungsbeschluss 8 ist durch Abwickler zur Eintragung in das Handelsregister des Sitzgerichts, § 14 HGB, in der Form des § 12 HGB anzumelden. Nachzuweisen durch entsprechende Bescheinigung (am besten vom Wirtschaftsprüfer) ist aus Gründen des Gläubigerschutzes (Erhaltung des Grundkapitals),15) dass keine Vermögensverteilung an Aktionäre erfolgt ist. Im Rahmen der Amtsermittlung, § 26 FamFG, sind auch andere Nachweisformen, allerdings zur vollen Überzeugung des Gerichts, denkbar.16) Nicht geregelt sind gleichgelagerte Fälle. Aus § 274 Abs. 4 Satz 1 sowie dem Publizitäts- 9 prinzip i. V. m. dem Schutz des Rechts- und Geschäftsverkehrs folgt jedoch, dass auch hier Anmeldung der Fortsetzung zum Handelsregister analog § 273 Abs. 3 erfolgen muss. Verantwortlich für die Anmeldung sind die – auch in der Insolvenz – im Amt verbliebenen Vorstandsmitglieder.17) Ansonsten ist Neubestellung notwendig, außer ehemalige Vorstandsmitglieder waren als Abwickler tätig.18) V.
Publizität/Organstruktur
Erst die Eintragung des Fortsetzungsbeschlusses im Handelsregister (konstitutive Wir- 10 kung) löst die beabsichtigte Zweckänderung von der Abwicklungs- in die werbende Gesellschaft aus. Ist zusätzlich eine Satzungsänderung (§ 274 Abs. 2 Nr. 2) erforderlich, ist auch der entsprechende Beschluss mindestens zeitgleich zur Eintragung ins Handelsregister einzureichen.19) Es erlischt das Amt der Abwickler nach erfolgter Rechnungslegung mit Entlastung, § 120 Abs. 2.20) Die nunmehr wieder werbende Gesellschaft muss die gesetzlich/satzungsmäßig vorgesehene Organstruktur schaffen, ggf. also Vorstand und Aufsichtsrat neu bestellen, soweit nicht ursprüngliche, also vor Eintritt der Auflösung als Abwickler tätige Vorstandsmitglieder in notwendiger Anzahl vorhanden sind oder bei Fassung des Fortsetzungsbeschlusses bereits bestellt wurden.21) In diesem Fall ist die Neubestellung entbehrlich (vgl. Rz. 9). _____________ 15) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 274 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 16. 16) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 274 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 7. 17) Hüffer, AktG, § 274 Rz. 7; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 16. 18) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 274 Rz. 20; a. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 274 Rz. 12 – keine automatische Amtskontinuität. 19) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 8. 20) Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 274 Rz. 8. 21) Allg. M.; Hüffer, AktG, § 274 Rz. 9; Hölters-Hirschmann, AktG, § 274 Rz. 18; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 274 Rz. 20.
Zweiter Abschnitt Nichtigerklärung der Gesellschaft § 275 Klage auf Nichtigerklärung (1) 1Enthält die Satzung keine Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens oder sind die Bestimmungen der Satzung über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, so kann jeder Aktionär und jedes Mit-
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§ 275
Klage auf Nichtigerklärung
glied des Vorstands und des Aufsichtsrats darauf klagen, dass die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. 2Auf andere Gründe kann die Klage nicht gestützt werden. (2) Kann der Mangel nach § 276 geheilt werden, so kann die Klage erst erhoben werden, nachdem ein Klageberechtigter die Gesellschaft aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen, und sie binnen drei Monaten dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. (3) 1Die Klage muss binnen drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erhoben werden. 2Eine Löschung der Gesellschaft von Amts wegen nach § 397 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird durch den Zeitablauf nicht ausgeschlossen. (4) 1Für die Anfechtung gelten § 246 Abs. 2 bis 4, §§ 247, 248 Abs. 1 Satz 1, §§ 248a, 249 Abs. 2 sinngemäß. 2Der Vorstand hat eine beglaubigte Abschrift der Klage und das rechtskräftige Urteil zum Handelsregister einzureichen. 3Die Nichtigkeit der Gesellschaft auf Grund rechtskräftigen Urteils ist einzutragen. Übersicht I. Systematik und Normzweck ........... II. Klagevoraussetzungen (§ 275 Abs. 1 – 3) ................................ 1. Formelle Voraussetzungen ............... 2. Nichtigkeitsgründe ............................ 3. Aufforderung zur Mangelbeseitigung (§ 275 Abs. 2) ................ I.
1 4 4 5
4. Klagefrist (§ 275 Abs. 3) .................... 8 III. Weitere Formvorschriften der Anfechtung (§ 275 Abs. 4) ............... 9 IV. Rechtsfolgen (Amtslöschung) ....... 10
7
Systematik und Normzweck
1 Die „Nichtigerklärung der Gesellschaft“ (§§ 275 – 277) ist Bestandteil sich ergänzender Kontrollmechanismen,1) um die Folgen bestimmter Gründungsmängel im Interesse der Aktionäre, aber auch des Rechtsverkehrs einheitlich und – neben §§ 395, 397 FamFG – abschließend zu regeln.2) Sie beschränkt damit in den genannten Fällen die Nichtigkeitsfolgen – ex nunc – über § 277 auf die Abwicklung der nichtigen, aber im Handelsregister eingetragenen und damit rechtlich existenten Gesellschaft auf die Abwicklung nach §§ 264 ff.3) Die Klage auf Nichtigerklärung (§ 275) ist gegeben bei nicht heilbaren (§ 276) oder nicht fristgerecht (§ 275 Abs. 2) geheilten Gründungsmängeln nach Registereintragung.4) 2 Auch eine mangelbehaftete, im Handelsregister eingetragene (arg. § 41 Abs. 1 Satz 1) AG besteht rechtlich. Daher erfolgt keine Anwendung auf die Vor-AG.5) § 275 Abs. 1 gibt – neben dem Eingreifen von Amts wegen, §§ 397, 395 FamFG – die gesellschaftsautonome Möglichkeit, bei Vorliegen der abschließend aufgeführten Nichtigkeitsgründe6) die Auflösung und Abwicklung (§ 277 Abs. 1) der Gesellschaft herbeizuführen. _____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6)
Übersicht bei K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 3; Grigoleit-Severatuis, AktG, § 275 Rz. 2. Henn/Frodermann/Jannott-Leithaus/Specht-Jonen, Hdb. Aktienrecht, Rz. 16.65; K. Schmidt/LutterRiesenhuber, AktG, § 275 Rz. 2; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 275 AktG Rz. 1; Hüffer, AktG, § 275 Rz. 1 f.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 2, 12. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 275 Rz. 1. Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 4; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 275 AktG Rz. 1. Allg .M.; Hüffer, AktG, § 275 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 4; GrigoleitServatius, AktG, § 275 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 1 (numerus clausus der Nichtigkeitsgründe), Rz. 3.
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§ 275
Klage auf Nichtigerklärung
Unerheblich ist, ob die Eintragung erfolgen durfte. Auch in diesem Fall ist die Nichtigkeits- 3 klage zulässig,7) selbst dann, wenn schon mit der Auflösung der AG begonnen wurde.8) Die Anwendung bei Umwandlung ist strittig.9) II.
Klagevoraussetzungen (§ 275 Abs. 1 – 3)
1.
Formelle Voraussetzungen
Die Klage auf Nichtigerklärung ist, da AG rechtlich existent, Gestaltungsklage.10) Sie ist 4 nicht schiedsfähig.11) Klagebefugt ist, wer im Zeitpunkt der Klageerhebung bis zur letzten mündlichen Verhandlung Aktionär der Gesellschaft ist.12) Außerdem sind klageberechtigt Verwaltungsmitglieder (Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder) der Gesellschaft und deren Vertreter bzw. Ersatzaufsichtsratsmitglieder nach deren Einrücken, nicht jedoch Abwickler (kein Abwicklungsgeschäft).13) Beklagte ist die AG,14) § 275 Abs. 4 i. V. m. § 246 Abs. 2. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn mit Vermögensverteilung (§ 271) begonnen wurde.15) 2.
Nichtigkeitsgründe
Die Klage auf Nichtigerklärung kann ausschließlich, § 275 Abs. 1 Satz 2, auf die drei in 5 § 275 Abs. 1 Satz 1 genannten Satzungsmängel gestützt werden:16) –
Es fehlt eine Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 3). Heilung ist nicht möglich (Umkehrschluss aus § 276).17) Ist Satzungsbestimmung über die Höhe des Grundkapitals nichtig, so stellt dies keinen mit der Nichtigkeitsklage angreifbaren Satzungsmangel i. S. d. § 275 Abs. 1 Satz 1 dar.18) In diesem Fall kommt nur die Auflösungsverfügung nach § 399 FamFG, § 262 Abs. 1 Nr. 5 in Betracht.19)
–
Nichtigkeitsgrund ist weiter das Fehlen jeglicher Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens (§ 23 Abs. 3 Nr. 2). Unklarheit – auch: erhebliche – genügt
_____________ 7) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 6; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 2; a. A.: Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 1. 8) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 4. 9) Bejahend: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 5; Grigoleit-Severatuis, AktG, § 275 Rz. 2; a. A.: Hüffer, AktG, § 275 Rz. 7; offen: K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 4. 10) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 20. 11) Hüffer, AktG, § 275, Rz. 19. 12) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 21; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 10; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 13. 13) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 10; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 275 AktG Rz. 5; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 14; Grigoleit-Servatius, AktG, § 275 Rz. 7. 14) Näher: Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 12 ff. 15) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 40; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 1; Spindler/StilzBachmann, AktG, 275 Rz. 13 f. 16) Allg. M.; Henn/Frodermann/Jannott-Leithaus/Specht-Jonen, Hdb. Aktienrecht, Rz. 16.65 m. w. N.; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 5; Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 14 Rz. 70. 17) Allg. M.;/Frodermann/Jannott-Leithaus/Specht-Jonen, Hdb. Aktienrecht, Rz. 16.67; Schüppen/SchaubPeres, Hdb. Aktienrecht, § 14 Rz. 71; Hüffer, AktG, § 275 Rz. 9; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 275 Rz. 9. 18) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 275 Rz. 9; Grigoleit-Servatius, AktG, § 275 Rz. 6. 19) Näher hierzu Hüffer, AktG, § 275 Rz. 9; Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 17; Henssler/ Strohn-Drescher, GesR, § 275 AktG Rz. 2.
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§ 275
Klage auf Nichtigerklärung
nicht für Klage.20) Der Mangel ist heilbar (§ 276). Hierzu ist die Gesellschaft vor Klageerhebung aufzufordern (§ 275 Abs. 2). –
Schließlich sind nichtige Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens Klagegrund. Nichtigkeit besteht bei Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit i. S. d. § 241 Nr. 3 oder 4. Ein Verstoß gegen §§ 134, 138 BGB kann ein Indiz hierfür darstellen.21) Die Nichtigkeit ergibt sich insbesondere aus der Verletzung von Vorschriften, die im öffentlichen Interesse bestehen, oder unmittelbar22) aus dem Inhalt der Satzung.23) Die ausgeübte Tätigkeit spielt für die Frage der Nichtigkeit keine Rolle (str.).24) Wird die Satzungsbestimmung erst durch einen Beschluss der Hauptversammlung nichtig, so ist lediglich der Hauptversammlungsbeschluss Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, § 249 bzw. § 397 FamFG.25) Für eine Klage nach § 275 bleibt kein Raum; auch nicht, wenn der Unternehmensgegenstand allein durch die Satzung nicht ausreichend bestimmt werden kann.26)
6 Sonstige Satzungsverstöße (§ 23 Abs. 3) tragen eine Nichtigkeitsklage nicht (siehe Rz. 5). Sie haben nach Maßgabe des § 399 FamFG die Auflösung der AG (§ 262 Abs. 1 Nr. 5) zur Folge. Auch kommen Amtslöschung (§ 395 FamFG) bzw. die Feststellungsklage nach § 256 ZPO in Betracht, insbesondere bei Nichtigkeit anderer Satzungsbestandteile (§ 23 Abs. 5).27) 3.
Aufforderung zur Mangelbeseitigung (§ 275 Abs. 2)
7 Besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage auf Nichtigerklärung ist die vorherige Aufforderung durch den Klageberechtigten an die Gesellschaft28), den Mangel zu beseitigen. Die Aufforderung kann formlos erfolgen, muss aber ausreichend bestimmt sein, insbesondere den gerügten Mangel nachvollziehbar beschreiben.29) Der Mangel muss innerhalb von drei Monaten nach Aufforderung zur Mängelbeseitigung durch Satzungsänderung (§§ 179 ff.) beseitigt sein.30) Die Frist berechnet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 186 ff. BGB). Untätigkeit der Gesellschaft und damit Zulässigkeit der Klage liegt vor, wenn von der _____________ 20) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 10; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 7. 21) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 7 ff. mit Einzelfällen; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 8. 22) Allg. M.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 7; Grigoleit-Servatius, AktG, § 275 Rz. 5. 23) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 21; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 7; Schüppen/ Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 14 Rz. 74; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 8. 24) Zum Diskussionsstand: Hüffer, AktG, § 275 Rz. 12 – 14; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 8. 25) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 13. 26) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 31; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 9; Henssler/ Strohn-Drescher, GesR, § 275 AktG Rz. 3; zur Zulässigkeit von Vorratsgründungen vgl. auch BGH, Beschl. v. 16.3.1992 – II ZB 17/91, ZIP 1992, 689; BGH, Beschl. v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, ZIP 2003, 251 – wirtschaftliche Neugründung. Weitere Beispiele für Nichtigkeit bei Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 8 ff.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275, Rz. 8. 27) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 34; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 3; Grigoleit-Severatuis, AktG, § 275 Rz. 6. 28) Näher hierzu Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 42; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 11; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 15; a. A.: Grigoleit-Servatius, AktG, § 275 Rz. 8 „Frage der Begründetheit“. 29) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 15; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 17; K. Schmidt/ Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 275 Rz. 24. 30) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 43; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 17; K. Schmidt/ Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 11.
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Wolfgang Ott
§ 276
Heilung von Mängeln
Gesellschaft innerhalb der Drei-Monats-Frist keine Änderung der Satzung beschlossen und die beschlossene Änderung nicht ins Handelsregister eingetragen worden ist.31) 4.
Klagefrist (§ 275 Abs. 3)
§ 275 Abs. 3 bestimmt eine dreijährige, nicht verlängerbare materiell-rechtliche Aus- 8 schlussfrist.32) Eine Hemmung der Frist ist nicht möglich. Die Berechnung der Frist folgt nach §§ 186 ff. BGB. Durch Erhebung der Klage (§§ 167, 253 ZPO) ist die Frist gewahrt. III.
Weitere Formvorschriften der Anfechtung (§ 275 Abs. 4)
§ 275 Abs. 4 verweist auf Formvorschriften der Anfechtungsklage, die entsprechend 9 gelten. „Anfechtung“ in § 275 Abs. 4 Satz 1 meint „Klage auf Nichtigerklärung“. Von den Verweisungsnormen zu erwähnen sind insbesondere § 246 Abs. 2 Satz 2 (Prinzip der Doppelvertretung), § 246 Abs. 3 Satz 1 (ausschließliche Zuständigkeit des LG des Gesellschaftssitzes – Kammer für Handelssachen) und § 249 Abs. 2 Satz 2, wonach die Klage nach § 275 Abs. 1 mit der Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Hauptversammlung verbunden werden kann.33) IV.
Rechtsfolgen (Amtslöschung)
Das stattgebende Urteil hat Gestaltungswirkung: Die Gesellschaft wird für nichtig er- 10 klärt.34) Sie wird aufgelöst und tritt in das Abwicklungsstadium ein (§ 277 Abs. 1). Im Falle der Klageabweisung gelten keine Besonderheiten.35) Gemäß § 275 Abs. 4 Satz 2 hat der Vorstand die Pflicht – bei Missachtung droht Zwangsgeld, § 14 HGB –, das Urteil – gleich ob stattgebend oder abweisend – unverzüglich beim Handelsregister einzureichen.36) Die Nichtigerklärung wird im Handelsregister eingetragen und von Amts wegen bekannt gegeben (§ 10 HGB). _____________ 31) K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 11; Hölters-Hischmann, AktG, § 275 Rz. 17; a. M.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 17: ausreichend fristgerechte Anmeldung zur Eintragung. 32) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 12; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 275 AktG Rz. 6; Schüppen/Schaub-Peres, Hdb. Aktienrecht, § 14 Rz. 70; BGH, Urt. v. 17.5.1999 – II ZR 293/98, ZIP 1999, 1126. 33) Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 275 Rz. 55; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 11; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 20; Grigoleit-Servatius, AktG, § 275 Rz. 11. 34) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 27; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 275 Rz. 9; krit.: Spindler/StilzBachmann, AktG, § 275 Rz. 21; Grigoleit-Servatius, AktG, § 275 Rz. 12. 35) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 28. 36) Hüffer, AktG, § 275 Rz. 29; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 275 Rz. 22; Hölters-Hirschmann, AktG, § 275 Rz. 23; Grigoleit-Servatius, AktG, § 275 Rz. 12.
§ 276 Heilung von Mängeln Ein Mangel, der die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, kann unter Beachtung der Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen geheilt werden. Übersicht I. Heilbare Mängel ................................ 1
II. Verfahren ........................................... 2
Wolfgang Ott
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§ 277 I.
Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit Heilbare Mängel
1 Heilbar sind nach dem eindeutigen Wortlaut nur Satzungsmängel über den Gegenstand des Unternehmens (vollständiges Fehlen, anfängliche/nachträgliche Nichtigkeit).1) Dies schließt die Heilung sonstiger Satzungsmängel, um Löschung, § 397 FamFG, oder Auflösung, § 399 FamFG, von Amts wegen zu vermeiden, nicht aus.2) II.
Verfahren
2 Die Heilung des Mangels erfolgt durch Satzungsänderung (Mehrheitsentscheid nach allgemeinen, §§ 179 ff., oder statutarischen Vorschriften) oder Neuvornahme (Einstimmigkeit).3) Die Heilung tritt mit Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister ein, § 181 Abs. 3. Sie wirkt rechtlich ex nunc4), faktisch ex tunc, da Mangel nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft für die Vergangenheit unbeachtlich ist.5) Unberührt hiervon bleiben jedoch mögliche Sanktionen (Ersatzansprüche, §§ 93, 116; Abberufung, §§ 84 Abs. 3, 103) gegen die Verwaltung.6) Die Heilung ist bis zur Eintragung der Nichtigkeit nach § 277 Abs. 1 möglich, danach nur noch über §§ 264 ff. i. V. m. Fortsetzungsentscheidung, § 274 Abs. 2 Nr. 2, also vor Beginn der Vermögensverteilung, § 274 Abs. 1 Satz 1.7) _____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6) 7)
Allg. M.; Hölters-Hirschmann, AktG, § 276 Rz. 2; Henssler/Strohn-Drescher, GesR, § 276 AktG Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 276 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 276 Rz. 1. Grigoleit-Servatius, AktG, § 276 Rz. 1; ungenau: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 276 Rz. 3: Andere Mängel werden durch Eintragung geheilt. Spindler/Stilz-Bachmann, § 276 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 276 Rz. 1; GrigoleitServatius, AktG, § 276 Rz. 2; zum Verfahren: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 276 Rz. 4 ff.; HöltersHirschmann, AktG, § 276 Rz. 3. Hüffer, AktG, § 276 Rz. 4; Grigoleit-Servatius, AktG, § 276 Rz. 2. Grigoleit-Servatius, AktG, § 276 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 276 Rz. 4. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 276 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 276 Rz. 4; K. Schmidt/ Lutter-Riesenhuber, AktG, § 276 Rz. 2.
§ 277 Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit (1) Ist die Nichtigkeit einer Gesellschaft auf Grund rechtskräftigen Urteils oder einer Entscheidung des Registergerichts in das Handelsregister eingetragen, so findet die Abwicklung nach den Vorschriften über die Abwicklung bei Auflösung statt. (2) Die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit nicht berührt. (3) Die Gesellschafter haben die Einlagen zu leisten, soweit es zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten nötig ist. Übersicht I. Auflösungsgrund und Abwicklung ....................................... 1 I.
II. Rechtsfolgen ...................................... 2
Auflösungsgrund und Abwicklung
1 Nichtigkeit führt zur Auflösung und Abwicklung nach §§ 264 ff. Voraussetzung ist ein rechtskräftiges Urteil (§ 275 Abs. 1) oder Amtslöschung aufgrund (register-)gerichtlicher
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Wirkung der Eintragung der Nichtigkeit
§ 277
Entscheidung (§ 397 FamFG). Die derart festgestellte Nichtigkeit der im Handelsregister eingetragenen AG mündet wieder in das Abwicklungsverfahren, §§ 264 ff., ein. Die Nichtigkeit ist in ihrer Rechtsfolgewirkung letztlich ein sonstiger Auflösungsgrund i. S. d. § 262 Abs. 2.1) Zum Schutz des Rechtsverkehrs, § 15 Abs. 1, 2 HGB, ist es geboten, dem Registereintrag in beiden Fällen konstitutive Wirkung beizumessen (str.; vgl. § 262 Rz. 17 f.; § 264 Rz. 10).2) Die Bekanntmachung erfolgt nach § 10 HGB.3) II.
Rechtsfolgen
§ 277 Abs. 2 stellt deklaratorisch klar, was bereits aus der Verweisung auf die Abwicklungs- 2 vorschriften (§ 277 Abs. 1) bei Fortbestand der AG bis zur Löschung im Handelsregister (siehe § 262 Rz. 17 f.) zwingend folgt.4) Die Einlagepflicht der Aktionäre (§ 277 Abs. 3) bleibt auch bei Auflösung der Gesellschaft erhalten, allerdings beschränkt auf den Umfang, der für die Befriedigung der Gläubiger notwendig ist (siehe § 271 Rz. 7). Da § 277 Abs. 3 lex specialis zu § 271 Abs. 3 ist, liegt die Beweislast, dass – bei Gleichbehandlung der Aktionäre, § 53a – nicht die volle Einlage zu leisten ist, beim Aktionär.5)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Im Ergebnis ebenso: Grigoleit-Servatius, AktG, § 277 Rz. 1. Hölters-Hirschmann, AktG, § 277 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 277 Rz. 6; Henn/ Frodermann/Jannott-Leithaus/Specht-Jonen, Hdb. Aktienrecht, Rz. 16.80. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 277 Rz. 2. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 277 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 277 Rz. 3; K. Schmidt/ Lutter-Riesenhuber, AktG, § 277 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Riesenhuber, AktG, § 277 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 277 Rz. 5; im Ergebnis ebenso: Grigoleit-Servatius, AktG, § 277 Rz. 1.
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Zweiter Teil Gründung der Gesellschaft § 23 Feststellung der Satzung Thomas Wachter
(1) 1Die Satzung muß durch notarielle Beurkundung festgestellt werden. 2Bevollmächtigte bedürfen einer notariell beglaubigten Vollmacht. (2) In der Urkunde sind anzugeben 1. die Gründer; 2. bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien, die jeder Gründer übernimmt; 3. der eingezahlte Betrag des Grundkapitals. (3) Die Satzung muß bestimmen 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 2. den Gegenstand des Unternehmens; namentlich ist bei Industrie- und Handelsunternehmen die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher anzugeben; 3. die Höhe des Grundkapitals; 4. die Zerlegung des Grundkapitals entweder in Nennbetragsaktien oder in Stückaktien, bei Nennbetragsaktien deren Nennbeträge und die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags, bei Stückaktien deren Zahl, außerdem, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien und die Zahl der Aktien jeder Gattung; 5. ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen ausgestellt werden; 6. die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird. (4) Die Satzung muß ferner Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft enthalten. (5) 1Die Satzung kann von den Vorschriften dieses Gesetzes nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. 2Ergänzende Bestimmungen der Satzung sind zulässig, es sei denn, daß dieses Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Literatur: Bachmann, Die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung und die Folgen ihrer Versäumung, NZG 2012, 579; Bachmann, Abschied von der „wirtschaftlichen Neugründung“?, NZG 2011, 441; Bayer, Neue und gebrauchte Mäntel, „gestreckte“ und „mutierte“ Gründungen – Die Rechtsfigur der „wirtschaftlichen Neugründung“ in der Rechtsprechung des BGH, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 15; Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für nicht börsennotierte Gesellschaften, NJW 2008, Heft 21, Beil., S. 21; Blasche, Individualisierung sowie Über- und Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes, DB 2011, 517; Burgard, Inzidente Mitteilungen gemäß § 20 AktG?, WM 2012, 1937; Cramer, Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern zu Geschäftsführern einer Tochter-GmbH, NZG 2012, 765; Cziupka/Kliebisch, Probleme der Steuerung des Gesellschafterbestandes durch schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Aktiengesellschaft und ihren jeweiligen Aktionären, BB 2013, 715; Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht, 2. Aufl. 2013; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht, 2013; Fleischer, Zur Ausle-
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§ 23
Feststellung der Satzung
gung von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, DB 2013, 1466; Gottschalk, Die wirtschaftliche Neugründung einer GmbH und ihre Haftungsfolgen, DStR 2012, 1458; Grimm/Norwich, Praxisrelevante Probleme der Mitteilungspflichten nach § 21 AktG, AG 2012, 274; Habersack, Wider das Dogma von der unbeschränkten Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer AG oder GmbH, AG 2010, 845; Habersack, Wandlungen des Aktienrechts, AG 2009, 1; Hauschild/Böttcher, Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen, DNotZ 2012, 577; Heinze, Wirtschaftliche Neugründung und Aktiengesellschaft: Zur „entsprechenden Anwendung der Gründungsvorschriften“, BB 2012, 67; Hellermann, Aktienrechtliche Satzungsstrenge und Delegation von Gestaltungsspielräumen an den Vorstand, NZG 2008, 561; Hermanns, Neues zur (wirtschaftlichen) Neugründung von Kapitalgesellschaften, ZNotP 2010, 242; Heskamp, Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen, RNotZ 2012, 415; Hirte, Der Unternehmensgegenstand und die Abschaffung seiner registergerichtlichen Kontrolle durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 329; Horn, Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung – Hinweise für die Transaktionspraxis, DB 2012, 1255; Jeep, Leere Hülse, beschränktes Risiko: Die Gesellschafterhaftung bei nicht offengelegter wirtschaftlicher Neugründung, NZG 2012, 1209; Kalss/Fleischer, Neues zur Lockerung der Satzungsstrenge bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, AG 2013, 693; Körber/Eller-Uhe, Anforderungen an den Nachweis der Vertretungsmacht von Prokuristen und GbR-Gesellschaftern bei der Gründung von Kapitalgesellschaften, DNotZ 2009, 92; Kort, Die Bedeutung von Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck einer AG bei Auslagerung von Geschäftsbereichen auf gemeinnützige Gesellschaften, NZG 2011, 929; Kröll, Die Entwicklung des Schiedsrechts 2011 – 2012, NJW 2013, 3135; Krolop, Zur Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei der Vorrats- und Mantelgründung, ZIP 2011, 305; Kuszlik, Die Haftung bei der „wirtschaftlichen Neugründung“ einer GmbH, GmbHR 2012, 882; Leitzen, Mitteilungspflichten nach § 21 AktG und die notarielle Praxis im Gesellschaftsrecht, MittBayNot 2012, 183; Leitzen, Neues zu Satzungsdurchbrechungen und schuldrechtlichen Nebenabreden, RNotZ 2010, 566; Lieder, Schuldrechtliche Nebenabreden im deutschen Gesellschaftsrecht, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2012, 2013, S. 231; Meyer, D., Die wichtigsten Änderungen durch das 2. KostRMoG im Bereich der Handelsregistergebührenverordnung, JurBüro 2013, 538; Noack, Satzungsergänzende Verträge der Gesellschaft mit ihren Gesellschaftern, NZG 2013, 281; Noack, Der allseitige Gesellschafterbeschluss als „schuldrechtliche Abrede“ und dessen korporationsrechtliche Folgen, NZG 2010, 1017; Nodoushani, Weniger Satzungsstrenge für geschlossene Gesellschaften, NZG 2008, 452; Podewils, Unterbilanzhaftung bei unterlassener Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung, GmbHR 2012, 1175; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG), 2013; Schäfer, Besondere Regelungen für börsennotierte und für nichtbörsennotierte Gesellschaften?, NJW 2008, 2536; Schmidt, K., Die Verwendung von GmbHMänteln und ihre Haftungsfolgen: ein Thema von gestern?, ZIP 2010, 857; Schneider, Die neuen Gebühren im Handelsregister zum 1.1.2011, notar 2011, 111; Schockenhoff, Die Auslegung von GmbH- und AG-Satzungen, ZGR 2013, 76; Seibt, Privatautonome Mitbestimmungsvereinbarungen: Rechtliche Grundlagen und Praxishinweise, AG 2005, 413; Semler, Gedanken zur Bedeutung des Unternehmenszwecks, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 1391; Spindler, Regeln für börsennotierte vs. Regeln für geschlossene Gesellschaften – Vollendung des Begonnenen?, AG 2008, 598; Tavakoli, Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer GmbH, NJW 2012, 1855; Thoma, Der Handel mit Waren aller Art als Unternehmensgegenstand einer GmbH, RNotZ 2011, 413; Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, 2011; Ulmer, Entschärfte Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer zuvor unternehmenslosen Alt-GmbH – Bemerkungen zu BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, ZIP 2012, 817, ZIP 2012, 1265; Winnen, Die wirtschaftliche Neugründung von Kapitalgesellschaften, RNotZ 2013, 389.
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§ 23
Feststellung der Satzung Übersicht
I. Überblick ........................................... 1 II. Begriff der Satzung .......................... 4 III. Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1) ..................................... 10 1. Begriff der Satzungsfeststellung ..... 10 2. Form der Satzungsfeststellung ....... 12 3. Vertretung bei der Satzungsfeststellung ....................................... 16 IV. Erklärung zur Übernahme der Aktien (§ 23 Abs. 2) ....................... 22 1. Allgemeines ...................................... 22 2. Inhalt der Erklärung ........................ 23 a) Gründer (§ 23 Abs. 2 Nr. 1) ..... 23 b) Aktien (§ 23 Abs. 2 Nr. 2) ........ 25 c) Eingezahlter Betrag (§ 23 Abs. 2 Nr. 3) .............................. 30 V. Mindestinhalt der Satzung (§ 23 Abs. 3 und Abs. 4) ................. 31 1. Firma der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 1) ........................... 31 2. Sitz der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 1) ........................... 32 3. Gegenstand des Unternehmens (§ 23 Abs. 3 Nr. 2) ........................... 34 I.
4. Höhe des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 3) ........................... 37 5. Zerlegung des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 4) ........................... 38 6. Art der Aktien (§ 23 Abs. 3 Nr. 5) ........................... 41 7. Zahl der Vorstandsmitglieder (§ 23 Abs. 3 Nr. 6) ........................... 44 8. Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft (§ 23 Abs. 4) ................ 50 9. Weitere notwendige Bestimmungen der Satzung ................................ 51 VI. Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5) ........ 53 1. Allgemeines ....................................... 53 2. Abweichende Satzungsregelungen (§ 23 Abs. 5 Satz 1) .......................... 56 3. Ergänzende Satzungsregelungen (§ 23 Abs. 5 Satz 2) .......................... 58 VII. Gründungsmängel ........................ 60 VIII. Schuldrechtliche Nebenabreden .................................. 64 IX. Vorrats- und Mantelgesellschaften ................................... 68
Überblick
1 Der Zweite Teil des Ersten Buchs des AktG (§§ 23 bis 53) regelt die Gründung der Gesellschaft. Die Gründung beginnt mit der Feststellung der Satzung (§ 23). Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer ist die Gesellschaft errichtet (§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 29). 2 Die Satzung muss durch notarielle Beurkundung festgestellt werden (§ 23 Abs. 1). In der notariellen Gründungsurkunde müssen die Gründer zugleich auch die Übernahme der Aktien erklären (§ 23 Abs. 2). Die Satzung (der Gesellschaftsvertrag, siehe § 2) muss einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen (§ 23 Abs. 3 und 4). Die Satzungsfreiheit ist auch im Übrigen stark eingeschränkt. Die Satzung darf nur dann von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist (§ 23 Abs. 5). Die Vorschriften über den Inhalt der Satzung (§ 23 Abs. 3 bis 5) gelten nicht nur für die Gründung der Gesellschaft, sondern auch für spätere Satzungsänderungen. 3 Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/20131) sollte das Wahlrecht zwischen Inhaber- und Namensaktien bei nicht börsennotierten AG gestrichen werden. II.
Begriff der Satzung
4 Die Satzung ist der Gesellschaftsvertrag der AG (§ 2) und bildet ihre Verfassung (siehe § 25 BGB). 5 Die Rechtsnatur der Satzung ist seit langem umstritten. Heute wird die Satzung überwiegend als Rechtsgeschäft sui generis angesehen, dass sowohl die subjektiven Rechte und _____________ 1)
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S. Einf., Rz. 24 ff.
Thomas Wachter
§ 23
Feststellung der Satzung
Pflichten der Gründer untereinander regelt als auch objektive Normen aufstellt.2) Die Satzung ist damit Schuld- und Organisationsvertrag. Mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister löst sich die Satzung vom subjektiven Willen der Gründer und beansprucht als objektiv geltendes Recht auch Geltung gegenüber neuen Aktionären. In Bezug auf den Inhalt der Satzung wird üblicherweise zwischen materiellen (echten) 6 Satzungsbestimmungen und formellen (unechten) Satzungsbestimmungen unterschieden.3) Die gesellschaftsrechtlichen Sonderregelungen für die Auslegung, die Änderung und die Geltung gegenüber (künftigen) Mitgliedern gelten nur für die materiellen Satzungsbestandteile. Demgegenüber sind die formellen Satzungsbestandteile in der Regel als bloß schuldrechtliche Vereinbarungen anzusehen, die insbesondere nicht für einen unbestimmten Personenkreis (von gegenwärtigen und künftigen Aktionären sowie den Gläubigern der Gesellschaft) gelten. Materielle Satzungsbestandteile sind alle Regelungen, die die Gesellschaft und ihre Be- 7 ziehungen zu den Gründern und auch den künftigen Aktionären betreffen.4) Dazu gehören bspw. die Bestimmungen, die zwingend in die Satzung aufzunehmen sind (§ 23 Abs. 3 und 4), zulässige Abweichungen von den Regelungen des AktG (§ 23 Abs. 5 Satz 1), die mitgliedschaftlichen Einlagepflichten in Form von Bar- bzw. Sacheinlagen (§ 23 Abs. 2, § 36a, nach h. M. auch Sachübernahmen nach § 27 Abs. 1), Bestimmungen über die Dauer der Gesellschaft (§§ 39 Abs. 2, 262 Abs. 1 Nr. 1), Sonderrechte von Aktionären und die Regelung zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 107 Abs. 1 Satz 1). Formelle Satzungsbestandteile sind solche Regelungen, die zwar (formal) in die Satzung 8 aufgenommen worden sind, aber nicht die Grundlagen der Gesellschaft oder ihre Beziehungen zu den Gründern und künftigen Aktionären betreffen. Vielmehr handelt es sich um Regelungen, die lediglich schuldrechtliche Wirkungen unter den Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern entfalten.5) Beispiele für formelle Satzungsbestandteile sind etwa die Festsetzungen über etwaige Sondervorteile (§ 26 Abs. 1) oder den Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2), die Bestellung des ersten Aufsichtsrats (§ 30 Abs. 1) oder die Begründung von Nebenleistungspflichten (die über § 55 hinausgehen). Für die Auslegung der Satzung kommt es entscheidend auf die Art der jeweiligen Bestim- 9 mung an. Materielle Satzungsbestandteile sind (wie ein Gesetz) objektiv unter Berücksichtigung von Wortlaut, Zweck und systematischer Stellung auszulegen.6) Dabei können zur Auslegung nur solche Umstände herangezogen werden, die (bspw. aus dem Handelsregister) _____________ 2) 3) 4)
5) 6)
Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 23 Rz. 4; Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 3; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 3 und 12. Die Terminologie ist uneinheitlich, s. nur Hüffer, AktG, § 23 Rz. 2. Zu Satzungsbestimmungen mit körperschaftsrechtlichem Charakter s. BGH, Urt. v. 11.10.1993 – II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 = ZIP 1993, 1709, dazu EWiR 1994, 49 (Bork) – zur Auslegung einer Gerichtsstandsklausel; BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237, dazu EWiR 1992, 321 (Wiedemann) – zu einer Abfindungsregelung in einer GmbH-Satzung. HöltersSolveen, AktG, § 23 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 5; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 40; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 4. Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 6 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 41 f.; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 4. BGH, Beschl. v. 26.11.2007 – II ZR 227/06, AG 2008, 83, dazu EWiR 2008, 251 (Mock) – zur Auslegung einer Satzungsklausel, welche (abweichend von § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB) uneingeschränkt die Aufstellung eines Lageberichts vorsieht; BGH, Urt. v. 11.10.1993 – II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 = ZIP 1993, 1709, dazu EWiR 1994, 49 (Bork) – zur Auslegung einer Gerichtsstandsklausel in einer GmbH-Satzung; BGH, Beschl. v. 11.11.1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245 = ZIP 1996, 368, dazu EWiR 1986, 235 (Weipert) – zur Auslegung einer Vereinssatzung. – Für eine Differenzierung zwischen der Auslegung von Satzungen börsennotierter und nicht börsennotierter AG Schockenhoff, ZGR 2013, 76, 104 ff. – Rechtsvergleichend Fleischer, DB 2013, 1466.
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§ 23
Feststellung der Satzung
allgemein zugänglich sind. Für außenstehende Dritte nicht erkennbare Motive, Absichten und Überlegungen müssen bei der Auslegung unberücksichtigt bleiben. Formelle Satzungsbestandteile sind dagegen wie sonstige Willenserklärungen unter Berücksichtigung des jeweiligen Empfängerhorizonts der Gründer auszulegen (§§ 133, 157 BGB).7) III.
Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1)
1.
Begriff der Satzungsfeststellung
10 Die Satzung muss durch notarielle Beurkundung festgestellt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1). Die Feststellung der Satzung (des Gesellschaftsvertrages, siehe § 2) und die Erklärung der Gründer zur Übernahme der Aktien (§ 23 Abs. 2) stellen zusammen die Grundlage für die Errichtung der AG dar. 11 Die Satzung muss durch notarielle Beurkundung festgestellt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1). Bei der Gründung einer AG durch eine Person ist die Feststellung der Satzung ein einseitiges Rechtsgeschäft. Der Gründer erklärt gegenüber dem beurkundenden Notar, eine AG mit der festgestellten Satzung errichten zu wollen. Bei der in der Praxis überwiegenden Gründung durch mehrere Personen erfolgt die Feststellung der Satzung durch Abschluss eines entsprechenden Gründungsvertrages. Die Gründer sind sich darüber einig, dass die festgestellte Satzung für das Verhältnis der (jetzigen und künftigen) Aktionäre untereinander maßgebend sein soll.8) 2.
Form der Satzungsfeststellung
12 Die Feststellung der Satzung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 23 Abs. 1 Satz 1).9) Das Formerfordernis bezieht sich (unstreitig) nicht nur auf die Feststellung des eigentlichen Satzungsinhalts (des Gesellschaftsvertrages, § 2 i. V. m. § 23 Abs. 3 und 4), sondern auch auf die Übernahmeerklärung der Gründer (§ 23 Abs. 2). Die Feststellung der Satzung und die Übernahmeerklärung der Gründer müssen dabei zwingend in einer einzigen Urkunde enthalten sein (Einheitsgründung, siehe § 23 Abs. 1 und Abs. 2; missverständlich dagegen § 37 Abs. 4 Nr. 1).10) Eine Stufengründung ist demnach unzulässig.11) 13 In der Praxis wird meist eine notarielle Gründungsurkunde errichtet, in der neben der Satzungsfeststellung und der Übernahmeerklärungen alle mit der Gründung zusammenhängenden Fragen geregelt werden (wie etwa die Bestellung des ersten Aufsichtsrats und des ersten Abschlussprüfers, § 30 Abs. 1). Die Satzung wird der Urkunde dabei meist als Anlage beigefügt, damit sie als eigenständiges Dokument zur Verfügung steht. Dies ist zulässig, da die Anlage in vollem Umfang Bestandteil der Urkunde ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG). 14 Für die Beurkundung sind ausschließlich (deutsche)12) Notare zuständig (§ 20 BNotO). Das Beurkundungsverfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Beurkundungsge_____________ 7) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 39 f.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 9 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 49 ff. 8) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 11. 9) Zur analogen Anwendung auf einen Vorgründungsvertrag für eine AG s. KG Berlin, Urt. v. 22.1.2004 – 8 U 170/03, AG 2004, 321. 10) Ausführlich dazu Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 6. 11) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 9 und 15; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 15 und 23. 12) Die umstrittene Frage, ob die Beurkundung auch durch einen Notar im Ausland vorgenommen werden kann, spielt im Zusammenhang mit der Neugründung von AG in der Praxis kaum eine Rolle. Ausführlich dazu gleichwohl Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 11 f.; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 10 f.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 32 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 16 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 30 ff.; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 9 ff.
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§ 23
Feststellung der Satzung
setzes über die Beurkundung von Willenserklärungen (§§ 6 bis 35 BeurkG). Die Kosten richten sich nach den zwingenden Bestimmungen des Gerichts- und Notarkostengesetzes.13) Dem Notar obliegen bei der Beurkundung umfangreiche Prüfungs-, Beratungs- und 15 Aufklärungspflichten (§ 17 BeurkG), die weit über die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hinausgehen (siehe § 38). Der Notar koordiniert und überwacht zudem den gesamten Gründungsvorgang von der Vorgründungsgesellschaft bis zur Eintragung der Gesellschaft. Für etwaige Fehler haftet der Notar persönlich, unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 19 BNotO).14) Die notarielle Mitwirkung an der Gründung hat eine Entlastung der staatlichen Registergerichte zur Folge und beschleunigt dadurch den Gründungsprozess. Nicht zuletzt dient die Beurkundung auch der Rechtssicherheit, da die öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen erbringt (§§ 415, 418 ZPO).15) Gerichtliche Entscheidungen zu Fragen der Gründung der AG sind vergleichsweise selten. Dies zeigt, dass die notarielle Beratung und Beurkundung auch entscheidend zur Streitvermeidung beiträgt. 3.
Vertretung bei der Satzungsfeststellung
Die Gründer können sich bei der Feststellung der Satzung und der Übernahme der 16 Aktien von einem Bevollmächtigten vertreten lassen (§§ 164 ff. BGB). Die Vollmacht bedarf zu ihrer Wirksamkeit (abweichend von § 167 Abs. 2 BGB) der notariellen Beglaubigung (§ 23 Abs. 1 Satz 2 AktG i. V. m. § 129 BGB, § 40 BeurkG).16) Mit dem Formerfordernis sollen Zweifel über die Legitimation des Bevollmächtigten von vornherein ausgeschlossen und dem Vollmachtgeber die Bedeutung der Vollmacht vor Augen geführt werden. Bei Bevollmächtigung eines anderen Gründers muss dieser von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden.17) _____________ 13) Am 1.8.2013 ist das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts in Kraft getreten (BGBl. I 2013, S. 2586). Kernstück des umfangreichen Artikelgesetzes ist das in Art. 1 enthaltene Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Notare (zur amtlichen Gesetzesbegründung, BRDrucks. 517/12, S. 184 ff.). S. dazu u. a. die Gesamtdarstellungen von Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG). – Aktuelle Informationen dazu finden sich auch im Internet unter www.gnotkg.de. – Die Erhebung der Gebühren für die Handelsregistereintragung richtet sich weiterhin nach der Handelsregistergebührenverordnung (s. dazu D. Meyer, JurBüro 2013, 538; Schneider, notar 2011, 111). 14) S. (im Zusammenhang mit der GmbH) u. a. BGH, Urt. v. 24.4.2008 – III ZR 223/06, ZIP 2008, 1928 – Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Vorauszahlungen bei einer Kapitalerhöhung; BGH, Beschl. v. 2.10.2007 – III ZR 13/07, ZIP 2007, 2126, dazu EWiR 2007, 753 (Volmer) – Hinweispflicht auf etwaige Unterbewertung einer Sacheinlage und Risiko einer Differenzhaftung; BGH, Urt. v. 18.11.1999 – IX ZR 402/97, ZIP 2000, 35, dazu EWiR 2000, 675 (Kornblum) – Vollzugs- und Überwachungspflichten bei Befreiung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers v. Selbstkontrahierungsverbot; BGH, Urt. v. 16.11.1995 – IX ZR 14/95, ZIP 1996, 19, dazu EWiR 1996, 439 (Limmer) – Aufklärungspflichten hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs des Einzahlens von Einlagen bei einer Barkapitalerhöhung; OLG Naumburg, Urt. v. 21.1.2010 – 1 U 35/09, DStR 2010, 564 = GmbHR 2010, 533 – Notarhaftung wegen Nichtaufklärung über Bedeutung des Bareinlagebegriffs; OLG Schleswig, Urt. v. 24.6.2004 – 11 U 38/03, NZG 2005, 89 – Hinweispflicht in Bezug auf die Fortführungshaftung nach § 25 HGB; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.1994 – 18 U 86/94, NJW 1995, 1761, dazu EWiR 1995, 851 (Trölitzsch) – Belehrungspflichten bei der Einbringung von Darlehensforderungen als Sacheinlage. 15) Zum Zweck der Beurkundung s. a. Heidel-Braunfels, § 23 AktG Rz. 3 ff.; Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 12; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 29; K. Schmidt/LutterSeibt, AktG, § 23 Rz. 20; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 7 f. 16) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 45; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 14 ff.; Spindler/ Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 13. 17) Für eine konkludente Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in diesem Fall A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 44 und 48; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 14.
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§ 23
Feststellung der Satzung
17 Handelt für einen Gründer ein vollmachtloser Vertreter können die Erklärungen nachgenehmigt werden (§§ 177 ff., 182 ff. BGB). Die Nachgenehmigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit (abweichend von § 182 Abs. 2 BGB) der notariellen Beglaubigung (§ 23 Abs. 1 Satz 2 analog).18) Eine Nachgenehmigung ist allerdings nur bei Gründung einer AG durch mehrere Personen möglich. Bei einer Gründung durch eine Person ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässsig (§ 180 BGB).19) 18 Inhaltlich muss die Vollmacht die Gründung der Gesellschaft umfassen. Eine Generalvollmacht ist dabei ausreichend. Eine bloße Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) genügt nicht. Der Prokurist (§§ 48 ff. HGB) bedarf keiner notariell beglaubigten Vollmacht, da er seine Vertretungsmacht durch einen beglaubigten Handelsregisterauszug (§ 9 Abs. 4 HGB) oder durch eine Bescheinigung des Notars (§ 21 BNotO) nachweisen kann.20) Die Gründung einer AG kann allerdings im Einzelfall ein Grundlagengeschäft darstellen und dann nicht von der Vertretungsmacht des Prokuristen umfasst sein.21) 19 Die Formvorschrift (des § 23 Abs. 1 Satz 2) gilt nach ihrem Wortlaut nur für rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte (§ 166 Abs. 1 BGB), da nur in diesem Fall eine Vollmachtsurkunde vorgelegt werden kann. Aufgrund des Normzwecks – dem Registergericht, die ordnungsgemäße Vertretung der Gründer zweifelsfrei nachzuweisen – gilt die Regelung aber für gesetzliche und organschaftliche Vertreter entsprechend.22) 20 Bei juristischen Personen des Privatrechts wird die Vertretung durch die Organe in der Regel durch eine Notarbescheinigung (§ 21 BNotO) oder einen beglaubigten Handelsregisterauszug (§ 9 Abs. 4 HGB) nachgewiesen. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ergibt sich die Vertretungsbefugnis meist aus den für diese geltenden gesetzlichen Bestimmungen (z. B. Gemeindeordnungen oder Satzungen). Bei Gründung einer (Tochter-)AG durch eine andere AG ist zu berücksichtigen, dass Vorstandsmitglieder nicht zu Insichgeschäften befugt sind und die Gesellschaft insoweit durch den Aufsichtsrat vertreten wird (§ 112).23) 21 Minderjährige Kinder werden i. R. der gesetzlichen Vorschriften (insbesondere §§ 181, 1629, 1643, 1795, 1822 und 1909 BGB) durch ihre Eltern als gesetzliche Vertreter vertreten, ohne dass es insoweit eines besonderen Nachweises bedarf. Wird das Kind allerdings nur durch einen Elternteil alleine vertreten (siehe §§ 1671 ff., 1680 BGB), ist ein geeigneter Nachweis vorzulegen (z. B. Sterbeurkunde eines Elternteils oder gerichtlicher Beschluss über die Übertragung des Sorgerechts).
_____________ 18) Hüffer, AktG, § 23 Rz. 12; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 13a. 19) Zum Verbot der vollmachtlosen Vertretung bei Einpersonengesellschaften (§ 180 BGB) bei der GmbH s. KG Berlin, Beschl. v. 14.12.2011 – 25 W 48/11, NZG 2012, 353 = GmbHR 2012, 569; LG Berlin, Beschl. v. 15.8.1995 – 98 T 34/95, GmbHR 1996, 123; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 24.2.2003 – 20 W 447/02, GmbHR 2003, 415 = DB 2003, 654 = DNotZ 2003, 459, und OLG München, Beschl. v. 5.10.2010 – 31 Wx 140/10, ZIP 2011, 772 – Genehmigung einer vollmachtlosen Beschlussfassung bei Ein-Mann-GmbH). 20) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 12; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 46. – A. A. Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 18 – unter Hinweis auf die Unterschiede zwischen § 15 Abs. 2 Satz 2 HGB und § 172 BGB. 21) Eine notariell beglaubigte Spezialvollmacht für Prokuristen empfehlen auch grds. auch Bürgers/ Körber-Körber, AktG, § 23 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 20. 22) Anders aber die h. M., s. etwa Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 13; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 22. 23) S. dazu OLG München, Beschl. v. 8.5.2012 – 31 Wx 69/12, ZIP 2012, 1122 (Bestellung des Vorstands einer AG zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH). Ausführlich dazu Cramer, NZG 2012, 765.
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§ 23
Feststellung der Satzung IV.
Erklärung zur Übernahme der Aktien (§ 23 Abs. 2)
1.
Allgemeines
In der notariellen Gründungsurkunde müssen sich die Gründer zugleich zur Übernahme 22 aller Aktien und damit auch zur Leistung der entsprechenden Einlagen verpflichten. Die Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1 Satz 1) und die Übernahmeerklärung der Gründer (§ 23 Abs. 2) sind an sich zwei eigenständige Rechtsgeschäfte,24) die zu ihrer Wirksamkeit allerdings beide der notariellen Beurkundung bedürfen und in einer Urkunde enthalten sein müssen. 2.
Inhalt der Erklärung
a)
Gründer (§ 23 Abs. 2 Nr. 1)
In der notariellen Gründungsurkunde über die Feststellung der Satzung sind zwingend 23 die Gründer anzugeben (§ 23 Abs. 2 Nr. 1). Gründer der Gesellschaft sind die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben (§ 28) und mindestens eine Aktie übernommen haben (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2). Die Gründer müssen (auch im Hinblick auf deren zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit, §§ 46 ff., § 399 Abs. 1 Nr. 1 und 2) zweifelsfrei bezeichnet werden (siehe auch § 10 Abs. 1 BeurkG). Bei natürlichen Personen sind daher in der Regel Vor- und Nachname, Geburtsdatum und die vollständige Wohnanschrift anzugeben. Bei juristischen Personen, Personenhandelsgesellschaften und anderen Personengesamtheiten sollten die Firma, der Sitz, die Geschäftsanschrift und das Handelsregister samt Nummer angegeben werden.25) Bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts sollten auch deren Gesellschafter mit den entsprechenden Angaben aufgeführt werden (siehe § 47 Abs. 2 GBO und § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB).26) Handelt es sich bei einem Gründer um ein Unternehmen (i. S. der §§ 15 ff.) und über- 24 nimmt dieser Gründer mehr als ein Viertel der Aktien oder eine Mehrheitsbeteiligung, ist der Erwerb der Vorgesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen (§ 20 Abs. 1 und 4).27) Die Gesellschaft hat das Bestehen der Beteiligung nach Mitteilung unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen (§ 20 Abs. 6). Bei börsennotierten AG sind die entsprechenden Mitteilungspflichten nach Kapitalmarktrecht zu beachten (§ 20 Abs. 8 i. V. m. §§ 21, 28 WpHG). b)
Aktien (§ 23 Abs. 2 Nr. 2)
In der Gründungsurkunde sind nähere Angaben über die Aktien zu machen, die jeder 25 Gründer übernimmt (§ 23 Abs. 2 Nr. 2; siehe auch § 23 Abs. 3 Nr. 4). Die Übernahmeerklärung darf weder bedingt noch befristet sein. Bei Nennbetragsaktien sind der Nennbetrag (§ 8 Abs. 2), der Ausgabebetrag (§ 9) und 26 ggf. auch die Gattung der Aktien (§ 11) anzugeben. Die bloße Angabe der Summe der Nennbeträge und Ausgabebeträge ist dabei nicht ausreichend. Vielmehr muss konkret angegeben werden, wie viele Aktien (jeder Gattung) jeder einzelne Gründer zu welchem _____________ 24) Nach h. M. handelt es sich bei der Übernahmeerklärung gleichwohl um einen notwendigen materiellen Satzungsbestandteil. S. etwa Bürgers/Körber-Körber, § 23 Rz. 5; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 57 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 12 und 55; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 24. 25) Ähnlich Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 3. 26) Ausführlich Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 25. 27) Dazu BGH, Urt. v. 24.4.2006 – II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 = ZIP 2006, 1134, dazu EWiR 2006, 449 (Wilsing), BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203 = ZIP 1991, 719, EWiR 1991, 745 (Krieger). – Zu den Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG s. Burgard, WM 2012, 1937; Grimm/ Norwich, AG 2012, 274; Leitzen, MittBayNot 2012, 183.
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§ 23
Feststellung der Satzung
Nennbetrag und zu welchem Ausgabebetrag übernimmt.28) Diese detaillierten Angaben sind insbesondere bei Ausgabe unterschiedlicher Aktien erforderlich, um die Rechte und Pflichten der einzelnen Gründer zweifelsfrei bestimmen zu können. 27 Bei Stückaktien (§ 8 Abs. 3) ist die Zahl der Aktien, der Ausgabebetrag (§ 9) und ggf. auch die Gattung der Aktien anzugeben (§ 11). Der rechnerische Anteil am Grundkapital, der auf die einzelne Stückaktie entfällt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3) muss nicht angegeben werden. Im Übrigen muss auch bei Stückaktien genau angegeben werden, wie viele Aktien (jeder Gründer) zu welchem Ausgabebetrag übernimmt. 28 Die Angabe des Ausgabebetrags (§ 9) ist sowohl bei Nennbetrags- als auch bei Stückaktien stets zwingend erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn kein Aufgeld (Agio) vereinbart worden ist.29) Bei Festsetzung unterschiedlicher Ausgabebeträge (was zulässig ist)30) muss eine Zuordnung zu den entsprechenden Aktien erfolgen. 29 Bei Ausgabe von Namens- und Inhaberaktien (§ 10) muss genau angegeben werden, welcher Gründer welche Anzahl von welchen Aktien übernimmt.31) c)
Eingezahlter Betrag (§ 23 Abs. 2 Nr. 3)
30 Schließlich ist in der Gründungsurkunde der eingezahlte Betrag des Grundkapitals anzugeben (§ 23 Abs. 2 Nr. 3).32) Notwendig und ausreichend ist die Angabe des tatsächlich eingezahlten Gesamtbetrags. Nicht erforderlich ist es dagegen anzugeben, wie sich dieser Betrag auf die einzelnen Gründer aufteilt. Für die Angaben kommt es auf den Zeitpunkt der Satzungsfeststellung an, so dass die Vorschrift nur geringe praktische Bedeutung hat. V.
Mindestinhalt der Satzung (§ 23 Abs. 3 und Abs. 4)
1.
Firma der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 1)
31 Zum notwendigen Mindestinhalt der Satzung gehört die Firma (§ 23 Abs. 3 Nr. 1). Die Bildung einer zulässigen Firma richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen des Handelsrechts. Danach muss die Firma insbesondere zur Kennzeichnung des Unternehmens geeignet sein, Unterscheidungskraft besitzen und darf nicht irreführend sein (§§ 17 ff. HGB). Jede neue Firma muss sich darüber hinaus von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden (§ 30 HGB). Die Firma einer AG muss stets die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung (in der Praxis meist AG) enthalten (§ 4). 2.
Sitz der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 1)
32 Die Satzung muss auch den Sitz der Gesellschaft bestimmen (§ 23 Abs. 3 Nr. 1). Satzungssitz (§ 5) kann nur ein Ort im Inland (und nicht auch im Ausland) sein. Im Inland kann der Satzungssitz frei gewählt werden. Der Satzungssitz muss insbesondere nicht mit dem Verwaltungssitz oder der Geschäftsanschrift der Gesellschaft (§ 37 Abs. 3 Nr. 1) _____________ 28) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 26. 29) Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 60. 30) S. nur Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 10. 31) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 17; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 64; K. Schmidt/LutterSeibt, AktG, § 23 Rz. 28. – a. A. Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 23 Rz. 16, da es sich bei Namensund Inhaberaktien lediglich um verschiedene Aktienarten und nicht um unterschiedliche Aktiengattungen handelt. 32) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 18; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 62.
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Thomas Wachter
§ 23
Feststellung der Satzung
übereinstimmen. Am Satzungssitz muss auch kein Betrieb bestehen. Bei dem Ort, an dem die Gesellschaft ihren Sitz haben soll, muss es sich um eine eigene politische Gemeinde handeln;33) ein bloßer Orts- oder Stadtteil ist nicht ausreichend. Der Ort ist so genau zu bezeichnen, dass eine zweifelsfreie Individualisierung möglich ist. Die Angabe der Postleitzahl kann im Einzelfall hilfreich sein, ist aber rechtlich nicht notwendig. Der Satzungssitz hat insbesondere Bedeutung für die Zuständigkeit von Gerichten und 33 Behörden (siehe etwa § 14; § 17 ZPO) und bestimmt im Regelfall auch den Ort, an dem die Hauptversammlung stattfindet (§ 121 Abs. 5). 3.
Gegenstand des Unternehmens (§ 23 Abs. 3 Nr. 2)
Die Satzung muss ferner auch den Gegenstand des Unternehmens bestimmen (§ 23 34 Abs. 3 Nr. 2 Halbs. 1). Bei Industrie- und Handelsunternehmen ist insbesondere die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt oder gehandelt werden sollen, näher anzugeben (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 Halbs. 2). Der Gegenstand des Unternehmens wird in das Handelsregister eingetragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 43 Nr. 2 lit. c HRV) und bekannt gemacht (§ 10 HGB). Der Zweck der Regelung34) besteht in der Information der Öffentlichkeit über die konkrete Tätigkeit des Unternehmens, im Schutz der (Minderheits-)Aktionäre vor einer willkürlichen Ausweitung der unternehmerischen Tätigkeit und in der Begrenzung der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands der Gesellschaft (siehe § 82 Abs. 2).35) Für die präventive Registerkontrolle i. R. des Eintragungsverfahrens ist die Angabe des Unternehmensgegenstands heute dagegen weitgehend ohne Bedeutung, da das Registergericht das Vorliegen einer etwa erforderlichen Genehmigung nach Verwaltungs- oder Handwerksrecht heute grundsätzlich nicht mehr prüft (siehe § 37 Abs. 4 Nr. 5 a. F.; siehe dazu § 37 Rz. 63). Ausnahmen bestehen (neben §§ 134, 138 BGB)36) lediglich bei Gesellschaften, die im Bereich des Kreditwesengesetzes tätig sind (§§ 32, 43 KWG),37) bei Investmentaktiengesellschaften (§§ 3 Abs. 5, 108 ff., 110 Abs. 4 KAGB), bei Gesellschaften von Freiberuflern (siehe etwa § 49 Abs. 1 StBerG, § 27 Abs. 1 WPO)38) oder bei gemeinnützigen Gesellschaften (§§ 51 ff. AO).39) Der Gegenstand des Unternehmens muss in der Satzung so konkret angegeben werden, 35 dass der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit für außenstehende Dritte erkennbar ist. Allgemein gehaltene Umschreibungen (wie etwa der Betrieb eines kaufmännischen Betriebes, der Handel mit Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen) genügen im Hinblick _____________ 33) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 20. 34) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 22; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 32. 35) Zur Haftung des Vorstands, der Geschäfte außerhalb des Unternehmensgegenstands betreibt s. BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, ZIP 2013, 455, dazu EWiR 2013, 261 (E. Vetter). – Zu den Rechtsfolgen einer (dauerhaften) Über- bzw. Unterschreitung der durch den Unternehmensgegenstand gezogenen Grenzen s. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 38 und 38a; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 16 und 16a, je m. w. N. – Zur Satzungsunterschreitung durch Veräußerung von Unternehmensanteilen s. BVerfG, Beschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1460/10, ZIP 2011, 2094, dazu EWiR 2012, 3 (Nietsch). 36) Zu einer sittenwidrigen Strohmanngründung durch vermögenslose Gesellschafter s. etwa OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.12.1997 – 1 U 170/97, dazu EWiR 1998, 1011 (Kort). 37) S. dazu OLG München, Beschl. v. 21.5.2012 – 31 Wx 164/12, ZIP 2012, 2107 (zur Bezeichnung der Anlage- und Vermögensberatung im Unternehmensgegenstand). 38) Zur (gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten) Zulässigkeit einer Rechtsanwalts-AG BGH, Beschl. v. 14.11.2005 – AnwZ (B) 83/04, ZIP 2006, 282, dazu EWiR 2006, 365 (Römermann), BGH, Beschl. v. 10.1.2005 – AnwZ (B) 27/03 und 28/03, ZIP 2005, 944. Zu weiteren berufsrechtlichen Beschränkungen s. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 81 f. 39) Ausführlich Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit.
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auf den Normzweck nicht und stellen regelmäßig ein Eintragungshindernis dar.40) Entscheidend ist stets, ob nach der Verkehrsanschauung von einer hinreichenden Individualisierung des Unternehmensgegenstands ausgegangen werden kann. Als zulässige Bestimmung des Unternehmensgegenstands gelten danach bspw. der Betrieb von Gaststätten, der Handel mit Baustoffen und ähnlichen Waren, die Verwaltung eigenen Vermögens41) oder die Beteiligung an anderen Unternehmen. Durch die Angabe des Tätigkeitsschwerpunkts werden unternehmerische Aktivitäten in Randbereichen und Hilfsgeschäfte nicht ausgeschlossen. Deren ausdrückliche Nennung kann allerdings im Hinblick auf die Möglichkeit des nachgründungsfreien Erwerbs i. R. des laufenden Geschäftsbetriebs sinnvoll sein (siehe § 52 Abs. 9 Alt. 1). 36 Der Gegenstand des Unternehmens ist vom Zweck der Gesellschaft zu unterscheiden (siehe §§ 1, 61 GmbHG).42) Der Zweck der Gesellschaft meint im Allgemeinen die eigentliche Zielsetzung der unternehmerischen Tätigkeit (meist Gewinnerzielung). Dagegen bezeichnet der Gegenstand des Unternehmens die Mittel, mit denen der Zweck der Gesellschaft erreicht werden soll. Der Zweck der Gesellschaft wird in der Satzung meist nur bei gemeinnützigen oder anderen nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Gesellschaften angegeben (siehe auch §§ 51 ff., 60 AO).43) Änderungen des Gesellschaftszwecks bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB analog). Änderungen des Unternehmensgegenstands sind dagegen eine Satzungsänderung und können daher mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden (§§ 179 ff.). 4.
Höhe des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 3)
37 Die Höhe des Grundkapitals muss in der Satzung stets konkret angegeben werden (§ 23 Abs. 3 Nr. 3; siehe auch § 39 Abs. 1 Satz 1 AktG und § 43 Nr. 3 HRV). Das Grundkapital muss auf einen Nennbetrag in Euro lauten (§ 6). Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals beträgt grundsätzlich 50.000 € (§ 7). Die bloße Angabe eines Mindest- oder Höchstbetrags in der Satzung ist unzulässig. Ein bereits bei Gründung der Gesellschaft festgesetztes genehmigtes Kapital (§§ 202 ff.) gehört nicht zum Grundkapital. 5.
Zerlegung des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 4)
38 Die AG hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital (§ 1 Abs. 2). In der Satzung ist die Art und Weise der Zerlegung des Grundkapitals in Aktien konkret und zweifelsfrei anzugeben (§ 23 Abs. 3 Nr. 4; siehe auch § 23 Abs. 2 Nr. 2).44) 39 Dazu gehört zunächst die Form der Aktien als Nennbetragsaktien oder als Stückaktien (§ 8 Abs. 1). Ein Nebeneinander beider Aktienformen ist rechtlich nicht zulässig. Bei Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 2) sind die Nennbeträge der einzelnen Aktien (mindestens _____________ 40) Zur Unzulässigkeit des Unternehmensgegenstands Handel mit Waren aller Art bei einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) s. jüngst OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.2010 – I 3 Wx 231/10, DStR 2010, 2367 = DB 2011, 168. – Ausführlich dazu Thoma, RNotZ 2011, 413. – Bürgers/KörberKörber, AktG, § 23 Rz. 30 f.; Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 21 und 24; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 83 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 35 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 80 ff.; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 16 und 17. 41) Zur Zulässigkeit der offenen Gründung einer Vorrats-AG s. BGH, Beschl. v. 16.3.1992 – II ZB 17/91, BGHZ 117, 323 = ZIP 1992, 689, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft). 42) S. dazu BGH, Beschl. v. 11.11.1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245 = ZIP 1996, 368, dazu EWiR 1986, 235 (Weipert) – zu einem eingetragenen Verein. Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 21; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 22; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 34; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 70 ff. 43) S. Kort, NZG 2011, 929. 44) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 25; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 47 f.
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§ 23
Feststellung der Satzung
1 €) und die Zahl der Aktien jedes einzelnen Nennbetrags anzugeben. Bei Stückaktien (§ 8 Abs. 3) ist nur deren Anzahl anzugeben. Falls mehrere Gattungen von Aktien (§ 11) bestehen ist zudem die Gattung der Aktien 40 und die Zahl der Aktien jeder Gattung anzugeben.45) Dabei sind auch die für die jeweilige Aktiengattung maßgeblichen Rechte und Pflichten zu bezeichnen. 6.
Art der Aktien (§ 23 Abs. 3 Nr. 5)
Die Satzung muss schließlich auch bestimmen, ob die Aktien auf den Inhaber und/oder 41 auf den Namen ausgestellt werden (§ 23 Abs. 3 Nr. 5 i. V. m. § 10 Abs. 1).46) Über die Art der Aktien können die Gründer frei entscheiden.47) Die Aktien müssen allerdings auf den Namen lauten, wenn sie bereits vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1). Dies gilt auch dann, wenn nach der Volleinzahlung Inhaberaktien ausgegeben werden sollen. Die spätere Umwandlung der Namensaktien in Inhaberaktien erfordert dann eine Satzungsänderung (siehe auch § 24). Die Angaben zur Art der Aktien müssen auch dann in der Satzung enthalten sein, wenn 42 der Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 10 Abs. 5). Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/201348) sollte das Wahlrecht zwischen 43 Inhaber- und Namensaktien nur noch bei börsennotierten AG bestehen. Nicht börsennotierte AG sollten nur noch Namensaktien ausgeben. 7.
Zahl der Vorstandsmitglieder (§ 23 Abs. 3 Nr. 6)
Die Satzung muss entweder die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach 44 denen diese Zahl festgelegt wird bestimmen (§ 23 Abs. 3 Nr. 6). Der Vorstand kann aus einer oder aus mehreren Personen bestehen (§ 76 Abs. 2 Satz 1). 45 Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. € muss der Vorstand aus mindestens zwei Personen bestehen, sofern die Satzung nicht etwas anderes bestimmt (§ 76 Abs. 2 Satz 2).49) Die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors (siehe § 13 Abs. 1 MontanMitbestG, § 13 MontanMitbestErgG, § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG 1976) bleiben unberührt (§ 76 Abs. 2 Satz 3), so dass der Vorstand dann aus mindestens zwei Mitgliedern besteht. In der Satzung kann entweder eine konkrete Zahl der Mitglieder des Vorstands oder 46 eine Mindest- und/oder Höchstzahl bestimmt werden.50) Weit verbreitet ist die Satzungsbestimmung, dass der Vorstand aus einer oder aus mehreren Personen besteht (siehe auch § 76 Abs. 2 Satz 1). Innerhalb dieses Rahmens entscheidet dann der Aufsichtsrat über die Zahl der Vorstände (siehe § 84).51) Stellvertretende Vorstandsmitglieder (§ 94) sind bei der Berechnung zu berücksichtigen. Enthält die Satzung keine Bestimmung zur Zahl der Mitglieder des Vorstands sind zu- 47 mindest die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, zu bestimmen. Denkbar ist _____________ 45) Hüffer, AktG, § 23 Rz. 29. 46) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 49. 47) Zu Ausnahmen (z. B. nach § 50 Abs. 5 Satz 3 StBerG, §§ 28 Abs. 5 Satz 2, 130 Abs. 2 WPO) s. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 120, und Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 17 ff. 48) S. Einf., Rz. 24 ff. 49) S. BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 = ZIP 2002, 172, dazu EWiR 2002, 885 (Saenger). 50) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 27. 51) Zur Wirksamkeit dieser Regelung LG Köln, Urt. v. 10.6.1998 – 91 O 15/98, AG 1999, 137.
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Feststellung der Satzung
bspw., dass die Zahl der Vorstandsmitglieder von der Hauptversammlung oder dem Aufsichtsrat52) festgelegt wird. 48 Die Rechtsfolgen einer satzungswidrigen Zusammensetzung des Vorstands sind gesetzlich nicht geregelt. Eine Auflösung der Gesellschaft kommt nicht in Betracht (siehe § 399 Abs. 1 FamFG). Eine Überbesetzung des Vorstands ist unstreitig folgenlos. Eine Unterbesetzung des Vorstands beeinträchtigt die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft. Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen die Mitglieder des Vorstands in vertretungsberechtigter Zahl handeln müssen und diese Zahl nicht vorhanden ist (siehe § 78), sondern grundsätzlich auch dann, wenn der Vorstand als Organ durch alle Mitglieder tätig werden muss (siehe z. B. §§ 90 ff., 121 Abs. 2, 124 Abs. 3, 170 Abs. 1 und 2, 172).53) Bei Untätigkeit des Aufsichtsrats sollte in der Praxis gleichwohl ein Antrag auf gerichtliche Bestellung des fehlenden Mitglieds des Vorstands gestellt werden. Bei dauerhafter Unterbesetzung sollte die Satzung geändert werden. 49 Die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats (siehe §§ 95 ff.) muss in der Satzung nicht festgelegt werden. 8.
Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft (§ 23 Abs. 4)
50 Die Satzung muss ferner Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft enthalten (§ 23 Abs. 4). Die Vorschrift betrifft nur freiwillige Bekanntmachungen der Gesellschaft, die nach Gesetz oder Satzung nicht in den Gesellschaftsblättern der Gesellschaft erfolgen müssen.54) Die Pflichtbekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen zwingend (auch) im Bundesanzeiger (§ 25 Satz 1).55) Hinsichtlich der freiwilligen Bekanntmachungen der Gesellschaft hat die Gesellschaft Wahlfreiheit. Neben dem Bundesanzeiger und Tageszeitungen kommen insbesondere auch elektronische Informationsmedien (z. B. Internetseite der Gesellschaft) in Betracht (siehe auch § 25 Satz 2). In der Praxis wird meist lediglich der Bundesanzeiger für sämtliche Bekanntmachungen der Gesellschaft bestimmt. 9.
Weitere notwendige Bestimmungen der Satzung
51 Die Vorgaben des Aktienrechts zum notwendigen Mindestinhalt der Satzung sind nicht abschließend (siehe etwa die Festsetzungen nach § 26 Abs. 1 und 2 sowie § 27 Abs. 1). Weitere Angaben, die zwingend in der Satzung der Gesellschaft enthalten sein müssen ergeben sich insbesondere aus den im Einzelfall anwendbaren Spezialgesetzen (z. B. für Freiberufler nach Berufsrecht, Immobilienaktiengesellschaften nach dem REITG56), Investmentaktiengesellschaften nach dem KAGB oder Verwertungsgesellschaften nach dem Urhebergesetz).
_____________ 52) BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 216, dazu EWiR 2002, 317 (Zetsche); LG Köln, Urt. v. 10.6.1998 – 91 O 15/98, AG 1999, 137. 53) BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 = ZIP 2002, 172, dazu EWiR 2002, 885 (Saenger) – zu dem Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds aus dem zweiköpfigen Vorstand einer mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. € ausgestatteten AG. 54) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 28; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 32; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 51. 55) Seite 1.4.2012 gibt es nur noch den elektronischen Bundesanzeiger; der Bundesanzeiger in Papierform wurde abgeschafft. Der „elektronische Bundesanzeiger“ wird seitdem nur noch als „Bundesanzeiger“ bezeichnet (BGBl. I 2011, 3044). 56) Dazu K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 52.
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Feststellung der Satzung
Das Geschäftsjahr (siehe § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB) ist zwar üblicher, aber keineswegs 52 zwingender Bestandteil der Satzung.57) VI.
Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5)
1.
Allgemeines
Die Satzung kann von den Vorschriften des AktG nur abweichen, wenn es ausdrücklich 53 zugelassen ist (§ 23 Abs. 5 Satz 1). Ergänzende Bestimmungen der Satzung sind zulässig, sofern das AktG keine abschließende Regelung enthält (§ 23 Abs. 5 Satz 2). Die Regelung beschränkt die Satzungsfreiheit im Aktienrecht (Grundsatz der Satzungs- 54 strenge, bzw. besser der Gesetzesstrenge). Die Satzungsregelungen werden in gewisser Weise standardisiert. Ungewöhnliche und überraschende Satzungsbestimmungen sind von vornherein ausgeschlossen. Ziel der Regelung ist es, die Verkehrsfähigkeit der Aktie sicherzustellen und Gläubiger und Aktionäre vor nachteiligen Satzungsregelungen zu schützen. Die Regelung wird im neueren Schrifttum vielfach kritisiert.58) Änderungen sind gleichwohl 55 (auch für nicht börsennotierte Gesellschaften) weder zu erwarten59) noch wünschenswert.60) 2.
Abweichende Satzungsregelungen (§ 23 Abs. 5 Satz 1)
Die Satzung kann von den gesetzlichen Bestimmungen des Aktienrechts nur dann ab- 56 weichen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist (§ 23 Abs. 5 Satz 1). Eine Abweichung liegt immer dann vor, wenn die Satzung etwas anderes als das AktG bestimmt. Die Befugnis zu einer abweichenden Regelung muss sich klar und eindeutig aus dem Gesetz selbst ergeben (z. B. § 108 Abs. 2 KAGB für Investmentaktiengesellschaften); bloßes Schweigen des Gesetzgebers genügt nicht. Typische Beispiele dafür sind etwa gesetzliche Regelungen, in denen es heißt „wenn die Satzung nichts anderes bestimmt“ (siehe z. B. §§ 31 Abs. 2, 151 Abs. 5 Satz 1), oder „die Satzung kann bestimmen“ (siehe z. B. §§ 24, 182 Abs. 4 Satz 2), oder die Bestimmung „anderer Mehrheiten“ (siehe z. B. §§ 133 Abs. 1 und 2, 179 Abs. 2 Satz 2) oder „weitere Erfordernisse“ (siehe z. B. §§ 133 Abs. 1, 179 Abs. 2 Satz 3) für Beschlüsse.61) Eine abweichende Satzungsregelung ist dagegen u. a. ausgeschlossen bei allen Vorschrif- 57 ten, die die Zuständigkeit der einzelnen Organe, ihre Zusammensetzung und deren innere Organisation betreffen, bei den Bestimmungen über die Rechte von Minderheiten (mit Ausnahme von § 122 Abs. 1 Satz 2) und der Verpflichtung der Verwaltungsmitglieder zur Sorgfalt und Verschwiegenheit (§§ 93, 116).62) 3.
Ergänzende Satzungsregelungen (§ 23 Abs. 5 Satz 2)
Satzungsbestimmungen, die das AktG lediglich ergänzen (und nicht von ihm abweichen) 58 müssen nicht ausdrücklich zugelassen sein. Ergänzende Satzungsregelungen sind vielmehr _____________ 57) A. A. Henssler/Strohn-E. Vetter, GesR, § 23 AktG Rz. 20. 58) S. etwa K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 53 m. w. N. 59) S. auch die Beschlüsse d. 67. DJT 2008 (www.djt.de), und das entsprechende Gutachten von Bayer, Kurzfassung in NJW 2008, Beilage Heft 21, S. 21. 60) Ähnlich A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 134; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 28. – Weitergehend Kalss/Fleischer, AG 2013, 693 (mit rechtsvergleichenden Hinweisen zum österreichischen Recht). 61) S. a. die Übersichten bei Heidel-Braunfels, AktG, § 23 Rz. 44; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 35; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 139 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 56; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 155; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 29. 62) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 = NJW 1975, 1412.
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Feststellung der Satzung
schon dann zulässig, wenn das Gesetz keine abschließende Regelung enthält (§ 23 Abs. 5 Satz 2). Das Gesetz muss nach seinem Sinn und Zweck somit für eine weiterführende Regelung offen sein. Nach der Gesetzesformulierung („es sei denn“) ist im Zweifel von der Zulässigkeit einer solchen ergänzenden Satzungsbestimmung auszugehen. 59 In manchen Gesetzesbestimmungen ist eine ergänzende Satzungsregelung ausdrücklich vorgesehen (siehe z. B. §§ 11, 25 Satz 2, 39 Abs. 2 i. V. m. §§ 262 Abs. 1 Nr. 1, 55 Abs. 1, 107 Abs. 1 Satz 1). Ergänzende Satzungsregelungen sind aber auch in anderen Fällen zulässig. Beispiele dafür sind etwa die Festlegung bestimmter persönlicher Voraussetzungen für Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats (z. B. Familienzugehörigkeit, fachliche Qualifikation, Alter, siehe §§ 76, 100 Abs. 4 und 5), die generelle Ermächtigung des Aufsichtsrats zu Fassungsänderungen der Satzung (siehe § 179 Abs. 1 Satz 2), Schiedsklauseln63) oder Gerichtsstandsvereinbarungen.64) Abschließende Regelungen enthalten dagegen u. a. §§ 107 Abs. 3 Satz 1, 241, 275.65) VII. Gründungsmängel 60 Die Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1) und die Übernahmeerklärung der Gründer (§ 23 Abs. 2) können aus unterschiedlichen Gründen mit Mängeln behaftet sein. Das Registergericht hat grundsätzlich bei jedem Mangel des Gründungsvorgangs die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen (§ 38). Im Übrigen ist die Möglichkeit solche Gründungsmängel geltend zu machen vor allem davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt dies geschieht. 61 Vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister richten sich die Rechtsfolgen von etwaigen Gründungsmängeln vor allem danach, ob die Gesellschaft bereits in Vollzug gesetzt worden ist, d. h. mit einer nach außen gerichteten Tätigkeit oder der Bildung von Gesellschaftsvermögen begonnen hat. Vor Invollzugsetzung der Gesellschaft kommen die allgemeinen Vorschriften des BGB über Willensmängel und sonstige Fehler von Rechtsgeschäften (z. B. §§ 104 ff., 116 ff., 119 ff., 134, 139 BGB, nicht aber § 139 BGB) zur Anwendung.66) Nach Invollzugsetzung der Gesellschaft kommt das Sonderrecht der fehlerhaften Gesellschaft zur Anwendung. Danach ist die fehlerhaft gegründete Gesellschaft grundsätzlich als wirksam zu behandeln und der Gesellschafter, der sich auf den Mangel beruft, muss ggf. den Weg der Auflösung und Abwicklung der Vorgesellschaft beschreiten.67) 62 Nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister haben Gründungsmängel grundsätzlich keine Wirkung mehr. Die Gesellschaft ist mit Eintragung wirksam entstanden (siehe § 41 Abs. 1). Eine Löschung oder Auflösung der Gesellschaft kommt nur ganz ausnahmsweise bei schwerwiegenden Gründungsmängeln in Betracht (siehe etwa §§ 275 ff., §§ 397 ff. FamFG).68) _____________ 63) Zu Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen s. Hauschild/Böttcher, DNotZ 2012, 577; Heskamp, RNotZ 2012, 415, und allgemein zu aktuellen Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit s. Kröll, NJW 2013, 3135. 64) BGH, Urt. v. 11.10.1993 – II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 = ZIP 1993, 1709, dazu EWiR 1994, 49 (Bork). – s. a. Hüffer, AktG, § 23 Rz. 37 f.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 57; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 161; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 30. 65) Zur Unzulässigkeit einer Satzungsbestimmung, wonach die Hauptversammlung auch in Zürich abgehalten werden kann, s. OLG Hamburg, Beschl. v. 7.5.1993 – 2 Wx 55/91, ZIP 1993, 921, dazu EWiR 1993, 943 (Bokelmann). 66) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 34; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 41; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 158 f.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 59; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 36. 67) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 35; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 41; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 160 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 59; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 37. – Krit. dazu Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 169 ff. 68) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 36 ff.; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 42; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 164 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 60 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 174 ff.; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 38.
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§ 23
Feststellung der Satzung
Die Nichtigkeit einzelner Satzungsbestimmungen (§ 241 Nr. 3) entfällt rückwirkend, 63 wenn die Gesellschaft seit mindestens drei Jahren im Handelsregister eingetragen ist (§ 242 Abs. 2 analog).69) VIII. Schuldrechtliche Nebenabreden Schuldrechtliche Nebenabreden (teilweise auch als satzungsergänzende Nebenabreden 64 bezeichnet) sind Vereinbarungen von Aktionären,70) die diese vor, bei oder nach der Gründung der Gesellschaft außerhalb der Satzungsurkunde treffen und darin ihre Rechtsverhältnisse untereinander oder ihre Rechtsverhältnisse zur Gesellschaft regeln.71) Gegenstand solcher Nebenabreden sind in der Praxis oftmals Finanzierungsbeiträge der Aktionäre (über die nach der Satzung bestehenden Einlagepflichten hinaus), Stimmbindungen (siehe aber §§ 136 Abs. 2, 405 Abs. 3 Nr. 672), Beschränkungen des Aktionärskreises durch Vorkaufs- und Vorerwerbsrechte, Andienungspflichten, Mitverkaufsrechte und -pflichten, Fragen der Besetzung und Besoldung von Vorstand und Aufsichtsrat, u. a. m.73) Ein wesentlicher Grund für den Abschluss solcher schuldrechtlicher Nebenabreden be- 65 steht darin, dass sie im Unterschied zur Satzung (§ 9 Abs. 1 HGB) nicht der Publizität des Handelsregisters unterliegen.74) Darüber hinaus können i. R. einer schuldrechtlichen Vereinbarung auch solche Regelungen getroffen werden, die aufgrund des grundsätzlich zwingenden Charakters des Aktienrechts (siehe § 23 Abs. 5) in der Satzung nicht wirksam vereinbart werden können. Schuldrechtliche Vereinbarungen können darüber hinaus deutlich einfacher und schneller als die Satzung (siehe §§ 179 ff.) an veränderte Verhältnisse angepasst oder geändert werden. Im Unterschied zur Satzung binden die schuldrechtlichen Nebenabreden allerdings nur die daran beteiligten Personen. Mit der Übertragung von Aktien gehen die Rechte und Pflichten aus der schuldrechtlichen Nebenabrede daher nicht automatisch auch auf den Erwerber über. Schuldrechtliche Nebenabreden sind im Allgemeinen zwei- oder mehrseitige Verträge, 66 mit denen aufgrund der gemeinsamen Zweckverfolgung eine Innengesellschaft des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) begründet wird.75) Schuldrechtliche Nebenabreden sind von der Satzung unabhängig. Für die Auslegung der 67 Satzung sind sie ohne Bedeutung. Schuldrechtliche Nebenabreden beeinflussen auch nicht den Inhalt oder Umfang der Treuepflicht der beteiligten Aktionäre. Hauptversammlungs_____________ 69) BGH, Urt. v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, BGHZ 144, 365 = ZIP 2000, 1294, dazu EWiR 2000, 943 (Casper) – zur Heilung einer nichtigen Bestimmung in der Ursprungssatzung einer GmbH. 70) Zur Nichtigkeit einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen einer AG und ihrem Aktionär mit der Verpflichtung zur unentgeltlichen Rückübertragung von entgeltlich erworbenen Aktien s. BGH, Urt. v. 22.1.2013 – II ZR 80/10, ZIP 2013, 263, dazu EWiR 2013, 131 (Seibt). Ausführlich dazu Cziupka/ Kliebisch, BB 2013, 715; Noack, NZG 2013, 281. 71) Grundlegend dazu (zum GmbH-Recht) BGH, Beschl. v. 15.3.2010 – II ZR 4/09, ZIP 2010, 1749, dazu EWiR 2010, 639 (Wahl/Schult) – zur Zulässigkeit einer schuldrechtlichen Nebenabrede über die Berechnung der Abfindung im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters. Ausführlich dazu Leitzen, RNotZ 2010, 566; Lieder in: Fleischer/Kalss/Vogt, S. 231 ff.; Noack, NZG 2010, 1017. 72) Zur Nichtigkeit eines Stimmbindungsvertrages wegen Verstoß gegen § 136 Abs. 2 s. OLG Oldenburg, Urt. v. 16.3.2006 – 1 U 12/05, ZEV 2007, 35 mit Anm. Reimann = RNotZ 2006, 479 mit Anm. Oppermann. 73) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 23 Rz. 52; Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 39; A. Arnold in: KölnKommAktG, § 23 Rz. 174; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 64; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 41. 74) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 40; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 173; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 65; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 189. 75) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 40; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 175; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 65.
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§ 23
Feststellung der Satzung
beschlüsse können auch dann nicht wegen eines Verstoßes gegen eine schuldrechtliche Nebenabrede angefochten werden, wenn alle Aktionäre an dieser beteiligt sind.76) IX.
Vorrats- und Mantelgesellschaften
68 Die Vorschriften über die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung gelten nach ständiger Rechtsprechung77) nicht nur in Fällen der rechtlichen, sondern auch der wirtschaftlichen Neugründung einer Kapitalgesellschaft.78) Eine wirtschaftliche Neugründung wird angenommen, wenn eine rechtliche bereits bestehende Kapitalgesellschaft erstmals (Vorratsgesellschaft)79) oder erneut (Mantelgesellschaft)80) unternehmerisch tätig wird. Entscheidend dabei ist, dass es sich bei der Gesellschaft lediglich um eine leere Hülse handelt, so dass der künftige Geschäftsbetrieb nicht an einen bereits bestehenden Geschäftsbetrieb anknüpfen kann.81) 69 In allen Fällen der wirtschaftlichen Neugründung müssen die Gründer und alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 36 Abs. 1 analog) (erneut) erklären, dass die Leistungen auf die Einlagen ordnungsgemäß erbracht worden sind und sich unverändert (oder wieder) in der endgültig freien Verfügung des Vorstands befinden (§§ 36 Abs. 2, 37 Abs. 1 analog).82) Die erforderliche Offenlegung muss gegenüber dem Registergericht in Form einer Handelsregisteranmeldung erfolgen (§ 12 HGB). Verstöße gegen die Verpflichtung zur Offenlegung führen zu einer persönlichen Haftung der Beteiligten nach den Grundsätzen der Unter-bilanzhaftung (Vorbelastungshaftung)83) sowie der Handelndenhaftung (§ 41 Abs. 1 Satz 2 analog).84)
_____________ 76) Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 41; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 176 und 180. – A. A. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 68 (auch unter Hinweis auf die – ältere – Rspr. des BGH zum GmbH-Recht). 77) Gleichwohl krit. dazu u. a. Habersack, AG 2010, 845; K. Schmidt, ZIP 2010, 857. Grundsätzlich zust. dagegen Bachmann, NZG 2011, 441; Bayer in: FS Goette, S. 15 ff. 78) Ausführlich dazu u. a. Hölters-Solveen, AktG, § 23 Rz. 44 ff.; Hüffer, AktG, § 23 Rz. 25 ff.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 23 Rz. 92 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 39 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 87 ff.; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 42 ff. 79) Grundlegend zur wirtschaftlichen Neugründung einer Vorratsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH BGH, Urt. v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158 = ZIP 2003, 251, dazu EWiR 2003, 327 (Keil). Zur Zulässigkeit der offenen Gründung einer Vorratsgesellschaft, deren Zweck sich typischerweise auf die Verwaltung eigenen Vermögens beschränkt, s. BGH, Urt. v. 16.3.1992 – II ZB 17/91, BGHZ 117, 323 = ZIP 1992, 689, dazu EWiR 1992, 673 (Kraft) – zur AG. 80) Zur wirtschaftlichen Neugründung einer Mantelgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH BGH, Urt. v. 7.7.2003 – II ZB 4/02, BGHZ 155, 318 = ZIP 2003, 1698, dazu EWiR 2005, 179 (Werner). 81) S. BGH, Beschl. v. 18.1.2010 – II ZR 61/09, ZIP 2010, 621, dazu EWiR 2010, 611 (Schmitz-DuMont) – keine wirtschaftliche Neugründung bei gestreckter Umsetzung des Gründungsvorgangs. 82) Zu Art und Umfang der erforderlichen Prüfung einer wirtschaftlichen Neugründung (§§ 32 ff. analog) und der dem Registergericht einzureichenden Berichte s. insbesondere Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 23 Rz. 47, sowie Heinze, BB 2012, 67; Winnen, RNotZ 2013, 389. 83) S. dazu im Zusammenhang mit der unterlassenen Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung einer Mantelgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, BGH, Urt. v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, ZIP 2012, 817, dazu EWiR 2012, 347 (Bayer). – Ausführlich dazu Bachmann, NZG 2012, 579; Gottschalk, DStR 2012, 1458; Horn, DB 2012, 1255; Jeep, NZG 2012, 1209; Kuszlik, GmbHR 2012, 882; Podewils, GmbHR 2012, 1175; Tavakoli, NJW 2012, 1855; Ulmer, ZIP 2012, 1265; Winnen, RNotZ 2013, 389. 84) Zur Haftung des Vormanns eines ausgeschlossenen Aktionärs für die rückständige Einlage bei wirtschaftlicher Neugründung LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 5699/11, ZIP 2012, 2152.
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§ 24
Umwandlung von Aktien
§ 24 Umwandlung von Aktien Die Satzung kann bestimmen, daß auf Verlangen eines Aktionärs seine Inhaberaktie in eine Namensaktie oder seine Namensaktie in eine Inhaberaktie umzuwandeln ist. Literatur: Bungert/Wettich, Kleine Aktienrechtsnovelle 2011 – Kritische Würdigung des Referentenentwurfs aus Sicht der Praxis, ZIP 2011, 160; Dieckmann/Nolting, Aktienrechtsnovelle 2011, NZG 2011, 6; Drinhausen/Keinath, Referentenentwurf einer „kleinen Aktienrechtsnovelle“, BB 2011, 11; Drygala, Nur noch Namensaktien für die nicht börsennotierten Aktiengesellschaften?, ZIP 2011, 798; Huep, Die Renaissance der Namensaktie – Möglichkeiten und Probleme im geänderten aktienrechtlichen Umfeld, WM 2000, 1623; Nikoleyczik, Aktienrechtsnovelle 2011 – Neues zum Beschlussmängelrecht und zur Namensaktie, GWR 2010, 594; Noack, Aktienrechtsnovelle 2011, DB 2010, 2657; Noack, Die Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien, in: Festschrift für Gerold Bezzenberger, 2000, S. 291; U. H. Schneider/Müllervon Pilchau, Vollrechtstreuhänder als Namensaktionäre – die Pflicht zur Offenlegung und deren Auslandswirkung, WM 2011, 721.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Voraussetzungen der Aktienumwandlung ...................................... 6 I.
III. Durchführung der Aktienumwandlung ...................................... 9
Überblick
In der Satzung einer AG ist zwingend anzugeben, ob die Aktien auf den Inhaber oder auf 1 den Namen ausgestellt werden (§§ 23 Abs. 3 Nr. 5, 10 Abs. 1). Die Wahl zwischen Inhaber- und Namensaktien steht im freien Ermessen der Gründer. Bei börsennotierten AG sind Inhaberaktien die dominierende Aktienart. Dagegen sind bei Familiengesellschaften und nicht börsennotierten AG vor allem Namensaktien verbreitet. Gründe dafür sind u. a. die Möglichkeit der Ausgabe von Aktien schon nach Leistung der Mindesteinlage (§ 10 Abs. 2), Vinkulierung der Aktien (§§ 68 Abs. 2, 180 Abs. 2), Vereinfachung der Einberufung zur Hauptversammlung (§ 121 Abs. 4 Satz 2), Entsenderecht in den Aufsichtsrat (§ 101 Abs. 2 Satz 2) und Erleichterung des direkten Kontakts mit Aktionären (Investor Relations).1) Inhaber- und Namensaktien begründen keine unterschiedlichen Mitgliedschaftsrechte 2 (i. S. von § 11). Inhaberaktien sind Inhaberwertpapiere, die die Mitgliedschaftsrechte verbriefen, ohne den Namen des Berechtigten zu nennen. Berechtigt ist der jeweilige Inhaber der Urkunde (siehe §§ 793 ff. BGB analog). Namensaktien sind geborene Orderpapiere. Der Berechtigte ist in der Aktienurkunde namentlich genannt oder durch eine Kette von Indossamenten ausgewiesen (siehe § 68 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 13 Abs. 2 WG). Im Verhältnis zur Gesellschaft ist für die Legitimation die Eintragung im Aktienregister maßgebend (§ 67 Abs. 2). Im Regelfall erfolgt die Umwandlung von Aktien durch eine Satzungsänderung (§ 23 3 Abs. 3 Nr. 5 i. V. m. §§ 179 ff.).2) Die Hauptversammlung kann die (vollständige oder teilweise) Umwandlung von Namensaktien in Inhaberaktien oder von Inhaberaktien in Namensaktien beschließen. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst (§ 179 Abs. 2) _____________ 1) 2)
Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 28; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 24 Rz. 1. Hölters-Solveen, AktG, § 24 Rz. 4.
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§ 24
Umwandlung von Aktien
und der einfachen Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1). Die Zustimmung von der Umwandlung betroffener Aktionäre ist dagegen nicht erforderlich, da es sich nicht um Aktien unterschiedlicher Gattungen handelt (siehe § 179 Abs. 3 i. V. m. § 11) und den Aktionären kein Sonderrecht (i. S. von § 35 BGB) auf Beibehaltung der jeweiligen Aktienart zusteht.3) Die Satzungsänderung wird mit Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 181 Abs. 3). Die Umwandlung der Aktien muss sodann aber noch gesondert durchgeführt werden. Dies geschieht in der Regel durch Ausgabe neuer Aktienurkunden und Rückgabe der alten Aktienurkunden (bzw. hilfsweise durch Kraftloserklärung, § 73).4) Die Umwandlung ist zudem im Aktienregister einzutragen (§ 67). Die Kosten für die Umwandlung trägt die Gesellschaft. 4 Die Umwandlung von Aktien ist aber nicht nur im Wege der Satzungsänderung, sondern auch auf Verlangen eines Aktionärs möglich (§ 24). Dies setzt aber voraus, dass in der Satzung ein entsprechender Umwandlungsanspruch des Aktionärs begründet ist und dieser die Umwandlung auch tatsächlich verlangt. Ohne eine entsprechende Regelung in der Satzung steht einem Aktionär dagegen kein Recht zu, die Änderung der Aktienart zu verlangen.5) In der Praxis finden sich entsprechende Satzungsregelungen vergleichsweise selten.6) 5 Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/20137) sollte das Wahlrecht zwischen Inhaber- und Namensaktien nur noch bei börsennotierten AG bestehen. Nicht börsennotierte AG sollen zwingend Namensaktien ausgeben. II.
Voraussetzungen der Aktienumwandlung
6 Die Umwandlung von Aktien auf Verlangen eines Aktionärs setzt voraus, dass in der Satzung der Gesellschaft ein entsprechender Umwandlungsanspruch vorgesehen ist. Der Umwandlungsanspruch kann entweder bereits bei der Gründung der Gesellschaft in die Satzung aufgenommen werden oder nachträglich durch Satzungsänderung (§§ 179 ff.) geschaffen (oder aufgehoben) werden.8) In der Satzung können auch weitere Einzelheiten des Umwandlungsanspruchs geregelt werden (z. B. Umwandlung nur von Namens- in Inhaberaktien, nicht aber umgekehrt, Umwandlung nur mit Zustimmung des Vorstands, oder Umwandlungsmöglichkeit nur für einzelne Aktiengattungen). Bei der Ausgestaltung des Umwandlungsanpruchs ist allerdings stets der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre zu beachten (§ 53a). 7 Die Umwandlung der Aktien erfolgt nur auf Verlangen eines Aktionärs (§ 24). Das Verlangen ist an die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand zu richten. Besondere Formvorschriften bestehen für das Umwandlungsverlangen nicht, können aber in der Satzung geregelt werden. 8 Anspruchsberechtigt ist stets der Aktionär (und nicht auch der Nießbraucher oder Pfändungsgläubiger). Der Aktionär muss sich gegenüber der Gesellschaft durch Vorlage der Aktienurkunden oder Eintragung im Aktienregister legitimieren. _____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 24 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 24 Rz. 6; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 24 Rz. 8 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 24 Rz. 12; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 24 Rz. 5. Zur Mitwirkung der Clearstream Banking AG, Frankfurt/M. bei der Umwandlung von Aktien börsennotierter AG s. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 24 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 24 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 24 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 24 Rz. 3; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 24 Rz. 2. Spindler/Stilz-Limmer, § 24 Rz. 1. S. Einf., Rz. 24 ff. Hölters-Solveen, AktG, § 24 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 24 Rz. 2.
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§ 25
Bekanntmachungen der Gesellschaft III.
Durchführung der Aktienumwandlung
Die Umwandlung der Aktien erfolgt nicht automatisch, sondern muss (ebenso wie im 9 Falle der Umwandlung durch Satzungsänderung) erst vollzogen werden. Zuständig dafür ist der Vorstand der Gesellschaft. Die Umwandlung erfolgt durch Ausgabe der neuen Aktienurkunden und Rückgabe der alten Aktienurkunden. Im Aktienregister (§ 67) sind die bisherigen Eintragungen zu löschen (bei Umwandlung von Namens- in Inhaberaktien) oder die neuen Aktionäre einzutragen (bei Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien). Die Kosten für die Umwandlung trägt in diesem Fall nicht die Gesellschaft, sondern der Aktionär als Veranlasser (sofern die Satzung keine andere Regelung enthält).9) _____________ 9)
S. dazu Pentz in: MünchKomm-AktG, § 24 Rz. 9, der insoweit eine Satzungsregelung entspr. § 26 Abs. 2 AktG anregt.
§ 25 Bekanntmachungen der Gesellschaft 1 Bestimmt das Gesetz oder die Satzung, daß eine Bekanntmachung der Gesellschaft durch die Gesellschaftsblätter erfolgen soll, so ist sie in den Bundesanzeiger einzurücken. 2Daneben kann die Satzung andere Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen.
Literatur: Deilmann/Messerschmidt, Erste Erfahrungen mit dem elektronischen Bundesanzeiger, NZG 2003, 616; Noack, Neue Entwicklungen im Aktienrecht und moderne Informationstechnologie 2003-2005, NZG 2004, 297; Oppermann, Veröffentlichung der Hauptversammlungseinladung im elektronischen Bundesanzeiger ausreichend?, ZIP 2003, 793; Spindler/ Kramski, Der elektronische Bundesanzeiger als zwingendes Gesellschaftsblatt für Pflichtbekanntmachungen der GmbH, NZG 2005, 746; Zöllner, Vereinheitlichung der Informationswege bei Aktiengesellschaften?, NZG 2003, 354.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Pflichtgesellschaftsblatt .................... 4 I.
III. Weitere Gesellschaftsblätter ............ 8 IV. Rechtsfolgen .................................... 10
Überblick
Das AktG sieht in zahlreichen Vorschriften vor, dass bestimmte Bekanntmachungen in 1 Bezug auf die Gesellschaft in den Gesellschaftsblättern erfolgen müssen (z. B. die Einberufung der Hauptversammlung und die Tagesordnung nach §§ 121 Abs. 4 Satz 1, 124). Darüber hinaus ist auch in manchen Satzungen eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern vorgesehen. Solche gesetzlich oder satzungsgemäß vorgesehenen Bekanntmachungen (Pflichtbekanntmachungen) sind zwingend in den Bundesanzeiger (www.bundesanzeiger.de) einzurücken (§ 25 Satz 1). Auf diese Weise soll eine schnelle, zuverlässige und umfassende Information der Öffentlichkeit (nicht nur der Aktionäre) erreicht werden.1) Die Satzung kann – neben dem Bundesanzeiger – noch andere Blätter (z. B. Tageszeitungen) oder elektronische Informationsmedien (z. B. die Internetseite der Gesellschaft) als (weitere) Gesellschaftsblätter vorsehen (§ 25 Satz 2). Die Pflichtbekanntmachungen müssen dann zusätzlich auch in diese Gesellschaftsblätter eingerückt werden. _____________ 1)
Hölters-Solveen, AktG, § 25 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 25 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 25 Rz. 1.
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§ 25
Bekanntmachungen der Gesellschaft
Die Vorschrift (des § 25) betrifft nur die Pflichtbekanntmachungen, und nicht auch freiwillige Bekanntmachungen der Gesellschaft. 2 Die Satzung jeder AG muss u. a. auch Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft enthalten (§ 23 Abs. 4). Diese betrifft aber nur die freiwilligen Bekanntmachungen (und nicht auch die in § 25 geregelten Pflichtbekanntmachungen), die nicht zwingend in den Gesellschaftsblättern erfolgen müssen (z. B. Quartalsberichte).2) Die Satzung kann die Bekanntmachung insoweit frei bestimmen. Möglich ist die Bekanntmachung in einem (oder mehreren) Print- oder Online-Medium. 3 Von den Bekanntmachungen der Gesellschaft (Pflichtbekanntmachungen und freiwilligen Bekanntmachungen) sind insbesondere die Bekanntmachungen des Registergerichts zu unterscheiden (§ 10 HGB; siehe auch § 106 Halbs. 2 AktG). Das Registergericht macht von Amts wegen die Eintragungen in das Handelsregister in dem von der Landesjustizverwaltung bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationsmedium bekannt (siehe www.handelsregisterbekanntmachungen.de). Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/20133) sollte die Regelung des § 25 Abs. 2 ersatzlos gestrichen werden. II.
Pflichtgesellschaftsblatt
4 Bekanntmachungen der Gesellschaft müssen regelmäßig in den Gesellschaftsblättern erfolgen (Beispiele: §§ 20 Abs. 6, 64 Abs. 2 und 3, 73 Abs. 2 Satz 3, 97 Abs. 1, 121 Abs. 4 Satz 1, 124, 186 Abs. 2 und 5, 214 Abs. 1, 226 Abs. 2, 246 Abs. 4, 259 Abs. 5). Darüber hinaus müssen auch einzelne Bekanntmachungen der Gerichte in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden (z. B. bei gerichtlichen Entscheidungen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 99 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2). In wenigen Einzelfällen kann in der Satzung eine andere Art der Bekanntmachung bestimmt werden (z. B. für die Aufforderung von Aktionären zur Einzahlung der fälligen Einlagen nach § 63 Abs. 1 Satz 2 durch Einschreiben mit Rückschein). 5 Für eine Bekanntmachung durch die Gesellschaftsblätter ist eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger zwingend erforderlich (§ 25 Satz 1). Der Bundesanzeiger ist somit für alle AG einheitlich das Pflichtgesellschaftsblatt. Eine zusätzliche Bekanntmachung in einem anderen Medium ist grundsätzlich nicht erforderlich.4) Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Satzung (siehe § 25 Satz 2) oder das Gesetz (siehe § 186 Abs. 2 Satz 2: „in den Gesellschaftsblättern und über ein elektronisches Informationsmedium bekannt zu machen“) dies ausnahmsweise vorsehen. 6 Der (elektronische) Bundesanzeiger ist seit dem 1.1.2003 alleiniges Pflichtgesellschaftsblatt.5) Der „elektronische Bundesanzeiger“ wurde zum 1.4.2012 in „Bundesanzeiger“ umbenannt.6) Die Bezeichnung „elektronischer Bundesanzeiger“ gib es nicht mehr; in der Sache gibt es gleichwohl nur noch den elektronischen Bundesanzeiger, der jetzt allerdings schlicht „Bundeszeiger“ heißt. In älteren Satzungen wird für die Bekanntmachungen der Gesellschaft teilweise noch auf den „Bundesanzeiger“ Bezug genommen. Solche Satzungsbestimmungen sind nunmehr (wieder) zutreffend und meinen den (elektronischen) _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
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Hölters-Solveen, AktG, § 25 Rz. 1. S. Einf., Rz. 24 ff. Hüffer, AktG, § 25 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 25 Rz. 3. Änderung durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität, Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG), BGBl. I 2002, 2681. Art. 1 Nr. 8 und Art. 2 Abs. 49 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen vom 22.12.2011, BGBl. I 2011, 3044.
Thomas Wachter
§ 25
Bekanntmachungen der Gesellschaft
Bundesanzeiger.7) In neueren Satzungen wird dagegen vielfach auf den „elektronischen Bundesanzeiger“ verwiesen. Eine Änderung dieser Satzungsbestimmungen ist rechtlich nicht zwingend erforderlich, da der „elektronische Bundesanzeiger“ lediglich seine Bezeichnung geändert hat. Die Regelung ist auch eindeutig, da es den Bundesanzeiger nur noch in elektronischer Form (und nicht mehr in Papierform) gibt. Eine Anpassung der Satzung an den Gesetzeswortlaut ist aber gleichwohl möglich und regelmäßig auch empfehlenswert. Die Änderung kann dabei vom Aufsichtsrat beschlossen werden, wenn dieser zu Fassungsänderungen ermächtigt worden ist (§ 179 Abs. 1 Satz 2). Als Nachweis der erfolgten Bekanntmachung (z. B. nach § 130 Abs. 3) dient ein Aus- 7 druck aus dem Bundesanzeiger. Darüber hinaus ist auch der Hinweis auf die Internetadresse ausreichend.8) III.
Weitere Gesellschaftsblätter
Die Satzung der Gesellschaft kann (neben dem Bundesanzeiger) noch andere Blätter 8 oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen (§ 25 Satz 2). Andere Blätter sind v. a. (in- und ausländische) Tageszeitungen und Zeitschriften aller Art. Mit elektronischen Informationsmedien ist insbesondere die Internetseite der Gesellschaft gemeint (siehe auch § 124a).9) Hat die Satzung für die Bekanntmachungen der Gesellschaft (ausnahmsweise) weitere Ge- 9 sellschaftsblätter bestimmt, müssen alle Bekanntmachungen sowohl im Bundesanzeiger als auch in den weiteren Gesellschaftsblättern erfolgen. Eine Bekanntmachung ist in diesem Fall erst dann ordnungsgemäß erfolgt, wenn alle Veröffentlichungen vollständig erfolgt sind.10) Angesichts des Risikos einer unvollständigen oder nicht fristgerechten Bekanntmachung (siehe §§ 241 Nr. 1, 121 Abs. 4 Satz 1: Nichtigkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung) wird in der Praxis von dieser Möglichkeit zu Recht kaum Gebrauch gemacht.11) Freiwillige Veröffentlichungen in anderen Medien sind im Übrigen auch ohne Satzungsregelung stets möglich.12) IV.
Rechtsfolgen
Die Bekanntmachung erfolgt mit dem Einrücken in den Bundesanzeiger (§ 25 Satz 1). 10 Dies setzt voraus, dass die Bekanntmachung auf der Internetseite des Bundesanzeigers eingestellt ist und dort abgerufen werden kann.13) Dieser Tag ist grundsätzlich auch für einen etwaigen Fristbeginn maßgebend, der an die Bekanntmachung geknüpft ist (z. B.
_____________ 7) Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 25 Rz. 3; Hölters-Solveen, AktG, § 25 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 25 Rz. 3; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 25 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 25 Rz. 6; Spindler/ Stilz-Limmer, AktG, § 25 Rz. 5. 8) Hüffer, AktG, § 25 Rz. 3; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 25 Rz. 4. 9) Einschränkend h. M. – Bekanntmachungen in einer Fremdsprache nur dann, wenn dies in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist – Hölters-Solveen, AktG, § 25 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 25 Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 25 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 25 Rz. 7; Pentz in: MünchKommAktG, § 25 Rz. 11. 10) S. zur GmbH OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.11.2010 – 8 W 444/10, ZIP 2011, 84 – Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger bei abweichender Satzungsregelung nicht ausreichend. 11) Wegen der damit verbundenen Fehlerquellen von dieser Möglichkeit zu Recht abratend A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 25 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 25 Rz. 9; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 25 Rz. 2 und 6. 12) Hölters-Solveen, AktG, § 25 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 25 Rz. 4. 13) Hölters-Solveen, AktG, § 25 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 25 Rz. 2.
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§ 26
Sondervorteile. Gründungsaufwand
bei der Ladung zur Hauptversammlung nach §§ 121 Abs. 4 Satz 1, 123 Abs. 1). Hat die Satzung für Pflichtbekanntmachungen (neben dem Bundesanzeiger) ausnahmsweise jedoch noch weitere Gesellschaftsblätter bestimmt (§ 25 Satz 2), beginnt die Frist jedoch erst mit der zeitlich letzten Veröffentlichung zu laufen.14) Denn nur dann ist sichergestellt, dass die gesetzlich oder satzungsgemäß vorgesehene Frist den Aktionären auch uneingeschränkt zur Verfügung stand. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn das Gesetz für den Fristbeginn nicht auf die Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern, sondern im Bundesanzeiger abstellt (wie dies etwa in §§ 97 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 der Fall ist).15) 11 Eine fehlerhafte Bekanntmachung ist nicht wirksam und entfaltet keinerlei Rechtswirkungen (z. B. keinen Fristbeginn).16) _____________ 14) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 25 Rz. 14. 15) Weitergehend (u. a. auch für die Fälle der §§ 125 Abs. 1, 126 Abs. 1 AktG) Hölters-Solveen, AktG, § 25 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 25 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 25 Rz. 8. 16) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 25 Rz. 15.
§ 26 Sondervorteile. Gründungsaufwand (1) Jeder einem einzelnen Aktionär oder einem Dritten eingeräumte besondere Vorteil muß in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden. (2) Der Gesamtaufwand, der zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre oder an andere Personen als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird, ist in der Satzung gesondert festzusetzen. (3) 1Ohne diese Festsetzung sind die Verträge und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber unwirksam. 2Nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. (4) Die Festsetzungen können erst geändert werden, wenn die Gesellschaft fünf Jahre im Handelsregister eingetragen ist. (5) Die Satzungsbestimmungen über die Festsetzungen können durch Satzungsänderung erst beseitigt werden, wenn die Gesellschaft dreißig Jahre im Handelsregister eingetragen ist und wenn die Rechtsverhältnisse, die den Festsetzungen zugrunde liegen, seit mindestens fünf Jahren abgewickelt sind. Literatur: Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht, 2. Aufl. 2013; Diehn/Sikora/ Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht, 2013; Elsing, Gründungsaufwand und seine Höchstgrenze? § 5 GmbHG; § 26 AktG, DNotZ 2011, 245; Heinze, Kapitalerhöhungskosten im Aktienrecht, ZIP 2011, 1848; Junker, Der Sondervorteil im Sinne des § 26 AktG, ZHR 159 (1995) 207; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG), 2013.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Sondervorteile (§ 26 Abs. 1) ............ 6 III. Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) ..................................... 10 IV. Sanktionen ...................................... 17
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V. Änderung und Beseitigung der Festsetzungen in der Satzung (§ 26 Abs. 4 und Abs. 5) .................. 22 1. Änderung ......................................... 22 2. Beseitigung ....................................... 24
Thomas Wachter
§ 26
Sondervorteile. Gründungsaufwand I.
Überblick
Sondervorteile, die einem Aktionär oder einem Dritten im Zusammenhang mit der 1 Gründung der Gesellschaft eingeräumt werden, müssen zwingend in der Satzung der Gesellschaft festgesetzt werden. Entsprechendes gilt auch für den Gründungsaufwand, der zulasten der Gesellschaft an Aktionäre oder Dritte gewährt wird. Die Regelung bezweckt den Schutz von Aktionären und Gläubigern vor nicht erkenn- 2 baren Belastungen des Grundkapitals der Gesellschaft.1) Der Schutz erfolgt durch den Zwang zur Offenlegung aller Belastungen in der Satzung und damit auch im Handelsregister. Die damit verbundene Publizität muss mindestens für die Dauer von fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister gewährleistet sein. Jeder einem Aktionär oder einem Dritten eingeräumte besondere Vorteil (Sondervorteil) 3 muss in der Satzung unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden (§ 26 Abs. 1). Ebenso muss der Gesamtaufwand, der zulasten der Gesellschaft an Aktionäre als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung der Gesellschaft gewährt wird (Gründungsaufwand), in der Satzung gesondert festgesetzt werden (§ 26 Abs. 2). Verträge über Sondervorteile und Gründungsaufwand sowie die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung sind ohne diese Festsetzungen in der Satzung der Gesellschaft gegenüber unwirksam (§ 26 Abs. 3 Satz 1). Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister kann die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden (§ 26 Abs. 3 Satz 2). Die Satzungsbestimmungen über die Festsetzung können erst nach Ablauf von fünf bzw. dreißig Jahren aufgehoben oder beseitigt werden (§ 26 Abs. 4 und 5). Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Festsetzungen über etwaige Sondervorteile und 4 den Gründungsaufwand sind Gegenstand der Gründungsprüfung (§ 34 Abs. 1 Nr. 1). Der Handelsregisteranmeldung sind die Verträge über Sondervorteile sowie eine Berechnung des Gründungsaufwands als Anlagen beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 2). Im Rahmen der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister unterliegen die Belastungen somit auch der registergerichtlichen Präventivkontrolle (§ 38 Abs. 1). Die Regelung (des § 26, nicht aber auch § 37 Abs. 4 Nr. 2) gilt für die GmbH ent- 5 sprechend.2) II.
Sondervorteile (§ 26 Abs. 1)
Sondervorteile sind Vorteile jeglicher Art, die einzelnen oder mehreren Aktionären oder 6 Dritten im Zusammenhang mit der Gründung eingeräumt werden (§ 26 Abs. 1 und Abs. 3).3) Die Sondervorteile stehen den jeweiligen Berechtigten persönlich zu und sind keine Mitgliedschaftsrechte (etwa i. S. von § 11 Satz 1 AktG oder § 35 BGB). Sonderrechte können demnach unabhängig von der Aktie übertragen werden (siehe §§ 399, 413 BGB). Nach dem Normzweck – Schutz der Gesellschaft vor Vorbelastungen – sind nur solche Vorteile erfasst, die zumindest auch von der Gesellschaft (und nicht nur von den Aktio-
_____________ 1)
2) 3)
Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 26 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 2; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 26 Rz. 3 ff.; Spindler/ Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 1. Grundlegend BGH, Beschl. v. 20.2.1989 – II ZB 10/88, BGHZ 107, 1 = ZIP 1989, 448, dazu EWiR 1989, 479 (Hüffer). Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 4 f.
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Sondervorteile. Gründungsaufwand
nären) zu erbringen sind.4) Vertragliche Ansprüche begründen keine Sondervorteile, wenn Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. 7 Beispiele für Sondervorteile sind etwa Warenbezugsrechte, Umsatzprovisionen, Vorrechte am Gewinn oder Liquidationserlös, Erwerbs-, Vorkaufs- und Wiederkaufsrechte, überhöhter Gründungsaufwand (i. S. von § 26 Abs. 2) oder Informationsrechte.5) Kein Sonderrecht in diesem Sinn ist das Recht zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat (insoweit ist § 101 Abs. 2 vorrangig).6) 8 Die wirksame Vereinbarung von Sondervorteilen setzt in formeller Hinsicht voraus, dass sie in der Satzung genau und insbesondere auch unter Bezeichnung des Berechtigten festgesetzt werden (§ 26 Abs. 1).7) In materieller Hinsicht dürfen Sondervorteile nicht gegen die zwingenden Vorschriften des Aktienrechts verstoßen (siehe insbesondere §§ 57 Abs. 1 und 2, 84; zu sachwidrigen Vorteilen siehe auch § 243 Abs. 2).8) 9 Verträge, die den Festsetzungen über Sondervorteile zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen werden, müssen der Handelsregisteranmeldung als Anlage beigefügt werden, aber nicht in die Satzung aufgenommen werden.9) Die Wirksamkeit dieser Verträge richtet sich im Übrigen nach den allgemeinen Vorschriften (siehe § 26 Abs. 3 Satz 1). Das Aktienrecht sieht insoweit insbesondere keine besonderen Formvorschriften vor. III.
Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2)
10 Der Gesamtaufwand, der zulasten der Gesellschaft an Aktionäre oder an andere Personen als Entschädigung (Gründungsentschädigung) oder als Belohnung (Gründerlohn) für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird, ist in der Satzung der Gesellschaft gesondert festzusetzen (§ 26 Abs. 2). Der Gründungsaufwand setzt sich aus der Gründungsentschädigung und dem Gründerlohn zusammen. 11 Gründungsentschädigung meint den Ersatz von Aufwendungen und Auslagen, die Aktionären oder Dritten bei Gründung der Gesellschaft in deren Interesse entstanden sind.10) Beispiele dafür sind die Kosten der notariellen Beurkundung, der Eintragung im Handelsregister und der Bekanntmachung, Gebühren von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Aufwendungen für einen Gründungsprüfer und etwaige im Zusammenhang mit der Gründung anfallende Steuern (z. B. Grunderwerbsteuer bei der Sacheinlage von Grundstücken oder Grundstücksgesellschaften). Nicht als Gründungsentschädigung anzusehen sind demgegenüber die Kosten der Ingangsetzung des Unternehmens sowie die erste Vergütung des Vorstands11) oder Aufsichtsrats. _____________ 4) Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 3; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 26 Rz. 6; K. Schmidt/LutterSeibt, AktG, § 26 Rz. 4; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 26 Rz. 9. – A. A. insoweit wohl Hüffer, AktG, § 26 Rz. 2; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 2 – gleichgültig, ob die Gesellschaft oder die Aktionäre verpflichtet werden. 5) Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 3 und 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 6. 6) A. A. insoweit Hüffer, AktG, § 26 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 7. Offengelassen von Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 4; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 3. 7) Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 26 Rz. 6; Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 10; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 5. 8) Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 8 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 26 Rz. 13 ff.; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 4. 9) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 10. 10) Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 5; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 26 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Seibt, § 26 Rz. 14; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 8. 11) BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 47/02, ZIP 2004, 1409, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala).
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§ 26
Sondervorteile. Gründungsaufwand
Gründerlohn ist jede geldwerte Vergütung für die Mitwirkung bei der Gründung der Ge- 12 sellschaft oder ihrer Vorbereitung. Dazu gehören bspw. Honorare von Unternehmensberatern und Kosten für Bewertungsgutachten. Der von der Gesellschaft zu tragende Gründungsaufwand12) ist in der Satzung fest- 13 zusetzen (§ 26 Abs. 2).13) Dabei muss der gesamte Gründungsaufwand ziffernmäßig in Euro angegeben werden.14) Die Höhe des Gesamtaufwands ist nicht begrenzt, insbesondere auch nicht auf einen bestimmten Prozentsatz (von etwa 10 %) des Grundkapitals.15) Allerdings müssen die Angaben zum Gründungsaufwand stets zutreffend sein und dem Registergericht ggf. auch nachgewiesen werden können. Überhöhter Gründungsaufwand ist zudem ein Sondervorteil (i. S. von § 26 Abs. 1), der in der Satzung unter Angabe des Berechtigten genau festgesetzt werden muss. Die im Zusammenhang mit der Gründung einer AG kraft Gesetzes anfallenden Kosten 14 und Steuern lassen sich im Allgemeinen anhand von Gesetzen und Gebührentabellen ermitteln. Die bei der Bargründung einer AG mit einem Grundkapital von 50.000 € anfallenden Kosten betragen heute (je nach Einzelfall) regelmäßig unter 1.000 €.16) Bei den gesetzlich nicht zwingend vorgeschriebenen Aufwendungen (z. B. Beratungs- 15 honoraren und Gutachterkosten) kann es sein, dass diese im Zeitpunkt der Gründung noch nicht genau feststehen. In diesem Fall ist eine Schätzung notwendig und zulässig. Die Schätzung muss aber stets angemessen und nachvollziehbar sein. Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob neben dem Gesamtaufwand auch die 16 einzelnen Gründungskosten in der Satzung anzugeben sind. Die Rechtsprechung17) bejaht dies wohl und verlangt neben dem Gesamtbetrag auch „die namentliche Nennung der einzelnen Kosten, aus denen sich der Gründungsaufwand zusammensetzt“. Richtigerweise ist die Angabe der einzelnen Gründungskosten aber nicht erforderlich.18) Dafür spricht schon der Gesetzeswortlaut, der lediglich die Festsetzung des „Gesamtaufwands“ verlangt (§ 26 Abs. 2). Eine genaue Berechnung des Gründungsaufwands (samt Aufführung von Art, Höhe und Empfänger der einzelnen Vergütungen) ist der Handelsregisteranmeldung als Anlage beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 2), nicht aber in die Satzung aufzu_____________ 12) Zur Entbehrlichkeit von solchen Festsetzungen, wenn die Gesellschaft keine Gründungskosten übernimmt s. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 7.4.2010 – 20 W 94/10, ZIP 2010, 1238 – zur GmbH. 13) Zur erstmaligen Übernahme des Gründungsaufwands für die wirtschaftliche Neugründung einer Vorrats-AG durch die Gesellschaft i. R. einer Satzungsänderung s. OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.10.2012 – 8 W 218/12, ZIP 2013, 164. 14) Zum GmbH-Recht s. BGH, Beschl. v. 20.2.1989 – II ZB 10/88, BGHZ 107, 1 = ZIP 1989, 448, dazu EWiR 1989, 479 (Hüffer). – OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.6.2013 – 3 W 28/13, DNotI-Report 2013, 166 – bloße Angabe einer Obergrenze i. H. von 10 % des Stammkapials ist nicht ausreichend. 15) S. Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 11; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 9. 16) Die Kosten der Beurkundung richten sich seit dem 1.8.2013 nach den gesetzlichen Bestimmungen des Gerichts- und Notarkostengesetzes (BGBl. I 2013, S. 2586). S. dazu u. a. die Gesamtdarstellungen von Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG). – Aktuelle Informationen dazu finden sich auch im Internet unter www.gnotkg.de. – Die genaue Höhe der Kosten ist von einer Vielzahl von Umständen abhängig (u. a. Höhe des Grundkapitals und einem etwaigen genehmigten Kapital, Einpersonen- oder Mehrpersonengründung, Eigen- oder Fremdentwürfe, Erstellung von Beschlüssen und Berichten, Vornahme einer etwaigen Gründungsprüfung, Umfang der Vollzugstätigkeit, etc.). Bei dem gesetzlichen Grundkapital von 50.000 € bewegen sich die Kosten im Allgemeinen in einer Größenordnung von ca. 500 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer. – Die Kosten der Eintragung im Handelsregister betragen nach der Handelsregistergebührenverordnung (§ 58 GNotKG) bei einer Bargründung 300 € und bei einer Sachgründung 360 €. 17) BGH, Urt. v. 29.9.1997 – II ZR 245/96, NJW 1998, 233 – zur GmbH. 18) Zutreffend Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 26 Rz. 9; Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, § 26 Rz. 16; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 9.
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Sondervorteile. Gründungsaufwand
nehmen. Schließlich spricht auch der Normzweck gegen die Notwendigkeit der Angabe der einzelnen Gründungskosten in der Satzung. Für Gläubiger und Aktionäre kommt es entscheidend darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe das Grundkapital der Gesellschaft durch den Gründungsaufwand vorbelastet ist; die konkrete Zusammensetzung des Aufwands ist dagegen ohne Bedeutung. In der Praxis sollten die einzelnen Gründungskosten neben dem Gründungsaufwand gleichwohl vorsorglich in die Satzung mit aufgenommen werden. Die Angabe der einzelnen Gründungskosten ohne den Gesamtaufwand ist unstreitig nicht ausreichend. IV.
Sanktionen
17 Die unrichtige Festsetzung von Sondervorteilen oder Gründungsaufwand in der Satzung stellt einen Errichtungsmangel dar und begründet ein Eintragungshindernis (§ 38 Abs. 1). Erlässt das Registergericht eine Zwischenverfügung, kann der Mangel nur durch einen einstimmigen und notariell beurkundeten Beschluss mit Zustimmung aller Gründer behoben werden. 18 Die Gründer (§ 46) und Vergütungsempfänger (§ 47 Nr. 1) haften der Gesellschaft für etwaige Schäden persönlich und gesamtschuldnerisch. Bei vorsätzlichem Handeln können Gründer und Organmitglieder auch strafbar sein (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 und 2). 19 Die (schuldrechtlichen und dinglichen)19) Verträge und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung sind der Gesellschaft gegenüber (nicht auch gegenüber den Gründern oder Dritten) unwirksam, wenn die Festsetzungen in der Satzung nicht ordnungsgemäß erfolgt sind (§ 26 Abs. 3 Satz 1).20) Die Gesellschaft darf demnach keine Leistungen erbringen und muss bereits erbrachte Leistungen zurückfordern. 20 Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (trotz § 38 Abs. 1) heilt die Unwirksamkeit nicht. Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ist eine Heilung selbst durch einen einstimmigen Beschluss über eine Satzungsänderung nicht mehr möglich (§ 26 Abs. 3 Satz 2).21) 21 Steuerrechtlich liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die Gesellschaft Gründungskosten übernimmt, die mangels ordnungsgemäßer Festsetzung in der Satzung zivilrechtlich von den Gründern zu tragen sind.22) V.
Änderung und Beseitigung der Festsetzungen in der Satzung (§ 26 Abs. 4 und Abs. 5)
1.
Änderung
22 Die Festsetzungen in der Satzung über Sondervorteile und den Gründungsaufwand können erst fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister geändert werden (§ 26 Abs. 4). Die Sperrfrist ist zwingend und gilt auch im Falle einer vollständigen Neufassung der Satzung. Die Fünf-Jahres-Frist entspricht der Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen Gründer und Vergütungsempfänger (§§ 46, 47 Nr. 1, 51).
_____________ 19) A. A. in Bezug auf dingliche Rechtsgeschäfte Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 11 – unter Hinweis auf das Abstraktionsprinzip. 20) Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 15; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 26 Rz. 30 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 19. 21) Hüffer, AktG, § 26 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 20. 22) BFH, Urt. v. 11.2.1997 – I R 42/96, DStRE 1997, 595; BFH, Urt. v. 11.10.1989 – I R 12/87, BStBl. II 1990, 89.
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
§ 27
Vor Ablauf der fünfjährigen Sperrfrist ist keinerlei Änderung der entsprechenden Sat- 23 zungsbestimmung möglich (§ 26 Abs. 4). Aber auch nach Ablauf der fünfjährigen Sperrfrist sind (über den Gesetzeswortlaut von § 26 Abs. 4 hinaus) nur Änderungen zugunsten der Gesellschaft (und auch nur mit Zustimmung des von der Änderung betroffenen Gläubiger) möglich. Änderungen zulasten der Gesellschaft bleiben dagegen unwirksam, da auch die entsprechenden Verträge und Rechtshandlungen dauerhaft unwirksam sind und bleiben (§ 26 Abs. 3 Satz 2).23) Etwaige Beschlüsse wären aufgrund Verstoßes gegen eine gläubigerschützende Vorschrift nichtig (§ 241 Nr. 3). 2.
Beseitigung
Die Festsetzungen in der Satzung über Sondervorteile und den Gründungsaufwand können 24 erst dann beseitigt werden, wenn die Gesellschaft dreißig Jahre im Handelsregister eingetragen ist und die Rechtsverhältnisse, die den Festsetzungen zugrunde liegen, seit mindestens fünf Jahren abgewickelt sind (§ 26 Abs. 5). Beseitigung meint im Gegensatz zur Änderung (§ 26 Abs. 4) die vollständige Streichung einer Satzungsbestimmung, die gegenstandslos geworden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die entsprechenden Rechte der Gläubiger durch Erfüllung vollständig erloschen sind (§ 362 BGB). Der Abschluss eines Erlassvertrages (§ 397 BGB) ist im vorliegenden Zusammenhang nicht als Erfüllung, sondern als eine Änderung (i. S. von § 26 Abs. 4) anzusehen.24) _____________ 23) Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 9; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 26 Rz. 36; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 22; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 14. 24) Hölters-Solveen, AktG, § 26 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 26 Rz. 10; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 26 Rz. 40; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 26 Rz. 23; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 26 Rz. 16.
§ 27 Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen (1) 1Sollen Aktionäre Einlagen machen, die nicht durch Einzahlung des Ausgabebetrags der Aktien zu leisten sind (Sacheinlagen), oder soll die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände übernehmen (Sachübernahmen), so müssen in der Satzung festgesetzt werden der Gegenstand der Sacheinlage oder der Sachübernahme, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien oder die bei der Sachübernahme zu gewährende Vergütung. 2Soll die Gesellschaft einen Vermögensgegenstand übernehmen, für den eine Vergütung gewährt wird, die auf die Einlage eines Aktionärs angerechnet werden soll, so gilt dies als Sacheinlage. (2) Sacheinlagen oder Sachübernahmen können nur Vermögensgegenstände sein, deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist; Verpflichtungen zu Dienstleistungen können nicht Sacheinlagen oder Sachübernahmen sein. (3) 1Ist eine Geldeinlage eines Aktionärs bei wirtschaftlicher Betrachtung und auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Aktionär nicht von seiner Einlageverpflichtung. 2Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. 3Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Aktionärs wird der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Ein-
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
tragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. 4Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. 5Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Aktionär. (4) 1Ist vor der Einlage eine Leistung an den Aktionär vereinbart worden, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage im Sinne von Absatz 3 zu beurteilen ist, so befreit dies den Aktionär von seiner Einlageverpflichtung nur dann, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. 2Eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung ist in der Anmeldung nach § 37 anzugeben. (5) Für die Änderung rechtswirksam getroffener Festsetzungen gilt § 26 Abs. 4, für die Beseitigung der Satzungsbestimmungen § 26 Abs. 5. Literatur: Altmeppen, Zur Haftung der Organwalter einer AG bei untauglicher Sacheinlage, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 1; Baums, Agio und sonstige Zuzahlungen im Aktienrecht, in: Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 61; Bayer, Verdeckte Sacheinlage nach MoMiG und ARUG, in: Festschrift für Rainer Kanzleiter, 2010, S. 75; Bayer/Lieder, Einbringung von Dienstleistungen in die AG, NZG 2010, 86; Bayer/Lieder, Upstream-Darlehen und Aufsichtsratshaftung, AG 2010, 885; Benecke, Die Prinzipien der Kapitalaufbringung und ihre Umgehung – Rechtsentwicklung und Perspektiven, ZIP 2010, 105; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung im reformierten GmbH-Recht (MoMiG), 2010; Binder, Mittelbare Einbringung eigener Aktien als Sacheinlage und Informationsgrundlagen von Finanzierungsentscheidungen in Vorstand und Aufsichtsrat, ZGR 2012, 757; Blasche, Verdeckte Sacheinlage und Hin- und Herzahlen, GmbHR 2010, 288; Cavin, Kapitalaufbringung in GmbH und AG, 2012; Ekkenga, Vom Umgang mit überwertigen Sacheinlagen im Allgemeinen und mit gemischten (verdeckten) Sacheinlagen im Besonderen, ZIP 2013, 541; Ekkenga, Kapitalaufbringung im konzernweiten Cash-Pool: ungelöste Probleme und verbleibende Gestaltungsspielräume, ZIP 2010, 2469; Fuhrmann, Steuerliche Aspekte des MoMiG, RNotZ 2010, 188; Habersack, Differenzhaftung und Stimmrecht des Aktionärs nach ARUG, in: Festschrift für Maier-Reimer, 2010, S. 161; Herrler, Erfüllung der Einlageschuld und entgeltliche Dienstleistungen durch Aktionäre, NZG 2010, 407; Hoffmann-Becking, Fehlerhafte offene Sacheinlage versus verdeckte Sacheinlage, in: Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, S. 237; Hofmeister, Entgeltliche Dienstvereinbarungen und Kapitalaufbringung bei Gründung der AG, AG 2010, 261; Illhardt, Die Einlagerückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, 2013; Junker/Biederbick, Die Unabhängigkeit des Unternehmensjuristen – Dürfen Organmitglieder auf den Rat der Rechtsabteilung hören?, AG 2012, 898; Kersting, Dienstabreden über die Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen durch einen Inferenten im GmbH-Recht, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 919; Kiefner/Krämer, Geschäftsleiterhaftung nach ISION und das Vertrauendürfen auf Rechtsrat – Plädoyer für eine Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze mit Augenmaß, AG 2012, 498; Kleindiek, Verdeckte (gemischte) Sacheinlage nach MoMiG: Rückwirkende Neuregelung und Wertanrechnung, ZGR 2011, 334; Kleindiek, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach MoMiG und ARUG: Zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der neuen Vorschriften, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 941; Lutter, Verdeckte Sachleistungen und Kapitalschutz, in: Festschrift für Ernst C. Stiefel, 1987, S. 505; Maier-Reimer, Die verdeckte gemischte und die verdeckt gemischte Sacheinlage, in: Festschrift für Michael HoffmannBecking, 2013, S. 755; Merkt/Mylich, Einlage eigener Aktien und Rechtsrat durch den Aufsichtsrat, NZG 2012, 525; W. Müller, Gibt es einen Grundsatz der nominalen Kapitalaufbringung?, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 835; Pentz, Die Anrechnung bei der verdeckten (gemischten) Sacheinlage, GmbHR 2010, 673; Priester, Die gemischte Sacheinlage zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, in: Festschrift für Georg Maier-Reimer, 2010, S. 525; Riegger/Gayk, Zur Dogmatik der Anrechnung nach § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
§ 27
oder zur Differenz- und (Agio-)Haftung bei der Sacheinlage, in: Festschrift für Maier-Reimer, 2010, S. 557; Roth, Die Reform der verdeckten Sacheinlage, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 853; Seibert, Die Entstehung der Regelungen zur verdeckten Sacheinlage und zum „Hin- und Herzahlen“ im MoMiG und im Aktienrecht, in: Festschrift für Georg MaierReimer, 2010, S. 673; Selter, Haftungsrisiken von Vorstandsmitgliedern bei fehlendem und von Aufsichtsratsmitgliedern bei vorhandenem Fachwissen, AG 2012, 11; Sernetz, Anrechnung und Bereicherung bei der verdeckten Sacheinlage, ZIP 2010, 2173; Stiller/Redeker, Aktuelle Rechtsfragen der verdeckten gemischten Sacheinlage, ZIP 2010, 865; Verse, (Gemischte) Sacheinlagen, Differenzhaftung und Vergleich über Einlageforderungen, ZGR 2012, 875; Vetter, Schutz gegen Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln bei der AG, Überlegungen de lege ferenda, in: Festschrift für Hans-Jürgen Hellwig, 2010, S. 373; Wagner, Die Rolle der Rechtsabteilung bei fehlenden Rechtskenntnissen der Mitglieder von Vorstand und Geschäftsführung, BB 2012, 651; Weng, Aktienrechtliche Differenzhaftung bei Sacheinlagen, DStR 2012, 862; Wieneke, Die Festsetzung des Gegenstands der Sacheinlage nach §§ 27, 183 AktG, AG 2013, 437; Wieneke, Die Differenzhaftung des Inferenten und die Zulässigkeit eines Vergleichs über ihre Höhe, NZG 2012, 136; Wolf, Die verdeckte Sacheinlage in GmbH und AG, 2013.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Sacheinlagen und -übernahmen (§ 27 Abs. 1 und Abs. 2) .................... 4 1. Sacheinlagen ........................................ 4 a) Begriff der Sacheinlage ................. 4 b) Sacheinlagefähigkeit (§ 27 Abs. 2) ................................. 5 c) Vereinbarung einer Sacheinlage ......................................... 12 d) Bewertung von Sacheinlagen ..... 15 2. Sachübernahmen ............................... 19 a) Begriff der Sachübernahme ........ 19 b) Vereinbarung einer Sachübernahme .................................. 24 3. Gemischte Sacheinlagen ................... 25 4. Mischeinlagen ................................... 26 III. Festsetzung der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen in der Satzung (§ 27 Abs. 1 und Abs. 5) .................. 27 1. Ordnungsgemäße Festsetzung in der Satzung (§ 27 Abs. 1) ................ 27 I.
2. Rechtsfolgen einer fehlerhaften Festsetzung ....................................... 3. Änderung und Beseitigung der Festsetzungen in der Satzung (§ 27 Abs. 5) ..................................... IV. Verdeckte Sacheinlagen (§ 27 Abs. 3) ..................................... 1. Einführung ........................................ 2. Tatbestand der verdeckten Sacheinlage ........................................ 3. Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage ........................................ V. Hin- und Herzahlen (§ 27 Abs. 4) ..................................... 1. Einführung ........................................ 2. Tatbestand des Hin- und Herzahlens ........................................ 3. Rechtsfolge des Hin- und Herzahlens ........................................ VI. Cash Pooling ...................................
31
33 35 35 39 46 51 51 54 63 70
Überblick
Die Gründer haben ihre Einlagen im Regelfall als Bareinlagen zu erbringen (siehe § 54 1 Abs. 2). Sacheinlagen (und Sachübernahmen) sind wegen der damit verbundenen Gefahren für die Kapitalaufbringung nur ausnahmsweise zulässig. Aus Gründen der Transparenz und der Werthaltigkeitskontrolle müssen Sacheinlagen in der Satzung ausdrücklich offengelegt („festgesetzt“) werden (§ 27 Abs. 1).1) Bei Gründungen mit Sacheinlagen _____________ 1)
Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 4 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 3 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 4 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 2 ff.
Thomas Wachter
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§ 27
Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
ist regelmäßig eine zusätzliche Prüfung durch einen externen Gründungsprüfer erforderlich (siehe §§ 33 Abs. 1 Nr. 4, 33a). Die Gründungsprüfung soll insbesondere sicherstellen, dass der Wert der Sacheinlagen auch den geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien erreicht (siehe §§ 34 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 36a Abs. 2, 38 Abs. 2 Satz 2). Die präventive Registerkontrolle bezieht sich auch und gerade auf den Wert der Sacheinlagen, um die Kapitalaufbringung zu gewährleisten (§ 38 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2). Zweck der Vorschrift ist somit vor allem der Schutz der Gläubiger und der Aktionäre vor einer unzureichenden Kapitalaufbringung. 2 Eine Sachgründung kann sowohl mit Sacheinlagen als auch durch Sachübernahmen erfolgen. Das Gesetz definiert Sacheinlagen als Einlagen, die nicht durch Einzahlung in Geld zu leisten sind (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1). Demgegenüber handelt es sich bei Sachübernahmen um die Übernahme von Vermögensgegenständen gegen eine Vergütung, die nicht in Aktien besteht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2). Beide Begriffsbestimmungen gelten für das gesamte Aktienrecht (siehe etwa §§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, 33a Abs. 1, 34 Abs. 1 Nr. 2, 36a Abs. 2, 37a Abs. 1, 38 Abs. 2 Satz 2, 54 Abs. 2, 183). Sacheinlagen und Sachübernahmen müssen in der Satzung festgesetzt werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1). Als Sacheinlagen oder Sachübernahmen kommen nur Vermögensgegenstände in Betracht, deren wirtschaftlicher Wert feststellbar ist (§ 27 Abs. 2 Halbs. 1). Verpflichtungen zu Dienstleistungen können nicht Gegenstand einer Sacheinlage oder Sachübernahme sein (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2). Verdeckte Sacheinlagen haben keine Erfüllungswirkung. Allerdings kann der Wert der Sache nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister auf die Bareinlageverpflichtung unter bestimmten Voraussetzungen angerechnet werden (§ 27 Abs. 3). Eine Bareinlage kann trotz Hin- und Herzahlen Erfüllungswirkung haben, wenn der Rückgewähranspruch vollwertig und fällig ist und dies alles gegenüber dem Handelsregister offengelegt wird (§ 27 Abs. 4). Wirksame Festsetzungen von Sacheinlagen und Sachübernahmen in der Satzung können nach Eintragung der Gesellschaft nur eingeschränkt geändert bzw. beseitigt werden (§ 27 Abs. 5). Die Regelungen über die verdeckte Sacheinlage (§ 27 Abs. 3) und das Hin- und Herzahlen (§ 27 Abs. 4) gelten bei Kapitalerhöhungen entsprechend (§§ 183 Abs. 2, 194 Abs. 2, 205 Abs. 3). 3 Die Vorschrift wurde zuletzt durch das ARUG2) erheblich geändert. Dabei wurden insbesondere die Bestimmungen über die verdeckte Sacheinlage (§ 27 Abs. 3 n. F.) und das Hin- und Herzahlen (§ 27 Abs. 4 n. F.) neu in das Gesetz eingefügt. Die beiden Regelungen entsprechen nahezu wörtlich den entsprechenden Vorschriften des GmbHGesetzes, die dort i. R. des MoMiG3) eingefügt worden waren (§ 19 Abs. 4 und 5 GmbHG). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Neuregelung im GmbH-Recht von Praxis und Wissenschaft überwiegend gut aufgenommen worden ist und hat diese daher im Wesentlichen unverändert auch in das Recht der AG übertragen.4) Beide Regelungen sollten daher grundsätzlich auch einheitlich ausgelegt werden. Allerdings sind im Aktienrecht
_____________ 2) 3)
4)
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Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/13098, S. 36 ff. Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026. S. dazu BT-Drucks. 16/9737, S. 55 f. und BT-Drucks. 16/ 6140, S. 39 ff. BT-Drucks. 16/13098, S. 36. Krit. dazu u. a. Hüffer, AktG, § 27 Rz. 24 und 34; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 1, 54 ff. und 92.
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
§ 27
(im Unterschied zum GmbH-Recht) weiterhin die Vorgaben der EU-Kapitalrichtlinie5) und die Vorschriften zur Nachgründung (§ 52) zu beachten. II.
Sacheinlagen und -übernahmen (§ 27 Abs. 1 und Abs. 2)
1.
Sacheinlagen
a)
Begriff der Sacheinlage
Das AktG kennt Bar- und Sacheinlagen (siehe § 36a). Bei Bareinlagen muss der eingefor- 4 derte Betrag in gesetzlichen Zahlungsmitteln oder durch Gutschrift auf einem Konto geleistet werden (siehe §§ 36 Abs. 2, 54 Abs. 3, 37 Abs. 1). Sacheinlagen sind demgegenüber alle Einlagen, die nicht durch Einzahlung des Ausgabebetrags der Aktien zu leisten sind (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1).6) Entscheidend ist somit, dass die Einlage nicht in Geld erfolgt. Nebenleistungen (§ 55) sind keine Sacheinlagen, weil sie nicht auf die Aktien geleistet werden. b)
Sacheinlagefähigkeit (§ 27 Abs. 2)
Sacheinlagen können nur solche Vermögensgegenstände sein, deren wirtschaftlicher Wert 5 feststellbar ist (§ 27 Abs. 2 Halbs. 1). Verpflichtungen zu Dienstleistungen können nicht Sacheinlagen sein (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2). Gegenstand einer Sacheinlage können somit nicht nur Sachen (siehe § 90 BGB: körper- 6 liche Gegenstände), sondern alle Vermögensgegenstände (z. B. auch Forderungen und Rechte) sein. Voraussetzung der Sacheinlagefähigkeit ist aber stets, dass ein wirtschaftlicher Wert des Vermögensgegenstands feststellbar ist (siehe auch §§ 252 ff. HGB). Dies ist unstreitig bei allen Vermögensgegenständen der Fall, die bilanziert werden können. Darüber hinaus kommen auch nicht bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände (siehe § 248 HGB) als Sacheinlage in Betracht, wenn ihr Wert in Geld feststellbar ist.7) Die Sacheinlage muss endgültig zur freien Verfügung des Vorstands geleistet werden 7 (siehe §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 2). Dies setzt voraus, dass die Sacheinlage übertragbar ist. Beispiele für sacheinlagefähige Vermögensgegenstände8) sind danach das Eigentum an 8 beweglichen und unbeweglichen Sachen, grundstücksgleiche Rechte (z. B. Wohnungsund Teileigentum, Erbbaurecht), beschränkt dingliche Rechte an Sachen (z. B. Dienstbarkeiten, Nießbrauchsrechte, siehe aber §§ 1059 ff. BGB), Grundpfandrechte (z. B. Grundschulden), Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften (nicht aber eigene Aktien der Gesellschaft9), Mitgliedschaftsrechte (siehe aber § 38 BGB für die Mitglied_____________ 5)
6) 7)
8) 9)
In der Neuregelung zur verdeckten Sacheinlage (s. etwa Hüffer, AktG, § 27 Rz. 24 und 34. A. A. Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 40; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 86 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 57 ff.) und zum Hin- und Herzahlen (s. etwa Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 54 f.; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 39 und 45; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 93 ff.; a. A. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 133 ff.) wird teilweise ein Verstoß gegen die EU-Kapitalrichtlinie gesehen. Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 6; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 7. Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 13 ff.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 42 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 10 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 18 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 10 ff. S. die umfangreichen Übersichten bei Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 13 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 15 ff. Zur Untauglichkeit eigener Aktien als mittelbarer Einlagegenstand bei einer Kombination von Wertpapierleihe und Sachkapitalerhöhung s. BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09 (ISION), ZIP 2011, 2097, dazu EWiR 2011, 793 (E. Vetter). Ausführlich zum Ganzen u. a. Altmeppen in: FS HoffmannBecking, S. 1 ff.; Binder, ZGR 2012, 757; Junker/Biederbick, AG 2012, 898; Kiefner/Krämer, AG 2012, 498; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525; Selter, AG 2012, 11; Wagner, BB 2012, 651.
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§ 27
Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
schaft im Verein), Immaterialgüterrechte (z. B. Patent-, Marken-, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Urheber- und Verlagsrechte sowie entsprechende Lizenzrechte, siehe aber § 29 UrhG) und Sachgesamtheiten (z. B. Unternehmen). 9 Gegenstand einer Sacheinlage können auch Forderungen gegen Dritte sein, wenn sie übertragbar sind (siehe § 399 BGB) und ihnen ein Vermögenswert zukommt. Forderungen gegen den Inferenten selbst sind dagegen (vorbehaltlich § 27 Abs. 4) nicht sacheinlagefähig, weil es dabei lediglich zu einem Austausch von Forderungen und nicht zu einer realen Kapitalaufbringung käme.10) Forderungen gegen die (Vor-)Gesellschaft (z. B. Erstattungsanspruch wegen verauslagter Gründungskosten oder übernommener Schulden der Gesellschaft) können als Sacheinlage (nicht auch als Bareinlage) in die Gesellschaft eingebracht werden.11) Diese erlöschen dann durch Konfusion bzw. Erlassvertrag. 10 Obligatorische Nutzungsrechte (z. B. an einem Grundstück) können Gegenstand einer Sacheinlage sein, wenn die Dauer des Nutzungsrechts feststeht,12) die Gesellschaft den Besitz an dem Gegenstand erlangt und das Nutzungsrecht nicht einseitig nach Belieben entzogen werden kann (z. B. auch nicht durch Insolvenz oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen).13) Dagegen kommt es für die Sacheinlagefähigkeit nicht darauf an, ob sich das Nutzungsrecht gegen den Inferenten oder einen Dritten richtet. 11 Nicht Gegenstand einer Sacheinlage können Verpflichtungen zu Dienstleistungen sein (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2).14) Dies gilt unabhängig davon, ob die Dienstleistung von einem Dritten oder dem Inferenten geschuldet wird. Der Grund dafür, dass Dienstleistungen als Sacheinlagen ausscheiden, besteht vor allem darin, dass ihre zwangsweise Durchsetzung schwierig ist (siehe §§ 887, 888 Abs. 3 ZPO) und damit die reale Kapitalaufbringung gefährdet wäre.15) c)
Vereinbarung einer Sacheinlage
12 Die wirksame Vereinbarung einer Sacheinlage setzt zunächst voraus, dass die Sacheinlage in der Satzung ordnungsgemäß festgesetzt wird (§ 27 Abs. 1 Satz 1). 13 Daneben wird regelmäßig eine schuldrechtliche Sacheinlagevereinbarung geschlossen, in der sich der Inferent verpflichtet, die vereinbarte Sacheinlage in die Gesellschaft einzubringen (siehe § 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1: Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen).16) Dabei handelt es sich nicht nur um einen schuldrechtlichen Vertrag, sondern _____________ 10) Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 9; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 59 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 15; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 26; Spindler/Stilz-Heidinger/ Benz, AktG, § 27 Rz. 26. 11) Hüffer, AktG, § 27 Rz. 18; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 54 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 16; Pentz in: MünchKomm-AktG, AktG, § 27 Rz. 29; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 24. 12) Der BGH stellt allein darauf ab, dass die Nutzungsdauer in Form einer festen Laufzeit oder als konkret bestimmte Mindestdauer feststeht. Zum Aktienrecht s. BGH, Urt. v. 15.5.2000 – II ZR 359/98, BGHZ 144, 290 = ZIP 2000, 1162, dazu EWiR 2000, 941 (Hirte) – zur Sacheinlage von obligatorischen Nutzungsrechten, deren Gegenstand die Verwertung der Namen und Logos von Sportvereinen ist. Zum GmbH-Recht BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 121/02, ZIP 2004, 1642 – zur Sacheinlage eines obligatorischen Nutzungsrechts in Form eines Unterpachtvertrages. 13) Ähnlich Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 17; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 31; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 33. 14) Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 18. Weitergehend für Dienstleistungen von Dritten Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 30 ff. 15) Grundlegend BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder); BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 16) Dazu Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 7 ff.
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§ 27
zugleich auch um einen materiellen Bestandteil der Satzung der Gesellschaft (siehe § 23 Abs. 2).17) Etwaige Formvorschriften für die Verpflichtung zur Übertragung einer Sache (z. B. § 311b Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 4 GmbHG) werden aufgrund der notariellen Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1) gewahrt. Bei etwaigen Mängeln und Leistungsstörungen werden die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch die Grundsätze der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung überlagert.18) Im Zweifel muss der Inferent daher eine Bareinlage in entsprechender Höhe erbringen. Schließlich bedarf es zur Erfüllung der Sacheinlageverpflichtung noch eines Vollzugs- 14 geschäfts, das in der Praxis meist als Einbringungsvertrag bezeichnet wird (siehe § 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1: Verträge, die zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind). Die dingliche Übertragung der Sacheinlage auf die Gesellschaft richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts (z. B. §§ 929 ff. BGB für bewegliche Sachen, §§ 873, 925 BGB für Grundstücke, §§ 398 ff., 413 BGB für Forderungen und Rechte, § 15 Abs. 3 GmbHG für GmbH-Geschäftsanteile, § 68 für vinkulierte Namensaktien). Das Vollzugsgeschäft kann bereits in die notarielle Gründungsurkunde aufgenommen werden oder später gesondert zwischen der (Vor-)Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand und dem Inferenten abgeschlossen werden (zur umstrittenen Frage der Fälligkeit von Sacheinlagen siehe § 36a Rz. 8 ff.). d)
Bewertung von Sacheinlagen
Der Wert der Sacheinlage muss dem geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1) und bei 15 Ausgabe der Aktien zu einem höheren Betrag auch dem Betrag entsprechen (§ 36a Abs. 2 Satz 3). Das Verbot der Unterpariemission gilt somit auch für Sacheinlagen. Die Bewertung jeder Sacheinlage hat nach allgemein anerkannten Vorschriften (z. B. 16 Grundsätze des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V., Düsseldorf für die Bewertung von Unternehmen) zu erfolgen.19) Der Wert ist anhand objektiver Kriterien zu ermitteln.20) Maßgebend ist der tatsächliche Verkehrswert. Wertbestimmungen des Inferenten sind nicht maßgebend. Bewertungsstichtag ist der Tag der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister (§ 9 Abs. 1 Satz 1 GmbHG analog).21) Eine Überbewertung von Sacheinlagen ist unzulässig. Die Überbewertung begründet, 17 sofern sie nicht nur unwesentlich ist, ein Eintragungshindernis (§ 38 Abs. 2 Satz 2). Eine Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ist nur dann möglich, wenn der Inferent die Wertdifferenz in Form einer Bareinlage aufbringt.22) Die Gesellschaft hat gegen den Inferenten einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf baren Wertausgleich (§ 9 Abs. 1 GmbHG analog). Durch die Bareinlage wird die Sacheinlageverpflichtung dann insoweit erfüllt, als die Sacheinlage nicht werthaltig ist. Die Differenzhaftung sichert _____________ 17) S. BGH, Urt. v. 12.3.2007 – II ZR 302/05, BGHZ 171, 293 = ZIP 2007, 1104 – Vereinbarung einer Sacheinlage als körperschaftliches Hilfsgeschäft. 18) Ausführlich dazu A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 16 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 44 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 47 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 82 ff. 19) Zur Bewertung einzelner Vermögensgegenstände s. Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 11; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 69 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 20; Pentz in: MünchKommAktG, § 27 Rz. 37; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 35 ff. 20) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 19. 21) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 67; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 21; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 38; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 34. 22) Im Einzelnen umstritten, s. Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 12; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 73 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 23 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 40 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 42 und 44 ff.
Thomas Wachter
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§ 27
Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung und ist daher zwingend. Abweichende Vereinbarungen zulasten der Gesellschaft sind unzulässig. Die geänderte Form der Kapitalaufbringung ist gegenüber dem Registergericht in Form einer Handelsregisteranmeldung offenzulegen (siehe §§ 36 Abs. 1, 36a, 37 Abs. 1). Mit dieser Ergänzung ist die Gesellschaft dann ordnungsgemäß errichtet und kann in das Handelsregister eingetragen werden. 18 Eine Unterbewertung von Sacheinlagen ist gleichfalls unzulässig, da die willkürliche Bildung stiller Reserven verhindert werden soll. Ein etwaiger Mehrwert der Sacheinlage ist vielmehr als Kapitalrücklage auszuweisen (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB i. V. m. § 150 AktG).23) 2.
Sachübernahmen
a)
Begriff der Sachübernahme
19 Eine Sachübernahme liegt vor, wenn die Gesellschaft von dem Gründer oder einem Dritten Vermögensgegenstände gegen Vergütung (und nicht gegen Gewährung von Aktien) übernimmt (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2).24) Gegenstand einer Sachübernahme können alle Vermögensgegenstände sein, die auch als Sacheinlage in Betracht kommen. Das Vorliegen einer Verrechnungsabrede ist keine zwingende Voraussetzung für eine Sachübernahme (zur Unzulässigkeit der Aufrechnung siehe § 66 Abs. 1 Satz 2). 20 Der wesentliche Unterschied zwischen Sacheinlagen und Sachübernahmen besteht in der Gegenleistung: bei Sacheinlagen besteht die Gegenleistung in Aktien, bei Sachübernahmen dagegen in anderen Bar- oder Sachleistungen, nicht aber in Aktien. An einer Sacheinlagevereinbarung kann nur ein Gründer (nicht auch ein Dritter) beteiligt sein. Dagegen kann Partei einer Sachübernahmevereinbarung sowohl ein Gründer als auch ein Dritter sein, da die Sachübernahme nicht mit einer Einlageverpflichtung zusammenhängt. 21 Zeitlich muss die Sachübernahme bereits im Stadium der Vorgründung, d. h. vor der notariellen Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1) vereinbart worden sein. Für Geschäfte der Vorgesellschaft gilt die Vorschrift nach Wortlaut und Normzweck dagegen nicht.25) Der Schutz der Kapitalaufbringung wird insoweit durch die Unterbilanzhaftung und die Gründerhaftung (§§ 46 ff.) ausreichend gewährleistet. 22 Die Übernahme von Vermögensgegenständen durch die Gesellschaft ohne jede Gegenleistung ist keine Sachübernahme und muss nicht in der Satzung festgesetzt werden. Die Kapitalaufbringung ist in diesem Fall auch nicht gefährdet. 23 Eine fingierte Sacheinlage (§ 27 Abs. 1 Satz 2) liegt vor, wenn die von der Gesellschaft für die Übernahme eines Vermögensgegenstands gewährte Vergütung auf die Bareinlage angerechnet werden soll (siehe dann § 36a Abs. 2). b)
Vereinbarung einer Sachübernahme
24 Die Sachübernahme muss in der Satzung festgesetzt werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1). Daneben bedarf es (wie bei der Sacheinlage) einer schuldrechtlichen Sachübernahmevereinbarung und eines dinglichen Vollzugsgeschäfts (siehe auch § 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1).26) Für die _____________ 23) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 68; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 22; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 39. – A. A. Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 43 – unter Hinweis auf die Änderung der Bilanzierungsvorschriften durch das BilMoG. 24) Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 27; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 49 ff. 25) Hüffer, AktG, § 27 Rz. 5a; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 27. 26) Ausführlich dazu Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 16; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 30 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 56 ff.
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Thomas Wachter
Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
§ 27
Bewertung der übernommenen Gegenstände gelten die gleichen Grundsätze wie für Sacheinlagen. 3.
Gemischte Sacheinlagen
Bei der gemischten Sacheinlage handelt es sich um eine Kombination von Sacheinlage und 25 Sachübernahme.27) Dabei wird der Gesellschaft ein Vermögensgegenstand übertragen, dessen Wert den Betrag der übernommenen Einlage übersteigt. Der Inferent erhält als Gegenleistung zum Teil Aktien und zum Teil sonstige Bar- oder Sachleistungen (z. B. Bargeld, Darlehensforderung gegen die Gesellschaft). In der Praxis kommen gemischte Sacheinlagen vor allem bei der Einbringung von Unternehmen vor, da der maßgebliche Unternehmenswert bei der Festlegung des Ausgabebetrags der Aktien noch nicht feststeht. Gemischte Sacheinlagen werden einheitlich nach den Regeln der Sacheinlage behandelt. 4.
Mischeinlagen
Von der gemischten Sacheinlage ist die Mischeinlage (gemischte Einlage) zu unterscheiden. 26 In diesem Fall hat der Inferent auf die Aktie sowohl eine Bar- als auch eine Sacheinlage zu leisten.28) Jede Einlage wird nach den für sie geltenden Regeln behandelt (für Bareinlagen: §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1, und für Sacheinlagen: § 36a Abs. 2). III.
Festsetzung der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen in der Satzung (§ 27 Abs. 1 und Abs. 5)
1.
Ordnungsgemäße Festsetzung in der Satzung (§ 27 Abs. 1)
Sacheinlagen und Sachübernahmen müssen in der Satzung festgesetzt werden (§ 27 Abs. 1 27 Satz 1).29) Sie werden damit offengelegt (offene Sacheinlage im Unterschied zur verdeckten Sacheinlage) und sind im Handelsregister für jedermann einsehbar (§ 9 Abs. 1 HGB). In der Satzung müssen dabei jeweils folgende Angaben aufgenommen werden:
28
–
der (genau bezeichnete) Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme (nicht aber unbedingt auch deren Wert),
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die (genau bezeichnete) Person des Inferenten bzw. des Veräußerers (jeweils auch mit Name, Vorname und Anschrift bzw. Firma und Sitz, siehe § 23 Abs. 2 Nr. 1), bei Sacheinlagen: bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag, und bei Stückaktien die Zahl der zu gewährenden Aktien, und der Ausgabebetrag der Aktien (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2), bei Sachübernahmen: die Art und Höhe der zu gewährenden Vergütung.
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Alle Angaben müssen so umfassend sein, dass sich jedermann allein anhand der Satzung 29 einen verlässlichen Eindruck von der Kapitalausstattung der Gesellschaft machen kann.30) _____________ 27) Zur Abgrenzung bei einer Sachkapitalerhöhung s. BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock Borsig), BGHZ 191, 364 = ZIP 2012, 73, dazu EWiR 2012, 129 (Vosberg/Klawa). Zu einer – verdeckten – gemischten Sacheinlage nach ARUG s. BGH, Urt. v. 22.3.2010 – II ZR 12/08 (AdCoCom), BGHZ 185, 44 = ZIP 2010, 978, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel), und vor ARUG s. BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145 = ZIP 2007, 1751, dazu EWiR 2009, 557 (Goslar); BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 176/05 (Warenlager), BGHZ 170, 47 = ZIP 2007, 178, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert). Ferner Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 19; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 8; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 31; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 64 f. 28) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 32; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 66. 29) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 33; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 69; Spindler/ Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 67 ff. 30) Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 20 ff.; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 9 f.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 36 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 33 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 27 Rz. 70 ff.
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§ 27
Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
30 Die Angaben müssen in der Satzung selbst enthalten sein. Nach h. M. soll es (trotz § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG) nicht genügen, wenn die Angaben in einer mitbeurkundeten Anlage zur Satzung enthalten sind.31) 2.
Rechtsfolgen einer fehlerhaften Festsetzung
31 Vor Inkrafttreten des ARUG waren die Verträge über Sacheinlagen und Sachübernahmen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung ohne eine ordnungsgemäße Festsetzung in der Satzung unwirksam (§ 27 Abs. 3 a. F.). Diese Regelung wurde nunmehr ersatzlos gestrichen. Im Zusammenhang mit der Neuregelung der verdeckten Sacheinlage ist jetzt ausdrücklich bestimmt worden, dass die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam sind (§ 27 Abs. 3 Satz 2 n. F.). Die Rechtsfolgen von anderen Fällen einer nicht ordnungsgemäß festgesetzten Sacheinlage bzw. Sachübernahme sind dagegen nicht geregelt.32) 32 Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die nicht ordnungsgemäße Festsetzung von Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen die Wirksamkeit der Beitrittserklärungen der Gründer unberührt lässt. Die Verstöße stellen aber weiterhin ein zwingendes Eintragungshindernis dar (§ 38 Abs. 1 Satz 2). Darüber hinaus können die nicht ordnungsgemäßen Festsetzungen Schadensersatzansprüche begründen (§§ 46 ff.) und im Einzelfall auch strafbar sein (§ 399 Abs. 1 Nr. 1).33) Wird die Gesellschaft allerdings im Handelsregister eingetragen, ist die Gesellschaft wirksam entstanden. Der Wert der eingebrachten Vermögensgegenstände ist dann auf die Bareinlageforderung der Gesellschaft anzurechnen (§ 27 Abs. 3 Satz 3). 3.
Änderung und Beseitigung der Festsetzungen in der Satzung (§ 27 Abs. 5)
33 Bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister können die Festsetzungen über die Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen stets geändert werden.34) Zudem können fehlende Festsetzungen erstmals in die Satzung aufgenommen werden und fehlerhafte Festsetzungen berichtigt werden. Jede Änderung bedarf stets einer ergänzenden Feststellung der Satzung in notariell beurkundeter Form sowie der Zustimmung aller Gründer (siehe § 23 Abs. 1). 34 Nach Eintragung der Gesellschaft können wirksame Festsetzungen über Sacheinlagen und Sachübernahmen im Interesse der langfristigen Satzungspublizität nur eingeschränkt geändert bzw. beseitigt werden.35) Änderungen sind erst fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister möglich (§ 27 Abs. 5 i. V. m. § 26 Abs. 4). Eine Beseitigung der Satzungsfestsetzungen ist sogar erst dann möglich, wenn die Gesellschaft dreißig Jahre im Handelsregister eingetragen ist und die entsprechenden Rechtsverhältnisse seit mindestens fünf Jahren abgewickelt sind (§ 27 Abs. 5 i. V. m. § 26 Abs. 5). IV.
Verdeckte Sacheinlagen (§ 27 Abs. 3)
1.
Einführung
35 Die gesetzlichen Vorschriften über die offenen Sacheinlagen werden vielfach als kompliziert, aufwändig und teuer angesehen und daher in der Praxis (bewusst oder unbewusst) _____________ 31) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 36; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 33 und 35; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 67. 32) Ausführlich zum Ganzen Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 24 f.; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 36 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 74 ff. 33) Zur Haftung eines Steuerberaters, der eine verdeckte Sacheinlage empfiehlt s. BGH, Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 43/08, ZIP 2009, 1427, dazu EWiR 2009, 693 (Rohde). 34) Krit. auch Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 20. 35) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 43.
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
§ 27
immer wieder umgangen.36) Dabei wird in der Regel formal eine Bareinlage vereinbart, wirtschaftlich aber eine Sache an die Gesellschaft geleistet. Der BGH hat derartige Umgehungen in der Vergangenheit stets scharf sanktioniert. 36 Danach hat der Gesellschafter seine Bareinlageverpflichtung durch die verdeckte Sacheinlage nicht (auch nicht teilweise) erfüllt. Das schuldrechtliche und das dingliche Rechtsgeschäft über die Sacheinlage wurden (analog § 27 Abs. 3 a. F.) als nichtig angesehen.37) Die Herausgabe- und Bereicherungsansprüche des Gesellschafters wegen der Sacheinlage waren wirtschaftlich meist wertlos. Im Ergebnis musste der Gesellschafter seine Einlage somit oft doppelt leisten. Die bisherigen Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage wurden daher schon seit langem als „ganz und gar katastrophal“38) bezeichnet. Der Gesetzgeber ist der Kritik an dieser Rechtsprechung gefolgt und hat sich zunächst 37 für das GmbH-Recht (§ 19 Abs. 4 GmbHG39) und später dann auch für das Aktienrecht (§ 27 Abs. 3)40) zu einer Neuregelung entschlossen. Der verdeckten Sacheinlage kommt aber unverändert keine Erfüllungswirkung zu. Der 38 Wert des verdeckt eingelegten Vermögensgegenstands wird allerdings unter bestimmten Voraussetzungen auf die fortbestehende Bareinlageverpflichtung des Gesellschafters angerechnet. Auf diese Weise werden die überwiegend als drakonisch empfundenen Folgen der verdeckten Sacheinlage abgemildert. Die verdeckte Sacheinlage ist und bleibt allerdings verboten.41) 2.
Tatbestand der verdeckten Sacheinlage
Eine verdeckte Sacheinlage liegt immer dann vor, wenn die „Geldeinlage eines Aktionärs 39 bei wirtschaftlicher Betrachtung und auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten“ ist (§ 27 Abs. 3 Satz 1 AktG, siehe auch § 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG).42) Diese Legaldefinition orientiert sich an der bisherigen Rechtsprechung des BGH.43) Der BGH hat eine verdeckte Sacheinlage regelmäßig dann angenommen, wenn „die gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen objektiv dadurch unterlaufen werden, dass zwar … eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund eines im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage abgeschlossenen Gegengeschäfts (oder einer
_____________ 36) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 77. 37) S. etwa BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145 = ZIP 2007, 1751, dazu EWiR 2009, 557 (Goslar); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos). 38) So Lutter in: FS Stiefel, S. 505, 517. 39) BT-Drucks. 16/6140, S. 39 ff. 40) BT-Drucks. 16/13098, S. 36 ff. Ausführlich dazu Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 28 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, § 27 Rz. 27 und 51 ff. 41) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 42) Dazu ausführlich Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 30 ff.; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 25 ff.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 89 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 58 ff.; Spindler/StilzHeidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 130 ff. 43) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer).
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
sonstigen Absprache) einen Sachwert erhalten soll“.44) Der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage ist somit durch das ARUG nicht geändert worden; geändert wurde nur die Rechtsfolge der verdeckten Sacheinlage. 40 Gewöhnliche Umsatzgeschäfte i. R. des laufenden Geschäftsverkehrs sind unverändert nicht vom Anwendungsbereich der verdeckten Sacheinlage ausgeklammert.45) 41 Der Anwendung der verdeckten Sacheinlage steht es weiterhin nicht entgegen, dass der Wert der verdeckt eingelegten Sache die Höhe der Einlageverpflichtung (um ein Vielfaches) übersteigt.46) 42 Das Vorliegen einer entsprechenden Abrede ist bei Vorliegen eines engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der (offenen) Bareinlage und der (verdeckten) Sacheinlage regelmäßig zu vermuten.47) Bei einer Einpersonengesellschaft ist bereits das bloße Vorhaben des Gründers ausreichend und eine entsprechende Absprache nicht erforderlich.48) 43 Das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage kann nicht durch die Einschaltung von Dritten verhindert werden. Vielmehr muss sich der Inferent das Handeln des Dritten zurechnen lassen, wenn es sich um eine abhängige Gesellschaft oder eine nahestehende Person handelt (siehe etwa §§ 89 Abs. 3 Satz 1, 115 Abs. 2 AktG; § 138 Abs. 1 InsO).49) 44 Im Aktienrecht sind neben den Vorschriften über die Sachgründung stets (zusätzlich) die Regelungen über eine etwaige Nachgründung (§ 52) zu beachten.50) 45 Dienstleistungen können nicht Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage sein.51) Der BGH begründet dies vor allem damit, dass der „den Grundsätzen der verdeckten Sachein_____________ 44) S. etwa BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); BGH, Urt. v. 18.2.2008 – II ZR 132/06 (Rheinmöve), BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert); BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643, dazu EWiR 2008, 247 (Hauptmann); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145 = ZIP 2007, 1751, dazu EWiR 2009, 557 (Goslar); BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 176/05 (Warenlager), BGHZ 170, 47 = ZIP 2007, 178, EWiR 2008, 513 (Weipert); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos). 45) BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643, dazu EWiR 2008, 247 (Hauptmann); BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 176/05 (Warenlager), BGHZ 170, 47 = ZIP 2007, 178, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert). 46) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145 = ZIP 2007, 1751, dazu EWiR 2009, 557 (Goslar); BGH, Urt. v. 18.2.2008 – II ZR 132/06 (Rheinmöve), BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert); BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 176/05 (Warenlager), BGHZ 170, 47 = ZIP 2007, 178, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert). 47) BGH, Urt. v. 18.2.2008 – II ZR 132/06 (Rheinmöve), BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert); BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643, dazu EWiR 2008, 247 (Hauptmann); BGH, Urt. v. 4.3.1996 – II ZR 89/95, BGHZ 132, 133 = ZIP 1996, 595, dazu EWiR 1996, 457 (Trölitzsch); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos). 48) BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643, dazu EWiR 2008, 247 (Hauptmann). 49) BGH, Urt. v. 12.2.2007 – II ZR 272/05, BGHZ 171, 113 = ZIP 2007, 528, dazu EWiR 2007, 331 (Rohde); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos). 50) Zu einer verdeckten (gemischten) Sacheinlage i. R. einer Kapitalerhöhung bei einer AG vor ARUG s. BGH, Urt. v. 18.2.2008 – II ZR 132/06 (Rheinmöve), BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145 = ZIP 2007, 1751, dazu EWiR 2009, 557 (Goslar); BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR 164/88, BGHZ 110, 47 = ZIP 1990, 156, EWiR 1990, 223 (Lutter). – Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 41; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 114 ff. 51) BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder); BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder).
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
§ 27
lage inhärente Vorwurf einer Umgehung der im Interesse des Gläubigerschutzes bestehenden Vorschriften über Sacheinlagen“ voraussetzt, dass der Aktionär den „erstrebten Erfolg einer Sacheinlage rechtmäßig“ hätte erreichen können. Dies sei aber bei Dienstleistungen gerade nicht der Fall, da diese als offene Sacheinlage nicht in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werden können (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2). Gegen die Anwendung der Regeln über verdeckte Sacheinlagen auf Dienstleistungen sprechen zudem die Vorgaben der EU-Kapitalrichtlinie. Denn die gesetzlich vorgesehene Anrechnung des Werts der verdeckten Sacheinlage hätte mittelbar zur Folge, dass das Kapital (in unzulässiger Weise) in Form von Dienstleistungen aufgebracht werden würde.52) 3.
Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage
Der verdeckten Sacheinlage kommt keine Erfüllungswirkung zu (§ 27 Abs. 3 Satz 1 46 Halbs. 2). Die tatsächlich vereinbarte Bareinlageverpflichtung des Aktionärs bleibt vielmehr unverändert bestehen. Allerdings sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung – abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BGH – wirksam (§ 27 Abs. 3 Satz 2). Der Wert des verdeckt eingelegten Vermögensgegenstands wird kraft Gesetzes auf die fortbestehende Bareinlageschuld des Aktionärs angerechnet.53) Maßgebend ist dabei der Verkehrswert der Sache. Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (§ 27 Abs. 4 Satz 4). Die Beweislast für den Wert der Sacheinlage trifft den Aktionär (§ 27 Abs. 4 Satz 5).54) Die Dogmatik der Anrechnungslösung ist noch nicht abschließend geklärt. Überzeu- 47 gend erscheint eine Parallele zur Differenzhaftung bei einer offenen Sacheinlage (siehe § 9 GmbHG).55) Der Wert der verdeckt eingelegten Sache ist demnach auf den Nominalwert der vereinbarten Bareinlage anzurechnen. Eine aufgrund des Minderwerts der Sache verbleibende Differenz ist vom Aktionär nachträglich auszugleichen. Besonderheiten bestehen bei einer verdeckten gemischten Sacheinlage. Denn eine An- 48 rechnung ist stets nur insoweit möglich, als das Vermögen der Gesellschaft tatsächlich vermehrt wird. Die Anrechnung darf wegen des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung aber nie zulasten des sonstigen Gesellschaftsvermögens gehen.56) Das Stimmrecht beginnt erst mit der vollständigen Leistung der Einlage (§ 134 Abs. 2 49 Satz 1). Dies gilt allerdings nicht, wenn der anrechenbare Wert der verdeckt eingelegten Sache der Höhe der Bareinlageverpflichtung nicht entspricht (§ 134 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1).57) Ein Stimmrechtsausschluss droht aber dann, wenn der Wertunterschied offensichtlich ist (§ 134 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2).
_____________ 52) BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder). 53) S. dazu BGH, Urt. v. 22.3.2010 – II ZR 12/08 (AdCoCom), BGHZ 185, 44 = ZIP 2010, 978, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel). 54) Ausführlich zum Ganzen Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 38 ff.; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 31 ff.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 103 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 27 Rz. 70 ff.: Spindler/ Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 174 ff. 55) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 75; Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 180, jeweils m. w. N. 56) BGH, Urt. v. 22.3.2010 – II ZR 12/08 (AdCoCom), BGHZ 185, 44 = ZIP 2010, 978, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel). Plastisch K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 81, der in diesem Fall von einer „Anrechnungssperre“ spricht. Instruktiv dazu Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 194 ff. 57) S. dazu BT-Drucks. 16/13098, S. 39 – zum ARUG.
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
50 Für die Beratungspraxis bleibt auch nach Inkrafttreten der Neuregelungen entscheidend, dass verdeckte Sacheinlagen weiterhin verboten sind.58) Eine etwaige Anrechnung des Werts der verdeckten Sacheinlage erfolgt stets erst nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister und ändert auch nichts an der Strafbarkeit einer falschen Versicherung von Gründern, Vorständen und Aufsichtsräten in der Handelsregisteranmeldung (§ 399 Abs. 1 Nr. 1). Steuerrechtlich ist zudem zu beachten, dass eine Sacheinlage zu Buchwerten nach bisher h. A. nur bei einer offenen Sacheinlage (dagegen nicht auch bei einer verdeckten Sacheinlage) in Betracht kommt (siehe § 20 UmwStG).59) V.
Hin- und Herzahlen (§ 27 Abs. 4)
1.
Einführung
51 An der Leistung einer Bareinlage zur endgültig freien Verfügung des Vorstands (siehe § 36 Abs. 2) fehlt es an sich, wenn der Einlagebetrag (z. B. als Darlehen oder aufgrund einer Treuhandabrede) unmittelbar oder mittelbar wieder an den Inferenten zurückfließt bzw. zurückfließen soll (siehe auch die Gesetzesüberschrift zu § 27: „Rückzahlung von Einlagen“). 52 Dementsprechend ist der BGH früher davon ausgegangen, dass der Inferent im Falle eines Hin- und Herzahlens „nichts“ geleistet hat.60) Die Bareinlageforderung bestand vielmehr unverändert fort. Eine Erfüllung ist allenfalls aufgrund der späteren Rückzahlung des vermeintlichen Darlehens erfolgt, wenn diese Zahlung der Einlageforderung eindeutig und zweifelsfrei zugeordnet werden konnte.61) Die dem Hin- und Herzahlen zugrunde liegende Darlehens- bzw. Treuhandabrede wurde wegen Verstoß gegen die Regeln der Kapitalaufbringung als unwirksam angesehen.62) 53 Der Gesetzgeber hat die Fälle des Hin- und Herzahlens i. R. des ARUG63) (und zuvor bereits des MoMiG)64) nunmehr – abweichend von der bisherigen Rechtsprechung – gere_____________ 58) So ausdrücklich BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), Rz. 13 und Rz. 19, BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos). – Zu den Sanktionen der verdeckten Sacheinlage s. insbesondere Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 200 ff. 59) S. dazu BFH, Urt. v. 1.7.1992 – I R 5/92, BStBl. II 1993, 131 – zur verschleierten Sachgründung nach § 20 Abs. 1 UmwStG 1977. Zur Rechtslage nach MoMiG und ARUG s. einerseits – für Anwendung von § 20 UmwStG – Fuhrmann, RNotZ 2010, 188, 194 f.; Fuhrmann/Demuth, KÖSDI 2009, 16562, 16566; Fischer, Ubg. 2008, 684, 687, und andererseits – gegen Anwendung von § 20 UmwStG – Hein/Suchan/Geeb, DStR 2008, 2289. 60) S. etwa BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, BGHZ 174, 370 = ZIP 2008, 174, dazu EWiR 2008, 33 (Thonfeld) – zur GmbH & Co. KG, und zum Hin- und Herzahlen bei der GmbH vor MoMiG BGH, Urt. v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633; BGH, Urt. v. 9.1.2006 – II ZR 72/05, BGHZ 165, 352 = ZIP 2006, 331, dazu EWiR 2006, 307 (Naraschewski); BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113 = ZIP 2005, 2203, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann); BGH, Urt. v. 22.3.2004 – II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046; BGH, Urt. v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, BGHZ 153, 107 = ZIP 2003, 211, dazu EWiR 2003, 223 (Blöse). 61) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); BGH, Urt. v. 15.10.2007 – II ZR 263/06, ZIP 2008, 1281, dazu EWiR 2009, 109 (Kleinschmidt); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos); BGH, Urt. v. 9.1.2006 – II ZR 72/05, BGHZ 165, 352 = ZIP 2006, 331, dazu EWiR 2006, 307 (Naraschewski); BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113 = ZIP 2005, 2203, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann). 62) BGH, Urt. v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633 – zur Unwirksamkeit einer Darlehensabrede beim Her- und Hinzahlen der Einlage bei einer GmbH; BGH, Urt. v. 9.1.2006 – II ZR 72/05, BGHZ 165, 352 = ZIP 2006, 331, dazu EWiR 2006, 307 (Naraschewski) – zur Unwirksamkeit einer Treuhandabrede; BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113 = ZIP 2005, 2203, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann) – zur Unwirksamkeit einer Darlehensabrede beim Hin- und Herzahlen der Einlage bei einer GmbH. 63) BT-Drucks. 16/13098, S. 36 ff. 64) BT-Drucks. 16/9737, S. 55 f. und BT-Drucks. 16/6140, S. 34 f. und S. 39 ff.
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§ 27
gelt.65) Danach erfüllt der Inferent die Bareinlageforderung auch in diesem Fall, wenn der durch das Hin- und Herzahlen begründete Rückgewähranspruch der Gesellschaft (z. B. aus Darlehen) vollwertig und jederzeit fällig ist (§ 27 Abs. 4 Satz 1). Fehlt es dagegen an der Vollwertigkeit oder Fälligkeit tritt keine Erfüllungswirkung ein. 2.
Tatbestand des Hin- und Herzahlens
Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung an die von der Rechtsprechung entwickelte 54 Fallgruppe des Hin- und Herzahlens anknüpfen.66) Der BGH hat den Umgehungstatbestand des Hin- und Herzahlens bislang immer dann 55 angenommen, wenn „der Einlagebetrag absprachegemäß umgehend wieder an den Einleger, sei es als Darlehen … oder auch aufgrund einer Treuhandabrede … zurückfließen soll.“67) Das Vorgehen des Inferenten ziele in solchen Fällen darauf ab, „die prinzipiell unverzichtbare Einlageforderung durch eine in dieser Hinsicht schwächere schuldrechtliche Forderung (z. B. aus Darlehen) zu ersetzen“. Die gesetzliche Umschreibung des Hin- und Herzahlens (in § 27 Abs. 4 Satz 1) ent- 56 spricht dem weitgehend.68) Danach liegt ein Fall des Hin- und Herzahlens immer dann vor, wenn „vor der Einlage eine Leistung an den Aktionär vereinbart worden (ist), die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage im Sinne von Absatz 3 zu beurteilen ist“ (§ 27 Abs. 4 Satz 1). Der BGH betont, dass der Gesetzgeber damit insbesondere den „Gedanken des Forderungsaustauschs“ aufgegriffen habe.69) In der Sache gehe es bei dem Hin- und Herzahlen „um Fälle einer verdeckten Finanzierung der Einlagemittel durch die Gesellschaft“.70) Die gesetzliche Regelung umfasst nicht nur das Hin- und Herzahlen i. R. einer Dar- 57 lehensgewährung, sondern alle Fälle, die „wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage“ an den Aktionär entsprechen. Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des BGH. Danach liegt ein Hin- und Herzahlen immer dann vor, wenn „eine Einlageleistung vereinbart wird, die wirtschaftlich der Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage … zu beurteilen ist“.71) Nach dem Gesetzeswortlaut muss die Rückzahlung „vor“ der Einlage vereinbart worden 58 sein. Gleichwohl sind weiterhin auch die umgekehrten Fälle erfasst, bei denen die Rückzahlung vor der Einlageleistung erfolgt. Dem entspricht es, dass der BGH die Reihenfolge der Leistungen aufgrund der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit regelmäßig als belanglos ansieht. Dem Hin- und Herzahlen stehe auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung _____________ 65) Ausführlich dazu Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 44 ff.; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 39 ff.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 27 Rz. 137 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 90 ff.; Spindler/StilzHeidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 214 ff. 66) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 98 ff. 67) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). S. a. BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder). 68) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). – Ausführlich dazu Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 219 ff. 69) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 70) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). S. a. BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder). 71) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer).
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das Her- und Hinzahlen gleich, bei „dem die Einlagemittel nicht an den Gesellschafter zurückfließen, sondern die Gesellschaft dem Inferenten die Einlagemittel schon vor Zahlung der Einlage aus ihrem Vermögen zur Verfügung stellt“.72) Im Übrigen kommt es ohnehin nicht auf die zeitliche Reihenfolge der Leistungen, sondern auf den Zeitpunkt der entsprechenden Vereinbarung an. Die Vereinbarung erfolgt aber auch beim Her- und Hinzahlen regelmäßig vor der Einlageleistung. 59 Das Hin- und Herzahlen muss darüber hinaus unverändert auf einer Absprache zwischen den Beteiligten beruhen. Der BGH spricht von einer „die Einlagepflicht substituierenden Vereinbarung“73) (siehe auch den Gesetzeswortlaut „vereinbart“). Bei einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Ein- und Auszahlung wird das Vorliegen einer solchen Vereinbarung regelmäßig vermutet.74) Von einem Hin- und Herzahlen kann lediglich dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Kapitalaufbringungsvorgang im Zeitpunkt der Rückzahlung bereits „abgeschlossen“ war.75) Dies kann der Fall sein, wenn die Einlageleistung der Gesellschaft für „die Dauer von zwei Jahren“ zur freien Verfügung stand. 60 Entgeltliche Dienstleistungen mit einem Inferenten (z. B. Beratungsverträge) sind nicht verboten. Ein Hin- und Herzahlen liegt in diesem Fall nicht vor, weil die Einlageforderung der Gesellschaft nicht durch eine andere Geldforderung ersetzt wird. Vielmehr erwirbt die Gesellschaft eine Forderung, die auf die Erbringung einer Dienstleistung des Aktionärs gerichtet ist. Es fehlt damit an dem für das Hin- und Herzahlen charakteristischen Austausch einer Geldforderung durch eine andere Geldforderung. Gleichwohl ist die Vergütung von Dienstleistungen eines Aktionärs im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung nach Auffassung des BGH nur dann zulässig, wenn die Dienstleistung werthaltig und die Vergütung angemessen ist. Es muss eine tatsächlich erbrachte Leistung abgegolten werden, die dafür gezahlte Vergütung einem Drittvergleich standhalten und die objektiv werthaltige Leistung darf aus der subjektiven Sicht der Gesellschaft nicht unbrauchbar und wertlos sein.76) Im Ergebnis stellt sich die Vergütung von Dienstleistungen eines Aktionärs somit als zulässige Form der Mittelverwendung dar, wenn die Gesellschaft die Dienstleistungen andernfalls von einem Dritten zu gleichen (oder schlechteren) Konditionen hätte einkaufen müssen.77) 61 Die Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln durch ein Hin- und Herzahlen setzt schließlich weiterhin „keine personelle Identität zwischen Inferent und Auszahlungsempfänger voraus.“78) Der BGH betont regelmäßig, dass es bei der Weiterleitung der Einlagemittel an _____________ 72) BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder). 73) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 74) S. etwa BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, BGHZ 174, 370 = ZIP 2008, 174, dazu EWiR 2008, 33 (Thonfeld) – zur GmbH & Co. KG; BGH, Urt. v. 15.10.2007 – II ZR 263/06, ZIP 2008, 1281, dazu EWiR 2009, 109 (Kleinschmidt) – zur vereinbarten Rückzahlung in Raten. 75) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 76) BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder); BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 77) S. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 78) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). S. a. BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, BGHZ 174, 370 = ZIP 2008, 174, dazu EWiR 2008, 33 (Thonfeld) – zur GmbH & Co. KG; BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 176/05 (Warenlager), BGHZ 170, 47 = ZIP 2007, 178, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos).
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einen Dritten darauf ankommt, dass „der Inferent dadurch in gleicher Weise begünstigt wird wie durch die unmittelbare Leistung an ihn selbst“. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn die Rückzahlung der Einlage an ein vom Aktionär beherrschtes Unternehmen79) oder eine nahestehende Person erfolgt. In der früheren Rechtsprechung war die Abgrenzung zwischen den Fallgruppen des Hin- 62 und Herzahlens und der verdeckten Sacheinlage nicht immer ganz eindeutig. In diesem Punkt hat die gesetzliche Regelung nunmehr eine Klärung herbeigeführt, indem sie den Vorrang der verdeckten Sacheinlage vor dem Hin- und Herzahlen ausdrücklich festgelegt hat (siehe Gesetzeswortlaut „die nicht als verdeckte Sacheinlage … zu beurteilen ist“). 3.
Rechtsfolge des Hin- und Herzahlens
Der BGH hat früher im Falle des Hin- und Herzahlens eine Erfüllungswirkung der Ein- 63 lage stets verneint. Dem ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Nach der gesetzlichen Neuregelung kommt es vielmehr darauf an, ob der Rückzahlungsanspruch vollwertig und jederzeit fällig ist (§ 27 Abs. 4 Satz 1). Nur dann wird die Einlageforderung durch das Hinzahlen (trotz des Herzahlens) erfüllt. Andernfalls verbleibt es bei den bisherigen Rechtsprechungsregeln, wonach im Falle des Hin- und Herzahlens die geschuldete Einlageleistung nicht erfüllt worden ist (siehe Gesetzeswortlaut „so befreit dies den Aktionär von seiner Einlageverpflichtung nur dann“).80) Erste Voraussetzung für die Erfüllungswirkung ist, dass die „Leistung durch einen voll- 64 wertigen Rückzahlungsanspruch gedeckt ist“. Im Rahmen der MPS-Entscheidung, bei der es um Fragen der Kapitalerhaltung bei verbundenen AG ging, hat der BGH deutlich gemacht, dass für die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs die allgemeinen Grundsätze des Bilanzrechts gelten. Maßstab für die Vollwertigkeit sei „eine vernünftige kaufmännische Beurteilung, wie sie auch bei der Bewertung von Forderungen aus Drittgeschäften im Rahmen der Bilanzierung (§ 253 HGB) maßgeblich ist“.81) Die Kapitalaufbringung ist somit nur dann ordnungsgemäß erfolgt, wenn der Rückgewähranspruch der Gesellschaft in voller Höhe vollwertig ist. Jeder Wertabschlag und jede Abzinsung haben zur Folge, dass der Aktionär seine Bareinlageverpflichtung nicht (auch nicht anteilig) erfüllt hat. Zweite Voraussetzung für die Erfüllungswirkung des Hin- und Herzahlens ist, dass der 65 Rückgewähranspruch „jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann.“ Für die jederzeitige Fälligkeit des Rückgewähranspruchs (Alt. 1) genügt es nicht, dass die Gesellschaft die Möglichkeit hat, über die abgeflossenen Mittel zu verfügen. Der sofortigen Fälligkeit gleichwertig ist nur die Befugnis, den Rückgewähranspruch „jederzeit“ und „ohne Einschränkungen“ fällig stellen zu können (Alt. 2).82) Die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund oder bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse genügt dafür nicht. Vielmehr muss das Recht zur fristlosen Kündigung ohne wichtigen Grund ausdrücklich vereinbart werden. _____________ 79) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). S. a. BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos). 80) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). Ausführlich dazu Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 236 ff. 81) BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70, dazu EWiR 2009, 129 (Blasche). 82) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer).
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Sacheinlagen, Sachübernahmen; Rückzahlung von Einlagen
66 Nach dem Gesetzeswortlaut muss „eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung“ in der Handelsregisteranmeldung angegeben werden (§ 27 Abs. 4 Satz 2). Der BGH ist – zum GmbH–Recht – davon ausgegangen, dass die Offenlegung in der Handelsregisteranmeldung „konstitutiv(e)“ Bedeutung hat und somit eine dritte Voraussetzung für die Erfüllungswirkung des Hin- und Herzahlens darstellt.83) Dies gilt nach Auffassung des BGH selbst dann, wenn das Hin- und Herzahlen bereits vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung erfolgt ist. 67 Dabei ist nicht nur die Leistung bzw. deren Vereinbarung anzugeben. Vielmehr sind die gesamten Umstände des Hin- und Herzahlens offenzulegen.84) Dazu gehört das Vorliegen einer die Einlagepflicht substituierenden Vereinbarung, das Erbringen einer entsprechenden Leistung, ein vollwertiger Rückgewähranspruch und dessen jederzeitige Fälligkeit bzw. die Möglichkeit der jederzeitigen Fälligstellung. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung an der konstitutiven Bedeutung der Offenlegung (auch für das Aktienrecht) festhält, nachdem sich aus der amtlichen Gesetzesbegründung zum ARUG jetzt wohl etwas anderes ergibt.85) 68 Ein Hin- und Herzahlen befreit den Inferenten somit „nur dann“ von seiner Einlageverpflichtung, wenn diese drei Voraussetzungen vollständig erfüllt sind. Liegt nur eine Voraussetzung nicht vor, tritt keinerlei Erfüllungswirkung ein. 69 Der Leistung von Bareinlagen dürfte in den Fällen des Hin- und Herzahlens somit auch nach dem Inkrafttreten der Neuregelung nur in wenigen Ausnahmefällen Erfüllungswirkung zukommen. Bereits das Bestehen eines vollwertigen und jederzeit fälligen Rückgewähranspruchs ist für die Beteiligten keineswegs immer ohne weiteres darzulegen und nachzuweisen. Jedenfalls sind die entsprechenden Vereinbarungen und Prüfungen mit einem nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Darüber hinaus ist die Offenlegung des gesamten Vorgangs in der Handelsregisteranmeldung und die damit einhergehende Kontrolle durch das Registergericht86) vielfach nicht gewünscht (aber gleichwohl unbedingt notwendig). VI.
Cash Pooling
70 In größeren Konzernen sind zentrale Cash-Management-Systeme weit verbreitet, bei denen die Liquidität unter den einzelnen Gesellschaften ständig ausgeglichen wird. Seit langem ist umstritten, ob und inwieweit solche Systeme mit den gesetzlichen Regeln über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in Einklang stehen. Bedenken hat insbesondere auch der BGH87) geäußert, was Anlass für zahlreiche Diskussionen war.88) _____________ 83) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). S. a. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). Ebenso für Altfälle vor Inkrafttreten des MoMiG OLG Koblenz, Urt. v. 17.3.2011 – 6 U 879/10, GmbHR 2011, 579 mit Anm. Zabel. 84) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 85) BT-Drucks. 16/13098, S. 37 – „Erfüllungswirkung gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG-E“, nicht aber auch Satz 2. Krit. u. a. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 107. 86) So zu § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG OLG München, Beschl. v. 17.2.2011 – 31 Wx 246/10, ZIP 2011, 567. 87) S. insbesondere BGH, Urt. v. 24.11.2003 – II ZR 171/01 (November-Urteil), BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263, dazu EWiR 2004, 911 (Schöne); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 76/04 (Cash Pool), BGHZ 166, 8 = ZIP 2006, 665, dazu EWiR 2006, 523 (Hoos). 88) S. u. a. Hölters-Solveen, AktG, § 27 Rz. 53; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 111 ff.; Spindler/ Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 272 ff.
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§ 28
Gründer
Mit dem MoMiG89) und dem ARUG90) wollte der Gesetzgeber zur bilanziellen Betrach- 71 tungsweise zurückkehren und insbesondere auch das „ökonomisch sinnvolle“ Cash Pooling (wieder) ermöglichen. Der BGH hat seine Zustimmung zu den Neuregelungen bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung deutlich gemacht.91) Der Gesetzgeber hat das Cash Pooling allerdings keineswegs generell für zulässig erklärt. 72 Vielmehr gelten auch insoweit die allgemeinen Vorschriften über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Danach kommt es darauf an, ob der Saldo auf dem Zielkonto für die AG negativ oder positiv war.92) Bei einem negativen Saldo handelt es sich bei der Einlage, die dann mit der Verbindlichkeit verrechnet wird, um eine verdeckte Sacheinlage (§ 27 Abs. 3). Diese ist aber unverändert unzulässig. In der Anmeldung darf insbesondere nicht erklärt werden, dass die Kapitalaufbringung ordnungsgemäß erfolgt ist. Bei einem positiven Saldo liegt ein Hin- und Herzahlen vor (§ 27 Abs. 4). Die Leistung der Einlage hat demnach Erfüllungswirkung, wenn der Rückgewähranspruch der Gesellschaft gegen den Cash-Pool vollwertig und fällig ist, und dies alles der Handelsregisteranmeldung offengelegt wird. In der Praxis ist die Rechtsunsicherheit nach wie vor erheblich. Die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Haftungsrisiken für die Beteiligten sind mit der Neuregelung keineswegs aus der Welt.93) _____________ 89) BT-Drucks. 16/6140, S. 34 und 40. 90) BT-Drucks. 16/13098, S. 37. 91) BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70, dazu EWiR 2009, 129 (Blasche). 92) BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer). 93) Ähnlich das Fazit bei Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 285 – noch kein rechtssicheres und praktikables Verfahren gefunden.
§ 28 Gründer Die Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben, sind die Gründer der Gesellschaft. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 I.
II. Begriff des Gründers ........................ 3
Überblick
Das AktG spricht in zahlreichen Vorschriften von den Gründern der Gesellschaft (siehe 1 etwa §§ 23 Abs. 2 Nr. 1, 30 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 1, 32 Abs. 1, 33 Abs. 2 Nr. 1, 35 Abs. 1 und 2, 36 Abs. 1, 160 Abs. 1 Nr. 1). Die Gründer sind sowohl zivilrechtlich (siehe §§ 46, 50 und 51) als auch strafrechtlich (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) für die ordnungsgemäße Gründung verantwortlich.1) Die Gründer sind verpflichtet, die versprochenen Einlagen auf die von ihnen übernommenen Aktien zu leisten (§§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 36, 36a). Die Gründer haben den ersten Aufsichtsrat und den ersten Abschlussprüfer zu bestellen (§ 30 Abs. 1). Die Gründer müssen über den Hergang der Gründung einen schriftlichen Bericht erstatten (§ 32). Schließlich müssen die Gründer (zusammen mit den Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats) die Gesellschaft auch zur Eintragung in das Handelsregister anmelden (§ 36 Abs. 1). _____________ 1)
Hölters-Solveen, AktG, § 28 Rz. 1.
Thomas Wachter
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§ 28
Gründer
2 § 28 enthält eine Legaldefinition der Gründer. Gründer sind danach die Aktionäre, die die Satzung der Gesellschaft festgestellt haben. Die Begriffsbestimmung gilt für das gesamte Aktienrecht. Vorrangige Sondervorschriften bestehen lediglich im Umwandlungsrecht (siehe §§ 36 Abs. 2 Satz 2, 245 UmwG).2) II.
Begriff des Gründers
3 Gründer der Gesellschaft sind die Aktionäre, die die Satzung der Gesellschaft festgestellt haben (§ 28). Die Satzung muss durch notarielle Beurkundung festgestellt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1). In der Urkunde sind u. a. auch die Gründer anzugeben (§ 23 Abs. 2 Nr. 1). Die Gründer stehen aufgrund der Angaben in einer öffentlichen Urkunde somit rechtssicher und zweifelsfrei fest (§ 415 ZPO). 4 Über den Gesetzeswortlaut hinaus muss ein Gründer aber nicht nur die Satzung wirksam festgestellt haben, sondern auch mindestens eine Aktie übernommen haben (siehe §§ 2 und 23 Abs. 2 Nr. 2).3) Mit der Feststellung der Satzung regeln die Gründer ihre gesellschaftsrechtlichen Beziehungen. Die Mitgliedschaft wird aber erst mit der Übernahme von Aktien begründet. Wer keine Aktien übernimmt, wird auch nicht Mitglied der Gesellschaft. 5 Gründer einer AG können insbesondere natürliche Personen (unabhängig von Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit), (in- und ausländische) juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts (einschließlich von Vorgesellschaften), Personenhandelsgesellschaften (wie etwa OHG, KG, GmbH & Co. KG, siehe § 14 Abs. 2 BGB), Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Erbengemeinschaften und Ehegatten in Gütergemeinschaft sein (zum Streitstand insbesondere bei den Gesamthandsgemeinschaften siehe § 2 Rz. 13 ff.). 6 Im Falle der Stellvertretung ist der Vertretene der Gründer (und nicht der Stellvertreter). Bei Handeln eines Treuhänders, der im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung handelt, ist dieser selbst Gründer. 7 Eine Person, die bei Feststellung der Satzung geschäftsunfähig ist, wird nicht Gründer. Tritt die Geschäftsunfähigkeit aber erst später ein, bleibt die bereits begründete Gründerstellung unberührt (siehe § 130 Abs. 2 BGB).4) 8 Bei Anfechtung (§§ 119 ff. BGB) einer auf die Feststellung der Satzung gerichteten Willenserklärung, entfällt die Gründerstellung des Anfechtenden rückwirkend (§ 142 BGB), wenn die Vor-AG zum Zeitpunkt der Anfechtung noch nicht in Vollzug gesetzt gewesen ist. Andernfalls kommen die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft zur Anwendung und der Anfechtende bleibt Gründer. Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ist eine Anfechtung ausgeschlossen.5) 9 Bei Tod eines Gründers treten die Erben in seine (zivilrechtliche) Rechtsstellung ein (§§ 1922 ff. und 1967 ff. BGB). Die Entstehung der Gesellschaft bleibt davon unberührt.6) _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
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K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 28 Rz. 2. So auch Hölters-Solveen, AktG, § 28 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 28 Rz. 2; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 28 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 28 Rz. 3; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 28 Rz. 2. Hölters-Solveen, AktG, § 28 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 28 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 28 Rz. 6; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 28 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 24 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 28 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 28 Rz. 5; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 28 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 28 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 28 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 28 Rz. 7; Spindler/Stilz-Limmer, AktG, § 28 Rz. 4.
Thomas Wachter
Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und des Abschlußprüfers
§ 30
§ 29 Errichtung der Gesellschaft Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer ist die Gesellschaft errichtet. Die Gesellschaft ist mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer errichtet (§ 29). 1 Bei Feststellung der Satzung müssen alle Aktien von den Gründern übernommen werden (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2). Eine Übernahme von Aktien nach Feststellung der Satzung ist unzulässig. Der Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft (§ 29) ist daher mit dem Zeitpunkt der Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1 Satz 1) identisch.1) Mit der Errichtung der Gesellschaft ist die Vor-AG entstanden (siehe § 41 Abs. 1 Satz 1). 2 Mit der Eintragung im Handelsregister entsteht sodann die AG als juristische Person. _____________ 1)
A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 29 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 29 Rz. 2 ff.
§ 30 Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und des Abschlußprüfers (1) 1Die Gründer haben den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft und den Abschlußprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr zu bestellen. 2Die Bestellung bedarf notarieller Beurkundung. (2) Auf die Zusammensetzung und die Bestellung des ersten Aufsichtsrats sind die Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht anzuwenden. (3) 1Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats können nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt. 2Der Vorstand hat rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der nächste Aufsichtsrat nach seiner Ansicht zusammenzusetzen ist; §§ 96 bis 99 sind anzuwenden. (4) Der Aufsichtsrat bestellt den ersten Vorstand. Literatur: Gottschalk, Der „erste“ Aufsichtsrat bei Umwandlung einer Anstalt öffentlichen Rechts in eine mitbestimmte Aktiengesellschaft, NZG 2003, 713; Heither, Die Amtszeit des „ersten“ Aufsichtsrats nach einer Verschmelzung des Unternehmens mit einem mitbestimmten Unternehmen, DB 2008, 109; Hergeth/Mingau, Mitbestimmung und Aufsichtsratsbesetzung bei Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft, DStR 1999, 1948; Kuhlmann, Die Mitbestimmungsfreiheit im ersten Aufsichtsrat einer AG gemäß § 30 II AktG, NZG 2010, 46.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Der erste Aufsichtsrat (§ 30 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3) ....... 4 1. Bestellung (§ 30 Abs. 1) ..................... 4 2. Zusammensetzung (§ 30 Abs. 2) ....... 9 3. Amtszeit (§ 30 Abs. 3) ..................... 13
4. Aufgaben ........................................... III. Der erste Vorstand (§ 30 Abs. 4) ... 1. Bestellung ......................................... 2. Aufgaben ........................................... IV. Der erste Abschlussprüfer (§ 30 Abs. 1) .....................................
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§ 30 I.
Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und des Abschlußprüfers Überblick
1 Mit der Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1) bzw. der Übernahme der Aktien durch die Gründer (§§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 29) entsteht die Vor-AG (siehe § 41 Abs. 1). Diese benötigt Organe, um handlungsfähig zu sein.1) Die Gründer müssen daher den ersten Aufsichtsrat bestellen. Dieser bestellt sodann den ersten Vorstand. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben den Hergang der Gründer zu prüfen (§ 33 Abs. 1) und die Gesellschaft (zusammen mit den Gründern) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 36 Abs. 1). Ferner müssen die Gründer (und nicht eine sonst einzuberufende Hauptversammlung, siehe § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG und § 318 HGB)2) auch den ersten Abschlussprüfer der Gesellschaft bestellen. Die Bestellung von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer bedarf im Interesse der Rechtssicherheit der notariellen Beurkundung. 2 Die Gründer haben den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft zu bestellen (§ 30 Abs. 1 Satz 1). Die Bestellung bedarf der notariellen Beurkundung (§ 30 Abs. 1 Satz 2). Auf die Zusammensetzung und die Bestellung des ersten Aufsichtsrats sind die Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer (noch) nicht anzuwenden (§ 30 Abs. 2). Besonderheiten gelten für den Fall, dass in der Satzung die Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens bzw. Unternehmensteils als Sacheinlage oder Sachübernahme festgesetzt worden ist (§ 31). Im Interesse einer möglichst frühzeitigen Beteiligung der Arbeitnehmer ist die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats aber begrenzt. Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats können nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt (§ 30 Abs. 3 Satz 1). Rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats hat der Vorstand bekannt zu machen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. §§ 96 ff.). Der (erste) Aufsichtsrat bestellt sodann den ersten Vorstand (§ 30 Abs. 4). 3 Für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr müssen die Gründer schließlich auch den Abschlussprüfer der Gesellschaft bestellen (§ 30 Abs. 1 Satz 1). Diese Bestellung bedarf gleichfalls der notariellen Beurkundung (§ 30 Abs. 1 Satz 2). II.
Der erste Aufsichtsrat (§ 30 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3)
1.
Bestellung (§ 30 Abs. 1)
4 Der erste Aufsichtsrat der Gesellschaft ist von den Gründern zu bestellen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28). Unterbleibt die Bestellung des ersten Aufsichtsrats, kann die Gesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen werden (§ 38 Abs. 1). Sonstige Sanktionen sind nicht vorgesehen. Eine gerichtliche Ersatzbestellung (siehe § 104) ist nicht möglich. 5 Im Übrigen finden für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen Anwendung (siehe §§ 100 ff.). Zu Mitgliedern des Aufsichtsrats können daher nur Personen bestellt werden, die auch die gesetzlich und satzungsgemäß vorgesehenen persönlichen Voraussetzungen erfüllen (§§ 100, 105). Gründer können zu Mitgliedern des Aufsichtsrats bestellt werden.3) 6 Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats erfolgt durch einen Beschluss der Gründer. Der Beschluss bedarf der einfachen Mehrheit der Stimmen (§ 133 Abs. 1 analog). Stellvertre_____________ 1)
2) 3)
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Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 29 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 1; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 30 Rz. 6; Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 30 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 4.
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Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und des Abschlußprüfers
§ 30
tung bei der Beschlussfassung ist zulässig. Die Vollmacht bedarf jedoch der Textform (§ 134 Abs. 3 Satz 3 analog). Ein Gründer ist auch dann stimmberechtigt, wenn er selbst zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt werden soll (§ 136 gilt insoweit nicht).4) In der Praxis erfolgt die Bestellung des ersten Aufsichtsrats meist unmittelbar im notariellen Gründungsprotokoll (siehe §§ 23 Abs. 1, 30 Abs. 1 Satz 2). Die Bestellung des ersten Aufsichtsrats bedarf aus Gründen der Rechtssicherheit der 7 notariellen Beurkundung (§ 30 Abs. 1 Satz 2).5) Für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats sind die Gründer zuständig (§ 30 Abs. 1 8 Satz 1). Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass die Satzung ein Recht zur Entsendung von Mitgliedern des Aufsichtsrats vorsieht (§ 101 Abs. 2). In diesem Fall wird die Zuständigkeit der Gründer von dem Entsendungsrecht verdrängt.6) Die Erklärung des Entsendeberechtigten bedarf der notariellen Beurkundung (§ 30 Abs. 1 Satz 2 analog).7) Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister werden die Mitglieder des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt (§ 101 Abs. 1). 2.
Zusammensetzung (§ 30 Abs. 2)
Der Aufsichtsrat (auch der erste) besteht aus mindestens drei Mitgliedern (§ 95 Sätze 1 9 und 2). Die Satzung kann eine höhere Zahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats bestimmen, die aber durch drei teilbar sein muss (§ 95 Satz 3). Je nach Höhe des Grundkapitals der Gesellschaft kann der Aufsichtsrat maximal 9, 15 oder 21 Mitglieder haben (§ 95 Satz 4). Die Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer 10 (siehe MitBestG, DrittelbG, MontanMitbestG und MontanMitbestErgG) finden auf den ersten Aufsichtsrat keine Anwendung (§ 30 Abs. 2; siehe auch § 96). Der erste Aufsichtsrat setzt sich somit ausschließlich aus Vertretern der Anteilseigner zusammen. Grund dafür ist, dass die neu gegründete Gesellschaft meist nur über wenige (oder gar keine) Arbeitnehmer verfügt und daher eine repräsentative Wahl der Arbeitnehmervertreter noch nicht möglich ist. Als Ausgleich für die fehlende Arbeitnehmerbeteiligung ist die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats zeitlich eng begrenzt (§ 30 Abs. 3 Satz 1).8) Beschränkungen für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats bestehen (nur) für den Fall, 11 dass in der Satzung die Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens bzw. Unternehmensteils als Sacheinlage oder Sachübernahme festgesetzt worden ist (§ 31). Die Gründer dürfen dann nur diejenigen Aufsichtsratsmitglieder bestellen, die nach den gesetzlichen Vorschriften nicht auf die Vertreter der Arbeitnehmer entfallen. Der Vorstand muss rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats (in der 12 Regel vier bis fünf Monate vor deren Ende) bekannt machen, nach welchen gesetzlichen Regelungen der nächste Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist (§ 30 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. §§ 96 ff.).9) Dies gilt (anders als bei § 97 Abs. 1 Satz 1) auch dann, wenn der neue Aufsichtsrat ebenso wie der erste Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist. Eine verspätete oder unterlassene Bekanntmachung des Vorstands führt nicht zur Unwirksamkeit der Neu_____________ 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Hüffer, AktG, § 30 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 5; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 8. Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 1 und 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 1 und 6. Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 7. Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 30 Rz. 15; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 6. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 30 Rz. 10 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 2 und 8. Zum Inhalt der Bekanntmachung s. Hüffer, AktG, § 30 Rz. 9; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 30 Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 17 f.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 18.
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§ 30
Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und des Abschlußprüfers
wahl des Aufsichtsrats, kann aber Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand begründen. Der Beschluss über die Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder ist allerdings nichtig, wenn die Bestellung nicht der Bekanntmachung des Vorstands (§ 97 Abs. 2 Satz 1) oder der gerichtlichen Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats entspricht (§ 250 Abs. 1 Nr. 1). 3.
Amtszeit (§ 30 Abs. 3)
13 Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats können höchstens bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt (§ 30 Abs. 3 Satz 1 als Ausnahme zu § 102). Im Ergebnis kann die Amtsdauer des ersten Aufsichtsrats somit höchstens zwanzig Monate betragen (siehe §§ 120 Abs. 1 Satz 1, 175 Abs. 1 Satz 2 und § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB). Zweck der Vorschrift ist es, möglichst frühzeitig die Mitwirkung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sicherzustellen.10) Die Beschränkung der Amtszeit gilt demnach nicht, wenn die Vertreter der Arbeitnehmer ausnahmsweise bereits zu Mitgliedern des Aufsichtsrats bestellt worden sind (§ 31 Abs. 5 und § 102). 14 Die Höchstdauer ist zwingend.11) Eine längere Amtszeit des ersten Aufsichtsrats kann weder in der Satzung vorgesehen werden (§ 23 Abs. 5) noch von den Gründern beschlossen werden (siehe § 30 Abs. 1 Satz 1). Die Festsetzung einer kürzeren Amtszeit ist dagegen möglich. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats zumindest bis zur Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister im Amt bleiben.12) 15 Die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats endet kraft Gesetzes stets mit Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Frist. Dies gilt auch dann, wenn die Hauptversammlung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist über die Entlastung des Aufsichtsrats entscheidet. Das Amt des ersten Aufsichtsrats endet dann zu dem Zeitpunkt, zu dem die Hauptversammlung richtigerweise über die Entlastung entscheiden hätte müssen.13) Ein Fortbestand des Amts des Aufsichtsrats kommt aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht in Betracht. Das Risiko der Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats (siehe § 108 Abs. 2) kann durch die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 104) verhindert werden. Alle Rechtshandlungen, die ein Mitglied des Aufsichtsrats nach Ende seiner Amtszeit noch vornimmt, sind unwirksam. Es besteht insoweit auch kein Vertrauensschutz (siehe § 106 AktG; § 15 HGB, § 40 GmbHG). 16 Mitglieder des ersten Aufsichtsrats können ihr Amt (vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Satzung) auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes niederlegen. Die Amtsniederlegung ist gegenüber dem Vorstand (und vor dessen Bestellung gegenüber den Gründern) zu erklären. Eine Abberufung von Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats ist durch Beschluss der Hauptversammlung möglich (§ 103 Abs. 1 Satz 1). Der Beschluss bedarf regelmäßig einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (§ 103 Abs. 1 Sätze 2 und 3) und muss aus Gründen der Rechtssicherheit (ebenso wie der Be-
_____________ 10) 11) 12) 13)
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Pentz in: MünchKomm-AktG, § 30 Rz. 22. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 10. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 11; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 14. BGH, Urt. v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, ZIP 2002, 1619, dazu EWiR 2003, 45 (Pötter) – zur Amtsdauer des regulären Aufsichtsrats nach § 102 Abs. 1. Zust. Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 8; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 30 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 10; Pentz in: MünchKommAktG, § 30 Rz. 24; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 14. A. A. insoweit Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 30 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 7.
Thomas Wachter
Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und des Abschlußprüfers
§ 30
stellungsbeschluss) notariell beurkundet werden (§ 30 Abs. 1 Satz 2 analog).14) Die Beschlussniederschrift muss von einem Notar beurkundet werden (§ 130 Abs. 1 Satz 1); die Niederschrift des Vorsitzenden des Aufsichtsrats (§ 130 Abs. 1 Satz 3) ist nicht ausreichend.15) Scheidet ein Mitglied des Aufsichtsrats vorzeitig aus, bestellen die Gründer einen Nach- 17 folger (§ 30 Abs. 1). Nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister werden die neuen Mitglieder des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung gewählt (§ 101 Abs. 1) oder vom Gericht bestellt (§ 104). 4.
Aufgaben
Der erste Aufsichtsrat bestellt den ersten Vorstand (§ 30 Abs. 4). Darüber hinaus haben 18 die Mitglieder des Aufsichtsrats (zusammen mit den Mitgliedern des Vorstands) den Hergang der Gründung zu prüfen (§ 33 Abs. 1) und die Gesellschaft (zusammen mit den Gründern und den Mitgliedern des Vorstands) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 36 Abs. 1). Im Übrigen ist der erste Aufsichtsrat zur Überwachung des Vorstands verpflichtet (§ 111). Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft (§ 112). Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Ver- 19 gütung. Eine Vergütung kann nur von der Hauptversammlung bewilligt werden, die über die Entlastung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats beschließt (§ 113 Abs. 2). Die Entscheidung über die Vergütung erfolgt somit erst am Ende der Amtszeit. Zusagen der Gründer über eine Vergütung sind nichtig (§ 134 BGB).16) Auf diese Weise soll ein Zusammenwirken zwischen den Gründern und den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats zulasten der Gesellschaft verhindert werden. Ein Gründerlohn (§ 26 Abs. 2) oder ein Sondervorteil (§ 26 Abs. 1) kann den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats gewährt werden, muss allerdings in der Satzung festgesetzt werden (siehe §§ 32 Abs. 3, 33 Abs. 2 Nr. 3). III.
Der erste Vorstand (§ 30 Abs. 4)
1.
Bestellung
Der erste Vorstand wird vom ersten Aufsichtsrat bestellt (§ 30 Abs. 4). Bestellt der Auf- 20 sichtsrat keinen Vorstand, können die Gründer nur den Aufsichtsrat abberufen und neue Mitglieder des Aufsichtsrats bestellen. Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch Beschluss des Aufsichtsrats (§ 108 Abs. 1). Der 21 Beschluss bedarf der einfachen Mehrheit der Stimmen. Besondere Formvorschriften bestehen nicht (§ 30 Abs. 1 Satz 2 gilt nicht).17) Allerdings ist der Handelsregisteranmeldung die Urkunde über die Bestellung des Vorstands als Anlage beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 3). Für die Anzahl der Vorstandsmitglieder (§ 76 Abs. 2), die Voraussetzungen einer wirk- 22 samen Bestellung (§ 76 Abs. 3) und die Amtsdauer der Vorstandsmitglieder (§ 84 Abs. 1) gelten die allgemeinen Bestimmungen. Ein Arbeitsdirektor muss jedoch nicht bestellt werden (siehe §§ 76 Abs. 2 Satz 3 und 30 Abs. 2).18) _____________ 14) Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 30 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 13; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 30 Rz. 29; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 10. 15) Insoweit a. A. Hüffer, AktG, § 30 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 13. 16) Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 16. 17) Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 30 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 12. 18) Hüffer, AktG, § 30 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 23; Pentz in: MünchKommAktG, § 30 Rz. 39.
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§ 30
Bestellung des Aufsichtsrats, des Vorstands und des Abschlußprüfers
23 Von der Bestellung des Vorstands als körperschaftlichem Akt ist der Abschluss des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags zu unterscheiden. Dieser wird zwischen der VorAG, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112) und dem Vorstand geschlossen. Die vereinbarte Vergütung des Vorstands (§ 87) muss nicht in der Satzung festgesetzt werden (siehe § 26 Abs. 2).19) 2.
Aufgaben
24 Der Vorstand leitet die Gesellschaft in eigener Verantwortung (§ 76 Abs. 1). Der erste Vorstand muss darüber hinaus (zusammen mit den Mitgliedern des Aufsichtsrats) den Hergang der Gründung prüfen (§ 33 Abs. 1) und die Gesellschaft (zusammen mit den Gründern und den Mitgliedern des Aufsichtsrats) zur Eintragung in das Handelsregister anmelden (§ 36 Abs. 1). IV.
Der erste Abschlussprüfer (§ 30 Abs. 1)
25 Die Gründer (und nicht die Hauptversammlung, siehe § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG i. V. m. § 318 HGB) müssen für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr regelmäßig einen Abschlussprüfer bestellen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 319 HGB). Die Bestellung bedarf der notariellen Beurkundung (§ 30 Abs. 1 Satz 2). In der Praxis erfolgt die Bestellung meist im notariellen Gründungsprotokoll (§ 23 Abs. 1). 26 Die Bestellung eines Abschlussprüfers ist entbehrlich, wenn die Gesellschaft im ersten Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr nach Auffassung der Gründer eine kleine Kapitalgesellschaft sein wird (§§ 267, 267a HGB) und demnach überhaupt nicht prüfungspflichtig ist (§ 316 Abs. 1 HGB).20) Falls sich die Verhältnisse anders als von den Gründern erwartet entwickeln und die Gesellschaft doch prüfungspflichtig wird, kann das Gericht jederzeit einen Abschlussprüfer bestellen (§ 318 Abs. 4 HGB). 27 Die Bestellung des ersten Abschlussprüfers ist (anders als die Bestellung des ersten Aufsichtsrats und des ersten Vorstands) keine zwingende Voraussetzung der Gründung. Unterbleibt die Bestellung des Abschlussprüfers, muss das Registergericht die Gesellschaft gleichwohl in das Handelsregister eintragen (§ 38 Abs. 1).21) 28 Von der Bestellung des Abschlussprüfers ist die Erteilung des konkreten Prüfauftrags zu unterscheiden. Diesen erteilt der Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG i. V. m. § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB).22) 29 Die Abberufung des Abschlussprüfers ist nur durch das Gericht möglich (§ 318 Abs. 3 HGB). Eine Abberufung durch die Gründer scheidet im Interesse der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers auch vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister aus.23)
_____________ 19) BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 47/02, ZIP 2004, 1409, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala). Einschränkend Pentz in: MünchKomm-AktG, § 30 Rz. 41. 20) Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 13; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 30 Rz. 19. A. A. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 30 Rz. 27. 21) Hölters-Solveen, AktG, § 30 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 30 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 30 Rz. 26. 22) Hüffer, AktG, § 30 Rz. 10. 23) Hüffer, AktG, § 30 Rz. 11.
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§ 31
Bestellung des Aufsichtsrats bei Sachgründung
§ 31 Bestellung des Aufsichtsrats bei Sachgründung (1) 1Ist in der Satzung als Gegenstand einer Sacheinlage oder Sachübernahme die Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens oder eines Teils eines Unternehmens festgesetzt worden, so haben die Gründer nur so viele Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, wie nach den gesetzlichen Vorschriften, die nach ihrer Ansicht nach der Einbringung oder Übernahme für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats maßgebend sind, von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge zu wählen sind. 2Sie haben jedoch, wenn dies nur zwei Aufsichtsratsmitglieder sind, drei Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen. (2) Der nach Absatz 1 Satz 1 bestellte Aufsichtsrat ist, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, beschlußfähig, wenn die Hälfte, mindestens jedoch drei seiner Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. (3) 1Unverzüglich nach der Einbringung oder Übernahme des Unternehmens oder des Unternehmensteils hat der Vorstand bekanntzumachen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat zusammengesetzt sein muß. 2§§ 97 bis 99 gelten sinngemäß. 3Das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder erlischt nur, wenn der Aufsichtsrat nach anderen als den von den Gründern für maßgebend gehaltenen Vorschriften zusammenzusetzen ist oder wenn die Gründer drei Aufsichtsratsmitglieder bestellt haben, der Aufsichtsrat aber auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen hat. (4) Absatz 3 gilt nicht, wenn das Unternehmen oder der Unternehmensteil erst nach der Bekanntmachung des Vorstands nach § 30 Abs. 3 Satz 2 eingebracht oder übernommen wird. (5) § 30 Abs. 3 Satz 1 gilt nicht für die nach Absatz 3 bestellten Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Sachgründung .................................... 3 III. Bestellung des ersten Aufsichtsrats durch die Gründer (§ 31 Abs. 1) ....................................... 7 IV. Beschlussfähigkeit (§ 31 Abs. 2) .... 12 I.
V. Ergänzung des Aufsichtsrats durch Arbeitnehmervertreter (§ 31 Abs. 4) ..................................... 15 VI. Amtszeit der Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 31 Abs. 5) ............. 21
Überblick
Die Gründer bestellen grundsätzlich alle Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (§ 30 Abs. 1). 1 Die Vorschriften über die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer sind dabei grundsätzlich (noch) nicht anzuwenden (§ 30 Abs. 2). Besonderheiten bestehen jedoch für Sachgründungen, bei denen ein Unternehmen bzw. Unternehmensteil eingebracht oder übernommen wird. In diesen Fällen sind die nach Einbringung bzw. Übernahme des Unternehmens geltenden Vorschriften über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bereits bei der Gründung der Gesellschaft zu berücksichtigen. Die Gründer dürfen daher nur die Mitglieder des Aufsichtsrats bestellen, die – aufgrund der künftig maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften – nicht auf die Arbeitnehmer entfallen. Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats werden somit bei Gründung ggf. noch nicht vollständig, sondern nur teilweise bestellt. Nach Vollzug der Unternehmenseinbringung bzw. -übernahme wird der Aufsichtsrat sodann um die Arbeitnehmervertreter ergänzt. Auf Thomas Wachter
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§ 31
Bestellung des Aufsichtsrats bei Sachgründung
diese Weise soll eine möglichst frühzeitige Beteiligung der Arbeitnehmer des eingebrachten Unternehmens im Aufsichtsrat der übernehmenden AG sichergestellt werden. Dies erscheint sachgerecht, da in diesem Fall – anders als bei einer Bargründung oder einer sonstigen Sachgründung – typischerweise bereits eine ausreichende Zahl von Arbeitnehmern vorhanden ist, so dass eine repräsentative Wahl der Arbeitnehmervertreter möglich ist.1) 2 § 31 regelt die Zusammensetzung, Beschlussfähigkeit und Amtszeit des ersten Aufsichtsrats in solchen Fällen einer Sachgründung mit Unternehmen. II.
Sachgründung
3 Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist auf Fälle beschränkt, in denen in der Satzung der Gesellschaft als Sacheinlage oder Sachübernahme (§ 27 Abs. 1) die Einbringung oder Übernahme eines Unternehmens oder eines Teils eines Unternehmens2) festgesetzt worden ist (§ 31 Abs. 1 Satz 1). Für alle anderen Fälle der Bar- und Sachgründung verbleibt es dagegen bei dem Grundsatz, dass alle Mitglieder des ersten Aufsichtsrats von den Gründern bestellt werden. Die Regelung gilt auch nicht für verdeckte Sachgründungen (siehe § 27 Abs. 3), weil es in diesen Fällen gerade an einer förmlichen Festsetzung in der Satzung fehlt.3) 4 Nach dem Normzweck – frühzeitige Sicherung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat – ist die Vorschrift zudem nur dann anwendbar, wenn das eingebrachte bzw. übernommene Unternehmen über eine hinreichende Anzahl von Arbeitnehmern verfügt und diese auch auf die neu gegründete AG übergehen.4) 5 Nicht entscheidend ist demgegenüber, ob das Unternehmen bei der AG fortgeführt (oder eingestellt) wird und ob den Arbeitnehmern bereits bei dem bisherigen Unternehmen Mitbestimmungsrechte zustanden. 6 Bei Gründung einer AG im Wege des Formwechsels ist die Vorschrift anwendbar (§ 197 Satz 3 UmwG). III.
Bestellung des ersten Aufsichtsrats durch die Gründer (§ 31 Abs. 1)
7 Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bestimmt sich nach den Vorschriften, die nach der Einbringung oder Übernahme des Unternehmens bzw. Unternehmensteils maßgebend sind (siehe § 31 Abs. 1 Satz 1; sowie §§ 1, 7 MitBestG, §§ 1, 4 DrittelbG, §§ 4, 8, und 9 MontanMitbestG und § 5 MontanMitbestErgG).5) Dabei kommt es stets auf die subjektive Sicht der Gründer an (§ 31 Abs. 1 Satz 1: „ihrer Ansicht nach“), die darüber mit einfacher Mehrheit entscheiden. Diese Auffassung ist auch für das Registergericht bindend. Eine falsche Rechtsansicht begründet kein Eintragungshindernis. Etwaige Fehler sind vielmehr nachträglich i. R. eines gerichtlichen Statusverfahrens zu korrigieren (§ 31 Abs. 3 Satz 2, § 98). _____________ 1) 2) 3) 4)
5)
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Hölters-Solveen, AktG, § 31 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 31 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 31 Rz. 2 f.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 2; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 31 Rz. 1. Zum Begriff des Unternehmens(teils) Hölters-Solveen, AktG, § 31 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 31 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 3; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 31 Rz. 7 ff. Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 31 Rz. 5. Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 31 Rz. 2; Hölters-Solveen, AktG, § 31 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 31 Rz. 2; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 31 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 4; Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 31 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 31 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 31 Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 31 Rz. 6 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 7 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 31 Rz. 12 ff.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 31 Rz. 8.
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Bestellung des Aufsichtsrats bei Sachgründung
§ 31
Unterliegt die Gesellschaft nicht der Mitbestimmung, sind alle Mitglieder des Auf- 8 sichtsrats von den Gründern zu bestellen. Greifen die Vorschriften über die Arbeitnehmermitbestimmung ein, bestellen die Grün- 9 der zunächst (nur) so viele Aufsichtsratsmitglieder, wie von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge zu wählen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 101 Abs. 1). Nicht bestellt werden demnach die Aufsichtsratsmitglieder, die auf die Arbeitnehmervertreter entfallen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Mitglieder des Aufsichtsrats zunächst von den Gründern bestellt werden und später zugunsten von Vertretern der Arbeitnehmer wieder aus dem Aufsichtsrat ausscheiden müssen. Im Interesse der Beschlussfähigkeit des ersten Aufsichtsrats müssen die Gründer in je- 10 dem Fall mindestens drei Mitglieder des Aufsichtsrats bestellen (§ 31 Abs. 1 Satz 2). Dies gilt auch dann, wenn ein Aufsichtsrat nach der Satzung drei Mitglieder hat und ein Drittel der Mitglieder für Vertreter der Arbeitnehmer vorgesehen ist (siehe etwa § 4 Abs. 1 DrittelbG). Nachdem ein (vorläufiger) Aufsichtsrat mit nur zwei Mitgliedern bei Meinungsverschiedenheiten beschlussunfähig wäre (siehe auch § 31 Abs. 2, § 108 Abs. 2 Satz 3), müssen stets mindestens drei Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden. Der Aufsichtsrat ist auch dann, wenn noch nicht alle Mitglieder bestellt worden sind, 11 erster Aufsichtsrat i. S. des Gesetzes und hat alle diesem obliegenden Rechte und Pflichten (u. a. nach §§ 30 Abs. 4, 33 Abs. 1 und 36 Abs. 1). IV.
Beschlussfähigkeit (§ 31 Abs. 2)
Der vorläufige erste Aufsichtsrat ist beschlussfähig, wenn die Hälfte, mindestens jedoch 12 drei seiner Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen (§ 31 Abs. 2. – § 108 Abs. 2 Sätze 2 und 3 sowie § 28 MitbestG, §§ 10, 11 MontanMitbestG sind insoweit verdrängt).6) Zweck der Vorschrift ist es die Beschlussfähigkeit des ersten Aufsichtsrats auch dann sicherzustellen, wenn noch nicht alle Mitglieder bestellt worden sind. Für die Berechnung der Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats kommt es darauf an, wie 13 viele Mitglieder nach Gesetz oder Satzung zu bestimmen sind (wie bei § 108 Abs. 2 Satz 2),7) und nicht auf die tatsächlich vorhandene Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder. Die Satzung kann die Beschlussfähigkeit des ersten Aufsichtsrats abweichend regeln 14 (§ 31 Abs. 2). Nicht zulässig ist es allerdings vorzusehen, dass der Aufsichtsrat auch dann beschlussfähig ist, wenn weniger als drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen (siehe § 108 Abs. 3 Satz 3).8) Im Übrigen ist bei der Auslegung entsprechender Satzungsbestimmungen zu berücksichtigen, dass der erste Aufsichtsrat hier noch unvollständig ist, so dass bspw. ein Quorum verhältnismäßig anzupassen ist. V.
Ergänzung des Aufsichtsrats durch Arbeitnehmervertreter (§ 31 Abs. 4)
Die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats wurden von den Gründern zunächst nur teilweise 15 bestellt (§ 31 Abs. 1 Satz 1). Nach der Einbringung bzw. Übernahme des Unternehmens(teils) in die AG ist der Aufsichtsrat sodann aber unverzüglich um die fehlenden Arbeitnehmervertreter zu ergänzen. Dazu hat der Vorstand unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) nach der Einbringung 16 oder Übernahme des Unternehmens bekannt zu machen, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich nach seiner Ansicht der Aufsichtsrat zusammensetzt (§ 31 Abs. 3 Satz 1). _____________ 6) 7) 8)
A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 31 Rz. 9 f.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 31 Rz. 11. Wie hier Hüffer, AktG, § 31 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 13; Pentz in: MünchKommAktG, § 31 Rz. 21; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 31 Rz. 12. So auch K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 16; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 31 Rz. 22.
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Gründungsbericht
Hat der Vorstand bereits vor der Einbringung bzw. Übernahme des Unternehmens eine entsprechende Bekanntmachung nach allgemeinen Vorschriften vorgenommen (§ 30 Abs. 3 Satz 2) entfällt dieses Verfahren (§ 31 Abs. 4). 17 Für die Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gelten die allgemeinen Vorschriften (§ 31 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. §§ 97 bis 99).9) 18 Für die Ergänzung des Aufsichtsrats kommt es darauf an, ob der Vorstand (oder das Gericht) die Ansicht der Gründer über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats teilt oder nicht:10) 19 Wird die Ansicht der Gründer bestätigt, bleiben die bereits bestellten Mitglieder des Aufsichtsrats im Amt (Ausnahme: § 31 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2). Der Aufsichtsrat wird aber um die neu gewählten Vertreter der Arbeitnehmer ergänzt. 20 Wird die Ansicht der Gründer dagegen nicht bestätigt, erlischt das Amt der bisherigen Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 31 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1) und der Aufsichtsrat ist insgesamt neu zu wählen. VI.
Amtszeit der Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 31 Abs. 5)
21 Als erster Aufsichtsrat gilt auch der Aufsichtsrat, der nachträglich um die Vertreter der Arbeitnehmer ergänzt worden ist (nach § 31 Abs. 3). Die Amtsdauer der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats wäre daher grundsätzlich auf die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung beschränkt, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt (§ 30 Abs. 3 Satz 1). Dies hätte zur Folge, dass innerhalb kurzer Zeit zwei finanziell und zeitlich unter Umständen aufwändige Wahlen zur Bestellung der Arbeitnehmervertreter durchgeführt werden müssten (bzw. ersatzweise entsprechende gerichtliche Verfahren nach § 104). Um dies zu vermeiden, können die Arbeitnehmervertreter im ersten Aufsichtsrat auch für eine volle Amtsperiode (nach § 102) bestellt werden (§ 31 Abs. 5).11) 22 Die gesetzliche Höchstdauer für die ersten Mitglieder des Aufsichtsrats (nach § 30 Abs. 3 Satz 1) gilt somit nur für die Vertreter der Anteilseigner. _____________ 9) Dazu Hölters-Solveen, AktG, § 31 Rz. 10 ff.; Hüffer, AktG, § 31 Rz. 8 ff.; A. Arnold in: KölnKommAktG, § 31 Rz. 14 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 31 Rz. 17 ff. 10) Hölters-Solveen, AktG, § 31 Rz. 14 f.; Hüffer, AktG, § 31 Rz. 10 f.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 21 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 31 Rz. 28 ff.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 31 Rz. 14 ff. 11) Hölters-Solveen, AktG, § 31 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 31 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 31 Rz. 25; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 31 Rz. 48.
§ 32 Gründungsbericht (1) Die Gründer haben einen schriftlichen Bericht über den Hergang der Gründung zu erstatten (Gründungsbericht). (2) 1Im Gründungsbericht sind die wesentlichen Umstände darzulegen, von denen die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen oder Sachübernahmen abhängt. 2 Dabei sind anzugeben 1. die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf den Erwerb durch die Gesellschaft hingezielt haben;
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§ 32
Gründungsbericht 2. die Anschaffungs- und Herstellungskosten aus den letzten beiden Jahren;
3. beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Betriebserträge aus den letzten beiden Geschäftsjahren. (3) Im Gründungsbericht ist ferner anzugeben, ob und in welchem Umfang bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind und ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Inhalt des Gründungsberichts ......... 5 1. Allgemeine Angaben für alle Gründungen ........................................ 5 2. Besondere Angaben bei Sachgründungen (§ 32 Abs. 2) .......................... 6 a) Gleichwertigkeit ........................... 6 b) Einzelangaben ............................... 7 I.
3. Zusätzliche Angaben zum Vorstand und Aufsichtsrat (§ 32 Abs. 3) ........... a) Übernahme von Aktien für Rechnung von Mitgliedern der Verwaltung ................................. b) Sondervorteile und Gründungsentschädigung für Mitglieder der Verwaltung ............... III. Formalien ........................................
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Überblick
Die Gründer (§ 28) haben über den Hergang der Gründung stets einen schriftlichen 1 Bericht (Gründungsbericht) zu erstatten (§ 32 Abs. 1). Die Erstellung eines Gründungsberichts ist sowohl bei Bargründungen als auch bei Sachgründungen notwendig. Der Gründungsbericht ist der Handelsregisteranmeldung als Anlage beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 4). Für Bargründungen sind im AktG keine besonderen Vorgaben für den Inhalt des 2 Gründungsberichts vorgesehen. Bei Sachgründungen müssen im Gründungsbericht insbesondere die wesentlichen Umstände dargelegt werden, von denen die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen oder Sachübernahmen abhängt (§ 32 Abs. 2 Satz 1). Dabei sind auch anzugeben die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte, die auf den Erwerb durch die Gesellschaft hingezielt haben (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1), die Anschaffungs- und Herstellungskosten aus den letzten beiden Jahren (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) und beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Betriebserträge aus den letzten beiden Geschäftsjahren (§ 32 Abs. 2 Nr. 3). Darüber hinaus ist in jedem Gründungsbericht stets anzugeben, ob und in welchem Um- 3 fang bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind (§ 32 Abs. 3 Alt. 1) und, ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil (§ 26 Abs. 1) oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung (§ 26 Abs. 2) ausbedungen hat (§ 32 Abs. 3 Alt. 2). Zweck des Gründungsberichts ist es vor allem, die Allgemeinheit vor unseriösen und 4 betrügerischen Gründungen zu schützen.1) Darüber hinaus ist der Gründungsbericht Grundlage für die anschließende Gründungsprüfung. Neben dem Gründungsbericht der Gründer (§ 32 Abs. 1) ist von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats ein _____________ 1)
Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 32 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 1; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 3; Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 32 Rz. 1.
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Gründungsbericht
(interner) Gründungsprüfungsbericht (§ 33 Abs. 1), und in bestimmten Fällen darüber hinaus auch ein externer Gründungsbericht eines Gründungsprüfers (§§ 33 Abs. 2, 33a) zu erstellen. Alle Berichte sind streng voneinander zu unterscheiden. Alle Berichterstatter sind für die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Berichte zivil- und strafrechtlich verantwortlich (u. a. §§ 46 ff., § 399 Abs. 1 Nr. 2 AktG; §§ 823 Abs. 2, 826 BGB). Dem Handelsregister sind alle Berichte als Anlage zur Handelsregisteranmeldung mit vorzulegen (§ 37 Abs. 4 Nr. 4). Die Berichte sind die Grundlage für die registergerichtliche Prüfung und sollen diese erleichtern (§ 38 Abs. 1). Fehlende, unvollständige oder unrichtige Berichte stellen ein zwingendes Eintragungshindernis dar (siehe auch § 38 Abs. 2).2) Im Handelsregister sind die Berichte für jedermann einsehbar (§ 9 Abs. 1 HGB) und dienen damit auch der Information der interessierten Öffentlichkeit. II.
Inhalt des Gründungsberichts
1.
Allgemeine Angaben für alle Gründungen
5 Der Inhalt des Gründungsberichts ist im AktG nur für einzelne Spezialfälle näher geregelt (§ 32 Abs. 2 und 3). Allgemein gilt, dass jeder Gründungsbericht den gesamten Hergang der Gründung (§ 32 Abs. 1) umfassen muss. In dem Gründungsbericht sind daher alle Umstände anzugeben, die für die Gründung der Gesellschaft von Bedeutung sind. Anzugeben sind auch solche Umstände, die sich bereits aus der Satzung oder der notariellen Gründungsurkunde ergeben.3) Im Regelfall sind insbesondere anzugeben: –
Namen der Gründer (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 1);
–
Tag der Feststellung der Satzung (meist, aber nicht zwingend auch der Name des beurkundenden Notars und die Urkundennummer; siehe § 23 Abs. 1 Satz 1);
–
Höhe des Grundkapitals und Zerlegung in Nennbetrags – oder Stückaktien (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2 sowie Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4);
–
Ausgabebetrag der Aktien, Anzahl der von jedem Gründer übernommenen Aktien (ggf. getrennt nach einzelnen Gattungen von Aktien);
–
Höhe der geleisteten Bareinlagen (siehe §§ 36 Abs. 2, 36a);
–
erster Aufsichtsrat (Tag der Bestellung, Zahl und Namen der Mitglieder; siehe §§ 30 Abs. 1, 31);
–
erster Vorstand (Tag der Bestellung, Zahl und Namen der Mitglieder, Vertretungsbefugnis; siehe § 30 Abs. 4);
–
Bestellung des ersten Abschlussprüfers (soweit erforderlich; siehe § 30 Abs. 1 und §§ 267 Abs. 1, 316 ff. HGB);
–
Hinweis auf etwaige Personenidentität zwischen Gründern (bzw. deren Organen) und Organmitgliedern;
–
Übernahme von Aktien für Rechnung eines Dritten (auch über § 32 Abs. 3 Alt. 1 hinaus);
–
Zusagen über etwaige Sondervorteile (auch über § 32 Abs. 3 Alt. 2 hinaus, siehe § 26 Abs. 1) sowie
–
der gesamte Gründungsaufwand (auch über § 32 Abs. 3 Alt. 2 hinaus, siehe § 26 Abs. 2).
_____________ 2) 3)
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Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 13; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 23. Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 32 Rz. 3; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 6 f.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 4; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 12; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 32 Rz. 6.
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§ 32
Gründungsbericht 2.
Besondere Angaben bei Sachgründungen (§ 32 Abs. 2)
a)
Gleichwertigkeit
Bei einer Sachgründung (§ 27) sind im Gründungsbericht über die allgemeinen Angaben 6 hinaus insbesondere die wesentlichen Umstände darzulegen, von denen die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen oder Sachübernahmen abhängt (§ 32 Abs. 2 Satz 1). Die Leistungen sind angemessen, wenn der Ausgabebetrag der Aktien bzw. die gewährte Vergütung dem Wert der Sache entspricht (siehe auch § 34 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2). Leistung und Gegenleistung müssen gleichwertig sein.4) In dem Gründungsbericht ist daher umfassend zu dem Wert der eingelegten bzw. übernommenen Sachen und der Art und Weise der konkreten Wertermittlung Stellung zu nehmen. Die im Einzelfall erforderlichen Angaben sind insbesondere von Art, Zustand und Beschaffenheit der jeweiligen Sache abhängig. In jedem Fall müssen die Ausführungen in dem Gründungsbericht die Gründungsprüfer und das Registergericht von der Werthaltigkeit der Sachen überzeugen. Denn das Registergericht hat die Eintragung der Gesellschaft u. a. dann abzulehnen, wenn der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen nicht unwesentlich hinter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder dem Wert der dafür zu gewährenden Leistungen zurückbleibt (§ 38 Abs. 2 Satz 2). Die Angaben zum Wert der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen müssen im Gründungsbericht auch dann gemacht werden, wenn die Gesellschaft auf eine externe Gründungsprüfung verzichtet (siehe § 33a i. V. m. § 33 Abs. 2 Nr. 4, der § 32 jedoch unberührt lässt). b)
Einzelangaben
Neben den allgemeinen Angaben zur Werthaltigkeit der eingebrachten bzw. über- 7 nommenen Sachen müssen die Gründer zum Zwecke der Konkretisierung in dem Bericht stets noch bestimmte weitere Angaben machen (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3). Diese Angaben sind zwingend. Im Einzelfall ist eine entsprechende Fehlanzeige in dem Gründungsbericht aufzunehmen.5) In dem Gründungsbericht sind die vorausgegangenen Rechtsgeschäfte anzugeben, die 8 auf den Erwerb durch die Gesellschaft hingezielt haben (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1).6) Damit sind vor allem solche Geschäfte gemeint, mit denen die Gründer einen Gegenstand von einem Dritten erwerben, um ihn anschließend der Gesellschaft i. R. einer Sachgründung zu überlassen (vielfach auch als Zwischengeschäfte bezeichnet). Zweck der Vorschrift ist es vor allem, etwaige Gewinne der Gründer (als Zwischenperson) offenzulegen und auf ihre Marktüblichkeit zu prüfen. Von Bedeutung sind daher vor allem Art, Zeitpunkt und Inhalt dieser Rechtsgeschäfte. Ferner sind in dem Gründungsbericht die Anschaffungs- und Herstellungskosten an- 9 zugeben, die den Gründern für die Sachen in den letzten beiden Jahren7) entstanden sind (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AktG i. V. m. § 255 HGB).8) Ziel der Regelung ist es, eine etwaige Differenz zwischen den Anschaffungs- und Herstellungskosten einerseits und _____________ 4)
5) 6) 7) 8)
Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 32 Rz. 4; Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 5; A. Arnold in: KölnKommAktG, § 32 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 5; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 32 Rz. 9 f. Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 32 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 32 Rz. 6; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 16. Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 6; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 10; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 32 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 18. Zur Berechnung der Zwei-Jahres-Frist s. Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 32 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 11; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 23. Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 7; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 11 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 8 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 20 ff.
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§ 32
Gründungsbericht
dem Ausgabebetrag der Aktien bzw. der von der Gesellschaft gewährten Vergütung andererseits offenzulegen und zu prüfen. 10 Beim Übergang eines Unternehmens (oder eines Unternehmensteils, siehe § 31 Abs. 1 Satz 1)9) sind in dem Gründungsbericht darüber hinaus auch die Betriebserträge aus den letzten beiden Geschäftsjahren (getrennt voneinander) anzugeben (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AktG i. V. m § 275 Abs. 2 Nr. 20 und Abs. 3 Nr. 19 HGB; siehe auch § 5 Abs. 4 Satz 2 GmbHG).10) Anhand der (ordentlichen) Erträge soll die Rentabilität des eingebrachten bzw. übernommenen Unternehmens ermittelt und damit die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung gesichert werden. Besteht das Unternehmen noch keine vollen zwei Geschäftsjahre, sind die bisherigen Erträge anzugeben. Die Angabe des Betriebsertrags aus dem laufenden Geschäftsjahr ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich, für die Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung aber regelmäßig hilfreich. 3.
Zusätzliche Angaben zum Vorstand und Aufsichtsrat (§ 32 Abs. 3)
a)
Übernahme von Aktien für Rechnung von Mitgliedern der Verwaltung
11 In jedem Gründungsbericht (bei Bar- und Sachgründungen) ist anzugeben, ob und in welchem Umfang bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind (§ 32 Abs. 3 Alt. 1). Im Interesse der Transparenz des Gründungsvorgangs sind solche Treuhand- bzw. Strohmannverhältnisse in dem Gründungsbericht vollständig offenzulegen.11) Möglichen Interessenkollisionen soll auf diese Weise vorgebeugt werden. Anzugeben sind dabei insbesondere der Name des Gründers, der Name des Mitglieds des Vorstands und Aufsichtsrats sowie Art und Anzahl der übernommenen Aktien. Die Angaben sind für jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats gesondert zu machen. 12 Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine gesonderte Angabe im Gründungsbericht dann nicht erforderlich, wenn ein Gründer für Rechnung eines Dritten (z. B. für Angehörige von Mitgliedern der Verwaltung oder Angestellte der Gesellschaft) Aktien übernimmt. Nach dem Normzweck gehören aber auch diese Informationen zum Hergang der Gründung (§ 32 Abs. 1) und sind daher in den Gründungsbericht mit aufzunehmen.12) 13 Dagegen bedarf es keiner gesonderten Angabe im Gründungsbericht, wenn ein Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats selbst zu den Gründern gehört und für eigene Rechnung Aktien übernimmt (siehe auch § 33 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 im Unterschied zu § 32 Abs. 3 Alt. 1).13) 14 Werden keine Aktien für Rechnung Dritter übernommen ist in den Gründungsbericht eine entsprechende Fehlanzeige aufzunehmen. 15 Die Übernahme von Aktien für Rechnung von Mitgliedern der Verwaltung (nicht auch für Dritte) macht eine externe Gründungsprüfung erforderlich (§ 33 Abs. 2 Nr. 2). b)
Sondervorteile und Gründungsentschädigung für Mitglieder der Verwaltung
16 In jedem Gründungsbericht ist darüber hinaus stets auch anzugeben, ob und in welcher Weise ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil _____________ 9) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 15. 10) Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 8; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 15 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, § 32 Rz. 12; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 24 ff. 11) Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 32 Rz. 6; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 13 ff. 12) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 15 (einschränkend aber wohl Rz. 4 a. E.); Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 31. 13) Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 14.
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§ 33
Gründungsprüfung. Allgemeines
(§ 26 Abs. 1) oder eine Entschädigung oder Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung (§ 26 Abs. 2) ausbedungen hat (§ 32 Abs. 3 Alt. 2). In der Satzung sind etwaige Sondervorteile sowie der Gründungsaufwand ohnehin gesondert festzusetzen und sind damit über das Handelsregister für jedermann ersichtlich. Zur Vermeidung von Interessenkollisionen sind Sondervorteile, Gründungsentschädigungen und -belohnungen im Gründungsbericht gleichwohl ausdrücklich anzugeben.14) Anzugeben sind jeweils Art und Umfang des Sondervorteils, der Gründungsentschädigung bzw. des Gründerlohns sowie der Name des Empfängers. Über den Gesetzeswortlaut (des § 32 Abs. 3 Alt. 2) hinaus sind in dem Gründungsbericht auch alle sonstigen Sondervorteile, Entschädigungen und Belohnungen für die Gründung, die Dritten gewährt worden sind mit anzugeben (nach § 32 Abs. 1). Gegebenenfalls ist eine entsprechende Fehlanzeige erforderlich. Die Gewährung von Sondervorteilen, Gründungsentschädigungen und –belohnungen für 17 Mitglieder der Verwaltung (nicht auch für Dritte) macht eine externe Gründungsprüfung erforderlich (§ 33 Abs. 2 Nr. 3). III.
Formalien
Der Gründungsbericht ist schriftlich zu erstatten (§ 32 Abs. 1 AktG i. V. m. § 126 BGB). 18 Alle Gründer müssen den Gründungsbericht eigenhändig unterzeichnen. Gründungsberichte, die lediglich per Telefax oder als pdf Dokumente übermittelt werden, sind nicht ausreichend. Falsche Angaben der Gründer in dem Gründungsbericht sind strafbar (§ 399 Abs. 1 19 Nr. 2). Die Gründer müssen den Gründungsbericht daher höchstpersönlich erstatten. Stellvertretung ist ausgeschlossen.15) Zeitlich ist der Gründungsbericht nach Bestellung des ersten Vorstands (siehe §§ 30 Abs. 4, 20 32 Abs. 3) und vor der Gründungsprüfung (§§ 33 ff.) zu erstellen. Stellen die Gründer nach Erstattung des Gründungsberichts (und vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister) fest, dass sich ein wesentlicher Umstand nachträglich geändert hat, müssen sie unverzüglich einen Nachtrag zum Gründungsbericht erstellen und diesen zum Handelsregister einreichen.16) _____________ 14) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 16; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 32 Rz. 32. 15) Hölters-Solveen, AktG, § 32 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 32 Rz. 2; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 32 Rz. 2. 16) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 32 Rz. 22.
§ 33 Gründungsprüfung. Allgemeines (1) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben den Hergang der Gründung zu prüfen. (2) Außerdem hat eine Prüfung durch einen oder mehrere Prüfer (Gründungsprüfer) stattzufinden, wenn 1. ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern gehört oder 2. bei der Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind oder
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Gründungsprüfung. Allgemeines
3. ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung ausbedungen hat oder 4. eine Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen vorliegt. (3) 1In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 kann der beurkundende Notar (§ 23 Abs. 1 Satz 1) anstelle eines Gründungsprüfers die Prüfung im Auftrag der Gründer vornehmen; die Bestimmungen über die Gründungsprüfung finden sinngemäße Anwendung. 2Nimmt nicht der Notar die Prüfung vor, so bestellt das Gericht die Gründungsprüfer. 3Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (4) Als Gründungsprüfer sollen, wenn die Prüfung keine anderen Kenntnisse fordert, nur bestellt werden 1. Personen, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind; 2. Prüfungsgesellschaften, von deren gesetzlichen Vertretern mindestens einer in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren ist. (5) 1Als Gründungsprüfer darf nicht bestellt werden, wer nach § 143 Abs. 2 nicht Sonderprüfer sein kann. 2Gleiches gilt für Personen und Prüfungsgesellschaften, auf deren Geschäftsführung die Gründer oder Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, maßgebenden Einfluß haben. Literatur: Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht, 2. Aufl. 2013; Diehn/Sikora/ Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht, 2013; Grage, Notarrelevante Regelungen des Transparenz- und Publizitätsgesetzes im Überblick, RNotZ 2002, 326; Heckschen, Gründungsprüfung durch den Notar, NotBZ 2002, 429; Hermanns, Erleichterungen bei der Gründung von Aktiengesellschaften durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, ZIP 2002, 1785; Jänig/Leißring, FamFG: Neues Verfahrensrecht für Streitigkeiten in AG und GmbH, ZIP 2010, 110; Papmehl, Aktienrechtliche Gründungsprüfung durch Notare, MittBayNot 2003, 187; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG), 2013; Schiller, Die Prüfung von Sacheinlagen im Rahmen der aktienrechtlichen Gründungsprüfung, AG 1992, 20.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Interne Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 1) ....................................... III. Externe Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 2 – 5) .................................. 1. Erforderlichkeit der externen Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 2) ..... I.
1 3 5
2. Person des Gründungsprüfers (§ 33 Abs. 3 – 5) ................................ 10 a) Gerichtlich bestellter Gründungsprüfer ....................... 10 b) Notar als Gründungsprüfer ....... 13
5
Überblick
1 Jede Gründung einer AG erfordert eine – mehr oder weniger umfangreiche – Gründungsprüfung (§§ 33 – 35). Mit der Gründungsprüfung soll die Einhaltung der gesetzlichen Gründungsvorschriften sichergestellt werden.1) Die Berichte über die Gründungsprüfung sind im Handelsregister für jedermann einsehbar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 AktG und § 9 HGB). Die damit verbundene Transparenz soll unseriöse Gründer von der AG von vornherein fernhalten. Die Berichte über die Gründungsprüfung bilden zudem eine wesentliche Grundlage für die Rechtmäßigkeitsprüfung des Registergerichts (§§ 37 Abs. 4 Nr. 4, 38 _____________ 1)
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Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 33 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 1; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 33 Rz. 3 f.; Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 33 Rz. 1.
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Gründungsprüfung. Allgemeines
Abs. 1 und 2). Falsche, unvollständige oder unrichtige Angaben in den Prüfungsberichten können Schadensersatzansprüche begründen (siehe §§ 46 ff.) und bei vorsätzlichem Verhalten auch strafbar sein (§§ 399 Abs. 1 Nr. 2, 403). Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben den Hergang der Gründung 2 stets zu prüfen (§ 33 Abs. 1; zu Umfang und Inhalt des Berichts siehe § 34). Neben dieser internen Gründungsprüfung hat in bestimmten Fällen zusätzlich eine externe Gründungsprüfung zu erfolgen (§ 33 Abs. 2). Eine externe Gründungsprüfung ist insbesondere dann vorgesehen, wenn eine Interessenkollision zwischen den Gründern und den Mitgliedern der Verwaltung in Betracht kommt (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 – 3) sowie bei Sacheinlagen und Sachübernahmen (§ 33 Abs. 2 Nr. 4; Ausnahme: § 33a). Der externe Gründungsprüfer wird im Regelfall vom AG bestellt (§ 33 Abs. 3 Satz 2). Als Gründungsprüfer kommen nur solche Personen in Betracht, die in der Buchführung ausreichend vorgebildet und erfahren sind, wirtschaftlich unabhängig und nicht befangen sind (§ 33 Abs. 4 und 5). Die gerichtliche Bestellung eines externen Gründungsprüfers ist dann nicht erforderlich, wenn der beurkundende Notar die Gründungsprüfung übernimmt (§ 33 Abs. 3 Satz 1). Mit dieser im Jahr 2002 eingeführten Neuregelung2) wurde die Gründung erheblich vereinfacht und beschleunigt. Eine weitere Deregulierung der Gründungsprüfung ist im Jahr 2009 durch das ARUG3) erfolgt. Danach kann in bestimmten Fällen einer Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 33 Abs. 2 Nr. 4) ganz von einer externen Gründungsprüfung abgesehen werden (§ 33a). II.
Interne Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 1)
Bei jeder Gründung einer AG haben die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats 3 den Hergang zu prüfen (§ 33 Abs. 1) und darüber einen schriftlichen Prüfungsbericht zu erstellen (siehe dazu § 34). Die Prüfungs- und Berichtspflicht obliegt allen Mitgliedern des Vorstands (einschließlich deren Stellvertretern, § 94) und des Aufsichtsrats (nicht aber noch nicht eingerückten Ersatzmitgliedern des Aufsichtsrats, siehe § 101 Abs. 3). Die Gründungsprüfung muss dabei durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats erfolgen, die auch die Handelsregisteranmeldung unterzeichnen (§ 36 Abs. 1). Stellvertretung ist bei der Gründungsprüfung ausgeschlossen.4) Alle Organmitglieder sind zur Mitwirkung an der Gründungsprüfung verpflichtet. Diese 4 kann allerdings nicht erzwungen werden (siehe § 888 Abs. 2 ZPO). Möglich ist aber die Abberufung und Neubestellung einzelner Organmitglieder. Eine fehlende oder unvollständige Gründungsprüfung stellt ein zwingendes Eintragungshindernis dar (§ 38 Abs. 1). III.
Externe Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 2 – 5)
1.
Erforderlichkeit der externen Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 2)
Neben der internen Gründungsprüfung ist in bestimmten, im Gesetz abschließend auf- 5 gezählten Fällen noch zusätzlich eine externe Gründungsprüfung erforderlich (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 – 4). Die Erforderlichkeit einer externen Gründungsprüfung ergibt sich im Allgemeinen aus dem Gründungsbericht der Gründer (siehe § 32 Abs. 2 und 3). Maßgebend sind dabei jeweils die Verhältnisse im Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister. _____________ 2)
3) 4)
Änderung durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität, Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG), BGBl. I 2002, 2681. S. dazu BT-Drucks. 14/8769, S. 12. Art. 1 Nr. 1a des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 30 ff. Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 33 Rz. 2; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 2.
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6 Eine externe Gründungsprüfung ist erforderlich, wenn ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zu den Gründern (§ 28) gehört (§ 33 Abs. 2 Nr. 1).5) Bei Mitgliedern der Verwaltung, die zugleich auch Gründer sind, besteht die Gefahr, dass sie die Gründungsprüfung nicht mit der erforderlichen Unabhängigkeit und Objektivität vornehmen. Dem soll durch eine externe Gründungsprüfung vorgebeugt werden. Die Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus auch dann, wenn nicht der Gründer selbst, sondern eine den Gründer beherrschende Person zum Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats gehört.6) Dies ist bspw. der Fall, wenn eine Personen- oder Kapitalgesellschaft als Gründerin auftritt und eine ihrer vertretungsberechtigten Personen Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats der neu gegründeten AG werden soll. Bei Stellvertretung ist ohnehin der Vertretene (und nicht der Vertreter) Gründer; dies gilt sowohl bei gesetzlicher7) als auch bei rechtsgeschäftlicher8) Vertretung. Eine externe Gründungsprüfung ist dagegen nicht erforderlich, wenn ein Angehöriger eines Gründers dem Vorstand oder Aufsichtsrat angehört. 7 Eine externe Gründungsprüfung ist darüber hinaus auch dann erforderlich, wenn bei Gründung für Rechnung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats Aktien übernommen worden sind (§ 33 Abs. 2 Nr. 2; siehe auch § 32 Abs. 3 Alt. 1). Die Übernahme einer einzigen Aktie für ein Mitglied der Verwaltung ist ausreichend. In diesen Fällen der Strohmanngründung ist (wie bei § 33 Abs. 2 Nr. 1) zu befürchten, dass die Mitglieder der Verwaltung aufgrund eigener wirtschaftlicher Betroffenheit keine objektive Gründungsprüfung vornehmen. 8 Eine Gründungsprüfung durch einen externen Prüfer ist ferner dann erforderlich, wenn ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats sich einen besonderen Vorteil (siehe § 26 Abs. 1) oder für die Gründung oder ihre Vorbereitung eine Entschädigung oder Belohnung (siehe § 26 Abs. 2) ausbedungen hat (§ 33 Abs. 2 Nr. 3; siehe auch § 32 Abs. 3 Alt. 2).9) Eine objektive Prüfung kann nicht erwartet werden, wenn den Mitgliedern der Verwaltung entsprechende finanzielle Zusagen (gleich von wem) gemacht worden sind. 9 Schließlich ist eine externe Gründungsprüfung bei einer Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 27) erforderlich (§ 33 Abs. 2 Nr. 4). Mit der externen Gründungsprüfung soll in diesen Fällen eine Überbewertung der Sachen verhindert werden (siehe auch § 34 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2). Die Werthaltigkeit der Sachen soll in allen Fällen besonders geprüft werden. Dies gilt unabhängig von Art und Wert der Sachen. Eine externe Gründungsprüfung kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn der Wert der Sachen auf andere Weise zuverlässig ermittelt werden kann (siehe § 33a). 2.
Person des Gründungsprüfers (§ 33 Abs. 3 – 5)
a)
Gerichtlich bestellter Gründungsprüfer
10 Im Regelfall erfolgt die externe Gründungsprüfung durch einen oder mehrere vom Gericht bestellten Prüfer. Der Gründungsprüfer wird auf Antrag aller Gründer oder des _____________ 5) 6) 7) 8)
9)
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Hüffer, AktG, § 33 Rz. 4; Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 5; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 33 Rz. 16. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33 Rz. 13; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 33 Rz. 17; Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 33 Rz. 8. Allgemeine Meinung, Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 5. Ebenso Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 33 Rz. 21. – A. A. Hüffer, AktG, § 33 Rz. 4. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33 Rz. 13; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 33 Rz. 8. Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 7; Pentz in: MünchKommAktG, § 33 Rz. 23 f.
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§ 33
Gründungsprüfung. Allgemeines
Vorstands von dem für die Gesellschaft zuständigen AG bestellt (§ 33 Abs. 3 Satz 2 AktG; § 375 Nr. 3 i. V. m. §§ 376 ff. FamFG und § 14 AktG; § 23a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 4 GVG). Das AG entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen über Person und Anzahl der Gründungsprüfer. Dabei sind sowohl die gesetzlichen Vorgaben (insbesondere § 33 Abs. 4 und 5) als auch etwaige Vorschläge der Beteiligten zu berücksichtigen.10) Gegen den Beschluss des AG ist die Beschwerde zulässig (§ 33 Abs. 3 Satz 3 AktG i. V. m. §§ 58 ff. FamFG). Als Gründungsprüfer sollen grundsätzlich nur Personen bestellt werden, die in der Buch- 11 führung ausreichend vorgebildet und erfahren sind (§ 33 Abs. 4 Nr. 1). In der Regel kommen daher nur Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer (siehe auch § 319 HGB) und Steuerberater als Gründungsprüfer in Betracht. Bei Bestellung einer Prüfungsgesellschaft muss mindestens einer von deren gesetzlichen Vertretern diese Voraussetzung erfüllen (§ 33 Abs. 4 Nr. 2). Falls die Durchführung einer Gründungsprüfung im Einzelfall andere Kenntnisse erfordert, können zusätzlich (oder alternativ) auch anderweitig qualifizierte Personen zu Prüfern bestellt werden (z. B. Immobiliensachverständige bei der Sacheinlage von Grundstücken). Die Bestellung eines Gründungsprüfers, der die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist auf die Wirksamkeit der Gründungsprüfung ohne Einfluss.11) Im Interesse einer neutralen und unabhängigen Prüfung sind solche Personen als Grün- 12 dungsprüfer ausgeschlossen, die nicht als Sonderprüfer bestellt werden könnten (§ 33 Abs. 5 Satz 1). Damit sind Personen, die nicht Abschlussprüfer sein dürfen, auch von der Gründungsprüfung ausgeschlossen (siehe § 143 Abs. 2).12) Darüber hinaus sind von der Gründungsprüfung auch Personen und Prüfungsgesellschaften ausgeschlossen, auf deren Geschäftsführung die Gründer (oder Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben) (gleich aus welchem Grund) maßgebenden Einfluss haben (§ 33 Abs. 5 Satz 2). Für den Ausschluss genügt bereits die Möglichkeit der Einflussnahme. Ein beherrschender Einfluss (siehe § 17 Abs. 1) ist nicht erforderlich. Nach dem Normzweck kommt es auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Einfluss im Einzelfall tatsächlich ausgeübt wird.13) Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Ausschlussgründe (§ 33 Abs. 5) hat zur Folge, dass die Bestellung des Gründungsprüfers unwirksam ist und damit die Gründungsprüfung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.14) Bemerkt das Registergericht den Mangel, hat es die Eintragung abzulehnen (§ 38 Abs. 1). Andernfalls ist die AG wirksam entstanden und kann auch nicht mehr gelöscht werden (z. B. nach § 397 FamFG). b)
Notar als Gründungsprüfer
In bestimmten Einzelfällen kann der beurkundende Notar (§ 23 Abs. 1 Satz 1) die Grün- 13 dungsprüfung anstelle eines gerichtlich bestellten Gründungsprüfers vornehmen (§ 33 Abs. 3 Satz 1).15) Möglich ist dies in allen Fällen der Bargründung, bei denen eine externe Gründungsprüfung ausschließlich deshalb erforderlich ist, weil ein Mitglied der Verwaltung zu den Gründern gehört (§ 33 Abs. 2 Nr. 1) oder bei Gründung für Rechnung _____________ 10) Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 33 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 10; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 33 Rz. 16. 11) Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 14. 12) Ausführlich A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33 Rz. 26 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 12; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 33 Rz. 42 ff. 13) Hüffer, AktG, § 33 Rz. 9; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33 Rz. 31; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 33 Rz. 21 ff. 14) Hüffer, AktG, § 33 Rz. 10; Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 13. 15) S. dazu Heidel-Braunfels, § 33 AktG Rz. 13 f.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33 Rz. 17 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 33 Rz. 27a ff.
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Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
eines Mitglieds der Verwaltung Aktien übernommen worden sind (§ 33 Abs. 2 Nr. 2). In allen anderen Fällen (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 und 4) ist die Gründungsprüfung durch einen gerichtlich bestellten Gründungsprüfer zwingend erforderlich. Zweck der notariellen Gründungsprüfung ist es, den Gründungsvorgang zu erleichtern und zu beschleunigen.16) 14 Der Notar muss vom AG nicht bestellt werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist ein Auftrag durch die Gründer (nicht durch den Vorstand oder Aufsichtsrat) (§ 33 Abs. 3 Satz 1 AktG i. V. m. § 24 BNotO).17) Der Notar muss den Auftrag zur Gründungsprüfung nicht übernehmen. Lehnt er den Auftrag ab, muss ein Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Gründungsprüfers gestellt werden. Nimmt er den Auftrag an, finden die Vorschriften über die Gründungsprüfung (vor allem §§ 34, 35 Abs. 1 und 2) sinngemäß Anwendung (§ 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2). Jedoch richtet sich die Vergütung nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz.18) (§ 123 GNotKG und KV Nr. 2520619), nicht § 35 Abs. 3) und die Haftung nach der Bundesnotarordnung (§ 19 BNotO, nicht § 49). _____________ 16) BT-Drucks. 14/8769, S. 12. 17) Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 33 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33 Rz. 9. 18) Am 1.8.2013 ist das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts in Kraft getreten (BGBl. I 2013, S. 2586). Kernstück des umfangreichen Artikelgesetzes ist das in Art. 1 enthaltene Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Notare (zur amtlichen Gesetzesbegründung, BRDrucks. 517/12, S. 184 ff.). S. dazu u. a. die Gesamtdarstellungen von Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG). – Aktuelle Informationen dazu finden sich auch im Internet unter www.gnotkg.de. 19) Dazu Hölters-Solveen, AktG, § 33 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 33 Rz. 6, sowie Rundschreiben der Bundesnotarkammer, Nr. 13/2003 v. 9.4.2003.
§ 33a Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung (1) Von einer Prüfung durch Gründungsprüfer kann bei einer Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 33 Abs. 2 Nr. 4) abgesehen werden, soweit eingebracht werden sollen: 1. übertragbare Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a des Wertpapierhandelsgesetzes, wenn sie mit dem gewichteten Durchschnittspreis bewertet werden, zu dem sie während der letzten drei Monate vor dem Tag ihrer tatsächlichen Einbringung auf einem oder mehreren organisierten Märkten im Sinne von § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes gehandelt worden sind, 2. andere als die in Nummer 1 genannten Vermögensgegenstände, wenn eine Bewertung zu Grunde gelegt wird, die ein unabhängiger, ausreichend vorgebildeter und erfahrener Sachverständiger nach den allgemein anerkannten Bewertungsgrundsätzen mit dem beizulegenden Zeitwert ermittelt hat und wenn der Bewertungsstichtag nicht mehr als sechs Monate vor dem Tag der tatsächlichen Einbringung liegt. (2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der gewichtete Durchschnittspreis der Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente (Absatz 1 Nr. 1) durch außergewöhnliche Umstände erheblich beeinflusst worden ist oder wenn anzunehmen ist, dass der beizulegende Zeitwert der anderen Vermögensgegenstände (Absatz 1 Nr. 2) am Tag ihrer tatsächlichen Einbringung auf Grund neuer oder neu bekannt gewordener Umstände erheblich niedriger ist als der von dem Sachverständigen angenommene Wert. 196
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Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
§ 33a
Literatur: Bayer/J. Schmidt, Die Reform der Kapitalaufbringung bei der Aktiengesellschaft durch das ARUG, ZGR 2009, 805; Herrler/Reymann, Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG, DNotZ 2009, 815 (Teil 1) und DNotZ 2009, 914 (Teil 2); Merkner/Decker, Vereinfachte Sachkapitalerhöhung nach dem ARUG – Wertvolle Deregulierung oder Regelung auf dem Papier?, NZG 2009, 887; Paschos/Goslar, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), AG 2009, 14; Reul, Aktuelle Änderungen des Aktienrechts aus notarieller Sicht, ZNotP 2010, 12 (Teil 1) und ZNotP 2010, 44 (Teil 2); Schäfer, Vereinfachung der Kapitalrichtlinie – Sacheinlage, Der Konzern, 2007, 407; Seibert/ Florstedt, Der Regierungsentwurf des ARUG – Inhalt und wesentliche Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf, ZIP 2008, 2145; Watrin/Stöver, Bewertung von Sacheinlagen im Rahmen von Sachgründung und Sachkapitalerhöhung sowie Implikationen für die Verschmelzung, Wpg. 2012, 999.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Entbehrlichkeit einer externen Gründungsprüfung ........................... 6 1. Wertpapiere und Geldmarktinstrumente ........................................ 6 a) Ausnahme: Marktwert (§ 33a Abs. 1 Nr. 1) ..................... 6 I.
b) Rückausnahme: Außergewöhnliche Umstände (§ 33a Abs. 2 Alt. 1) ................... 2. Andere Vermögensgegenstände ..... a) Ausnahme: Sachverständigengutachten (§ 33a Abs. 1 Nr. 2) .... b) Rückausnahme: Neue Umstände (§ 33a Abs. 2 Alt. 2) .......
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Überblick
Bei Gründung einer AG mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 27) ist im Interesse 1 der Werthaltigkeitskontrolle regelmäßig eine externe Gründungsprüfung erforderlich (§ 33 Abs. 2 Nr. 4 ). Seit Inkrafttreten des ARUG1) im Jahre 2009 kann jedoch von einer externen Gründungsprüfung abgesehen werden, wenn bereits eine eindeutige, aktuelle und zuverlässige Bewertung der Sachen vorliegt (§ 33a). Die Neuregelung dient der Vereinfachung von Sachgründungen, indem vorhandene Werte genutzt werden und der mit einer (erneuten) Bewertung verbundene Zeit- und Kostenaufwand vermieden wird.2) Bei einem Verzicht auf eine externe Gründungsprüfung bestehen darüber hinaus auch Erleichterungen für den Gründungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 34 Abs. 2 Satz 3), die Handelsregisteranmeldung (§ 37a) sowie die gerichtliche Registerkontrolle (§ 38 Abs. 3). Die Regelung gilt nicht nur für die Sachgründung, sondern auch für Nachgründungen 2 (§ 52 Abs. 4 Satz 3, Abs. 6 Satz 3 und Abs. 7 Satz 2) und Sachkapitalerhöhungen (§§ 183a Abs. 1 Satz 1, 194 Abs. 5, 205 Abs. 5 Satz 2; zur vierwöchigen Registersperre bei Sachkapitalerhöhungen siehe § 183 Abs. 2 Satz 2).3) Die Gesetzessystematik stellt sich nunmehr wie folgt dar: Bei Gründung einer AG mit 3 Sacheinlagen oder Sachübernahmen ist grundsätzlich eine externe Gründungsprüfung er_____________ 1)
2) 3)
Art. 1 Nr. 1a des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 30 ff. – Mit der Regelung werden Art. 10a Abs. 1 und 2 (nicht aber auch die Buchwertklausel in Art. 10a Abs. 3) der Europäischen Kapitalrichtlinie umgesetzt (Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 6.9.2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABl. EU Nr. L 264 v. 25.9.2006, S. 32. Hölters-Solveen, AktG, § 33a Rz. 2; Hüffer, AktG, § 33a Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 2 und 17 ff.
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§ 33a
Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
forderlich (§ 33 Abs. 2 Nr. 4). Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn auf einen geeigneten Marktwert für Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente zurückgegriffen werden kann (§ 33a Abs. 1 Nr. 1) oder bereits ein anerkanntes Bewertungsgutachten eines Sachverständigen vorliegt (§ 33a Abs. 1 Nr. 2). Von dieser Ausnahme wird wiederum eine Rückausnahme gemacht, wenn die anderweitig ermittelten Werte aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht als verlässlich erscheinen (§ 33a Abs. 2). In diesem Fall bedarf es somit wiederum einer externen Gründungsprüfung. 4 Die Vorschrift ist abschließend. In anderen als den gesetzlich ausdrücklich genannten Fällen ist ein Verzicht auf eine externe Gründungsprüfung nicht möglich.4) 5 Die Regelung ist nicht zwingend, sondern begründet lediglich ein Wahlrecht für die Gesellschaft („kann“).5) Der Gesellschaft steht es somit stets offen, eine externe Gründungsprüfung vornehmen zu lassen, wenn ihr dies einfacher erscheint. In der Praxis wird von der Neuregelung bislang kaum Gebrauch gemacht.6) II.
Entbehrlichkeit einer externen Gründungsprüfung
1.
Wertpapiere und Geldmarktinstrumente
a)
Ausnahme: Marktwert (§ 33a Abs. 1 Nr. 1)
6 Von einer externen Gründungsprüfung kann abgesehen werden, wenn und soweit übertragbare Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente (i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a WpHG) in die Gesellschaft eingebracht und dabei mit dem gewichteten Durchschnittspreis bewertet werden, zu dem sie während der letzten drei Monate vor dem Tag ihrer tatsächlichen Einbringung auf einem oder mehreren organisierten Märkten (i. S. von § 2 Abs. 5 WpHG) gehandelt worden sind (§ 33a Abs. 1 Nr. 1).7) Die Regelung beruht auf der Vorstellung, dass der auf einem organisierten Markt ermittelte Durchschnittspreis regelmäßig dem wahren Wert entspricht und damit eine gesonderte Bewertung durch einen Sachverständigen überflüssig ist. 7 Wertpapiere in diesem Sinne sind alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind. Beispiele dafür sind etwa Aktien, Anteile an Unternehmen, die mit Aktien vergleichbar sind, Zertifikate, die Aktien vertreten und Schuldtitel wie etwa Genussscheine, Inhaber- und Orderschuldverschreibungen (siehe im Einzelnen § 2 Abs. 1 WpHG). 8 Geldmarktinstrumente sind alle Gattungen von Forderungen, die (nicht unter § 2 Abs. 1 WpHG fallen und) üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten (siehe im Einzelnen § 2 Abs. 1a WpHG). Beispiele dafür sind Schuldscheindarlehen. 9 Organisierter Markt ist ein im Inland oder einem EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaat betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes oder überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten (§ 2 Abs. 2b WpHG) innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser _____________ 4) 5) 6) 7)
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Hölters-Solveen, AktG, § 33a Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 33a Rz. 3 und 6; Hüffer, AktG, § 33a Rz. 7; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33a Rz. 2 und 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 4 und 16a. S. dazu K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 3 und 5 – zu Recht krit. zur Komplexität des „vereinfachten Verfahrens“. Hölters-Solveen, AktG, § 33a Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33a Rz. 6 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 6.
Thomas Wachter
Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
§ 33a
Finanzinstrumente führt (siehe im Einzelnen § 2 Abs. 5 WpHG). Ein organisierter Markt ist bspw. der regulierte Markt nach dem deutschen Börsengesetz (§§ 32 ff. BörsG), nicht aber der Freiverkehr (§ 48 BörsG). Bewertungsmaßstab ist der gewichtete Durchschnittspreis der letzten drei Monate 10 (siehe auch § 5 Abs. 1 und 3 WpÜG-AngV).8) Für die an deutschen organisierten Märkten gehandelten Wertpapiere wird der gewichtete Durchschnittspreis von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ermittelt. Die Unterlagen über die Ermittlung des gewichteten Durchschnittspreises sind der Handelsregisteranmeldung als Anlage beizufügen (§ 37a Abs. 3 Nr. 1). b)
Rückausnahme: Außergewöhnliche Umstände (§ 33a Abs. 2 Alt. 1)
Auf eine externe Gründungsprüfung kann allerdings dann nicht verzichtet werden, wenn 11 der gewichtete Durchschnittspreis der Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente durch außergewöhnliche Umstände erheblich beeinflusst worden ist (§ 33a Abs. 2 Alt. 1) und damit deren wahren Wert nicht richtig wiedergibt.9) Außergewöhnliche Umstände liegen etwa vor, wenn der Handel mit den entsprechen- 12 den Wertpapieren längere Zeit ausgesetzt worden ist, der Markt illiquide geworden ist oder es zu Marktmanipulationen (i. S. von § 20a Abs. 1 WpHG) gekommen ist. Keine außergewöhnlichen Umstände sind dagegen anzunehmen bei marktüblichem Verhalten (i. S. von § 20a Abs. 2 WpHG i. V. m. §§ 7 ff. MaKonV) oder erlaubten Rückkaufprogrammen bei eigenen Aktien und Maßnahmen zur Kursstabilisierung (i. S. von § 20a Abs. 3 WpHG i. V. m. § 5 MaKonV). Eine erhebliche Preisbeeinflussung erfordert eine Abweichung von mindestens 5 % 13 (siehe § 5 Abs. 4 WpÜG-AngV).10) In der Handelsregisteranmeldung haben die Anmeldenden zu versichern, dass ihnen keine 14 solchen außergewöhnlichen Umstände bekannt geworden sind (§ 37a Abs. 2 Alt. 1). Falsche Versicherungen sind strafbar (§ 399 Abs. 1 Nr. 1). 2.
Andere Vermögensgegenstände
a)
Ausnahme: Sachverständigengutachten (§ 33a Abs. 1 Nr. 2)
Bei anderen Vermögensgegenständen (als Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten) 15 kann von einer externen Gründungsprüfung abgesehen werden, wenn eine Bewertung zugrunde gelegt wird, die ein unabhängiger, ausreichend vorgebildeter und erfahrener Sachverständiger nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen mit dem beizulegenden Zeitwert ermittelt hat und der Bewertungsstichtag nicht mehr als sechs Monate vor dem Tag der tatsächlichen Einbringung liegt (§ 33a Abs. 1 Nr. 2).11) Auf diese Weise sollen unnötige Doppelbewertungen vermieden werden. Die frühere Bewertung muss zum Zeitwert (fair value) erfolgt sein. Der Sachverständige, 16 der die Bewertung vorgenommen hat, muss persönlich unabhängig (siehe § 33 Abs. 3) und fachlich qualifiziert sein (siehe § 33 Abs. 4).12) Im Interesse einer einigermaßen aktuellen Wertermittlung darf der Bewertungsstichtag am Tag der tatsächlichen Einbrin_____________ 8) Hüffer, AktG, § 33a Rz. 3 f. 9) Hölters-Solveen, AktG, § 33a Rz. 8; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33a Rz. 17 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 8 ff. 10) Weitergehend Hüffer, AktG, § 33a Rz. 8 – 5 % wohl zu niedrig. 11) Hölters-Solveen, AktG, § 33a Rz. 5; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33a Rz. 12 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 10 ff. 12) Dazu K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 12.
Thomas Wachter
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§ 34
Umfang der Gründungsprüfung
gung (nicht am Tag der Anmeldung) nicht mehr als sechs Monate zurückliegen. Das Sachverständigengutachten ist der Handelsregisteranmeldung als Anlage beizufügen (§ 37a Abs. 3 Nr. 2). b)
Rückausnahme: Neue Umstände (§ 33a Abs. 2 Alt. 2)
17 Eine bereits vorliegende Bewertung lässt die Notwendigkeit einer externen Gründungsprüfung aber dann nicht entfallen, wenn anzunehmen ist, dass der beizulegende Zeitwert der Vermögensgegenstände am Tag ihrer tatsächlichen Einbringung aufgrund neuer oder neu bekannt gewordener Umstände erheblich niedriger ist als der von dem Sachverständigen angenommene Wert (§ 33a Abs. 2 Alt. 2).13) Eine erneute Bewertung ist im Interesse der Sicherung der Kapitalaufbringung zwingend notwendig, wenn Zweifel an der Richtigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens bestehen. 18 Die Rückausnahme gilt nur bei einer erheblichen Wertdifferenz (siehe § 38 Abs. 2 Satz 2) und erfasst nicht Abweichungen, die sich i. R. der üblichen Bewertungsdifferenzen bewegen. Eine entsprechende Überbewertung muss allerdings nicht tatsächlich vorliegen, sondern aufgrund der neuen Umstände lediglich anzunehmen sein. In zeitlicher Hinsicht gilt die Regelung für alle Umstände, die nach Erstellung des Sachverständigengutachtens, aber vor der tatsächlichen Einbringung des Vermögensgegenstandes eingetreten oder bekannt geworden sind (siehe auch § 37a Abs. 2 Alt. 2). 19 In der Handelsregisteranmeldung haben die Anmeldenden zu versichern, dass ihnen keine solchen neuen Umstände bekannt geworden sind (§ 37a Abs. 2 Alt. 2). Falsche Versicherungen sind strafbar (§ 399 Abs. 1 Nr. 1). _____________ 13) Hölters-Solveen, AktG, § 33a Rz. 9; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 33a Rz. 20 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Bayer, AktG, § 33a Rz. 14.
§ 34 Umfang der Gründungsprüfung (1) Die Prüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie die Prüfung durch die Gründungsprüfer haben sich namentlich darauf zu erstrecken, 1. ob die Angaben der Gründer über die Übernahme der Aktien, über die Einlagen auf das Grundkapital und über die Festsetzungen nach §§ 26 und 27 richtig und vollständig sind; 2. ob der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen den geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreicht. (2) 1Über jede Prüfung ist unter Darlegung dieser Umstände schriftlich zu berichten. 2 In dem Bericht ist der Gegenstand jeder Sacheinlage oder Sachübernahme zu beschreiben sowie anzugeben, welche Bewertungsmethoden bei der Ermittlung des Wertes angewandt worden sind. 3In dem Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats kann davon sowie von Ausführungen zu Absatz 1 Nr. 2 abgesehen werden, soweit nach § 33a von einer externen Gründungsprüfung abgesehen wird. (3) 1Je ein Stück des Berichts der Gründungsprüfer ist dem Gericht und dem Vorstand einzureichen. 2Jedermann kann den Bericht bei dem Gericht einsehen.
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Thomas Wachter
§ 34
Umfang der Gründungsprüfung Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Umfang der Gründungsprüfung (§ 34 Abs. 1) ....................................... 3 III. Prüfungsbericht (§ 34 Abs. 2 und Abs. 3) ............................................... 10 I.
1. Form ................................................. 10 2. Inhalt ................................................. 12 3. Offenlegung ...................................... 14
Überblick
Die Notwendigkeit einer (internen und ggf. auch externen) Gründungsprüfung ist in § 33 1 geregelt. In § 34 finden sich ergänzende Regelungen zum Umfang der Gründungsprüfung (§ 34 Abs. 1), zu Form und Inhalt des Prüfungsberichts (§ 34 Abs. 2) und zu dessen Offenlegung (§ 34 Abs. 3). Die Vorschrift dient (ebenso wie § 33) der Einhaltung der gesetzlichen Gründungsvorschriften und der Transparenz des Gründungsvorgangs.1) Die Vorschrift wurde zuletzt durch das ARUG2) geändert. Dabei wurden die inhaltlichen 2 Anforderungen an den Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats reduziert, wenn bei einer Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen von einer externen Gründungsprüfung abgesehen wird (§ 34 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 33a; siehe aber § 37a). II.
Umfang der Gründungsprüfung (§ 34 Abs. 1)
Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 33 Abs. 1) sowie etwaige externe 3 Gründungsprüfer (§ 33 Abs. 2) haben den gesamten „Hergang der Gründung“ zu prüfen. Die Prüfung muss sich dabei auf alle (tatsächlichen und rechtlichen) Umstände erstrecken, die für die späteren Aktionäre der Gesellschaft, deren Gläubiger oder die Öffentlichkeit von Bedeutung sein können.3) Zum erforderlichen Umfang der Gründungsprüfung gehören demnach u. a. –
Anzahl und Person der Gründer (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 1),
–
die Feststellung der Satzung und deren Inhalt (siehe § 23),
–
die Bestellung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats und Vorstands sowie eines etwaigen Abschlussprüfers (§ 30),
–
der Gründungsbericht der Gründer (§ 32) sowie
–
die Einhaltung von Formvorschriften und Genehmigungserfordernissen.
Nicht zu prüfen sind dagegen die wirtschaftlichen Umstände der Unternehmensgründung, wie etwa die Lebensfähigkeit des Unternehmens,4) die Zweckmäßigkeit der Rechtsform oder die Angemessenheit der Kapitalausstattung.5) Ausdrücklich hervorgehoben wird im AktG, dass sich die Gründungsprüfung insbe- 4 sondere auch („namentlich“) auf die Kapitalaufbringung und die Werthaltigkeit von Sach_____________ 1) 2) 3)
4) 5)
K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 1. Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479; s. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 32. Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 2; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 34 Rz. 5; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 34 Rz. 2; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 34 Rz. 7 ff.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 33 Rz. 3. BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 111/72, BGHZ 64, 52 = NJW 1975, 974 –zur Haftung eines Gründungsprüfers. Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 34 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 34 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 3.
Thomas Wachter
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§ 34
Umfang der Gründungsprüfung
einlagen bzw. Sachübernahmen erstrecken muss (§ 34 Abs. 1).6) Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Tag der Prüfung und nicht etwa der künftige Tag der Anmeldung oder der Eintragung.7) 5 Bei jeder Gründung einer AG muss sich die Gründungsprüfung darauf erstrecken, ob die Angaben der Gründer über die Übernahme der Aktien (§ 23 Abs. 2 Nr. 2), über die Einlagen auf das Grundkapital (§ 23 Abs. 2 Nr. 3), über die Festsetzungen zu etwaigen Sondervorteilen (§ 26 Abs. 1) und zum Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) und zu etwaigen Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 27) richtig und vollständig sind (§ 34 Abs. 1 Nr. 1).8) Die Einlagen werden bei Prüfung meist noch nicht erbracht sein (und müssen dies auch nicht, siehe §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1), so dass die wirksame Begründung der Einlageverpflichtungen ausreichend ist (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2). Sind die Einlagen im Zeitpunkt der Prüfung dagegen schon erbracht, muss sich die Prüfung auch darauf beziehen. Bei den Sondervorteilen, der Gründungsentschädigung und dem Gründerlohn muss die Gründungsprüfung (über den Wortlaut hinaus) nicht nur die Vollständigkeit und Richtigkeit der Festsetzungen, sondern auch deren Angemessenheit umfassen. 6 Bei einer Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 27) muss sich die Gründungsprüfung zusätzlich auch darauf erstrecken, ob der Wert der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen den geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien (siehe § 9 Abs. 1) oder den Wert der dafür zu gewährenden Vergütung erreicht (§ 34 Abs. 1 Nr. 2).9) Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn die Gesellschaft auf eine externe Gründungsprüfung verzichtet hat (§ 34 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 33a). 7 Bei Vereinbarung eines Agios muss der Wert der Sacheinlage auch den Mehrwert umfassen (siehe § 36a Abs. 2 Satz 3). Dementsprechend darf sich auch die Gründungsprüfung nicht darauf beschränken, ob der geringste Ausgabebetrag erreicht wird (siehe § 9 Abs. 1), sondern muss (über den Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 2 hinaus) auch angeben, ob der Wert der Sacheinlage den Mehrbetrag umfasst.10) 8 Eine Unterbewertung von Sacheinlagen ist zulässig, sofern auf diese Weise nicht willkürlich stille Reserven gebildet werden. Im Prüfungsbericht ist auf etwaige stille Reserven hinzuweisen.11) 9 In zeitlicher Hinsicht erstellen zunächst die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats ihren Prüfungsbericht. Grundlage von deren Gründungsprüfung sind vor allem der Gründungsbericht der Gründer (§ 32) und alle sonst schon vorliegenden Urkunden, Unterlagen und Nachweise (siehe § 37 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4). Auf dieser Grundlage erstellen sodann die externen Gründungsprüfer ihren Prüfungsbericht. Dieser bezieht sich auch auf den Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (siehe § 38 Abs. 2 Satz 1).12) Die Gründungsprüfer können von den Gründern weitere _____________ 6) Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 34 Rz. 2; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 34 Rz. 8. 7) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 9. 8) Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 34 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 4 f.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 34 Rz. 5 ff. 9) Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 34 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 6 ff.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 34 Rz. 8 ff. 10) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock Borsig), BGHZ 191, 364 = ZIP 2012, 73 = NZG 2012, 69, dazu EWiR 2012, 129 (Vosberg/Klawa), und zuvor K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 7; a. A Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 34 Rz. 3; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 34 Rz. 8. 11) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 34 Rz. 9; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 34 Rz. 17; Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 34 Rz. 10. 12) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 2.
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Thomas Wachter
§ 34
Umfang der Gründungsprüfung
Aufklärungen und Nachweise verlangen (siehe § 35 Abs. 1) und auch eigene Ermittlungen vornehmen. III.
Prüfungsbericht (§ 34 Abs. 2 und Abs. 3)
1.
Form
Über jede Gründungsprüfung ist schriftlich zu berichten (§ 34 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 10 § 126 BGB).13) Alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats und alle (externen) Gründungsprüfer müssen den jeweiligen Prüfungsbericht eigenhändig unterschreiben. Stellvertretung ist ausgeschlossen. Mit der Unterschrift übernehmen die Mitglieder der Verwaltung und die Gründungsprüfer die zivilrechtliche (siehe §§ 46 ff.) und strafrechtliche (siehe §§ 399 Abs. 1 Nr. 2, 403) Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prüfungsberichts. Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats erstellen in der Praxis meist einen 11 gemeinsamen Prüfungsbericht; notwendig ist dies allerdings nicht. Die externen Gründungsprüfer müssen dagegen stets einen gesonderten Prüfungsbericht erstellen. Die beiden Berichte können schon deshalb nicht zusammengefasst werden, weil sich die Prüfung der externen Gründungsprüfer auch auf den Prüfungsbericht des Vorstands und des Aufsichtsrats erstreckt. Zudem wäre ein gemeinsamer Prüfungsbericht auch mit der Unabhängigkeit der externen Gründungsprüfer nicht zu vereinbaren (siehe auch § 33 Abs. 5).14) 2.
Inhalt
In dem jeweiligen Prüfungsbericht ist über die gesamte Gründungsprüfung vollständig, 12 lückenlos und umfassend zu berichten.15) Dabei ist insbesondere auch zur Kapitalaufbringung und der Werthaltigkeit der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen Stellung zu nehmen (§ 34 Abs. 2 Satz 1: „diese Umstände“, d. h. die in § 34 Abs. 1 genannten Umstände). Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Prüfern sind offenzulegen (siehe auch § 35 Abs. 2). Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind im Hinblick auf die gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit in den Prüfungsberichten nicht anzugeben (siehe §§ 48 Satz 2, 93 Abs. 1 Satz 3, 116 und § 49 AktG i. V. m. § 323 Abs. 1 Satz 2 HGB; § 145 Abs. 6 Satz 2 AktG gilt insoweit nicht). Bei Sacheinlagen oder Sachübernahmen (§ 27) ist in dem Prüfungsbericht zusätzlich der 13 Gegenstand jeder einzelnen Sacheinlage oder Sachübernahme genau zu beschreiben (insbesondere auch unter Angabe der wertbestimmenden Faktoren) und anzugeben, welche Bewertungsmethoden bei der Ermittlung des Wertes angewendet worden sind (§ 34 Abs. 2 Satz 2).16) Diese Ausführungen sind aber dann entbehrlich, wenn die Gesellschaft auf eine externe Gründungsprüfung verzichtet hat (§ 34 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 33a).17) In der Handelsregisteranmeldung sind allerdings gleichwohl entsprechende Angaben zu machen (siehe § 37a Abs. 1 Sätze 3 und 4). 3.
Offenlegung
Die Prüfungsberichte der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie der exter- 14 nen Gründungsprüfer sind der Handelsregisteranmeldung als Anlage beizufügen (§ 37 _____________ 13) Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 34 Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 34 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 11; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 34 Rz. 18 ff. 14) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 10. 15) Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 12. 16) Hüffer, AktG, § 34 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 13. 17) Hölters-Solveen, AktG, § 34 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 34 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 34 Rz. 14.
Thomas Wachter
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§ 35
Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfern
Abs. 4 Nr. 4) und dem Registergericht elektronisch einzureichen (§ 38 Abs. 2 AktG i. V. m. § 12 HGB). Im Handelsregister sind die Berichte für jedermann einsehbar (§ 9 Abs. 1 HGB). 15 Von dem Bericht der externen Gründungsprüfer ist zusätzlich ein Exemplar dem Vorstand einzureichen (§ 34 Abs. 3 Satz 1). Die gesonderte Einreichung beim Handelsregister ist in der Praxis meist entbehrlich, weil sämtliche Prüfungsberichte der Handelsregisteranmeldung ohnehin als Anlage beigefügt werden müssen (§ 37 Abs. 4 Nr. 4). Im Interesse der Transparenz betont der Gesetzgeber nochmals ausdrücklich, dass auch der Bericht der externen Gründungsprüfer beim Registergericht von jedermann (auch ohne berechtigtes Interesse) eingesehen werden kann (§ 34 Abs. 3 Satz 2).
§ 35 Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfern. Vergütung und Auslagen der Gründungsprüfer (1) Die Gründungsprüfer können von den Gründern alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, die für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind. (2) 1Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den Gründungsprüfern über den Umfang der Aufklärungen und Nachweise, die von den Gründern zu gewähren sind, entscheidet das Gericht. 2Die Entscheidung ist unanfechtbar. 3Solange sich die Gründer weigern, der Entscheidung nachzukommen, wird der Prüfungsbericht nicht erstattet. (3) 1Die Gründungsprüfer haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für ihre Tätigkeit. 2Die Auslagen und die Vergütung setzt das Gericht fest. 3Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. 4Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Literatur: Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht, 2. Aufl. 2013; Diehn/Sikora/ Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht, 2013; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG), 2013.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Aufklärungsobliegenheit der Gründer (§ 35 Abs. 1) ...................... 2 I.
III. Meinungsverschiedenheiten (§ 35 Abs. 2) ....................................... 5 IV. Vergütung und Auslagen (§ 35 Abs. 3) ....................................... 9
Überblick
1 Die Vorschrift enthält ergänzende Regelungen für die externe Gründungsprüfung (nach § 33 Abs. 2). Den Gründern (§ 28) obliegen gegenüber den externen Gründungsprüfern umfangreiche Aufklärungs- und Nachweispflichten (§ 35 Abs. 1). Damit soll sichergestellt werden, dass die Gründungsprüfer ihre Prüfung auf der Grundlage vollständiger Informationen ordnungsgemäß durchführen können.1) Bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den Gründungsprüfern über den Umfang der _____________ 1)
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Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 35 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 1.
Thomas Wachter
Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfern
§ 35
Aufklärungen und Nachweise kann eine gerichtliche Entscheidung beantragt werden (§ 35 Abs. 2). Die Auslagen und die Vergütung der Gründungsprüfer werden – im Interesse von deren Unabhängigkeit gegenüber den Gründern – vom Gericht festgesetzt (§ 35 Abs. 3). II.
Aufklärungsobliegenheit der Gründer (§ 35 Abs. 1)
Die (externen) Gründungsprüfer können von den Gründern alle Aufklärungen und Nach- 2 weise verlangen, die für eine sorgfältige Prüfung erforderlich sind (§ 35 Abs. 1). Auskunftsberechtigt ist auch der Notar, wenn dieser als Gründungsprüfer tätig wird (siehe § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2), nicht dagegen auch die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats. Die Vorschrift begründet keinen gerichtlich durchsetzbaren Auskunftsanspruch der Gründungsprüfer (§ 35 Abs. 2). Vielmehr handelt es sich um eine bloße Obliegenheit der Gründer.2) Verweigern sie die gebotene Aufklärung, kann der Prüfungsbericht nicht erstellt werden (§ 35 Abs. 2 Satz 3) und die Gesellschaft nicht im Handelsregister eingetragen werden (§§ 37 Abs. 4 Nr. 4, 38 Abs. 1). Zur Auskunft verpflichtet sind nur die Gründer (und zwar jeder), nicht auch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (siehe demgegenüber § 145 Abs. 2 AktG und § 320 Abs. 2 HGB). Die Gründer müssen alle Auskünfte erteilen, die im jeweiligen Einzelfall für eine sorg- 3 fältige Prüfung erforderlich sind.3) Die Auskünfte müssen vollständig und richtig erteilt werden. Falsche Auskünfte können strafbar sein (§ 400 Abs. 2). Die Gründungsprüfer sind darüber hinaus auch berechtigt (nicht aber verpflichtet), eigene 4 Ermittlungen vorzunehmen.4) III.
Meinungsverschiedenheiten (§ 35 Abs. 2)
Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gründern und den Gründungsprüfern über 5 den Umfang der erforderlichen Aufklärungen und Nachweise entscheidet das am Sitz der Gesellschaft zuständige AG (§ 35 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. §§ 375 Nr. 3, 376 ff. FamFG, § 14 AktG, § 23a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 4 GVG).5) Eine gerichtliche Entscheidung kann sowohl von den Gründern als auch von den Gründungsprüfern (und zwar jeweils auch einzeln) beantragt werden. Das AG entscheidet über den Antrag durch unanfechtbaren Beschluss (§ 35 Abs. 2 Satz 2). Mit diesem Verfahren soll die Eintragung der Gesellschaft nicht unnötig verzögert werden.6) Entscheidet das AG zugunsten der Gründungsprüfer und erteilen die Gründer jetzt die 6 begehrten Auskünfte, können die Gründungsprüfer ihre Prüfung fortsetzen und den Prüfungsbericht erstellen.7) Verweigern die Gründer weiterhin die Auskünfte, muss der Prüfungsbericht nicht erstellt werden (§ 35 Abs. 2 Satz 3). In diesem Fall besteht ein _____________ 2) 3) 4)
5) 6) 7)
Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 35 Rz. 2; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 35 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 2; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 35 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 35 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 35 Rz. 3; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 35 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 5; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 35 Rz. 12; Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 35 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 35 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 6. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 6. Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 7; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 35 Rz. 8.
Thomas Wachter
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§ 35
Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfern
dauerhaftes Eintragungshindernis (§ 38 Abs. 1). Eine Vollstreckung aus der Entscheidung des AG ist nicht möglich. 7 Entscheidet das AG dagegen zugunsten der Gründer und lehnt den Antrag auf weitergehende Auskunftserteilung ab, müssen die Gründungsprüfer ihre Prüfung ohne die begehrten Aufklärungen und Nachweise fortsetzen.8) In ihrem Prüfungsbericht können die Gründungsprüfer allerdings auf die Entscheidung des AG hinweisen (siehe § 38 Abs. 2 Satz 1).9) Darüber hinaus können die Gründungsprüfer ihr Amt auch ganz niederlegen und beim Gericht ihre Abberufung beantragen. Die Gründungsprüfer können sich aber nicht weigern, trotz der Entscheidung des AG ihren Prüfungsbericht zu erstellen. In diesem Fall würden sie sich schadensersatzpflichtig machen (§ 49 AktG i. V. m. § 323 HGB). 8 Die Entscheidung des AG kann nur bei Streitigkeiten über den Umfang der von den Gründern zu gewährenden Aufklärungen und Nachweise beantragt werden (§ 35 Abs. 2 Satz 1). In allen anderen Fällen von Meinungsverschiedenheiten (z. B. über den Umfang der Prüfung, die Angemessenheit von Sondervorteilen oder des Gründungsaufwands oder die Bewertung von Sacheinlagen) ist das Verfahren dagegen nicht statthaft.10) Diese Meinungsverschiedenheiten haben die Gründungsprüfer in ihren Bericht aufzunehmen, damit das Registergericht darüber ggf. i. R. des Eintragungsverfahrens entscheiden kann (§ 38 Abs. 1). IV.
Vergütung und Auslagen (§ 35 Abs. 3)
9 Die Gründungsprüfer haben Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung ihrer Tätigkeit (§ 35 Abs. 3 Satz 1). Im Interesse der Unabhängigkeit der Gründungsprüfer werden die Auslagen und die Vergütung ausschließlich von dem am Sitz der Gesellschaft zuständigen AG festgesetzt (§ 35 Abs. 3 Satz 2 AktG i. V. m. §§ 375 Nr. 3, 376 ff. FamFG, § 14 AktG, § 23a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 4 GVG).11) Das AG entscheidet auf Antrag eines der Beteiligten durch Beschluss. Gegen den Beschluss ist die Beschwerde (§ 35 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AktG i. V. m. §§ 58 ff. FamFG), nicht aber die Rechtsbeschwerde zulässig (§ 35 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AktG i. V. m. §§ 70 ff. FamFG). Die rechtskräftige Entscheidung ist ein Vollstreckungstitel (§ 35 Abs. 3 Satz 4 AktG i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). 10 Vertragliche Vereinbarungen über die Vergütung sind unzulässig.12) Die Höhe der Vergütung ist gesetzlich nicht geregelt. Das AG entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeit der jeweiligen Prüfung. In der Praxis erfolgt meist eine gewisse Orientierung an den Gebührenordnungen der Wirtschaftsprüfer (siehe § 55 WPO). Schuldner des Anspruchs ist die (Vor-)AG, nicht auch die Gründer.13) Die Vergütung ist Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2).
_____________ 8) Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 8. 9) Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 5; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 35 Rz. 12; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 35 Rz. 6; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 35 Rz. 9. 10) Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 6. 11) Hölters-Solveen, AktG, § 35 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 35 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 9. 12) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 35 Rz. 19. 13) Hölters-Solveen, § 35 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 35 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 11.
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Meinungsverschiedenheiten zwischen Gründern und Gründungsprüfern
§ 36
Wird der Notar als Gründungsprüfer tätig, richtet sich die Vergütung nach den gesetz- 11 lichen Bestimmungen des Gerichts- und Notarkostengesetzes14) (§ 123 GNotKG und KV Nr. 25206). Eine gerichtliche Festsetzung (nach § 35 Abs. 3) ist weder erforderlich noch möglich.15) _____________ 14) Am 1.8.2013 ist das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts in Kraft getreten (BGBl. I 2013, S. 2586). Kernstück des umfangreichen Artikelgesetzes ist das in Art. 1 enthaltene Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Notare (zur amtlichen Gesetzesbegründung, BRDrucks. 517/12, S. 184 ff.). S. dazu u. a. die Gesamtdarstellungen von Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG). – Aktuelle Informationen dazu finden sich auch im Internet unter www.gnotkg.de. 15) Zum Streitstand s. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 35 Rz. 12.
§ 36 Anmeldung der Gesellschaft (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht von allen Gründern und Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jede Aktie, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, der eingeforderte Betrag ordnungsgemäß eingezahlt worden ist (§ 54 Abs. 3) und, soweit er nicht bereits zur Bezahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt wurde, endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht. Literatur: G. H. Roth, Die wertgleiche Deckung als Eintragungsvoraussetzung, ZHR 167 (2003), 89; Kleindiek, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach MoMiG und ARUG: Zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs der neuen Vorschriften, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 941; Kleindiek, Modalitäten ordnungsgemäßer Bareinlageleistung bei Gründung einer Aktiengesellschaft, in: Festschrift für Harm-Peter Westermann, 2008, S. 1073; Priester, Wertgleiche Deckung statt Bardepot?, ZIP 1994, 599; Terbrack, Die Eintragung einer Aktiengesellschaft im Handelsregister, Rpfleger 2003, 225.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anmeldung (§ 36 Abs. 1) ................. 5 III. Bareinlagen (§ 36 Abs. 2) ................ 11 1. Einzahlung der eingeforderten Bareinlage (§ 36 Abs. 2 Halbs. 1) .... 11 a) Überblick .................................... 11 b) Leistung der Bareinlage .............. 12
I.
2. Leistung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands (§ 36 Abs. 2 Halbs. 2) ...................... a) Überblick .................................... b) Steuern und Gebühren ............... c) Verwendungsabsprachen ........... d) Verfügungen über die Einlagen vor Anmeldung .......................... 3. Sonderfall: Gemischte Einlage .........
15 15 20 21 24 26
Überblick
Die Gesellschaft ist bei dem Gericht von allen Gründern und allen Mitgliedern des 1 Vorstands und des Aufsichtsrats zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 36 Abs. 1). Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgt somit nicht von Amts wegen, sondern erst nach einer entsprechenden Anmeldung (siehe auch § 38 Abs. 1 Satz 1). Die Vorschrift bestimmt, wer die Anmeldung vorzunehmen hat. Mit der Anmel-
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§ 36
Anmeldung der Gesellschaft
dung übernehmen die Gründer und die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats zugleich die zivilrechtliche (§§ 46 ff.) und strafrechtliche (§ 399 Abs. 1 Nr. 1) Verantwortung dafür, dass die Gründung der Gesellschaft ordnungsgemäß erfolgt ist. 2 Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jede Aktie (soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, siehe § 36a Abs. 2) der eingeforderte Betrag ordnungsgemäß eingezahlt worden ist (§ 54 Abs. 3) und (soweit er nicht bereits zur Bezahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt wurde) endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht (§ 36 Abs. 2). Damit wird der zeitlich frühestmögliche Zeitpunkt für die Handelsregisteranmeldung festgelegt. 3 Die Vorschrift wird durch verschiedene weitere Vorschriften ergänzt. Gesondert geregelt sind Inhalt (§§ 37, 37a) und Form (§ 12 Abs. 1 HGB) der Handelsregisteranmeldung. Für Bareinlagen (§ 36 Abs. 2) sind insbesondere die Bestimmungen über die Mindesthöhe der zu erbringenden Einlage (§ 36a Abs. 2) und die Art und Weise der ordnungsgemäßen Leistung der Einlage (§ 54 Abs. 3) zu berücksichtigen. Für Sacheinlagen gelten eigene Regelungen (§ 36a Abs. 2). 4 Die Vorschrift wurde zuletzt durch das MoMiG1) geändert (Streichung von § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG a. F.: Sicherung der noch nicht eingeforderten Bareinlage bei einer Einpersonengesellschaft). II.
Anmeldung (§ 36 Abs. 1)
5 Die AG entsteht mit Eintragung im Handelsregister (siehe § 41 Abs. 1 Satz 1). Die Eintragung setzt einen entsprechenden Antrag aller Gründer und aller Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats voraus (siehe § 38 Abs. 1 Satz 1).2) Erst mit der Anmeldung wird das Verfahren des Registergerichts in Gang gesetzt. Ohne die Anmeldung erfolgt keine Eintragung (siehe auch § 407 Abs. 2). 6 Die Anmeldung ist an das AG zu richten, in dessen Bezirk die künftige Gesellschaft ihren Sitz haben wird (§ 36 Abs. 1 i. V. m. § 14 AktG, §§ 374 Nr. 1, 376 ff. FamFG, § 23a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 3 GVG). 7 Die Anmeldung ist elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 129 BGB, §§ 39 ff. BeurkG).3) Anlagen zur Handelsregisteranmeldung (siehe §§ 37 Abs. 4, 37a Abs. 3) sind gleichfalls elektronisch einzureichen (§ 37 Abs. 5 AktG i. V. m. § 12 Abs. 2 HGB).4) 8 Die Anmeldung ist von allen Gründern (§ 28) und allen Mitgliedern des Vorstands (siehe §§ 23 Abs. 3 Nr. 6, 30 Abs. 4, 76 Abs. 2) und des Aufsichtsrats (siehe §§ 30 Abs. 1, 95; zu Besonderheiten siehe § 31 Abs. 3) zu unterzeichnen.5) Die Anmeldung allein durch die Mitglieder des Vorstands genügt nicht (siehe demgegenüber § 7 Abs. 1 i. V. m. § 78 GmbHG: Anmeldung durch sämtliche Geschäftsführer). Zur Anmeldung verpflichtet sind auch stellvertretende Mitglieder des Vorstands (§ 94), nicht aber noch nicht nachgerückte Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats, da diese noch keine Organmitglieder sind (siehe § 101 Abs. 3). Die Anmeldung muss nicht unbedingt gleichzeitig unterzeichnet werden. _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
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Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026; s. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 52 und S. 33 f. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 3; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36 Rz. 6. Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 5; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 36 Rz. 4 ff. Zu den Kosten der Handelsregisteranmeldung s. Hölter-Solveen, AktG, § 36 Rz. 21. Hüffer, AktG, § 36 Rz. 3a; Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 6 ff.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 6.
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§ 36
Anmeldung der Gesellschaft
Ferner ist es auch nicht erforderlich, dass alle Anmeldenden auf ein und demselben Schriftstück unterschreiben. Die Unterzeichnung getrennter, inhaltlich aber übereinstimmender Anmeldungen ist zulässig. Alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats müssen die Handelsregisteranmel- 9 dung wegen der damit verbundenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§ 399 Abs. 1 Nr. 1) höchstpersönlich unterschreiben. Stellvertretung ist ausgeschlossen.6) Gleiches gilt auch für die Gründer. Lediglich dann, wenn ein Gründer nicht geschäftsfähig ist oder es sich bei einem Gründer um keine natürliche Person handelt, ist eine Unterzeichnung durch die gesetzlichen bzw. organschaftlichen Vertreter zulässig. Auf die Wirksamkeit der Handelsregisteranmeldung ist es ohne Einfluss, wenn eine der 10 anmeldenden Personen nach Unterzeichnung stirbt oder geschäftsunfähig wird (§ 130 Abs. 2 BGB analog).7) Die Anmeldung wird erst mit Zugang beim Handelsregister wirksam (§ 130 Abs. 3 BGB analog). Bis zur Eintragung kann die Anmeldung ohne Angabe von Gründen zurückgenommen werden.8) III.
Bareinlagen (§ 36 Abs. 2)
1.
Einzahlung der eingeforderten Bareinlage (§ 36 Abs. 2 Halbs. 1)
a)
Überblick
Die Einlageverpflichtung entsteht mit der Übernahme der Aktien durch die Gründer 11 (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2). Die Einlagen sind nach Aufforderung durch den Vorstand einzuzahlen (siehe § 63 Abs. 1 Satz 1). Der eingeforderte Betrag muss bei Bareinlagen mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrags (§ 9 Abs. 1), und – bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als diesen – auch den (gesamten) Mehrbetrag (Agio) umfassen (§ 36a Abs. 1). Der eingeforderte Betrag kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln oder durch Gutschrift auf einem Kreditinstitut eingezahlt werden (§ 54 Abs. 3 Satz 1). Die Handelsregisteranmeldung darf u. a. erst dann erfolgen, wenn auf jede einzelne Aktie der eingeforderte Betrag der Bareinlagen ordnungsgemäß eingezahlt worden ist (§ 36 Abs. 2 Halbs. 1). Die Einzahlung des eingeforderten Gesamtbetrags ist nicht ausreichend.9) In der Handelsregisteranmeldung ist zu erklären, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1). Ferner ist der Betrag, zu dem die Aktien ausgegeben worden sind und der darauf jeweils eingezahlte Betrag anzugeben (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2). Erfolgt die Einzahlung durch Gutschrift auf einem Konto, ist dem Registergericht eine Bestätigung des kontoführenden Kreditinstituts als Nachweis vorzulegen (§ 37 Abs. 1 Satz 3). b)
Leistung der Bareinlage
Im Interesse einer ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung kann der eingeforderte Betrag 12 der Bareinlagen (abweichend von § 362 Abs. 2 BGB) nur durch Barzahlung oder durch Kontogutschrift wirksam geleistet werden (§ 54 Abs. 3 i. V. m. § 36 Abs. 2 Halbs. 1).10) Andere Leistungen (z. B. Zahlung an Gläubiger der Gesellschaft) haben keine Erfüllungswirkung. _____________ 6) Hüffer, AktG, § 36 Rz. 4; Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 10. 7) K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 11. 8) Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 13. 9) Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 14; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36 Rz. 36 und 44. 10) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 27 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36 Rz. 45 ff.
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§ 36
Anmeldung der Gesellschaft
13 Barzahlung meint Übereignung und Übergabe von inländischen Banknoten an den Vorstand in entsprechender Höhe. Die Übergabe eines Schecks steht der Barzahlung nicht gleich (siehe Art. 4 ScheckG). 14 Kontogutschrift meint die Gutschrift der Einlage auf einem Konto der (Vor-)AG oder des Vorstands der Gesellschaft (siehe § 54 Abs. 3 Satz 2). Zahlungen auf ein Konto eines Gründers oder eines Gläubigers der Gesellschaft sind nicht ausreichend.11) Als kontoführende Stellen werden nur inländische Kreditinstitute (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 KWG) und bestimmte ausländische Unternehmen (insbesondere solche mit inländischen Zweigniederlassungen, die Bankgeschäfte betreiben, siehe im Einzelnen §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 53b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 7 KWG) anerkannt. Die Kontogutschrift muss in Euro erfolgen.12) Eine Gutschrift in ausländischer Währung würde die Gesellschaft mit dem Risiko von Währungsschwankungen belasten und daher die reale Kapitalaufbringung gefährden. 2.
Leistung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands (§ 36 Abs. 2 Halbs. 2)
a)
Überblick
15 Die eingezahlten Bareinlagen müssen zur endgültig freien Verfügung des Vorstands stehen (§ 36 Abs. 2 Halbs. 2, § 54 Abs. 3 Satz 1). Eine Ausnahme gilt lediglich insoweit, als die Einlagen bereits für die bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt worden sind (§ 36 Abs. 2 Halbs. 2 i. V. m. § 26 Abs. 2). 16 Die Einzahlung der Einlagen hat nur dann Erfüllungswirkung, wenn sie zur endgültig freien Verfügung des Vorstands stehen. Eine Leistung zur endgültig (nicht nur vorübergehenden) freien Verfügbarkeit des Vorstands liegt vor, wenn die Einlage aus dem Verfügungsbereich des Einlageschuldners vollständig ausgesondert und dem Vorstand so übertragen worden ist, dass er darüber (nach pflichtgemäßem Ermessen, siehe §§ 76, 93) rechtlich und tatsächlich uneingeschränkt verfügen kann.13) Leistungen, die nur zum Schein erfolgen, haben keine Erfüllungswirkung (siehe § 117 BGB).14) 17 Bei einer Kontogutschrift fehlt es an der freien Verfügungsmöglichkeit des Vorstands, wenn das Konto gesperrt oder gepfändet worden ist. Bei einem debitorischen Konto hat eine Einzahlung nur dann Erfüllungswirkung, wenn das Kreditinstitut i. R. einer gewährten Kreditlinie Verfügungen i. H. des eingezahlten Betrages gestattet. Dagegen fehlt es an der freien Verfügungsmacht, wenn die Kreditlinie überschritten oder der Kontokorrent-
_____________ 11) S. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 263/91, BGHZ 119, 177 = ZIP 1992, 1387. 12) Großzügiger Hüffer, AktG, § 54 Rz. 16, wonach grds. auch Einlagen in ausländischer Währung anzuerkennen sind. Wie hier dagegen Pentz in: MünchKomm-AktG, § 364 Rz. 70. 13) Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 36 Rz. 7; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 30 ff.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 19 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36 Rz. 47 ff. 14) S. etwa zum Hin- und Herzahlen bei einer GmbH (vor MoMiG) BGH, Urt. v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633; BGH, Urt. v. 9.1.2006 – II ZR 72/05, BGHZ 165, 352 = ZIP 2006, 331, dazu EWiR 2006, 307 (Naraschewski); BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, BGHZ 165, 113 = ZIP 2005, 2203, dazu EWiR 2006, 33 (Tillmann); BGH, Urt. v. 22.3.2004 – II ZR 7/02, ZIP 2004, 1046, und BGH, Urt. v. 18.2.1991 – II ZR 104/90, BGHZ 113, 335 = ZIP 1991, 511, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey) – nur vorübergehende Leistung der Einlage bei einer Kapitalerhöhung einer GmbH i. R. eines Ausschüttungs-Rückhol-Verfahrens; Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 16; Hüffer, AktG, § 36 Rz. 8; K. Schmidt/ Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 21; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36 Rz. 55.
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kredit zur Rückzahlung fällig ist und das Kreditinstitut den eingezahlten Betrag mit dem Schuldsaldo verrechnen kann.15) An der freien Verfügbarkeit fehlt es regelmäßig auch dann, wenn die zunächst einbezahlte 18 Einlage (unmittelbar oder mittelbar) wieder an den Einleger zurückbezahlt wird. Etwas anderes gilt seit Inkrafttreten des ARUG aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung aber in den Fällen des Hin- und Herzahlens (§ 27 Abs. 4).16) In den Fällen der verdeckten Sacheinlage fehlt es (trotz § 27 Abs. 3) an der freien Ver- 19 fügbarkeit, da die vereinbarte Bareinlage gerade nicht erfüllt wird und (zumindest zunächst) fortbesteht.17) b)
Steuern und Gebühren
Von dem Erfordernis der Einlagenleistung zur endgültig freien Verfügung des Vorstands 20 ausdrücklich ausgenommen ist der Betrag, der für die bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt worden ist.18) Erfasst werden allerdings nur solche Steuern und Gebühren (einschließlich Auslagen), die von der Gesellschaft kraft Gesetzes oder aufgrund der Festsetzungen in der Satzung (§ 26 Abs. 2) zu tragen sind und für die Gründung erforderlich sind. Dazu gehören die Kosten des Notars, der Registereintragung, der Bekanntmachung, eine etwa anfallende Grunderwerbsteuer sowie die Vergütung der Gründungsprüfer. Nicht umfasst sind dagegen die sonstigen Kosten der Rechts- und Steuerberatung oder die Kosten für den Betrieb eines übernommenen Unternehmens. c)
Verwendungsabsprachen
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob und inwieweit Vereinbarungen über die 21 künftige Verwendung der geleisteten Einlagen der freien Verfügung des Vorstands entgegenstehen. Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass Verwendungsabsprachen für die ordnungs- 22 gemäße Kapitalaufbringung unschädlich sind, wenn die Einlagen zugunsten von Dritten verwendet werden (z. B. für Investitionen der Gesellschaft oder andere unternehmerische Zwecke).19) Dagegen werden Verwendungsabsprachen überwiegend als schädlich angesehen, wenn sie 23 dazu führen, dass die Einlagen (unmittelbar oder mittelbar) wieder an den Einleger zurückfließen.20) Denn damit werden die Vorschriften über die Kapitalaufbringung umgangen. Dies erscheint jedoch spätestens seit Inkrafttreten des ARUG nicht mehr über_____________ 15) S. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 263/91, BGHZ 119, 177 = ZIP 1992, 1387. Zur Einlagenleistung bei Kapitalerhöhungen einer GmbH (vor MoMiG) s. BGH, Urt. v. 8.11.2004 – II ZR 362/02, ZIP 2005, 121; BGH, Urt. v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799; BGH, Urt. v. 10.6.1996 – II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466, dazu EWiR 1996, 885 (v. Gerkan); ferner Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 16; Hüffer, AktG, § 36 Rz. 8; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 43 ff.; K. Schmidt/ Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 22. 16) A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 37 ff.; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 36 Rz. 20. 17) Im Ergebnis ebenso Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 16; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 41 ff.; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 36 Rz. 20. 18) Hölters-Solveen, AktG, § 36 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 36 Rz. 10; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 52; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36 Rz. 75 ff.; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 36 Rz. 24. 19) S. dazu etwa BGH, Urt. v. 12.2.2007 – II ZR 272/05, BGHZ 171, 113 = ZIP 2007, 528, dazu EWiR 2007, 331 (Rohde); BGH, Urt. v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, BGHZ 153, 107 = ZIP 2003, 211, dazu EWiR 2003, 223 (Blöse). 20) S. etwa Hüffer, AktG, § 36 Rz. 9, wonach Verwendungsabsprachen die vorgeschriebene freie Verfügung im Zweifel beeinträchtigen, und Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36 Rz. 54.
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§ 36
Anmeldung der Gesellschaft
zeugend.21) Die gesetzliche Neuregelung zum Hin- und Herzahlen zeigt gerade, dass eine Rückzahlung der Einlage einer ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung nicht zwingend entgegensteht (siehe § 27 Abs. 4). Zudem muss die Gesellschaft mit dem Einleger in gleicher Weise wie mit einem Dritten Geschäfte abschließen können.22) Entscheidend ist somit, dass die Einlagen tatsächlich zur endgültig freien Verfügung des Vorstands geleistet werden und nicht etwa für Zahlungen an den Einleger „reserviert“ sind.23) Dann ist die Kapitalaufbringung ordnungsgemäß abgeschlossen. d)
Verfügungen über die Einlagen vor Anmeldung
24 Der Gesetzeswortlaut deutet darauf hin, dass die eingezahlten Einlagen (mit Ausnahme der Steuern und Gebühren) auch im Zeitpunkt der Anmeldung noch unversehrt vorhanden sein müssen (siehe § 37 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2). Eine solche Thesaurierungspflicht besteht jedoch nach heute h. A. nicht. Es ist allgemein anerkannt, dass der Vorstand über die eingezahlten Einlagen bereits vor der Anmeldung zum Handelsregister verfügen darf, wenn der Gesellschaft dabei ein entsprechender Gegenwert zufließt und dieser Wert auch im Zeitpunkt der Anmeldung (nicht der Eintragung) noch vorhanden ist (Gebot der wertgleichen Deckung).24) 25 Umstritten ist dagegen, ob auch auf das Erfordernis der wertgleichen Deckung verzichtet werden kann. Die überwiegende Meinung hält daran im Interesse einer ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung – zumindest für die Neugründung der Gesellschaft25) – fest.26) Dies erscheint indes nicht überzeugend.27) Mit der Leistung der Einlage zur endgültig freien Verfügung des Vorstands ist die Kapitalaufbringung abgeschlossen. Danach entscheidet allein der Vorstand über die Verwendung der Einlagen. Bei nicht wertgleichen Rechtsgeschäften greift die Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) ein, so dass die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung gesichert ist. Danach müssen die Einlagen bei der Anmeldung nicht mehr (auch nicht i. S. einer wertgleichen Deckung) vorhanden sein. 3.
Sonderfall: Gemischte Einlage
26 Eine gemischte Einlage liegt vor, wenn der Gründer für eine von ihm übernommene Aktie sowohl eine Bareinlage als auch eine Sacheinlage zu erbringen hat. Bareinlage (§ 36 Abs. 2, § 36a Abs. 1) und Sacheinlage (§ 36a Abs. 2) sind dann jeweils nach den für sie geltenden Vorschriften zu erbringen. Die Bareinlage ist demnach zu mindestens einem Viertel und die Sacheinlage stets voll zu erbringen. Ein etwaiges Agio ist stets in voller Höhe zu erbringen. _____________ 21) Zutreffend K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 25 f., der vor allem die Unterscheidung zwischen Mittelaufbringung und Mittelverwendung betont; ebenso A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 46. 22) S. BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder) – „Entgeltliche Dienstverträge zwischen der Gesellschaft und dem Inferenten sind im Aktienrecht nicht verboten.“ 23) Zu dem Kriterium des „Reserviert“-Seins s. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 24) Grundlegend BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 263/91, BGHZ 119, 177 = ZIP 1992, 1387; HöltersSolveen, AktG, § 36 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 36 Rz. 11a; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 36 Rz. 23. 25) Anders aber für eine Kapitalerhöhung bei einer bereits bestehenden Gesellschaft BGH, Urt. v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, BGHZ 150, 197 = ZIP 2002, 799 – betreffend die Kapitalerhöhung bei einer GmbH. 26) Hüffer, AktG, § 36 Rz. 11a; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36 Rz. 47 ff.; Pentz in: MünchKommAktG, § 36 Rz. 79 ff. 27) Zutreffend K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 29 ff.; zust. Henssler/Strohn-Wardenbach, GesR, § 36 AktG Rz. 7.
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§ 36a
Leistung der Einlagen
Von der gemischten Einlage zu unterscheiden ist der Fall, dass ein Gründer mehrere 27 Aktien übernimmt und für manche Aktien ausschließlich eine Bareinlage und für andere Aktien ausschließlich eine Sacheinlage vereinbart wird. In diesem Fall sind Bar- und Sacheinlage getrennt und unabhängig voneinander zu behandeln. Die gemischte Einlage ist schließlich von der gemischten Sacheinlage zu unterscheiden, 28 bei der der Gründer teils Aktien und teils eine sonstige Vergütung erhält (dazu § 27 Rz. 25).
§ 36a Leistung der Einlagen (1) Bei Bareinlagen muß der eingeforderte Betrag (§ 36 Abs. 2) mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrags und bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als diesen auch den Mehrbetrag umfassen. (2) 1Sacheinlagen sind vollständig zu leisten. 2Besteht die Sacheinlage in der Verpflichtung, einen Vermögensgegenstand auf die Gesellschaft zu übertragen, so muß diese Leistung innerhalb von fünf Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zu bewirken sein. 3Der Wert muß dem geringsten Ausgabebetrag und bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als diesen auch dem Mehrbetrag entsprechen. Literatur: Hentzen/Schwandtner, Für eine Vereinfachung des Rechts der Kapitalaufbringung!, ZGR 2009, 1007; Hermanns, Gestaltungsmöglichkeiten bei der Kapitalerhöhung mit Agio, ZIP 2003, 788; Mayer, D., Der Leistungszeitpunkt bei Sacheinlageleistungen im Aktienrecht, ZHR 154 (1990), 535; Pentz/Priester/Schwanna, Bar- und Sachkapitalaufbringung bei Gründung und Kapitalerhöhung, in: Lutter (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, ZGR Sonderheft 17, 2006, S. 42; Priester, Schuldrechtliche Zusatzleistung bei Kapitalerhöhung im Aktienrecht, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 467; Richter, Die Verpflichtung des Inferenten zur Übertragung eines Vermögensgegenstandes als Gegenstand der Sacheinlage, ZGR 2009, 721.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Bareinlagen (§ 36a Abs. 1) ................ 2 III. Sacheinlagen (§ 36a Abs. 2) .............. 8 1. Umfang der Leistung (§ 36a Abs. 2 Satz 1) ........................... 8 I.
2. Zeitpunkt der Leistung (§ 36a Abs. 2 Satz 2) ........................ 10 3. Verbot der Unterpariemission (§ 36a Abs. 2 Satz 3) ........................ 15
Überblick
Die Vorschrift regelt die Leistung der Einlagen bei Gründung der Gesellschaft und dient 1 damit der Sicherung der effektiven Kapitalaufbringung.1) Für Bareinlagen wird der Mindestbetrag bestimmt, der vor Anmeldung der Gesellschaft geleistet sein muss (§ 36a Abs. 1 i. V. m. §§ 36 Abs. 2, 54 Abs. 3). In Bezug auf Sacheinlagen werden Umfang und Zeitpunkt der zu erbringenden Leistung näher geregelt (§ 36a Abs. 2). II.
Bareinlagen (§ 36a Abs. 1)
Bei Bareinlagen muss der vor der Anmeldung (§ 36 Abs. 2) eingeforderte Betrag mindes- 2 tens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrags (§ 9 Abs. 1) betragen (§ 36a Abs. 1 Halbs. 1). Werden die Aktien zu einem höheren Betrag ausgegeben (Überpariemission, § 9 Abs. 2) _____________ 1)
Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 1; Hüffer, AktG, § 36a Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36a Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36a Rz. 1.
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§ 36a
Leistung der Einlagen
muss der eingeforderte Betrag auch den vollen Mehrbetrag (Agio) umfassen (§ 36a Abs. 1 Halbs. 2). Im Unterschied zum GmbH-Recht muss der Gesamtbetrag der Bareinlagen nicht mindestens die Hälfte des Grundkapitals der Gesellschaft erreichen (siehe § 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). 3 Die Mindestleistung muss für jede Aktie gesondert erbracht werden.2) In der Handelsregisteranmeldung ist dies auch entsprechend anzugeben (§ 37 Abs. 1 Satz 1). Die pauschale Leistung eines Gesamtbetrages ist selbst dann nicht ausreichend, wenn dieser die Mindestleistung erreicht. Minderzahlungen einzelner Aktionäre können nicht durch Mehrzahlungen anderer Aktionäre ausgeglichen werden. 4 Die Satzung kann die Leistung eines höheren (nicht aber eines niedrigeren) Betrages als ein Viertel des geringsten Ausgabebetrags vorsehen (siehe § 23 Abs. 5 Satz 2).3) Der Vorstand ist dann auch zur Einforderung des höheren Betrages verpflichtet. 5 Für die Einforderung der Einlagen ist der Vorstand zuständig (siehe § 63 Abs. 1 Satz 1). Der Vorstand entscheidet – innerhalb des von Gesetz und Satzung vorgesehenen Rahmens – über Zeitpunkt und Höhe der Einforderung der Einlagen. In der Satzung kann die Entscheidung des Vorstands von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht werden (§ 111 Abs. 4 Satz 2). Die Gründer sind bei der Einforderung der Einlagen gleichzubehandeln (§ 53a). 6 Im Falle einer Überpariemission (§ 9 Abs. 1) muss der eingeforderte Betrag stets das gesamte Aufgeld (Agio) umfassen.4) Damit ist das in der Satzung geregelte (korporative) Agio (und nicht auch ein schuldrechtliches Agio) gemeint. Für ein außerhalb der Satzung vereinbartes (schuldrechtliches) Agio gilt die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des gesamten Aufgelds vor der Anmeldung der Gesellschaft nicht. Die Fälligkeit kann insoweit frei vereinbart werden. Das schuldrechtliche Agio unterliegt nicht der Registerkontrolle (siehe § 38 Abs. 1). Entsprechende Vereinbarungen müssen gegenüber dem Registergericht daher auch nicht offengelegt werden (siehe § 37 Abs. 4).5) 7 Die Gründer sind berechtigt (aber nicht verpflichtet) über die geschuldeten und eingeforderten Bareinlagen hinaus freiwillige Mehrleistungen zu erbringen. Solche Mehrleistungen haben auch dann Erfüllungswirkung, wenn sie im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft nicht mehr unverbraucht zur Verfügung stehen.6) III.
Sacheinlagen (§ 36a Abs. 2)
1.
Umfang der Leistung (§ 36a Abs. 2 Satz 1)
8 Sacheinlagen sind vollständig zu leisten (§ 36a Abs. 2 Satz 1). Eine nur teilweise Erbringung von Sacheinlagen ist (anders als bei Bareinlagen, § 36a Abs. 1) gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig (siehe § 266 BGB).7) In der Satzung kann eine teilweise Leistung von Sacheinlagen vorgesehen werden, sofern dies im Hinblick auf die Rechts_____________ 2) 3) 4)
5) 6)
7)
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Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 3; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36a Rz. 3; K. Schmidt/LutterKleindiek, AktG, § 36a Rz. 2. Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 3; Hüffer, AktG, § 36a Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36a Rz. 2. Zu den Angaben im Zeichnungsschein bei einer Überpariemission s. LG Frankfurt/M., Beschl. v. 3.5.1991 – 3/11 T 7/91, AG 1992, 240. Hüffer, § 36a Rz. 2a; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36a Rz. 4. Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 3; a. A allerdings Hüffer, AktG, § 36a Rz. 2a. So für GmbH – BGH, Urt. v. 24.10.1988 – II ZR 176/88, BGHZ 105, 300 = ZIP 1989, 27, dazu EWiR 1989, 55 (Schmidt), und die ganz h. M. im aktienrechtlichen Schrifttum, s. etwa Hüffer, AktG, § 36a Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36 Rz. 17. Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 7; Hüffer, AktG, § 36a Rz. 5.
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§ 36a
Leistung der Einlagen
natur der eingebrachten Sache möglich ist. Die letzte Teilleistung muss dann allerdings spätestens fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft bewirkt sein (§ 36a Abs. 2 Satz 2). Die Sacheinlagen müssen (ebenso wie die Bareinlagen, siehe § 36 Abs. 2 Halbs. 2) so ge- 9 leistet werden, dass sie endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehen.8) In der Regel ist bei einer Sacheinlage die (vollständige und vorbehaltlose) Übertragung des Eigentums an der Sache auf die Vor-AG geschuldet. Die dingliche Erfüllung der Sacheinlageverpflichtung erfolgt dann durch Eigentumsübertragung der jeweiligen Sache nach den dafür maßgeblichen Vorschriften (z. B. bei beweglichen Sachen durch Einigung und Übergabe, §§ 929 ff. BGB, bei Grundstücken durch Auflassung und Grundbucheintragung, §§ 873, 925 BGB, bei Forderungen und sonstigen Rechten durch Abtretung bzw. Übertragung, §§ 398, 413 BGB). Die entsprechenden Verträge (z. B. Einbringungsvertrag) sind der Handelsregisteranmeldung als Anlage beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 2). Die Sacheinlageverpflichtung kann aber auch lediglich darin bestehen, der Gesellschaft eine bestimmte Sache lediglich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen. In diesem Fall ist die Sacheinlage erbracht, wenn dem Vorstand die vereinbarte Gebrauchs- oder Nutzungsbefugnis eingeräumt worden ist. 2.
Zeitpunkt der Leistung (§ 36a Abs. 2 Satz 2)
Nach der gesetzlichen Regelung muss die Leistung innerhalb von fünf Jahren nach der 10 Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zu bewirken sein, wenn die Sacheinlage in der Verpflichtung besteht, einen Vermögensgegenstand auf die Gesellschaft zu übertragen (§ 36a Abs. 2 Satz 2). Die Vorschrift gilt allgemein als unverständlich.9) Umstritten ist dabei insbesondere, ob die Erfüllung der Sacheinlageverpflichtung bereits vor der Anmeldung der Gesellschaft erfolgt sein muss. Die h. M.10) geht davon aus, dass bei Sacheinlagen die wirksame Begründung der schuld- 11 rechtlichen Einlageverpflichtung für die Anmeldung ausreichend ist. Der dingliche Vollzug der Sacheinlageverpflichtung muss vor der Anmeldung dagegen noch nicht erfolgt sein. Vielmehr genügt es, wenn die Sacheinlage spätestens innerhalb von fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft bewirkt worden ist (§ 36a Abs. 2 Satz 2). Eine vollständige Leistung der Sacheinlage (so § 36a Abs. 2 Satz 1) ist nur in den (seltenen) Fällen der bloßen Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung einer Sache erforderlich. Nach einer Mindermeinung11) sind Sacheinlagen dagegen grundsätzlich vor der An- 12 meldung der Gesellschaft zu leisten (§ 36a Abs. 2 Satz 1). Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn die Sacheinlage in der Übertragung eines Anspruchs gegen einen Dritten bestehe. In diesem Fall genügt es, dass der Dritte seiner Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft nachkommt (§ 36a Abs. 2 Satz 2). Für die h. M. spricht zweifelslos der Gesetzeswortlaut, der allgemein von der Verpflich- 13 tung zur Übertragung eines Vermögensgegenstands auf die Gesellschaft spricht (§ 36a Abs. 2 Satz 2) und keine Einschränkung auf gegen Dritte gerichtete Ansprüche vorsieht. Die amtliche Gesetzesbegründung12) geht gleichfalls davon aus, dass die wirksame Be_____________ 8) Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 8; Hüffer, AktG, § 36a Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36a Rz. 8. 9) Hüffer, AktG, § 36a Rz. 4; Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 5. 10) Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 36a Rz. 3; Hölters-Solveen, AktG, § 36a Rz. 5; Hüffer, AktG, § 36a Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 36a Rz. 11 ff.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36a Rz. 3 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36a Rz. 10 ff. 11) D. Mayer, ZHR 154 (1990) 535, 538 ff., und zust. Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 36a Rz. 10. 12) BT-Drucks. 8/1678, S. 12 ff.
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§ 36a
Leistung der Einlagen
gründung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung des Vermögensgegenstands für die Anmeldung ausreichend ist. Gleichwohl verdient die Mindermeinung Zustimmung, da sie dem Normzweck – der Sicherung der effektiven Kapitalaufbringung – besser gerecht wird. Nach der h. M. hat die Gesellschaft das Risiko zu tragen, dass die Sache in den fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft an Wert verliert. Dies erscheint nicht sachgerecht. Zudem wird der dingliche Vollzug der Sacheinlage auf diese Weise der registergerichtlichen Präventivkontrolle (siehe § 38 Abs. 1) entzogen. Die Mindermeinung entspricht im Übrigen der (unstreitigen) Rechtslage zur Erbringung von Sacheinlagen im GmbH-Recht (siehe § 7 Abs. 3 GmbHG)13) und gewährleistet damit eine einheitliche Auslegung der Kapitalaufbringungsvorschriften. 14 Das Registergericht hat die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen, wenn die Sacheinlagen vor der Anmeldung nicht ordnungsgemäß bewirkt worden sind (§ 38 Abs. 1). In den (seltenen) Fällen der Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung einer Sache muss die Leistung unstreitig vor Anmeldung der Gesellschaft erfolgen. Im praktischen Regelfall, bei dem der Gesellschaft das Eigentum an einer Sache übertragen wird, kommt es dagegen darauf an, welcher der beiden vorstehenden Auffassungen man folgt. Nach der h. M. ist es ausreichend (aber auch erforderlich), dass ein wirksamer Anspruch der Gesellschaft auf Übertragung der Sache begründet worden ist und dieser spätestens innerhalb von fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erfüllt wird. Die Durchsetzung dieses Anspruchs liegt allein in der Verantwortung des Vorstands der Gesellschaft (siehe §§ 76, 93). Das Registergericht ist weder berechtigt noch verpflichtet die (fristgerechte) Erfüllung des Anspruchs zu kontrollieren. Nach der Mindermeinung muss das Eigentum an der Sache dagegen bereits vor der Anmeldung dinglich auf die Vor-AG übertragen worden sein. Lediglich bei der Übertragung von Grundstücken genügt im Hinblick auf die Bearbeitungszeiten beim Grundbuchamt die Eintragung einer Auflassungsvormerkung für die Vor-AG und die formgerechte Abgabe der für die Auflassung erforderlichen Erklärungen. 3.
Verbot der Unterpariemission (§ 36a Abs. 2 Satz 3)
15 Der Wert der Sacheinlage muss dem geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1) und bei einem höheren Ausgabebetrag (Überpariemission) auch dem Mehrbetrag entsprechen (§ 36a Abs. 2 Satz 3; siehe auch § 34 Abs. 1 Nr. 2).14) Die Vorschrift wiederholt somit das Verbot der Unterpariemission (§ 9 Abs. 1). Die Werthaltigkeit der Sacheinlage unterliegt der Prüfung durch das Registergericht (§ 38 Abs. 1). Bleibt der Wert der Sacheinlagen nicht unwesentlich hinter dem Ausgabebetrag zurück, ist die Eintragung abzulehnen (§ 38 Abs. 2 Satz 2). Wird die Gesellschaft trotz Verstoßes gegen das Verbot der Unterpariemission eingetragen, ist die Gesellschaft wirksam entstanden. Der Gründer haftet gegenüber der Gesellschaft allerdings auf den Differenzbetrag.15)
_____________ 13) Grundlegend BGH, Urt. v. 2.5.1966 – II ZR 219/63, BGHZ 45, 338 = WM 1966, 571. 14) S. BGH, Urt. v. 12.3.2007 – II ZR 302/05, BGHZ 171, 293 = ZIP 2007, 1104; A. Arnold in: KölnKommAktG, § 36a Rz. 22 f.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 36a Rz. 9; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 36a Rz. 26 ff. 15) BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 111/72, BGHZ 64, 52 = NJW 1975, 974 – für den Fall einer erheblichen Überbewertung einer Sacheinlage in Form von Warenschuldverschreibungen; OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 6.7.2010 – 5 U 205/07, AG 2010, 793 – im Zusammenhang mit einer Sachkapitalerhöhung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.2011 – I 6 U 70/10, ZIP 2011, 1514 – zur Darlegungs- und Beweislast i. R. der Differenzhaftung.
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§ 37
Inhalt der Anmeldung
§ 37 Inhalt der Anmeldung (1) 1In der Anmeldung ist zu erklären, daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 und des § 36a erfüllt sind; dabei sind der Betrag, zu dem die Aktien ausgegeben werden, und der darauf eingezahlte Betrag anzugeben. 2Es ist nachzuweisen, daß der eingezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht. 3Ist der Betrag gemäß § 54 Abs. 3 durch Gutschrift auf ein Konto eingezahlt worden, so ist der Nachweis durch eine Bestätigung des kontoführenden Instituts zu führen. 4Für die Richtigkeit der Bestätigung ist das Institut der Gesellschaft verantwortlich. 5Sind von dem eingezahlten Betrag Steuern und Gebühren bezahlt worden, so ist dies nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen. (2) 1In der Anmeldung haben die Vorstandsmitglieder zu versichern, daß keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen, und daß sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. 2Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes kann schriftlich vorgenommen werden; sie kann auch durch einen Notar oder einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen. (3) In der Anmeldung sind ferner anzugeben: 1. eine inländische Geschäftsanschrift, 2. Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder. (4) Der Anmeldung sind beizufügen 1. die Satzung und die Urkunden, in denen die Satzung festgestellt worden ist und die Aktien von den Gründern übernommen worden sind; 2. im Fall der §§ 26 und 27 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und eine Berechnung des der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwands; in der Berechnung sind die Vergütungen nach Art und Höhe und die Empfänger einzeln anzuführen; 3. die Urkunden über die Bestellung des Vorstands und des Aufsichtsrats; 3a. eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Mitglieder ersichtlich ist; 4. der Gründungsbericht und die Prüfungsberichte der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie der Gründungsprüfer nebst ihren urkundlichen Unterlagen. (5) Für die Einreichung von Unterlagen nach diesem Gesetz gilt § 12 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs entsprechend. (6) (aufgehoben) Literatur: Bayer, Die Bankbestätigung gem. § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG im Rahmen der präventiven Kapitalaufbringungskontrolle, in: Festschrift für Norbert Horn, 2006, S. 271; Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht, 2. Aufl. 2013; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht, 2013; Heßeler, Der „Ausländer als Geschäftsführer“ – das Ende der Diskussion durch das MoMiG?!, GmbHR 2009, 759; Leitzen, Öffentlich-rechtliche Genehmigungen in GmbH-Registerverfahren nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 480; Meyer, D., Die wichtigsten Änderungen durch das 2. KostRMoG im Bereich der Handelsregistergebührenverordnung, JurBüro 2013, 538; Preuß, Das Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare, DNotZ 2013, 740; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts& Notarkostenkommentar (GNotKG), 2013; Schäfer F., Kapitalerhöhungen von Banken und
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§ 37
Inhalt der Anmeldung
Bankbestätigungen gem. § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 877; Schneider, Die neuen Gebühren im Handelsregister zum 1.1.2011, notar 2011, 111; Stenzel, Handelsregistereintragung von „c/o“-Adressen, NZG 2011, 851; Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, 2011; Wastl/Pusch, Haftungsrechtliche Verantwortung des kontoführenden Kreditinstituts für die effektive Kapitalaufbringung unter Berücksichtigung strafrechtlicher Aspekte, WM 2007, 1403; Weigl, Behördliche Genehmigungen bei der GmbHGründung, DNotZ 2011, 169.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Inhalt der Anmeldung (§ 37 Abs. 1 bis Abs. 3) ..................... 6 1. Kapitalaufbringung (§ 37 Abs. 1) ..... 6 a) Erklärungen zur Kapitalaufbringung (§ 37 Abs. 1 Satz 1) ..... 6 b) Nachweis der Bareinlagen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3) .... 17 c) Haftung des Kreditinstituts (§ 37 Abs. 1 Satz 4) ................... 21 d) Nachweis über Steuern und Gebühren (§ 37 Abs. 1 Satz 5) .... 22 2. Versicherung bezüglich der Qualifikation der Vorstandsmitglieder (§ 37 Abs. 2) .................. 23 a) Bestehen von Bestellungshindernissen ............................... 23 b) Belehrung über Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht ........................... 30 3. Angabe der inländischen Geschäftsanschrift (§ 37 Abs. 3 Nr. 1) ........................... 33 4. Angaben zur Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder (§ 37 Abs. 3 Nr. 2) ........................... 37 I.
5. Weitere Angaben in der Handelsregisteranmeldung ............................ 45 III. Anlagen zur Anmeldung (§ 37 Abs. 4) ..................................... 48 1. Satzung (§ 37 Abs. 4 Nr. 1) ............. 48 2. Verträge über Sondervorteile, Gründungsaufwand und Sacheinlagen (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1) ............................................ 53 3. Berechnung des Gründungsaufwands (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 2) ... 56 4. Bestellung des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 37 Abs. 4 Nr. 3) .... 57 5. Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 37 Abs. 4 Nr. 3a) ................... 59 6. Gründungs- und Prüfungsberichte (§ 37 Abs. 4 Nr. 4) ........................... 62 7. Genehmigungen nach Gewerbeund Handwerksrecht (§ 37 Abs. 4 Nr. 5 a. F.) ......................................... 63 8. Sonstige Anlagen zur Handelsregisteranmeldung ............................ 65 IV. Form (§ 37 Abs. 5) ........................... 70 1. Form der Anmeldung ....................... 70 2. Form der Anlagen zur Anmeldung ....................................... 72
Überblick
1 Die neu errichtete AG ist bei dem örtlich zuständigen AG zur Ersteintragung in das Handelsregister anzumelden (siehe §§ 37, 37a AktG, §§ 374 ff. FamFG). Bei der Handelsregisteranmeldung handelt es sich um einen Antrag, der auf die Eintragung der Gesellschaft gerichtet ist. Die Anmeldung muss stets durch alle Gründer und durch alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats in öffentlich beglaubigter Form unterzeichnet werden (§ 36 Abs. 1 AktG, § 12 Abs. 1 HGB). 2 Die Vorschrift regelt die in der Handelsregisteranmeldung abzugebenden Erklärungen und Versicherungen, die dem Registergericht vorzulegenden Nachweise und die erforderlichen Anlagen. Zweck der Vorschrift ist es, dem Registergericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet worden ist.1) _____________ 1)
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Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 37 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 1.
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§ 37
Inhalt der Anmeldung
In der Handelsregisteranmeldung ist zu erklären, dass die gesetzlichen Voraussetzungen 3 für die Anmeldung vorliegen und die eingeforderten Einlagen ordnungsgemäß erbracht worden sind (§ 37 Abs. 1 Satze 1 und Satz 5 i. V. m. §§ 36 Abs. 2, 36a). Bei Bareinlagen ist ein Nachweis vorzulegen, dass die Einlagen zur endgültig freien Verfügung des Vorstands stehen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3). Ein Kreditinstitut, das eine solche Einzahlungsbestätigung ausstellt haftet für deren Richtigkeit (§ 37 Abs. 1 Satz 4). Die Mitglieder des Vorstands müssen persönlich versichern, dass in ihrer Person kein Bestellungshindernis besteht und sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden sind (§ 37 Abs. 2). In der Handelsregisteranmeldung sind u. a. die inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft (§ 37 Abs. 3 Nr. 1) und die Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder anzugeben (§ 37 Abs. 3 Nr. 2). Der Handelsregisteranmeldung sind verschiedene Unterlagen über die Gründung beizufügen, damit das Registergericht die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben überprüfen kann (§ 37 Abs. 4). Alle Unterlagen müssen dem Registergericht in elektronischer Form eingereicht werden (§ 37 Abs. 5 AktG i. V. m. § 12 Abs. 2 HGB). Für den Fall der Sachgründung einer AG ohne externe Gründungsprüfung (§ 33a) sind bei der Handelsregisteranmeldung ergänzende Regelungen zu beachten (§ 37a). Falsche oder unvollständige Angaben in der Handelsregisteranmeldung können Schadensersatzansprüche begründen (u. a. §§ 46 ff.) und im Einzelfall auch strafbar sein (siehe § 399 Abs. 1 Nr. 1 und 5). Auf der Grundlage der Handelsregisteranmeldung und der von den Beteiligten einge- 4 reichten Unterlagen prüft das Registergericht sodann, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß angemeldet und errichtet ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1). Ist dies der Fall, wird die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen und ist damit als juristische Person entstanden. Ergeben sich dagegen Eintragungshindernisse und werden diese trotz gerichtlicher Zwischenverfügung (§ 382 Abs. 4 FamFG, § 26 HRV) nicht behoben, ist die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen (§ 38 Abs. 1 Satz 2). Die Vorschrift wurde zuletzt durch das MoMiG2) geändert. Dabei wurden verschiedene 5 Änderungen des GmbH-Rechts auch im Aktienrecht nachvollzogen. Dies gilt vor allem für die Anpassung der Versicherung der Vorstandsmitglieder aufgrund der erweiterten Bestellungshindernisse (§ 37 Abs. 2 Satz 1), die Pflicht zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift (§ 37 Abs. 3 Nr. 1) und den Wegfall der Vorlage einer für die Tätigkeit der Gesellschaft erforderlichen Genehmigungsurkunde (§ 47 Abs. 4 Nr. 5 a. F.). II.
Inhalt der Anmeldung (§ 37 Abs. 1 bis Abs. 3)
1.
Kapitalaufbringung (§ 37 Abs. 1)
a)
Erklärungen zur Kapitalaufbringung (§ 37 Abs. 1 Satz 1)
In der Anmeldung ist zu erklären (nicht auch zu versichern), dass die Voraussetzungen 6 des § 36 Abs. 2 und des § 36a (ordnungsgemäße Leistung der Bar- und Sacheinlagen) erfüllt sind (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1). Diese Erklärung ist auch dann erforderlich, wenn sich die entsprechenden Tatsachen bereits aus den der Anmeldung beigefügten Unterlagen ergeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Richtigkeit der Erklärung ist der Zugang der Handelsre- 7 gisteranmeldung beim Registergericht (§ 130 Abs. 3 BGB analog).3) Die Erklärung ist demnach richtig, wenn sie bereits zusammen mit der Gründung der Gesellschaft unter_____________ 2) 3)
Art. 5 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026; s. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 52 und S. 34 ff. Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37 Rz. 10; K. Schmidt/LutterKleindiek, AktG, § 37 Rz. 5.
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Inhalt der Anmeldung
zeichnet wird, vom Notar (aufgrund einer entsprechenden Anweisung) aber erst nach der Erbringung der Einlagen und der Vorlage der sonstigen Unterlagen und Nachweise an das Handelsregister übermittelt wird. 8 Bei Bareinlagen ist zunächst zu erklären, dass auf jede Aktie der eingeforderte Betrag (mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrages, § 9 Abs. 1 und bei Ausgabe der Aktien für einen höheren Betrag auch der volle Mehrbetrag, § 36a Abs. 1) ordnungsgemäß einbezahlt worden ist (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. §§ 36 Abs. 2 Halbs. 1, 54 Abs. 3). Der Betrag zu dem die Aktien ausgegeben werden und der darauf eingezahlte Betrag sind jeweils ausdrücklich anzugeben (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i. V. m. § 23 Abs. 2 Nr. 2). Dabei ist in der Anmeldung konkret anzugeben, welcher Gründer, welche Bareinlage, in welcher Höhe (unter Angabe des Eurobetrages) auf welche Aktie erbracht hat. 9 Darüber hinaus ist in der Anmeldung zu erklären, dass die Einlagen (soweit sie nicht bereits zur Zahlung der bei der Gründung angefallenen Steuern und Gebühren verwandt worden sind) endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehen (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 2 Halbs. 2). 10 Nach h. M.4) ist in der Anmeldung auch anzugeben, wenn die Bareinlagen nicht mehr in der ursprünglichen Form vorhanden sind (z. B. weil der Vorstand darüber bereits unter Beachtung des Grundsatzes der wertgleichen Deckung verfügt hat). In diesem Fall ist insbesondere zu erklären, dass die angeschafften Gegenstände zur freien Verfügung des Vorstands stehen und ihr tatsächlicher Wert den Bareinlagen entspricht. Nach Aufgabe des Grundsatzes der Vorbelastungshaftung erscheint eine solche – gesetzlich zudem nicht vorgesehene – Erklärung indes nicht erforderlich.5) 11 Bei Sacheinlagen ist zu erklären, dass der Wert der Sacheinlagen dem geringsten Ausgabebetrag und bei Ausgabe der Aktien zu einem höheren Betrag auch dem vollen Mehrbetrag entspricht (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. § 36a Abs. 2 Satz 3). Die Erklärung muss nicht begründet werden; vielmehr ist die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts ausreichend.6) 12 Besteht die Sacheinlage in der Verpflichtung, einen Vermögensgegenstand auf die Gesellschaft zu übertragen, ist in der Anmeldung (nach h. M.; zum Streit um die Fälligkeit von Sacheinlagen siehe § 36a Rz. 10 ff.) zu erklären, dass der Gesellschaft ein wirksamer Anspruch auf dessen dingliche Übertragung zusteht. Dabei ist insbesondere auch zu erklären, wann dieser Anspruch (spätestens fünf Jahre nach Eintragung der Gesellschaft) und wie dieser Anspruch vom Gründer erfüllt werden wird (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. § 36a Abs. 2 Satz 2). 13 Besteht die Sacheinlage dagegen in einer anderen Verpflichtung (z. B. der bloßen Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung eines Gegenstandes) ist in der Anmeldung zu erklären, dass die Sacheinlage vollständig zur endgültig freien Verfügung des Vorstands geleistet worden ist (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i. V. m. §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 2 Satz 1). 14 Unterschiede zwischen Einpersonen- und Mehrpersonengesellschaften bestehen in Bezug auf die Erbringung der Einlagen nicht (mehr). Bei einer nur teilweisen Leistung der Bareinlagen muss der Gesellschafter für die restliche Einlage insbesondere keine Sicherheit mehr erbringen (siehe § 36 Abs. 2 Satz 2 a. F.).7) _____________ 4) 5) 6) 7)
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Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 5; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37 Rz. 12 und 16; Spindler/ Stilz-Döbereiner, AktG, § 37 Rz. 3. Zutreffend K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 9 ff. Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 10; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37 Rz. 13; Spindler/StilzDöbereiner, AktG, § 37 Rz. 9. K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 6; anders noch Hüffer, AktG, § 37 Rz. 3 und 4.
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Inhalt der Anmeldung
Bei einer verdeckten Sacheinlage (§ 27 Abs. 3) darf in der Anmeldung nicht erklärt wer- 15 den, dass die Bareinlagen ordnungsgemäß erbracht worden sind. Denn die Einlageverpflichtung des Aktionärs besteht (zunächst) fort (siehe § 27 Abs. 3 Satz 3). Frühestens im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft (nicht aber vorher) erfolgt eine Anrechnung des Werts der Sacheinlage auf die Einlageverpflichtung.8) Dementsprechend darf auch das Registergericht die Gesellschaft bei Kenntnis von der verdeckten Sacheinlage selbst dann nicht eintragen, wenn der Wert der Sache die Höhe der vereinbarten Einlage erreicht oder sogar übersteigt. Im Falle des Hin- und Herzahlens ist die Leistung an den Gesellschafter oder die entspre- 16 chende Vereinbarung in der Handelsregisteranmeldung zwingend anzugeben (§ 27 Abs. 4 Satz 2). Die Offenlegung in der Handelsregisteranmeldung ist Voraussetzung dafür, dass der Einlage des Gesellschafters Erfüllungswirkung zukommt.9) Das Registergericht ist nach überwiegender Auffassung zudem berechtigt, die Vollwertigkeit10) und jederzeitige Fälligkeit zu überprüfen und die Vorlage entsprechender Nachweise zu verlangen.11) b)
Nachweis der Bareinlagen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3)
Bei Bareinlagen ist stets nachzuweisen, dass der eingezahlte Betrag endgültig zur freien 17 Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 Satz 2). Die bloße Erklärung bzw. Versicherung der Anmeldenden ist insoweit nicht ausreichend. Im Regelfall werden die Bareinlagen auf ein Konto der Vor-AG bei einem anerkannten 18 Kreditinstitut einbezahlt (siehe § 54 Abs. 3 Satz 1). In diesem Fall ist der Nachweis über die Einzahlung der Bareinlagen durch eine (nicht notwendig schriftliche12) Bestätigung des kontoführenden Kreditinstituts zu führen (§ 37 Abs. 1 Satz 3). Theoretisch können die Bareinlagen auch in Form von gesetzlichen Zahlungsmitteln 19 (Barzahlung) geleistet werden (§ 54 Abs. 3 Satz 1). Die Einlagen müssen auch in diesem Fall tatsächlich und rechtlich aus dem privaten Vermögen der Gründer in das Vermögen der neu gegründeten Gesellschaft übertragen werden. Bei Bargeld ist dieser Nachweis allerdings kaum zweifelsfrei zu führen.13) In der Praxis sollten Bareinlagen daher grundsätzlich auf ein Konto der Vor-AG einbezahlt werden. Die inhaltlichen Anforderungen an die erforderliche Bestätigung des kontoführenden 20 Kreditinstituts sind (insbesondere auch im Hinblick auf die damit verbundene Haftung, § 37 Abs. 1 Satz 4) umstritten.14) Die Bank muss in jedem Fall konkret bestätigen, welcher Betrag (in Euro) auf das Konto der Vor-AG einbezahlt worden ist und dass dieser Betrag zur endgültig freien Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 Satz 3, §§ 54 Abs. 3 Satz 1, 36 Abs. 2 Halbs. 2). Dabei sind sämtliche der Bank bekannten Verfügungs-
_____________ 8) S. zu § 19 Abs. 4 GmbHG – BGH, Urt. v. 22.3.2010 – II ZR 12/08 (AdCoCom), ZIP 2010, 978, dazu EWiR 2010, 421 (Wenzel). 9) Zur parallelen Regelung des § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07 (Cash Pool II), BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561, dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer); BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 10) Dazu BGH, Urt. v. 1.2.2008 – II ZR 102/07 (MPS), ZIP 2009, 70, dazu EWiR 2009, 129 (Balsche). 11) So zu § 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG – OLG München, Beschl. v. 17.2.2011 – 31 Wx 246/10, ZIP 2011, 567. 12) Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 37 Rz. 3; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37 Rz. 17. 13) Zum Nachweis durch einen Kassenprüfer s. Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 9; Spindler/StilzDöbereiner, AktG, § 37 Rz. 4. 14) Ausführlich zuletzt BGH, Urt. v. 7.1.2008 – II ZR 283/06, BGHZ 175, 86 = ZIP 2008, 546.
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beschränkungen (z. B. Pfandrechte) anzugeben.15) Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Bank lediglich bestätigt, dass der Vorstand gegenüber der Bank frei über die Einlagen verfügen kann und ihr aus der Kontoführung keine Rechte Dritter bekannt sind.16) c)
Haftung des Kreditinstituts (§ 37 Abs. 1 Satz 4)
21 Das Kreditinstitut ist der Gesellschaft gegenüber für die Richtigkeit der Bestätigung verantwortlich (§ 37 Abs. 1 Satz 4).17) Die Haftung des Kreditinstituts ist verschuldensunabhängig. Der Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) ist aufgrund der gläubigerschützenden Funktion der Vorschrift ausgeschlossen. Im Schadensfall muss das Kreditinstitut die Gesellschaft so stellen, wie diese stehen würde, wenn die Bestätigung richtig gewesen wäre. Hat das Kreditinstitut fälschlicherweise bestätigt, dass die Einlagen erbracht worden sind, muss es die Einlagen selbst leisten. Der Anspruch gegen das Kreditinstitut verjährt in fünf Jahren (analog § 51). d)
Nachweis über Steuern und Gebühren (§ 37 Abs. 1 Satz 5)
22 Die eingezahlten Einlagen müssen bei Anmeldung grundsätzlich endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehen (§§ 36 Abs. 2, 37 Abs. 1 Satz 2). Eine Ausnahme davon gilt aber für die Steuern und Gebühren, die bereits bei der Gründung angefallen sind (§ 36 Abs. 2 Halbs. 2) und in der Satzung der Gesellschaft ordnungsgemäß als Gründungsaufwand festgesetzt worden sind (§ 26 Abs. 2). Die dafür aufgewendeten Beträge müssen daher bei der Anmeldung nicht mehr (auch nicht wertmäßig) vorhanden sein. In der Anmeldung müssen die für Steuern und Gebühren gezahlten Beträge dann allerdings nicht nur angegeben, sondern nach Art und Höhe auch nachgewiesen werden (§ 37 Abs. 1 Satz 5). 2.
Versicherung bezüglich der Qualifikation der Vorstandsmitglieder (§ 37 Abs. 2)
a)
Bestehen von Bestellungshindernissen
23 In der Handelsregisteranmeldung haben alle Vorstandsmitglieder (einschließlich der Stellvertreter, § 94) zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung (nach § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 sowie Satz 3) entgegenstehen (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1). 24 Mitglied des Vorstands einer deutschen AG kann grundsätzlich jede natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (§ 76 Abs. 3 Satz 1). Mitglied des Vorstands kann dagegen nicht sein, wer als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten einem Einwilligungsvorbehalt unterliegt (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AktG i. V. m. § 1903 BGB), einem Berufs- oder Gewerbeverbot unterliegt (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2) oder wegen einer bestimmten Straftat verurteilt worden ist (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und
_____________ 15) Wie hier A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37 Rz. 21 f.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 14; tendenziell auch Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 37 Rz. 30 ff. 16) So aber Hüffer, AktG, § 37 Rz. 3a. Ähnlich auch Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 37 Rz. 5. 17) S. dazu BGH, Urt. v. 7.1.2008 – II ZR 283/06, BGHZ 175, 86 = ZIP 2008, 546; BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 263/91, BGHZ 119, 177 = ZIP 1992, 1387; BGH, Urt. v. 18.2.1991 – II ZR 104/90, BGHZ 113, 335 = ZIP 1991, 511, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey). BGH, Urt. v. 26.9.2005 – II ZR 380/03, ZIP 2005, 2012, dazu EWiR 2007, 545 (Werner) – zur Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat wegen falscher Angaben bei einer Barkapitalerhöhung nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 399 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AktG; ferner Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 37 Rz. 5; A. Arnold in: KölnKommAktG, § 37 Rz. 24 ff.
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Satz 3).18) Das Registergericht hat die Einhaltung der gesetzlichen Bestellungshindernisse vor der Eintragung der Gesellschaft zu überprüfen (§ 38 Abs. 1). Dabei kann es grundsätzlich auch eine entsprechende Auskunft des Bundeszentralregisters anfordern (siehe § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG). Nachdem ein solches Auskunftsersuchen bei der Vielzahl der Gesellschaftsgründungen weder praktikabel noch verhältnismäßig wäre, müssen die Mitglieder des Vorstands in der Handelsregisteranmeldung eine Art Selbstauskunft erteilen und entsprechend versichern, dass in ihrer Person keine Bestellungshindernisse vorliegen. Eine pauschale Versicherung, dass keine Bestellungshindernisse vorliegen, wird von den Registergerichten im Allgemeinen nicht als ausreichend angesehen. Vielmehr wird regelmäßig verlangt, dass die Bestellungshindernisse in der Anmeldung einzeln aufgeführt und verneint werden, da nur dann eine vollständige und wahrheitsgemäße Selbstauskunft der Vorstandsmitglieder zu erwarten sei.19) Der BGH geht allerdings zu Recht davon aus, dass auch die allgemeine Versicherung, im In- und Ausland noch nie vorbestraft worden zu sein, den gesetzlichen Anforderungen entspricht.20) Die Versicherung der Vorstandsmitglieder muss sich (nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1) nur auf die Bestellungshindernisse nach § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 (Berufs- und Gewerbeverbote) und § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 (Straftaten) beziehen, nicht aber auch auf § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 (Einwilligungsvorbehalt bei Betreuten).21) Bei Berufs- und Gewerbeverboten genügt es zu versichern, dass im Bereich des Unternehmensgegenstands kein solches Verbot besteht (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 2). Eine weitergehende Versicherung kann nach dem Gesetzeswortlaut – entgegen der Praxis mancher Registergerichte – auch nicht unter Hinweis darauf verlangt werden, dass sonst nicht geprüft werden kann, ob ein etwaiges Berufs- oder Gewerbeverbot ganz oder teilweise mit dem Unternehmensgegenstand übereinstimmt.22) Die Abgabe einer falschen Versicherung ist strafbar (§ 399 Abs. 1 Nr. 6). Eine Verurteilung wegen einer falschen Versicherung begründet ihrerseits für die Dauer von fünf Jahren ein Bestellungshindernis (siehe § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 lit. a AktG und § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. a GmbHG).23) _____________ 18) S. BGH, Beschl. v. 7.6.2011 – II ZB 24/10, ZIP 2011, 1305 – zum Beginn der Fünf-Jahres-Frist mit Rechtskraft des Urteils; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.10.2012 – 8 W 241/11, ZIP 2013, 671 – zur Versicherung hinsichtlich der Straftatbestände; OLG München, Beschl. v. 3.3.2011 – 31 Wx 51/11, GmbHR 2011, 430 – zur Amtslöschung eines GmbH-Geschäftsführers aufgrund rechtskräftiger Verurteilung wegen Betrugs nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e GmbHG i. V. m. § 395 Abs. 1 Satz 1 FamFG; OLG Hamm, Beschl. v. 29.12.2010 – I 15 W 659/10, ZIP 2011, 527 – Bestellung eines Geschäftsführers bei strafrechtlicher Verurteilung zu Einzelgeldstrafen. 19) S. etwa OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2012 – 11 Wx 33/12, ZIP 2012, 1028 – zum Wortlaut der Versicherung des Geschäftsführers; OLG Hamm, Beschl. v. 14.4.2011, 27 W 27/11, GmbHR 2011, 587 = NZG 2011, 710 – zur Versicherung des Geschäftsführers hinsichtlich Vorstrafen; OLG München, Beschl. v. 22.4.2009 – 31 Wx 040/09, ZIP 2009, 1320, dazu EWiR 2009, 507 (Heßeler) – zur Versicherung des Liquidators in der Handelsregisteranmeldung nach § 67 Abs. 3 GmbHG; OLG München, Beschl. v. 20.4.2009 – 31 Wx 034/09, ZIP 2009, 1321 – zur Versicherung des Geschäftsführers in der Handelsregisteranmeldung nach § 8 Abs. 3 GmbHG. 20) BGH, Beschl. v. 17.5.2010 – II ZB 5/10, ZIP 2010, 1337, dazu EWiR 2010, 533 (Schaller) – zu der globalen Versicherung des Geschäftsleiters einer inländischen Zweigniederlassung. Dem folgend OLG Hamm, Beschl. v. 14.4.2011 – 27 W 27/11, GmbHR 2011, 587 – betreffend die Versicherung des Geschäftsführers einer GmbH. 21) Zutreffend OLG Hamm, Beschl. v. 29.9.2010 – I 15 W 460/10, ZIP 2010, 2293 – Versicherung des GmbH-Geschäftsführers muss sich nicht auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GmbHG beziehen. 22) A. A. aber OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.7.2011 – 20 W 246/11, ZIP 2012, 870; OLG Frankfurt/ M., Beschl. v. 23.3.2010 – 20 W 92/10, GmbHR 2010, 918 – zur Versicherung des Geschäftsführers einer GmbH nach §§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG. 23) Zur Versicherung des Nichtvorliegens von Straftaten für die Dauer von fünf Jahren seit Rechtskraft des Urteils s. BGH, Beschl. v. 7.6.2011 – II ZB 24/10, ZIP 2011, 1305, dazu EWiR 2011, 599 (Melchior).
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29 Die Versicherung muss durch alle Mitglieder des Vorstands höchstpersönlich abgegeben werden. Stellvertretung ist ausgeschlossen.24) b)
Belehrung über Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht
30 Das Registergericht hat gegenüber dem Bundeszentralregister ein Recht auf unbeschränkte Auskunft (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG). Der Betroffene, der sich sonst unter Umständen als unbestraft bezeichnen könnte (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) ist auf dieses unbeschränkte Auskunftsrecht hinzuweisen (§ 53 Abs. 2 BZRG). Die entsprechende Belehrung der Vorstandsmitglieder erfolgt in der Praxis meist durch den Notar, der die Unterschriften unter der Handelsregisteranmeldung beglaubigt (siehe § 37 Abs. 2 Satz 2).25) Die Belehrung muss nicht unbedingt persönlich erfolgen. Im Einzelfall ist auch eine schriftliche Belehrung möglich (§ 37 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1). 31 Die Belehrung kann durch einen deutschen Notar, einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs (z. B. einen Rechtsanwalt) oder einen Konsularbeamten erfolgen (§ 37 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2).26) Dagegen kann die Belehrung nicht auch durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater vorgenommen werden. Dem Registergericht ist nachzuweisen, dass die Belehrung erfolgt ist. 32 Alle Mitglieder des Vorstands (einschließlich der Stellvertreter, § 94) müssen in der Handelsregisteranmeldung persönlich versichern, dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2).27) Die Abgabe einer falschen Versicherung ist wiederum strafbar (§ 399 Abs. 1 Nr. 6). 3.
Angabe der inländischen Geschäftsanschrift (§ 37 Abs. 3 Nr. 1)
33 In der Handelsregisteranmeldung ist ferner eine inländische Geschäftsanschrift der Gesellschaft anzugeben (§ 37 Abs. 3 Nr. 1; siehe auch § 78 Abs. 3 Satz 3 AktG, § 15a HGB, § 185 Nr. 2 ZPO).28) Damit sollen Zustellungen an die Gesellschaft erleichtert werden. Die Geschäftsanschrift muss stets Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer umfassen. Die Angabe einer c/o-Anschrift ist ausreichend.29) Nicht genügend ist dagegen die bloße Angabe eines Postfachs. 34 Die Geschäftsanschrift muss stets in Deutschland liegen. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz im Ausland hat. Innerhalb Deutschlands kann die Geschäftsanschrift frei gewählt werden. Die Geschäftsanschrift muss weder mit dem Sat_____________ 24) Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 11; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37 Rz. 30. 25) S. dazu OLG München, Beschl. v. 23.7.2010 – 31 Wx 128/10, ZIP 2010, 1494 – betreffend die Versicherung eines Geschäftsführers einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nach § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG. 26) S. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 35 – zum MoMiG. 27) S. OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.2011 – 12 W 0987/11, NotBZ 2013, 46. 28) S. dazu OLG München, Beschl. v. 2.2.2009 – 31 Wx 09/09, DStR 2009, 599 = ZIP 2009, 619 = Rpfleger 2009, 460, dazu EWiR 2009, 439 (Schaller) und EWiR 2009, 671 (Penzlin) – zur Pflicht einer Alt-AG zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift; LG Zwickau, Beschl. v. 15.7.2010 – 5 T 39/10, WM 2010, 2098 – öffentliche Zustellung an GmbH bei fehlender Eintragung einer inländischen Geschäftsanschrift im Handelsregister; ausführlich K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 22 ff. 29) So OLG Naumburg, Beschl. v. 8.5.2009 – 5 Wx 4/09, GmbHR 2009, 832 = DB 2009, 1698 – zur Eintragung einer c/o-Geschäftsanschrift bei einer GmbH; zust. OLG Hamm, Beschl. v. 21.1.2011 – I 15 W 485/10, ZIP 2011, 2014 – Kanzleianschrift des Insolvenzverwalters als c/o-Anschrift der Gesellschaft; einschränkend dagegen OLG Rostock, Beschl. v. 31.5.2010 – 1 W 6/10, DStR 2010, 1999 = GmbHR 2011, 30 – Eintragung einer c/o-Adresse als inländische Geschäftsanschrift nur dann, wenn sichere und zuverlässige Zustellung an diese Adresse gewährleistet ist. – Ausführlich zum Ganzen Stenzel, NZG 2011, 851.
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zungssitz noch mit dem Verwaltungssitz der Gesellschaft übereinstimmen. An der angegebenen Geschäftsanschrift muss die Gesellschaft auch keinen Betrieb haben. Die inländische Geschäftsanschrift wird im Handelsregister eingetragen (§ 39 Abs. 1 35 Satz 1 AktG i. V. m. § 43 Nr. 2 lit. b HRV) und bekannt gemacht (§ 10 HGB). Jede Änderung der inländischen Geschäftsanschrift ist vom Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 31 Abs. 1 HGB i. V. m. § 78 AktG). Eine gesonderte Anmeldung der Lage der Geschäftsräume oder von deren Änderung ist 36 im Allgemeinen nicht erforderlich (§ 24 Abs. 2 und 3 HRV). 4.
Angaben zur Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder (§ 37 Abs. 3 Nr. 2)
In der Anmeldung sind darüber hinaus auch Art und Umfang der Vertretungsbefugnis 37 der Vorstandsmitglieder anzugeben (§ 37 Abs. 3 Nr. 2). Die allgemeine Vertretungsregelung der Vorstandsmitglieder ist stets zum Handels- 38 register anzumelden (§ 37 Abs. 3 Nr. 2), einzutragen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 AktG i. V. m. § 43 Nr. 4 lit. a HRV) und bekannt zu machen (§ 10 HGB). Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Regelung in der Satzung der Gesellschaft. Diese lautet in der Praxis meist (aber keineswegs zwingend) wie folgt: „Die Gesellschaft hat einen Vorstand mit einem oder mehreren Mitgliedern. Ist nur ein Vorstand bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Vorstände bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Vorstände gemeinschaftlich oder durch einen Vorstand in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.“ Enthält die Satzung (ausnahmsweise) keine Regelung zur Vertretung, gelten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 78 Abs. 2 Satz 1). Die Anmeldung könnte dann etwa wie folgt lauten: „Die Gesellschaft hat einen Vorstand mit einem oder mehreren Mitgliedern. Ist nur ein Vorstand bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Vorstände bestellt, so wird die Gesellschaft durch die Vorstände gemeinschaftlich vertreten.“ Darüber hinaus ist auch die besondere Vertretungsbefugnis der einzelnen Mitglieder des 39 Vorstands zum Handelsregister anzumelden und dort einzutragen, wenn diese (aber nur dann) von der allgemeinen Vertretungsbefugnis abweicht (§ 37 Abs. 3 Nr. 2 AktG i. V. m. § 43 Nr. 4 lit. b HRV). Die bloße Ermächtigung in der Satzung, wonach einzelnen, mehreren oder allen Mitgliedern des Vorstands die Befugnis zur Einzelvertretung eingeräumt werden kann (siehe § 78 Abs. 3), ist dagegen weder anzumelden noch einzutragen.30) Eine Anmeldung ist vielmehr erst dann erforderlich, wenn einem Mitglied des Vorstands tatsächlich eine (von der allgemeinen Vertretungsbefugnis abweichende) besondere Vertretungsbefugnis eingeräumt worden ist. Die Begriffe Einzelvertretungsbefugnis und Alleinvertretungsbefugnis sind synonym.31)
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Bei Gesamtvertretung ist nicht anzumelden, dass die Mitglieder des Vorstands für Zwecke 41 der Passivvertretung gleichwohl einzelvertretungsberechtigt sind (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 3).32) Ebenso ist nicht anzumelden, dass einzelne zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder zur Vornahme bestimmter Geschäfte ermächtigt worden sind (siehe § 78 Abs. 4).33) _____________ 30) Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 17; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 37 Rz. 12; für eine Verpflichtung zur Anmeldung der Ermächtigung des Aufsichtsrats nach § 78 Abs. 2 Satz 2 dagegen Hüffer, AktG, § 37 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 25. 31) Zur GmbH BGH, Beschl. v. 19.3.2007 – II ZB 19/06, ZIP 2007, 1103, dazu EWiR 2007, 401 (Terner). 32) Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 37 Rz. 9; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 37 Rz. 12; a. A. K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 25. 33) So auch Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 37 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37 Rz. 25; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 37 Rz. 57; a. A. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37 Rz. 37.
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42 Eine Abweichung von der allgemeinen Vertretungsbefugnis besteht auch in der Befreiung eines, mehrerer oder aller Mitglieder des Vorstands von dem Verbot der Mehrfachvertretung (§ 181 Alt. 2 BGB). Eine Befreiung von dem Verbot von Insichgeschäften (§ 181 Alt. 1 BGB) ist nicht möglich (§ 112). 43 In der Handelsregisteranmeldung sind darüber hinaus stets die Familiennamen, Vornamen, Geburtsdaten und Wohnorte (nicht unbedingt die vollständigen Wohnanschriften) aller Mitglieder des Vorstands (einschließlich deren Stellvertreter, § 94) anzugeben, da diese auch im Handelsregister eingetragen werden (§ 43 Nr. 4 lit. b HRV).34) 44 Jede Veränderung in der Person der Vorstandsmitglieder oder deren Vertretungsbefugnis ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 81). Dies gilt auch für Veränderungen zwischen der erstmaligen Anmeldung der Gründung der Gesellschaft und deren Eintragung im Handelsregister. 5.
Weitere Angaben in der Handelsregisteranmeldung
45 In der Handelsregisteranmeldung soll grundsätzlich auch der Unternehmensgegenstand angegeben werden (§ 24 Abs. 4 HRV). 46 Eine Zeichnung der Unterschriften der Vorstandsmitglieder ist seit Inkrafttreten des EHUG am 1.1.2007 nicht mehr erforderlich (siehe § 37 Abs. 5 a. F.). 47 Weitere Angaben in der Handelsregisteranmeldung (z. B. zu einem inländischen Empfangsbevollmächtigten, siehe § 39 Abs. 1 Satz 2, zum genehmigten Kapital, siehe auch § 39 Abs. 2 oder zu den Mitgliedern des Aufsichtsrats, siehe § 37 Abs. 4 Nr. 3) sind möglich, aber nicht zwingend. III.
Anlagen zur Anmeldung (§ 37 Abs. 4)
1.
Satzung (§ 37 Abs. 4 Nr. 1)
48 Der Anmeldung ist die Satzung der Gesellschaft (siehe § 23 Abs. 1 Satz 1) beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 1). Ferner sind der Anmeldung die Urkunden beizufügen, in denen die Satzung festgestellt worden ist (siehe § 23 Abs. 1 Satz 1) und die Aktien von den Gründern übernommen worden sind (§ 23 Abs. 2 Nr. 2). In der Praxis handelt es sich dabei regelmäßig um eine einzige Urkunde des beurkundenden Notars. 49 Bei einer Änderung der Satzung vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister, ist (auch) die geänderte Satzung samt notarieller Satzungsbescheinigung beim Registergericht einzureichen (§ 181 Abs. 3). 50 Die Satzung ist grundsätzlich von sämtlichen Gründern in notariell beurkundeter Form zu unterzeichnen (§ 23 Abs. 1 Satz 1). Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur aufgrund einer notariell beurkundeten oder beglaubigten Vollmacht zulässig (§ 23 Abs. 1 Satz 2 AktG i. V. m. § 129 BGB). Der Notar hat i. R. der Feststellung der Satzung etwaige Vollmachten der Gründer in formaler und inhaltlicher Hinsicht zu überprüfen. Die Vollmachtsurkunden sind dem Notar in Urschrift oder Ausfertigung vorzulegen. Die Vorlage einer (elektronisch) beglaubigten Abschrift oder einer (Fax- bzw. pdf-)Kopie genügt nicht (siehe § 172 BGB). Der Gründungsurkunde sind die Vollmachten dann grundsätzlich in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift beizufügen (§ 12 Satz 1 BeurkG und § 21 BNotO). Eine gesonderte Vorlage der Vollmachten an das Registergericht ist dann nicht erforderlich. _____________ 34) Der stellvertretende GmbH-Geschäftsführer wird dabei zwingend ohne den Stellvertreterzusatz in das Handelsregister eingetragen, s. BGH, Beschl. v. 10.11.1997 – II ZB 6/97, ZIP 1998, 152.
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§ 37
Inhalt der Anmeldung
Beim Handeln von organschaftlichen, gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen35) Vertre- 51 tern ist dem Registergericht die ordnungsgemäße Vertretung gleichfalls in öffentlich beglaubigter Form nachzuweisen (siehe § 21 BNotO). Die Satzung muss dem Registergericht stets (auch) in deutscher Sprache vorgelegt 52 werden (§ 488 Abs. 3 FamFG, §§ 12 f., 184 Satz 1 GVG, § 2 EGGVG). Die zweisprachige Errichtung der Satzung (meist in Tabellenform, links in deutscher und rechts in englischer Sprache) ist daher ausreichend. Wurde die Satzung aber ausschließlich in einer anderen Sprache errichtet (§ 5 Abs. 2 BeurkG), ist eine Übersetzung durch einen öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Übersetzer zu erstellen. Dies gilt auch dann, wenn der zuständige Registerrichter die andere Sprache selbst spricht. Denn die Publizitätsfunktion des deutschen Handelsregisters wäre beeinträchtigt, wenn die entsprechenden Urkunden dort nicht zumindest auch in deutscher Sprache abrufbar wären (§§ 9 Abs. 1, 11, 15 HGB). 2.
Verträge über Sondervorteile, Gründungsaufwand und Sacheinlagen (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1)
Etwaige Sondervorteile (§ 26 Abs. 1) und der Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) sind in 53 der Satzung der Gesellschaft festzusetzen. Alle Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, müssen der Handelsregisteranmeldung als Anlage beigefügt werden (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1). Entsprechendes gilt auch im Falle der Vereinbarung von Sacheinlagen oder Sachüber- 54 nahmen (§ 27 i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1). Die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind (z. B. Einbringungsverträge), gehören zu den notwendigen Anlagen der Anmeldung. Dies gilt sowohl für die schuldrechtlichen Verträge als auch für die dinglichen Vollzugsgeschäfte. Für die Form der Verträge gelten jeweils die allgemeinen Vorschriften (z. B. für Grund- 55 stücke §§ 873, 925, oder für GmbH-Geschäftsanteile §§ 15 Abs. 3 und 4 GmbHG). Das Aktienrecht begründet nach allgemeiner Auffassung kein Schriftformerfordernis für Verträge, die an sich keiner Form bedürfen (z. B. die Übertragung von beweglichen Gegenständen oder die Abtretung von Rechten). Gleichwohl ist aus Gründen des Nachweises gegenüber dem Registergericht und anderen Behörden (z. B. Finanzämtern) ein schriftlicher Vertragsschluss allgemein üblich und auch empfehlenswert. 3.
Berechnung des Gründungsaufwands (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 2)
Der Handelsregisteranmeldung ist (anders als im GmbH-Recht, siehe § 8 Abs. 1 GmbHG) 56 eine Berechnung des der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwands beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 2 i. V. m. § 26 Abs. 2; siehe auch § 37 Abs. 1 Satz 5). In der Berechnung sind die Vergütungen nach Art und Höhe und die Empfänger einzeln anzuführen (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 a. E.). Stets anzugeben sind dabei die Notargebühren für die Beurkundung und Handelsregisteranmeldung sowie die Kosten für die Registereintragung und Bekanntmachung. Darüber hinaus sind im Einzelfall auch Kosten (z. B. für Rechts- und Steuerberatung) und Steuern (z. B. Grunderwerbsteuer bei der Einbringung von Grundstücken) anzugeben. Ein Nachweis der Kosten (z. B. durch Vorlage von Rechnungen) ist nicht erforderlich. Noch nicht feststehende Kosten können auch geschätzt werden. Die Schätzung muss allerdings angemessen und nachvollziehbar sein. Gründungskosten, die _____________ 35) Zur Einführung von § 21 Abs. 3 BNotO durch das Gesetz zur Übertragung von Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare (NotAufgÜbG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, S. 1800. Ausführlich dazu Preuß, DNotZ 2013, 740.
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§ 37
Inhalt der Anmeldung
nicht von der Gesellschaft, sondern von den Gründern oder anderen Personen getragen werden, müssen nach Gesetzeswortlaut und Normzweck nicht angegeben werden. 4.
Bestellung des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 37 Abs. 4 Nr. 3)
57 Der Handelsregisteranmeldung sind die Urkunden über die Bestellung des (ersten) Vorstands (§ 30 Abs. 4) und des (ersten) Aufsichtsrats (§ 30 Abs. 1) beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 3). Die Annahme des jeweiligen Amtes ist nicht gesondert nachzuweisen, da sich diese bereits aus der Unterzeichnung der Anmeldung ergibt (siehe § 36 Abs. 1).36) 58 Ausländer können nach heute h. A. auch dann wirksam zum Vorstand einer AG bestellt werden, wenn sie nicht jederzeit nach Deutschland einreisen können.37) Dem Registergericht sind daher keine Nachweise über die Aufenthaltserlaubnis bzw. die Zulässigkeit einer Einreise mit vorzulegen. 5.
Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 37 Abs. 4 Nr. 3a)
59 Seit Inkrafttreten des EHUG am 1.1.2007 ist der Handelsregisteranmeldung eine Liste der Mitglieder des (ersten) Aufsichtsrats (§ 30 Abs. 1) beizufügen, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort (nicht unbedingt die vollständige Wohnanschrift) der Mitglieder ersichtlich ist (§ 37 Abs. 4 Nr. 3a; siehe auch § 124 Abs. 3 Satz 4). Die Liste der Aufsichtsratsmitglieder ist nach dem Gesetzeswortlaut von niemandem zu unterschreiben. Nicht zwingend notwendig anzugeben ist dabei, wer Vorsitzender und wer stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats ist (siehe § 107 Abs. 1 Satz 2). 60 Bei Änderungen in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder muss der Vorstand unverzüglich eine aktualisierte Liste erstellen und elektronisch zum Handelsregister einreichen (§ 106 Halbs. 1). 61 Eine Liste der Gründer oder der Aktionäre ist dagegen (anders als im GmbH-Recht, siehe §§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 40 GmbHG) bei AG nicht vorgesehen (siehe aber § 67). 6.
Gründungs- und Prüfungsberichte (§ 37 Abs. 4 Nr. 4)
62 Der Handelsregisteranmeldung sind schließlich alle Berichte über die Gründung der Gesellschaft und deren Prüfung (nebst ihren urkundlichen Unterlagen) vollständig beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 4; siehe auch § 34 Abs. 3). Dies ist der Gründungsbericht der Gründer (§ 32 Abs. 1) und der (interne) Gründungsprüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§ 33 Abs. 1, 34). Falls eine externe Gründungsprüfung durchgeführt worden ist, muss der Handelsregisteranmeldung auch der Bericht des (externen) Gründungsprüfers (bzw. des Notars) beigefügt werden (§§ 33 Abs. 2 und 3, 34). 7.
Genehmigungen nach Gewerbe- und Handwerksrecht (§ 37 Abs. 4 Nr. 5 a. F.)
63 Die Eintragung einer AG im Handelsregister ist seit Inkrafttreten des MoMiG nicht mehr von der Vorlage einer Genehmigungsurkunde der zuständigen Verwaltungsbehörde abhängig (siehe § 37 Abs. 4 Nr. 5 a. F.).38) Dies hat zu einer ganz erheblichen Vereinfachung und Beschleunigung der Gründung beigetragen. _____________ 36) Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 22; Hüffer, AktG, § 37 Rz. 11. 37) Zur wirksamen Bestellung von Nicht-EU/EWR-Ausländern zu Geschäftsführern einer deutschen GmbH OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.9.2010 – 3 W 70/10, GmbHR 2010, 1260; OLG München, Beschl. v. 17.12.2009 – 31 Wx 142/09, ZIP 2010, 126, dazu EWiR 2010, 247 (Schodder); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.4.2009 – I 3 Wx 85/09, ZIP 2009, 1074, dazu EWiR 2009, 573 (Lamsa); ausführlich dazu Heßeler, GmbHR 2009, 759. 38) Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 25; Hüffer, AktG, § 37 Rz. 14 f.
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§ 37
Inhalt der Anmeldung
Lediglich bei Kreditinstituten (§§ 32, 43 KWG), Versicherungsgesellschaften (§§ 5 Abs. 3 64 Nr. 1, 13 Abs. 1 VAG) und Investmentaktiengesellschaften (§§ 3 Abs. 5, 108 ff., 110 Abs. 4 KAGB) wird das Vorliegen der erforderlichen Genehmigung (oder eines Negativzeugnisses) von vielen Registergerichten unverändert verlangt.39) Mit der Zielsetzung des MoMiG, die Eintragung im Handelsregister zu vereinfachen und zu beschleunigen, erscheint diese Praxis aber nicht vereinbar. In der amtlichen Gesetzesbegründung40) findet sich gleichfalls keinerlei Hinweis auf eine solche Prüfungsbefugnis des Registergerichts. 8.
Sonstige Anlagen zur Handelsregisteranmeldung
Das AktG nennt (§ 37 Abs. 4 Nr. 1 bis 4) die Unterlagen, die dem Registergericht im 65 Falle der Gründung einer AG in jedem Fall vorzulegen sind. Dieser Katalog ist aber keinesfalls abschließend (siehe § 38 Abs. 1 AktG und § 26 FamFG). Je nach Einzelfall kann die Vorlage weiterer Unterlagen gesetzlich notwendig oder zumindest empfehlenswert sein. Dies gilt insbesondere für die Bestätigung des Kreditinstituts über die Einzahlung der Bareinlagen (§ 37 Abs. 1 Satz 3) sowie etwaige Stellungnahmen der Industrieund Handelskammer, der Handwerkskammer oder sonstiger berufsständischer Organisationen (siehe § 23 HRV und § 380 FamFG). Die Zulässigkeit der Firma (§ 4 AktG, §§ 17 ff. und 30 HGB) wird vom Registergericht 66 eigenständig überprüft. Die Vorlage eines Gutachtens der Industrie- und Handelskammer ist daher nicht erforderlich und darf vom Registergericht im Allgemeinen auch nicht eingeholt werden (siehe § 23 Satz 2, 25 Abs. 1 Satz 2 HRV). In zweifelhaften Fällen41) kann die freiwillige Vorlage eines entsprechenden Gutachtens die Eintragung im Handelsregister aber erheblich beschleunigen. Bei Gesellschaften von Freiberuflern (z. B. Ärzten, Architekten, Rechtsanwälten, Steuer- 67 beratern und Wirtschaftsprüfern) verlangen viele Registergerichte die Vorlage einer Stellungnahme der zuständigen Kammer, wonach die Satzung den jeweiligen berufsrechtlichen Vorgaben entspricht.42) Entsprechendes gilt auch bei gemeinnützigen AG.43) Im Hinblick auf die Einhaltung der steuerrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung (§§ 51 ff. AO) verlangen die Registergerichte hier oftmals eine entsprechende Stellungnahme des zuständigen Finanzamts für Körperschaften. Die Bezeichnung Investmentaktiengesellschaften darf nur von Investmentaktiengesell- 68 schaften i. S. des KAGB geführt werden (§§ 3, 118 KAGB); zudem darf die Bezeichnung nicht irreführen (§ 4 KAGG). Die Zulässigkeit der Firma von Investmentgesellschaften sollte vorab mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht abgestimmt werden. Das Registergericht soll die Eintragung von der Zahlung eines Kostenvorschusses ab- 69 hängig machen (§§ 12 ff., 58 GNotKG). Bei einer Bargründung beträgt der Kostenvor-
_____________ 39) Zustimmend Hölters-Solveen, AktG, § 37 Rz. 25; ausführlich dazu Leitzen, GmbHR 2009, 480; Weigl, DNotZ 2011, 169. 40) BT-Drucks. 16/6140, S. 87 f. 41) S. etwa OLG Dresden, Beschl. v. 21.4.2010 – 13 W 295/10, NZG 2010, 1237 – keine Irreführung durch Verwendung des auf die AG hindeutenden Firmenbestandteils „OBAG“ einer GmbH. 42) S. aber OLG Hamm, Beschl. v. 26.6.2006 – 15 W 213/05, ZIP 2006, 2034 – keine Überprüfung der Satzung einer Anwalts-AG durch das Registergericht auf die Einhaltung berufsrechtlicher Regelungen; zur (gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten) Zulässigkeit einer Rechtsanwalts-AG BGH, Beschl. v. 14.11.2005 – AnwZ (B) 83/04, ZIP 2006, 282, dazu EWiR 2006, 365 (Römermann); BGH, Beschl. v. 10.1.2005 – AnwZ (B) 27/03 und 28/03, ZIP 2005, 944. 43) Ausführlich dazu Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit.
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§ 37a
Anmeldung bei Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
schuss in der Regel 300 €, und bei einer Sachgründung 360 €.44) Mit der Handelsregisteranmeldung sollte dem Registergericht daher ein Nachweis über die Einzahlung der Kosten vorgelegt werden. Dies ist dann nicht erforderlich, wenn der Notar für die anfallenden Kosten die persönliche Haftung übernimmt (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 GNotKG). IV.
Form (§ 37 Abs. 5)
1.
Form der Anmeldung
70 Die Handelsregisteranmeldung ist von allen Gründern und von allen Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats persönlich zu unterzeichnen (§ 36 Abs. 1). Die Unterschriften müssen dabei öffentlich beglaubigt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HGB i. V. m. § 129 BGB und §§ 39 ff. BeurkG). 71 Die öffentlich beglaubigte Handelsregisteranmeldung ist sodann elektronisch in öffentlich beglaubigter Form beim zuständigen Registergericht einzureichen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HGB; siehe auch www.egvp.de). Eine Anmeldung in Papierform ist nicht (mehr) möglich. 2.
Form der Anlagen zur Anmeldung
72 Neben der Handelsregisteranmeldung selbst sind auch die beizufügenden Anlagen elektronisch einzureichen (§ 37 Abs. 5 AktG i. V. m. § 12 Abs. 2 HGB). Dies gilt nicht nur für die Unterlagen nach dem AktG (so § 37 Abs. 5), sondern für alle gesetzlich oder freiwillig eingereichten Dokumente (so § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB). Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift eines Dokuments einzureichen oder ist für ein Dokument die Schriftform bestimmt, genügt die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 HGB). Ist dagegen ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen, so ist ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis versehenes Dokument zu übermitteln (§ 12 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 HGB i. V. m. § 39a BeurkG). _____________ 44) Am 1.8.2013 ist das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts in Kraft getreten (BGBl. I 2013, S. 2586). Kernstück des umfangreichen Artikelgesetzes ist das in Art. 1 enthaltene Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Notare (zur amtlichen Gesetzesbegründung, BRDrucks. 517/12, S. 184 ff.). S. dazu u. a. die Gesamtdarstellungen von Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG). – Aktuelle Informationen dazu finden sich auch im Internet unter www.gnotkg.de. – Die Erhebung der Gebühren für die Handelsregistereintragung richtet sich weiterhin nach der Handelsregistergebührenverordnung (s. dazu D. Meyer, JurBüro 2013, 538; Schneider, notar 2011, 111).
§ 37a Anmeldung bei Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung (1) 1Wird nach § 33a von einer externen Gründungsprüfung abgesehen, ist dies in der Anmeldung zu erklären. 2Der Gegenstand jeder Sacheinlage oder Sachübernahme ist zu beschreiben. 3Die Anmeldung muss die Erklärung enthalten, dass der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen den geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreicht. 4Der Wert, die Quelle der Bewertung sowie die angewandte Bewertungsmethode sind anzugeben. (2) In der Anmeldung haben die Anmeldenden außerdem zu versichern, dass ihnen außergewöhnliche Umstände, die den gewichteten Durchschnittspreis der einzubrin230
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Anmeldung bei Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
§ 37a
genden Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente im Sinne von § 33a Abs. 1 Nr. 1 während der letzten drei Monate vor dem Tag ihrer tatsächlichen Einbringung erheblich beeinflusst haben könnten, oder Umstände, die darauf hindeuten, dass der beizulegende Zeitwert der Vermögensgegenstände im Sinne von § 33a Abs. 1 Nr. 2 am Tag ihrer tatsächlichen Einbringung auf Grund neuer oder neu bekannt gewordener Umstände erheblich niedriger ist als der von dem Sachverständigen angenommene Wert, nicht bekannt geworden sind. (3) Der Anmeldung sind beizufügen: 1. Unterlagen über die Ermittlung des gewichteten Durchschnittspreises, zu dem die einzubringenden Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente während der letzten drei Monate vor dem Tag ihrer tatsächlichen Einbringung auf einem organisierten Markt gehandelt worden sind, 2. jedes Sachverständigengutachten, auf das sich die Bewertung in den Fällen des § 33a Abs. 1 Nr. 2 stützt. Literatur: Bayer/J. Schmidt, Die Reform der Kapitalaufbringung bei der Aktiengesellschaft durch das ARUG, ZGR 2009, 805; Böttcher, Die kapitalmarktrechtlichen Aspekte der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), NZG 2008, 481; Drinhausen/Keinath, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) – Weitere Schritte zur Modernisierung des Aktienrechts, BB 2008, 2078; Drinhausen/Keinath, Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) – Überblick über die Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf, BB 2009, 64; Herrler/Reymann, Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG, DNotZ 2009, 815 (Teil 1) und DNotZ 2009, 914 (Teil 2); Klasen, Recht der Sacheinlage: Rechtliche Rahmenbedingungen – Neuerungen durch das MoMiG und das ARUG, BB 2008, 2694; Merkner/Decker, Vereinfachte Sachkapitalerhöhung nach dem ARUG – Wertvolle Deregulierung oder Regelung auf dem Papier?, NZG 2009, 887; Paschos/ Goslar, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) aus Sicht der Praxis, AG 2008, 605; Paschos/Goslar, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), AG 2009, 14; Reul, Aktuelle Änderungen des Aktienrechts aus notarieller Sicht, ZNotP 2010, 12 (Teil 1) und ZNotP 2010, 44 (Teil 2); Sauter, Offene Fragen zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), ZIP 2008, 1706; Schäfer, Vereinfachung der Kapitalrichtlinie – Sacheinlage, Der Konzern, 2007, 407; Seibert/Florstedt, Der Regierungsentwurf des ARUG – Inhalt und wesentliche Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf, ZIP 2008, 2145; Zetsche, Die nächste „kleine“ Aktienrechtsreform: Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), Der Konzern 2008, 321.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Erklärungen (§ 37a Abs. 1) ............... 4 III. Versicherungen (§ 37a Abs. 2) ......... 9 I.
IV. Anlagen zur Handelsregisteranmeldung (§ 37a Abs. 3) ............... 10
Überblick
Bei einer Gründung mit Sacheinlagen oder Sachübernahmen kann die Gesellschaft auf die 1 an sich erforderliche externe Gründungsprüfung (§ 33 Abs. 2 Nr. 4) verzichten, wenn der Wert der Sachen bereits anderweitig zuverlässig festgestellt worden ist (§ 33a). In einem solchen Fall müssen in der Handelsregisteranmeldung (§ 37) allerdings zusätzliche Angaben und Versicherungen gemacht und ergänzende Unterlagen als Anlagen beigefügt werden (§ 37a). Auf diese Weise soll die Transparenz und Überprüfbarkeit der verein-
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§ 37a
Anmeldung bei Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
fachten Sachgründung sichergestellt werden.1) Die Vorschrift wurde durch das ARUG2) in das AktG eingefügt und dient (zumindest § 37a Abs. 1 und 2) der Umsetzung der europäischen Kapitalrichtlinie.3) Ergänzende Erleichterungen gelten in diesem Fall für den Gründungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 34 Abs. 2 Satz 3) sowie den Umfang der registergerichtlichen Kontrolle (§ 38 Abs. 3). 2 Die Regelung gilt nicht nur für die Sachgründung, sondern auch für Nachgründungen (§ 52 Abs. 6 Satz 3 und Abs. 7 Satz 2) und Sachkapitalerhöhungen (§§ 183a Abs. 2 Satz 1, 194 Abs. 5, 205 Abs. 5 Sätze 2 und 3). 3 Im Fall der vereinfachten Sachgründung (§ 33a) muss die Handelsregisteranmeldung – neben den allgemeinen Angaben (nach § 37) – bestimmte zusätzliche Inhalte aufweisen. In der Handelsregisteranmeldung ist zunächst zu erklären, dass die Gesellschaft (nach § 33a) von einer externen Gründungsprüfung abgesehen hat (§ 37a Abs. 1 Satz 1). Ferner sind Erklärungen zum Gegenstand und Wert der Sacheinlage bzw. Sachübernahme erforderlich (§ 37a Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4). Sodann muss in der Anmeldung versichert werden, dass keine außergewöhnlichen Umstände bekannt sind, wonach die für die Bewertung zugrunde gelegten Preise bzw. Werte ihre Aussagekraft verloren haben (§ 37a Abs. 2; siehe auch § 33 Abs. 2). Schließlich müssen der Handelsregisteranmeldung auch die entsprechenden Bewertungsgrundlagen beigefügt werden (§ 37a Abs. 3), damit sie im Handelsregister für jedermann einsehbar sind (§ 9 Abs. 1 HGB). Falsche oder unvollständige Angaben können Schadensersatzansprüche begründen (siehe §§ 46 ff.) und bei vorsätzlichem Verhalten auch strafbar sein (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4). II.
Erklärungen (§ 37a Abs. 1)
4 Bei einer vereinfachten Sachgründung müssen in der Handelsregisteranmeldung bestimmte zusätzliche (neben § 37 Abs. 1 Satz 1) Erklärungen abgegeben werden (§ 37a Abs. 1). Die Erklärungen müssen von allen Gründern und allen Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 36 Abs. 1) höchstpersönlich abgegeben werden. 5 In der Anmeldung ist ausdrücklich zu erklären, dass von einer externen Gründungsprüfung (nach § 33a) abgesehen worden ist (§ 37a Abs. 1 Satz 1). Nicht erklärt werden muss dagegen, dass die Voraussetzungen für eine vereinfachte Sachgründung (nach § 33a) auch tatsächlich vorliegen.4) 6 Sodann muss der Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme in der Handelsregisteranmeldung beschrieben werden (§ 37a Abs. 1 Satz 2). Diese Angaben sind normalerweise im Gründungsprüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats enthalten (§ 34 Abs. 2 Satz 2). Im Falle der vereinfachten Sachgründung hat der Gesetzgeber diese Angaben in dem Gründungsprüfungsbericht als entbehrlich angesehen (§ 34 Abs. 2 Satz 3) und in die Handelsregisteranmeldung verlagert (§ 37a Abs. 1 Satz 2). Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen müssen dabei (insbesondere auch unter Angabe der
_____________ 1) 2) 3)
4)
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Hölters-Solveen, AktG, § 37a Rz. 2; Hüffer, AktG, § 37a Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37a Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37a Rz. 1. Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479, s. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 32 f. S. Art. 10b der Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 6.9.2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABl. EU Nr. L 264 v. 25.9.2006, S. 32. Hölters-Solveen, AktG, § 37a Rz. 3; Hüffer, AktG, § 37a Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37a Rz. 2.
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Anmeldung bei Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung
§ 37a
jeweils wertbestimmenden Faktoren) so konkret beschrieben werden, dass die Werthaltigkeit auch für außenstehende Dritte nachvollziehbar ist.5) Die Anmeldung muss darüber hinaus die Erklärung enthalten, dass der Wert der Sach- 7 einlagen oder Sachübernahmen den geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien (§ 9 Abs. 1) oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreicht (§ 37a Abs. 1 Satz 3).6) Mit dieser Erklärung werden für den Fall der vereinfachten Sachgründung (§ 33a) wiederum Ausführungen aus dem Gründungsprüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 3) in die Handelsregisteranmeldung verlagert. Nach dem Gesetzeswortlaut muss sich die Erklärung nicht darauf beziehen, dass auch ein etwaiger Mehrbetrag (Agio) vom Wert der Sacheinlage gedeckt ist (anders § 37 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 36 Abs. 2 Satz 3). Die mit der Norm bezweckte Schaffung von Transparenz und Nachprüfbarkeit kann allerdings nur dann umfassend erreicht werden, wenn die Erklärung auch einen Mehrbetrag (Agio) umfasst. Dafür spricht im Übrigen auch eine richtlinienkonforme Auslegung (Art. 10 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2006/68/EG).7) Schließlich sind in der Handelsregisteranmeldung der Wert der Sachen, die Quelle der 8 Bewertung sowie die angewandte Bewertungsmethode anzugeben (§ 37a Abs. 1 Satz 4). Der Wert ist ziffernmäßig in Euro zum Stichtag der tatsächlichen Einbringung anzugeben. Als Quelle der Bewertung kommen Gutachten von Sachverständigen, Börsenkurse oder Marktpreise in Betracht. Ferner ist anzugeben, welche Bewertungsmethode im konkreten Einzelfall (z. B. IDW S 1) angewandt worden ist (siehe auch § 34 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). III.
Versicherungen (§ 37a Abs. 2)
Ein Verzicht auf eine externe Gründungsprüfung ist nur dann zulässig, wenn die der Be- 9 wertung zugrunde gelegten Preise bzw. Werte nicht durch außergewöhnliche Umstände ihre Aussagekraft verloren haben (siehe § 33a Abs. 2). In der Handelsregisteranmeldung müssen dementsprechend alle Gründer und alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats höchstpersönlich versichern, dass ihnen keine solche außergewöhnlichen Umstände bekannt geworden sind (§ 37a Abs. 2).8) Bei der Versicherung ist der Gesetzeswortlaut möglichst unverändert zu übernehmen. Die Strafbarkeit einer falschen oder unvollständigen Versicherung wurde im Gesetz ausdrücklich hervorgehoben (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 und 4). IV.
Anlagen zur Handelsregisteranmeldung (§ 37a Abs. 3)
Im Falle der vereinfachten Sachgründung (nach § 33a) sind der Handelsregisteranmel- 10 dung (neben den ohnehin bereits vorgesehenen Unterlagen, § 37 Abs. 4) die maßgeblichen Bewertungsgrundlagen beizufügen (§ 37a Abs. 3).9) Bei Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten (§ 33a Abs. 1 Nr. 1) sind dabei geeignete Unterlagen über die Ermitt_____________ 5) 6) 7) 8)
9)
Hölters-Solveen, AktG, § 37a Rz. 3; Hüffer, AktG, § 37a Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37a Rz. 3. A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37a Rz. 7 ff.; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 37a Rz. 4. So im Ergebnis auch A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37a Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37a Rz. 4; a. A Hölters-Solveen, AktG, § 37a Rz. 3; Hüffer, AktG, § 37a Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 37a Rz. 4; Hüffer, AktG, § 37a Rz. 4 f.; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37a Rz. 11 ff.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37a Rz. 6 ff.; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 37a Rz. 5. Hölters-Solveen, AktG, § 37a Rz. 5; Hüffer, AktG, § 37a Rz. 6; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 37a Rz. 14 ff.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 37a Rz. 9.
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233
§ 38
Prüfung durch das Gericht
lung des gewichteten Durchschnittspreises (z. B. Stellungnahme der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) vorzulegen (§ 37a Abs. 3 Nr. 1). Bei allen anderen Vermögensgegenständen (§ 33a Abs. 1 Nr. 2) sind der Handelsregisteranmeldung die der Bewertung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten beizufügen (§ 37a Abs. 3 Nr. 2). Fehlende oder unvollständige Anlagen stellen ein zwingendes Eintragungshindernis dar (§ 38 Abs. 1 Satz 2).
§ 38 Prüfung durch das Gericht (1) 1Das Gericht hat zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet ist. 2Ist dies nicht der Fall, so hat es die Eintragung abzulehnen. (2) 1Das Gericht kann die Eintragung auch ablehnen, wenn die Gründungsprüfer erklären oder es offensichtlich ist, daß der Gründungsbericht oder der Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht. 2Gleiches gilt, wenn die Gründungsprüfer erklären oder das Gericht der Auffassung ist, daß der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen nicht unwesentlich hinter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder dem Wert der dafür zu gewährenden Leistungen zurückbleibt. (3) 1Enthält die Anmeldung die Erklärung nach § 37a Abs. 1 Satz 1, hat das Gericht hinsichtlich der Werthaltigkeit der Sacheinlagen oder Sachübernahmen ausschließlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 37a erfüllt sind. 2Lediglich bei einer offenkundigen und erheblichen Überbewertung kann das Gericht die Eintragung ablehnen. (4) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung der Satzung darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 23 Abs. 3 oder auf Grund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in der Satzung bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, 2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit der Satzung zur Folge hat. Literatur: Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht, 2. Aufl. 2013; Diehn/Sikora/ Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht, 2013; Keilbach, Die Prüfungsaufgaben der Registergerichte, MittRhNotK 2000, 365; D. Meyer, Die wichtigsten Änderungen durch das 2. KostRMoG im Bereich der Handelsregistergebührenverordnung, JurBüro 2013, 538; Priester, Handelsrechtsreformgesetz – Schwerpunkte aus notarieller Sicht, DNotZ 1998, 691; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG), 2013; Schneider, Die neuen Gebühren im Handelsregister zum 1.1.2011, notar 2011, 111.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Eintragungsverfahren ...................... 4 III. Prüfung durch das Registergericht ................................................ 9
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1. Allgemeines ......................................... 9 2. Prüfung der Errichtung .................... 14 3. Prüfung der Anmeldung .................. 15
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§ 38
Prüfung durch das Gericht 4. Prüfung des Gründungsberichts und des Prüfungsberichts ................ 16 5. Prüfung der Bareinlagen ................... 19 6. Prüfung der Sacheinlagen ................. 20 7. Prüfung der Satzung ......................... 24 a) Einführung ................................. 24 I.
b) Zwingender Mindestinhalt der Satzung (§ 38 Abs. 4 Nr. 1) ....... 26 c) Vorschriften im öffentlichen Interesse (§ 38 Abs. 4 Nr. 2) ..... 31 d) Gesamtnichtigkeit der Satzung (§ 38 Abs. 4 Nr. 3) ..................... 35
Überblick
Die Gründung der AG wird vor der Eintragung vom Registergericht auf ihre Rechtmäßig- 1 keit (nicht auch Zweckmäßigkeit) überprüft (§ 38 Abs. 1). Die gesetzliche Regelung ist Ausdruck des im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht geltenden Normativsystems (siehe auch § 9c GmbHG).1) Danach ist die Entstehung einer AG von bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen abhängig, deren Einhaltung i. R. des Eintragungsverfahrens von einem staatlichen Gericht überprüft wird. Die Gründer haben einen Rechtsanspruch auf unverzügliche Eintragung der Gesellschaft, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein Ermessen steht dem Gericht bei seiner Entscheidung über die Eintragung nicht zu. Gesetzeswidrige Gesellschaftsgründungen sollen auf diese Weise verhindert werden. Das Registergericht hat stets zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und 2 angemeldet worden ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1). Die Prüfung umfasst insbesondere auch die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung. Die Eintragung der Gesellschaft ist daher insbesondere dann abzulehnen, wenn Sacheinlagen nicht unwesentlich überbewertet worden sind (siehe § 38 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3). Darüber hinaus bezieht sich die registergerichtliche Prüfung vor allem auch auf die Vollständigkeit und Richtigkeit des Gründungsberichts der Gründer und des Gründungsprüfungsberichts der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 38 Abs. 2 Satz 1). Mangelhafte, fehlende oder nichtige Bestimmungen der Satzung dürfen dagegen vom Registergericht nur dann beanstandet werden, wenn sie von erheblicher Bedeutung sind (§ 38 Abs. 4). Das Registergericht hat die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen, wenn die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet oder angemeldet worden ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2). Im Fall einer ordnungsgemäßen Gründung ist die Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen (siehe § 382 Abs. 1 und 2 FamFG). Mit der Eintragung entsteht die AG (siehe § 41 Abs. 1 Satz 1). Die Vorschrift wurde zuletzt durch das ARUG2) ergänzt (§ 38 Abs. 3 n. F.). Dabei 3 wurden die Prüfungsbefugnisse des Registergerichts für den Fall einer Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung (§§ 33a, 37a) beschränkt. II.
Eintragungsverfahren
Das Registergericht hat vor der Eintragung zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsge- 4 mäß errichtet worden ist (§ 38). Vor der Anmeldung beim Registergericht erfolgt aber bereits eine umfassende Überprüfung der gesamten Gründung durch den beurkundenden Notar (§ 23 Abs. 1). Dem Notar obliegen dabei umfangreiche Prüfungs-, Beratungs- und Aufklärungspflichten (§ 17 BeurkG), die weit über die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hinausgehen. Die gesetzlichen Beschränkungen der gerichtlichen Prüfungsbefugnisse (insbesondere § 38 Abs. 2, 3 und 4) gelten für den Notar nicht. Der Notar koordiniert und überwacht im Zusammenhang mit der Handelsregisteranmeldung zudem den gesamten _____________ 1) 2)
Hüffer, AktG, § 38 Rz. 1; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 38 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 1. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479; s. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 34.
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§ 38
Prüfung durch das Gericht
Gründungsvorgang. Für etwaige Fehler haftet der Notar persönlich, unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 19 BNotO). Die notarielle Mitwirkung an der Gründung hat eine erhebliche Entlastung der staatlichen Registergerichte zur Folge. Insgesamt kommt es dadurch zu einer deutlichen Vereinfachung und Beschleunigung des Gründungsvorgangs. 5 Der Notar reicht die Handelsregisteranmeldung samt aller Anlagen elektronisch beim zuständigen Registergericht ein (§ 37 AktG i. V. m. § 12 HGB). Anhand dieser Unterlagen prüft das Registergericht sodann, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet worden ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1). Eine Stellungnahme von Kammern und berufsständischen Organisationen wird allenfalls noch in zweifelhaften Fällen eingeholt (siehe § 23 Satz 2 HRV und § 380 Abs. 2 FamFG). 6 Liegen die Eintragungsvoraussetzungen vor, trägt der Richter die Gesellschaft unverzüglich in das Handelsregister ein (siehe §§ 25 ff. HRV und § 382 Abs. 1 FamFG). Dem Richter steht dabei kein Ermessen zu. Die Beteiligten haben vielmehr einen Rechtsanspruch auf Eintragung der Gesellschaft. Die Kosten der Eintragung richten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen der Gericht- und Notarkostengesetzes i. V. m. der Handelsregistergebührenverordnung (§ 58 GNotKG)3) und betragen bei einer Bargründung regelmäßig 300 € und bei einer Sachgründung 360 €. 7 Liegen die Eintragungsvoraussetzungen dagegen nicht vor, muss das Registergericht den Beteiligten die Möglichkeit geben, den Mangel zu beheben (§ 382 Abs. 4 FamFG und § 26 Satz 2 HRV). In der Zwischenverfügung muss das Gericht alle etwaigen Eintragungshindernisse klar, eindeutig und verständlich bezeichnen. Beheben die Beteiligten die vom Registergericht gerügten Eintragungshindernisse fristgerecht, ist die Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen. Werden die Mängel dagegen nicht oder nicht fristgemäß behoben, weist das Gericht die Anmeldung (kostenpflichtig) zurück. 8 Gegen eine gerichtliche Zwischenverfügung und gegen die Ablehnung der Eintragung können die Beteiligten Beschwerde einlegen (§§ 58 ff. FamFG). Die Beschwerde ist beim Registergericht des AG einzulegen, dass die Zwischenverfügung bzw. die ablehnende Entscheidung erlassen hat (§ 64 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerde ist innerhalb einer EinMonats-Frist einzulegen (§ 63 Abs. 1 FamFG). Beschwerdeberechtigt ist die Vorgesellschaft, die dabei durch den Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl vertreten wird. Der Vorstand selbst ist nicht beschwerdeberechtigt. Über die Beschwerde entscheidet das OLG (§ 68 FamFG und § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG). Gegen die ablehnende Entscheidung des OLG ist die Rechtsbeschwerde zum BGH statthaft (§§ 70 ff. FamFG und § 133 GVG). III.
Prüfung durch das Registergericht
1.
Allgemeines
9 Das Registergericht hat zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet und angemeldet worden ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1). Die Prüfung umfasst alle formellen und ma-
_____________ 3)
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Am 1.8.2013 ist das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts in Kraft getreten (BGBl. I 2013, S. 2586). Kernstück des umfangreichen Artikelgesetzes ist das in Art. 1 enthaltene Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Notare (zur amtlichen Gesetzesbegründung, BRDrucks. 517/12, S. 184 ff.). S. dazu u. a. die Gesamtdarstellungen von Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG). – Aktuelle Informationen dazu finden sich auch im Internet unter www.gnotkg.de. – Die Erhebung der Gebühren für die Handelsregistereintragung richtet sich aber weiterhin nach der Handelsregistergebührenverordnung (s. dazu D. Meyer, JurBüro 2013, 538; Schneider, notar 2011, 111).
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§ 38
Prüfung durch das Gericht
teriellen Voraussetzungen für die Eintragung der Gesellschaft (zu Ausnahmen siehe § 38 Abs. 3).4) Diese Prüfung ist zwingend und steht nicht im Ermessen des Gerichts. Grundlage der gerichtlichen Prüfung ist die Handelsregisteranmeldung samt aller Anlagen (siehe §§ 37, 37a). Ergibt sich aus diesen Unterlagen kein Anhaltspunkt dafür, dass die Errichtung und Anmeldung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, muss das Registergericht die Gesellschaft unverzüglich eintragen. Nur dann, wenn das Registergericht aufgrund der eingereichten Unterlagen im Einzelfall berechtigten Anlass hat, an der Ordnungsgemäßheit der Gründung zu zweifeln, kann es i. R. der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) eine weitergehende Prüfung vornehmen.5) Dagegen ist das Registergericht nicht berechtigt, von den Beteiligten routinemäßig oder auf der Grundlage bloßer Vermutungen weitergehende Nachweise zu verlangen. Das Registergericht muss einen Mangel auch dann beanstanden, wenn dieser durch die Eintragung der Gesellschaft geheilt werden würde. Bei einer verdeckten Sacheinlage (§ 27 Abs. 4) muss die Eintragung der Gesellschaft somit auch dann abgelehnt werden, wenn der Wert der Sacheinlage die Höhe der Geldeinlage nachweislich erreicht oder diese sogar übersteigt (§ 27 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4). Die gerichtliche Prüfung ist auf die Rechtmäßigkeit der Errichtung und Anmeldung beschränkt.6) Fragen der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit oder Gerechtigkeit liegen daher von vornherein außerhalb der Prüfungskompetenz des Registergerichts. Darüber hinaus ist auch die sprachliche und redaktionelle Fassung der Gründungsurkunden vom Registergericht nicht zu überprüfen. Für die Prüfung der ordnungsgemäßen Gründung der Gesellschaft kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Anmeldung an.7) Vorbelastungen stellen somit im Allgemeinen kein Eintragungshindernis dar, sondern sind von den Gesellschaftern auszugleichen. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn das Registergericht in einem Einzelfall aufgrund konkreter Tatsachen begründete Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Ansprüche aus der Vorbelastungshaftung hat. 2.
10
11
12
13
Prüfung der Errichtung
Das Registergericht hat zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet 14 worden ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1). Dies umfasst die gesamte Errichtung der Gesellschaft (i. S. von §§ 1 ff.) und somit insbesondere auch folgende Punkte: – zulässiger Gesellschaftszweck; – Feststellung der Satzung durch alle Gründer oder deren Vertreter (§ 23 Abs. 1): – bei Gesellschaftern, die keine natürliche Person sind: Nachweis der Existenz- und Vertretungsberechtigung in öffentlich beglaubigter Form (insbesondere bei ausländischen Gesellschaften); –
bei Vertretung eines Gesellschafters: Vorlage einer notariell beurkundeten oder beglaubigten Vollmacht (§ 23 Abs. 1 Satz 2) oder eines sonstigen Vertretungsnachweises in öffentlich beglaubigter Form (z. B. bei gesetzlicher oder organschaftlicher Vertretung);
_____________ 4) 5) 6)
7)
Grundlegend (zum GmbH-Recht) BGH, Urt. v. 18.2.1991 – II ZR 104/90, BGHZ 113, 335 = ZIP 1991, 511, dazu EWiR 1991, 1213 (Frey). Hüffer, AktG, § 38 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 4. Bürgers/Körber-Lohse, AktG, § 38 Rz. 2; Hölters-Solveen, AktG, § 38 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 38 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 5; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 38 Rz. 45 ff.; Spindler/ Stilz-Döbereiner, AktG, § 38 Rz. 6. Im Einzelnen sehr umstritten, s. Hölters-Solveen, AktG, § 38 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 38 Rz. 4 f.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 6 ff.; Spindler/Stilz-Döbereiner, AktG, § 38 Rz. 3 ff.
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§ 38
Prüfung durch das Gericht
–
Vorlage etwa erforderlicher gerichtlicher Genehmigungen (z. B. nach §§ 181, 1629, 1643, 1795, 1822 und 1909 BGB);
–
Vorlage von etwa notwendigen Zustimmungserklärungen von Ehegatten oder Lebenspartnern nach in- oder ausländischem Recht (z. B. §§ 1365, 1423 BGB);
– – – – –
– – – – –
– –
3.
Form der Satzung (§ 23 Abs. 1 Satz 1); Wirksamkeit der Satzung (siehe §§ 134, 138 BGB); erforderliche Angaben in der Gründungsurkunde (§ 23 Abs. 2); Übernahme aller Aktien durch die Gründer (§ 29); Mindestinhalt der Satzung (§ 23 Abs. 3): – Firma (§ 4 und §§ 17 ff. und 30 HGB); –
Satzungssitz der Gesellschaft im Inland (§ 5);
–
Gegenstand des Unternehmens;
–
Höhe des Grundkapitals (§§ 6 und 7);
–
Zerlegung des Grundkapitals in Nennbetrags- oder Stückaktien (§ 8): –
bei Nennbetragsaktien: die Nennbeträge und die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags;
–
bei Stückaktien: die Zahl der Aktien;
–
bei Bestehen mehrerer Gattungen von Aktien (§ 11): die Gattung der Aktien und die Zahl der Aktien jeder Gattung;
–
Ausstellung von Inhaber- oder Namensaktien (§ 10);
–
Zahl der Mitglieder des Vorstands und die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird (§ 76 Abs. 2);
Satzungsbestimmung über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft (§ 23 Abs. 4); keine unzulässige Abweichung der Satzung von den Vorgaben des AktG (§ 23 Abs. 5); ordnungsgemäße Festsetzung von etwaigen Sondervorteilen (§ 26 Abs. 1) und des Gründungsaufwands (§ 26 Abs. 2) in der Satzung; Festsetzung von Sacheinlagen oder Sachübernahmen in der Satzung (§ 27 Abs. 1); Vollständigkeit und Richtigkeit des Gründungsberichts der Gründer, § 32 Abs. 1, und des (internen) Prüfungsberichts der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, § 33 Abs. 1 (§ 38 Abs. 2 Satz 1); Werthaltigkeit von Sacheinlagen und Sachübernahmen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3); sonstiger Inhalt der Satzung unter Berücksichtigung der beschränkten Prüfungsbefugnis des Registergerichts (§ 38 Abs. 4). Prüfung der Anmeldung
15 Das Registergericht hat ferner zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß angemeldet worden ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1). Dies umfasst die gesamte Handelsregisteranmeldung samt aller Anlagen (i. S. von §§ 36, 37, 37a) und somit insbesondere auch folgende Punkte: –
örtliche und sachliche Zuständigkeit des Registergerichts (§ 14 AktG, § 23a Abs. 2 Nr. 3 GVG und §§ 374 ff. FamFG);
–
Form der Anmeldung und der Anlagen (§ 12 HGB und § 37 Abs. 5);
–
persönliche Unterzeichnung der Anmeldung durch alle Gründer und alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 36 Abs. 1);
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Prüfung durch das Gericht –
ordnungsgemäße Bestellung des (ersten) Aufsichtsrats, des (ersten) Vorstands und ggf. auch des Abschlussprüfers für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr (§ 30 Abs. 1 und 4 i. V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3);
–
ordnungsgemäße Kapitalaufbringung (§§ 36 Abs. 2, 36a, 37 Abs. 1, 54 Abs. 3), insbesondere auch: –
Erklärung der Anmeldenden (§ 37 Abs. 1 Satz 1);
–
Leistung der Einlagen zur endgültig freien Verfügung des Vorstands (§ 36 Abs. 2);
–
bei Bareinlagen: Nachweis der Einzahlung der Bareinlagen, in der Regel durch eine Bestätigung des kontoführenden Kreditinstituts (§ 37 Abs. 1 Sätze 2 und 3);
–
bei Sacheinlagen: Ordnungsgemäße Festsetzung der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen in der Satzung (§ 27 Abs. 1) und Vorlage der vorgeschriebenen Prüfungsberichte über die Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen und deren Wert (im Regelfall der externen Gründungsprüfung nach §§ 33 Abs. 2 Nr. 4, 34 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2, 36a Abs. 2, 37 Abs. 4 Nr. 4, 38 Abs. 2 Satz 2 bzw. Verzicht auf eine externe Gründungsprüfung nach §§ 33a, 34 Abs. 2 Satz 3, 37a, 38 Abs. 3);
–
Hinweise auf verdeckte Sacheinlagen (§ 27 Abs. 3);8)
–
Offenlegung eines Hin- und Herzahlens (§ 27 Abs. 4 Satz 2);
–
Bestehen von etwaigen Vorbelastungen;
–
Aufbringung eines etwaigen Aufgelds (Agios) (§ 36a Abs. 1 und 2);
–
Versicherung aller Vorstandsmitglieder über das Nichtvorliegen von Bestellungshindernissen und ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht (§ 37 Abs. 2);
–
Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift (§ 37 Abs. 3 Nr. 1);
–
Anmeldung von Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder (§ 37 Abs. 3 Nr. 2);
–
Vorlage einer wirksamen Satzung samt etwaiger weiterer Gründungsurkunden (§ 37 Abs. 4 Nr. 1);
–
Vorlage aller Verträge, die den Festsetzungen von Sondervorteilen, Gründungsaufwand oder Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen zugrunde liegen oder zu deren Ausführung geschlossen worden sind (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1);
–
Vorlage der Berechnung des der Gesellschaft zur Last fallenden Gründungsaufwands (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 2);
–
Vorlage der Liste der Aufsichtsratsmitglieder (§ 37 Abs. 4 Nr. 3a);
–
Vorlage aller Gründungsberichte und Prüfungsberichte nebst aller Unterlagen (§ 37 Abs. 4 Nr. 4);
–
Vorlage aller sonst gesetzlich vorgeschriebenen Anlagen.
4.
Prüfung des Gründungsberichts und des Prüfungsberichts
Das Registergericht kann die Eintragung auch dann ablehnen, wenn die (externen) Grün- 16 dungsprüfer (§ 33 Abs. 2 bis 5) erklären oder es offensichtlich ist, dass der Gründungsbericht der Gründer (§ 32 Abs. 1) oder der (interne) Gründungsprüfungsbericht des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§ 33 Abs. 1, 34 Abs. 1 und 2) unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht (§ 38 Abs. 2 Satz 1). _____________ 8)
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Prüfung durch das Gericht
17 Dem Registergericht sind der Gründungsbericht der Gründer, der (interne) Prüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie ein etwaiger (externer) Prüfungsbericht eines Gründungsprüfers vollständig einzureichen (§ 37 Abs. 4 Nr. 4). Diese Berichte bilden die Grundlage der registergerichtlichen Prüfung. Das Registergericht ist an diese Berichte aber in keiner Weise gebunden.9) Das Registergericht kann die Berichte vielmehr selbst überprüfen. 18 Der Gesetzgeber erwähnt insbesondere zwei Fälle, in denen Mängel des Gründungsberichts der Gründer oder des (internen) Prüfungsberichts der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats die Ablehnung der Eintragung zur Folge haben. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die (externen) Gründungsprüfer von sich aus erklären, dass die Berichte unrichtig oder unvollständig sind oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen (§ 38 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1). Zum anderen muss das Gericht die Eintragung auch dann ablehnen, wenn die Mängel der Berichte zweifelsfrei feststehen und damit offensichtlich sind (§ 38 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2). 5.
Prüfung der Bareinlagen
19 Die Kontrolle des Registergerichts umfasst insbesondere auch die Ordnungsgemäßheit der Kapitalaufbringung (§ 38 Abs. 1 Satz 1). Im Falle der Bargründung sieht der Gesetzgeber die (strafbewährte) Erklärung aller Anmeldenden über die Leistung der Einlagen nicht als ausreichenden Nachweis für die Kapitalaufbringung an (§§ 36 Abs. 1 und 2, 36a Abs. 1, 37 Abs. 1 Satz 1 und 399 Abs. 1 Nr. 1). Vielmehr ist stets nachzuweisen, dass der eingezahlte Betrag auch endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 Satz 2). Im Regelfall erfolgt dieser Nachweis durch eine (nicht notwendig, aber in der Praxis gleichwohl meist) schriftliche Bestätigung des kontoführenden Kreditinstituts (§§ 37 Abs. 1 Satz 3, 54 Abs. 3). 6.
Prüfung der Sacheinlagen
20 Vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister muss das Registergericht insbesondere auch prüfen, ob etwaige Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen ordnungsgemäß erbracht worden sind. Grundlage der Prüfung sind dabei die Handelsregisteranmeldung und die als Anlagen eingereichten Unterlagen, und zwar vor allem: –
die Festsetzung der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen in der Satzung der Gesellschaft (§ 27 Abs. 1);
–
die Erklärung der Anmeldenden, dass die Sacheinlagen vollständig bewirkt worden sind und sich endgültig in der freien Verfügung des Vorstands befinden (§§ 36a Abs. 2 Sätze 1 und 2, 37 Abs. 1 Satz 1);
–
die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind (§ 37 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 1);
–
der Gründungsbericht der Gründer (§§ 32 Abs. 1 und 2, 37 Abs. 4 Nr. 4, 38 Abs. 2 Satz 1);
–
der (interne) Gründungsprüfungsbericht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§ 33 Abs. 1, 34 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2, 37 Abs. 4 Nr. 4, 38 Abs. 2 Satz 1);
–
der (externe) Gründungsprüfungsbericht der Gründungsprüfer (§§ 33 Abs. 2 Nr. 4, 34 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2, 37 Abs. 4 Nr. 4, 38 Abs. 2 Satz 2) bzw. bei einem Verzicht auf eine externe Gründungsprüfung die entsprechenden Erklärungen und Unterlagen (§§ 33a, 34 Abs. 2 Satz 3, 37a, 38 Abs. 3).
_____________ 9)
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Prüfung durch das Gericht
Nach der gesetzlichen Regelung muss das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft 21 insbesondere dann ablehnen, wenn Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen überbewertet worden sind. Dabei kommt es darauf an, ob der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen nach Auffassung des Gerichts nicht unwesentlich hinter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien (§ 9 Abs. 1) oder dem Wert der dafür zu gewährenden Leistung zurückbleibt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2; siehe auch §§ 34 Abs. 1 Nr. 2, 36a Abs. 2 Satz 3, 37 Abs. 1 Satz 1). Gleiches gilt dann, wenn die (externen) Gründungsprüfer erklären, dass dies der Fall ist (§ 38 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1). Die Eintragung der Gesellschaft kann somit nur dann abgelehnt werden, wenn die Sach- 22 einlagen nicht unwesentlich überbewertet worden sind.10) Bei unwesentlichen Überbewertungen muss die Gesellschaft dagegen eingetragen werden.11) Mit dieser Regelung soll vor allem den vielfach bestehenden Bewertungsunsicherheiten bei Sacheinlagen in angemessener Weise Rechnung getragen werden. Als unwesentlich dürfte im Allgemeinen eine Wertabweichung von plus/minus 20 % anzusehen sein. Besonderheiten bestehen im Fall der vereinfachten Sachgründung, bei der auf eine 23 (externe) Gründungsprüfung verzichtet wird (siehe §§ 33a, 34 Abs. 2 Satz 3, 37a). Das Registergericht nimmt in diesem Fall grundsätzlich keine materielle Prüfung der Werthaltigkeit der Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen vor. Vielmehr beschränkt sich die Prüfung auf die formale Kontrolle, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Erklärungen und Versicherungen in der Handelsregisteranmeldung enthalten sind (§ 37a Abs. 1 und Abs. 2) und die vorgeschriebenen Unterlagen (§ 37a Abs. 3) der Handelsregisteranmeldung beigefügt sind (§ 38 Abs. 3 Satz 1).12) Lediglich dann, wenn die Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen offenkundig (siehe § 291 ZPO) und erheblich überbewertet worden sind, kann das Registergericht die Eintragung ablehnen (§ 38 Abs. 3 Satz 2).13) Über den Gesetzeswortlaut hinaus ist das Registergericht auch dann zu einer Ablehnung der Eintragung verpflichtet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verzicht auf eine (externe) Gründungsprüfung (nach § 33a) offensichtlich überhaupt nicht vorliegen (§ 38 Abs. 3 Satz 2 analog).14) Die sonstigen Prüfungsbefugnisse des Registergerichts (siehe § 38 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4) bleiben auch bei einer vereinfachten Sachgründung unverändert. 7.
Prüfung der Satzung
a)
Einführung
Das Registergericht darf die Eintragung der Gesellschaft wegen einer mangelhaften, 24 fehlenden oder nichtigen Bestimmung der Satzung nur unter engen Voraussetzungen ablehnen (§ 38 Abs. 4, siehe auch § 9c Abs. 2 GmbHG). Mit dieser Regelung sollte die gerichtliche Kontrolle der Satzung beschränkt und das Eintragungsverfahren beschleunigt werden. Die Vorschrift gilt allerdings allgemein als missglückt15) und hat in der Praxis kaum zu Veränderungen des gerichtlichen Prüfungsumfangs geführt. _____________ 10) Hölters-Solveen, AktG, § 38 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 13. 11) Instruktiv zu der parallelen Regelung in § 9c Abs. 1 Satz 2 GmbHG LG Freiburg, Beschl. v. 20.2.2009 – 12 T 1/09, DB 2009, 1871 = Rpfleger 2009, 386. 12) S. dazu die amtliche Gesetzesbegründung zum ARUG, BT-Drucks. 16/11642, S. 24, und HöltersSolveen, AktG, § 38 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 38 Rz. 10a; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 38 Rz. 20 ff.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 15. 13) Hölters-Solveen, AktG, § 38 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 38 Rz. 10b; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 38 Rz. 23 f.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 16. 14) K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 17. 15) Hüffer, AktG, § 38 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 38 Rz. 18.
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§ 38
Prüfung durch das Gericht
25 Die möglichen Gründe für die Beanstandung der Satzung sind im Gesetz abschließend geregelt (§ 38 Abs. 4 Nr. 1 bis 3).16) Danach darf das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft nur noch dann ablehnen, wenn die Satzung nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt aufweist (§ 38 Abs. 4 Nr. 1), im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften verletzt (§ 38 Abs. 4 Nr. 2) oder insgesamt nichtig ist (§ 38 Abs. 4 Nr. 3). In allen anderen Fällen darf das Registergericht die Bestimmungen der Satzung weder beanstanden noch zum Anlass für weitere Nachforschungen nehmen. Die Vorschrift bestätigt zudem, dass die Prüfungsbefugnis des Registergerichts auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt ist. Unklare, missverständliche oder widersprüchliche Satzungsbestimmungen stellen daher kein Eintragungshindernis dar. b)
Zwingender Mindestinhalt der Satzung (§ 38 Abs. 4 Nr. 1)
26 Das Registergericht darf und muss prüfen, ob die gesetzlich zwingend vorgesehenen Angaben in der Satzung korrekt enthalten sind (§ 38 Abs. 4 Nr. 1). 27 Dazu gehört zunächst der gesetzliche Mindestinhalt der Satzung (§ 38 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 1 i. V. m. § 23 Abs. 3), d. h. die Bestimmungen über: –
die Firma der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG i. V. m. § 4 und §§ 18 ff. HGB, unter Berücksichtigung der Beschränkungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB);
–
den Sitz der Gesellschaft (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5);
–
den Gegenstand des Unternehmens, insbesondere seine Zulässigkeit und ausreichende Individualisierung (§ 23 Abs. 3 Nr. 2);
–
die Höhe des Grundkapitals (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 und §§ 6 f.);
–
die Zerlegung des Grundkapitals in Nennbetrags- oder Stückaktien (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 8): bei Nennbetragsaktien: die Nennbeträge und die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags, und bei Stückaktien: die Zahl der Aktien;
–
im Fall des Bestehens mehrerer Gattungen von Aktien: die Gattung der Aktien und die Zahl der Aktien jeder Gattung (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 11);
–
die Ausstellung von Inhaber- oder Namensaktien (§ 23 Abs. 3 Nr. 5 i. V. m. § 10);
–
die Zahl der Mitglieder des Vorstands und die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird (§ 23 Abs. 3 Nr. 6 i. V. m. § 76 Abs. 2).
28 Zu den vom Registergericht zu überprüfenden Satzungsbestimmungen gehören darüber hinaus alle Regelungen, die aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften enthalten sein müssen (§ 38 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 2). Beispiele dafür sind etwa die Bestimmung über die Form der Bekanntmachung der Gesellschaft (§ 23 Abs. 4) oder die ordnungsgemäße Festsetzung von etwaigen Sondervorteilen (§ 26 Abs. 1), des Gründungsaufwands (§ 26 Abs. 2) sowie von Sacheinlagen und Sachübernahmen (§ 27 Abs. 1). Keine zwingenden Vorschriften in diesem Sinne sind dagegen in der Satzung festgelegte Nebenleistungspflichten (§ 55). 29 Die Prüfungsbefugnis umfasst ferner alle Bestimmungen, die in das Handelsregister einzutragen sind (§ 39) oder vom Gericht bekannt zu machen sind (§ 10 HGB) (§ 38 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 3). Bekannt gemacht werden jedoch nur die Eintragungen im Handelsregister, so dass die beiden vom Gesetz getrennt geregelten Fallgruppen deckungsgleich sind. Der Inhalt der Eintragungen im Handelsregister überschneidet sich zudem in weitem Umfang _____________ 16) Hölters-Solveen, AktG, § 38 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 38 Rz. 11; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 38 Rz. 25; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 38 Rz. 67.
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Thomas Wachter
§ 38
Prüfung durch das Gericht
mit dem gesetzlichen Mindestinhalt der Satzung (§ 23 Abs. 3 und 4). Eine darüber hinausgehende Prüfungsbefugnis des Registergerichts besteht aber in Bezug auf: –
die inländische Geschäftsanschrift (§ 39 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 37 Abs. 3 Nr. 1);
–
den Tag der Feststellung der Satzung (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 23 Abs. 1 AktG und § 9 Abs. 2 BeurkG);
–
die Vorstandsmitglieder (§ 39 Abs. 1 Satz 1);
–
die Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder (§ 39 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 37 Abs. 3 Nr. 2);
–
Bestimmungen über die Dauer der Gesellschaft (§ 39 Abs. 2);
–
Bestimmungen über ein genehmigtes Kapital (§ 39 Abs. 2 i. V. m. §§ 202 ff.);
–
einen inländischen Empfangsbevollmächtigten (§ 39 Abs. 1 Satz 2).
Allerdings sind die Geschäftsanschrift, die Personen der Vorstandsmitglieder und eines 30 inländischen Empfangsbevollmächtigten im Allgemeinen nicht Bestandteil der Satzung, sondern der Handelsregisteranmeldung (und ggf. weiterer Beschlüsse). Der Inhalt der Handelsregisteranmeldung unterliegt aber ohnehin der uneingeschränkten Prüfungsbefugnis des Registergerichts (nach § 38 Abs. 1 Satz 1, und zwar ohne die Einschränkungen nach § 38 Abs. 4). c)
Vorschriften im öffentlichen Interesse (§ 38 Abs. 4 Nr. 2)
Das Registergericht darf und muss ferner prüfen, ob die Satzung Vorschriften verletzt, 31 die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind (§ 38 Abs. 4 Nr. 2). Mit dieser Formulierung hat sich der Gesetzgeber an den gesetzlichen Gründen für die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 241 Nr. 3 Alt. 2 und 3) orientiert. Die weiteren Nichtigkeitsgründe (u. a. Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Gesellschaft, § 241 Nr. 3 Alt. 1 und Verstoß gegen die guten Sitten, § 241 Nr. 4) wurden dagegen nicht übernommen. Bei einem Verstoß der Satzung gegen die guten Sitten dürfte das Registergericht gleichwohl berechtigt und verpflichtet sein, die Eintragung abzulehnen. Zu den gläubigerschützenden Vorschriften gehören insbesondere die Regelungen zur 32 Kapitalaufbringung und -erhaltung (z. B. §§ 26, 27, 36, 36a, 37, 38, 57). Sonstige Vorschriften im öffentlichen Interesse sind bspw. das Mitbestimmungsge- 33 setz17) und das Drittelbeteiligungsgesetz, das Strafgesetzbuch und das Ordnungswidrigkeitengesetz sowie das Steuer- und Bilanzrecht (z. B. Abweichung von den Fristen zur Aufstellung des Jahresabschlusses in § 264 Abs. 1 HGB). Das öffentliche Interesse ist darüber hinaus auch dann berührt, wenn der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten in unzulässiger Weise eingeschränkt wird.18) Dagegen bestehen Vorschriften, die dem Schutz von Minderheitsgesellschaftern dienen 34 nicht im öffentlichen Interesse. Verstöße dagegen stellen somit kein Eintragungshindernis dar. d)
Gesamtnichtigkeit der Satzung (§ 38 Abs. 4 Nr. 3)
Schließlich darf und muss das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft ablehnen, 35 wenn die Satzung insgesamt nichtig ist (§ 38 Abs. 4 Nr. 3). Einzelne Satzungsbestimmungen können nur dann die Nichtigkeit der gesamten Satzung zur Folge haben, wenn _____________ 17) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 = ZIP 1982, 434 – zu §§ 25 ff. MitbestG. 18) S. dazu BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 255/08 (Schiedsfähigkeit II), ZIP 2009, 1003.
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§ 39
Inhalt der Eintragung
die gesetzliche Vermutungsregelung für die Gesamtnichtigkeit (§ 139 BGB) greift. Im Allgemeinen ist der Wille der Gründer aber auch dann auf die Errichtung der Gesellschaft gerichtet, wenn eine einzelne Satzungsregelung nichtig ist. Dies zeigt sich auch daran, dass heute die meisten Satzungen ohnehin eine salvatorische Klausel enthalten, in der diese Absicht nochmals ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird. Die Nichtigkeit einer einzelnen Satzungsbestimmung hat damit regelmäßig nicht die Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrages zur Folge. Die Prüfungsbefugnis des Registergerichts läuft insoweit weitgehend leer.
§ 39 Inhalt der Eintragung (1) 1Bei der Eintragung der Gesellschaft sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, eine inländische Geschäftsanschrift, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Grundkapitals, der Tag der Feststellung der Satzung und die Vorstandsmitglieder anzugeben. 2Wenn eine Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben einzutragen; Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war. 3Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Vorstandsmitglieder haben. (2) Enthält die Satzung Bestimmungen über die Dauer der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen. Literatur: Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht, 2. Aufl. 2013; Diehn/Sikora/ Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht, 2013; D. Meyer, Die wichtigsten Änderungen durch das 2. KostRMoG im Bereich der Handelsregistergebührenverordnung, JurBüro 2013, 538; Renner/ Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG), 2013; Schneider, Die neuen Gebühren im Handelsregister zum 1.1.2011, notar 2011, 111.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Inhalt der Eintragung ...................... 4 1. Gesetzlicher Mindestinhalt der Handelsregistereintragung ................ 4 I.
2. Sonstige Eintragungen im Handelsregister ................................. 18 III. Rechtsfolgen der Eintragung ........ 20
Überblick
1 Die Vorschrift bestimmt den Inhalt der Handelsregistereintragung bei Gründung einer AG. Ergänzend gelten die Regelungen der Handelsregisterverordnung über die Eintragungen in Abteilung B des Handelsregisters (§§ 3 Abs. 3, 23 ff., 43 HRV). Die Eintragungen im Handelsregister dienen der Publizität der Gesellschaftsverhältnisse (siehe § 15 HGB).1) 2 Mit der Eintragung im Handelsregister entsteht die AG als juristische Person (siehe § 41 Abs. 1 Satz 1). Der Tag der Handelsregistereintragung hat aber auch in anderem Zusammenhang große praktische Bedeutung (z. B. für den Beginn der Fünf-Jahres-Frist bei Sacheinlagen, § 36a Abs. 2 Satz 2, das Ende der Handelndenhaftung, § 41 Abs. 1 Satz 2, _____________ 1)
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Hölters-Solveen, AktG, § 39 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 39 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 39 Rz. 3.
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§ 39
Inhalt der Eintragung
die Verjährung von Schadensersatzansprüchen, § 51 Abs. 1 Satz 2, oder die Höchstdauer eines genehmigten Kapitals, § 202 Abs. 1).2) Die Vorschrift wurde zuletzt durch das MoMiG3) geändert. Seitdem ist stets auch eine in- 3 ländische Geschäftsanschrift im Handelsregister einzutragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1; § 37 Abs. 3 Nr. 1). Falls die Gesellschaft eine empfangsberechtigte Person angemeldet hat, ist auch diese mit ihrer inländischen Anschrift einzutragen (§ 39 Abs. 1 Satz 2). In der Praxis wird von dieser Möglichkeit jedoch kaum Gebrauch gemacht. II.
Inhalt der Eintragung
1.
Gesetzlicher Mindestinhalt der Handelsregistereintragung
Bei Gründung einer AG sind die folgenden Angaben zwingend im Handelsregister einzu- 4 tragen: –
die Firma,
–
der Sitz,
–
die inländische Geschäftsanschrift,
–
der Gegenstand des Unternehmens,
–
die Höhe des Grundkapitals,
–
der Tag der Feststellung der Satzung,
–
die Personen der Vorstandsmitglieder und ihre Vertretungsbefugnis und
–
eine empfangsberechtigte Person mit ihrer inländischen Anschrift (§ 39 Abs. 1);
–
ferner sind die Zeitdauer der Gesellschaft und ein genehmigtes Kapital einzutragen, wenn die Satzung eine entsprechende Bestimmung enthält (§ 39 Abs. 2).
Im Handelsregister wird die Firma der AG eingetragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. 5 § 43 Nr. 2 lit. a HRV). Maßgebend ist die in der Satzung festgelegte Firma (§ 23 Abs. 3 Nr. 1). Für die Zulässigkeit der Firma gelten die allgemeinen Vorschriften (§ 4 AktG und §§ 17 ff. HGB). Eine zulässige Firma ist grundsätzlich so einzutragen, wie sie in der Satzung festgelegt worden ist. Dies gilt insbesondere auch für die konkrete Schreibweise der Firma, wie etwa Groß- und Kleinschreibung,4) Zeichenabstände und Leerzeichen. Ferner ist stets auch der Sitz der Gesellschaft im Handelsregister einzutragen (§ 39 Abs. 1 6 Satz 1 AktG i. V. m. § 43 Nr. 2 lit. b HRV). Damit ist der Satzungssitz gemeint (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 5). Der Verwaltungssitz ist auch dann nicht einzutragen, wenn die Satzung dazu ausnahmsweise eine Regelung enthält. Als Satzungssitz ist die jeweilige politische Gemeinde im Inland (ohne Postleitzahl) einzutragen. Bloße Orts- oder Stadtteile können nicht Sitz einer AG sein und sind daher allenfalls ergänzend einzutragen. Bei einem Doppelsitz sind beide Sitze einzutragen. Seit Inkrafttreten des MoMiG ist stets auch eine inländische Geschäftsanschrift der 7 Gesellschaft anzumelden (§ 37 Abs. 3 Nr. 1) und einzutragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 43 Nr. 2 lit. b HRV). Die Geschäftsanschrift kann im Inland frei gewählt werden; sie muss insbesondere nicht mit dem Satzungs- und/oder Verwaltungssitz übereinstimmen. _____________ 2) 3) 4)
Hölters-Solveen, AktG, § 39 Rz. 2. Art. 5 Nr. 4 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026; s. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 52 und S. 36 f. S. aber OLG München, Beschl. v. 13.4.2011 – 31 Wx 79/11, GmbHR 2011, 587 – keine Bindung des Registergerichts an hochgestellte Zahl in Firma; OLG München, Beschl. v. 28.7.2010 – 31 Wx 129/10, GmbHR 2010, 1155 = DB 2010, 2164 – keine Bindung des Registergerichts an durchgehende Verwendung von Großbuchstaben in Firma.
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§ 39
Inhalt der Eintragung
Die Geschäftsanschrift muss mindestens Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer umfassen (ggf. auch weitere Angaben, die für eine problemlose Zustellung erforderlich sind, wie Vorder- oder Rückgebäude, Stockwerk, etc.). Dabei sind auch c/o-Anschriften zulässig.5) 8 Im Handelsregister ist der Gegenstand des Unternehmens einzutragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 43 Nr. 2 lit. c HRV). Maßgebend ist dabei grundsätzlich der in der Satzung festgelegte Gegenstand des Unternehmens (§§ 3 Abs. 1, 23 Abs. 3 Nr. 2). Allgemein übliche Zusätze zum Unternehmensgegenstand (wie etwa die Berechtigung zur Errichtung von Zweigniederlassungen oder zum Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen), die für die konkrete Gesellschaft aber ohne konkrete Bedeutung sind müssen aus Gründen der Übersichtlichkeit des Handelsregisters allerdings nicht miteingetragen werden.6) 9 Darüber hinaus wird im Handelsregister auch die Höhe des Grundkapitals eingetragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 43 Nr. 3 HRV). Einzutragen ist das Grundkapital gemäß der Satzung i. H. v. mindestens 50.000 € (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. §§ 6 f.), und zwar unabhängig von der Leistung der Einlagen. Die Zerlegung des Grundkapitals in Nennbetrags- oder Stückaktien (siehe §§ 8, 23 Abs. 3 Nr. 4) wird dagegen nicht im Handelsregister eingetragen. 10 Im Handelsregister ist sodann der Tag der Feststellung der Satzung einzutragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 43 Nr. 6 lit. a HRV). Maßgeblich ist der Tag der notariellen Beurkundung der Satzung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 9 Abs. 2 BeurkG). Erfolgt vor der erstmaligen Eintragung der Gesellschaft eine Änderung der Satzung, ist sowohl der Tag der ursprünglichen Satzungsfeststellung als auch der Tag der späteren Änderung einzutragen.7) 11 Im Handelsregister werden schließlich stets auch die Mitglieder des Vorstands und ihre Vertretungsbefugnis eingetragen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AktG i. V. m. § 43 Nr. 4 lit. a und b HRV). 12 Einzutragen sind alle Mitglieder des Vorstands (siehe § 76 Abs. 2) mit Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum (nicht Geburtsort) und Wohnort (nicht die vollständige Wohnanschrift). Der Beruf wird nicht eingetragen.8) Stellvertretende Mitglieder des Vorstands (§ 94) werden gleichfalls eingetragen, allerdings ohne Stellvertretervermerk.9) Der Vorsitzende des Vorstands wird als solcher im Handelsregister eingetragen. 13 Ferner ist die Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder einzutragen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 78). Die Vertretungsbefugnis ist dabei so einzutragen, wie sie beschlossen (§ 30 Abs. 4) und angemeldet worden ist (§ 37 Abs. 3 Nr. 2). Anzumelden und einzutragen ist demnach stets die allgemeine Regelung zur Vertretung der Vorstandsmitglieder (§ 43 Nr. 4 lit. a HRV) und eine davon abweichende besondere Vertretungsbefugnis einzelner, mehrerer oder aller Mitglieder des Vorstands (§ 43 Nr. 4 lit. b HRV). 14 Das MoMiG hat erstmals die Möglichkeit geschaffen, neben dem Vorstand weitere empfangsberechtigte Personen zu bestellen und im Handelsregister eintragen zu lassen _____________ 5)
6) 7) 8) 9)
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Zur GmbH OLG Naumburg, Beschl. v. 8.5.2009 – 5 Wx 4/09, GmbHR 2009, 832 = DB 2009, 1698. Einschränkend aber OLG Rostock, Beschl. v. 31.5.2010 – 1 W 6/10, GmbHR 2011, 30 = NZG 2011, 279. Hölters-Solveen, AktG, § 39 Rz. 7. Hölters-Solveen, AktG, § 39 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 39 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 39 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 39 Rz. 10; a. A. Hüffer, AktG, § 39 Rz. 2. S. BGH, Beschl. v. 10.11.1997 – II ZB 6/97, ZIP 1998, 152 – zum GmbH-Geschäftsführer.
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§ 39
Inhalt der Eintragung
(§ 39 Abs. 1 Satz 2 AktG i. V. m. § 43 Nr. 2 lit. b HRV).10) Die Neuregelung dient dem Ziel, Zustellungen an die Gesellschaft zu erleichtern (siehe auch § 78 Abs. 2 Sätze 3 und 4 AktG, § 15a HGB, § 185 Nr. 2 ZPO).11) Als empfangsberechtigte Person kommt grundsätzlich jede (natürliche oder juristische) Person in Betracht, die im Inland über eine zustellungsfähige Anschrift verfügt. Falls eine empfangsberechtigte Person zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet worden ist (was in der Praxis bislang nur selten vorkommt) sind deren vollständiger Name bzw. Firma und Anschrift einzutragen. Eine Bestimmung über die Dauer der Gesellschaft ist nur dann in das Handelsregister 15 einzutragen, wenn die Satzung eine solche Bestimmung enthält (§ 39 Abs. 2 Halbs. 1, § 262 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 43 Nr. 6 lit. b, bb HRV). Die allgemein übliche Satzungsregelung, wonach die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer besteht, ist dagegen nicht im Handelsregister einzutragen. Im Handelsregister ist ein genehmigtes Kapital einzutragen, wenn die Gründungssat- 16 zung ein solches vorsieht (§ 39 Abs. 2 Halbs. 2, §§ 202 ff. AktG i. V. m. § 43 Nr. 6 lit. b, hh HRV). Einzutragen ist die Höhe des genehmigten Kapitals und der Zeitpunkt, bis zu dem die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung besteht. Über den Gesetzeswortlaut hinaus ist auch ein bedingtes Kapital im Handelsregister 17 einzutragen, wenn es bereits bei Gründung beschlossen wird (§§ 192 ff. AktG i. V. m. § 43 Nr. 6 lit. b, gg HRV). Die Eintragung muss allerdings nicht unbedingt zeitgleich mit der Neueintragung der Gesellschaft erfolgen.12) 2.
Sonstige Eintragungen im Handelsregister
Die allgemeinen Vorschriften über die Eintragungen im Handelsregister bleiben unbe- 18 rührt (siehe etwa §§ 13 ff. HGB i. V. m. § 43 Nr. 2 lit. a HRV für Zweigniederlassungen, §§ 48 ff. HGB i. V. m. § 43 Nr. 5 HRV für Prokuristen). Ansonsten regelt das AktG die Eintragungen im Handelsregister abschließend. Weitere Eintragungen sind aus Gründen der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit des Handelsregisters somit nicht möglich. Nicht im Handelsregister eingetragen werden insbesondere die Mitglieder des Aufsichts- 19 rats.13) Der Handelsregisteranmeldung ist lediglich eine Liste der Aufsichtsratsmitglieder als Anlage beizufügen (§ 37 Abs. 4 Nr. 3a). Die Liste ist im Handelsregister für jedermann einsehbar (§ 9 Abs. 1 HGB), wird aber nicht unmittelbar in das Handelsregister selbst eingetragen. Bei jeder späteren Änderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder hat der Vorstand unverzüglich eine neue Liste zum Handelsregister einzureichen (§ 106 Halbs. 1). Das Registergericht macht dann einen Hinweis bekannt, dass eine neue Liste eingereicht worden ist; die Liste selbst wird dagegen nicht bekannt gemacht (§ 106 Halbs. 2 AktG i. V. m. § 10 HGB). III.
Rechtsfolgen der Eintragung
Mit der Eintragung im Handelsregister (§ 27 Abs. 4 HRV, § 382 Abs. 2 FamFG) entsteht 20 die AG als juristische Person (siehe § 41 Abs. 1 Satz 1). Dies gilt auch dann, wenn die Eintragung nicht (oder noch nicht) erfolgen hätte dürfen. Etwaige Mängel werden im _____________ 10) Hölters-Solveen, AktG, § 39 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 39 Rz. 3; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 39 Rz. 13 ff.; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 39 Rz. 6. 11) S. LG Zwickau, Beschl. v. 15.7.2010 – WM 2010, 2098 – öffentliche Zustellung an GmbH bei fehlender Eintragung einer inländischen Geschäftsanschrift im Handelsregister. 12) Für Eintragungsfähigkeit Hüffer, AktG, § 39 Rz. 4; A. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 39 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 39 Rz. 7. 13) K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 39 Rz. 5.
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§ 40 Allgemeinen durch die Eintragung geheilt. Bei schwerwiegenden Mängeln ist ggf. eine Nichtigkeitsklage (§§ 275 ff.), eine Amtslöschung (§§ 395, 397 FamFG) oder eine Amtsauflösung (§ 399 FamFG) möglich.14) 21 Fehlerhafte oder unvollständige Eintragungen können vom Registergericht von Amts wegen berichtigt werden (§ 17 HRV). Die Beteiligten (und der Notar, § 378 FamFG) können durch formlosen Antrag auch auf eine entsprechende Berichtigung hinwirken. Daneben kommt auch eine Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) in Betracht. 22 Für die Eintragung einer AG ist grundsätzlich der Registerrichter (und nicht der Rechtspfleger) zuständig (siehe §§ 25 ff. HRV und §§ 3 Nr. 2 lit. d, 17 Nr. 1 lit. a und 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 RPflG). 23 Die Eintragung ist den Beteiligten bekannt zu machen, sofern diese darauf nicht verzichten (§ 383 Abs. 1 FamFG). In der Praxis wird die Eintragung meist (nur) der Gesellschaft und dem die Handelsregisteranmeldung einreichenden Notar (nicht aber auch den sonstigen Beteiligten, siehe § 36 Abs. 1) bekannt gemacht. Die Eintragung wird darüber hinaus der Industrie- und Handelskammer sowie je nach Einzelfall anderen Kammern und öffentlichen Stellen mitgeteilt (siehe § 37 HRV). Die Eintragungen im Handelsregister werden vom AG zudem in dem von der Landesjustizverwaltung bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem (siehe www.handelsregisterbekanntmachungen.de) bekannt gemacht (§ 10 HGB i. V. m. §§ 32 ff. HRV). Eine Bekanntmachung im Bundesanzeiger oder in Tageszeitungen erfolgt dagegen nicht mehr. 24 Die Kosten für die Eintragung richten sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz i. V. m. der Handelsregistergebührenverordnung (§ 58 GNotKG).15) Die Kosten für die Ersteintragung einer AG betragen bei einer reinen Bargründung demnach 300 €, und falls mindestens eine Sacheinlage geleistet wird, erhöhen sich die Gebühren auf 360 €. Die Gebühren sind unabhängig von der Höhe des Grundkapitals. _____________ 14) Hölters-Solveen, AktG, § 39 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 39 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 39 Rz. 8. 15) Am 1.8.2013 ist das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts in Kraft getreten (BGBl. I 2013, S. 2586). Kernstück des umfangreichen Artikelgesetzes ist das in Art. 1 enthaltene Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Notare (zur amtlichen Gesetzesbegründung, BRDrucks. 517/12, S. 184 ff.). S. dazu u. a. die Gesamtdarstellungen von Diehn, Berechnungen zum neuen Notarkostenrecht; Diehn/Sikora/Tiedtke, Das neue Notarkostenrecht; Renner/Otto/Heinze, Leipziger Gerichts- & Notarkostenkommentar (GNotKG. – Aktuelle Informationen dazu finden sich auch im Internet unter www.gnotkg.de. – Die Erhebung der Gebühren für die Handelsregistereintragung richtet sich aber weiterhin nach der Handelsregistergebührenverordnung (s. dazu D. Meyer, JurBüro 2013, 538; Schneider, notar 2011, 111).
§ 40 (aufgehoben)
1)
_____________ 1)
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Aufgehoben m. W. v. 1.1.2007 durch Art. 9 des Gesetzes v. 10.11.2006 – EHUG, BGBl. I, 2553.
Thomas Wachter
Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe § 41
§ 41 Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe (1) 1Vor der Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. 2Wer vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen handelt, haftet persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Übernimmt die Gesellschaft eine vor ihrer Eintragung in ihrem Namen eingegangene Verpflichtung durch Vertrag mit dem Schuldner in der Weise, daß sie an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, so bedarf es zur Wirksamkeit der Schuldübernahme der Zustimmung des Gläubigers nicht, wenn die Schuldübernahme binnen drei Monaten nach der Eintragung der Gesellschaft vereinbart und dem Gläubiger von der Gesellschaft oder dem Schuldner mitgeteilt wird. (3) Verpflichtungen aus nicht in der Satzung festgesetzten Verträgen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen oder Sachübernahmen kann die Gesellschaft nicht übernehmen. (4) 1Vor der Eintragung der Gesellschaft können Anteilsrechte nicht übertragen, Aktien oder Zwischenscheine nicht ausgegeben werden. 2Die vorher ausgegebenen Aktien oder Zwischenscheine sind nichtig. 3Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. Literatur: Heidinger, Die Haftung und die Vertretung in der Gründungsphase der GmbH im Vergleich zur (kleinen) Aktiengesellschaft, GmbHR 2003, 189; Meyer, A., Die Abhängigkeit der Haftung des Handelnden von der Vertretungsmacht für die Vor-GmbH – Zugleich eine Darstellung der Rechtsverhältnisse im Gründungsstadium, GmbHR 2002, 1176; Schwab, Handelndenhaftung und gesetzliche Verbindlichkeiten, NZG 2012, 481; Stoppel, Vinkulierungsklauseln in der Vorgesellschaft und bei der Umwandlung, WM 2008, 147.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Vorgründungsgesellschaft ............... 4 III. Vorgesellschaft .................................. 7 IV. Handelndenhaftung (§ 41 Abs. 1 Satz 2) .......................... 17 V. Schuldübernahme (§ 41 Abs. 2) ..... 22 I.
VI. Übernahmeverbot (§ 41 Abs. 3) .... VII. Übertragungs- und Ausgabeverbot (§ 41 Abs. 4) ......................... 1. Übertragungsverbot der Mitgliedschaft ........................................ 2. Verbot der Ausgabe von Aktien .....
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Überblick
Die AG entsteht als juristische Person erst mit der Eintragung im Handelsregister (§ 41 1 Abs. 1 Satz 1; § 39). Die Eintragung hat somit konstitutive Wirkung. Bei der Gründung einer AG sind in zeitlicher Hinsicht drei Phasen zu unterscheiden:1) –
Vorgründungsgesellschaft: Vor der Errichtung der Gesellschaft (§ 29) kann bereits eine Vorgründungsgesellschaft bestehen. Dabei handelt es sich meist um eine GbR bzw. OHG, deren Zweck auf die Gründung der AG gerichtet ist.
–
Vorgesellschaft: Mit der notariellen Feststellung der Satzung und der Übernahme aller Aktien durch die Gründer (d. h. der Errichtung der Gesellschaft i. S. von § 29) ent-
_____________ 1)
Grundlegend (zur GmbH) – BGH, Urt. v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 = ZIP 1981, 394, dazu EWiR 1992, 57 (Bokelmann).
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§ 41 Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe steht die Vorgesellschaft (Vor-AG). Die Vorgesellschaft ist nicht mit der Vorgründungsgesellschaft identisch. Das Vermögen der Vorgründungsgesellschaft geht nicht kraft Gesetzes auf die Vorgesellschaft über, sondern muss auf diese ggf. im Wege der Einzelübertragung übertragen werden. Die Vorgesellschaft ist eine Rechtsform sui generis, für die bereits die Regelungen des AktG Anwendung finden, soweit sie nicht die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister voraussetzen. –
AG: Mit der Eintragung im Handelsregister entsteht die AG als juristische Person. Die Vorgesellschaft endet mit der Eintragung im Handelsregister, ohne dass es einer Liquidation bedarf. Die Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft gehen aufgrund Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes auf die AG über.
3 Das AktG regelt die rechtlichen Verhältnisse bei Gründung der Gesellschaft nur bruchstückhaft.2) Die Vorschrift des § 41 betrifft einzelne Fragen der Vorgesellschaft (§ 41 Abs. 1 und 4: „vor der Eintragung“). Die AG entsteht erst mit der Eintragung im Handelsregister (§ 41 Abs. 1 Satz 1). Wer bereits vor der Eintragung der Gesellschaft in deren Namen handelt, haftet gegenüber Dritten persönlich und gesamtschuldnerisch (Handelndenhaftung; § 41 Abs. 1 Satz 2). Für eine Schuldübernahme von Verpflichtungen der Vorgesellschaft durch die spätere AG sind gegenüber den allgemeinen Regelungen des BGB Erleichterungen vorgesehen (§ 41 Abs. 2). Verpflichtungen aus etwaigen Sondervorteilen, Gründungsaufwand oder Sacheinlagen bzw. Sachübernahmen, die in der Satzung nicht ordnungsgemäß festgesetzt worden sind, darf die Gesellschaft nicht übernehmen (§ 41 Abs. 3). In der Gründungsphase dürfen die Anteilsrechte nicht übertragen werden und keine Aktien ausgegeben werden (§ 41 Abs. 4) II.
Vorgründungsgesellschaft
4 In der Zeit vor Errichtung der Gesellschaft (§ 29) kann (nicht muss) bereits eine Vorgründungsgesellschaft entstehen. Bei der Vorgründungsgesellschaft handelt es sich um einen Zusammenschluss von Personen, die den gemeinsamen Zweck verfolgen, eine AG zu gründen. Rechtlich handelt es sich dabei regelmäßig um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB). Im Einzelfall kann auch eine offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB) vorliegen, insbesondere wenn bereits in dieser Phase eine geschäftliche Tätigkeit erfolgt. Die Vorschriften des Aktienrechts sind auf die Vorgründungsgesellschaft nicht (auch nicht analog) anwendbar. Alle Gesellschafter der Vorgründungsgesellschaft haften daher für deren Verbindlichkeiten persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch (§§ 128 ff. HGB unmittelbar bzw. analog).3) 5 Die Gründung einer Vorgründungsgesellschaft ist formlos möglich (und erfolgt vielfach konkludent). Ein durchsetzbarer Anspruch auf Mitwirkung an der Gründung der AG besteht allerdings nur dann, wenn zugleich ein notariell beurkundeter Vorvertrag (§ 23 Abs. 1 analog) abgeschlossen wird.4) 6 Die Vorgesellschaft endet mit Zweckerreichung (§ 726 BGB), d. h. mit Errichtung der AG (§ 29). Die mit der Errichtung der AG entstehende Vorgesellschaft ist mit der Vorgründungsgesellschaft nicht identisch. Die Aktiva und Passiva der Vorgründungsgesellschaft gehen auch nicht aufgrund gesetzlicher Gesamtrechtsnachfolge auf die Vorgesell_____________ 2)
3) 4)
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So ausdrücklich BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop). – S. ferner M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 2 – gesetzliche Regelung ist lückenhaft und veraltet. Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 5; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 8 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 10 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 17 ff. und 76. KG Berlin, Urt. v. 22.1.2004 – 8 U 170/03, AG 2004, 321. Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 4.
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Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe § 41 schaft über. Vielmehr bedarf es dazu einer rechtsgeschäftlichen Einzelrechtsübertragung (unter Zustimmung etwaiger Gläubiger). III.
Vorgesellschaft
Mit der Errichtung der AG (§ 29) entsteht zwingend die Vorgesellschaft. Dies gilt auch 7 bei einer Einpersonengesellschaft (siehe § 2), da die Vorgesellschaft juristische Person und nicht Gesamthandsgemeinschaft ist.5) Bei der Vorgesellschaft handelt es sich nach überwiegender Auffassung um eine Rechtsform sui generis, für die bereits die Vorschriften des AktG Anwendung finden, soweit diese nicht schon die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister voraussetzen. Zweck der Vorgesellschaft ist im Regelfall die Herbeiführung der Handelsregistereintragung der Gesellschaft und die Beendigung des Gründungsvorgangs.6) Für das Innenverhältnis der Vorgesellschaft ist neben den Vorschriften des AktG vor 8 allem die Satzung maßgebend, die vor Eintragung der Gesellschaft noch nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen ist.7) Die Vorgesellschaft hat mit Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung bereits die gleichen Organe wie die spätere AG. Die Rechte und Pflichten der Organe richten sich im Grundsatz bereits nach den allgemeinen Bestimmungen des AktG (z. B. eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand nach § 76,8) Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat nach § 111, Haftung der Organe nach §§ 93, 116), wobei die Erfüllung der gründungsbezogenen Aufgaben aufgrund des Zwecks der Vorgesellschaft im Mittelpunkt steht.9) Die Vorgesellschaft ist rechtsfähig, parteifähig, grundbuchfähig,10) kontofähig und insol- 9 venzfähig.11) Die Vorgesellschaft kann sich bspw. bereits als Komplementärin an einer Kommanditgesellschaft beteiligen (z. B. AG & Co. KG) und auch schon Gründerin einer anderen AG sein. Insgesamt kann die Vorgesellschaft heute uneingeschränkt am Rechtsverkehr teilnehmen und Rechte und Pflichten begründen. Beim Auftreten nach außen sollte die Vorgesellschaft aber stets einen Hinweis auf das Gründungsstadium in die Firma aufnehmen (z. B. AG i.Gr.). Die Vorgesellschaft wird im Außenverhältnis durch den Vorstand vertreten (siehe §§ 30 10 Abs. 4, 78 ff.). Dabei ist allerdings umstritten, ob die Vertretungsmacht des Vorstands der Vorgesellschaft auf die für die Gründung der Gesellschaft notwendigen Rechtsgeschäfte beschränkt ist oder ob dieser schon über die umfassende Vertretungsmacht des Vorstands der späteren AG verfügt (§ 82 Abs. 1). Die h. M.12) geht davon aus, dass die Vertretungsmacht des ersten Vorstands entsprechend dem Zweck der Vorgesellschaft auf die i. R. der _____________ 5) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 4 f.; wohl auch Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 18 f. (s. aber auch Rz. 6). A. A. dagegen die bislang h. M., u. a. Hüffer, AktG, § 41 Rz. 3 und 17a ff.; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 18; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 24. 6) S. dazu im Zusammenhang mit der Auflösung einer Vorgesellschaft BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop). 7) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 5; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 23 ff.; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 21. 8) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 20. A. A. BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop), sowie Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 8; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 31; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 35 und 53; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 53. Differenzierend Hüffer, AktG, § 41 Rz. 6. 9) S. Hüffer, AktG, § 41 Rz. 6 f.; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 19 f. 10) Dazu ausführlich Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 9 und 11. 11) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 10; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 19 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 51 f.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 28 ff. 12) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 11; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 54 ff.
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§ 41 Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe Gründung erforderlichen Rechtsgeschäfte beschränkt ist. Weitergehende Rechtsgeschäfte bedürfen zu ihrer Wirksamkeit eines Beschlusses mit Zustimmung aller Gründer, da diese für etwaige Verluste in der Gründungsphase auch persönlich haften. Dies erscheint nicht überzeugend.13) Denn die Vertretungsmacht der Organe von Handelsgesellschaften ist im deutschen Recht grundsätzlich unbeschränkt (siehe etwa § 82 Abs. 1 AktG; § 37 Abs. 2 GmbHG, § 126 Abs. 2 HGB). Darauf muss sich der Rechtsverkehr verlassen können. Zudem wäre es für die Rechtssicherheit abträglich, wenn die Gründungsnotwendigkeit eines Rechtsgeschäfts über dessen Wirksamkeit entscheiden würde. Die Gründer sind im Übrigen nicht schutzwürdig, da sie eine Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft oder Handelsregistereintragung untersagen können. In der Praxis empfiehlt es sich, in entsprechenden Fällen bereits in der notariellen Gründungsurkunde vorsorglich eine entsprechende Zustimmung aller Gründer mit aufzunehmen. 11 Für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft haftet den Gläubigern das Vermögen der Vorgesellschaft (siehe § 1 Abs. 1 Satz 2). Diese Haftung endet mit der Eintragung der AG im Handelsregister. Denn mit der Handelsregistereintragung gehen auch alle Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft auf die AG über. Dafür ist keine Zustimmung der Gläubiger erforderlich (siehe auch § 41 Abs. 2). 12 Seitdem die Rechtsprechung das frühere Vorbelastungsverbot aufgegeben hat,14) ist allgemein anerkannt, dass die Gründer zur Sicherung der gesetzlich vorgesehenen Kapitalaufbringung eine persönliche Haftung trifft. Die nähere Ausgestaltung der Haftung richtet sich insbesondere danach, ob die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen wird oder die Eintragung scheitert. 13 Die Unterbilanzhaftung (Vorbelastungshaftung) greift ein, wenn die Gesellschaft antragsgemäß im Handelsregister eingetragen wird, der Wert des Gesellschaftsvermögens (abzüglich des in der Satzung festgesetzten Gründungsaufwands) im Zeitpunkt der Eintragung aber hinter dem Nennbetrag des satzungsgemäßen Grundkapitals zurückbleibt.15) Mit der Unterbilanzhaftung soll gewährleistet werden, dass den Gläubigern der Gesellschaft im Zeitpunkt der Handelsregistereintragung das in der Satzung verlautbarte Grundkapital auch tatsächlich als haftendes Vermögen zur Verfügung steht. Die Ansprüche aus der Unterbilanzhaftung stehen der Gesellschaft (und nicht deren Gläubigern) zu (Innenhaftung). Die Höhe der Ansprüche ist anhand einer auf den Tag der Eintragung zu erstellenden Vermögensbilanz zu ermitteln.16) Die Haftung umfasst auch eine bereits eingetretene Überschuldung und ist somit insbesondere nicht auf die Höhe der übernommenen Einlage beschränkt. Die Ansprüche sind vom Vorstand der Gesellschaft geltend zu machen. Alle Gründer haften persönlich, es sei denn sie haben der Geschäftsaufnahme der Gesellschaft weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt. Mehrere Gründer haften nicht als Gesamtschuldner, sondern entsprechend dem Verhältnis ihrer Einlagen. Bei Ausfall eines Gründers haften die anderen Gründer anteilig (§ 24 GmbHG analog).17) Die _____________ 13) So auch M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 32; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 35. 14) Grundlegend BGH, Urt. v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 = ZIP 1981, 394, dazu EWiR 1992, 57 (Bokelmann). 15) Zur Unterbilanzhaftung(bei der GmbH) u. a. BGH, Urt. v. 24.10.1988 – II ZR 176/88, BGHZ 105, 300 = ZIP 1989, 27, dazu EWiR 1989, 55 (K. Schmidt). Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 8 f.; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 51 ff.; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 11 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 77 ff. Krit. zu dem Konzept der Innenhaftung des BGH u. a. Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 55 ff. 16) Zur Bilanzierung von Vermögenswerten in der Vorbelastungsbilanz s. BGH, Urt. v. 29.9.1997 – II ZR 245/96, ZIP 2007, 2008, dazu EWiR 1998, 33 (Wilken). 17) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 9b. A. A. aber – anteilige Haftung – OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.12.1997 – 1 U 170/97, EWiR 1998, 1011 (Kort).
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Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe § 41 Unterbilanzhaftung begründet grundsätzlich kein Eintragungshindernis. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn feststeht, dass die Ansprüche gegen die Gründer (z. B. aufgrund von Vermögenslosigkeit) wertlos sind.18) Scheitert die Eintragung der Gesellschaft, kommt die Unterbilanzhaftung nicht in Be- 14 tracht, da diese die Eintragung der Gesellschaft gerade voraussetzt. Die Gründer haften in diesem Fall aber für die während des Bestehens der Vorgesellschaft entstandenen Verluste unbeschränkt und persönlich (Verlustdeckungshaftung).19) Die Haftung richtet sich auf den Ausgleich der entstandenen Verluste (und nicht auf die Wiederherstellung des Grundkapitals). Die Haftung ist nicht auf die Höhe der übernommenen Einlage beschränkt. Die Verlustdeckungshaftung ist (ebenso wie die Unterbilanzhaftung) grundsätzlich eine Innenhaftung, so dass die Gründer nur gegenüber der Gesellschaft haften. Eine unmittelbare Außenhaftung der Gründer gegenüber den Gläubigern kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht (z. B. bei Vermögenslosigkeit der Vorgesellschaft oder bei Ablehnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vorgesellschaft mangels Masse, nicht aber auch generell bei einer Einpersonengesellschaft).20) Eine unbeschränkte persönliche Außenhaftung aller Gründer besteht dann, wenn die 15 Gesellschafter ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen, obwohl sie die Eintragungsabsicht bereits aufgegeben haben bzw. die Eintragung endgültig gescheitert ist (sog. unechte Vorgesellschaft).21) In diesen Fällen handelt es sich richtigerweise nicht mehr um eine Vorgesellschaft, die auf die Gründung einer AG gerichtet ist, sondern um eine offene Handelsgesellschaft (§§ 128 ff. HGB). Mit Eintragung der AG im Handelsregister endet die Vorgesellschaft, ohne dass es einer 16 Liquidation bedarf (§ 41 Abs. 1 Satz 1). Alle Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft gehen kraft Gesetzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die AG über (Kontinuität und Identität).22) Scheitert die Eintragung der AG im Handelsregister ist die Vorgesellschaft aufzulösen und abzuwickeln (§ 726 BGB analog i. V. m. §§ 262 ff. AktG).23) IV.
Handelndenhaftung (§ 41 Abs. 1 Satz 2)
Wer vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen handelt, haftet persönlich; 17 handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner (Handelndenhaftung, § 41 Abs. 1 Satz 2; siehe auch § 11 Abs. 2 GmbHG und Art. 7 der EU-Publizitätsrichtlinie). Die Handelndenhaftung greift zeitlich nur in der Phase der Vorgesellschaft ein, d. h. es muss nach Errichtung der Gesellschaft (§ 29) und vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (§ 41 Abs. 1) gehandelt worden sein. Handlungen im Stadium der Vorgründungs_____________ 18) Dagegen aber K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 13. 19) Grundlegend (zur GmbH) BGH, Urt. v. 27.1.2007 – II ZR 123/94, BGHZ 134, 333 = ZIP 1997, 679, dazu EWiR 1997, 849 (Goette), sowie Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 16; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 9a und 9b; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 14 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 87 ff. 20) So auch K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 17. A. A. aber h. M., s. nur Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 16 m. w. N. 21) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 17 und 19; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 16; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 83 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 92 ff. 22) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 41 Rz. 25; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 2; K. Schmidt/ Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 18; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 107 f. Einschränkend in Bezug auf die Identität Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 16 f. 23) Zur Auflösung einer Vorgesellschaft durch Kündigung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund und deren Abwicklung s. BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop).
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§ 41 Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe gesellschaft können die Haftung nicht begründen.24) Mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erlischt die Handelndenhaftung. 18 Der Zweck der Handelndenhaftung wird heute überwiegend darin gesehen, die Mitglieder des Vorstands anzuhalten, die Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft zügig zu betreiben (Druckfunktion) und die Gläubiger der Vorgesellschaft vor dem Risiko zu bewahren, ohne Schuldner dazustehen (Sicherungsfunktion).25) Überholt ist dagegen die ursprüngliche Straffunktion, wonach eine Geschäftstätigkeit vor Eintragung gänzlich verhindert werden sollte. 19 Handelnder ist grundsätzlich nur, wer Mitglied des Vorstands der Vorgesellschaft ist (siehe § 30 Abs. 4) oder als solcher auftritt.26) Die Gründer trifft die Handelndenhaftung auch dann nicht, wenn sie der Aufnahme der Geschäfte zugestimmt haben. Aufsichtsratsmitglieder haften nicht, sofern sie die Gesellschaft nur im Innenverhältnis gegenüber den Mitgliedern des Vorstands (§ 112) vertreten.27) 20 Die Haftung wird durch ein rechtsgeschäftliches Handeln im Namen der Vorgesellschaft (und/oder der künftigen AG)28) begründet. Keine Haftung besteht daher für gesetzliche (z. B. § 25 HGB) oder deliktische Ansprüche (z. B. §§ 823 ff. BGB).29) Die Haftung besteht nur gegenüber außenstehenden Dritten, und nicht auch gegenüber Personen, die mit den internen Verhältnissen der Gesellschaft vertraut sind (wie etwa Gründer, Mitgesellschafter, Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats). 21 Der Handelnde haftet persönlich und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 41 Abs. 1 Satz 2 AktG i. V. m. §§ 421 ff. BGB). Der Gläubiger muss seine Ansprüche nicht erst gegen die Vorgesellschaft oder die Gesellschaft geltend machen, sondern kann unmittelbar gegen den Handelnden vorgehen. Die Handelndenhaftung ist akzessorisch (siehe §§ 128 f. HGB).30) Mit der Eintragung der Gesellschaft erlischt die Handelndenhaftung.31) In der Praxis ist die Handelndenhaftung für den Gläubiger daher vor allem dann von Interesse, wenn die Eintragung der Gesellschaft scheitert.
_____________ 24) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 20 und 22; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 23; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 96. 25) S. BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 47/02, ZIP 2004, 1409, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala), der vor allem die Sicherungsfunktion der Handelndenhaftung betont. Im Wesentlichen wie hier Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 2; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 41 Rz. 65; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 126 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 95. Krit. Hüffer, AktG, § 41 Rz. 19 – Handelndenhaftung ohne überzeugende gedankliche Grundlage; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 23. 26) Zur Handelndenhaftung im Aktienrecht s. BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 47/02, ZIP 2004, 1409, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala). Zur Handelndenhaftung im GmbH-Recht s. u. a. BGH, Urt. v. 15.12.1975 – II ZR 95/73, BGHZ 65, 378 = NJW 1976, 419; BGH, Urt. v. 9.2.1970 – II ZR 137/69, BGHZ 53, 210 = NJW 1970, 806; BGH, Urt. v. 9.2.1970 – II ZR 182/68, BGHZ 53, 206 = NJW 1970, 1043; BGH, Urt. v. 24.10.1968 – II ZR 216/66, BGHZ 51, 30 = NJW 1969, 509; BGH, Urt. v. 26.1.1967 – II ZR 122/64, BGHZ 47, 25 = NJW 1967, 828. Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 21; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 20; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 101 ff. 27) BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 47/02, ZIP 2004, 1409, dazu EWiR 2004, 783 (Drygala). 28) S. dazu BGH, Urt. v. 15.6.1978 – II ZR 205/76, BGHZ 72, 45 = NJW 1978, 1978 mit Anm. K. Schmidt – wonach das Handeln eines Geschäftsführers im Namen der künftigen Gesellschaft im Zweifel dahin auszulegen ist, dass dieser auch für die Vorgesellschaft tätig geworden ist. 29) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 22; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 25. – A. A. Schwab, NZG 2012, 481. 30) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 27; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 109. 31) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 25; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 25 und 28; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 111.
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Handeln im Namen der Gesellschaft vor der Eintragung. Verbotene Aktienausgabe § 41 V.
Schuldübernahme (§ 41 Abs. 2)
Nach den allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist für eine befreiende 22 Schuldübernahme grundsätzlich die Zustimmung des Gläubigers erforderlich (§§ 415 ff. BGB). Eine Ausnahme gilt jedoch für die Übernahme von Verbindlichkeiten durch die neu gegründete AG. In diesem Fall ist die Schuldübernahme schon dann wirksam, wenn dies zwischen der Gesellschaft und dem bisherigen Schuldner vereinbart und dem Gläubiger mitgeteilt wird (§ 41 Abs. 2). Eine Zustimmung des Gläubigers ist dagegen nicht erforderlich. Die Vorschrift dient der erleichterten Enthaftung der vor der Eintragung der Gesellschaft 23 in ihrem Namen handelnden Personen. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist heute jedoch gering, da die Handelndenhaftung mit der Eintragung der Gesellschaft erlischt und die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft kraft Gesetzes auf die AG übergehen.32) Eine Anwendung der Regelung kommt daher nur in den Fällen in Betracht, in denen der Handelnde seine Vertretungsmacht überschreitet (§§ 177 ff. BGB), die Vorgesellschaft demnach nicht verpflichtet wird und die Haftung somit auch nicht auf die Gesellschaft übergeht. Die Haftung des Handelnden kann dann durch Schuldübernahme (auch ohne Zustimmung des Gläubigers) auf die Gesellschaft übergeleitet werden (§ 41 Abs. 2). VI.
Übernahmeverbot (§ 41 Abs. 3)
Sondervorteile (§ 26 Abs. 1), Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) sowie Sacheinlagen und 24 Sachübernahmen (§ 27 Abs. 1) sind aus Gründen der Transparenz zwingend in der Satzung der Gesellschaft festzusetzen. Verpflichtungen aus solchen Verträgen, die in der Satzung nicht ordnungsgemäß festgesetzt worden sind, darf die Gesellschaft (auch mit Zustimmung des Gläubigers) nicht übernehmen (§ 41 Abs. 3). Damit soll eine Umgehung dieser Vorschriften verhindert werden. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist gleichfalls gering. Bei ordnungsgemäßer 25 Festsetzung in der Satzung, besteht die Verpflichtung der AG auch ohne Schuldübernahme. Bei fehlender oder mangelhafter Festsetzung in der Satzung sind die entsprechenden Verträge ohnehin unwirksam (siehe § 26 Abs. 3 Satz 1) und können daher auch nicht von der AG übernommen werden. Das Übernahmeverbot gilt daher vor allem in den Fällen, in denen die Verpflichtung trotz nicht ordnungsgemäßer Satzungsfestsetzung wirksam entstanden ist (siehe § 27 Abs. 3 Satz 2).33) VII. Übertragungs- und Ausgabeverbot (§ 41 Abs. 4) 1.
Übertragungsverbot der Mitgliedschaft
Vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister können Anteilsrechte nicht (ding- 26 lich) übertragen werden (§ 41 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1). Eine gleichwohl erfolgte Übertragung (z. B. nach §§ 398 ff., 413 BGB) wäre nichtig (§ 134 BGB). Zulässig ist eine Übertragung aber dann, wenn sie unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Gesellschaft erfolgt. Der Zweck der Vorschrift besteht heute vor allem darin, den Kreis der Gründer im Hin- 27 blick auf deren zivilrechtliche (§§ 46 ff.) und strafrechtliche (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) Verantwortlichkeit jederzeit verlässlich bestimmen zu können.34) Die (formfreie) _____________ 32) Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 25; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 28; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 30; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 129. 33) Für eine Klärung des Widerspruchs zwischen § 41 Abs. 3 und § 27 Abs. 3 Satz 2 durch den Gesetzgeber Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 41 Rz. 133. 34) Ähnlich K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 32.
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§ 42
Einpersonen-Gesellschaft
Übertragung der Anteilsrechte zwischen einzelnen Gesellschaftern ist daher verboten. Änderungen im Mitgliederkreis sind aber immer dann möglich, wenn sie unter Berücksichtigung der für die Gründungssatzung geltenden Form- und Publizitätsvorschriften (siehe § 23) und unter Beteiligung aller Gründer erfolgen.35) 2.
Verbot der Ausgabe von Aktien
28 Die Ausgabe von Aktien (§ 10 Abs. 1) und Zwischenscheinen (§ 10 Abs. 3 und 4) vor Eintragung der Gesellschaft ist aus Gründen des Verkehrsschutzes verboten (§ 41 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2). Gleichwohl ausgegebene Aktien oder Zwischenscheine sind nichtig (§ 41 Abs. 4 Satz 2). Die Mitgliedschaft ist dann nicht wirksam begründet. Ein gutgläubiger Erwerb solcher Wertpapiere ist ausgeschlossen. Für etwaige Schäden haften die Ausgeber (in der Regel der Vorstand) persönlich und verschuldensunabhängig als Gesamtschuldner (§ 41 Abs. 4 Satz 3). Die vorzeitige Ausgabe von Aktien oder Zwischenscheinen ist eine Ordnungswidrigkeit (§ 405 Abs. 1 Nr. 2). _____________ 35) BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, BGHZ 169, 270 = ZIP 2006, 2267, dazu EWiR 2007, 289 (Krolop). Hölters-Solveen, AktG, § 41 Rz. 27; Hüffer, AktG, § 41 Rz. 30; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 41 Rz. 33.
§ 42 Einpersonen-Gesellschaft Gehören alle Aktien allein oder neben der Gesellschaft einem Aktionär, ist unverzüglich eine entsprechende Mitteilung unter Angabe von Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort des alleinigen Aktionärs zum Handelsregister einzureichen. Literatur: Bachmann, Die Einmann-AG, NZG 2001, 961.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 I.
II. Mitteilungspflicht ............................. 4
Überblick
1 Die Zulässigkeit der Einpersonen-AG ist heute allgemein anerkannt (siehe §§ 2, 319 Abs. 1).1) Für Einpersonen-AG gelten heute die gleichen Regelungen wie für MehrpersonenAG. Der alleinige Aktionär ist insbesondere an die zwingende Kompetenzverteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der alleinige Aktionär zugleich auch Vorstand ist. Einzige Besonderheit der Einpersonengesellschaft ist heute die Mitteilungspflicht bei Vereinigung aller Aktien in der Hand eines Aktionärs (§ 42). Die Notwendigkeit der Sicherheitsleistung bei nicht vollständiger Leistung der Bareinlagen wurde durch das MoMiG2) abgeschafft (§ 36 Abs. 2 Satz 2 AktG a. F.). 2 Gehören alle Aktien allein (oder neben der Gesellschaft) einem Aktionär, ist unverzüglich eine entsprechende Mitteilung unter Angabe von Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort des alleinigen Aktionärs zum Handelsregister einzureichen (§ 42). Die Mit_____________ 1) 2)
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Hüffer, AktG, § 42 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 42 Rz. 3; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 42 Rz. 12 f. Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026. S. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 52 und 33.
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Einpersonen-Gesellschaft
teilung ist im Handelsregister für jedermann einsehbar (§ 9 Abs. 1 HGB). Mit dieser besonderen Publizität soll die Öffentlichkeit darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine Einpersonen-AG handelt.3) Auf diese Weise sollen zugleich auch die Gläubiger der Gesellschaft geschützt werden.4) Die Vorschrift erscheint heute überholt5) und wird in der Praxis kaum beachtet.6) Eine 3 Streichung der Regelung ist jedoch aufgrund der zwingenden Vorgaben der europäischen Richtlinie zu Einpersonengesellschaften derzeit nicht möglich.7) II.
Mitteilungspflicht
Die Mitteilungspflicht besteht dann, wenn alle Aktien allein (oder neben der Gesellschaft) 4 einem Aktionär gehören (§ 42). Die Vorschrift gilt trotz ihrer systematischen Stellung im Gründungsrecht der AG nicht nur für die Neugründung einer Einpersonengesellschaft, sondern auch bei der späteren Vereinigung aller Aktien in der Hand eines Aktionärs.8) Darüber hinaus besteht eine Mitteilungspflicht aus Gründen der Publizität auch dann, wenn alle Aktien nicht mehr einem Aktionär alleine gehören und die Einpersonen-AG (wieder) zu einer Mehrpersonengesellschaft geworden ist.9) Die Aktien gehören derjenigen Person, die formal-rechtlich Inhaber der Mitgliedschafts- 5 rechte ist. Aktieninhaber in diesem Sinn ist demnach auch der Treuhänder, Sicherungseigentümer oder Darlehensnehmer eines Wertpapierdarlehens. Dagegen gehören die Aktien nicht auch dem Nießbraucher, Pfandgläubiger oder sonst wirtschaftlich Berechtigten. Mittelbare Beteiligungen von Tochtergesellschaften können der Muttergesellschaft im vorliegenden Zusammenhang nicht zugerechnet werden (siehe demgegenüber §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 1 Satz 2, 328 Abs. 1 Satz 3, die – anders als § 42 – auf § 16 Abs. 4 verweisen).10) Gehören alle Aktien einem einzigen Aktionär, ist dies dem Handelsregister unverzüg- 6 lich mitzuteilen (§ 42 i. V. m. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Inhaltlich muss sich aus der Mitteilung ergeben, dass alle Aktien allein einem Aktionär (oder daneben nur noch der Gesellschaft) gehören. Es ist konkret mitzuteilen, welcher der beiden Fälle vorliegt. Die pauschale Mitteilung, dass eine Einpersonen-AG vorliegt genügt aufgrund des Normzwecks nicht.11) Von dem Aktionär sind Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort anzugeben (nicht auch Beruf bzw. die vollständige Wohnanschrift). Ist der Aktionär keine natürliche Person, sind Firma und Sitz (möglichst auch Registergericht und Nummer)12) anzugeben.13) _____________ 3) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 42 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 42 Rz. 1. 4) Hölters-Solveen, AktG, § 42 Rz. 1; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 42 Rz. 7; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 42 Rz. 1. 5) Anders allerdings insbesondere Pentz in: MünchKomm-AktG, § 42 Rz. 7. 6) M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 42 Rz. 4. 7) Art. 3 und 6 der Richtlinie 2009/102/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter, ABl. EU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 20 (früher Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG). 8) Hölters-Solveen, AktG, § 42 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 42 Rz. 3; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 42 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 42 Rz. 1. 9) Hüffer, AktG, § 42 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 42 Rz. 5. A. A. unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut Hölters-Solveen, AktG, § 42 Rz. 3; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 42 Rz. 12; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 42 Rz. 5 f. 10) Hölters-Solveen, AktG, § 42 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 42 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 42 Rz. 4. A. A. Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 42 Rz. 8. 11) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 42 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 42 Rz. 5. 12) Hölters-Solveen, AktG, § 42 Rz. 4; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 42 Rz. 16. 13) Hüffer, AktG, § 42 Rz. 5.
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§ 43 7 Die Mitteilung ist bei dem für die Gesellschaft zuständigen Registergericht elektronisch (§ 12 Abs. 2 HGB; siehe auch § 37 Abs. 5 AktG )14) einzureichen (nicht anzumelden). Für die Mitteilung ist keine besondere Form vorgeschrieben. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich nicht, wer für die Mitteilung verantwortlich ist. Nach allgemeinen Vorschriften müssen die Mitglieder des Vorstands (in vertretungsberechtigter Zahl) die Mitteilung beim Handelsregister einreichen (§§ 76 ff.).15) Der Vorstand kann dies aber erst dann tun, wenn ihm ein Aktionär mitgeteilt hat, dass ihm alle Aktien gehören16) (siehe § 67 Abs. 1 Satz 2). Daneben kann der Aktionär die Mitteilung aber auch selbst unmittelbar beim Registergericht einreichen.17) 8 Bei Verletzung der Mitteilungspflicht, kann das Registergericht ein Zwangsgeldverfahren einleiten (§ 14 HGB). Sonstige Sanktionen bestehen (anders als etwa bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21) nicht. Bei Neugründung einer Einpersonen-AG stellt das Fehlen der Mitteilung auch kein Eintragungshindernis dar (siehe § 38 Abs. 1 Satz 2). _____________ 14) 15) 16) 17)
K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 42 Rz. 6. A. A. Hüffer, AktG, § 42 Rz. 6 – schriftliche Mitteilung. Hüffer, AktG, § 42 Rz. 5. K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, § 42 Rz. 6. Hölters-Solveen, AktG, § 42 Rz. 5.
§ 43 (aufgehoben)
1)
_____________ 1)
Aufgehoben durch Art. 3 des Gesetzes v. 22.7.1993, BGBl. I, 1282.
§ 44 (aufgehoben)
1)
_____________ 1)
Aufgehoben durch Art. 3 des Gesetzes v. 22.7.1993, BGBl. I, 1282.
§ 45 Sitzverlegung (1) Wird der Sitz der Gesellschaft im Inland verlegt, so ist die Verlegung beim Gericht des bisherigen Sitzes anzumelden. (2) 1Wird der Sitz aus dem Bezirk des Gerichts des bisherigen Sitzes verlegt, so hat dieses unverzüglich von Amts wegen die Verlegung dem Gericht des neuen Sitzes mitzuteilen. 2Der Mitteilung sind die Eintragungen für den bisherigen Sitz sowie die bei dem bisher zuständigen Gericht aufbewahrten Urkunden beizufügen; bei elektronischer Registerführung sind die Eintragungen und die Dokumente elektronisch zu übermitteln. 3Das Gericht des neuen Sitzes hat zu prüfen, ob die Verlegung ordnungsgemäß beschlossen und § 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. 4Ist dies der Fall, so hat es die Sitzverlegung einzutragen und hierbei die ihm mitgeteilten Eintragungen ohne weitere Nachprüfung in sein Handelsregister zu übernehmen. 5Mit der Eintra-
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§ 45
Sitzverlegung
gung wird die Sitzverlegung wirksam. 6Die Eintragung ist dem Gericht des bisherigen Sitzes mitzuteilen. 7Dieses hat die erforderlichen Löschungen von Amts wegen vorzunehmen. (3) 1Wird der Sitz an einen anderen Ort innerhalb des Bezirks des Gerichts des bisherigen Sitzes verlegt, so hat das Gericht zu prüfen, ob die Sitzverlegung ordnungsgemäß beschlossen und § 30 des Handelsgesetzbuchs beachtet ist. 2Ist dies der Fall, so hat es die Sitzverlegung einzutragen. 3Mit der Eintragung wird die Sitzverlegung wirksam. Literatur: Bartels, (Übergangs-)Regeln der Sitzverlegung in Europa, IPrax 2013, 153; Bayer/ J. Schmidt, BB-Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsreport im Europäischen Gesellschaftsrecht 2010/11, BB 2012, 3; Bayer/J. Schmidt, Das Vale-Urteil des EuGH: Die endgültige Beseitigung der Niederlassungsfreiheit als „Formwechselfreiheit“, ZIP 2012, 1481; Behme, Der grenzüberschreitende Formwechsel von Gesellschaften nach Cartesio und Vale, NZG 2012, 936; Benrath/König, Nicht überraschend doch erforderlich: Die Rechtsprechung des EuGH zur grenzüberschreitenden Umwandlung durch Formwechsel, Der Konzern 2012, 377; Böttcher/ Kraft, Grenzüberschreitender Formwechsel und tatsächliche Sitzverlegung – Die Entscheidung VALE des EuGH, NJW 2012, 2701; Drygala, Europäische Niederlassungsfreiheit vor der Rolle rückwärts?, EuZW 2013, 569; Ege/Klett, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften, DStR 2012, 2442; Frenzel, Grenzüberschreitender Formwechsel auch ohne Sitzverlegungsrichtlinie möglich, NotBZ 2012, 349; Frenzel, Mobilität von Unternehmen im Europäischen Binnenmarkt, NotBZ 2012, 249; Jaensch, Der grenzüberschreitende Formwechsel: Das EuGH-Urteil VALE, EWS 2012, 353; Roth, Das Ende der Briefkastengründung? – Vale contra Centros, ZIP 2012, 1744; Schön, Das System der gesellschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nach VALE, ZGR 2013, 333; Schönhaus/Müller, Grenzüberschreitender Formwechsel aus gesellschafts- und steuerrechtlicher Sicht, IStR 2013, 174; Teichmann, Der grenzüberschreitende Formwechsel ist spruchreif: das Urteil des EuGH in der Rs. Vale, DB 2012, 2085; Weller, Unternehmensmobilität im Binnenmarkt, in: Festschrift für Uwe Blaurock, 2013, S. 497; Weller/Rentsch, Die Kombinationslehre beim grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel – Neue Impulse durch das Europarecht, IPRax 2013, 530; Wicke, Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels, Rechtssache „Vale“ des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, DStR 2012, 1756; Wiehe/Thies, Sitzverlegung nach Luxemburg in der Praxis, BB 2012, 1891.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anmeldung der Sitzverlegung (§ 45 Abs. 1) ....................................... 4 III. Sitzverlegung in einen anderen Gerichtsbezirk (§ 45 Abs. 2) ............. 7 1. Aufteilung der Zuständigkeiten ........ 7 2. Bisher zuständiges Registergericht .................................... 8 I.
3. Neues Registergericht ...................... 12 IV. Sitzverlegung innerhalb desselben Gerichtsbezirks (§ 45 Abs. 3) ..................................... 18 V. Grenzüberschreitende Sitzverlegung ......................................... 19
Überblick
Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den die Satzung bestimmt (§§ 5, 23 Abs. 3 1 Nr. 1). Der Sitz der Gesellschaft kann frei gewählt werden. Der Satzungssitz muss insbesondere nicht mit dem Verwaltungssitz, der inländischen Geschäftsanschrift (siehe §§ 37 Abs. 3 Nr. 1, 39 Abs. 1 Satz 1) oder der Lage der Geschäftsräume übereinstimmen (§ 24 Abs. 2 und 3 HRV).1) Der Sitz der Gesellschaft wird im Handelsregister eingetragen (§ 39 _____________ 1)
S. KG Berlin, Beschl. v. 20.3.2012 – 25 W 99/11, GmbHR 2012, 798 (keine Notwendigkeit der Übereinstimmung von Sitz und Geschäftsanschrift bei einer GmbH).
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§ 45
Sitzverlegung
Abs. 1 Satz 1) und bekannt gemacht (§ 10 HGB). Der Satzungssitz hat vor allem Bedeutung für die Zuständigkeit von Gerichten und Behörden (siehe etwa § 14 AktG; § 17 Abs. 1 ZPO, § 3 Abs. 1 InsO oder § 20 Abs. 2 AO i. V. m. § 10 AO). Der Satzungssitz ist darüber hinaus der Ort, an dem regelmäßig die Hauptversammlung der Gesellschaft stattfindet (§ 121 Abs. 5 Satz 1). 2 Die Sitzverlegung der Gesellschaft ist eine Satzungsänderung (§§ 179 ff.). Der Vorstand muss die Änderung des Satzungssitzes daher zur Eintragung in das Handelsregister anmelden (§ 181 Abs. 1 Satz 1). Die Änderung wird erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 181 Abs. 3). Bei einer Sitzverlegung innerhalb ein und desselben Gerichtsbezirks gelten die allgemeinen Vorschriften (siehe auch § 45 Abs. 3). Wird der Sitz der Gesellschaft dagegen in den Bezirk eines anderen Registergerichts verlegt, sind die Zuständigkeiten des abgebenden und des aufnehmenden Registergerichts voneinander abzugrenzen. Der Gesetzgeber hat dies dahingehend geregelt, dass die Sitzverlegung noch beim bisher zuständigen Registergericht anzumelden ist (§ 45 Abs. 1), dieses dann die Akten zur weiteren (materiellen) Prüfung an das neue Registergericht übermittelt (§ 45 Abs. 2). Das neue Registergericht entscheidet dann über die Rechtmäßigkeit der Sitzverlegung. Mit Eintragung der Sitzverlegung im Handelsregister des neuen Registergerichts wird die Sitzverlegung wirksam. Das neue Registergericht informiert das bisher zuständige Registergericht über die erfolgte Eintragung, das sodann die dort noch vorhandenen Eintragungen löschen kann (siehe auch § 20 HRV). 3 Die Vorschrift (des § 45) betrifft nur die Verlegung des Satzungssitzes im Inland. Nicht geregelt sind dagegen die Verlegung des Verwaltungssitzes und die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungs- und/oder Verwaltungssitzes.2) Die Vorschrift gilt im GmbHRecht entsprechend. II.
Anmeldung der Sitzverlegung (§ 45 Abs. 1)
4 Die Verlegung des Satzungssitzes ist – wie jede andere Satzungsänderung – vom Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 181 Abs. 1 Satz 1). Dabei ist die Anmeldung an das Registergericht des bisherigen Sitzes (und noch nicht an das Registergericht des neuen Sitzes) zu richten (§ 45 Abs. 1 i. V. m. §§ 5, 14 AktG; § 8 HGB, § 23a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 3 GVG, §§ 374 ff. FamFG, § 17 Nr. 1 lit. b RPflG). Diese Zuständigkeitsregelung erscheint auch deshalb sachgerecht, weil die Sitzverlegung erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam wird (§ 45 Abs. 2 Satz 5 und Abs. 3 Satz 3, § 181 Abs. 3) und demnach im Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht wirksam ist. 5 Für die Anmeldung der Sitzverlegung gelten im Übrigen die allgemeinen Vorschriften. Die Anmeldung ist demnach von den Mitgliedern des Vorstands in vertretungsberechtigter Zahl zu unterzeichnen (§ 78).3) Stellvertretung bei der Anmeldung ist zulässig (siehe § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Anmeldung muss öffentlich beglaubigt werden und elektronisch an das Handelsregister übermittelt werden (§ 12 HGB, §§ 39 ff. BeurkG). Der Anmeldung ist der satzungsändernde Beschluss der Hauptversammlung und der neue Satzungswortlaut samt Bescheinigung des Notars beizufügen (§ 181 Abs. 1 Satz 2). Die Sitzverlegung ist in der Anmeldung schlagwortartig anzugeben (siehe § 181 Abs. 2). 6 Das weitere gerichtliche Verfahren richtet sich danach, ob sich der neue Satzungssitz in demselben Gerichtsbezirk (dann § 45 Abs. 3) oder einem anderen Gerichtsbezirk (dann § 45 Abs. 2) befindet. _____________ 2) 3)
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K. Schmidt/Lutter-Zimmer, AktG, § 45 Rz. 2. Hölters-Solveen, AktG, § 45 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 45 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Zimmer, AktG, § 45 Rz. 3.
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§ 45
Sitzverlegung III.
Sitzverlegung in einen anderen Gerichtsbezirk (§ 45 Abs. 2)
1.
Aufteilung der Zuständigkeiten
Bei der Verlegung des Satzungssitzes in den Bezirk eines anderen Registergerichts sind 7 die Zuständigkeiten zwischen den beiden beteiligten Registergerichten wie folgt aufgeteilt: das bisherige Registergericht nimmt die Anmeldung entgegen (§ 45 Abs. 1) und prüft lediglich ihre formelle Ordnungsmäßigkeit, dem Registergericht am neuen Sitz der Gesellschaft obliegt dann die materielle Prüfung der Sitzverlegung sowie die Entscheidung über die Eintragung der Sitzverlegung (§ 45 Abs. 2). 2.
Bisher zuständiges Registergericht
Das Registergericht am bisherigen Sitz der Gesellschaft prüft die formelle Ordnungsmä- 8 ßigkeit der Anmeldung.4) Dazu gehört bspw. die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen (siehe §§ 179, 181), die Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften (§ 12 HGB) und die Unterzeichnung der Anmeldung durch die vertretungsberechtigten Personen (§ 78). Ist die Handelsregisteranmeldung formell ordnungsgemäß, hat das Registergericht des 9 bisherigen Sitzes dem Registergericht des neuen Sitzes die beschlossene Sitzverlegung unverzüglich mitzuteilen (§ 45 Abs. 2 Satz 1). Der Mitteilung sind die vollständigen Registerakten (Eintragungen sowie aufbewahrte Urkunden) beizufügen und elektronisch zu übermitteln (§ 45 Abs. 2 Satz 2). Damit endet die Zuständigkeit des Registergerichts des bisherigen Sitzes. Das bisher zuständige Registergericht darf (und muss) insbesondere die Sitzverlegung nicht im Handelsregister eintragen (§ 45 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5).5) Das Registergericht des bisherigen Sitzes wird die Anmeldung im Regelfall auch dann un- 10 verzüglich an das Registergericht des neuen Sitzes weiterleiten, wenn in der Anmeldung neben der Sitzverlegung zugleich noch weitere eintragungspflichtige Tatsachen angemeldet werden (§ 45 Abs. 2 Satz 1 AktG; § 25 Abs. 1 Satz 2 HRV).6) Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Beteiligten in der Anmeldung ausdrücklich einen abweichenden Vollzug beantragen (z. B. Eintragung eines neuen Mitglieds des Vorstands noch beim bisherigen Registergericht und vor der Sitzverlegung). Führt die formelle Prüfung der Handelsregisteranmeldung zu Beanstandungen wird das 11 Registergericht des bisherigen Sitzes den Beteiligten mittels einer Zwischenverfügung eine Frist zur Behebung des Eintragungshindernisses setzen (§ 382 Abs. 4 FamFG, § 26 Satz 2 HRV). 3.
Neues Registergericht
Nach (elektronischem) Eingang der Registerakten von dem bisher zuständigen Regis- 12 tergericht hat das Registergericht des neuen Sitzes die materielle Ordnungsmäßigkeit der Sitzverlegung zu prüfen. Dies umfasst zum einen die Wirksamkeit der Beschlussfassung über die Sitzverlegung (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 i. V. m. §§ 179 ff.) und zum anderen die Zulässigkeit der Firma am neuen Satzungssitz (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 _____________ 4)
5) 6)
Zum GmbH-Recht OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 30.4.2002 – 20 W 137/2002, DB 2002, 2209 = NZG 2002, 1119. Hölters-Solveen, AktG, § 45 Rz. 5 f.; Hüffer, AktG, § 45 Rz. 3; K. Schmidt/LutterZimmer, AktG, § 45 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 45 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Zimmer, § 45 Rz. 7. So zum GmbH-Recht etwa OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.10.1991 – 2 AR 41/91, GmbHR 1992, 678; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 30.7.1991 – 20 W 237/91, Rpfleger 1991, 508; OLG Hamm, Beschl. v. 25.3.1991 – 15 Sbd 4/91, GmbHR 1991, 321, dazu EWiR 1994, 1209 (Meyding). Ausführlich zum Ganzen K. Schmidt/Lutter-Zimmer, AktG, § 45 Rz. 8 m. w. N. zur Rspr.
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§ 45
Sitzverlegung
AktG i. V. m. § 30 HGB).7) Nicht zu prüfen ist dagegen, die Zulässigkeit der Firma im Übrigen (§ 45 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 AktG und §§ 18 ff. HGB) und das Vorliegen einer Gewerbeummeldung.8) 13 Für die Wirksamkeit des Beschlusses über die Sitzverlegung kommt es u. a. darauf an, ob die Hauptversammlung ordnungsgemäß einberufen worden ist (§§ 121 ff.), der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst (§ 179 Abs. 2) und notariell beurkundet worden ist (§ 130). 14 Die Zulässigkeit der Firma setzt u. a. voraus, dass sie sich (auch nach der Sitzverlegung) von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister oder das Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet (§ 30 Abs. 1 HGB). Der Rechtsformzusatz (§ 4) ist allein kein ausreichendes Unterscheidungsmerkmal. 15 Kommt das Registergericht zu dem Ergebnis, dass die Sitzverlegung auch materiell ordnungsgemäß ist, hat es die Sitzverlegung in das Handelsregister einzutragen (§ 45 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1). Die bereits vorhandenen Eintragungen, die ihm vom Registergericht des bisherigen Sitzes mitgeteilt worden sind, sind dabei ohne weitere Nachprüfung in das Handelsregister am neuen Sitz zu übernehmen (§ 45 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2). Dem Registergericht des neuen Sitzes steht insoweit kein Prüfungs- und Beanstandungsrecht zu. Mit der Eintragung im Handelsregister wird die Sitzverlegung wirksam (§ 45 Abs. 2 Satz 5; siehe auch § 181 Abs. 3).9) Die Eintragung ist unverändert bekannt zu machen (§ 10 HGB). 16 Das Registergericht des neuen Sitzes hat die erfolgte Handelsregistereintragung sodann dem Registergericht des bisherigen Sitzes elektronisch mitzuteilen (§ 45 Abs. 2 Satz 6). Dieses hat dann die bisherigen Eintragungen von Amts wegen zu löschen (§ 45 Abs. 2 Satz 7 AktG i. V. m. § 20 HRV). Auf das Registerblatt des neuen Registergerichts wird verwiesen. 17 Kommt das Registergericht des neuen Sitzes zu dem Ergebnis, dass die beschlossene Sitzverlegung materiell nicht ordnungsgemäß ist, gibt es den Beteiligten mittels Zwischenverfügung auf, das Hindernis zu beseitigen (§ 382 Abs. 4 FamFG, § 26 Satz 2 HRV). Wird das Hindernis nicht behoben, weist das Registergericht die Anmeldung zurück.10) Die Sitzverlegung ist dann mangels Eintragung nicht wirksam geworden (§ 45 Abs. 2 Satz 5). Die Registerakten sind wieder an das bisher (und jetzt weiterhin) zuständige Registergericht zurückzugeben. Dieses ist jetzt wieder alleine zuständig. Die dortigen Eintragungen sind noch unverändert vorhanden (§ 45 Abs. 2 Satz 7 AktG i. V. m. § 20 HRV). IV.
Sitzverlegung innerhalb desselben Gerichtsbezirks (§ 45 Abs. 3)
18 Bei einer Sitzverlegung innerhalb ein und desselben Gerichtsbezirks bleibt die Zuständigkeit unverändert, so dass eine Regelung des Zusammenwirkens mehrerer Registergerichte entbehrlich ist. Das (bisherige und neue) Registergericht hat zu prüfen, ob die Sitzverlegung ordnungsgemäß angemeldet und beschlossen worden ist und die Firma auch am _____________ 7) Hölters-Solveen, AktG, § 45 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 45 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Zimmer, § 45 Rz. 10 ff. 8) LG Augsburg, Beschl. v. 29.1.2008 – 2 HK T 65/08, NZG 2009, 195. 9) OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2003 – 8 U 7/03, AG 2004, 147 – zur örtlichen Zuständigkeit für eine Anfechtungsklage gegen die Sitzverlegung einer AG; OLG Hamm, Beschl. v. 19.8.1996 – 15 W 127/96, GmbHR 1996, 858 – zum GmbH-Recht. 10) LG Leipzig, Beschl. v. 15.3.2004 – 3 HK T 4403/03, NZG 2004, 629. K. Schmidt/Lutter-Zimmer, AktG, § 45 Rz. 14 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 45 Rz. 16. A. A. Hüffer, AktG, § 45 Rz. 5 – Zurückweisung an das Registergericht des bisherigen Sitzes.
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§ 46
Verantwortlichkeit der Gründer
neuen Satzungssitz zulässig ist (§ 45 Abs. 3 Satz 1). Ist dies der Fall, hat das Registergericht die Sitzverlegung einzutragen (§ 45 Abs. 3 Satz 2). Mit der Eintragung wird die Sitzverlegung wirksam (§ 45 Abs. 3 Satz 3; siehe auch § 181 Abs. 3 Satz 3). Bei etwaigen Mängeln der Sitzverlegung sind diese zu beseitigen (siehe § 382 Abs. 4 FamFG, § 26 Satz 2 HRV) bzw. die Anmeldung zurückzuweisen. V.
Grenzüberschreitende Sitzverlegung
Der Satzungssitz einer deutschen AG muss stets in Deutschland liegen (§ 5). Eine Ver- 19 legung des Satzungssitzes ist nur innerhalb Deutschlands möglich (§ 45 Abs. 1). Eine Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland ist bei einer deutschen AG (derzeit) unzulässig. Dies gilt auch innerhalb der Mitgliedstaaten der EU und des EWR.11) Eine grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes ist derzeit nur bei einer Euro- 20 päischen Gesellschaft (SE) möglich (Art. 8 SE-VO). _____________ 11) Zur Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels eines SARL von Luxemburg nach Deutschland s. OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, ZIP 2014, 128, dazu EWiR 2014, 45 (Neye). – Ausführlich zum Streitstand bei grenzüberschreitender Verlegung des Satzungs- und/oder des Verwaltungssitzes M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 45 Rz. 18 ff.; K. Schmidt/Lutter-Zimmer, AktG, § 45 Rz. 18 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 45 Rz. 22 ff.
§ 46 Verantwortlichkeit der Gründer (1) 1Die Gründer sind der Gesellschaft als Gesamtschuldner verantwortlich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft über Übernahme der Aktien, Einzahlung auf die Aktien, Verwendung eingezahlter Beträge, Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen gemacht worden sind. 2Sie sind ferner dafür verantwortlich, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf das Grundkapital bestimmte Stelle (§ 54 Abs. 3) hierzu geeignet ist und daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. 3Sie haben, unbeschadet der Verpflichtung zum Ersatz des sonst entstehenden Schadens, fehlende Einzahlungen zu leisten und eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen. (2) Wird die Gesellschaft von Gründern durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gründer als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gründer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. (4) Entsteht der Gesellschaft ein Ausfall, weil ein Aktionär zahlungsunfähig oder unfähig ist, eine Sacheinlage zu leisten, so sind ihr zum Ersatz als Gesamtschuldner die Gründer verpflichtet, welche die Beteiligung des Aktionärs in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit angenommen haben. (5) 1Neben den Gründern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben. 2Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gründer kannte oder kennen mußte.
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§ 46
Verantwortlichkeit der Gründer
Literatur: Zöllner, Die so genannte Gründerhaftung, in: Festschrift für Herbert Wiedemann, 2002, S. 1383.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Gläubiger und Schuldner ................ III. Haftungstatbestand .......................... 1. Haftung für unrichtige Angaben (§ 46 Abs. 1) ...................................... I.
1 6 9 9
2. Haftung für Schäden durch Einlagen (§ 46 Abs. 2) ...................... 16 3. Ausfallhaftung (§ 46 Abs. 4) ........... 18 IV. Umfang der Haftung ...................... 22 V. Varia zur Haftung ........................... 23
Überblick
1 Die Gründer und ihre Hintermänner sind für die Ordnungsgemäßheit des gesamten Gründungsvorgangs zivilrechtlich (§ 46) und strafrechtlich (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2) verantwortlich. Für etwaige Schäden haften sie der Gesellschaft persönlich und als Gesamtschuldner. Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Gesellschaft vor Schäden bei der Gründung und die Sicherung der Kapitalaufbringung.1) 2 Die Vorschrift stellt das Herzstück der gesamten Regelungen über die Gründungshaftung (§§ 46 – 51) dar. Neben den Gründern und deren Hintermännern sind auch weitere Personen für die Einhaltung der gesetzlichen Gründungsvorschriften verantwortlich. Dazu gehören die Gründergenossen (§ 47 Nr. 1 und Nr. 2), die Emittenten von Aktien (§ 47 Nr. 3), die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 48) sowie der Gründungsprüfer (§ 49). Im Interesse der (künftigen) Aktionäre und der Gläubiger der Gesellschaft kann die Gesellschaft über die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche (nach §§ 46 – 48) nur eingeschränkt verfügen (siehe § 50). Zudem verjähren die Ersatzansprüche (nach §§ 46 – 48) frühestens nach fünf Jahren (§ 51). Die zivilrechtliche Gründungshaftung wird durch die Strafbarkeit falscher oder unvollständiger Angaben ergänzt (insbesondere § 399 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3). 3 Zu den zahlreichen Rechtsfragen der gesamten Gründungshaftung gibt es bis heute kaum Rechtsprechung. Dies zeigt, dass sich die präventive Kontrolle des Gründungsvorgangs durch Notar (siehe § 23 Abs. 1) und Registergericht (siehe § 38 Abs. 1) in der Praxis bestens bewährt hat. 4 Die Haftung der Gründer (und auch der weiteren Personen) ist verschuldensabhängig (siehe § 46 Abs. 3). Es handelt sich um eine spezifisch gesellschaftsrechtliche (und nicht etwa um eine deliktsrechtliche) Haftung2) aufgrund von Pflichtverletzungen bei der Gründung der Gesellschaft. Die Haftung ist zwingend.3) 5 Neben der Gründungshaftung (nach § 46) können auch Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der Handelndenhaftung (siehe § 41), der Verlustdeckungshaftung oder wegen unerlaubter Handlung bestehen (z. B. nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 399 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AktG oder §§ 263, 266 StGB). §§ 46 ff. AktG sind aber selbst keine Schutzgesetze i. S. von §§ 823 ff. BGB.4)
_____________ 1)
2) 3) 4)
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Grundlegend BGH, Urt.v. 27.2.1975 – II ZR 111/72, BGHZ 64, 52 = NJW 1975, 974. HöltersSolveen, AktG, § 46 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 46 Rz. 1; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 46 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 1; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 46 Rz. 5. Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 46 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 2. Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 21; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 46 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 46 Rz. 3 f.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 3.
Thomas Wachter
§ 46
Verantwortlichkeit der Gründer II.
Gläubiger und Schuldner
Gläubiger des Anspruchs ist die Gesellschaft, die mit Eintragung im Handelsregister als 6 juristische Person entsteht (§ 46 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 41 Abs. 1 Satz 1). Die Vor-AG ist noch nicht anspruchsberechtigt (siehe auch § 51 Satz 2 Halbs. 1). Ansprüche Dritter können nur nach allgemeinen Vorschriften (z. B. §§ 823 ff. BGB) bestehen.5) Schuldner des Anspruchs sind die Gründer (§ 28) sowie deren Hintermänner (§ 46 7 Abs. 5). Mit der Haftung der Hintermänner soll eine Umgehung der Gründungshaftung verhindert werden.6) Für den Gründer haften in diesem Fall zwei Personen gleichrangig: der „Vordermann“ (Strohmann, Treuhänder) (nach § 46 Abs. 1 bis Abs. 4) und der „Hintermann“ (Auftraggeber, Treugeber) (nach § 46 Abs. 5). Die Haftung des Hintermanns entfällt nur dann, wenn er nachweisen kann, dass sowohl er selbst als auch der Vordermann nicht schuldhaft gehandelt haben (siehe § 46 Abs. 5 Satz 2). Dabei gilt auch insoweit der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Geschäftsmannes. Eine Einschränkung der Haftung bei Hintermännern, die praktisch keinen Einfluss auf die Gründung genommen haben, kommt nicht in Betracht. Die Regelung für Hintermänner (§ 46 Abs. 5) findet keine Anwendung auf Gründer, für 8 die ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter (offen) gehandelt hat. Gründer ist in diesem Fall allein der Vertretene (siehe § 28). Diesen trifft die Gründerhaftung (nach § 46 Abs. 1 bis Abs. 4). Der Vertreter ist nicht Gründer und haftet daher allenfalls nach Deliktsrecht. III.
Haftungstatbestand
1.
Haftung für unrichtige Angaben (§ 46 Abs. 1)
Die Gründer sind gegenüber der Gesellschaft dafür verantwortlich, dass bestimmte zum 9 Zwecke der Gründung der Gesellschaft gemachte Angaben vollständig und richtig sind (§ 46 Abs. 1 Satz 1). Dazu gehören die Angaben über –
die Übernahme der Aktien (§ 23 Abs. 2 Nr. 2);
–
die Einzahlung auf die Aktien (§§ 23 Abs. 2 Nr. 3, 36 Abs. 2, 36a Abs. 1, 37 Abs. 1);
–
die Verwendung der eingezahlten Beträge (§§ 36 Abs. 2, 37 Abs. 1 Satz 5);
–
etwaige Sondervorteile (§ 26 Abs. 1);
–
den Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) sowie
–
die Sacheinlagen und Sachübernahmen (§ 27, z. B. auch zu verdeckten Sacheinlagen nach § 27 Abs. 3 oder zum Hin- und Herzahlen nach § 27 Abs. 4).
Die Aufzählung ist abschließend.7) Andere Angaben (z. B. über den Ausgabebetrag der 10 Aktien (§§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 9 Abs. 1) sind nicht erfasst (siehe demgegenüber § 399 Abs. 1 Nr. 1). Die Angaben müssen zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft gemacht worden 11 sein. Die Verantwortlichkeit der Gründer umfasst somit nur Angaben gegenüber den Gründungsprüfern, den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats, dem kontoführenden Kreditinstitut (siehe §§ 37 Abs. 1, 54 Abs. 3), dem beurkundenden Notar und _____________ 5) 6) 7)
Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 46 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 4; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 46 Rz. 78 ff.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 46 Rz. 23. Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 22; Pentz in: MünchKommAktG, § 46 Rz. 60. Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 46 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 7.
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§ 46
Verantwortlichkeit der Gründer
dem Registergericht, nicht aber auch Angaben gegenüber Finanz- und Verwaltungsbehörden8) oder Kammern (siehe § 379 FamFG). 12 Die falschen Angaben müssen von einem Gründer gemacht werden. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut, folgt aber aus dem Gesamtzusammenhang. Eine Haftung für falsche Angaben Dritter (z. B. eines Gründungsprüfers) kommt – entgegen der h. M.9) – nicht in Betracht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Gründer die falschen Angaben des Dritten zu eigen gemacht haben (z. B. in der Handelsregisteranmeldung). 13 Die Angaben müssen objektiv unrichtig oder unvollständig sein. Unrichtig sind Angaben, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereinstimmen (z. B. im Falle einer verdeckten Sacheinlage nach § 27 Abs. 3). Unvollständig sind Angaben, wenn sie nicht alle für die Gründung maßgeblichen Informationen enthalten (z. B. keine Offenlegung des Hin- und Herzahlens nach § 27 Abs. 4 Satz 2). Maßgebend für die Richtigkeit und Vollständigkeit ist nicht der Zeitpunkt, zu dem die Angaben gemacht werden,10) sondern der Zeitpunkt, in dem die Angaben, dem jeweiligen Empfänger zugehen (siehe § 130 BGB).11) Bis zu diesem Zeitpunkt (z. B. Zugang der Handelsregisteranmeldung beim Registergericht) können die Gründer die Angaben auch noch mit haftungsbefreiender Wirkung berichtigen oder vervollständigen. 14 Die Gründer sind darüber hinaus auch dafür verantwortlich, dass das Kreditinstitut, auf dessen Konto die Bareinlagen eingezahlt werden, als Zahlstelle geeignet ist (§ 54 Abs. 3) und die eingezahlten Beträge endgültig (siehe § 36 Abs. 2 Halbs. 2) zur freien Verfügung des Vorstands stehen (§ 46 Abs. 1 Satz 2; siehe auch § 48 Satz 1 Halbs. 2). 15 Die Gründer haften für jedes Verschulden (einschließlich leichter Fahrlässigkeit), das zudem widerlegbar vermutet wird (§ 46 Abs. 3). 2.
Haftung für Schäden durch Einlagen (§ 46 Abs. 2)
16 Die Gründer haften weiter für Schäden, die der Gesellschaft durch Einlagen, Sachübernahmen oder Gründungsaufwand entstehen (§ 46 Abs. 2). Beispiele dafür sind etwa bloße Scheineinzahlungen, die Überbewertung von Sacheinlagen, oder ein unangemessen hoher oder nicht ordnungsgemäß festgesetzter Gründungsaufwand. Die Haftung nach § 46 Abs. 2 ist nicht subsidiär gegenüber der Haftung nach § 46 Abs. 1.12) 17 Die Gründer haften für vermutetes Verschulden (§ 46 Abs. 3),13) allerdings (anders als bei § 46 Abs. 1) nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 46 Abs. 2).
_____________ 8) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 7. A. A. Hüffer, AktG, § 46 Rz. 6 – unter Hinweis auf § 37 Abs. 4 Nr. 5 a. F.; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 46 Rz. 18; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 46 Rz. 4. 9) Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 46 Rz. 6; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 46 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 8; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 46 Rz. 4. 10) So aber zum GmbH-Recht – OLG Bremen, Urt. v. 6.5.1997 – 2 U 135/96, GmbHR 1998, 40. Zust. Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 46 Rz. 8; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 46 Rz. 23. Differenzierend – grundsätzlich Zeitpunkt der Abgabe, bei Angaben gegenüber Registergericht aber Eingang – Hüffer, AktG, § 46 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 1 . 11) So auch Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 8. Anders zum GmbH-Recht – maßgeblich ist Zeitpunkt der Eintragung – OLG Rostock, Urt. v. 2.2.1995 – 1 U 191/94, GmbHR 1995, 658 = BB 1995, 1920. 12) Hüffer, AktG, § 46 Rz. 11; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 46 Rz. 42. A. A. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 13. 13) Gegen die Verschuldensvemutung – K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 14 und 20. Differenzierend Pentz in: MünchKomm-AktG, § 46 Rz. 43 f. und 65 f.
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§ 46
Verantwortlichkeit der Gründer 3.
Ausfallhaftung (§ 46 Abs. 4)
Schließlich trifft die Gründer gegenüber der Gesellschaft eine Ausfallhaftung, wenn sie 18 die Beteiligung eines Gründers angenommen haben, obwohl sie wussten, dass dieser bereits bei Gründung zahlungs- bzw. leistungsunfähig war (§ 46 Abs. 4). Die Haftung der Gründer setzt voraus, dass die Gesellschaft einen Ausfall erleidet. Der 19 Ausfall muss darauf beruhen, dass ein Gründer nicht in der Lage ist, die versprochene Einlage (bei Bareinlagen wegen Zahlungsunfähigkeit und bei Sacheinlagen wegen Leistungsunfähigkeit) zu erbringen. Die Ausfallhaftung setzt nicht voraus, dass gegen den leistungsunfähigen Gründer zunächst Klage erhoben wird bzw. Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden. Die vorherige Durchführung eines Kaduzierungsverfahrens (§ 64) ist gleichfalls nicht erforderlich.14) Die Zahlungs- bzw. Leistungsunfähigkeit des Gründers muss bereits im Zeitpunkt der 20 Annahme der Beteiligung, d. h. bei Feststellung der Satzung (§ 23 Abs. 1 Satz 1) bestanden haben.15) Eine nachträglich eintretende Leistungsunfähigkeit begründet somit keine Ausfallhaftung der Gründer. Die Gründer trifft die Ausfallhaftung nur dann, wenn sie positive Kenntnis von der Zah- 21 lungs- bzw. Leistungsunfähigkeit hatten (siehe § 166 Abs. 1 BGB). Dies ist von der Gesellschaft darzulegen und zu beweisen. Das Verschulden der Gründer wird in diesem Fall nicht vermutet (§ 46 Abs. 3, der nur für die Haftung nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2, nicht aber nach § 46 Abs. 4 gilt).16) IV.
Umfang der Haftung
Die Gründer und ihre Hintermänner sind der Gesellschaft zum Schadensersatz ver- 22 pflichtet (§§ 249 ff. BGB). Die Gesellschaft ist dabei so zu stellen, wie sie bei einer ordnungsgemäßen Gründung stehen würde. Die Gründer sind insbesondere verpflichtet, fehlende Einzahlungen zu leisten und einen nicht ordnungsgemäß oder überhöht festgesetzten Gründungsaufwand zu ersetzen (§ 46 Abs. 1 Satz 3). Bei einer Überbewertung von Sacheinlagen haften die Gründer für die Differenz zwischen dem wirklichen Wert und dem festgesetzten Wert der Sache (einschließlich eines etwaigen Agios). Der Einwand des Mitverschuldens der Gesellschaft oder ihrer Organe ist aufgrund des Normzwecks allerdings ausgeschlossen (siehe §§ 254, 31 BGB).17) Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB).18) V.
Varia zur Haftung
Die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft verjähren in fünf Jahren (§ 51).
23
Die Gesellschaft kann nur eingeschränkt auf einen begründeten Ersatzanspruch ver- 24 zichten oder sich darüber vergleichen (§ 50). Gerichtsstand: §§ 12, 22 ZPO, nicht § 32 ZPO.
25
_____________ 14) Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 46 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 16. 15) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 46 Rz. 16; Hölters-Solveen, AktG, § 46 Rz. 18; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 46 Rz. 17. 16) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 15; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 46 Rz. 57. 17) BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 111/72, BGHZ 64, 52 = NJW 1975, 974. Hüffer, AktG, § 46 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 12; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 46 Rz. 67 ff. 18) Zu Regressfragen – K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 46 Rz. 23 ff.
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§ 47
Verantwortlichkeit anderer Personen neben den Gründern
§ 47 Verantwortlichkeit anderer Personen neben den Gründern Neben den Gründern und den Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, ist als Gesamtschuldner der Gesellschaft zum Schadenersatz verpflichtet, 1. wer bei Empfang einer Vergütung, die entgegen den Vorschriften nicht in den Gründungsaufwand aufgenommen ist, wußte oder nach den Umständen annehmen mußte, daß die Verheimlichung beabsichtigt oder erfolgt war, oder wer zur Verheimlichung wissentlich mitgewirkt hat; 2. wer im Fall einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen an der Schädigung wissentlich mitgewirkt hat; 3. wer vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren nach der Eintragung die Aktien öffentlich ankündigt, um sie in den Verkehr einzuführen, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben, die zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft gemacht worden sind (§ 46 Abs. 1), oder die Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen mußte. Übersicht I. Überblick ........................................... II. Gläubiger und Schuldner ................ III. Haftungstatbestand .......................... 1. Haftung wegen verheimlichter Vergütung (§ 47 Nr. 1) ..................... I.
1 4 6 6
2. Haftung wegen Mitwirkung bei der Schädigung (§ 47 Nr. 2) ............... 9 3. Haftung des Emittenten (§ 47 Nr. 3) ....................................... 10 IV. Varia zur Haftung ........................... 15
Überblick
1 Die Gründer (§ 46 Abs. 1 – 4 i. V. m. § 28) und deren Hintermänner (§ 46 Abs. 5) haften gegenüber der Gesellschaft für Schäden, die dieser im Zusammenhang mit der Gründung entstehen. Daneben haften der Gesellschaft aber auch noch weitere Personen auf Schadensersatz (§ 47). Dabei handelt es sich um die sog. Gründergenossen (§ 47 Nr. 1 und Nr. 2) und die Emittenten der Aktien (§ 47 Nr. 3). Gründergenosse ist insbesondere wer eine (heimliche) Vergütung empfängt, die in der Satzung nicht als Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) festgesetzt war (§ 47 Nr. 1), oder wer an der Schädigung der Gesellschaft wissentlich mitwirkt (§ 47 Nr. 2). Als Emittent der Aktien ist haftbar, wer Aktien durch öffentliche Ankündigung in den Verkehr bringt, obwohl ihm die Schädigung der Gesellschaft durch die Gründer bekannt war bzw. bekannt sein musste (§ 47 Nr. 3). Zweck der Vorschrift ist die Sicherung der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung durch eine Ausdehnung der Gründungshaftung. Die Haftung des Emittenten (§ 47 Nr. 3) dient darüber hinaus insbesondere auch dem Schutz der künftigen Aktionäre.1) 2 Die Haftung der Gründergenossen und der Emittenten ist verschuldensabhängig. Es handelt sich um eine spezifisch gesellschaftsrechtliche Haftung, die an die Mitwirkung der Beteiligten bei der Gründung der Gesellschaft anknüpft.2) _____________ 1) 2)
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Hölters-Solveen, AktG, § 47 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 47 Rz. 1; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 47 Rz. 1 f.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 47 Rz. 1 und 8; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 47 Rz. 4. Hölters-Solveen, AktG, § 47 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 47 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 47 Rz. 2.
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Verantwortlichkeit anderer Personen neben den Gründern
§ 47
Neben der aktienrechtlichen Haftung (nach § 47) kommen auch Schadensersatzansprüche 3 wegen unerlaubter Handlung (z. B. nach § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB oder § 399 Abs. 1 Nr. 3 AktG) in Betracht. Die Emittenten der Aktien können darüber hinaus auch nach zivilrechtlichen Prospekthaftungsgrundsätzen und wegen Verstoß gegen das Börsengesetz (z. B. nach §§ 44 ff. BörsG, § 13 VerkProspG) haften.3) II.
Gläubiger und Schuldner
Gläubiger des Anspruchs ist (wie bei der Gründungshaftung nach § 46) die Gesellschaft, die 4 mit Eintragung im Handelsregister als juristische Person entsteht (§ 48 Satz 1 i. V. m. § 41 Abs. 1 Satz 1). Die Vor-AG ist noch nicht anspruchsberechtigt. Ansprüche Dritter können aber nach allgemeinen Vorschriften (z. B. §§ 823 ff. BGB, §§ 44 ff. BörsG) bestehen. Schuldner des Anspruchs sind die Gründergenossen (§ 47 Nr. 1 und Nr. 2) und die 5 Emittenten der Aktien. Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner (§ 47 Halbs. 1 AktG i. V. m. §§ 421 ff. BGB). III.
Haftungstatbestand
1.
Haftung wegen verheimlichter Vergütung (§ 47 Nr. 1)
Die Haftung eines Gründergenossen setzt zunächst voraus, dass eine Vergütung in der 6 Satzung nicht ordnungsgemäß als Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2) festgesetzt und der Öffentlichkeit demnach verheimlicht worden ist.4) Die Haftung trifft zunächst dabei den Empfänger der Vergütung, der wusste oder an- 7 nehmen musste, dass die Verheimlichung beabsichtigt oder erfolgt war (§ 47 Nr. 1 Alt. 1). Neben dem Empfänger der Vergütung haftet der Gesellschaft aber auch, wer an der Verheimlichung des Gründungsaufwands wissentlich mitgewirkt hat (§ 47 Nr. 1 Alt. 2). Die Haftung richtet sich auf Schadensersatz (§§ 249 ff. BGB). Zum Schaden gehört zu- 8 mindest die zu Unrecht (§ 26 Abs. 3) geleistete Vergütung. Schadensersatzansprüche sind allerdings ausgeschlossen, wenn der Empfänger der Vergütung nicht schuldhaft gehandelt hat. In diesem Fall kommen allerdings – entgegen der h. M. – Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB i. V. m. § 26 Abs. 3 AktG) in Betracht.5) 2.
Haftung wegen Mitwirkung bei der Schädigung (§ 47 Nr. 2)
Gründer (§ 46 Abs. 2) und deren Hintermänner (§ 46 Abs. 5), die die Gesellschaft durch 9 Einlagen oder Sachübernahmen schädigen sind dieser zum Schadensersatz verpflichtet. Ebenso haften Gründergenossen, die an einer solchen Schädigung wissentlich mitwirken (§ 47 Nr. 2). Die Haftung setzt Vorsatz voraus; Fahrlässigkeit genügt nicht. 3.
Haftung des Emittenten (§ 47 Nr. 3)
Die Emittentenhaftung trifft denjenigen, der Aktien einer neu gegründeten Gesellschaft 10 zum Zwecke der Verkehrseinführung öffentlich ankündigt, obwohl er die objektiven Gründungsmängel (§ 46 Abs. 1 und 2) kannte oder hätte kennen müssen (§ 47 Nr. 3).6) _____________ 3) 4) 5)
6)
Hüffer, AktG, § 47 Rz. 13 f.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 47 Rz. 36 ff. Hölters-Solveen, AktG, § 47 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 47 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 47 Rz. 4; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 47 Rz. 13 ff. Pentz in: MünchKomm-AktG, § 47 Rz. 15. A. A. aber die ganz h. M., Hölters-Solveen, AktG, § 47 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 47 Rz. 6; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 47 Rz. 16; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 47 Rz. 5. Hölters-Solveen, AktG, § 47 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 47 Rz. 9; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 47 Rz. 22 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 47 Rz. 9 ff.
Thomas Wachter
269
§ 48
Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats
11 Die Haftung setzt zunächst voraus, dass die Aktien öffentlich angekündigt werden. Die Ankündigung muss sich an einen unbestimmten Personenkreis richten und kann mündlich, schriftlich oder über das Internet erfolgen. Die Ankündigung muss darauf gerichtet sein, die von den Gründern übernommenen Aktien (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2) käuflich zu erwerben. 12 Haftungsbegründend ist die Ankündigung nur dann, wenn sie bereits vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren danach erfolgt (siehe § 382 Abs. 2 FamFG, § 27 Abs. 4 HRV). Die Vorschrift gilt entsprechend für neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung, da auch in diesem Fall erstmalig Aktien aus dem Bereich der Gesellschaft in den allgemeinen Verkehr gebracht werden.7) Für die Frist ist in diesem Fall die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister maßgebend. 13 Die Haftung des Emittenten erfordert darüber hinaus, dass die Gründer zum Zwecke der Gründung der Gesellschaft objektiv unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht haben (§ 46 Abs. 1) oder die Gesellschaft durch Einlagen oder Sachübernahmen geschädigt worden ist (§ 46 Abs. 2). 14 Der Emittent (und nicht unbedingt auch der Gründer) muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Maßstab ist dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, der mit der Emission von Aktien befasst ist. Der Emittent muss die Ordnungsgemäßheit der Gründung daher vor einer entsprechenden Ankündigung von Aktien insoweit selbst prüfen.8) IV.
Varia zur Haftung
15 Die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft verjähren in fünf Jahren (§ 51). 16 Die Gesellschaft kann nur eingeschränkt auf einen begründeten Ersatzanspruch verzichten oder sich darüber vergleichen (§ 50). 17 Gerichtsstand: §§ 12, 22 ZPO, nicht § 32 ZPO. _____________ 7)
8)
Hölters-Solveen, AktG, § 47 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 47 Rz. 12; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 47 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 47 Rz. 14; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 47 Rz. 22 ff.; Spindler/Stilz-Gerber, AktG, § 47 Rz. 11. Hölters-Solveen, AktG, § 47 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 47 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 47 Rz. 12; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 47 Rz. 29.
§ 48 Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats 1
Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, die bei der Gründung ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet; sie sind namentlich dafür verantwortlich, daß eine zur Annahme von Einzahlungen auf die Aktien bestimmte Stelle (§ 54 Abs. 3) hierzu geeignet ist, und daß die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen. 2Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats bei der Gründung gelten im übrigen §§ 93 und 116 mit Ausnahme von § 93 Abs. 4 Satz 3 und 4 und Abs. 6.
270
Thomas Wachter
Verantwortlichkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats
§ 48
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Gläubiger und Schuldner ................. 4 III. Haftungstatbestand ........................... 6
IV. Umfang der Haftung ........................ 9 V. Varia zur Haftung ........................... 10
I. Überblick Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haften gegenüber der Gesellschaft 1 persönlich für etwaige Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Gründung (§ 48). Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Gesellschaft vor Schäden bei der Gründung und insbesondere die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung (siehe dazu auch § 48 Satz 1 Halbs. 2).1) Bei der Haftung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats handelt es sich um 2 eine verschuldensabhängige (siehe die Verweisung von § 48 Satz 2 auf § 93 Abs. 2), spezifisch gesellschaftsrechtliche Organhaftung.2) Neben der Gründungshaftung (nach § 48) kommen auch Schadensersatzansprüche wegen 3 unerlaubter Handlung (z. B. nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 399 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AktG oder § 266 StGB) in Betracht. II. Gläubiger und Schuldner Gläubiger des Anspruchs ist die Gesellschaft, die mit Eintragung im Handelsregister als 4 juristische Person entsteht (§ 48 Satz 1 i. V. m. § 41 Abs. 1 Satz 1). Die Vor-AG ist noch nicht anspruchsberechtigt (siehe auch § 51 Satz 2 Halbs. 1).3) Im Einzelfall können auch Gläubiger der Gesellschaft anspruchsberechtigt sein (§ 48 Satz 2 i. V. m. § 93 Abs. 5).4) Ansprüche Dritter können aber nach allgemeinen Vorschriften (z. B. §§ 823 ff. BGB) bestehen. Schuldner des Anspruchs sind die Mitglieder des Vorstands (einschließlich der Stellver- 5 treter, § 94) und des Aufsichtsrats (Ersatzmitglieder erst dann, wenn sie nachgerückt sind, § 101 Abs. 3). Der Anspruch richtet sich dabei nur gegen diejenigen Organmitglieder, die ihre Pflichten tatsächlich verletzt haben. Die Haftung trifft auch faktische Organmitglieder.5) Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner (§ 48 Satz 1 i. V. m. §§ 421 ff. BGB). III. Haftungstatbestand Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haften für eine Verletzung der ihnen 6 bei Gründung obliegenden Pflichten (§ 48 Satz 1 Halbs. 1). Das Gesetz erwähnt beispielhaft die Pflicht zur Prüfung, ob das Kreditinstitut, auf dessen Konto die Bareinlagen eingezahlt werden, als Zahlstelle geeignet ist (§ 54 Abs. 3), sowie die Verantwortung dafür, dass die eingezahlten Beträge zur freien Verfügung des Vorstands stehen (§ 48 Satz 1 Halbs. 2; siehe auch § 46 Abs. 1 Satz 2). Die allgemeinen Pflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats bleiben davon unberührt. Dazu gehören insbesondere die Pflicht zur Gründungsprüfung (§§ 33, 34) und zur Handelsregisteranmeldung der Gesellschaft (§ 36).6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Hölters-Solveen, AktG, § 48 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 48 Rz. 1; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 48 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 48 Rz. 1; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 48 Rz. 3. Hölters-Solveen, AktG, § 48 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 48 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 48 Rz. 1 und 3. Hüffer, AktG, § 48 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 48 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 48 Rz. 7. Hölters-Solveen, AktG, § 48 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 48 Rz. 2. Hölters-Solveen, AktG, § 48 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 48 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 48 Rz. 4; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 48 Rz. 13 ff.
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§ 49
Verantwortlichkeit der Gründungsprüfer
Hinzu kommen die allgemeine Pflicht zur Verschwiegenheit (§§ 93 Abs. 1 Satz 3, 116 Satz 2) und die Verpflichtung des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung durch den Vorstand zu überwachen (§ 111 Abs. 1). 7 Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben ihre Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu erfüllen (§ 48 Satz 2 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 1, 116).7) Ist streitig, ob sie diese Sorgfalt angewandt haben, trifft die Mitglieder des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats die Beweislast (§ 48 Satz 2 i. V. m. § 93 Abs. 2 Satz 2). 8 Eine Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft ist ausgeschlossen, wenn die Handlung des Vorstands oder Aufsichtsrats auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht (§ 48 Satz 2 i. V. m. § 93 Abs. 4 Satz 1).8) IV.
Umfang der Haftung
9 Die schuldhaft handelnden Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sind der Gesellschaft zum Schadensersatz (§§ 249 ff. BGB) verpflichtet. Der Anspruch umfasst insbesondere auch solche Schäden, die aufgrund nicht oder nicht ordnungsgemäß geleisteter Einlagen entstehen (z. B. Überbewertung von Sacheinlagen). V.
Varia zur Haftung
10 Die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft verjähren in fünf Jahren (§ 51; § 93 Abs. 6 findet dagegen gemäß § 48 Satz 2 keine Anwendung). 11 Die Gesellschaft kann nur eingeschränkt auf einen begründeten Ersatzanspruch verzichten oder sich darüber vergleichen (§ 50; § 93 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 findet dagegen gemäß § 48 Satz 2 keine Anwendung). 12 Gerichtsstand: §§ 12, 29 ZPO, nicht § 32 ZPO. _____________ 7) 8)
Zur eingeschränkten Anwendbarkeit des Haftungsprivilegs des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG s. Spindler/ Stilz-Gerber, AktG, § 48 Rz. 5. Krit. dazu Hüffer, AktG, § 48 Rz. 3.
§ 49 Verantwortlichkeit der Gründungsprüfer § 323 Abs. 1 bis 4 des Handelsgesetzbuchs über die Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers gilt sinngemäß. Literatur: Heutz/Parameswaran, Prüfungspflichten eines Sachkapitalerhöhungsprüfers in der AG, ZIP 2011, 1650.
1 In bestimmten Fällen muss die Gründung einer AG im Interesse der Einhaltung aller gesetzlichen Gründungsvorschriften zusätzlich von einem externen Gründungsprüfer überprüft werden (§ 33 Abs. 2). Zu Gründungsprüfern werden in der Praxis vor allem Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestellt (siehe § 33 Abs. 4 und 5). Die Haftung der Gründungsprüfer richtet sich nach den Vorschriften über die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers (§ 49 i. V. m. § 323 Abs. 1 – 4 HGB). Zweck der Regelung ist es, etwaige Schäden bei Gründung der AG möglichst zu vermeiden und insbesondere die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung zu sichern.1) _____________ 1)
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Hölters-Solveen, AktG, § 49 Rz. 1 und 4; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, 49 Rz. 2; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 49 Rz. 1; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 49 Rz. 6.
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§ 50
Verzicht und Vergleich
Der Gründungsprüfer ist u. a. zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur 2 Verschwiegenheit verpflichtet (§ 323 Abs. 1 Satz 1 HGB i. V. m. § 34 AktG). In der Praxis ist vor allem die richtige Bewertung von etwaigen Sacheinlagen oder Sachübernahmen von entscheidender Bedeutung (siehe § 34 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2). Im Falle einer schuldhaften Pflichtverletzung ist der Gründungsprüfer der Gesellschaft gegenüber (und auch verbundenen Unternehmen, wobei strittig ist, ob diese nach § 152) oder nach § 271 Abs. 2 HGB3) zu bestimmen sind) zum Schadensersatz verpflichtet (§ 323 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HGB).4) Bei Vorsatz ist die Haftung unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 323 Abs. 2 und 4 HGB). Bei (einfacher oder grober) Fahrlässigkeit ist die Haftung auf eine Million Euro je Prüfung beschränkt (§ 323 Abs. 2 Satz 1 HGB; wegen § 41 Abs. 4 Satz 1 kann die erhöhte Haftungssumme von vier Millionen nach § 323 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht zur Anwendung kommen). Die Haftung ist zwingend (§ 323 Abs. 4 HGB). Etwaige Schadensersatzansprüche verjähren grundsätzlich in drei Jahren (§§ 195, 199 BGB, nicht § 51 AktG, da dort § 49 nicht genannt ist). Gerichtsstand: §§ 12, 29 ZPO, nicht § 32 ZPO. Neben der gründungsrechtlichen Haftung können noch weitere Schadensersatzansprüche 3 (z. B. nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 403, 404) gegen den Gründungsprüfer bestehen.5) In Einzelfällen kann der beurkundende Notar die Prüfung anstelle eines Gründungsprü- 4 fers vornehmen (§ 33 Abs. 3). Die Verantwortlichkeit des Notars richtet sich ausschließlich nach den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesnotarordnung (§ 19 BNotO, und nicht nach § 49). Der Notar haftet danach unbegrenzt und unbegrenzbar. _____________ 2) 3) 4) 5)
So Hölters-Solveen, AktG, § 49 Rz. 8. So M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 49 Rz. 6; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 49 Rz. 10. Dazu BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 111/72, BGHZ 64, 52 = NJW 1975, 974. Hölters-Solveen, AktG, § 49 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 49 Rz. 3.
§ 50 Verzicht und Vergleich 1
Die Gesellschaft kann auf Ersatzansprüche gegen die Gründer, die neben diesen haftenden Personen und gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§§ 46 bis 48) erst drei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und nur dann verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. 2Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Literatur: Heer, Unternehmensakquisitionen im Wege der Sachkapitalerhöhung – im Spannungsfeld zwischen Differenzhaftung und verbotenem Erwerb eigener Aktien, ZIP 2012, 2325; Verse, (Gemischte) Sacheinlagen, Differenzhaftung und Vergleich über Einlageforderungen, ZGR 2012, 875; Weng, Aktienrechtliche Differenzhaftung bei Sacheinlagen, DStR 2012. 862; Wieneke, Die Differenzhaftung des Inferenten und die Zulässigkeit eines Vergleichs über ihre Höhe, NZG 2012, 136.
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§ 50
Verzicht und Vergleich Übersicht
I. Überblick ........................................... II. Wirksamer Verzicht und Vergleich ........................................... 1. Schadensersatzansprüche .................. 2. Verzicht und Vergleich ..................... I.
1 2 2 3
3. Drei Jahre nach Eintragung im Handelsregister ................................... 4 4. Zustimmung der Hauptversammlung ............................................ 6 5. Kein Widerspruch der Minderheit ..... 7 6. Wirkungen .......................................... 8
Überblick
1 Die AG kann auf Schadensersatzansprüche, die ihr im Zusammenhang mit der Gründung (nach §§ 46 – 48) zustehen, nur eingeschränkt verzichten oder sich darüber vergleichen (§ 50). Zweck der Vorschrift ist die Sicherung der Kapitalaufbringung und der Schutz der Minderheiten.1) Ein Verzicht bzw. Vergleich auf Schadensersatzansprüche soll demnach erst dann möglich sein, wenn die Gründung abgeschlossen ist, der Einfluss der Gründer auf die Gesellschaft und ihre Organe durch Zeitablauf (drei Jahre) abgenommen hat und der mögliche Schaden zuverlässig absehbar ist. Die Disposition über die Schadensersatzansprüche steht allerdings auch dann nicht allein im Belieben der Mehrheit der Aktionäre, weil andernfalls die gesetzlichen Minderheitenrechte (§§ 147 f.) ausgehebelt werden könnten (insoweit anders § 9b Abs. 1 GmbHG). Eine Parallelvorschrift besteht für Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder (§ 93 Abs. 4 Sätze 3 und 4). II.
Wirksamer Verzicht und Vergleich
1.
Schadensersatzansprüche
2 Die Vorschrift gilt nur für die Schadensersatzansprüche gegen die Gründer, die neben diesen haftenden Personen und gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (nach §§ 46 – 48). Schadensersatzansprüche aus anderem Rechtsgrund (z. B. § 49, oder §§ 280 ff., 823 ff. BGB) oder gegen andere Personen (z. B. die Gründungsprüfer) werden nicht erfasst. Insoweit ist ein Verzicht bzw. Vergleich nach allgemeinen Grundsätzen möglich.2) Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf einen Vergleich über einen Differenzhaftungsanspruch der Gesellschaft scheidet aus.3) 2.
Verzicht und Vergleich
3 Verzicht meint den Abschluss eines Erlassvertrages (§ 397 Abs. 1 BGB) oder ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB). Vergleich ist sowohl der Vergleichsvertrag (§ 779 BGB) als auch der Prozessvergleich. Nach dem Normzweck sind auch alle sonstigen Rechtsgeschäfte erfasst, die in ihrer Wirkung einem Verzicht oder Vergleich entsprechen. Beispiele dafür sind etwa ein Klageverzicht (§ 306 ZPO), ein Anerkenntnis (§ 307 ZPO), die Annahme einer nicht werthaltigen Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) oder die (langfristige bzw. nicht gesicherte) Stundung einer Forderung.4) _____________ 1) 2) 3)
4)
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Hölters-Solveen, AktG, § 50 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 50 Rz. 1; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 50 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 50 Rz. 1; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 50 Rz. 7. Hölters-Solveen, AktG, § 50 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 50 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 50 Rz. 2. BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock Borsig), BGHZ 191, 364 = ZIP 2012, 73, dazu EWiR 2012, 129 (Vosberg/Klawa). – Ausführlich dazu Heer, ZIP 2012, 2325; Verse, ZGR 2012, 875; Weng, DStR 2012. 862; Wienecke, NZG 2012, 136. Hölters-Solveen, AktG, § 50 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 50 Rz. 3. Zu Schiedsvereinbarungen s. M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 50 Rz. 11.
Thomas Wachter
§ 50
Verzicht und Vergleich 3.
Drei Jahre nach Eintragung im Handelsregister
Ein Verzicht oder Vergleich ist grundsätzlich erst drei Jahre nach Eintragung der Gesell- 4 schaft in das Handelsregister (siehe § 382 Abs. 2 FamFG, § 27 Abs. 4 HRV) möglich (§ 50 Satz 1 i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Rechtsgeschäfte vor Ablauf der dreijährigen Frist sind nichtig (§ 134 BGB).5) Eine Ausnahme von der Drei-Jahres-Frist (aber nur von dieser) gilt dann, wenn der Er- 5 satzpflichtige zahlungsunfähig (§ 17 Abs. 2 InsO) (oder überschuldet, § 19 InsO)6) ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht (§§ 213 ff. InsO), oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO) geregelt ist (§ 50 Satz 2).7) Entscheidend ist dabei stets, dass der Verzicht oder der Vergleich der Gesellschaft gegenüber der voraussichtlichen Insolvenzquote einen Mehrerlös sichert. Die Zustimmung der Hauptversammlung ist aber auch in diesem Fall erforderlich. Ebenso ist ein Widerspruch der Minderheit beachtlich. 4.
Zustimmung der Hauptversammlung
Der Verzicht bzw. Vergleich bedarf zu seiner Wirksamkeit darüber hinaus der Zustim- 6 mung der Hauptversammlung (§ 48 Satz 1 AktG i. V. m. § 182 BGB). Der Beschluss bedarf grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 133 Abs. 1), wobei dem Betroffenen kein Stimmrecht zusteht (§ 136).8) Ein ohne die Zustimmung der Hauptversammlung geschlossener Verzicht oder Vergleich ist schwebend unwirksam (§§ 177 ff. BGB). Die Vertretungsmacht des Vorstands (§ 78) ist durch den Zustimmungsvorbehalt eingeschränkt. 5.
Kein Widerspruch der Minderheit
Die Wirksamkeit des Verzichts bzw. Vergleichs setzt schließlich noch voraus, dass nicht 7 eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals (§ 6) erreicht, zur Niederschrift (§ 130) Widerspruch erhoben hat (§ 50 Satz 1; siehe §§ 147 f.). Ein Widerspruch ist nicht mehr möglich, wenn der Aktionär für den Beschluss gestimmt hat.9) Die Stimmabgabe gegen den Beschluss ist für sich genommen allerdings noch kein Widerspruch und daher nicht ausreichend.10) 6.
Wirkungen
Ein (nach § 50) wirksamer Verzicht oder Vergleich wirkt gegenüber jedermann.
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_____________ Hüffer, AktG, § 50 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 50 Rz. 4. Hölters-Solveen, AktG, § 50 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 50 Rz. 5. Dazu M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 50 Rz. 18 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 50 Rz. 17 ff. M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 50 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 50 Rz. 6; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 50 Rz. 22. 9) M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 50 Rz. 17. A. A. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 50 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 50 Rz. 23. 10) Pentz in: MünchKomm-AktG, § 50 Rz. 4 und 23. 5) 6) 7) 8)
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§ 51
Verjährung der Ersatzansprüche
§ 51 Verjährung der Ersatzansprüche 1 Ersatzansprüche der Gesellschaft nach den §§ 46 bis 48 verjähren in fünf Jahren. 2Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung.
1 Die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft (nach §§ 46 – 48 AktG, nicht aber auch solche nach § 49 AktG oder nach §§ 823 ff. BGB)11) verjähren in fünf Jahren (§ 51 Satz 1 i. V. m. §§ 187 ff. BGB). Die Vorschrift soll gewährleisten, dass die Verjährung erst dann eintritt, wenn die der Gesellschaft bei der Gründung entstandenen Nachteile aufgedeckt worden sind.12) 2 Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (§ 51 Satz 1 AktG i. V. m. § 382 Abs. 2 FamFG, § 27 Abs. 4 HRV). Ist die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung allerdings erst nach der Eintragung im Handelsregister begangen worden, beginnt auch die Verjährung erst mit der Vornahme der Handlung (§ 51 Satz 2). Im Übrigen gelten für die Verjährung die allgemeinen Vorschriften. 3 Eine Verkürzung der Verjährung ist aufgrund des zwingenden Charakters der Haftung unzulässig.13) Eine Verlängerung der Verjährung auf bis zu 30 Jahre ist dagegen möglich (siehe § 202 Abs. 2 BGB).14) 4 Für Ausgleichsansprüche unter mehreren Gesamtschuldnern (§§ 421 ff., 426 BGB) gilt die regelmäßige Verjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB).15) _____________ 11) Hölters-Solveen, AktG, § 51 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 51 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 51 Rz. 3 f. 12) Hölters-Solveen, AktG, § 51 Rz. 1; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 51 Rz. 2; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 51 Rz. 2. 13) Hölters-Solveen, AktG, § 51 Rz. 4. 14) S. aber K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 51 Rz. 2 – zwingende Verjährungsfrist von fünf Jahren. 15) Hölters-Solveen, AktG, § 51 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 51 Rz. 4.
§ 52 Nachgründung (1) 1Verträge der Gesellschaft mit Gründern oder mit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Aktionären, nach denen sie vorhandene oder herzustellende Anlagen oder andere Vermögensgegenstände für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, und die in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden, werden nur mit Zustimmung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam. 2Ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung im Handelsregister sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung unwirksam. (2) 1Ein Vertrag nach Absatz 1 bedarf der schriftlichen Form, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist. 2Er ist von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. 3Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich 276
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§ 52
Nachgründung
eine Abschrift zu erteilen. 4Die Verpflichtungen nach den Sätzen 2 und 3 entfallen, wenn der Vertrag für denselben Zeitraum über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich ist. 5In der Hauptversammlung ist der Vertrag zugänglich zu machen. 6Der Vorstand hat ihn zu Beginn der Verhandlung zu erläutern. 7Der Niederschrift ist er als Anlage beizufügen. (3) 1Vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat den Vertrag zu prüfen und einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht). 2 Für den Nachgründungsbericht gilt sinngemäß § 32 Abs. 2 und 3 über den Gründungsbericht. (4) 1Außerdem hat vor der Beschlußfassung eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer stattzufinden. 2§ 33 Abs. 3 bis 5, §§ 34, 35 über die Gründungsprüfung gelten sinngemäß. 3Unter den Voraussetzungen des § 33a kann von einer Prüfung durch Gründungsprüfer abgesehen werden. (5) 1Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. 2Wird der Vertrag im ersten Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen. 3Die Satzung kann an Stelle dieser Mehrheiten größere Kapitalmehrheiten und weitere Erfordernisse bestimmen. (6) 1Nach Zustimmung der Hauptversammlung hat der Vorstand den Vertrag zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Der Anmeldung ist der Vertrag mit dem Nachgründungsbericht und dem Bericht der Gründungsprüfer mit den urkundlichen Unterlagen beizufügen. 3Wird nach Absatz 4 Satz 3 von einer externen Gründungsprüfung abgesehen, gilt § 37a entsprechend. (7) 1Bestehen gegen die Eintragung Bedenken, weil die Gründungsprüfer erklären oder weil es offensichtlich ist, daß der Nachgründungsbericht unrichtig oder unvollständig ist oder den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht oder daß die für die zu erwerbenden Vermögensgegenstände gewährte Vergütung unangemessen hoch ist, so kann das Gericht die Eintragung ablehnen. 2Enthält die Anmeldung die Erklärung nach § 37a Abs. 1 Satz 1, gilt § 38 Abs. 3 entsprechend. (8) Einzutragen sind der Tag des Vertragsschlusses und der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der oder die Vertragspartner der Gesellschaft. (9) Vorstehende Vorschriften gelten nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände im Rahmen der laufenden Geschäfte der Gesellschaft, in der Zwangsvollstreckung oder an der Börse erfolgt. (10) (aufgehoben) Literatur: Bayer/J. Schmidt, Die Reform der Kapitalaufbringung bei der Aktiengesellschaft durch das ARUG, ZGR 2009, 805; Dormann/Fromholzer, Offene Fragen der Nachgründung nach dem NaStraG, AG 2001, 242; Drygala, Die aktienrechtliche Nachgründung zwischen Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, in: Festschrift für Ulrich Huber, 2006, S. 691; Eisolt, Neuregelung der Nachgründung durch das Namensaktiengesetz, DStR 2001, 748; Grub/Fabian, Die Anwendung der Nachgründungsvorschriften auf Sachkapitalerhöhungen, AG 2002, 614; Habersack, Verdeckte (gemischte) Sacheinlage, Sachübernahme und Nachgründung im Aktienrecht, ZGR 2008, 48; Hartmann/Barcaba, Die Anforderungen an den Bericht des Aufsichtsrats im Nachgründungsverfahren, AG 2001, 437; Herrler/Reymann, Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG, DNotZ 2009, 815 (Teil 1) und DNotZ 2009, 914 (Teil 2); Koch, Die Nachgründung, 2002; Lieder, Rechtsfragen der aktienrechtlichen Nachgründung nach ARUG, ZIP 2010, 964; Martens, Die Nachgründungskontrolle bei Einheit von Aktienerwerb und Ver-
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Nachgründung
kehrsgeschäften, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 427; Mülbert, Anwendung der Nachgründungsvorschriften auf die Sachkapitalerhöhung?, AG 2003, 136; Pentz, Die Änderungen des Nachgründungsrechts durch das NaStraG – Ein Austausch alter durch neue Probleme, NZG 2001, 346; Priester, Neue Regelungen zur Nachgründung – Die Entschärfung des § 52 AktG, DB 2001, 467; Reichert, Probleme der Nachgründung nach altem und neuem Recht, ZGR 2001, 554; Reul, Aktuelle Änderungen des Aktienrechts aus notarieller Sicht, ZNotP 2010, 12 (Teil 1) und ZNotP 2010, 44 (Teil 2); Schwab, Die Nachgründung im Aktienrecht, 2003; Vetter, Schutz gegen Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln bei der AG, Überlegungen de lege ferenda, in: Festschrift für Hans-Jürgen Hellwig, 2010, S. 373; Walter/ Hald, Nachgründungsvorschriften bei der Holding-AG zu beachten?, DB 2001, 1183; Weißhaupt, Die Heilung „vergessener“ Nachgründungsgeschäfte, ZGR 2005, 726; Werner, Zum Anwendungsbereich von § 52 AktG nach der Neufassung durch das NaStraG, ZIP 2001, 1403.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Anwendungsbereich ........................ 5 III. Tatbestand der Nachgründung (§ 52 Abs. 1) ..................................... 10 1. Nachgründungsvertrag .................... 10 2. Vertragsparteien ............................... 12 3. Vertragsgegenstand ......................... 16 4. Zwei-Jahres-Frist ............................. 19 5. Vergütung ........................................ 21 IV. Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages (§ 52 Abs. 1 bis Abs. 8) .. 24 1. Schriftform (§ 52 Abs. 2 Satz 1) ..... 24 2. Publizität des Nachgründungsvertrages (§ 52 Abs. 2 Satz 2 bis Satz 7) ............................................... 26 3. Prüfung und Berichterstattung (§ 52 Abs. 3 und Abs. 4) ................. 33
4. 5.
V. 1. 2. 3.
I.
a) Interne Nachgründungsprüfung durch den Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 3) ................ 33 b) Externe Nachgründungsprüfung (§ 52 Abs. 4) ................. 35 Zustimmung der Hauptversammlung (§ 52 Abs. 5) ................... 37 Eintragung im Handelsregister (§ 52 Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 8) ..... 43 a) Anmeldung (§ 52 Abs. 6) .......... 43 b) Prüfung durch das Registergericht (§ 52 Abs. 7) .................. 46 c) Eintragung im Handelsregister (§ 52 Abs. 8) ............................... 48 Ausnahmen (§ 52 Abs. 9) ............... 51 Laufende Geschäfte .......................... 51 Erwerb in der Zwangsvollstreckung ........................................... 54 Erwerb an der Börse ......................... 55
Überblick
1 Eine neu gegründete AG kann Vermögensgegenstände von ihren Gründern und Aktionären grundsätzlich nur dann wirksam erwerben, wenn dabei die gesetzlichen Regelungen über die Nachgründung eingehalten werden (§ 52). Zu diesen Schutzvorschriften gehört u. a. eine Prüfung des gesamten Nachgründungsvertrags durch den Aufsichtsrat und externe Prüfer, die Zustimmung der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit und die Eintragung in das Handelsregister. Die Vorschrift ist zwingend.1) 2 Zweck der Vorschrift ist die Sicherstellung der effektiven Kapitalaufbringung (nicht auch der Kapitalerhaltung).2) Im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der Gesellschaft _____________ 1) 2)
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K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 3; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 5. S. dazu (vor ARUG) BGH, Urt. v. 18.2.2008 – II ZR 132/06 (Rheinmöve), BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788, dazu EWiR 2008, 513 (Weipert); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 (Lurgi), BGHZ 173, 145 = ZIP 2007, 1751, dazu EWiR 2009, 557 (Goslar); BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR 164/88, BGHZ 110, 47 = ZIP 1990, 156, dazu EWiR 1990, 223 (Lutter). Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 52 Rz. 1; Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 1; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 2; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 5; Spindler/ Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 4 ff.
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Nachgründung
soll insbesondere eine Umgehung der Vorschriften über die Sachgründung (§ 27) verhindert werden. Die Vertretungsmacht des Vorstands wird bewusst eingeschränkt, um ihn vor einer unzulässigen Beeinflussung durch Gründer und Aktionäre zu schützen. Die Vorschriften über die Nachgründung (§ 52) und über die verdeckten Sacheinlagen 3 (§ 27 Abs. 3) sind voneinander unabhängig und bestehen selbständig nebeneinander.3) Beide überschneiden sich in Teilbereichen, aber keineswegs vollständig. Beispielsweise können Dienstleistungen nicht Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage (siehe § 27 Abs. 2 Halbs. 2),4) aber durchaus Gegenstand eines Nachgründungsvertrages sein. Treffen verdeckte Sacheinlage und Nachgründung im Einzelfall zusammen, sind die Nachgründungsvorschriften vorrangig. Denn eine Anrechnung des Werts einer verdeckten Sacheinlage kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn der Nachgründungsvertrag wirksam ist. Die Vorschrift (des § 52) wurde zuletzt durch das ARUG5) geändert. Neu eingefügt 4 wurde die Möglichkeit, die Aktionäre der Gesellschaft vor der Hauptversammlung auch über die Internetseite der Gesellschaft zu informieren (§ 52 Abs. 2 Satz 4; siehe auch §§ 179a Abs. 2 Satz 3, 293f Abs. 3). Ferner wurden die Nachgründungsvorschriften um die neue Möglichkeit einer (vereinfachten) Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung (siehe §§ 33a, 37a, 38 Abs. 3) erweitert (§ 52 Abs. 4 Satz 3, Abs. 6 Satz 3, Abs. 7 Satz 2). Schließlich wurde die bisherige Regelung über das Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage im Hinblick auf deren Neuregelung (§ 27 Abs. 3) ersatzlos gestrichen (§ 52 Abs. 10 AktG a. F.). Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/2013 sollten die Strafbarkeitslücken, die aufgrund eines Redaktionsversehens entstanden sind, geschlossen werden.6) II.
Anwendungsbereich
Die Nachgründung setzt voraus, dass die AG bereits im Handelsregister eingetragen ist 5 (§ 52 Abs. 1 Satz 1). Auf die Vorgesellschaft ist die Regelung daher nicht anwendbar.7) Für Einpersonengesellschaften bestehen aufgrund des zwingenden Charakters der Vor- 6 schrift keine Ausnahmen.8) Für den Erwerb von Vorrats- und Mantelgesellschaften gilt die Vorschrift nach ihrem 7 Normzweck entsprechend.9) Erwerber einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft müssen die Nachgründungsvorschriften daher zwei Jahre nach Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung10) beachten. Auf Sachkapitalerhöhungen innerhalb von zwei Jahren seit Eintragung der Gesellschaft 8 finden die Nachgründungsvorschriften aufgrund ihres Schutzzwecks entsprechende An_____________ 3) Ausführlich dazu K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 52 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 55, und Spindler/Stilz-Heidinger/Benz, AktG, § 27 Rz. 114 ff. 4) BGH, Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 (Eurobike), BGHZ 184, 158 = ZIP 2010, 423, dazu EWiR 2010, 169 (Lieder); BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 120/07 (Qivive), BGHZ 180, 38 = ZIP 2009, 713, dazu EWiR 2009, 443 (Schodder). 5) Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 34 ff. 6) S. Einf., Rz. 24 ff. 7) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 21; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 7; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 52 Rz. 7; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 8. Anders wohl Hüffer, AktG, § 52 Rz. 3. 8) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 10. A. A. im Zusammenhang mit einer Sachkapitalerhöhung OLG Hamm, Beschl. v. 22.1.2008 – 15 W 246/07, ZIP 2008, 1475, dazu EWiR 2008, 291 (v. Hase). 9) M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 19. 10) Wie hier Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 21. Anders wohl K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 24 – Fristbeginn schon mit der wirtschaftlichen Neugründung.
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wendung (obwohl § 183 Abs. 3 nicht auf § 52 verweist).11) Gleiches gilt für die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals mit Sacheinlagen und eine bedingte Sachkapitalerhöhung.12) 9 Auf bestimmte Umwandlungsvorgänge finden die Nachgründungsvorschriften entsprechende Anwendung (siehe etwa §§ 67, 141, 197 Satz 1, 220 Abs. 3 Satz 2, 245 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 UmwG).13) III.
Tatbestand der Nachgründung (§ 52 Abs. 1)
1.
Nachgründungsvertrag
10 Eine Nachgründung liegt vor, wenn die Gesellschaft in den ersten zwei Jahren seit ihrer Eintragung im Handelsregister mit den Gründern oder mit mehr als 10 % des Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Aktionären einen Vertrag über den Erwerb von Vermögensgegenständen für eine 10 % des Grundkapitals übersteigende Vergütung abschließt (§ 52 Abs. 1 Satz 1; zu Ausnahmen siehe § 52 Abs. 8). Bei der Nachgründung handelt es sich somit (anders als Wortlaut und systematische Stellung der Vorschrift nahelegen) nicht um einen Gründungsvorgang, sondern um den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages durch die bereits gegründete Gesellschaft, der aufgrund seiner zeitlichen und sachlichen Nähe zur Gründung und der damit verbundenen Gefährdung für die effektive Kapitalaufbringung ähnlichen Schutzvorschriften wie die eigentliche Gründung unterworfen wird.14) 11 Die Vorschriften über die Nachgründung gelten für alle schuldrechtlichen Verträge, die für die Gesellschaft entsprechende Verpflichtungen vorsehen.15) Art und Bezeichnung des Vertrages sind dabei ohne Bedeutung. Erfasst werden insbesondere auch Vorverträge und Optionsverträge. Dagegen ist der Abschluss eines Unternehmensvertrages (§§ 291 ff.) kein Nachgründungsvorgang, da die konzernrechtlichen Vorschriften insoweit vorrangig sind.16) Für stille Beteiligungen ist dagegen keine generelle Ausnahme anzuerkennen.17) 2.
Vertragsparteien
12 Vertragsparteien des Nachgründungsvertrages sind zum einen die neu gegründete AG und zum anderen die Gründer oder mit mehr als 10 % am Grundkapital beteiligten Aktionäre (§ 52 Abs. 1 Satz 1). Nicht erfasst werden somit Verträge mit Dritten oder mit Aktionären, die mit weniger als 10 % am Grundkapital beteiligt sind. 13 Die AG ist mit ihrer Eintragung in das Handelsregister entstanden und wird durch ihren Vorstand (§ 78) vertreten. 14 Gründer sind die Aktionäre der Gesellschaft, die die Satzung festgestellt haben und mindestens eine Aktie übernommen haben (siehe §§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 28). Die Nachgründungsvorschriften gelten nicht für solche Gründer, die bereits vor der Eintragung im _____________ 11) OLG Oldenburg, Beschl. 20.6.2002 – 5 W 95/02, AG 2002, 620, dazu EWiR 2003, 297 (Schwab). Hölters-Solveen, § 52 Rz. 19; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 11; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 9 f.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 10, Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 73 ff.; Spindler/ Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 48, jeweils auch m. N. zur Gegenauffassung. 12) M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 10. 13) Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 46 f. 14) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 2; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 13. 15) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 12; Spindler/StilzHeidinger, AktG, § 52 Rz. 11 ff. 16) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 5 und 20; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 13; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 13; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 14. 17) A. A. K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 13; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 14.
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Nachgründung
Handelsregister wieder aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Umgekehrt werden auch solche Gründer erfasst, die der Gesellschaft erst später, aber noch vor Handelsregistereintragung beigetreten sind.18) Neben den Gründern kommen als Vertragspartei auch Aktionäre in Betracht, die mit 15 mehr als 10 % am Grundkapital beteiligt sind. Für die Beteiligungsquote des Aktionärs ist der Tag des Abschlusses des Nachgründungsvertrages (und nicht etwa die Gründung der Gesellschaft) maßgebend.19) Bei einer Sachkapitalerhöhung bleiben die neu erworbenen Anteile somit außer Betracht.20) Nach dem Gesetzeswortlaut müssen die Aktionäre mit mehr als 10 % am Grundkapital beteiligt sein, so dass Aktionäre mit einer Beteiligung i. H. v. genau 10 % nicht erfasst sind. Aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift werden jedoch alle Aktionäre mit einer Beteiligungsquote von mindestens 10 % erfasst.21) Für die Bestimmung der Beteiligungsquote können dem Aktionär insbesondere zur Vermeidung einer Umgehung der Nachgründungsvorschriften im Einzelfall auch Beteiligungen Dritter (z. B. von Treuhändern, abhängigen Gesellschaften oder nahestehenden Personen) zuzurechnen sein.22) 3.
Vertragsgegenstand
Der Nachgründungsvertrag muss auf den Erwerb von vorhandenen oder herzustellenden 16 Anlagen oder anderen Vermögensgegenständen gerichtet sein (§ 52 Abs. 1 Satz 1). Gegenstand eines Nachgründungsvertrages können damit alle Vermögensgegenstände (unabhängig von Art, Umfang und Wert) sein.23) Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob der Vermögensgegenstand auch Gegenstand einer Sacheinlage sein könnte, so dass sich Nachgründungsverträge bspw. auch auf Dienstleistungen beziehen können (siehe § 27 Abs. 2 Halbs. 2).24) Die Vorschriften über die Nachgründung gelten insbesondere auch für den Erwerb von 17 Beteiligungen an anderen Unternehmen (gleich welcher Rechtsform). Bei der Gründung von Tochtergesellschaften ist zu unterscheiden: Gründet die AG al- 18 leine eine 100 %ige Tochtergesellschaft scheidet eine Nachgründung schon deshalb aus, weil es sich dabei um ein einseitiges Rechtsgeschäft und nicht um einen Vertrag handelt.25) Gründet die AG dagegen zusammen mit ihren eigenen Gründern bzw. wesentlich beteiligten Aktionären eine Tochtergesellschaft handelt es sich dabei zwar um einen Vertrag, doch ist dies kein schuldrechtlicher Austauschvertrag i. S. der Nachgründungsregelung, sondern ein schuld- und organisationsrechtlicher Gründungsvertrag. Allerdings erscheint eine analoge Anwendung der Nachgründungsvorschriften geboten, um die
_____________ 18) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 15. 19) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 16. 20) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 19. Ebenso, aber mit Bedenken K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 17; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 42. Anders M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 10; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 14. 21) Zutreffend K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 6 und 11; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 4, 14 und 21; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 24. 22) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 6; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 16; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 52 Rz. 14 und 18; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 25. 23) M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 18 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 20. 24) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 52 Rz. 5; Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 21; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 32. 25) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 52 Rz. 11; Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 20; K. Schmidt/LutterBayer, AktG, § 52 Rz. 22; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 18.
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Interessen der Aktionäre und Gläubiger sachgerecht zu schützen.26) Entsprechendes gilt auch für Kapitalerhöhungen bei Tochtergesellschaften.27) 4.
Zwei-Jahres-Frist
19 Eine Nachgründung liegt nur vor bei Verträgen, die in den ersten zwei Jahren seit Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen werden (§ 52 Abs. 1 Satz 1). Die Frist beginnt mit dem Tag der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister (siehe §§ 39 Abs. 1, 41 Abs. 1 Satz 1 AktG; § 382 Abs. 2 FamFG). Für die Berechnung der Frist gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Maßgebend für die Zwei-Jahres-Frist ist der Tag des Vertragsabschlusses.28) Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag aufgrund einer Bedingung oder Befristung erst später wirksam wird. Der Zeitpunkt des Leistungsaustauschs ist ohne Bedeutung. 20 Ein Vertrag, der innerhalb der Zwei-Jahres-Frist ohne Einhaltung der Nachgründungsvorschriften geschlossen worden ist, wird allein durch Fristablauf nicht wirksam. Möglich ist aber eine Neuvornahme oder Bestätigung des Vertrages (§ 141 BGB) mit Wirkung ex nunc.29) Der Vorstand der Gesellschaft kann den schwebend unwirksamen Vertrag aber auch (einseitig) genehmigen, so dass dieser ex tunc wirksam wird (siehe § 108 Abs. 3 BGB analog und §§ 177 ff., 182 ff. BGB analog).30) 5.
Vergütung
21 Eine Nachgründung liegt nur dann vor, wenn die von der Gesellschaft zu leistende Vergütung mehr als 10 % des Grundkapitals beträgt (§ 52 Abs. 1 Satz 1). Maßgeblich ist die Höhe des Grundkapitals, die am Tag des Vertragsabschlusses im Handelsregister eingetragen ist (siehe §§ 6 f., 39 Abs. 1 Satz 1). Bei einer Kapitalerhöhung ist das Grundkapital erst mit der Eintragung der Durchführung im Handelsregister erhöht (§ 189). Bei der bedingten Kapitalerhöhung erfolgt die Erhöhung dagegen bereits mit der Ausgabe der Bezugsaktien (§ 200), so dass diese dem Grundkapital hinzuzurechnen sind.31) 22 Für die Beurteilung der Gegenleistung ist grundsätzlich jeder Nachgründungsvertrag gesondert zu beurteilen. Bei mehreren Verträgen, die sachlich und zeitlich miteinander zusammenhängen, ist zur Vermeidung von Umgehungen allerdings auf die Höhe der Gesamtvergütung abzustellen. Bei Dauerschuldverhältnissen (z. B. Miet- und Leasingverträgen) kommt es (unabhängig von der Zwei-Jahres-Frist) auf die Vergütung an, die bis zum Zeitpunkt der ersten ordentlichen Kündigung geschuldet ist.32) 23 Außerordentlich umstritten ist die Frage, ob eine Nachgründung nur dann vorliegt, wenn die Vergütung aus dem gebundenen Vermögen geleistet wird oder auch dann, wenn die Vergütung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft (z. B. aus Gewinnen oder einem _____________ 26) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 22; Pentz in: MünchKommAktG, § 52 Rz. 14. A. A. Hüffer, AktG, § 52 Rz. 12. Differenzierend Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 50 ff. 27) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 23. A. A. (mangels Schutzlücke) Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 53. 28) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 8. 29) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 43. 30) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 7; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 44; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 52 Rz. 43. A. A. allerdings Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 61; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 87. 31) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 25. 32) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 5; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 25.
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schuldrechtlichen Agio) stammt. Nach Gesetzeswortlaut und Normzweck kommt es indes nicht darauf an, mit welchen Mitteln die Gesellschaft die Vergütung bezahlt. Richtigerweise werden daher alle Verträge, bei denen die Vergütung die 10 % Schwelle übersteigt, von den Nachgründungsvorschriften erfasst.33) IV.
Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages (§ 52 Abs. 1 bis Abs. 8)
1.
Schriftform (§ 52 Abs. 2 Satz 1)
Ein Nachgründungsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform (§ 52 Abs. 2 24 Satz 1 AktG i. V. m. § 126 BGB), soweit nicht anderweitig eine strengere Form vorgeschrieben ist (z. B. für den Erwerb von Grundstücken, § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, oder den Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, § 15 Abs. 4 GmbHG). Ein ohne Einhaltung dieser Form geschlossener Nachgründungsvertrag ist nichtig (§ 125 25 Satz 1 BGB). Die Formnichtigkeit wird auch nicht durch eine etwaige Eintragung im Handelsregister geheilt. 2.
Publizität des Nachgründungsvertrages (§ 52 Abs. 2 Satz 2 bis Satz 7)
Der Nachgründungsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptver- 26 sammlung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 und 2). Im Interesse einer umfassenden Information der Aktionäre hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung umfangreiche Auslegungs-, Erläuterungs- und Offenlegungspflichten vorgesehen (§§ 124 Abs. 2 Satz 2, 52 Abs. 2 Sätze 2 – 7; siehe auch die parallelen Regelungen in §§ 179a Abs. 2 und 293f und 293g). Bereits in der Bekanntmachung der Tagesordnung für die Hauptversammlung, die über 27 die Zustimmung beschließen soll, ist der wesentliche Inhalt des Vertrages bekannt zu machen (§ 124 Abs. 2 Satz 2). Sodann hat die Gesellschaft von der Einberufung der Hauptversammlung an, den ge- 28 samten Vertrag (bzw. den Vertragsentwurf) in ihren Geschäftsräumen34) zur Einsichtnahme durch die Aktionäre auszulegen (§ 52 Abs. 2 Satz 2). Auf Verlangen muss die Gesellschaft (auf ihre Kosten) zudem jedem Aktionär unverzüglich eine Abschrift des Vertrages erteilen (§ 52 Abs. 2 Satz 3). Geheimhaltungsinteressen der Vertragspartner stehen dem nicht entgegen. Die Verpflichtungen zur Auslage und Abschriftserteilung entfallen jedoch, wenn der Vertrag für denselben Zeitraum über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich ist (§ 52 Abs. 2 Satz 4, eingefügt durch das ARUG). Börsennotierte AG müssen die Veröffentlichung im Internet allerdings stets zwingend vornehmen (§§ 3 Abs. 2, 124a Satz 1 Nr. 3; siehe auch § 243 Abs. 3 Nr. 2). Schließlich ist der Vertrag in der Hauptversammlung selbst (schriftlich oder elektronisch) 29 zugänglich zu machen (z. B. durch Auslage entsprechender Schriftstücke oder Darstellung auf Bildschirmen) (§ 52 Abs. 2 Satz 5). Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag zuvor bereits über die Internetseite der Gesellschaft verfügbar war. Nicht notwendig, aber empfehlenswert ist es, den Aktionären in der Hauptversammlung nicht nur den Nachgrün_____________ 33) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 52 Rz. 8; Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 9; M. Arnold in: KölnKommAktG, § 52 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Bayer, § 52 Rz. 26 – allerdings mit rechtspolitischen Bedenken; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 23. A. A. Hüffer, AktG, § 52 Rz. 5a. 34) Zum Begriff des Geschäftsraums s. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055 = DB 2011, 1212 – Auslage von Unterlagen nicht zwingend am rechtlichen Sitz der Gesellschaft, sondern an einem für die interessierten Aktionäre leicht zugänglichen Ort.
Thomas Wachter
283
§ 52
Nachgründung
dungsvertrag selbst, sondern auch den Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats (§ 52 Abs. 3) und den Bericht des (externen) Nachgründungsprüfers zugänglich zu machen. 30 Bei fremdsprachigen Dokumenten muss zusätzlich eine vollständige Übersetzung in deutscher Sprache ausgelegt bzw. zugänglich gemacht werden. 31 Der Vorstand hat den Vertrag zu Beginn der Hauptversammlung zu erläutern (§ 52 Abs. 2 Satz 6). Eine Verlesung des Vertrages ist weder erforderlich noch ausreichend. Vielmehr muss der Vorstand in allgemein verständlicher Sprache den wesentlichen Inhalt des Vertrages und seine Bedeutung für die Gesellschaft darlegen. Dabei muss der Vorstand insbesondere auch auf die Bewertung der vertragsgegenständlichen Vermögensgegenstände eingehen. 32 Der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung (§ 130) ist der Nachgründungsvertrag als Anlage beizufügen (§ 52 Abs. 2 Satz 7). Nach der Hauptversammlung wird der Vertrag als Teil der Niederschrift zum Handelsregister eingereicht (§ 130 Abs. 5) und ist dort für jedermann einsehbar (§ 9 Abs. 1 HGB). 3.
Prüfung und Berichterstattung (§ 52 Abs. 3 und Abs. 4)
a)
Interne Nachgründungsprüfung durch den Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 3)
33 Vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat (nicht auch der Vorstand) den Nachgründungsvertrag zu prüfen und darüber einen schriftlichen Bericht zu erstatten (Nachgründungsbericht) (§ 52 Abs. 3 Satz 1). Für den Nachgründungsbericht gelten die Vorschriften über den Gründungsbericht entsprechend (§ 52 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 2 und 3). Der Bericht muss insbesondere auch zum Wert des vertragsgegenständlichen Vermögensgegenstandes und der Angemessenheit der Höhe der Vergütung Stellung nehmen. 34 Der Nachgründungsbericht muss vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats eigenhändig unterzeichnet werden.35) Nachdem der Bericht des Aufsichtsrats auch Grundlage für seine Beschlussempfehlung an die Hauptversammlung ist (siehe § 124 Abs. 3 Satz 1), müssen die Prüfung und der Bericht nicht erst vor der Hauptversammlung, sondern bereits bei deren Einberufung abgeschlossen sein.36) b)
Externe Nachgründungsprüfung (§ 52 Abs. 4)
35 Darüber hinaus hat vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung eine Prüfung des Nachgründungsvertrages durch einen oder mehrere (externe) Gründungsprüfer zu erfolgen (§ 52 Abs. 4 Satz 1). Für die Prüfung und den Bericht gelten die Vorschriften über die externen Gründungsprüfer entsprechend (§ 52 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. §§ 33 Abs. 3 – 5, 34 und 35). Dementsprechend kann von einer externen Nachgründungsprüfung abgesehen werden, wenn der Wert der vertragsgegenständlichen Vermögensgegenstände bereits anderweitig verlässlich festgestellt worden ist (§ 52 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 33a). In allen anderen Fällen ist ein Verzicht auf eine externe Nachgründungsprüfung nicht möglich (aus Gründen des Gläubigerschutzes auch nicht mit Zustimmung aller Aktionäre). 36 Der Bericht des externen Nachgründungsprüfers muss nach dem Gesetzeswortlaut spätestens vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung vorliegen (§ 52 Abs. 4 Satz 1). Die Vorlage des Berichts nach der Hauptversammlung ist nur bei Zustimmung aller Aktionäre unschädlich. Interessen der Gläubiger werden dadurch nicht berührt, da der _____________ 35) Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 62. 36) OLG München, Beschl. v. 28.1.2002 – 7 W 814/01, ZIP 2002, 1353, dazu EWiR 2002, 1029 (Schwab). Großzügiger Hüffer, AktG, § 52 Rz. 14 – lediglich Prüfung muss abgeschlossen sein.
284
Thomas Wachter
§ 52
Nachgründung
Bericht in jedem Fall zusammen mit der Handelsregisteranmeldung dem Handelsregister eingereicht werden muss (§ 52 Abs. 6 Satz 2) und damit für jedermann zugänglich ist. 4.
Zustimmung der Hauptversammlung (§ 52 Abs. 5)
Ein Nachgründungsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptver- 37 sammlung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 und 2). Die Zustimmung der Hauptversammlung muss sich auf den gesamten Vertrag (einschließlich aller Nachträge, Ergänzungen und Anlagen) beziehen. Im Falle einer Sachkapitalerhöhung sind zwei getrennte Beschlüsse erforderlich: der Be- 38 schluss über die Sachkapitalerhöhung (§ 183) und der Beschluss über die Zustimmung zu dem Nachgründungsvertrag. Beide Beschlüsse können in einer Hauptversammlung gefasst werden. Die Zustimmung der Hauptversammlung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und § 182 BGB) 39 kann sowohl als (vorherige) Einwilligung (§ 183 BGB) als auch als (nachträgliche) Genehmigung (§ 184 BGB) erfolgen.37) Im Falle der Einwilligung ist der Vertrag später zwingend so abzuschließen, wie er von der Hauptversammlung beschlossen worden ist (§ 52 Abs. 2 Satz 7). Kommt es nach dem Beschluss der Hauptversammlung noch zu Änderungen des Vertrags, ist ein erneuter Zustimmungsbeschluss erforderlich. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Viertel 40 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 52 Abs. 5 Satz 1) und zusätzlich einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 133 Abs. 1). Wird der Vertrag im ersten Jahr nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschlossen, so müssen außerdem die Anteile der zustimmenden Mehrheit mindestens ein Viertel des gesamten Grundkapitals erreichen (§ 52 Abs. 5 Satz 2). Die Satzung kann für den Zustimmungsbeschluss eine größere (nicht aber eine geringere) Kapitalmehrheit vorsehen (§ 52 Abs. 5 Satz 3). In der Satzung können auch weitere Erfordernisse für den Zustimmungsbeschluss geregelt werden (§ 52 Abs. 5 Satz 3). Stimmberechtigt ist jeder Aktionär. Dies gilt auch für den Aktionär, der an dem Nach- 41 gründungsvertrag als Vertragspartner beteiligt ist. Er unterliegt auch keinem Stimmverbot (auch nicht analog § 136 Abs. 1; siehe aber § 243 Abs. 2).38) Bei etwaigen Beschlussmängeln (z. B. Verletzung der Informationspflichten nach § 52 42 Abs. 2 Sätze 2 ff.) gelten die allgemeinen Regelungen über die Anfechtung und Nichtigkeit von Beschlüssen (§§ 241 ff.). Das Freigabeverfahren findet keine (auch keine analoge) Anwendung (siehe § 246a Abs. 1, der Beschlüsse nach § 52 nicht erwähnt). 5.
Eintragung im Handelsregister (§ 52 Abs. 6, Abs. 7 und Abs. 8)
a)
Anmeldung (§ 52 Abs. 6)
Der Vorstand der Gesellschaft (und zwar in vertretungsberechtigter Zahl) hat den Nach- 43 gründungsvertrag zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 52 Abs. 6 Satz 1 AktG i. V. m. § 12 HGB). Der Aufsichtsrat muss die Handelsregisteranmeldung nicht mit unterzeichnen.39)
_____________ 37) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 13; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 52 Rz. 33; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 70. A. A. – nur nachträgliche Genehmigung möglich – M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 23 und 28; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 34. 38) Bürgers/Körber-Körber, AktG, § 52 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 35. 39) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 25; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 37.
Thomas Wachter
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§ 52
Nachgründung
44 Der Handelsregisteranmeldung sind als Anlagen beizufügen: der Nachgründungsvertrag, der Nachgründungsbericht (§ 52 Abs. 3) und der Bericht des (externen) Nachgründungsprüfers (§ 52 Abs. 4), jeweils samt urkundlicher Unterlagen sowie die Niederschrift über den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 52 Abs. 6 Satz 2 AktG und § 130 Abs. 5; § 12 Abs. 2 HGB). 45 Falls die Gesellschaft auf eine externe Nachgründungsprüfung verzichtet hat (§ 52 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 33a), müssen in die Handelsregisteranmeldung weitere Erklärungen und Versicherungen zum Wert der Vermögensgegenstände aufgenommen werden (§ 52 Abs. 6 Satz 3 i. V. m. § 37a Abs. 1 und 2). Ferner sind der Anmeldung in diesem Fall entsprechende Unterlagen über den Wert der Vermögensgegenstände beizufügen (§ 52 Abs. 6 Satz 3 i. V. m. § 37a Abs. 3) b)
Prüfung durch das Registergericht (§ 52 Abs. 7)
46 Das Registergericht prüft die Anmeldung und die beigefügten Unterlagen in formeller und materieller Hinsicht.40) Dabei hat das Registergericht insbesondere (aber nicht nur) zu prüfen, ob der Nachgründungsbericht (§ 52 Abs. 3) richtig und vollständig ist und auch sonst den gesetzlichen Vorschriften entspricht und die von der Gesellschaft gewährte Vergütung der Höhe nach angemessen ist (§ 52 Abs. 7 Satz 1; siehe auch § 38 Abs. 2 in Bezug auf die Gründung). 47 Bei einer vereinfachten Nachgründung, bei der auf eine (externe) Nachgründungsprüfung verzichtet wird (§ 52 Abs. 4 Satz 3, § 33a), beschränkt sich die Prüfung des Registergerichts grundsätzlich auf die formale Kontrolle, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Erklärungen und Versicherungen in der Handelsregisteranmeldung enthalten sind (§ 37a Abs. 1 und Abs. 2) und die vorgeschriebenen Unterlagen (§ 37a Abs. 3) der Handelsregisteranmeldung beigefügt sind (§ 52 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. § 38 Abs. 3 Satz 1). Lediglich dann, wenn die von der Gesellschaft gewährte Vergütung offenkundig und erheblich überhöht ist, kann das Registergericht die Eintragung ablehnen (§ 52 Abs. 7 Satz 2 i. V. m. § 38 Abs. 3 Satz 2). c)
Eintragung im Handelsregister (§ 52 Abs. 8)
48 Im Handelsregister sind der Tag des Abschlusses des Nachgründungsvertrages und der Zustimmung der Hauptversammlung sowie der oder die Vertragspartner der Gesellschaft einzutragen (§ 52 Abs. 8 AktG und § 43 Nr. 6 lit. b, kk HRV). Die Eintragung im Handelsregister ist für die Wirksamkeit des Nachgründungsvertrages von konstitutiver Bedeutung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2). 49 Mit Wirksamwerden des Nachgründungsvertrages werden auch die zu seiner Ausführung geschlossenen Rechtsgeschäfte (und zwar mit Wirkung ex nunc) wirksam (§ 52 Abs. 1 Satz 2).41) Eine erneute Vornahme der Vollzugsgeschäfte ist nicht erforderlich, auch nicht bei der Auflassung von Grundstücken (siehe § 925 BGB). 50 Vor der Eintragung im Handelsregister ist der Nachgründungsvertrag schwebend unwirksam. Allerdings steht dem anderen Vertragsteil kein Widerrufsrecht (analog § 178) zu.42) _____________ 40) Hüffer, AktG, § 52 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 38. 41) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 15 und 17; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 42. 42) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 8; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 41; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 40. Mit Einschränkungen auch Pentz in: MünchKommAktG, § 52 Rz. 44 – allerdings für ein rücktrittsähnliches Gestaltungsrecht in Anlehnung u. a. an § 177 Abs. 2 BGB.
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Thomas Wachter
§ 52
Nachgründung V.
Ausnahmen (§ 52 Abs. 9)
1.
Laufende Geschäfte
Die Nachgründungsvorschriften finden keine Anwendung auf den Erwerb von Vermö- 51 gensgegenständen i. R. der laufenden Geschäfte (§ 52 Abs. 9 Alt. 1). Damit sind die Alltagsgeschäfte der Gesellschaft gemeint, bei denen die Gefährdung der effektiven Kapitalaufbringung im Allgemeinen ausscheidet.43) Zu den laufenden Geschäften gehören insbesondere solche Erwerbsvorgänge, ohne die 52 der Unternehmensgegenstand nicht sinnvoll verwirklicht werden kann (z. B. die Anschaffung von Waren für ein Handelsunternehmen, der Erwerb von Betriebsmitteln oder der Abschluss von unternehmensbezogenen Dienstleistungsverträgen). Ferner gehört zu den laufenden Geschäften regelmäßig der Erwerb von Gegenständen des Umlaufvermögens – nicht dagegen auch des Anlagevermögens (siehe § 266 Abs. 2 lit. A. und B. HGB). Allein der Umstand, dass der Erwerb des Vermögensgegenstandes zum Gegenstand des 53 Unternehmens gehört (siehe §§ 23 Abs. 3 Nr. 2, 39 Abs. 1 Satz 1), genügt nicht für die Annahme eines laufenden Geschäfts. Nicht nachgründungsfrei ist daher bspw. der Erwerb von Beteiligungen durch eine Holdinggesellschaft44) oder der Erwerb von Immobilien durch eine Immobiliengesellschaft.45) Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung solcher Geschäfte hat in diesen Fällen unter Berücksichtigung des Normzwecks eine ordnungsgemäße Nachgründung zu erfolgen. 2.
Erwerb in der Zwangsvollstreckung
Die Vorschriften über die Nachgründung finden ferner dann keine Anwendung, wenn der 54 Erwerb in der Zwangsvollstreckung erfolgt (§ 52 Abs. 9 Alt. 2).46) Erfasst ist auch der Erwerb aufgrund einer Verwertung nach der Insolvenzordnung (§§ 165 f., 173 InsO) und bei Rückgabe eines Pfandes (§ 1223 Abs. 2 BGB). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Gesellschaft die Zwangsvollstreckung aufgrund eines eigenen Titels betreibt oder lediglich Mitbieterin ist.47) Eine Ausnahme gilt insoweit aber für die Teilungsversteigerung (§ 753 BGB, §§ 180 ff. ZVG); nachgründungsfrei ist in diesem Fall nur der Erwerb aufgrund eines vollstreckbaren Titels.48) 3.
Erwerb an der Börse
Schließlich sind die Vorschriften über die Nachgründung dann nicht zu berücksichtigen, 55 wenn ein Vermögensgegenstand an einer (Wertpapier- oder Waren)Börse erworben wird (§ 52 Abs. 9 Alt. 3). Für einen Erwerb i. R. eines Übernahmeangebots (§ 31 WpÜG) gilt die Vorschrift aufgrund der Bindung an den Börsenpreis entsprechend.49)
_____________ 43) Hüffer, AktG, § 52 Rz. 18; M. Arnold in: KölnKomm-AktG, § 52 Rz. 47; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 46 ff.; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 16 ff. 44) Hüffer, AktG, § 52 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 47; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 19. 45) A. A. Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 26; Hüffer, AktG, § 52 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 48. 46) Zur Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung – K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 6. 47) Hölters-Solveen, AktG, § 52 Rz. 27. A. A. Hüffer, AktG, § 52 Rz. 19 – nur bei Vollstreckung aufgrund eigenen Titels der Gesellschaft. 48) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 50; Spindler/Stilz-Heidinger, AktG, § 52 Rz. 22. 49) K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 52 Rz. 51.
Thomas Wachter
287
§ 53
Ersatzansprüche bei der Nachgründung
§ 53 Ersatzansprüche bei der Nachgründung 1
Für die Nachgründung gelten die §§ 46, 47, 49 bis 51 über die Ersatzansprüche der Gesellschaft sinngemäß. 2An die Stelle der Gründer treten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. 3Sie haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. 4Soweit Fristen mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister beginnen, tritt an deren Stelle die Eintragung des Vertrags über die Nachgründung. 1 Bei der Nachgründung (§ 52) sind die Grundsätze der Gründungshaftung entsprechend anwendbar (§ 53). Mit der Nachgründungshaftung soll die Gesellschaft vor Nachteilen im Zusammenhang mit der Nachgründung geschützt werden und damit die reale Kapitalaufbringung gewährleistet werden.1) Die Nachgründungshaftung ist zwingend. 2 Ziel der Regelung ist es, die Haftung bei der Nachgründung nach den gleichen Grundsätzen wie die Gründerhaftung zu regeln (§ 53 Satz 1), dabei aber auch die Besonderheiten der Nachgründung angemessen zu berücksichtigen (§ 53 Sätze 2–4).2) Dementsprechend treten bei der Nachgründung die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats an die Stelle der Gründer (§ 53 Satz 2). Haftungsmaßstab ist dabei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 53 Satz 3).3) Für den Beginn von Fristen wird nicht auf die Handelsregistereintragung der Gesellschaft, sondern des Vertrages über die Nachgründung abgestellt (§ 53 Satz 4; siehe §§ 47 Nr. 3, 50 Satz 1 und 51). 3 Die Haftung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 93, 116) bleibt daneben unberührt.4)
_____________ 1) 2) 3) 4)
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K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 53 Rz. 2. Hölters-Solveen, AktG, § 53 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 51 Rz. 2. Hölters-Solveen, AktG, § 53 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 53 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 51 Rz. 6. Hölters-Solveen, AktG, § 53 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 53 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 51 Rz. 5.
Thomas Wachter
Zweites Buch Kommanditgesellschaft auf Aktien § 278 Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien Uwe Blaurock
(1) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre). (2) Das Rechtsverhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie gegenüber Dritten, namentlich die Befugnis der persönlich haftenden Gesellschafter zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft, bestimmt sich nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. (3) Im übrigen gelten für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit sich aus den folgenden Vorschriften oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt, die Vorschriften des Ersten Buchs über die Aktiengesellschaft sinngemäß. Literatur: Balzer, Die Umwandlung von Vereinen der Fußball-Bundesligen in Kapitalgesellschaften zwischen Gesellschafts-, Vereins- und Verbandsrecht, ZIP 2001, 175; Bauschatz, Die Einpersonen-GmbH & Co. KGaA als Holdinggesellschaft, DStZ 2007, 39; Bayer/Hoffmann, Rechtstatsachen zu Kommanditgesellschaften auf Aktien, AG 2009, R 151; Büscher/Klusmann, Forthaftung und Regreß ausgeschiedener Personengesellschafter, ZIP 1992, 11; Drüen/v. Heek, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien zwischen Trennungs- und Transparenzprinzip – Eine steuersystematische Bestandsaufnahme, DStR 2012, 541 Fett/Förl, Die Mitwirkung der Hauptversammlung einer KGaA bei der Veräußerung wesentlicher Unternehmensteile, NZG 2004, 210; Habel/Strieder, Ist die Kommanditgesellschaft auf Aktien eine geeignete Rechtsform für einen Börsengang von Vereinen der Fußball-Bundesliga?, NZG 1998, 929; Heermann, Unentziehbare Mitwirkungsrechte der Minderheitenaktionäre bei außergewöhnlichen Geschäften in der GmbH & Co. KGaA, ZGR 2000, 61; Heinze, Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Komplementärin bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien – Ein Beitrag insbesondere zu Fragen der Handelsregisterpublizität, DNotZ 2012, 426; Kessler, Die Entwicklung des Binnenrechts der KGaA seit BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923, NZG 2005, 145; Koch, Mitwirkungsrechte der Kommanditaktionäre bei der GmbH & Co. KGaA: Grenzen satzungsmäßiger Einschränkung, DB 2002, 1701; Kollruss, Zur Besteuerungsproblematik der KGaA: Entwicklung des grundlegenden Besteuerungskonzepts, DStZ 2012, 650 Kornblum, Bundesweite Rechtstatsachen zum Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, GmbHR 2013, 693; Krause, Zum beherrschenden Einfluss des Komplementärs in der KGaA, in: Liber amicorum für Martin Winter, 2011, S. 351; Nagel/Wittkowski, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA): Rechtsform für Mittelstand und Familienunternehmen, 2012; Wagner, Bundesliga Going-Public: Traumpaß oder Eigentor, NZG 1999, 469; Weber, Die GmbH & Co. KGaA als Rechtsform eines Proficlubs der Fußball-Bundesliga, GmbHR 2013, 631; Wiesner, Die Enthaftung ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA, ZHR 148 (1984), 56.
Uwe Blaurock
1353
§ 278
Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien Übersicht
I. Allgemeiner Überblick .................... 1 1. Regelungsgegenstand und Einordnung der KGaA ...................... 1 2. Rechtsformwahl und Verbreitung .... 3 II. Rechtliche Struktur der KGaA (§ 278 Abs. 1) ..................................... 7 1. Strukturmerkmale .............................. 7 2. Gesellschaftergruppen ....................... 9 3. Organe .............................................. 11 III. Rechtsstellung der Komplementäre (§ 278 Abs. 2) ................... 15 1. Grundsatz ......................................... 15
2. Taugliche Komplementäre ............... 16 3. Geschäftsführung und Vertretung .... 18 a) Geschäftsführung ....................... 19 b) Vertretung .................................. 22 c) Entzug ......................................... 23 4. Haftung ............................................. 25 5. Vermögensrechte .............................. 26 6. Sonstiges ........................................... 27 7. Gestaltungsfreiheit ........................... 28 IV. Regelung des § 278 Abs. 3, insbesondere Rechtsstellung der Kommanditaktionäre ............... 29
I.
Allgemeiner Überblick
1.
Regelungsgegenstand und Einordnung der KGaA
1 Als zentrale Vorschrift beschreibt § 278 Abs. 1 die rechtliche Struktur der KGaA. Hinsichtlich der Rechtsstellung der Komplementäre verweist § 278 Abs. 2 auf das KG-Recht. „Im übrigen“ finden nach § 278 Abs. 3 die aktienrechtlichen Vorschriften des Ersten Buches (§§ 1 – 277) sinngemäße Anwendung. Sondervorschriften finden sich in den §§ 279 – 290. 2 Die KGaA ist eine Mischform und wird entweder als ein Unterfall der KG oder der AG oder als eine Gesellschaftsform sui generis angesehen.1) Eine exakte Festlegung ist für die praktische Handhabung dieser Gesellschaftsform allerdings nicht erforderlich.2) 2.
Rechtsformwahl und Verbreitung
3 Mit der KGaA lassen sich personengesellschafts- und kapitalgesellschaftsrechtliche Elemente verbinden.3) Aufgrund ihrer personalistischen Führungsstruktur ist die KGaA vor allem für Familienunternehmen und mittelständische Unternehmen attraktiv, bei denen trotz Zugang zum Kapitalmarkt ein weiterhin bestimmender Einfluss eines Gesellschafters oder einer Gesellschaftergruppe erwünscht ist.4) Die Komplementäre sind qua Gesellschafterstellung zu Geschäftsführung und Vertretung berufen (siehe Rz. 18 ff.). Auf die Besetzung der Geschäftsleitung hat der Aufsichtsrat selbst dann keinen Einfluss, wenn die KGaA der Unternehmensmitbestimmung nach dem MitbestG unterliegt (§ 31 Abs. 1 Satz 2 MitbestG). Zudem bedarf es nicht der Bestellung eines Arbeitsdirektors (§ 33 Abs. 1 Satz 2 MitbestG). Im Falle der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA bleibt die Komplementärgesellschaft gänzlich mitbestimmungsfrei.5) 4 Im Vergleich zur AG zeichnet sich die KGaA durch eine relativ weitreichende Freiheit der Satzungsgestaltung aus (siehe hierzu auch Rz. 8). Daher kann die Gesellschaftsstruktur an die Bedürfnisse der Gesellschafter angepasst und bspw. eine gewisse Übernah_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Nachweise bei Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 29. Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 2; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., Vor § 278 Rz. 2. Zur steuerlichen Behandlung Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 80 ff.; Drüen/v. Heek, DStR 2012, 541; Kollruss, DStZ 2012, 650. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., Vor § 278 Rz. 7; Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 4. BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 400 = ZIP 1997, 1027, 1029 f.; trotz der Entscheidung ist diese Frage bis heute im Schrifttum umstritten, vgl. m. N. zum Streitstand HeidelWichert, § 278 AktG Rz. 15, § 4 MitbestG Rz. 11 ff., § 5 MitbestG Rz. 13 ff.; vgl. auch Krause in: Liber amicorum Winter, S. 351, 356 ff.
1354
Uwe Blaurock
Wesen der Kommanditgesellschaft auf Aktien
§ 278
meresistenz erreicht werden.6) Die Kehrseite der Flexibilität besteht in einer relativ komplizierten und für Anleger potenziell undurchsichtigen gesellschaftsrechtlichen Struktur.7) Zur Vermeidung dieser Unsicherheiten wird in den Bereichen, in denen mangels einschlägiger Rechtsprechung und abweichender Ansichten im Schrifttum Rechtsunsicherheit besteht, empfohlen, von dieser weiten Gestaltungsfreiheit nur zurückhaltend Gebrauch zu machen.8) Die persönliche Haftung als Hauptnachteil der KGaA ist durch die höchstrichterliche 5 Anerkennung der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA9) vermeidbar geworden.10) Die KGaA hat lange Zeit eine eher untergeordnete Rolle gespielt, allerdings hat die 6 Anerkennung der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA zu einer Zunahme geführt.11) Die KGaA hat sich als Übergangsform von Personengesellschaften zu AG bewährt12) und wird verbreitet vor dem Hintergrund der 50+1 Regel als eine geeignete Rechtsform für Bundesliga-Vereine angesehen (z. B.: Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA).13) Tatsächlich haben die meisten Bundesligavereine, welche von der ihnen durch den DFBBundestagsbeschluss vom 24.10.1998 eingeräumten Möglichkeit, ihren Lizenzbetrieb auf eine Kapitalgesellschaft auszugliedern, bislang Gebrauch gemacht haben, die meisten die Rechtsform der GmbH & Co. KGaA gewählt.14) II.
Rechtliche Struktur der KGaA (§ 278 Abs. 1)
1.
Strukturmerkmale
Die KGaA ist eine Kapitalgesellschaft und als Handelsgesellschaft Formkaufmann (§ 278 7 Abs. 3, § 3 Abs. 1 AktG; § 6 Abs. 1 HGB). Sie ist als juristische Person rechtsfähig (§ 278 Abs. 1 Satz 1), parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO), insolvenzfähig (§ 11 Abs. 1 InsO) und im öffentlichen Recht beteiligtenfähig.15) Die Grundsätze des allgemeinen Aktienrechts, etwa bzgl. der Treuepflicht des Minderheitsaktionärs, sind auf die KGaA anwendbar.16) Das traditionelle Leitbild der KGaA zeichnet sich durch mit großem unternehmerischen 8 Freiraum handelnde Kommanditisten auf der einen Seite und das notwendige Kapital beisteuernde und nicht an der laufenden Geschäftsführung mitwirkende Kommanditaktionäre auf der anderen Seite aus.17) Die Gesellschafter haben allerdings die Möglichkeit die rechtliche Struktur der KGaA zu verändern. Inwieweit dies im Einzelnen möglich ist, _____________ 6) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 2; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., Vor § 278 Rz. 7. 7) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., Vor § 278 Rz. 8; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 4. 8) Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 16. 9) BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = ZIP 1997, 1027. 10) Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 9, 16. 11) Bayer/Hoffmann, AG 2009, R 151 f.: Im Jahr 2009 wurden 225 KGaA gezählt (etwa achtmal mehr als vor zwanzig Jahren). Bis zum 1.1.2013 ist der Bestand mittlerweile auf 280 angewachsen, vgl. die Statistik bei Kornblum, GmbHR 2013, 693, 694. Als Bsp. seien etwa die Merck KGaA, Henkel AG & Co. KGaA, Fresenius SE & Co. KGaA genannt; weitere Bsp. bei Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 8. 12) Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 3; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 49. 13) Balzer, ZIP 2001, 175; Habel/Strieder, NZG 1998, 929; Wagner, NZG 1999, 469, 476 ff.; Weber, GmbHR 2013, 631. 14) Vgl. die Statistik bei Weber, GmbHR 2013, 631 (Stand: 30.4.2013). Von den Erstligisten haben sich neben Borussia Dortmund namentlich der FC Augsburg, Greuther Fürth, Hannover 96 und Werder Bremen dafür entschieden, ihren Lizenzspielbetrieb auf eine KGaA auszugliedern. 15) Statt aller: K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 3; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 6. 16) BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 f. = ZIP 1995, 819, 820 f. 17) Nagel/Wittkowski, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), S. 21 f.; Perlitt in: MünchKommAktG, Vor § 278 Rz. 30.
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hängt entscheidend von der Frage ab, welcher Regelungskomplex auf die KGaA Anwendung findet. Sofern über § 278 Abs. 2 ins Handelsgesetz verwiesen wird, gilt die recht weitgehende Satzungsautonomie des Personengesellschaftsrechts. Ist über § 278 Abs. 3 auf aktienrechtliche Regelungen abzustellen gilt umgekehrt der Grundsatz der Satzungsstrenge (vgl. § 23 Abs. 5). Für die speziell zur KGaA erlassenen Sonderregelungen der §§ 279 ff. muss für jede Vorschrift gesondert ermittelt werden, ob sie satzungsdispositiv oder zwingend ist.18) 2.
Gesellschaftergruppen
9 Die KGaA besteht zwingend aus zwei Arten von Gesellschaftern: mindestens einem Komplementär (persönliche Haftung) sowie mindestens einem Kommanditaktionär (keine persönliche Haftung).19) Folglich besteht eine gespaltene Haftungsstruktur.20) Neben diesen Gruppen ist kein Kommanditist i. S. der §§ 161 ff. HGB möglich. 10 Abweichend vom Personengesellschaftsrecht gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft nicht, weswegen ein Komplementär ebenfalls Kommanditaktionär sein kann.21) Seit dem UMAG ist auch eine Einmann-KGaA (einziger Komplementär ist einziger Kommanditaktionär) zulässig (zur Einmann-KGaA siehe auch § 280 Rz. 3, 8 sowie § 285 Rz. 4).22) Ebenso möglich ist eine Einheits-KGaA, die alle Anteile ihrer eigenen Komplementärin hält (Beispiel: Henkel AG & Co. KGaA).23) Außerdem ist die Beteiligung von stillen Gesellschaftern an einer KGaA möglich.24) 3.
Organe
11 Die notwendigen Organe der selbstorganschaftlich25) verfassten KGaA sind die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre), die Hautversammlung sowie der Aufsichtsrat.26) Daneben steht es der KGaA frei, weitere Organe einzuführen (Satzungsfreiheit, § 278 Abs. 2 AktG, §§ 109, 163 HGB), was in der Praxis in Gestalt von Beiräten oder Verwaltungsräten verbreitet ist.27) 12 Die nicht von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter bilden in ihrer Gesamtheit das Leitungsorgan der KGaA. Ihre Rechte und Pflichten bestimmen sich teilweise nach Personengesellschaftsrecht (in Anlehnung an den Komplementär einer KG) und teilweise nach Aktienrecht (in Anlehnung an den Vorstand einer AG).28) Im Einzelnen siehe sogleich Rz. 15 ff. sowie die Kommentierung zu § 283. 13 Die Willensbildung der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ vollzieht sich in der Hauptversammlung. Wie reguläre Aktionäre können Kommanditaktionäre ihre Mitgliedschaftsrechte teilweise nur dort geltend machen. Die Hauptversammlung entscheidet durch Beschluss. Betrifft dieser eine Angelegenheit die im KG-Recht das Einverständnis _____________ 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 29, 41 f.; Hüffer, AktG, § 278 Rz. 18. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 96; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 7. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 278 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 1; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 20. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 30 f.; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 2; vgl. zur Einpersonen-GmbH & Co. KGaA als Holdinggesellschaft: Bauschatz, DStZ 2007, 39 ff. BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, ZIP 2007, 1658; zu dieser Entscheidung: K. Schmidt, ZIP 2007, 2193 (Urteilsanm.); Nachweise zur Einheits-KGaA bei Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 388. Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, Rz. 5.20; Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 79; Mertens/ Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 278 Rz. 9. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 7. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 17; Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 44. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 239 ff. sowie § 287 Rz. 80 ff. m. w. N. Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 47 ff.
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aller Gesellschafter (d. h. der Kommanditisten und der Komplementäre) erfordern würde, bedarf er der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. § 285 Abs. 2).29) Im Einzelnen siehe die Kommentierung zu § 285. Die Aufgaben des Aufsichtsrats einer KGaA unterscheiden sich erheblich von jenen des 14 Aufsichtsrats einer AG. Zwar kommen ihm auch Überwachungs- und Kontrollaufgaben zu, insbesondere die Personalkompetenz fehlt hingegen (siehe bereits Rz. 3). Andererseits ist er nach § 287 Abs. 1 zuständig für die Ausführung der Beschlüsse, die die Hauptversammlung gefasst hat (siehe hierzu die Kommentierung zu § 287).30) III.
Rechtsstellung der Komplementäre (§ 278 Abs. 2)
1.
Grundsatz
Für das Verhältnis der Komplementäre untereinander, gegenüber der Gesamtheit der 15 Kommanditaktionäre und gegenüber Dritten verweist § 278 Abs. 2 auf das KG-Recht (§§ 161 – 177a HGB). Die Rechtsstellung des Komplementärs kann gemäß § 278 Abs. 2 i. V. m §§ 109, 163 HGB in der Satzung erweitert oder beschränkt werden, wenn sich aus §§ 279 ff. nichts anderes ergibt. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt § 278 Abs. 3.31) 2.
Taugliche Komplementäre
Komplementär kann jedenfalls jede unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Person sein. 16 Die Satzung kann besondere Qualifikationsvoraussetzungen vorsehen.32) Fraglich ist, ob die Geschäftsfähigkeit notwendige Voraussetzung einer Komplementärstellung ist: Eine geschäftsunfähige oder beschränkt geschäftsfähige Personen kann zumindest ein von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossener Komplementär werden.33) Streitig sind die Anforderungen an vertretungsberechtigte Komplementäre:34) § 76 Abs. 3 Satz 1, der die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit fordert, ist mangels Vorstands bei der KGaA jedenfalls nicht über den Verweis in § 278 Abs. 3 anwendbar.35) Nach h. A. kommt es auf die Geschäftsfähigkeit nach den zu §§ 114, 125, 161 Abs. 2 HGB geltenden Grundsätzen nicht an.36) Juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften sind – auch als einziger – per- 17 sönlich haftender Komplementär zulässig (siehe nur § 279 Abs. 2).37) Komplementär können demnach sein: KG, OHG, GmbH & Co. KG, GmbH, AG, rechtsfähiger Verein, Stiftung und Genossenschaft.38) Gleiches gilt für die Außen-GbR,39) die seit der Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit Komplementärin einer KG sein kann.40) In der Praxis sprechen _____________ 29) Vgl. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 17; Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 54 ff. 30) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, Vor § 278 Rz. 57 ff.; Hüffer, AktG, § 278 Rz. 15 f. 31) Vgl. Hüffer, AktG, § 278 Rz. 6; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 9; a. A. Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 23: Rechtsstellung des Komplementärs einheitlich aus § 278 Abs. 2. 32) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 278 Rz. 28; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 32. 33) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 28; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 31. 34) Nachweise zum Streitstand: K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 17. 35) BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = ZIP 1997, 1027; Assmann/Sethe in: GroßKommAktG, § 278 Rz. 24, 26; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 24. 36) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 24 f.; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 18. 37) Anerkennung der Kapitalgesellschaft und Co. KGaA durch BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = ZIP 1997, 1027; ausführliche Stellungnahme bei Hüffer, AktG, § 278 Rz. 8 ff.; Binz/ Sorg, Die GmbH & Co. KG, S. 632 ff. 38) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 278 Rz. 9a; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 30. 39) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 37; Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77 Rz. 11. 40) Staub in: GroßKomm-HGB § 105 Rz. 98; K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 105 Rz. 99; Heinze, DNotZ 2012, 426.
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aber die folgenden Nachteile gegen die Verwendung einer Außen-GbR als Komplementär: fehlende Registrierung der Gesellschaft, ihrer Gesellschafter sowie der Vertretungsverhältnisse41), keine Haftungsbeschränkung, Eintragung der Gesellschafter bei der Eintragung der KGaA in das Handelsregister.42) Die Anerkennung rechtsfähiger Auslandskapitalgesellschaften aus dem Bereich der EU als Komplementär folgt aus der zur Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) ergangenen Rechtsprechung des EuGH.43) Zulässiger Komplementär ist schließlich auch die europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE). 3.
Geschäftsführung und Vertretung
18 Nach § 278 Abs. 2 AktG und §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 125 Abs. 1 HGB ist der Komplementär kraft seiner Gesellschafterstellung zur Geschäftsführung und Vertretung befugt. a)
Geschäftsführung
19 Die Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs bestimmt sich gemäß § 278 Abs. 2 nach §§ 114 – 118 HGB i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB. Insoweit ist grundsätzlich auf das KGRecht zu verweisen. Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 116 Abs. 1 HGB).44) 20 Die Befugnis des Komplementärs ist nach der gesetzlichen Kompetenzverteilung somit allein bei außerordentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen beschränkt. Für diese ist nach § 278 Abs. 2 und §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 2 HGB die Zustimmung der anderen Komplementäre (und zwar auch jener, die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind) und gemäß § 278 Abs. 2 i. V. m. § 164 HGB die Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Hauptversammlung) erforderlich.45) Ein Aufsichtsrat als zusätzliches Kontrollorgan der Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern läuft der Struktur der KGaA zuwider, weswegen nicht dem Aufsichtsrat, sondern der Hauptversammlung das Mitspracherecht bei diesen Geschäftsführungsmaßnahmen zukommt.46) Die Satzung kann die Vorlagepflicht der Kommanditisten verschärfen (eher selten) oder auch umgekehrt den Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung bei außergewöhnlichen Geschäften abbedingen (verbreitet).47) Dadurch droht indes gerade bei der kapitalistischen Kapitalgesellschaft & Co. KGaA eine Verwässerung der Rechte der Anlegermehrheit.48) Insoweit sieht die h. M. allerdings in der Treuepflicht des Komplementärs ein ausreichendes Korrektiv.49) 21 Keine Geschäftsführungskompetenz besteht außerdem bei Grundlagengeschäften, die auf die gesellschaftsvertraglichen Rechtsstellungen einwirken.50) Auch hier müssen grundsätzlich alle Komplementäre sowie die Hauptversammlung zustimmen. Für den Beschluss _____________ 41) A. A. Heinze, DNotZ 2012, 426 ff., welcher Eintragungspflicht der GbR-Gesellschafter sowie der Vertretungsverhältnisse annimmt. 42) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 20. 43) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 35 f.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 40. 44) BGH, Urt. v. 11.2.1980 – II ZR 41/79, BGHZ 76, 160, 162 = ZIP 1980, 369 f. 45) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 177; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 34. 46) Vgl. Heermann, ZGR 2000, 61 ff. 47) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 38; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 278 Rz. 113; Krause in: Liber amicorum Winter, S. 351, 353. 48) Vgl. BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 = ZIP 1997, 1027, 1029. 49) Schütz/Bürgers/Riotte-Schütz/Bürgers, § 5 Rz. 101; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 38; für das Erfordernis, das entzogene Zustimmungsrecht einem anderen Kontrollorgan (Aufsichtsrat oder Beirat) durch Satzungsregelung zuzuweisen: Koch, DB 2002, 1701 ff. 50) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 10; Bsp. bei Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 40.
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der Hauptversammlung ist qualifizierte Mehrheit zu verlangen (vgl. § 179 Abs. 2).51) Die satzungsmäßige Abbedingung des Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung ist diesbezüglich nur in sehr engen Grenzen möglich; die Einschränkung der Gestaltungsfreiheit wird entweder mit den personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen der Kernbereichslehre oder der Holzmüller-Doktrin begründet und ist im Einzelnen stark umstritten.52) b)
Vertretung
Nach § 278 Abs. 2 und §§ 125 ff., 161 Abs. 2 HGB sind die Komplementäre mit organ- 22 schaftlicher Vertretungsmacht ausgestattet, die nach allgemeinen Grundsätzen im Außenverhältnis unbeschränkt und nicht beschränkbar ist (§ 126 Abs. 2 HGB). Die Einschränkungen der Vertretungsmacht, die das Gesetz für den AG-Vorstand vorsieht, gelten auch für die vertretungsberechtigten Komplementäre der KGaA.53) Einer von mehreren Komplementären kann durch die Satzung von der Vertretungsmacht ausgeschlossen werden; er bleibt jedoch zur Mitwirkung an den vorstandsähnlichen Pflichten (§ 283) verpflichtet.54) Vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregel steht mehreren Komplementären Einzelvertretungsmacht zu (§ 125 Abs. 2 HGB). c)
Entzug
Einem Komplementär kann die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht auf 23 Antrag der übrigen Gesellschafter – Komplementäre und Hauptversammlung – durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, sofern dafür ein wichtiger Grund vorliegt, § 278 Abs. 2 und §§ 161 Abs. 2, 117, 127 HGB. Ein solcher Antrag wird vom Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft gestellt (§ 287 Abs. 2 Satz 1; zur Vertretung der Gesellschaft/ Kommanditaktionäre in diesen Fällen: siehe unten § 287 Rz. 6).55) Als wichtigen Grund nennt das Gesetz die Regelbeispiele der groben Pflichtverletzung und der Unfähigkeit zur Geschäftsführung.56) Zur Vermeidung des gerichtlichen Verfahrens empfiehlt es sich, von der insoweit bestehenden Gestaltungsfreiheit Gebrauch zu machen und in der Satzung nicht nur die Entziehungsvoraussetzungen (Präzisierung des wichtigen Grundes) festzuhalten, sondern auch die Entziehungskompetenz einem Gesellschaftsorgan (Aufsichtsrat) zuzuweisen.57) Wird dem einzigen Komplementär die Geschäftsführungsbefugnis entzogen, ist analog § 29 BGB ein Notgeschäftsführer zu bestimmen.58) Zur Wahrung des
_____________ 51) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 180; Hüffer, AktG, § 278 Rz. 17a. 52) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 64 ff.; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278, Rz. 180 ff.; Fett/ Förl, NZG 2004, 210 ff.; Kessler, NZG 2005, 145, 148; Wagner, DStR 2004, 469, 470 (Urteilsanm.); jeweils mit Bezug auf: OLG Stuttgart, Urt. v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, AG 2003, 527, 531. 53) Vgl. mit einer entsprechenden Übersicht: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 251. 54) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 252. 55) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 278 Rz. 178; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 222; wohl auch: BGH, Urt. v. 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348 f. – bezogen auf Vertragsschluss mit einem Komplementär und Hinweis auf §§ 278 Abs. 3, 112 AktG; dagegen a. A. – Aufsichtsrat und übrige Komplementäre– Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 278 Rz. 79. 56) Vgl. bspw. BGH, Urt. v. 25.4.1983 – II ZR 170/82, ZIP 1983, 1066, 1069, m. Anm. Westermann – beharrliche Missachtung der Mitwirkungsrechte von anderen Gesellschaftern. Vgl. insgesamt zu Fallgruppen eines wichtigen Grundes: Staub in: GroßKomm-HGB, § 117 Rz. 33 ff. 57) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 222; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 278 Rz. 178; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 39; der Ausschluss der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder Vertretungsmacht aus wichtigem Grund ist nach zutreffender, jedoch bestrittener Ansicht unzulässig, vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1997 – II ZR 353/96, ZIP 1997, 2197, 2198. 58) RG, Urt. v. 24.10.1910 – I 79/10, RGZ 74, 297, 301; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 278 Rz. 14.
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Grundsatzes der Selbstorganschaft, ist unverzüglich ein neuer Komplementär zu bestellen oder die Umwandlung in eine AG einzuleiten.59) 24 Diese Grundsätze gelten auch für den Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Komplementärgesellschaft bei einer Kapitalgesellschaft & Co. KGaA. Ein im Fall der GmbH & Co. KGaA teilweise geforderter Abberufungsdurchgriff, wonach der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung der KGaA eine Abberufung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH durchsetzen kann,60) wird als unzulässiger Eingriff in deren Organisation zu Recht überwiegend abgelehnt. Die Pflicht der KomplementärGmbH zur Abberufung ihres Geschäftsführers bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ergibt sich vielmehr aus der ihr gegenüber der KGaA und ihren Mitgesellschaftern obliegenden Treuepflicht.61) 4.
Haftung
25 Nach § 278 Abs. 2 AktG und §§ 161 Abs. 2, 128 ff., 160 HGB haften die Komplementäre gegenüber den Gläubigern der KGaA zwingend gesamtschuldnerisch, unmittelbar, unbeschränkt und persönlich.62) Rückgriffsansprüche des in Anspruch Komplementärs gegen die KGaA stützen sich auf § 278 Abs. 2 AktG i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 110 HGB, während sich der subsidiäre Regress bei den übrigen Komplementären nach § 426 BGB richtet.63) Grundlage der Haftung der Komplementäre gegenüber der KGaA ist §§ 93 Abs. 1, 283 Nr. 3 (§ 283 Rz. 4). 5.
Vermögensrechte
26 Der Komplementär kann sich am Grundkapital der KGaA beteiligen und ist in diesem Fall zugleich Kommanditaktionär. (Zur mit dieser Doppelstellung einhergehenden Stimmrechtsbeschränkung vgl. § 285 Rz. 2 f.). Davon zu unterscheiden ist die nach § 281 Abs. 2 zulässige Konstellation, in der eine gesonderte Vermögenseinlage des Komplementärs in der Satzung festgesetzt ist (siehe dazu § 281 Rz. 5). Die Komplementäre tragen einen auf sie entfallenden Verlust und haben Anspruch auf einen Gewinnanteil (dazu § 288). 6.
Sonstiges
27 Aus der Gesellschafterstellung resultieren Stimm-, Kontroll- und Informationsrechte der Komplementäre, § 278 Abs. 2 AktG und §§ 161 Abs. 2, 118 f. HGB, die unter Beachtung der Kernbereichslehre in der Satzung eingeschränkt werden können.64) Die Komplementäre unterliegen Treue- und Rücksichtnahmepflichten sowohl untereinander als auch im Verhältnis zur Gesellschaft und zu einzelnen Kommanditaktionären.65) _____________ 59) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 278 Rz. 168; teilweise wird weitergehend ein gleichzeitiger Umwandlungsbeschluss gefordert, vgl. Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77, Rz. 11. 60) Vgl. Raiser/Veil, § 23 Rz. 48 – mittelbare Organstellung des Geschäftsführers in der KGaA. 61) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 374 ff.; Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77 Rz. 9; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 40 ff. – krit. zur Praktikabilität eines durch Satzungsgestaltung zumindest in der Konstellation, in der die Komplementär-GmbH neben der Geschäftsführung der KGaA keine zusätzliche eigene Tätigkeit entfaltet, herstellbaren Abberufungsdurchgriffs. 62) Für die Haftung des eintretenden Komplementärs gelten die §§ 161 Abs. 2, 130 HGB, für die Enthaftung des ausscheidenden Komplementärs uneingeschränkt die §§ 161 Abs. 2, 160 HGB, Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 46 ff.; Hüffer, AktG, § 278 Rz. 10; krit. zur verzögerten Enthaftung trotz Vorhandenseins eines Grundkapitals: Wiesner, ZHR 148 (1984), 56, 59 ff., 67 ff. 63) Vgl. Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77, Rz. 21; Büscher/Klusmann, ZIP 1992, 11, 16. 64) Vgl. Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 47; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 278 Rz. 53. 65) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 278 Rz. 56 ff.; Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 48.
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Uwe Blaurock
§ 279
Firma 7.
Gestaltungsfreiheit
Die personengesellschaftsrechtlichen Satzungsspielräume (§ 278 Abs. 2 AktG, §§ 109, 28 163 HGB) bei der näheren Ausgestaltung der Rechtsstellung der Komplementäre bezüglich der vorstehend genannten Aspekte, insbesondere hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen diesen und dem Aufsichtsrat, Beirat oder Verwaltungsrat, sind ein zentraler Vorteil der KGaA (siehe oben Rz. 3 f., zu einzelnen Aspekten bereits oben Rz. 14 ff.) und lassen eine gezielte Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse der Gesellschaft zu.66) IV.
Regelung des § 278 Abs. 3, insbesondere Rechtsstellung der Kommanditaktionäre
Nach § 278 Abs. 3 finden im Übrigen, soweit sich aus den abweichenden Sonderregelungen 29 in den §§ 279 – 290 oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt, die aktienrechtlichen Vorschriften des 1. Buches auf die KGaA sinngemäße Anwendung. (Zur hiermit einhergehenden besonderen Satzungsstrenge vgl. Rz. 8). Weitgehend anwendbar sind damit die Vorschriften über die Gründung, den Aufsichtsrat, 30 die Hauptversammlung und die Rechtsstellung des einzelnen Kommanditaktionärs im Verhältnis zu Gesellschaft und Mitaktionären (vgl. aber die ergänzenden Sonderregeln in §§ 280 – 282, 285, 287).67) Den Kommanditaktionären kommt insoweit keine andere Stellung als den Aktionären 31 einer AG zu.68) Wie dort stehen ihnen teilweise Individual- und teilweise Kollektivrechte zu, welche sie ausschließlich i. R. der Hauptversammlung geltend machen können (vgl. Rz. 13). Das Verhältnis der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu den Komplementären der 32 KGaA richtet sich wiederum grundsätzlich nach Personengesellschaftsrecht (§ 278 Abs. 2). Die Rechtsstellung des Kommanditisten nach KG-Recht fällt hier allerdings nicht jedem einzelnen Kommanditaktionär, sondern der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“, d. h. der Hauptversammlung zu.69) _____________ 66) 67) 68) 69)
Ausführlich zu den Gestaltungsmöglichkeiten: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 219 ff. Henssler/Strohn-Arnold, GesR, § 278 AktG Rz. 14. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 18; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 95 ff. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 19.
§ 279 Firma (1) Die Firma der Kommanditgesellschaft auf Aktien muß, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. (2) Wenn in der Gesellschaft keine natürliche Person persönlich haftet, muß die Firma, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Literatur: Bokelmann, Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl. 2000; Dirksen/Möhrle, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZIP 1998, 1377.
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§ 279
Firma 7.
Gestaltungsfreiheit
Die personengesellschaftsrechtlichen Satzungsspielräume (§ 278 Abs. 2 AktG, §§ 109, 28 163 HGB) bei der näheren Ausgestaltung der Rechtsstellung der Komplementäre bezüglich der vorstehend genannten Aspekte, insbesondere hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen diesen und dem Aufsichtsrat, Beirat oder Verwaltungsrat, sind ein zentraler Vorteil der KGaA (siehe oben Rz. 3 f., zu einzelnen Aspekten bereits oben Rz. 14 ff.) und lassen eine gezielte Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse der Gesellschaft zu.66) IV.
Regelung des § 278 Abs. 3, insbesondere Rechtsstellung der Kommanditaktionäre
Nach § 278 Abs. 3 finden im Übrigen, soweit sich aus den abweichenden Sonderregelungen 29 in den §§ 279 – 290 oder aus dem Fehlen eines Vorstands nichts anderes ergibt, die aktienrechtlichen Vorschriften des 1. Buches auf die KGaA sinngemäße Anwendung. (Zur hiermit einhergehenden besonderen Satzungsstrenge vgl. Rz. 8). Weitgehend anwendbar sind damit die Vorschriften über die Gründung, den Aufsichtsrat, 30 die Hauptversammlung und die Rechtsstellung des einzelnen Kommanditaktionärs im Verhältnis zu Gesellschaft und Mitaktionären (vgl. aber die ergänzenden Sonderregeln in §§ 280 – 282, 285, 287).67) Den Kommanditaktionären kommt insoweit keine andere Stellung als den Aktionären 31 einer AG zu.68) Wie dort stehen ihnen teilweise Individual- und teilweise Kollektivrechte zu, welche sie ausschließlich i. R. der Hauptversammlung geltend machen können (vgl. Rz. 13). Das Verhältnis der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu den Komplementären der 32 KGaA richtet sich wiederum grundsätzlich nach Personengesellschaftsrecht (§ 278 Abs. 2). Die Rechtsstellung des Kommanditisten nach KG-Recht fällt hier allerdings nicht jedem einzelnen Kommanditaktionär, sondern der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“, d. h. der Hauptversammlung zu.69) _____________ 66) 67) 68) 69)
Ausführlich zu den Gestaltungsmöglichkeiten: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 219 ff. Henssler/Strohn-Arnold, GesR, § 278 AktG Rz. 14. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 18; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 95 ff. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 278 Rz. 19.
§ 279 Firma (1) Die Firma der Kommanditgesellschaft auf Aktien muß, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. (2) Wenn in der Gesellschaft keine natürliche Person persönlich haftet, muß die Firma, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Literatur: Bokelmann, Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl. 2000; Dirksen/Möhrle, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZIP 1998, 1377.
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§ 279
Firma Übersicht
I. Überblick ........................................... 1 II. Firma und Rechtsformzusatz (§ 279 Abs. 1) ..................................... 2 I.
III. Keine persönliche Haftung (§ 279 Abs. 2) ..................................... 3
Überblick
1 § 279 regelt den Rechtsformzusatz und bezweckt mit dieser Offenlegung der Rechtsverhältnisse den Schutz der Gläubiger- und Kommanditaktionäre. Während § 279 Abs. 1 der Regelung in § 4 entspricht, greift § 279 Abs. 2 die Vorschrift des § 19 Abs. 2 HGB auf. Hiermit bestätigte der Gesetzgeber den Beschluss des BGH, wonach eine KGaA ohne persönlich haftende Gesellschafter zwar zulässig sei, dieser Umstand jedoch aus der Firma ersichtlich werden müsse.1) Die Pflicht zur Angabe der Rechtsform in Geschäftsbriefen folgt aus § 278 Abs. 3 i. V. m. § 80.2) II.
Firma und Rechtsformzusatz (§ 279 Abs. 1)
2 Die Firma muss einen ausgeschriebenen oder abgekürzten Rechtsformzusatz enthalten. Neben „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ ist die geläufige und daher empfohlene Abkürzung KGaA zulässig. Ebenso zulässig sind: Kommanditgesellschaft aA, KG auf Aktien.3) Mangels Allgemeinverständlichkeit unzulässig sind: KAG, KGA, KoAG, KommAG.4) Der Firmeninhalt richtet sich mangels aktienrechtlicher Sonderbestimmung nach der allgemeinen Vorschrift des § 18 HGB i. V. m. §§ 3 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG. III.
Keine persönliche Haftung (§ 279 Abs. 2)
3 § 279 Abs. 2 betrifft die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA, in der keine natürliche Person als Komplementär unbeschränkt haftet.5) Diese allseitige Haftungsbeschränkung muss in der Firma zum Ausdruck kommen.6) Als zulässige Kennzeichnung sind anerkannt: GmbH & Co. KGaA, AG & Co. KGaA, e. V. & Co. KGaA. Irreführend und deshalb unzulässig sind: GmbHKGaA, AGKGaA, KGaA mbH.7) Bei einem Verstoß gegen § 279 Abs. 2 kommt eine Rechtsscheinhaftung der handelnden Gesellschafter in Betracht.8) Eine Rechtsscheinhaftung der Gesellschafter der Komplementärgesellschaft ist dagegen regelmäßig nicht gegeben.9)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = ZIP 1997, 1027. Dazu Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 279 Rz. 28 ff. Heidel-Wichert, § 279 AktG Rz. 1; krit. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 279 Rz. 4. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 279 Rz. 13; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 279 Rz. 4. Zu den unterschiedlichen Konstellationen Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 279 Rz. 6. So bereits BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = ZIP 1997, 1027. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 279 Rz. 17 ff.; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 279 Rz. 7. Dirksen/Möhrle, ZIP 1998, 1377, 1382 f.; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 279 Rz. 10. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 279 Rz. 5; Heidel-Wichert, § 279 AktG Rz. 3.
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§ 280
Feststellung der Satzung. Gründer
§ 280 Feststellung der Satzung. Gründer (1) 1Die Satzung muß durch notarielle Beurkundung festgestellt werden. 2In der Urkunde sind bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien anzugeben, die jeder Beteiligte übernimmt. 3Bevollmächtigte bedürfen einer notariell beglaubigten Vollmacht. (2) 1Alle persönlich haftenden Gesellschafter müssen sich bei der Feststellung der Satzung beteiligen. 2Außer ihnen müssen die Personen mitwirken, die als Kommanditaktionäre Aktien gegen Einlagen übernehmen. (3) Die Gesellschafter, die die Satzung festgestellt haben, sind die Gründer der Gesellschaft. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Gründungsbeteiligte ......................... 3 III. Feststellung der Satzung .................. 4 I.
IV. Allgmeine Gründungsvorschriften ............................................. 7
Überblick
Die Vorschriften der §§ 280 – 282 enthalten Sonderregeln für die Gründung der KGaA. Sie 1 modifizieren die allgemeinen aktienrechtlichen Gründungsvorschriften (vgl. insbesondere §§ 23 – 53), welche über den Verweis in § 278 Abs. 3 im Übrigen anzuwenden sind. § 280 Abs. 1 wiederholt die Regelungen des § 23 Abs. 1, 2 Nr. 2 betreffend Form, Übernah- 2 meerklärung und Vertretung und hat damit rein klarstellenden Charakter. An der Feststellung der Satzung müssen nach § 280 Abs. 2 alle Kommanditisten und Kommanditaktionäre mitwirken. Sie sind nach § 280 Abs. 3, der § 28 nachgebildet ist, Gründer der KGaA.1) II.
Gründungsbeteiligte
Nach § 280 Abs. 2 müssen sich alle Kommanditaktionäre, die Aktien gegen Einlagen über- 3 nehmen (§ 280 Abs. 2 Satz 2), und sämtliche Komplementäre (§ 280 Abs. 2 Satz 1) an der Feststellung der Satzung beteiligen. Der Ausschluss eines Komplementärs von Geschäftsführung und Vertretung berührt dessen Gründungsbeteiligungspflicht nicht.2) Sofern die Satzung keine gesonderte Vermögenseinlage (§ 281 Abs. 2) vorsieht und der Komplementär auch keine Aktien (dann als Kommanditaktionär) übernimmt, ist er zu keiner Einlageleistung verpflichtet, während die an der Gründung beteiligten Kommanditaktionäre zur Übernahme sämtlicher Aktien gegen Einlageleistung verpflichtet sind. Seit dem UMAG kann ein einzelner Komplementär zugleich als Kommanditaktionär sämtliche Kommanditaktien übernehmen (sog. Einmanngründung, vgl. auch Rz. 8).3) Die Gründungsbeteiligten sind die Gründer der KGaA (§ 280 Abs. 3). Als solche trifft sie die Gründerhaftung (§ 46) sowie die strafrechtliche Verantwortlichkeit als Gründer (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 und 2).4)
_____________ 1) 2) 3) 4)
Vgl. Henssler/Strohn-Arnold, GesR, § 280 AktG Rz. 1 f. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 10. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 4, 30 f.; krit.: Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 280 Rz. 2. Heidel-Wichert, § 278 AktG Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 278 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 280 Rz. 3.
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§ 280 III.
Feststellung der Satzung. Gründer Feststellung der Satzung
4 Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 ist die Satzung durch notarielle Beurkundung festzustellen. Bevollmächtigte bedürfen einer notariell beglaubigten Vollmacht (§ 280 Abs. 1 Satz 3). 5 § 280 Abs. 1 Satz 2 betrifft die sog. Aktienübernahmeerklärung, mit welcher sich die Beteiligten zur Übernahme von Aktien und damit zur Leistung der Einlagen verpflichten. Nach allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften sind hierbei in der Gründungsurkunde die Gründer (§ 23 Abs. 2 Nr. 1), bei Nennbetragaktien der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl, der Ausgabebetrag und (bei mehreren Gattungen) die Gattung der Aktien anzugeben, die jeder Gründer übernimmt (§ 23 Abs. 2 Nr. 2), sowie der eingezahlte Betrag des Grundkapitals (§ 23 Abs. 2 Nr. 3). Für die KGaA ist inhaltlich nichts anderes zu verlangen. Zwar greift § 280 Abs. 1 Satz 2 allein die Regelung des § 23 Abs. 2 Nr. 2 auf, dies ist jedoch auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen. Der Anwendung des § 23 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 über § 278 Abs. 3 steht daher nichts im Wege.5) 6 Zum notwendigen Satzungsinhalt siehe die Kommentierung zu § 281. IV.
Allgmeine Gründungsvorschriften
7 Mit der Satzungsfeststellung und der Aktienübernahme ist die KGaA errichtet (§§ 278 Abs. 3, 29). Zwischen der Errichtung und der Eintragung ist die Gesellschaft bereits als eine rechtsfähige Vorgesellschaft anzusehen (zur Vorgesellschaft siehe oben § 41 Rz. 7 ff.).6) Da die Komplementäre auch in diesem Stadium eine unbeschränkte Außenhaftung trifft, stellt sich die umstrittene Frage der Verlustdeckungshaftung der Gründer für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft nur bezogen auf die Kommanditaktionäre (zur Verlustdeckungshaftung siehe oben § 41 Rz. 14).7) Gleiches gilt für die Vorbelastungshaftung für eine Unterbilanz im Eintragungszeitpunkt, weil nur die Kommanditaktionäre eine Garantenpflicht für das von ihnen aufgebrachte Grundkapital trifft (zur Vorbelastungshaftung siehe oben § 41 Rz. 13).8) Nach bestrittener Auffassung ist eine Handelndenhaftung der Organe einer Komplementärgesellschaft unter dem Aspekt einer mittelbaren Organstellung für die Vor-KGaA ausgeschlossen.9) 8 Die Kommanditaktionäre bestellen den ersten Aufsichtsrat und den Gründungsprüfer für das erste Geschäftsjahr (§§ 278 Abs. 3, 30 Abs. 1). Die Komplementäre sind bei der Abstimmung ausgeschlossen (§ 285 Abs. 1 Nr. 1 und 6). Eine Ausnahme gilt mangels Interessensgegensatz zwischen dem Kommanditaktionär und Komplementären bei der Einpersonengründung (zur Einmann-KGaA siehe auch § 278 Rz. 10, § 280 Rz. 8, § 285 Rz. 4), denn andernfalls wäre die Gesellschaft handlungsunfähig.10) Als Gründer ist neben den Kommanditaktionären auch der Komplementär zur Erstattung des Gründungsberichts (§§ 278 Abs. 3, 32) berufen; die Gründungsprüfung (§§ 278 Abs. 3, 33 Abs. 1) obliegt den Komplementären und dem Aufsichtsrat; aufgrund des unvermeidbaren Interessenkonflikts (sinngemäß §§ 278 Abs. 3, 33 Abs. 2 Nr. 1) ist bei der KGaA-Gründung stets eine externe Gründungsprüfung durchzuführen (siehe zur Erstreckung der Gründungsprüfung auf Sondervermögenssacheinlagen unten § 281 Rz. 5 und zur Anmeldung und Eintragung der KGaA unten § 282 Rz. 2 f.).11) _____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 280 Rz. 5. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 280 Rz. 5. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 280 Rz. 5. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 26; a. A. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 280 Rz. 5. Vgl. Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 76 Rz. 2; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 17, 20. Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 22; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 280 Rz. 7.
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§ 281
Inhalt der Satzung
Teilweise wird bei der Feststellung der Nachgründungspflicht (§§ 278 Abs. 3, 52) eine 9 Hinzurechnung von Sondervermögenseinlagen der Komplementäre zum Grundkapital gefordert.12) § 52 stellt jedoch auf das Grundkapital und nicht auf das Eigenkapital der KGaA ab, weswegen diese Einschränkung der Nachgründungspflicht jedenfalls de lege lata zu Recht mehrheitlich abgelehnt wird.13) _____________ 12) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 280 Rz. 14; Heidel-Wichert, § 280 AktG Rz. 2. 13) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 280 Rz. 10; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 335.
§ 281 Inhalt der Satzung (1) Die Satzung muß außer den Festsetzungen nach § 23 Abs. 3 und 4 den Namen, Vornamen und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters enthalten. (2) Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter müssen, wenn sie nicht auf das Grundkapital geleistet werden, nach Höhe und Art in der Satzung festgesetzt werden. (3) (weggefallen) Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Inhalt der Satzung (§ 281 Abs. 1) .... 2 I.
III. Vermögenseinlagen (§ 281 Abs. 2) .... 5 IV. Satzungsänderungen ......................... 6
Überblick
§ 281 ergänzt die in §§ 278 Abs. 3, 23 Abs. 3, Abs. 4 enthaltenen Mindestanforderungen 1 an den Inhalt der Satzung der KGaA um zusätzliche persönliche Angaben zur Identität des Komplementärs (§ 281 Abs. 1) und zu dessen fakultativer Vermögenseinlage (§ 281 Abs. 2). II.
Inhalt der Satzung (§ 281 Abs. 1)
Aus der Verweisung auf § 23 Abs. 3 und Abs. 4 folgt, dass bezüglich der Angaben zu 2 Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand, Höhe und Zerlegung des Grundkapitals, Art der Aktien und Bekanntmachungen der Gesellschaft keine Besonderheiten für die KGaA gelten. Die Zahl der Komplementäre oder Regeln, nach welchen diese Zahl festgelegt wird sind nicht anzugeben. § 23 Abs. 2 Nr. 6 findet wegen Fehlens eines Vorstands über § 278 Abs. 3 keine Anwendung (die Anzahl der Komplementäre bestimmt sich vielmehr nach KG-Recht).1) Die zwingend erforderliche Angabe von Namen, Vornamen und Wohnort des Komple- 3 mentärs (§ 281 Abs. 1) soll eine klare Identifizierung der für die Verbindlichkeiten der KGaA haftenden Personen ermöglichen.2) Ist eine Gesellschaft Komplementärin ist deren Firma und Sitz anzugeben,3) bei einer Außen-GbR auch deren Gesellschafter (zur Tauglichkeit als Komplementär siehe oben § 278 Rz. 16 f.).4) Nach § 281 Abs. 2 müssen zudem _____________ 1) 2) 3) 4)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 281 Rz. 1. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 281 Rz. 7; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 10 f. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 11; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 281 Rz. 5. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 281 Rz. 2.
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§ 281
Inhalt der Satzung
Teilweise wird bei der Feststellung der Nachgründungspflicht (§§ 278 Abs. 3, 52) eine 9 Hinzurechnung von Sondervermögenseinlagen der Komplementäre zum Grundkapital gefordert.12) § 52 stellt jedoch auf das Grundkapital und nicht auf das Eigenkapital der KGaA ab, weswegen diese Einschränkung der Nachgründungspflicht jedenfalls de lege lata zu Recht mehrheitlich abgelehnt wird.13) _____________ 12) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 280 Rz. 14; Heidel-Wichert, § 280 AktG Rz. 2. 13) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 280 Rz. 10; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 335.
§ 281 Inhalt der Satzung (1) Die Satzung muß außer den Festsetzungen nach § 23 Abs. 3 und 4 den Namen, Vornamen und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters enthalten. (2) Vermögenseinlagen der persönlich haftenden Gesellschafter müssen, wenn sie nicht auf das Grundkapital geleistet werden, nach Höhe und Art in der Satzung festgesetzt werden. (3) (weggefallen) Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Inhalt der Satzung (§ 281 Abs. 1) .... 2 I.
III. Vermögenseinlagen (§ 281 Abs. 2) .... 5 IV. Satzungsänderungen ......................... 6
Überblick
§ 281 ergänzt die in §§ 278 Abs. 3, 23 Abs. 3, Abs. 4 enthaltenen Mindestanforderungen 1 an den Inhalt der Satzung der KGaA um zusätzliche persönliche Angaben zur Identität des Komplementärs (§ 281 Abs. 1) und zu dessen fakultativer Vermögenseinlage (§ 281 Abs. 2). II.
Inhalt der Satzung (§ 281 Abs. 1)
Aus der Verweisung auf § 23 Abs. 3 und Abs. 4 folgt, dass bezüglich der Angaben zu 2 Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand, Höhe und Zerlegung des Grundkapitals, Art der Aktien und Bekanntmachungen der Gesellschaft keine Besonderheiten für die KGaA gelten. Die Zahl der Komplementäre oder Regeln, nach welchen diese Zahl festgelegt wird sind nicht anzugeben. § 23 Abs. 2 Nr. 6 findet wegen Fehlens eines Vorstands über § 278 Abs. 3 keine Anwendung (die Anzahl der Komplementäre bestimmt sich vielmehr nach KG-Recht).1) Die zwingend erforderliche Angabe von Namen, Vornamen und Wohnort des Komple- 3 mentärs (§ 281 Abs. 1) soll eine klare Identifizierung der für die Verbindlichkeiten der KGaA haftenden Personen ermöglichen.2) Ist eine Gesellschaft Komplementärin ist deren Firma und Sitz anzugeben,3) bei einer Außen-GbR auch deren Gesellschafter (zur Tauglichkeit als Komplementär siehe oben § 278 Rz. 16 f.).4) Nach § 281 Abs. 2 müssen zudem _____________ 1) 2) 3) 4)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 281 Rz. 1. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 281 Rz. 7; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 10 f. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 11; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 281 Rz. 5. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 281 Rz. 2.
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§ 281
Inhalt der Satzung
Sondereinlagen eines Komplementärs (= Einlagen die nicht auf das Grundkapital geleistet werden) nach Höhe und Art in der Satzung festgesetzt werden. 4 Neben dem zwingenden Inhalt kann die Satzung als Ausdruck der Gestaltungsfreiheit im Recht der KGaA (§ 278 Abs. 2 AktG, § 109 HGB) fakultativ unter anderem Folgendes angeben: Vermögenseinlage der Komplementäre und Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben für die Rechtsstellung der Komplementäre (Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, Gewinnverteilung, Entnahmerechte etc.).5) Der Umstand, dass einige Satzungsbestandteile nach Aktienrecht und andere nach dem Recht der KG zu beurteilen sind, stellt zwar die Einheitlichkeit der Satzung nicht in Frage,6) wirkt sich aber auf die Voraussetzungen einer Satzungsänderung aus (siehe unten Rz. 5). III.
Vermögenseinlagen (§ 281 Abs. 2)
5 § 281 Abs. 2 geht von der (aus steuerlichen Gründen) praktisch bedeutsamen Möglichkeit aus, dass der Komplementär eine nicht auf das Grundkapital der KGaA anzurechnende Vermögenseinlage leisten kann (sog. Sondereinlage).7) Die Besteuerung dieser Vermögenseinlage richtet sich nach den personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen.8) Auch ansonsten ist auf die Vermögenseinlage grundsätzlich KG-Recht anwendbar (§ 278 Abs. 2), weswegen die strengen Vorschriften des Aktienrechts über die Kapitalaufbringung und -erhaltung keine Anwendung finden.9) Konsequenterweise beurteilt sich die Einlagefähigkeit bei Sachvermögenseinlagen nicht nach § 27 Abs. 2, sondern nach § 278 Abs. 2 AktG i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i. V. m. §§ 705 ff. BGB.10) Aus der Verweisung auf das KG-Recht folgt nach bestrittener Ansicht, dass die Werthaltigkeit von Sondervermögenseinlagen nicht Gegenstand der Gründungsprüfung ist;11) auch eine aktienrechtliche Differenzhaftung scheidet konsequenterweise aus.12) IV.
Satzungsänderungen
6 Bei der Durchführung von Satzungsänderungen ist zwischen personengesellschafts- und kapitalgesellschaftsrechtlichen Elementen zu unterscheiden: Satzungsänderungen aktienrechtlichen Inhalts sind mit qualifizierter Hauptversammlungsmehrheit (§§ 278 Abs. 3, 179 ff.), Änderungen des kommanditgesellschaftsrechtlichen Inhalts nach teilweise vertretener Ansicht mit einfacher Mehrheit (§ 133) zu fassen.13) Ausgehend vom Verständnis der Satzung als körperschaftliche Einheitsverfassung fordert die h. A. jedoch in beiden Fällen eine qualifizierte Mehrheit (§§ 179 ff.).14) Allerdings – insoweit relativieren sich die beiden Ansichten – kann die Satzung für bestimmte Satzungsänderungen, die sich auf Bereiche beziehen, in denen infolge des Verweises aus § 278 Abs. 2 KG-Recht gilt, grundsätzlich eine Beschlussfassung allein durch die Komplementäre oder einen ein_____________ 5) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 281 Rz. 8 ff.; Mustersatzungen bei: Heidel-Terbrack/Löhr, Anh § 281 AktG; Schütz/Bürgers/Riotte-Bürgers/Förl, § 13; Happ-Pühler, Aktienrecht, Rz. 1.03. 6) Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 281 Rz. 15. 7) Vgl. zum Ganzen Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 3 ff.; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 17 ff. 8) Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 3 m. w. N. 9) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 281 Rz. 15; Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 10 ff. 10) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 281 Rz. 3; Raiser/Veil, § 23 Rz. 10. 11) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 281 Rz. 7; Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 15; a. A. Hüffer, AktG, § 286 Rz. 2; Raiser/Veil, § 23 Rz. 10, 12; Assmann/ Sethe in: GroßKomm-AktG, § 281 Rz. 24 ff. 12) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 280 Rz. 29; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 281 Rz. 21; a. A. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 286 Rz. 35; Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 14. 13) Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 281 Rz. 22; Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 23. 14) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 281 Rz. 15; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 60.
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Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter
§ 282
fachen Mehrheitsbeschluss vorsehen.15) Im Übrigen ist § 179 nicht dispositiv. Gleiches gilt für das Erfordernis der Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister (§ 181). Ein Satzungsänderungsbeschluss der Hauptversammlung bedarf außerdem der Zustimmung sämtlicher Komplementäre, § 285 Abs. 2 Satz 1. Von diesem Grundsatz der Einstimmigkeit kann allerdings in den Grenzen der Kernbereichslehre durch eine Satzungsregelung abgewichen werden.16) _____________ 15) Im Einzelnen strittig: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 63; Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 23. 16) Vgl. Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 25; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 62.
§ 282 Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter 1
Bei der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister sind statt der Vorstandsmitglieder die persönlich haftenden Gesellschafter anzugeben. 2Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die persönlich haftenden Gesellschafter haben. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anmeldung ........................................ 2 I.
III. Eintragung ......................................... 3
Überblick
Da die Komplementäre der KGaA an die Stelle des aktienrechtlichen Vorstands treten, 1 modifiziert § 282 die aktienrechtliche Regelungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3. Die Vorschrift betrifft nur die Eintragung der KGaA; die inhaltlichen Anforderungen an die Anmeldung ergeben sich aus den §§ 278 Abs. 3, 283 Nr. 1, 36 Abs. 1, 37. II.
Anmeldung
Die Anmeldung1) (§ 36 Abs. 1) der KGaA ist von den Komplementären (anstelle des 2 Vorstands), den Mitgliedern des Aufsichtsrats sowie den an der Gründung beteiligten Kommanditaktionären elektronisch in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 Abs. 1 HGB, § 129 BGB) vorzunehmen.2) Während die Kommanditaktionäre vor der Anmeldung nach Maßgabe der §§ 36, 36a ihre auf das Grundkapital bezogenen Einlageleistung jedenfalls teilweise endgültig zur freien Verfügung der Gesellschaft leisten müssen und diese Leistung in der Anmeldung zu versichern ist (§ 37 Abs. 1), ist eine Leistung von nicht im Handelsregister einzutragenden3) Sondereinlagen der Komplementäre (§ 281 Abs. 2) vor der Anmeldung nicht erforderlich.4) Eine teilweise geforderte Versicherung der vertretungsberechtigten Komplementäre nach § 37 Abs. 2 sollte zur Sicherheit abgeben werden.5)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Anmeldemuster unter anderem bei: Krafka/Willer/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rz. 1774. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 2 f.; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 282 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 282 Rz. 7; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 5. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 5; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 282 Rz. 7. Krafka/Willer/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rz. 1773; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 6 Fn. 4.
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Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter
§ 282
fachen Mehrheitsbeschluss vorsehen.15) Im Übrigen ist § 179 nicht dispositiv. Gleiches gilt für das Erfordernis der Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister (§ 181). Ein Satzungsänderungsbeschluss der Hauptversammlung bedarf außerdem der Zustimmung sämtlicher Komplementäre, § 285 Abs. 2 Satz 1. Von diesem Grundsatz der Einstimmigkeit kann allerdings in den Grenzen der Kernbereichslehre durch eine Satzungsregelung abgewichen werden.16) _____________ 15) Im Einzelnen strittig: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 63; Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 23. 16) Vgl. Heidel-Wichert, § 281 AktG Rz. 25; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 281 Rz. 62.
§ 282 Eintragung der persönlich haftenden Gesellschafter 1
Bei der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister sind statt der Vorstandsmitglieder die persönlich haftenden Gesellschafter anzugeben. 2Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die persönlich haftenden Gesellschafter haben. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anmeldung ........................................ 2 I.
III. Eintragung ......................................... 3
Überblick
Da die Komplementäre der KGaA an die Stelle des aktienrechtlichen Vorstands treten, 1 modifiziert § 282 die aktienrechtliche Regelungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3. Die Vorschrift betrifft nur die Eintragung der KGaA; die inhaltlichen Anforderungen an die Anmeldung ergeben sich aus den §§ 278 Abs. 3, 283 Nr. 1, 36 Abs. 1, 37. II.
Anmeldung
Die Anmeldung1) (§ 36 Abs. 1) der KGaA ist von den Komplementären (anstelle des 2 Vorstands), den Mitgliedern des Aufsichtsrats sowie den an der Gründung beteiligten Kommanditaktionären elektronisch in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 Abs. 1 HGB, § 129 BGB) vorzunehmen.2) Während die Kommanditaktionäre vor der Anmeldung nach Maßgabe der §§ 36, 36a ihre auf das Grundkapital bezogenen Einlageleistung jedenfalls teilweise endgültig zur freien Verfügung der Gesellschaft leisten müssen und diese Leistung in der Anmeldung zu versichern ist (§ 37 Abs. 1), ist eine Leistung von nicht im Handelsregister einzutragenden3) Sondereinlagen der Komplementäre (§ 281 Abs. 2) vor der Anmeldung nicht erforderlich.4) Eine teilweise geforderte Versicherung der vertretungsberechtigten Komplementäre nach § 37 Abs. 2 sollte zur Sicherheit abgeben werden.5)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Anmeldemuster unter anderem bei: Krafka/Willer/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rz. 1774. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 2 f.; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 282 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 282 Rz. 7; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 5. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 5; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 282 Rz. 7. Krafka/Willer/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rz. 1773; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 6 Fn. 4.
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§ 283 III.
Persönlich haftende Gesellschafter Eintragung
3 Die Eintragung erfolgt nach der Prüfung der ordnungsgemäßen Errichtung und Anmeldung der KGaA (§§ 278 Abs. 3, 38). Statt des AG-Vorstands werden die Komplementäre (§ 282 Satz 1) und jeweils deren Vertretungsbefugnis (§ 282 Satz 2) eingetragen: entweder Einzelvertretung oder eine vom Regelfall abweichende Gesamtvertretung oder Ausschluss der Vertretungsmacht.6) _____________ 6)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 9; Krafka/Willer/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rz. 1775.
§ 283 Persönlich haftende Gesellschafter Für die persönlich haftenden Gesellschafter gelten sinngemäß die für den Vorstand der Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften über 1. die Anmeldungen, Einreichungen, Erklärungen und Nachweise zum Handelsregister sowie über Bekanntmachungen; 2. die Gründungsprüfung; 3. die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit; 4. die Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat; 5. die Zulässigkeit einer Kreditgewährung; 6. die Einberufung der Hauptversammlung; 7. die Sonderprüfung; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen der Geschäftsführung; 9. die Aufstellung, Vorlegung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns; 10. die Vorlegung und Prüfung des Lageberichts sowie eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts; 11. die Vorlegung, Prüfung und Offenlegung eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs; 12. die Ausgabe von Aktien bei bedingter Kapitalerhöhung, bei genehmigtem Kapital und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln; 13. die Nichtigkeit und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen; 14. den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Übersicht I. Überblick ........................................... 1 I.
II. Katalog ................................................ 2
Überblick
1 Durch § 283 werden den Komplementären, deren Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenzen sich grundsätzlich nach KG-Recht richten (§ 278 Abs. 2), bestimmte aktienrechtliche Vorstandsfunktionen zugewiesen; die Verweisungen stellen zwingendes Recht dar und sind abschließend.1) Sie betreffen mit Ausnahme der Regelungen, die die _____________ 1)
BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394 = ZIP 1997, 1027.
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§ 283 III.
Persönlich haftende Gesellschafter Eintragung
3 Die Eintragung erfolgt nach der Prüfung der ordnungsgemäßen Errichtung und Anmeldung der KGaA (§§ 278 Abs. 3, 38). Statt des AG-Vorstands werden die Komplementäre (§ 282 Satz 1) und jeweils deren Vertretungsbefugnis (§ 282 Satz 2) eingetragen: entweder Einzelvertretung oder eine vom Regelfall abweichende Gesamtvertretung oder Ausschluss der Vertretungsmacht.6) _____________ 6)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 282 Rz. 9; Krafka/Willer/Kühn-Krafka/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rz. 1775.
§ 283 Persönlich haftende Gesellschafter Für die persönlich haftenden Gesellschafter gelten sinngemäß die für den Vorstand der Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften über 1. die Anmeldungen, Einreichungen, Erklärungen und Nachweise zum Handelsregister sowie über Bekanntmachungen; 2. die Gründungsprüfung; 3. die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit; 4. die Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat; 5. die Zulässigkeit einer Kreditgewährung; 6. die Einberufung der Hauptversammlung; 7. die Sonderprüfung; 8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen der Geschäftsführung; 9. die Aufstellung, Vorlegung und Prüfung des Jahresabschlusses und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns; 10. die Vorlegung und Prüfung des Lageberichts sowie eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts; 11. die Vorlegung, Prüfung und Offenlegung eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs; 12. die Ausgabe von Aktien bei bedingter Kapitalerhöhung, bei genehmigtem Kapital und bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln; 13. die Nichtigkeit und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen; 14. den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Übersicht I. Überblick ........................................... 1 I.
II. Katalog ................................................ 2
Überblick
1 Durch § 283 werden den Komplementären, deren Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenzen sich grundsätzlich nach KG-Recht richten (§ 278 Abs. 2), bestimmte aktienrechtliche Vorstandsfunktionen zugewiesen; die Verweisungen stellen zwingendes Recht dar und sind abschließend.1) Sie betreffen mit Ausnahme der Regelungen, die die _____________ 1)
BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394 = ZIP 1997, 1027.
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§ 283
Persönlich haftende Gesellschafter
Geschäftsführungsbefugnis voraussetzen (§ 283 Nr. 4, 6, 9 – 12, 14), jeden Komplementär. Für nicht geschäftsführungsbefugte Komplementäre sind mithin nur § 283 Nr. 2, 5, 13 und bezogen auf Gründungsvorgänge, an denen sie zwingend beteiligt sind, die übrigen Nr. 1, 3, 7, 8 zu beachten.2) II.
Katalog
§ 283 Nr. 1: Es gelten die Vorschriften über die Anmeldung der Gesellschaft (§§ 36, 37, 2 siehe dazu § 282 Rz. 2), Satzungsänderungen (§ 181), Kapitalmaßnahmen (§§ 184, 188, 195, 201, 223, 227, 239), Unternehmensverträge (§§ 294, 298) und den Squeeze-Out (§ 327e), über Einreichungen betreffend die Änderungen im Aufsichtsrat (§ 106), Anfechtungsurteile (§ 248 Abs. 1 Satz 2), Nichtigkeitsklagen (§ 275 Abs. 4), Hauptversammlungsprotokolle (§ 130 Abs. 5) und Jahresabschlüsse (§ 325 Abs. 1 HGB), über Erklärungen und Nachweise gegenüber dem Handelsregister, vor allem bei der Gründung (§ 37 Abs. 1), und losgelöst vom Handelsregister über Bekanntmachungen (§§ 121 Abs. 3, 125).3) § 283 Nr. 2: Alle Komplementäre sind nach §§ 33 ff. zur Gründungsprüfung verpflichtet. 3 Zudem findet bei jeder Gründung eine externe Prüfung statt (dazu siehe oben § 280 Rz. 8). § 283 Nr. 3: Bei Gründung (§ 48), Nachgründung (§ 53) und Geschäftsführung (§ 93 Abs. 1) 4 sind die Komplementäre im Fall der Nichteinhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zum Schadensersatz verpflichtet.4) Die personengesellschaftsrechtliche Haftungsprivilegierung (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB, § 708 BGB) gilt hier nicht.5) § 283 Nr. 4: Bezugspunkt sind die Berichtspflichten an den Aufsichtsrat (§ 90), die Vor- 5 lage des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts (§ 170); dem Aufsichtsrat steht das Einsichtsnahme- und Prüfungsrecht aus § 111 Abs. 2 zu.6) § 283 Nr. 5: Die Zulässigkeit der Kreditvergabe an Komplementäre richtet sich nach § 89.7)
6
§ 283 Nr. 6: Über die Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 2) hinaus ist der 7 Komplementär zu sämtlichen in diesem Kontext anfallenden Tätigkeiten verpflichtet.8) § 283 Nr. 7: In Bezug auf die Sonderprüfung verweist Nr. 7 auf die §§ 142 ff., 258 ff.9)
8
§ 283 Nr. 8: Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen richtet sich nach §§ 147 ff.10)
9
§ 283 Nr. 9 – 11: Die Komplementäre trifft die Pflicht zur Aufstellung, Vorlage und Prü- 10 fung des Jahresabschlusses und zur Unterbreitung des Vorschlags zur Gewinnverwendung (§ 170), zur Vorlage/Prüfung des Lageberichts sowie ggf. zur Aufstellung des Konzernabschlusses und -lageberichts (§ 290 HGB) und Abhängigkeitsberichts.11) § 283 Nr. 12: Die Komplementäre tragen die Verantwortung für die Ausgabe neuer Aktien 11 bei besonderen Kapitalerhöhungen (einschlägig sind § 199, § 203 ff. und § 214 ff.). _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 8 ff.; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 283 Rz. 1. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 283 Rz. 2; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 14 ff. Vgl. unter anderem OLG München, Urt. v. 17.9.1999 – 23 U 1514/98, AG 2000, 426, 427. BGH, Urt. v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394 = ZIP 1997, 1027. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 283 Rz. 24; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 20 f. Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.7.2004 – 20 U 5/04, ZIP 2004, 2005 f.; zur Erstreckung auf die Geschäftsführer einer Komplementärgesellschaft: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 278 Rz. 330 f. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 25 ff.; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 283 Rz. 26 f. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 283 Rz. 14; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 30 f. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 32; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 283 Rz. 9. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 283 Rz. 31 ff.; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 33 ff.
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§ 284
Wettbewerbsverbot
12 § 283 Nr. 13: Die Regelung enthält eine jeden Komplementär berechtigende Rechtsfolgenverweisung auf §§ 241 ff. zur Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von HV-Beschlüssen.12) 13 § 283 Nr. 14: Die Insolvenzantragspflicht der Komplementäre folgt seit dem MoMiG aus § 15a InsO (§ 92 Abs. 2 a. F.), sodass es des Verweises ins Aktienrecht an sich nicht mehr bedarf. Die Pflicht zur Einberufung einer Hauptversammlung bei einem Verlust des halben Grundkapitals (§ 92 Abs. 1) trifft auch den Komplementär einer KGaA.13) _____________ 12) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, § 283 Rz. 19; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 283 Rz. 36 ff. 13) Vgl. auch im Einzelnen zu § 15a InsO: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 42 f.
§ 284 Wettbewerbsverbot (1) 1Ein persönlich haftender Gesellschafter darf ohne ausdrückliche Einwilligung der übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und des Aufsichtsrats weder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen noch Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft sein. 2Die Einwilligung kann nur für bestimmte Arten von Geschäften oder für bestimmte Handelsgesellschaften erteilt werden. (2) 1Verstößt ein persönlich haftender Gesellschafter gegen dieses Verbot, so kann die Gesellschaft Schadenersatz fordern. 2Sie kann statt dessen von dem Gesellschafter verlangen, daß er die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten läßt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtritt. (3) 1Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in drei Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und die Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten. 2Sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in fünf Jahren von ihrer Entstehung an. Literatur: Armbrüster, Wettbewerbsverbote im Kapitalgesellschaftsrecht, ZIP 1997, 1269.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Wettbewerbsverbot, Dispens (§ 284 Abs. 1) ..................................... 2 I.
III. Sanktion (§ 284 Abs. 2), Verjährung (§ 284 Abs. 3) ................ 4
Überblick
1 Bezüglich des Wettbewerbsverbots des Komplementärs folgt § 284 einem gemischten Modell: Das Verbot (§ 284 Abs. 1 Satz 1) umfasst nur Tätigkeiten im Geschäftszweig1) der Gesellschaft und damit abweichend von § 88 Abs. 1 nicht in jedem „Handelsgewerbe“, ein Dispens kann abweichend von § 112 Abs. 2 HGB nur ausdrücklich erteilt werden.2)
_____________ 1) 2)
Zum Inhalt des Wettbewerbsverbots ausführlich: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 284 Rz. 8 ff. Vgl. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 284 Rz. 1; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 284 Rz. 1.
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§ 284
Wettbewerbsverbot
12 § 283 Nr. 13: Die Regelung enthält eine jeden Komplementär berechtigende Rechtsfolgenverweisung auf §§ 241 ff. zur Nichtigkeit/Anfechtbarkeit von HV-Beschlüssen.12) 13 § 283 Nr. 14: Die Insolvenzantragspflicht der Komplementäre folgt seit dem MoMiG aus § 15a InsO (§ 92 Abs. 2 a. F.), sodass es des Verweises ins Aktienrecht an sich nicht mehr bedarf. Die Pflicht zur Einberufung einer Hauptversammlung bei einem Verlust des halben Grundkapitals (§ 92 Abs. 1) trifft auch den Komplementär einer KGaA.13) _____________ 12) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, § 283 Rz. 19; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 283 Rz. 36 ff. 13) Vgl. auch im Einzelnen zu § 15a InsO: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 283 Rz. 42 f.
§ 284 Wettbewerbsverbot (1) 1Ein persönlich haftender Gesellschafter darf ohne ausdrückliche Einwilligung der übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und des Aufsichtsrats weder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen noch Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft sein. 2Die Einwilligung kann nur für bestimmte Arten von Geschäften oder für bestimmte Handelsgesellschaften erteilt werden. (2) 1Verstößt ein persönlich haftender Gesellschafter gegen dieses Verbot, so kann die Gesellschaft Schadenersatz fordern. 2Sie kann statt dessen von dem Gesellschafter verlangen, daß er die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten läßt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtritt. (3) 1Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in drei Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und die Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten. 2Sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in fünf Jahren von ihrer Entstehung an. Literatur: Armbrüster, Wettbewerbsverbote im Kapitalgesellschaftsrecht, ZIP 1997, 1269.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Wettbewerbsverbot, Dispens (§ 284 Abs. 1) ..................................... 2 I.
III. Sanktion (§ 284 Abs. 2), Verjährung (§ 284 Abs. 3) ................ 4
Überblick
1 Bezüglich des Wettbewerbsverbots des Komplementärs folgt § 284 einem gemischten Modell: Das Verbot (§ 284 Abs. 1 Satz 1) umfasst nur Tätigkeiten im Geschäftszweig1) der Gesellschaft und damit abweichend von § 88 Abs. 1 nicht in jedem „Handelsgewerbe“, ein Dispens kann abweichend von § 112 Abs. 2 HGB nur ausdrücklich erteilt werden.2)
_____________ 1) 2)
Zum Inhalt des Wettbewerbsverbots ausführlich: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 284 Rz. 8 ff. Vgl. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 284 Rz. 1; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 284 Rz. 1.
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§ 284
Wettbewerbsverbot II.
Wettbewerbsverbot, Dispens (§ 284 Abs. 1)
Während das Wettbewerbsverbot nach § 88 in erster Linie den Schutz der AG vor ander- 2 weitigem Einsatz der Arbeitskraft ihrer Vorstandsmitglieder bezweckt3), dient das Wettbewerbsverbot nach § 284 als Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht allein der Verhinderung, dass die Gesellschaft durch Verwendung von Informationen, die aufgrund der Komplementärstellung erlangt wurden, geschädigt wird.4) Vor diesem Hintergrund geht die h. A., dem Wortlaut (§ 284 Abs. 1 Satz 1) folgend, davon aus, dass auch nicht geschäftsführende Komplementäre dem Wettbewerbsverbot unterliegen.5) In einer kapitalistischen KGaA trifft das Wettbewerbsverbot neben der Komplementärgesellschaft auch deren Geschäftsführer und beherrschende Gesellschafter.6) Beim Ausscheiden des Komplementärs erlischt das Wettbewerbsverbot, eine Einschränkung ist insoweit allein unter dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Treuepflicht denkbar.7) Die Geschäftschancenlehre findet ebenfalls Anwendung auf die Komplementäre.8) Ein Dispens vom Wettbewerbsverbot setzt die ausdrückliche Einwilligung sämtlicher 3 Komplementäre und des Aufsichtsrates voraus.9) Eine Verschärfung in der Satzung ist möglich, nicht jedoch eine das ausdrückliche Zustimmungserfordernis missachtende allgemeine Einschränkung.10) Begründet der Dispens eine faktische Abhängigkeit der KGaA vom Konkurrenzunternehmen, ist nach der übertragbaren Rechtsprechung zum GmbHRecht eine sachliche Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit erforderlich.11) III.
Sanktion (§ 284 Abs. 2), Verjährung (§ 284 Abs. 3)
Bei einem Verstoß gegen § 284 Abs. 1 kann die Gesellschaft entweder Schadensersatz for- 4 dern oder das Geschäft wirtschaftlich an sich ziehen (§ 284 Abs. 2). Diese Vorschrift entspricht den Rechtsfolgen bei Vorstandsmitgliedern (§ 88 Abs. 2). Daneben kommen Unterlassungsansprüche, die Entziehung der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis sowie ein Ausschluss aus der Gesellschaft in Betracht.12) In Übereinstimmung mit § 88 Abs. 3 verjähren die Ansprüche in drei Monaten nach der 5 Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis sämtlicher Komplementäre und Aufsichtsratsmitgliedern bzw. unabhängig davon in fünf Jahren nach ihrer Entstehung (§ 284 Abs. 3).
_____________ 3) Vgl. Hüffer, AktG, § 88 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 1. 4) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 284 Rz. 3; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 284 Rz. 4. 5) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 284 Rz. 5; Heidel-Wichert, § 284 AktG Rz. 1; a. A. Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1271; Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77 Rz. 24; Hüffer, AktG, § 284 Rz. 1. 6) Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77 Rz. 24; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 284 Rz. 9 ff. 7) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 284 Rz. 23 f.; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 284 Rz. 7. 8) Vgl. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 284 Rz. 23; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 284 Rz. 3. 9) Vgl. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 284 Rz. 15; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 284 Rz. 19 f. 10) Heidel-Wichert, § 284 AktG Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 284 Rz. 17; ausführlich zum verbleibenden vertraglichen Regelungsspielraum: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 284 Rz. 26 ff. 11) BGH, Urt. v. 16.2.1981 – II ZR 168/79, BGHZ 80, 69, 74 = ZIP 1981, 399; Hüffer, AktG, § 284 Rz. 2. 12) Vgl. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 284 Rz. 12; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 284 Rz. 39.
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§ 285
Hauptversammlung
§ 285 Hauptversammlung (1) 1In der Hauptversammlung haben die persönlich haftenden Gesellschafter nur ein Stimmrecht für ihre Aktien. 2Sie können das Stimmrecht weder für sich noch für einen anderen ausüben bei Beschlußfassungen über 1. die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats; 2. die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats; 3. die Bestellung von Sonderprüfern; 4. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen; 5. den Verzicht auf Ersatzansprüche; 6. die Wahl von Abschlußprüfern. 3
Bei diesen Beschlußfassungen kann ihr Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden.
(2) 1Die Beschlüsse der Hauptversammlung bedürfen der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter, soweit sie Angelegenheiten betreffen, für die bei einer Kommanditgesellschaft das Einverständnis der persönlich haftenden Gesellschafter und der Kommanditisten erforderlich ist. 2Die Ausübung der Befugnisse, die der Hauptversammlung oder einer Minderheit von Kommanditaktionären bei der Bestellung von Prüfern und der Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft aus der Gründung oder der Geschäftsführung zustehen, bedarf nicht der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. (3) 1Beschlüsse der Hauptversammlung, die der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter bedürfen, sind zum Handelsregister erst einzureichen, wenn die Zustimmung vorliegt. 2Bei Beschlüssen, die in das Handelsregister einzutragen sind, ist die Zustimmung in der Verhandlungsniederschrift oder in einem Anhang zur Niederschrift zu beurkunden. Literatur: Dreisow, Zu den Stimmverboten für die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, DB 1977, 851.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Stimmrechtsausschluss (§ 285 Abs. 1 Satz 2) ......................... 2 I.
III. Zustimmungsrecht der Komplementäre (§ 285 Abs. 2) ........ 5 IV. Anmeldung und Eintragung der Beschlüsse (§ 285 Abs. 3) ........... 6
Überblick
1 Die Komplementäre haben nur dann ein Stimmrecht in der Hauptversammlung, wenn sie auch als Kommanditaktionär beteiligt sind (§ 285 Abs. 1 Satz 1); die bloße Leistung einer gesonderten Vermögenseinlage (§ 281 Abs. 2) reicht insoweit nicht aus.1) Für das Stimmrecht der Kommanditaktionäre gelten die §§ 278 Abs. 3, 12, 134 – 137.2) _____________ 1) 2)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 285 Rz. 9 ff.; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 285 Rz. 30. Übersicht der Hauptversammlungskompetenzen bei Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 285 Rz. 18 ff.
1372
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§ 285
Hauptversammlung II.
Stimmrechtsausschluss (§ 285 Abs. 1 Satz 2)
In Ansehung der Vorstandsfunktion der Komplementäre und der andernfalls drohenden 2 Interessenkonflikte ist deren Stimmrecht als Kommanditaktionär nach § 285 Abs. 1 Satz 2 in folgenden Fällen ausgeschlossen: –
§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 betreffen die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats sowie die Entlastung der Komplementäre und Aufsichtsratsmitglieder.3)
–
§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 schließt eine Mitwirkung bei der Bestellung von Sonderprüfern in jedem Fall aus (strenger als § 142 Abs. 1 Satz 2).
–
§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 betreffen ohne Rücksicht auf eine Beteiligung an der schädigenden Handlung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen bzw. deren Verzicht (strenger als § 136 Abs. 1 Satz 1); ebenso erfasst ist ein Vergleich.4)
–
§ 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 schließt die Mitwirkung der Komplementäre an der Wahl der Abschlussprüfer aus.
Der Stimmrechtsausschluss umfasst darüber hinaus die mit der Beschlussfassung sachlich 3 zusammenhängenden Verfahrensanträge. Das Teilnahmerecht der Komplementäre bleibt hingegen unberührt.5) Angesichts des vergleichbaren Interessenkonflikts treffen die Stimmverbote auch die Ge- 4 schäftsführer einer Komplementär-GmbH.6) Dagegen unterliegt der Komplementär der Einmann-KGaA mangels Interessenkonflikts ausnahmsweise keinem Stimmverbot (zur Einmann-KGaA siehe auch § 278 Rz. 10 sowie § 280 Rz. 8); die Gesellschaft wäre ansonsten auch handlungsunfähig.7) III.
Zustimmungsrecht der Komplementäre (§ 285 Abs. 2)
§ 285 Abs. 2 Satz 1 räumt allen (auch den nicht geschäftsführungsbefugten)8) Komple- 5 mentären ein Zustimmungsrecht für diejenigen Hauptversammlungsbeschlüsse ein, die gemessen an personengesellschaftsrechtlichen Maßstäben der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedürften: Satzungsänderungen, Grundlagengeschäfte, außergewöhnliche Geschäfte (siehe hierzu § 278 Rz. 16 f.).9) Vorbehaltlich § 285 Abs. 3 Satz 2 ist die Zustimmung formfrei möglich; gleichwohl empfiehlt sich zu Dokumentationszwecken die Schriftform.10) Während die Alleinentscheidungsrechte der Kommanditaktionäre (§ 285 Abs. 2 Satz 2)11) nicht zur Disposition stehen, lässt die Satzungsautonomie bezüglich der Zustimmungsbedürftigkeit Gestaltungsfreiraum: Einschränkungen oder Abbedingung für einzelne Komplementäre; Mehrheitsprinzip.12) Bis zur Erteilung der Zustimmung sind die Hauptversammlungsbeschlüsse schwebend unwirksam.13) _____________ 3) Vgl. Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 285 Rz. 26 ff; Dreisow, DB 1977, 851 ff. 4) Vgl. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 285 Rz. 3; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 285 Rz. 21. 5) Vgl. Henssler/Strohn-Arnold, GesR, § 285 AktG Rz. 4; Hüffer, AktG, § 285 Rz. 1. 6) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 285 Rz. 9 ff.; Heidel-Wichert, § 285 AktG Rz. 4. 7) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 285 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 285 Rz. 13; auch bei Vereinigung der Aktien bei mehreren Komplementären: Dreisow, DB 1977, 851, 853 f. 8) RG, Urt. v. 11.12.1913 – II 505/13, RGZ 83, 360, 362 f.; Hüffer, AktG, § 285 Rz. 2. 9) Dazu im Einzelnen Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 285 Rz. 39 ff.; zum Komplementärwechsel durch Satzungsänderung: OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2002 – 20 U 14/02, ZIP 2003, 670. 10) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 285 Rz. 6; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 285 Rz. 39 ff. 11) Dazu im Einzelnen Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 285 Rz. 66 ff. 12) Vgl. dazu Heidel-Wichert, § 285 AktG Rz. 8 ff.; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 285 Rz. 69 ff. 13) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 285 Rz. 52, 56; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 285 Rz. 6.
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1373
§ 286 IV.
Jahresabschluß. Lagebericht Anmeldung und Eintragung der Beschlüsse (§ 285 Abs. 3)
6 Ein zustimmungsbedürftiger Beschluss ist erst zum Handelsregister einzureichen, wenn die Zustimmungserklärungen vorliegen (§ 285 Abs. 3 Satz 1).14) Gemäß § 285 Abs. 3 Satz 2 ist die Zustimmung im Fall eintragungspflichtiger Beschlüsse zwingend zu beurkunden.15) _____________ 14) Eine Nachholung durch Nachreichung ist möglich, vgl. Heidel-Wichert, § 285 AktG Rz. 11 m. w. N. 15) Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2002 – 20 U 14/02, ZIP 2003, 670 – Komplementärwechsel.
§ 286 Jahresabschluß. Lagebericht (1) 1Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung des Jahresabschlusses. 2 Der Beschluß bedarf der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. (2) 1In der Jahresbilanz sind die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter nach dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ gesondert auszuweisen. 2Der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters für das Geschäftsjahr entfallende Verlust ist von dem Kapitalanteil abzuschreiben. 3Soweit der Verlust den Kapitalanteil übersteigt, ist er auf der Aktivseite unter der Bezeichnung „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ unter den Forderungen gesondert auszuweisen, soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht; besteht keine Zahlungsverpflichtung, so ist der Betrag als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ zu bezeichnen und gemäß § 268 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs auszuweisen. 4Unter § 89 fallende Kredite, die die Gesellschaft persönlich haftenden Gesellschaftern, deren Ehegatten, Lebenspartnern oder minderjährigen Kindern oder Dritten, die für Rechnung dieser Personen handeln, gewährt hat, sind auf der Aktivseite bei den entsprechenden Posten unter der Bezeichnung „davon an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige“ zu vermerken. (3) In der Gewinn- und Verlustrechnung braucht der auf die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinn oder Verlust nicht gesondert ausgewiesen zu werden. (4) § 285 Nr. 9 Buchstabe a und b des Handelsgesetzbuchs gilt für die persönlich haftenden Gesellschafter mit der Maßgabe, daß der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters entfallende Gewinn nicht angegeben zu werden braucht. Literatur: Sethe, Die Besonderheiten der Rechnungslegung bei der KGaA, DB 1998, 1044.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Feststellung des Jahresabschlusses (§ 286 Abs. 1) ..................................... 2 III. Jahresbilanz (§ 286 Abs. 2) .............. 5 I.
IV. Gewinn- und Verlustrechnung (§ 286 Abs. 3), Gesamtbezüge (§ 286 Abs. 4) ..................................... 6
Überblick
1 Die Sonderregelungen in § 286 betreffen die Bilanzierung bei der KGaA und sind auf die Verbindung personen- und kapitalgesellschaftsrechtlicher Elemente zurückzuführen.
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§ 286 IV.
Jahresabschluß. Lagebericht Anmeldung und Eintragung der Beschlüsse (§ 285 Abs. 3)
6 Ein zustimmungsbedürftiger Beschluss ist erst zum Handelsregister einzureichen, wenn die Zustimmungserklärungen vorliegen (§ 285 Abs. 3 Satz 1).14) Gemäß § 285 Abs. 3 Satz 2 ist die Zustimmung im Fall eintragungspflichtiger Beschlüsse zwingend zu beurkunden.15) _____________ 14) Eine Nachholung durch Nachreichung ist möglich, vgl. Heidel-Wichert, § 285 AktG Rz. 11 m. w. N. 15) Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2002 – 20 U 14/02, ZIP 2003, 670 – Komplementärwechsel.
§ 286 Jahresabschluß. Lagebericht (1) 1Die Hauptversammlung beschließt über die Feststellung des Jahresabschlusses. 2 Der Beschluß bedarf der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter. (2) 1In der Jahresbilanz sind die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter nach dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ gesondert auszuweisen. 2Der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters für das Geschäftsjahr entfallende Verlust ist von dem Kapitalanteil abzuschreiben. 3Soweit der Verlust den Kapitalanteil übersteigt, ist er auf der Aktivseite unter der Bezeichnung „Einzahlungsverpflichtungen persönlich haftender Gesellschafter“ unter den Forderungen gesondert auszuweisen, soweit eine Zahlungsverpflichtung besteht; besteht keine Zahlungsverpflichtung, so ist der Betrag als „Nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Verlustanteil persönlich haftender Gesellschafter“ zu bezeichnen und gemäß § 268 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs auszuweisen. 4Unter § 89 fallende Kredite, die die Gesellschaft persönlich haftenden Gesellschaftern, deren Ehegatten, Lebenspartnern oder minderjährigen Kindern oder Dritten, die für Rechnung dieser Personen handeln, gewährt hat, sind auf der Aktivseite bei den entsprechenden Posten unter der Bezeichnung „davon an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige“ zu vermerken. (3) In der Gewinn- und Verlustrechnung braucht der auf die Kapitalanteile der persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinn oder Verlust nicht gesondert ausgewiesen zu werden. (4) § 285 Nr. 9 Buchstabe a und b des Handelsgesetzbuchs gilt für die persönlich haftenden Gesellschafter mit der Maßgabe, daß der auf den Kapitalanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters entfallende Gewinn nicht angegeben zu werden braucht. Literatur: Sethe, Die Besonderheiten der Rechnungslegung bei der KGaA, DB 1998, 1044.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Feststellung des Jahresabschlusses (§ 286 Abs. 1) ..................................... 2 III. Jahresbilanz (§ 286 Abs. 2) .............. 5 I.
IV. Gewinn- und Verlustrechnung (§ 286 Abs. 3), Gesamtbezüge (§ 286 Abs. 4) ..................................... 6
Überblick
1 Die Sonderregelungen in § 286 betreffen die Bilanzierung bei der KGaA und sind auf die Verbindung personen- und kapitalgesellschaftsrechtlicher Elemente zurückzuführen.
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§ 286
Jahresabschluß. Lagebericht
Die an §§ 266 ff. HGB ausgerichtete Bilanzierung als Kapitalgesellschaft wird aufgrund der Existenz eines Komplementärs und dessen fakultativer Sondereinlage modifiziert.1) II.
Feststellung des Jahresabschlusses (§ 286 Abs. 1)
Die geschäftsführenden Komplementäre sind zur Aufstellung des Jahresabschlusses ver- 2 pflichtet (§ 283 Nr. 9). Sie können dabei bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklage einstellen (dispositiv), §§ 278 Abs. 3, 58 Abs. 2.2) Der Jahresabschluss wird vom Abschlussprüfer sowie vom Aufsichtsrat geprüft und der zwingend hierfür zuständigen Hauptversammlung (§ 286 Abs. 1 Satz 1) zur Feststellung mit einfacher Mehrheit (§ 133; dispositiv) vorgelegt.3) Nachdem die geschäftsführenden Komplementäre bereits durch die Vorlage des Jahresabschlusses die Zustimmung erteilt haben, ist dieser auch den nicht geschäftsführenden Komplementären zur Zustimmung zuzuleiten (§ 286 Abs. 1 Satz 2).4) Die Zustimmungspflicht der Komplementäre kann aber in der Satzung beschränkt werden.5) Umstritten ist die Rechtslage, wenn infolge Uneinigkeit der Beteiligten keine wirksame 3 Feststellung erfolgt.6) Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter die Zustimmung zu einem ordnungsgemäß aufgestellten und geprüften Jahresabschluss aufgrund ihrer gesellschaftlichen Treuepflicht nicht rechtsmissbräuchlich (aus sachfremden Motiven) verweigern dürfen; in dieser Abwägung ist ein Bilanzierungsermessen der geschäftsführenden Komplementäre zu berücksichtigen.7) Der Zustimmungsanspruch ist durch Gestaltungsklage – Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Beschluss, kombiniert mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage – geltend zu machen.8) Die Hauptversammlung entscheidet aufgrund des Vorschlags der Komplementäre über 4 die Verwendung des Bilanzgewinns, §§ 278 Abs. 3, 174 Abs. 1. Umstritten ist, ob der Gewinnverwendungsbeschluss durch eine entsprechende Satzungsbestimmung von der Zustimmung der Komplementäre abhängig gemacht werden kann.9) III.
Jahresbilanz (§ 286 Abs. 2)
Die Kapitalanteile der Komplementäre sind in der Jahresbilanz auf der Passivseite nach 5 dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ auszuweisen (§ 286 Abs. 2 Satz 1). Eine Zusammenfassung der Kapitalanteile ist zwar zulässig, aber mit Blick auf § 286 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 nicht praktikabel; eine Saldierung positiver und negativer Anteile ist unzulässig.10) Verluste sind zwingend vom Kapitalanteil abzuschreiben (§ 286 Abs. 2 Satz 2) und ein den Kapitalanteil übersteigender Verlust getrennt auszuweisen (§ 286 Abs. 2 Satz 3); gleiches gilt für Kredite an Komplementäre (§§ 283 Nr. 5, 89) (§ 286 Abs. 2 Satz 4).
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
Vgl. Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 286 Rz. 1, 5; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 286 Rz. 1. Vgl. dazu m. w. N. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 54 f. Vgl. im Einzelnen: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 60 ff.; Heidel-Wichert, § 286 AktG Rz. 3. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 286 Rz. 2; Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 286 Rz. 2. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 285 Rz. 30; Heidel-Wichert § 286 AktG Rz. 4. Vgl. m. w. N.: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 65 ff.; Heidel-Wichert, § 286 AktG Rz. 5 ff.; Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 80 Rz. 13; Raiser/Veil, § 23 Rz. 57. Vgl. Heidel-Wichert, § 286 AktG Rz. 6; Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 80 Rz. 13. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 72 f.; Schütz/Bürgers/Riotte-Riotte/Hansen, § 6 Rz. 32. Vgl. dafür: Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 80 Rz. 19; dagegen: Heidel-Wichert, § 286 AktG Rz. 10. Vgl. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 286 Rz. 7; Sethe, DB 1998, 1044, 1047.
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§ 287 IV.
Aufsichtsrat Gewinn- und Verlustrechnung (§ 286 Abs. 3), Gesamtbezüge (§ 286 Abs. 4)
6 In der Gewinn- und Verlustrechnung besteht ein Wahlrecht hinsichtlich des Ausweises der auf die einzelnen Anteile der Komplementäre entfallenden Gewinne und Verluste (§ 286 Abs. 3). Aufgrund der Berücksichtigung der Verluste nach § 286 Abs. 2 Satz 2 und 3 sind diese jedoch stets erkennbar.11) 7 Im Anhang sind die einem Vorstandsmitglied vergleichbaren Gesamtbezüge (§ 285 Nr. 9 HGB) anzugeben (§ 286 Abs. 4); hierzu zählt nicht der Gewinnanteil des Komplementärs.12) _____________ 11) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 91 f.; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 286 Rz. 4. 12) Vgl. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 286 Rz. 13; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 93.
§ 287 Aufsichtsrat (1) Die Beschlüsse der Kommanditaktionäre führt der Aufsichtsrat aus, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. (2) 1In Rechtsstreitigkeiten, die die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegen die persönlich haftenden Gesellschafter oder diese gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre führen, vertritt der Aufsichtsrat die Kommanditaktionäre, wenn die Hauptversammlung keine besonderen Vertreter gewählt hat. 2Für die Kosten des Rechtsstreits, die den Kommanditaktionären zur Last fallen, haftet die Gesellschaft unbeschadet ihres Rückgriffs gegen die Kommanditaktionäre. (3) Persönlich haftende Gesellschafter können nicht Aufsichtsratsmitglieder sein. Literatur: Dirksen/Mörle, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZIP 1998, 1377; Sethe, Aufsichtsratsreform mit Lücken, AG 1996, 289.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Ausführung von Beschlüssen (§ 287 Abs. 1) ..................................... 3 I.
III. Rechtsstreitigkeiten (§ 287 Abs. 2) ..................................... 4 IV. Inkompatibilität (§ 287 Abs. 3) ....... 7
Überblick
1 Der Aufsichtsrat wird heute zutreffend allein als notwendiges Organ der Gesellschaft (nicht mehr auch als Organ der Kommanditaktionäre) angesehen,1) dem gleichwohl für das Verhältnis der Gesellschaft (bzw. der Kommanditaktionäre) zu den Komplementären besondere Kompetenzen zustehen.2) Grund hierfür ist die Eigenart der KGaA, die auch dafür verantwortlich ist, dass dem Aufsichtsrat zwar – wie bei der AG – vor allem die Überwachungs-, nicht aber die Personal- (§ 84), Zustimmungs- (§ 111 Abs. 4 Satz 2), sowie Bilanzfeststellungs- und Geschäftsordnungskompetenz zusteht.3) 2 Hinsichtlich Wahl und Zusammensetzung des Aufsichtsrats ergeben sich gegenüber dem allgemeinen Aktienrecht keine Besonderheiten (§§ 278 Abs. 3, 95 ff.). Auch wird der Aufsichtsrat nach allgemeinen Regeln bestellt und abberufen (§§ 278 Abs. 3, 30, 101 ff.). Bei _____________ 1) 2) 3)
BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 197 = ZIP 2006, 177, 179. Vgl. Heidel-Wichert § 287 AktG Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 286 Rz. 1 f. Vgl. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 287 Rz. 1; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 287 Rz. 2 ff.
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§ 287 IV.
Aufsichtsrat Gewinn- und Verlustrechnung (§ 286 Abs. 3), Gesamtbezüge (§ 286 Abs. 4)
6 In der Gewinn- und Verlustrechnung besteht ein Wahlrecht hinsichtlich des Ausweises der auf die einzelnen Anteile der Komplementäre entfallenden Gewinne und Verluste (§ 286 Abs. 3). Aufgrund der Berücksichtigung der Verluste nach § 286 Abs. 2 Satz 2 und 3 sind diese jedoch stets erkennbar.11) 7 Im Anhang sind die einem Vorstandsmitglied vergleichbaren Gesamtbezüge (§ 285 Nr. 9 HGB) anzugeben (§ 286 Abs. 4); hierzu zählt nicht der Gewinnanteil des Komplementärs.12) _____________ 11) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 91 f.; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 286 Rz. 4. 12) Vgl. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 286 Rz. 13; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 93.
§ 287 Aufsichtsrat (1) Die Beschlüsse der Kommanditaktionäre führt der Aufsichtsrat aus, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. (2) 1In Rechtsstreitigkeiten, die die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegen die persönlich haftenden Gesellschafter oder diese gegen die Gesamtheit der Kommanditaktionäre führen, vertritt der Aufsichtsrat die Kommanditaktionäre, wenn die Hauptversammlung keine besonderen Vertreter gewählt hat. 2Für die Kosten des Rechtsstreits, die den Kommanditaktionären zur Last fallen, haftet die Gesellschaft unbeschadet ihres Rückgriffs gegen die Kommanditaktionäre. (3) Persönlich haftende Gesellschafter können nicht Aufsichtsratsmitglieder sein. Literatur: Dirksen/Mörle, Die kapitalistische Kommanditgesellschaft auf Aktien, ZIP 1998, 1377; Sethe, Aufsichtsratsreform mit Lücken, AG 1996, 289.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Ausführung von Beschlüssen (§ 287 Abs. 1) ..................................... 3 I.
III. Rechtsstreitigkeiten (§ 287 Abs. 2) ..................................... 4 IV. Inkompatibilität (§ 287 Abs. 3) ....... 7
Überblick
1 Der Aufsichtsrat wird heute zutreffend allein als notwendiges Organ der Gesellschaft (nicht mehr auch als Organ der Kommanditaktionäre) angesehen,1) dem gleichwohl für das Verhältnis der Gesellschaft (bzw. der Kommanditaktionäre) zu den Komplementären besondere Kompetenzen zustehen.2) Grund hierfür ist die Eigenart der KGaA, die auch dafür verantwortlich ist, dass dem Aufsichtsrat zwar – wie bei der AG – vor allem die Überwachungs-, nicht aber die Personal- (§ 84), Zustimmungs- (§ 111 Abs. 4 Satz 2), sowie Bilanzfeststellungs- und Geschäftsordnungskompetenz zusteht.3) 2 Hinsichtlich Wahl und Zusammensetzung des Aufsichtsrats ergeben sich gegenüber dem allgemeinen Aktienrecht keine Besonderheiten (§§ 278 Abs. 3, 95 ff.). Auch wird der Aufsichtsrat nach allgemeinen Regeln bestellt und abberufen (§§ 278 Abs. 3, 30, 101 ff.). Bei _____________ 1) 2) 3)
BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 197 = ZIP 2006, 177, 179. Vgl. Heidel-Wichert § 287 AktG Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 286 Rz. 1 f. Vgl. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 287 Rz. 1; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 287 Rz. 2 ff.
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§ 287
Aufsichtsrat
mehr als 2.000 Arbeitnehmern unterliegt er dem MitbestG, bei mehr als 500 Arbeitnehmern ist das DrittelbG einschlägig (zur Nichtanwendung der §§ 4, 5 MitbestG auf Komplementärgesellschaften siehe § 278 Rz. 3). Durch die Satzung kann einzelnen Kommanditaktionären ein Entsenderecht eingeräumt werden (§§ 278 Abs. 3, 101 Abs. 2), sofern diese nicht auch Komplementär oder Geschäftsführer bzw. maßgeblich beteiligter Gesellschafter einer Komplementärgesellschaft sind.4) Eine zulässige Gestaltung kann im letztgenannten Fall allerdings in der Übertragung auf eine genehme dritte Person liegen.5) II.
Ausführung von Beschlüssen (§ 287 Abs. 1)
Der Aufsichtsrat ist nach § 287 Abs. 1 für die Ausführung der Beschlüsse zuständig, die 3 die Hauptversammlung infolge ihrer kommanditrechtlichen Kompetenz trifft;6) dagegen führen die Komplementäre die infolge der aktienrechtlichen Kompetenz getroffenen Hauptversammlungsbeschlüsse aus.7) Die Ausführungskompetenz des Aufsichtsrats ist abdingbar und kann daher insbesondere einem nicht mitbestimmten Beirat übertragen werden.8) III.
Rechtsstreitigkeiten (§ 287 Abs. 2)
Nach überwiegender Auffassung ist § 287 Abs. 2 infolge der Verselbstständigung der KGaA 4 heute dahingehend zu verstehen, dass nicht die Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Hauptversammlung), sondern die Gesellschaft selbst parteifähig ist.9) Es empfiehlt sich dennoch, im Klageantrag die „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ zu nennen.10) Aus diesem Verständnis folgt ohne weiteres die in § 287 Abs. 2 Satz 2 angeordnete Kostentragung durch die Gesellschaft. Ein Regressanspruch steht der Gesellschaft nur gegen diejenigen Kommanditaktionäre zu, 5 die einem Klageverfahren pflichtwidrig zugestimmt haben.11) Nach überwiegender Ansicht haften die unterlegenen Kommanditaktionäre zudem allein mit ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen.12) Der Aufsichtsrat vertritt die KGaA auch gegenüber nicht geschäftsführungsbefugten und 6 ausgeschiedenen Komplementären.13) Zur Vermeidung von Interessenkollisionen gilt dies auch gegenüber dem Geschäftsführer einer Komplementärgesellschaft.14) IV.
Inkompatibilität (§ 287 Abs. 3)
Komplementäre (§ 287 Abs. 3) können ebenso wenig wie Geschäftsführer und andere 7 gesetzliche Vertreter einer Komplementärgesellschaft (analog) Aufsichtsratsmitglied sein.15) Eine darüber hinausgehende Erstreckung im Wege des Durchgriffs oder der Ana_____________ 4) Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 78 Rz. 48; Heidel-Wichert, § 286 AktG Rz. 6; krit. zum Ausschluss des Entsenderechts an Komplementäre (zugleich Kommanditaktionäre): BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 202 f. = ZIP 2006, 177, 180. 5) Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 202 f. = ZIP 2006, 177, 180. 6) Bsp. nach Spindler/Stilz-Bachmann, AktG, § 287 Rz. 21: §§ 117, 127, 133, 164, 166 HGB. 7) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 287 Rz. 58 f.; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 287 Rz. 49. 8) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 287 Rz. 55 f.; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 287 Rz. 10. 9) Heidel-Wichert, § 287 AktG Rz. 6 m. N.; a. A. Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77 Rz. 57. 10) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 287 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 287 Rz. 2. 11) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 287 Rz. 77; Sethe, AG 1996, 289, 300. 12) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 287 Rz. 76. 13) BGH, Urt. v. 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348; Heidel-Wichert § 287 AktG Rz. 2. 14) Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 287 Rz. 73; a. A. Dirksen/Mörle, ZIP 1998, 1377, 1384. 15) BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 197 f. = ZIP 2006, 177, 178.
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§ 288
Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung
logie auf nicht geschäftsführende Gesellschafter oder Organmitglieder einer Komplementärgesellschaft oder anderen ihnen nahe stehenden Personen ist dagegen abzulehnen.16) _____________ 16) BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = ZIP 2006, 177, 178 f.
§ 288 Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung (1) 1Entfällt auf einen persönlich haftenden Gesellschafter ein Verlust, der seinen Kapitalanteil übersteigt, so darf er keinen Gewinn auf seinen Kapitalanteil entnehmen. 2 Er darf ferner keinen solchen Gewinnanteil und kein Geld auf seinen Kapitalanteil entnehmen, solange die Summe aus Bilanzverlust, Einzahlungsverpflichtungen, Verlustanteilen persönlich haftender Gesellschafter und Forderungen aus Krediten an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige die Summe aus Gewinnvortrag, Kapital- und Gewinnrücklagen sowie Kapitalanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter übersteigt. (2) 1Solange die Voraussetzung von Absatz 1 Satz 2 vorliegt, darf die Gesellschaft keinen unter § 286 Abs. 2 Satz 4 fallenden Kredit gewähren. 2Ein trotzdem gewährter Kredit ist ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. (3) 1Ansprüche persönlich haftender Gesellschafter auf nicht vom Gewinn abhängige Tätigkeitsvergütungen werden durch diese Vorschriften nicht berührt. 2Für eine Herabsetzung solcher Vergütungen gilt § 87 Abs. 2 Satz 1 und 2 sinngemäß. Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Gewinnermittlung und -verteilung, Entnahmen .................. 2
I.
III. Beschränkung der Entnahmen (§ 288 Abs. 1) und der Kreditvergabe (§ 288 Abs. 2) ....................... 4 IV. Tätigkeitsvergütung (§ 288 Abs. 3) ..................................... 6
Überblick
1 § 288 dient dem Kapitalschutz und begrenzt das Entnahmerecht des Komplementärs (§ 288 Abs. 1) und die Kreditgewährung an diesen (§ 288 Abs. 2). Reine Tätigkeitsvergütungen bleiben unberührt; allerdings besteht insoweit eine Herabsetzungsmöglichkeit (§ 288 Abs. 3). II.
Gewinnermittlung und -verteilung, Entnahmen
2 Die Gewinnermittlung unterfällt § 278 Abs. 3, sodass der von den Komplementären (§ 283 Nr. 9) nach aktienrechtlichen Regeln (§§ 264 ff.) aufzustellende Jahresabschluss nicht lediglich den Gewinn der Gesellschaft, sondern auch den auf die Komplementäre entfallenden Gewinnanteil festlegt; einer kommanditrechtlichen Sonderbilanz bedarf es insoweit nicht.1) Zur Vermeidung einer doppelten Beteiligung der Komplementäre an Gewinnen und Verlusten knüpft deren Ergebnisbeteiligung an den Jahresüberschuss in _____________ 1)
Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 80 Rz. 10; Heidel-Wichert, § 288 AktG Rz. 2; a. A. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 25 – Sonderbilanz aktienrechtliche Ansätze; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 286 Rz. 49 ff. – personengesellschaftsrechtliche Ansätze, §§ 238 ff., §§ 252 ff. HGB.
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§ 288
Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung
logie auf nicht geschäftsführende Gesellschafter oder Organmitglieder einer Komplementärgesellschaft oder anderen ihnen nahe stehenden Personen ist dagegen abzulehnen.16) _____________ 16) BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = ZIP 2006, 177, 178 f.
§ 288 Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung (1) 1Entfällt auf einen persönlich haftenden Gesellschafter ein Verlust, der seinen Kapitalanteil übersteigt, so darf er keinen Gewinn auf seinen Kapitalanteil entnehmen. 2 Er darf ferner keinen solchen Gewinnanteil und kein Geld auf seinen Kapitalanteil entnehmen, solange die Summe aus Bilanzverlust, Einzahlungsverpflichtungen, Verlustanteilen persönlich haftender Gesellschafter und Forderungen aus Krediten an persönlich haftende Gesellschafter und deren Angehörige die Summe aus Gewinnvortrag, Kapital- und Gewinnrücklagen sowie Kapitalanteilen der persönlich haftenden Gesellschafter übersteigt. (2) 1Solange die Voraussetzung von Absatz 1 Satz 2 vorliegt, darf die Gesellschaft keinen unter § 286 Abs. 2 Satz 4 fallenden Kredit gewähren. 2Ein trotzdem gewährter Kredit ist ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. (3) 1Ansprüche persönlich haftender Gesellschafter auf nicht vom Gewinn abhängige Tätigkeitsvergütungen werden durch diese Vorschriften nicht berührt. 2Für eine Herabsetzung solcher Vergütungen gilt § 87 Abs. 2 Satz 1 und 2 sinngemäß. Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Gewinnermittlung und -verteilung, Entnahmen .................. 2
I.
III. Beschränkung der Entnahmen (§ 288 Abs. 1) und der Kreditvergabe (§ 288 Abs. 2) ....................... 4 IV. Tätigkeitsvergütung (§ 288 Abs. 3) ..................................... 6
Überblick
1 § 288 dient dem Kapitalschutz und begrenzt das Entnahmerecht des Komplementärs (§ 288 Abs. 1) und die Kreditgewährung an diesen (§ 288 Abs. 2). Reine Tätigkeitsvergütungen bleiben unberührt; allerdings besteht insoweit eine Herabsetzungsmöglichkeit (§ 288 Abs. 3). II.
Gewinnermittlung und -verteilung, Entnahmen
2 Die Gewinnermittlung unterfällt § 278 Abs. 3, sodass der von den Komplementären (§ 283 Nr. 9) nach aktienrechtlichen Regeln (§§ 264 ff.) aufzustellende Jahresabschluss nicht lediglich den Gewinn der Gesellschaft, sondern auch den auf die Komplementäre entfallenden Gewinnanteil festlegt; einer kommanditrechtlichen Sonderbilanz bedarf es insoweit nicht.1) Zur Vermeidung einer doppelten Beteiligung der Komplementäre an Gewinnen und Verlusten knüpft deren Ergebnisbeteiligung an den Jahresüberschuss in _____________ 1)
Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 80 Rz. 10; Heidel-Wichert, § 288 AktG Rz. 2; a. A. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 25 – Sonderbilanz aktienrechtliche Ansätze; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 286 Rz. 49 ff. – personengesellschaftsrechtliche Ansätze, §§ 238 ff., §§ 252 ff. HGB.
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Entnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter. Kreditgewährung
§ 288
der Gewinn- und Verlustrechnung an.2) Erst die Gewinnverteilung sowohl zwischen den Komplementären und Kommanditaktionären als auch unter den Komplementären bestimmt sich vorbehaltlich einer abweichender Satzungsregelung3) nach Kommanditrecht (§ 278 Abs. 2; §§ 121, 168 HGB).4) Dagegen ist für die Gewinnverteilung unter den Kommanditaktionären die zwingende aktienrechtliche Vorschrift des § 60 zu beachten.5) Das Entnahmerecht des Komplementärs stützt sich auf die dispositiven Vorschriften der 3 § 278 Abs. 2, § 122 HGB; zu unterscheiden sind Grund- und Gewinnentnahmen.6) III.
Beschränkung der Entnahmen (§ 288 Abs. 1) und der Kreditvergabe (§ 288 Abs. 2)
Durch den zwingenden § 288 Abs. 1 wird das Entnahmerecht nach § 122 HGB wesentlich 4 modifiziert und beschränkt; hervorzuheben ist, dass § 288 Abs. 1 Satz 2 nicht auf einzelne, sondern auf alle Komplementäre abstellt.7) Ein Verstoß gegen diese Beschränkung löst einen Rückgewähranspruch der Gesellschaft aus (eine Berufung auf den Gutglaubensschutz des § 62 Abs. 1 Satz 2 scheidet aus); § 288 Abs. 1 ist Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB.8) Der ebenfalls zwingende § 288 Abs. 2 Satz 1 ordnet an, dass ein unter § 286 Abs. 2 Satz 4 5 fallender Kredit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 Satz 2 nicht gewährt werden darf; ein verbotswidrig gewährter Kredit ist unmittelbar zurückzuzahlen (§ 288 Abs. 2 Satz 2). Darüber hinaus kann eine Schadensersatzpflicht der kreditgewährenden Organmitglieder bestehen (§§ 93, 116). 9) Eine erfolgsabhängige Abschlagszahlung wurde auch als Kreditvergabe angesehen.10) Die Kreditvergabe an einen Kommanditaktionär ist lediglich an den §§ 57, 62 zu messen. IV.
Tätigkeitsvergütung (§ 288 Abs. 3)
Nicht vom Gewinn abhängige Tätigkeitsvergütungen werden nach § 288 Abs. 3 Satz 1 6 von den vorstehenden Beschränkungen nicht erfasst.11) Entsprechend dem Wortlaut bezieht sich die sinngemäße Herabsetzungsmöglichkeit (§ 87 Abs. 2) nach § 288 Abs. 3 Satz 2 nach gleichwohl bestrittener Ansicht nicht auch auf gewinnabhängige Vergütungen.12)
_____________ 2) Vgl. dazu Heidel-Wichert, § 288 AktG Rz. 2; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 288 Rz. 6 ff. 3) Vgl. dazu Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 286 Rz. 20 ff.; Heidel-Wichert, § 288 AktG Rz. 2. 4) Vgl. dazu Heidel-Wichert, § 288 AktG Rz. 4; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 288 Rz. 6 ff. 5) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 288 Rz. 4, 6; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 286 Rz. 34 ff. 6) Vgl. dazu Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 288 Rz. 30 ff.; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 288 Rz. 3. 7) Näher zu dieser Entnahmebeschränkung: K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 288 Rz. 13 f. 8) Vgl. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 288 Rz. 3; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 288 Rz. 57 f. 9) Vgl. Hüffer, AktG, § 288 Rz. 5. 10) Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.7.2004 – 20 U 5/04, ZIP 2004, 2004, 2005 f. 11) Dazu ausführlich und zur Abgrenzung: Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 288 Rz. 62 ff. 12) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 288 Rz. 75 ff.; a. A. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 288 Rz. 19.
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§ 289
Auflösung
§ 289 Auflösung (1) Die Gründe für die Auflösung der Kommanditgesellschaft auf Aktien und das Ausscheiden eines von mehreren persönlich haftenden Gesellschaftern aus der Gesellschaft richten sich, soweit in den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. (2) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien wird auch aufgelöst 1. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird; 2. mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel der Satzung festgestellt worden ist; 3. durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. (3) 1Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kommanditaktionärs wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. 2Die Gläubiger eines Kommanditaktionärs sind nicht berechtigt, die Gesellschaft zu kündigen. (4) 1Für die Kündigung der Gesellschaft durch die Kommanditaktionäre und für ihre Zustimmung zur Auflösung der Gesellschaft ist ein Beschluß der Hauptversammlung nötig. 2Gleiches gilt für den Antrag auf Auflösung der Gesellschaft durch gerichtliche Entscheidung. 3Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. 4Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (5) Persönlich haftende Gesellschafter können außer durch Ausschließung nur ausscheiden, wenn es die Satzung für zulässig erklärt. (6) 1Die Auflösung der Gesellschaft und das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters ist von allen persönlich haftenden Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2§ 143 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs gilt sinngemäß. 3In den Fällen des Absatzes 2 hat das Gericht die Auflösung und ihren Grund von Amts wegen einzutragen. 4Im Falle des Absatzes 2 Nr. 3 entfällt die Eintragung der Auflösung. Literatur: Kessler, Die Entwicklung des Binnenrechts der KGaA seit BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923, NZG 2005, 145; Mertens, Die Auflösung der KGaA durch Kündigung der Kommanditaktionäre, AG 2004, 333; Veil, Die Kündigung der KGaA durch persönlich haftende Gesellschafter und Kommanditaktionäre, NZG 2000, 72.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Auflösung der Gesellschaft ............. 2 1. Auflösung nach Kommanditrecht (§ 289 Abs. 1, § 289 Abs. 4) .............. 3 2. Auflösung nach § 289 Abs. 2 ............ 7 3. Tatbestände, die nicht zur Auflösung führen (§ 289 Abs. 3) ............ 8 4. Satzungsregelungen ......................... 10 III. Ausscheiden eines Komplementärs .............................. 11 1380
1. Ausscheiden nach Kommanditrecht (§ 289 Abs. 1) .......................... 12 2. Ausscheiden auf Satzungsgrundlage ........................................... 13 3. Ausscheiden des einzigen Komplementärs ................................ 14 IV. Eintragung in das Handelsregister (§ 289 Abs. 6) ..................... 16
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§ 289
Auflösung I.
Überblick
In § 289 ist die Auflösung der Gesellschaft und das Ausscheiden der Komplementäre 1 geregelt. Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen in § 289 Abs. 2 – 6 oder der Satzung finden nach § 289 Abs. 1 grundsätzlich KG-Recht Anwendung. II.
Auflösung der Gesellschaft
Die Auflösungsgründe sind in § 289 nicht erschöpfend bezeichnet. Zu beachten sind 2 folglich auch die sonstigen Auflösungsgründe des Aktienrechts und anderer Gesetze.1) Das „Ausscheiden“ des einzigen Komplementärs (siehe Rz. 14 f.) führt zur Auflösung der Gesellschaft. Die Fortsetzung einer einmal aufgelösten Gesellschaft ist über § 278 Abs. 3 unter den Voraussetzungen des § 274 möglich. 1.
Auflösung nach Kommanditrecht (§ 289 Abs. 1, § 289 Abs. 4)
Gemäß § 289 Abs. 1 AktG und §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 HGB wird die Gesellschaft 3 durch Zeitablauf (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 HGB), Auflösungsbeschluss (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB), Eröffnung des Insolvenzverfahrens (131 Abs. 1 Nr. 3 HGB) oder gerichtliche Entscheidung (§ 131 Abs. 1 Nr. 4 HGB) aufgelöst. § 289 Abs. 2 (siehe unten Rz. 7) schließt eine Anwendung von § 131 Abs. 2 HGB aus. Die Auflösung durch Gesellschafterbeschluss (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 HGB) bedarf eines be- 4 urkundungsbedürftigen (§ 285 Abs. 3 Satz 2) Beschlusses der Komplementäre sowie der nach § 289 Abs. 4 Satz 2 durch Hauptversammlungsbeschluss zu erteilenden Zustimmung der Kommanditaktionäre mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals (§ 289 Abs. 4 Satz 3). Nach § 289 Abs. 4 Satz 4 ist lediglich eine Verschärfung der Anforderungen an die Beschlussfassung möglich. Aus dem Umkehrschluss zu § 285 Abs. 1 Satz 2 folgt, dass Komplementäre, die gleichzeitig Kommanditaktionäre sind, stimmberechtigt sind. Eine sachliche Auflösungsrechtfertigung ist nicht erforderlich.2) Besteht ein wichtiger Grund, kann ein Komplementär die Auflösung durch gerichtliche 5 Entscheidung (§§ 131 Abs. 1 Nr. 4, 133 HGB) anstreben; die Auflösungsklage ist nach überwiegender Auffassung gegen die übrigen Komplementäre sowie die Gesellschaft vertreten durch den Aufsichtsrat zu richten.3) Die Kommanditaktionäre können nach § 289 Abs. 4 Satz 2 durch einen Hauptversammlungsbeschluss (zur Beschlussfassung siehe Rz. 4) die Auflösung beantragen. Ausgeführt wird dieser Beschluss durch Klageerhebung des Aufsichtsrates im Namen der Gesellschaft gegen den bzw. die Komplementäre.4) Bezüglich der Kündigung durch die Kommanditaktionäre hat § 289 Abs. 4 Satz 1 6 keinen Anwendungsbereich, da die Vorschrift keinen eigenen Kündigungsgrund5) enthält, auch nicht für die Gesamtheit der Kommanditaktionäre,6) sondern an den 1998 aufgehobenen § 131 Abs. 1 Nr. 6 HGB a. F. anknüpft, der die Kündigung noch als Auflösungsgrund vorgesehen hatte (entfallen durch Art. 3 Nr. 29 HRefG). _____________ 1) 2)
3)
4) 5) 6)
Beispiele bei Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 289 Rz. 24 ff. – z. B. § 396 AktG, § 38 KWG. BGH, Urt. v. 28.1.1980 – II ZR 124/78, BGHZ 76, 352 = NJW 1980, 1278 = ZIP 1980, 275; BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184 = NJW 1988, 1579 = ZIP 1988, 301; differenzierend Assmann/ Sethe in: GroßKomm-AktG, § 289 Rz. 29 ff. Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 76 Rz. 34; Heidel-Wichert, § 289 AktG Rz. 6; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 28; a. A. – übrige Komplementäre sowie Gesamtheit der Kommanditaktionäre – Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 289 Rz. 46; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 286 Rz. 10. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 28; a. A. Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 76 Rz. 34. Heidel-Wichert, § 289 AktG Rz. 13; Veil, NZG 2000, 72, 73 f.; a. A. Mertens, AG 2004, 333, 336 ff. So aber insbesondere Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 76 Rz. 37 m. w. N.
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§ 289 2.
Auflösung Auflösung nach § 289 Abs. 2
7 Als Auflösungsgründe sieht § 289 Abs. 2 die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse nach § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO (§ 289 Abs. 2 Nr. 1; vgl. § 262 Abs. 1 Nr. 4), die rechtskräftige Feststellung eines Satzungsmangels nach § 399 Abs. 2 Satz 1 FamFG (§ 289 Abs. 2 Nr. 2; vgl. § 262 Abs. 1 Nr. 5) und die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 Abs. 1 FamFG (§ 289 Abs. 2 Nr. 3; vgl. § 262 Abs. 1 Nr. 6) vor. 3.
Tatbestände, die nicht zur Auflösung führen (§ 289 Abs. 3)
8 § 289 Abs. 3 stellt klar, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kommanditaktionärs nicht zur Auflösung führt (§ 289 Abs. 3 Satz 1) und Gläubiger eines Kommanditaktionärs nicht zur Kündigung der Gesellschaft berechtigt sind (§ 289 Abs. 3 Satz 2). Hierfür besteht auch kein Bedürfnis, da der Insolvenzverwalter den Wert der Kommanditaktien durch Veräußerung realisieren kann und die Gläubiger des Kommanditaktionärs vor dessen Insolvenz die Pfändung der Aktien betreiben können.7) 9 Seit dem HRefG sind diese Gründe auch im HGB nicht mehr als Auflösungsgründe vorgesehen. 4.
Satzungsregelungen
10 Nach § 133 Abs. 3 HGB kann das Recht, die Auflösung der Gesellschaft zu verlangen, weder ausgeschlossen noch beschränkt werden; möglich ist jedoch, den Gesellschafter auf eine Ausschlusskündigung gegen Zahlung der vollen Abfindung zu verweisen.8) Eine Auflösungskündigung ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zulässig.9) Nach bestrittener Ansicht können auch zusätzliche Auflösungsgründe geschaffen werden;10) zumindest kann für die Ausscheidungsgründe nach § 131 Abs. 3 HGB als Rechtfolge die Auflösung vorgesehen werden.11) III.
Ausscheiden eines Komplementärs
11 § 289 Abs. 5 regelt ausschließlich das Ausscheiden eines Komplementärs. Das Ausscheiden der Kommanditaktionäre bestimmt sich nach dem Aktienrecht (§ 278 Abs. 3). 1.
Ausscheiden nach Kommanditrecht (§ 289 Abs. 1)
12 Gemäß § 289 Abs. 1 AktG und §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 HGB führen der Tod des Komplementärs (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB), die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB), seine Kündigung (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB), die Kündigung durch dessen Privatgläubiger (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 HGB), der Eintritt weiterer im Gesellschaftsvertrag vorgesehener Fälle (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB) sowie ein entsprechende Gesellschafterbeschluss (§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 HGB) zum Ausscheiden des Komplementärs. § 289 Abs. 5 trifft dem Wortlaut nach die weitreichende Einschränkung, dass außer bei der Ausschließung (§ 140 HGB) – also in allen vorstehenden Fällen – eine entsprechende Satzungsregelung erforderlich ist. Da § 289 allerdings nicht an die Änderungen des § 131 HGB durch das HRefG angepasst wurde, _____________ 7) Hüffer, AktG, § 289 Rz. 5. 8) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 31. 9) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 32; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 289 Rz. 19. 10) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 289 Rz. 23; a. A. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 35. 11) Veil, NZG 2000, 72, 74; Heidel-Wichert, § 289 AktG Rz. 14 m. w. Hinweisen.
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§ 289
Auflösung
wird diese Konsequenz von der einhelligen Ansicht nicht gezogen, so dass ein Ausscheiden nach § 131 Abs. 3 HGB auch ohne entsprechende Satzungsbestimmung erfolgt. § 289 Abs. 5 schafft demnach nur die Möglichkeit § 131 Abs. 3 HGB durch Satzungsbestimmungen zu modifizieren.12) 2.
Ausscheiden auf Satzungsgrundlage
§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB lässt die Schaffung weiterer Ausscheidungsgründe zu; 13 außerdem kann von § 131 Abs. 3 HGB abgewichen werden (§ 289 Abs. 5). So kann etwa der Abfindungsanspruch (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB) für den Fall des Todes des Komplementärs ausgeschlossen werden;13) es können Nachfolge- und Eintrittsklauseln aufgenommen werden; ein Nachfolger kann entsprechend § 139 Abs. 1 HGB die Einräumung der Stellung eines Kommanditaktionärs beantragen14) und bei Ablehnung des Amtrags nach § 139 Abs. 2 HGB fristlos ausscheiden und nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB Abfindung verlangen. Der Ausschluss jeglicher Kündigungsmöglichkeit ist nach § 278 Abs. 2 AktG, §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, § 723 Abs. 3 BGB unzulässig. 3.
Ausscheiden des einzigen Komplementärs
Das Ausscheiden des einzigen Komplementärs führt nach h. A. zur Auflösung der Ge- 14 sellschaft, da diese ohne Komplementär nicht bestehen kann.15) Der Eintritt eines neuen Komplementärs bewirkt in diesen Fällen aber die Rückumwandlung in eine werbende KGaA. Betreibt der einzige vertretungs- und geschäftsführungsbefugte Komplementär sein Ausscheiden, kann ein Verstoß gegen die Treuepflicht vorliegen.16) Der Entzug der Geschäftsführungsbefugnis oder Vertretungsmacht (siehe § 278 Rz. 23) 15 des einzigen Komplementärs stellt keinen Auflösungsgrund dar; die zur KG ergangene, auch insoweit kritisierte Rechtsprechung17) ist jedenfalls auf die KGaA nicht übertragbar und dem Mangel durch die gerichtliche Ersatzbestellung eines Vertreters abzuhelfen.18) IV.
Eintragung in das Handelsregister (§ 289 Abs. 6)
Nach § 289 Abs. 6 Satz 1 ist sowohl die Auflösung der Gesellschaft als auch das Aus- 16 scheiden eines Komplementärs von allen Komplementären, also auch dem Ausscheidenden,19) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Auflösung nach § 289 Abs. 2 ist nach § 289 Abs. 6 Satz 3 von Amts wegen einzutragen. Im Fall der Löschung nach § 289 Abs. 2 Nr. 3 entfällt nach § 289 Abs. 6 Satz 4 die Eintragung. § 289 Abs. 6 Sätze 3 – 4 entsprechen § 263 Sätze 2 – 4.
_____________ 12) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, AktG, § 289 Rz. 82 ff.; allerdings einschränkend in Bezug auf das Kündigungsrecht (§ 131 Abs. 3 Nr. 3): K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 289 Rz. 26. 13) BGH, Urt. v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 194 f. = NJW 1957, 180. 14) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 49; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 289 Rz. 37. 15) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 289 Rz. 15; Veil, NZG 2000, 72, 76; Kessler, NZG 2005, 145, 146; a. A. – analoge Anwendung des § 139 Abs. 3 Satz 1 HGB – Heidel-Wichert, § 289 AktG Rz. 22. 16) Vgl. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 167; Herfs in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 77 Rz. 48. 17) BGH, Urt. v. 9.12.1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 200 f. = NJW 1968, 507, 508. 18) Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 289 Rz. 156; a. A. K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 289 Rz. 16. 19) K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 289 Rz. 40; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 289 Rz. 65.
Uwe Blaurock
1383
§ 290
Abwicklung
§ 290 Abwicklung (1) Die Abwicklung besorgen alle persönlich haftenden Gesellschafter und eine oder mehrere von der Hauptversammlung gewählte Personen als Abwickler, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt. (2) Die Bestellung oder Abberufung von Abwicklern durch das Gericht kann auch jeder persönlich haftende Gesellschafter beantragen. (3) 1Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, so findet eine Abwicklung nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, daß Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. 2Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen. Literatur: Sethe, Die Satzungsautonomie in Bezug auf die Liquidation einer KGaA, ZIP 1998, 1138.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Modifikationen des § 290 ................ 2 I.
III. Verteilung des Liquidationserlöses ................................................. 3
Überblick
1 § 290 enthält rechtsformspezifische Regelungen zur Abwicklung der KGaA, die sich im Übrigen – ausgenommen die Verteilung des Liquidationserlöses nach KG-Recht (§ 278 Abs. 2 AktG i. V. m. § 155 HGB) – nach allgemeinem Aktienrecht (§§ 278 Abs. 3, 264 ff.) vollzieht.1) II.
Modifikationen des § 290
2 § 290 Abs. 1 regelt die Personen der Abwickler und modifiziert damit § 265. Die Abwicklung besorgen sämtliche Komplementäre (auch nicht geschäftsführende) sowie einer/ mehrere von der Hauptversammlung ohne Veto-Recht der Komplementäre gewählte/r Abwickler; abweichende Satzungsgestaltungen sind zulässig.2) Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann jeder Komplementär nach §§ 278 Abs. 3, 265 Abs. 3 die gerichtliche Bestellung oder Abberufung eines Abwicklers beantragen (§ 290 Abs. 2). § 290 Abs. 3 entspricht § 264 Abs. 2, der ohnehin über § 278 Abs. 3 Anwendung gefunden hätte.3) III.
Verteilung des Liquidationserlöses
3 Für die Verteilung des Liquidationsüberschusses zwischen den Komplementären und den Kommanditaktionären einerseits und zwischen den Komplementären andererseits gilt § 278 Abs. 2 AktG, §§ 161 Abs. 2, 155 HGB; abzustellen ist insoweit auf das Verhältnis des Grundkapitals zu den Kapitalanteilen sowie der Kapitalanteile untereinander.4) Aus Gläubigerschutzgesichtspunkten ist nach h. A. auch bei Auszahlungen des auf einen Komplementär entfallenden Anteils das Sperrjahr (§ 272 Abs. 1) trotz der fortbestehenden persönlicher Haftung (§§ 128, 159 HGB) zu beachten.5) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 290 Rz. 2; Sethe, ZIP 1998, 1138, 1140. Zum insoweit bestehenden Spielraum: Heidel-Wichert, § 290 AktG Rz. 6; Sethe, ZIP 1998, 1138 ff. Heidel-Wichert, § 290 AktG Rz. 2; Sethe, ZIP 1998, 1138, 1140, 1142 – zum Gestaltungsspielraum. Vgl. Heidel-Wichert, § 290 AktG Rz. 4; Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 290 Rz. 7. Sethe, ZIP 1998, 1138, 1139; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, AktG, § 290 Rz. 13; Assmann/Sethe in: GroßKomm-AktG, § 290 Rz. 27 ff.; a. A. Perlitt in: MünchKomm-AktG, § 290 Rz. 8 ff.
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Uwe Blaurock
Drittes Buch Verbundene Unternehmen Erster Teil Unternehmensverträge Erster Abschnitt Arten von Unternehmensverträgen § 291 Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag Klaus J. Müller
(1) 1Unternehmensverträge sind Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt (Beherrschungsvertrag) oder sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (Gewinnabführungsvertrag). 2Als Vertrag über die Abführung des ganzen Gewinns gilt auch ein Vertrag, durch den eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen. (2) Stellen sich Unternehmen, die voneinander nicht abhängig sind, durch Vertrag unter einheitliche Leitung, ohne daß dadurch eines von ihnen von einem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig wird, so ist dieser Vertrag kein Beherrschungsvertrag. (3) Leistungen der Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungs- oder eines Gewinnabführungsvertrags gelten nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60. Literatur: Altmeppen, Zur Entstehung, Fälligkeit und Höhe des Verlustausgleichsanspruchs nach § 302 AktG, DB 1999, 2453; Balthasar, Zum Austrittsrecht nach § 305 bei „faktischer Beherrschung“, NZG 2008, 858; Bärwaldt/Schabacker, Wirksamkeitserfordernisse grenzüberschreitender Unternehmensverträge i. S. d. § 291 AktG, AG 1998, 182; Ederle, Der verdeckte Beherrschungsvertrag als konzernrechtliches Haftungsinstrument, AG 2010, 273; Fichtelmann, Die Beendigung des Gewinnabführungsvertrags und ihre Auswirkungen auf die Organschaft, GmbHR 2010, 576; Henze, Konzernfinanzierung und Besicherung, WM 2005, 717; Kleindiek, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, ZIP 1988, 613; Kort, Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf einen „verdeckten“ Beherrschungsvertrag?, NZG 2009, 364; Mühl/Wagenseil, Der Gewinnabführungsvertrag – gesellschafts- und steuerrechtliche Aspekte, NZG 2009, 1253; Neumayer/Imschweiler, Aktuelle Rechtsfragen zur Gestaltung und Durchführung von Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 2011, 57; Simon, Steuerumlagen im Konzern, ZGR 2007, 71; Thoma, Unternehmensverträge i. S. d. §§ 291 ff. AktG mit nicht beteiligten Dritten – praktikables Instrument zur Konzernleitung oder strafbare Untreue?, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 1237.
Klaus J. Müller
1385
§ 291
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag Übersicht
I. 1. 2. 3.
Überblick ........................................... 1 Konzernierung ................................... 1 Vertragskonzern ................................ 2 Wesentlicher Regelungsinhalt der §§ 291 ff. ............................................. 4 II. Beherrschungsvertrag ...................... 6 1. Vertragsinhalt .................................... 6 a) Herrschendes Unternehmen ...... 7 b) Unterstellung unter fremde Leitung ......................................... 9 c) Kein Ausschluss des Weisungsrechts .......................... 10 d) Ausgleich ................................... 11 e) Bezeichnung .............................. 12 2. Rechtsnatur ...................................... 13 3. Ketten-Beherrschungsverträge ....... 15 4. Verdeckte Beherrschungsverträge ..... 16 a) Sachverhalte ............................... 16 b) Rechtliche Würdigung .............. 17 c) Fehlerhafte Gesellschaft ........... 19 III. Gewinnabführungsvertrag ............ 20 1. Vertragsinhalt/Gewinn .................... 20 2. Zweck/Organschaft ......................... 22 I.
Überblick
1.
Konzernierung
3. Isolierte Gewinnabführungsverträge .............................................. 23 4. Rechtsnatur ....................................... 24 5. Ergebnisabführungsvertrag .............. 25 6. Teilgewinnabführungsvertrag .......... 26 IV. Geschäftsführungsvertrag .............. 27 V. Gleichordnungskonzern (§ 291 Abs. 2) ................................... 29 VI. Lockerung der Kapitalbindung (§ 291 Abs. 3) ................................... 30 VII. Fehlerhafte Beherrschungsoder Gewinnabführungsverträge ... 33 1. Begriff ................................................ 33 2. Freigabeverfahren ............................. 34 3. Übertragung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft? ............ 36 VIII. Internationale Beherrschungsoder Gewinnabführungsverträge ... 37 1. Deutsche Gesellschaft ist herrschendes Unternehmen ............. 37 2. Deutsche Gesellschaft ist abhängiges Unternehmen ................ 38
1 Rechtlich selbständige Unternehmen können nicht nur durch schuldrechtliche Austauschverträge, sondern auch konzernrechtlich miteinander verbunden sein. Diese Verbindung kann eng ausfallen. Die Eingliederung, §§ 319 ff., sorgt insoweit für den stärksten Eingriff in die Selbständigkeit. Sie kann aber auch rein faktisch aus der mehrheitlichen Beteiligung eines Unternehmens an einer Gesellschaft folgen und sich dann auf die Herrschaft kraft Stimmrechtsmehrheit beschränken. Damit beschäftigen sich die §§ 311 ff. Schließlich ist aber auch die vertragliche Konzernbildung zwischen Unternehmen möglich: durch die Unternehmensverträge der §§ 291, 292. Insbesondere durch die Unternehmensverträge des § 291 wird über einen reinen Austauschvertrag hinausgehend in die Verfassung und Struktur der Gesellschaft eingegriffen. 2.
Vertragskonzern
2 In der Praxis dominieren der Beherrschungs- und der Gewinnabführungsvertrag. Durch den Beherrschungsvertrag erhält das herrschende Unternehmen ein weitgehendes Weisungsrecht (§ 308) gegenüber dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft. Das weicht grundlegend von der normalen Verfassung der AG ab. Nach § 76 Abs. 1 hat der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten und ist niemandes Weisungen unterworfen (allenfalls einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates, § 111 Abs. 4). Der Beherrschungsvertrag ändert das völlig. Durch den Gewinnabführungsvertrag verpflichtet sich die abhängige Gesellschaft, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Auch dies rüttelt an den Grundstrukturen der Gesellschaft, bei der aus dem Gewinn sonst entweder Rücklagen gebildet oder Dividenden ausgeschüttet werden.
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Klaus J. Müller
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
§ 291
Eine der Hauptantriebsfedern – aber nicht immer der alleinige Beweggrund – zum Ab- 3 schluss eines Unternehmensvertrages ist das Steuerrecht.1) Ein Gewinnabführungsvertrag ist Voraussetzung sowohl für die körperschaft- als auch für die gewerbesteuerliche Organschaft. Die Organschaft führt dazu, dass das Einkommen bzw. der Gewerbeertrag der Organgesellschaft (der abhängigen Gesellschaft) dem Organträger (dem herrschenden Unternehmen) zugerechnet und bei diesem der Besteuerung unterworfen wird. So lässt sich etwa ein sonst nicht möglicher Ausgleich von Gewinnen und Verlusten über Gesellschaftsgrenzen hinweg erreichen. Und diese Verlustverrechnung zwischen Organgesellschaft und Organträger steht häufig am Anfang der vertraglichen Konzernierung. 3.
Wesentlicher Regelungsinhalt der §§ 291 ff.
Die Vorschriften des Ersten Teils des Dritten Buches des AktG (§§ 291 bis 307) beschäf- 4 tigen sich daher neben der Vorstellung der verschiedenen Unternehmensvertragstypen sowie ihren Abschluss-, Änderungs- und Beendigungsvoraussetzungen mit dem Schutz und der Wahrung der Interessen der gefährdeten Gesellschaft und der gefährdeten Personenkreise. Dies sind zum einen die neben dem Hauptaktionär (herrschendes Unternehmen) ggf. noch vorhandenen weiteren (Minderheits-)Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft, die außenstehenden Aktionäre. Zum anderen sind es die Gläubiger. Ihrem Schutz dienen die §§ 300 bis 307. Besonders markant ist die Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens nach § 302. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Ausgleichs- und Abfindungsrechte der außenstehenden Aktionäre nach § 304 und § 305. Gleichwohl sind die §§ 291 ff. keine reinen Schutznormen zugunsten der abhängigen AG, ihrer außenstehenden Aktionäre und ihrer Gläubiger. Vielmehr ist etwa in § 293 Abs. 2 jedenfalls für den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag eine Konzernbildungskontrolle auf der Ebene des herrschenden Unternehmens angelegt. Das (die geforderte Zustimmung durch die Hauptversammlung des herrschenden Unternehmens) trägt der Tatsache Rechnung, dass der Vertragsschluss keineswegs nur mit Risiken oder Gefahren für die abhängige Gesellschaft verbunden ist. Auch für das herrschende Unternehmen und seine Verbandsmitglieder ist der Abschluss insbesondere eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ein außergewöhnliches und, je nach Aufstellung der abhängigen Gesellschaft, mehr oder weniger risikobehaftetes Geschäft. In § 291 und § 292 definiert das Gesetz zunächst die Unternehmensverträge. Dabei 5 unterscheidet es zwischen den Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§ 291) einerseits und den „anderen Unternehmensverträgen“ (§ 292) andererseits. Der ebenfalls noch in § 291 angesprochene Geschäftsführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 Satz 2) ist praktisch bedeutungslos. Dafür wird den „anderen Unternehmensverträgen“ des § 292 überwiegend noch der dort nicht ausdrücklich genannte Betriebsführungsvertrag zugeordnet. II.
Beherrschungsvertrag
1.
Vertragsinhalt
Ein Beherrschungsvertrag liegt vor, wenn eine AG oder KGaA die Leitung ihrer Gesell- 6 schaft einem anderen Unternehmen (beliebiger Rechtsform) unterstellt (§ 291 Abs. 1 Satz 1). Die Unterstellung der Leitung bedeutet Weisungsunterworfenheit (§ 308 Abs. 1). Die beiden Vertragsteile bilden einen Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2). Bezüglich der Eignung zur beherrschten Gesellschaft ist das Gesetz klar: es nennt hier ausschließlich AG oder Kommanditgesellschaften auf Aktien als taugliche Vertrags_____________ 1)
S. beispielhaft etwa den Sachverhalt von BFH, Beschl. v. 22.10.2008 – I R 66/07, NZG 2009, 277 = ZIP 2009, 1122.
Klaus J. Müller
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§ 291
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
partner. Dagegen formuliert das Gesetz sehr weit, was den herrschenden Vertragsteil angeht. Hier ist lediglich von „einem anderen Unternehmen“ die Rede (§ 291 Abs. 1 Satz 1). a)
Herrschendes Unternehmen
7 Das einzige Tatbestandsmerkmal, das § 291 Abs. 1 Satz 1 für den herrschenden Vertragsteil bereitstellt, ist das Wort „Unternehmen“. Der Hinweis auf „ein anderes“ Unternehmen hat keinen eigentlichen Regelungsgehalt, weil die beherrschte Gesellschaft den Vertrag naturgemäß nicht mit sich selbst schließen kann. Aus der Gegenüberstellung des Wortes „Unternehmen“ auf Seiten des herrschenden Vertragsteils zu der genauen Beschreibung der Gesellschaftsform der beherrschten Gesellschaft folgt, dass der Begriff weit zu verstehen ist. Folglich kommen hier nicht nur Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften wie AG, KGaA, GmbH, GmbH & Co. KG, OHG, KG, sondern auch Einzelkaufleute, wirtschaftlich tätige Stiftungen oder Vereine und auch Unternehmen der öffentlichen Hand in Betracht. Auch ausländische Unternehmen beliebiger Rechtsform können herrschender Vertragsteil eines Beherrschungsvertrages sein. Dagegen soll ein Beherrschungsvertrag mit einem sog. Privataktionär als herrschendem Unternehmen nicht in Frage kommen.2) 8 Nicht von der tatbestandlichen Formulierung des § 291 Abs. 1 Satz 1 angesprochen ist die Frage, ob das herrschende Unternehmen zugleich an der beherrschten Gesellschaft beteiligt sein muss. Vom bloßen Wortlaut her ist dies nicht gefordert. Es ist praktisch jedoch nur schwer vorstellbar, aus welchen Gründen sich der Vorstand der beherrschten Gesellschaft entschließen sollte, einen solchen Vertrag mit einem nicht an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen abzuschließen, und es ist noch schwerer vorstellbar, dass ein solcher Vertrag die erforderliche (§ 293 Abs. 1 Satz 1) Zustimmung der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft erhält. Wenn sich aber solche Gründe finden und die erforderliche Zustimmung erteilt wird, dann spricht aus Rechtsgründen nichts gegen einen solchen Unternehmensvertrag mit einem nicht selbst an der beherrschten Gesellschaft beteiligten Dritten.3) b)
Unterstellung unter fremde Leitung
9 Prägendes Tatbestandsmerkmal des Beherrschungsvertrages ist die Unterstellung unter fremde Leitung. Das herrschende Unternehmen hat ein umfassendes Weisungsrecht gemäß § 308. Auch für die beherrschte Gesellschaft nachteilige Weisungen sind erlaubt. Es entsteht ein Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2). Das Gesetz stellt vorsichtshalber klar, dass es sich bei der Bildung von Gleichordnungskonzernen, also wenn sich mehrere voneinander unabhängige Unternehmen durch Vertrag unter einheitliche Leitung stellen, ohne dass dadurch eines von ihnen von einem anderen vertragschließenden Unternehmen abhängig wird, nicht um einen Beherrschungsvertrag handelt (§ 291 Abs. 2). Mit „Leitung ihrer Gesellschaft“ ist allein die Leitungskompetenz des Vorstands der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1) gemeint.4) Nur er ist Adressat des Weisungsrechts aus § 308 Abs. 1. Da die anderen beiden gesetzlichen Organe der beherrschten Gesellschaft, die Hauptversammlung und der Aufsichtsrat, keine Leitungskompetenz haben, sind sie von der Verschiebung der Leitungsmacht und somit von dem Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens nicht betroffen. Die einzige Ausnahme besteht darin, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Geschäft, das der Aufsichtsrat der beherrschten _____________ 2) 3) 4)
Diese Frage wird im Schrifttum diskutiert. Ihre praktische Relevanz ist allerdings offen. Nachweise dazu etwa bei Emmerich/Habersack-Emmerich, § 291 AktG Rz. 9a. Thoma in: FS Hoffmann-Becking, S. 1237 ff. OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, NZG 2008, 868, 869 = ZIP 2009, 124.
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Klaus J. Müller
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
§ 291
Gesellschaft an sich gemäß § 111 Abs. 4 von seiner Zustimmung abhängig gemacht hat, auch ohne seine Zustimmung vorgenommen werden kann (§ 308 Abs. 3). Siehe im Übrigen zum Weisungsrecht die Kommentierung zu § 308. c)
Kein Ausschluss des Weisungsrechts
Manche meinen, es sei auch ein Ausschluss des Weisungsrechts möglich. Nach dieser 10 Meinung ist das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens kein wesentlicher Bestandteil des Beherrschungsvertrages; vielmehr könne das herrschende Unternehmen die mit einem Beherrschungsvertrag verbundenen Verpflichtungen (Verlustausgleich, Ausgleichszahlung, Rücklagenbildung) auch ohne ein derartiges Weisungsrecht eingehen.5) Das ist abzulehnen. Die Unterstellung unter die Leitung eines anderen Unternehmens ist das einzige inhaltliche Begriffsmerkmal des Beherrschungsvertrages. Gerade die Verschiebung der Leitungsmacht ist der zentrale Anknüpfungspunkt für diesen speziellen Fall des Unternehmensvertrages. Deshalb ist die Meinung, die einen Ausschluss des Weisungsrechtes zulässt,6) mit § 291 Abs. 1 Satz 1 nicht vereinbar.7) Dagegen spricht nicht gegen das Vorliegen eines Beherrschungsvertrages, dass die Leitung der abhängigen Gesellschaft nicht in vollem Umfang der Obergesellschaft unterstellt oder nur ein eingeschränktes Weisungsrecht vereinbart wird, solange nur insgesamt eine Beherrschung in wesentlicher Hinsicht Vertragsinhalt ist.8) Jedenfalls reicht die alleinige Vereinbarung von Entsendungsrechten der Mutter in die Organe der Tochter oder die punktuelle Vereinbarung von eventuell nachteiligen Entscheidungsmöglichkeiten nicht aus, es muss vielmehr ein vertraglich abgesichertes Weisungsrecht substantiellen Umfangs begründet werden.9) d)
Ausgleich
Nicht in § 291 genannt, aber gleichwohl zwingender Mindestinhalt eines Beherrschungs- 11 vertrages ist eine Regelung über einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre (falls es welche gibt). Ohne eine solche Regelung ist der Vertrag nichtig (§ 304 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1). e)
Bezeichnung
Nicht erforderlich ist die Bezeichnung des Vertrages ausdrücklich als „Beherrschungsver- 12 trag“. Erfüllt der Vertrag inhaltlich die vorstehend beschriebenen Merkmale, so handelt es sich um einen Beherrschungsvertrag.10) Er ist folglich auch nur dann wirksam, wenn er den für den wirksamen Abschluss eines Beherrschungsvertrages aufgestellten Voraussetzungen (also insbesondere den §§ 293, 294 und 304) genügt. 2.
Rechtsnatur
Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht des § 308 durchbricht das gesetzliche 13 Grundkonzept der eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand. Ferner sind die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 57, 58 und 60 nicht auf Leistungen _____________ 5) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 291 Rz. 99 f. m. w. N. 6) Wie etwa Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 291 Rz. 94 ff. 7) OLG München, Beschl. v. 18.7.2012 – 7 AktG 1/12, AG 2012, 802, 803; Hüffer, AktG, § 291 Rz. 11 m. w. N. zu dieser h. M. 8) LG München I, Urt. v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06, ZIP 2008, 555, 560. 9) Kort, NZG 2009, 364, 366. 10) OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124, 126; LG München I, Urt. v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06, ZIP 2008, 555, 560; Kort, NZG 2009, 364, 365.
Klaus J. Müller
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§ 291
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
der Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages anwendbar (§ 291 Abs. 3). Damit wird sehr weitgehend in die Organisation der beherrschten Gesellschaft eingegriffen. Über einen reinen Austauschvertrag hinaus ändert sich die strukturelle Verfassung der beherrschten Gesellschaft. Die Einordnung des Beherrschungsvertrages als Organisationsvertrag entspricht daher heute der ganz überwiegenden Meinung.11) 14 Dem steht nicht entgegen, dass der Beherrschungsvertrag auch beiderseitige Leistungspflichten begründet. So ist der Vorstand des beherrschten Unternehmens verpflichtet, Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen (§ 308 Abs. 2 Satz 1). Das herrschende Unternehmen muss einen Jahresfehlbetrag der beherrschten Gesellschaft ausgleichen (§ 302 Abs. 1), Gläubigern bei Beendigung des Beherrschungsvertrages Sicherheit leisten (§ 303) und den außenstehenden Aktionären Ausgleich (§ 304) und/oder Abfindung (§ 305) gewähren. Gleichwohl bringt die Einordnung als Organisationsvertrag auch begrifflich zum Ausdruck, dass nicht nur schuldrechtliche Pflichten und Rechte der Vertragsparteien, sondern Strukturveränderungen bei der beherrschten Gesellschaft herbeigeführt werden. Die Eingriffe gehen dabei so weit, dass sie über die Bedeutung mancher Satzungsänderung hinausgehen. Schon Satzungsänderungen bedürfen aber eines Beschlusses der Hauptversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1), einer darüber aufzunehmenden notariellen Niederschrift (§ 130 Abs. 1 Satz 1, Satz 3) sowie der Eintragung im Handelsregister (§ 181 Abs. 3). Weil das so ist, ist der Organisationsvertrag „Beherrschungsvertrag“ trotz seiner schuldvertraglichen Elemente (mindestens) den gleichen Voraussetzungen zu unterwerfen. Siehe dazu im Einzelnen die Kommentierung zu §§ 293 ff. 3.
Ketten-Beherrschungsverträge
15 Größere Konzerne sind häufig mehrstufig aufgebaut. Je nach Größe und Diversifizierung des Konzerns kann es mitunter nicht nur Mutter-Tochter-Enkel-Ebenen, sondern noch deutlich mehr Hierarchiestufen geben. Beherrschungsverträge sind hier auf allen Ebenen möglich. Denkbar sind nicht nur lückenlos durchgeführte Ketten-Beherrschungsverträge, also zwischen Mutter und Tochter und Tochter und Enkel und Enkel und Urenkel, sondern daneben zusätzlich zwischen Mutter und Enkel oder auch ausschließlich zwischen Mutter und Enkel und Mutter und Tochter. Schließt die Muttergesellschaft einen Beherrschungsvertrag direkt mit der Enkelgesellschaft ab, so muss die Hauptversammlung der zwischengeschalteten Tochtergesellschaft dem Vertragsabschluss in der Regel (Ausnahme: es liegt aus Sicht der Tochtergesellschaft mit Blick auf die Enkelgesellschaft ein Holzmüller- bzw. Gelatine-Fall vor) nicht zustimmen.12) Die Tochtergesellschaft ist auch nicht als außenstehender Aktionär der Enkelin i. S. der §§ 304, 305 und 307 zu behandeln, jedenfalls dann nicht, wenn die Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft zu 100 % beteiligt ist oder wenn die Muttergesellschaft mit der Tochtergesellschaft ihrerseits einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag geschlossen hat.13)
_____________ 11) OLG München, Beschl. v. 9.12.2008 – 31 Wx 106/08, ZIP 2009, 2295; BGH, Beschl. v. 24.10.1988 – II ZB 7/88 (Supermarkt), BGHZ 105, 324, 331 = ZIP 1989, 29; Kort, NZG 2009, 364, 366; Hüffer, AktG, § 291 Rz. 17; Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253. 12) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 293 AktG Rz. 12a. 13) OLG Nürnberg, Urt. v. 17.1.1996 – 12 U 2801/91 (Tucherbräu), AG 1996, 228 f. – außenstehende Aktionäre sind nicht solche, die von dem anderen Vertragsteil abhängig sind; Emmerich/HabersackEmmerich, § 304 AktG Rz. 18.
1390
Klaus J. Müller
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag 4.
Verdeckte Beherrschungsverträge
a)
Sachverhalte
§ 291
Mit diesem Stichwort sind Verträge gemeint, in denen gesellschaftsfremden Dritten 16 beherrschungsvertragsähnliche Rechte eingeräumt werden. Ohne dass also die Leitung der Gesellschaft dem anderen Unternehmen unterstellt und ohne dass ein Weisungsrecht i. S. des § 308 eingeräumt wird, erhält der Vertragspartner Einspruchs- oder Zustimmungsrechte bei Entscheidungen der Gesellschaft, die nach der aktiengesetzlichen Grundkonzeption eigentlich in eigener Verantwortung vom Vorstand zu treffen sind (§ 76 Abs. 1). So lassen sich Banken häufig in Finanzierungsverträgen14) bei Eintritt bestimmter Umstände (negative Verschiebung des Verhältnisses zwischen Darlehensvaluta und Wert der gestellten Sicherheiten oder zwischen Darlehensvaluta und Ertragskraft des Unternehmens) vertraglich das Recht einräumen, wirtschaftlichen Entscheidungen der Gesellschaft zuzustimmen oder zu widersprechen. In diesem Bereich sind eine Vielzahl von vertraglichen Vereinbarungen mit Dritten denkbar, in denen die Rechtsstellung des Vertragspartners so ausgestaltet wird, dass sie einem ansonsten nur beherrschungsvertraglich erreichbaren Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft nahekommt. Allen diesen Vereinbarungen ist gemein, dass die Parteien sie zwar nicht nach Beherrschungsvertragsrecht behandelt wissen wollen, dass sie aber in der Summe ihrer einzelnen Einflussmöglichkeiten der beherrschungsvertraglichen Leitungsunterstellung gleichzusetzen sind.15) b)
Rechtliche Würdigung
Bei der rechtlichen Würdigung derartiger „verdeckter“ Beherrschungsverträge ist zu dif- 17 ferenzieren: handelt es sich allein um punktuelle und abgegrenzte Rechte des dritten Vertragspartners, so wird man es von der eigenverantwortlichen Leitungskompetenz des Vorstandes der Gesellschaft umfasst ansehen müssen, auch solche Verträge abzuschließen, die der Gesellschaft Vorteile (wie z. B. eine Finanzierung) nur im Austausch gegen u. a. Rechte verschaffen, die einem marktüblichen Sicherungsbedürfnis des Kreditgebers entsprechen. Bei eingeschränkten Zustimmungsrechten ist die Vergleichbarkeit mit einem – umfassenden – Weisungsrecht i. S. des § 308 nicht gegeben. In diesem Sinne ist etwa auch eine „Investorenvereinbarung“ zwischen der Gesellschaft und einzelnen Aktionären einzuordnen, in der das geplante Stimmverhalten der Aktionäre koordiniert wird.16) Rücken dagegen sowohl der Sache als auch dem Umfang nach vertraglich mit einem 18 Dritten vereinbarte weitgehende Zustimmungs- und Vetorechte in die Nähe des § 308, lässt sich also faktisch fast von einem Übergang der Leitungsmacht auf den Dritten sprechen,17) dann kommt die (entsprechende) Anwendung der beherrschungsvertraglichen Vorschriften in Betracht. Ansonsten wäre der vom Gesetz zum Schutz der Gesellschaft, der außenstehenden Aktionäre und der Gläubiger der Gesellschaft verfolgte erhöhte Legitimationsnachweis für Beherrschungsverträge unterlaufen. Derartige, mit weitgehenden Einflussrechten für den dritten Vertragspartner verbundene verdeckte Beherrschungsverträge sind demnach wegen Missachtung der entsprechenden Abschlussvoraussetzungen in aller Regel nichtig,18) es sei denn, sie werden mit Zustimmung der Hauptversammlung geschlossen und im Handelsregister eingetragen (§§ 293, 294). _____________ 14) 15) 16) 17) 18)
Weitere Beispiele bei Ederle, AG 2010, 273 f. Ederle, AG 2010, 273. OLG München, Beschl. v. 18.7.2012 – 7 AkG 1/12, AG 2012, 802, 803. Dazu i. E. Ederle, AG 2010, 273, 275 f. OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124; Ederle, AG 2010, 273, 275.
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§ 291 c)
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag Fehlerhafte Gesellschaft
19 Auf den verdecken Beherrschungsvertrag, der – wie gesehen – unwirksam ist, sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nach zutreffender h. M. nicht anwendbar.19) Das kann nur dann anders zu beurteilen sein, wenn zumindest eine Eintragung im Handelsregister erfolgt ist.20) Dass ein unwirksamer Beherrschungsvertrag in das Handelsregister eingetragen wird, dürfte freilich nur selten vorkommen.21) Im GmbHKonzernrecht liegt es anders. Hier können die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf in Vollzug gesetzte, aber fehlerhafte Unternehmensverträge durchaus anwendbar sein.22) Zu fehlerhaften Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen siehe auch unten unter Rz. 33 ff. III.
Gewinnabführungsvertrag
1.
Vertragsinhalt/Gewinn
20 Durch einen Gewinnabführungsvertrag verpflichtet sich eine AG oder KGaA, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (§ 291 Abs. 1 Satz 1). Gleichgestellt ist dem durch Gesetz der praktisch nahezu bedeutungslose Geschäftsführungsvertrag, also ein Vertrag, durch den eine AG oder KGaA es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen (§ 291 Abs. 1 Satz 2). 21 Mit Gewinn ist der Bilanzgewinn gemeint. Dieser entspricht dem Jahresüberschuss i. S. des § 275 Abs. 2 Nr. 20, Abs. 3 Nr. 19 HGB in einer Vorbilanz unter Berücksichtigung der §§ 300 Nr. 1 und 301. Vorbilanz deswegen – und zwar nach handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften –, weil in der endgültigen Handelsbilanz der abhängigen Gesellschaft ein Gewinn nicht mehr ausgewiesen wird. Vielmehr wird in der endgültigen Handelsbilanz nach § 266 Abs. 3 Nr. C 6 als Verbindlichkeit gegenüber verbundenen Unternehmen der an das herrschende Unternehmen abzuführende Betrag auf der Passivseite der Bilanz aufgeführt. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird er als Aufwendung verbucht (§ 277 Abs. 3 Satz 2 HGB). Umgekehrt wird als Folge der Verlustausgleichspflicht aus § 302 bei einem in der Vorbilanz festgestellten Fehlbetrag der Anspruch der abhängigen Gesellschaft auf Verlustübernahme in der Handelsbilanz aktiviert (§ 266 Abs. 2 B II 2 HGB) und in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag ausgewiesen (§ 277 Abs. 3 Satz 2 HGB). Ist der Gewinnabführungsvertrag zugleich mit einem Beherrschungsvertrag kombiniert, kann das herrschende Unternehmen über die Ausübung der Bilanzwahlrechte i. R. seines Weisungsrechts Einfluss auf die Ermittlung von Gewinnund Verlust nach handelsrechtlichen Vorschriften nehmen. Ob dies auch bei isolierten Gewinnabführungsverträgen (die also nicht mit einem Beherrschungsvertrag kombiniert sind) gilt, ist umstritten.23) 2.
Zweck/Organschaft
22 Der Gewinnabführungsvertrag wird vornehmlich aus steuerlichen Gründen abgeschlossen. Wenn er nämlich für mindestens fünf Jahre eingegangen und während dieser Zeit auch durchgeführt wird, ermöglicht er nach § 15 KStG eine körperschaftsteuerliche Organ_____________ 19) OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124, 129, mit ausführlicher Darstellung des Streitstandes; Ederle, AG 2010, 273, 275, 278. 20) Ederle, AG 2010, 273, 278. 21) So auch Balthasar, NZG 2008, 858, 861. 22) Dazu Kort, NZG 2009, 364, 367 m. w. N. 23) S. dazu Emmerich/Habersack-Emmerich, § 291 AktG Rz. 65.
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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
§ 291
schaft.24) Diese wiederum führt dazu, dass die getrennt ermittelten Einkommen der in den Organkreis einbezogenen Gesellschaften dem Organträger (dem gewinnabführungsberechtigten Unternehmen) zugerechnet werden. Die Besteuerung wird dann einheitlich nur beim Organträger vorgenommen. Dadurch wird ein direkter Gewinn- und Verlustausgleich innerhalb des Organkreises möglich. „Verlustvortrags- und Zinsvortragsinseln“ werden vermieden.25) 3.
Isolierte Gewinnabführungsverträge
Häufig werden Gewinnabführungsverträge mit Beherrschungsverträgen zusammen abge- 23 schlossen. Früher war das aus steuerrechtlichen Gründen auch die Regel, jedenfalls wenn man eine Organschaft erreichen wollte.26) Beim Abschluss eines Beherrschungsvertrags wurde nämlich die früher neben der finanziellen Eingliederung auch verlangte wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger unterstellt. Nach einer Änderung von § 14 KStG sind die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung keine Voraussetzung der körperschaftsteuerlichen (und der gewerbesteuerlichen) Organschaft mehr. Notwendig sind nur noch die finanzielle Eingliederung und der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages. Deswegen werden Gewinnabführungsverträge zunehmend auch isoliert abgeschlossen.27) Das Gesetz geht dabei von der Zulässigkeit des isolierten Abschlusses aus (§§ 316, 300 Nr. 1). Dann besteht natürlich kein (vertragliches) Weisungsrecht des herrschenden (oder besser: gewinnabführungsberechtigten) Unternehmens. Ansonsten folgt die Regelung des Gewinnabführungsvertrages aber weitgehend den Bestimmungen über den Beherrschungsvertrag. An einzelnen Stellen (etwa §§ 300 Nr. 1, 301, 316 oder 324 Abs. 2) gibt es allerdings spezielle, nur für den Gewinnabführungsvertrag geltende Regelungen. 4.
Rechtsnatur
Wie der Beherrschungsvertrag ist der Gewinnabführungsvertrag einerseits – und vor allem 24 – Organisationsvertrag in dem Sinne, dass er die Verfassung der gewinnabführungsverpflichteten Gesellschaft ändert. An sich haben die Aktionäre Anspruch auf den Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4) und entscheiden darüber, wie dieser zu verwenden ist (§§ 119 Abs. 1 Nr. 2, 174). Beides beseitigt der Gewinnabführungsvertrag durch die Verpflichtung, den ganzen Gewinn an das gewinnabführungsberechtigte Unternehmen abzuführen. Damit wird die Finanzverfassung der Gesellschaft vollkommen geändert. Der Gewinnabführungsvertrag ist andererseits aber auch ein Vertrag, der schuldrechtliche Leistungspflichten begründet. 5.
Ergebnisabführungsvertrag
Abweichend von der Gesetzesterminologie erscheint der Gewinnabführungsvertrag in der 25 Praxis häufig auch als „Ergebnisabführungsvertrag“. Das liegt an der Verlustübernahmepflicht nach § 302. Die Gesellschaft muss nicht nur ihren gesamten Gewinn abführen. Im Gegenzug hat die gewinnabführungsberechtigte Gesellschaft vielmehr während der Vertragsdauer entstehende Jahresfehlbeträge bei der gewinnabführungsverpflichteten Gesellschaft auszugleichen. Das hat im juristischen oder besser: kaufmännischen Volksmund den Begriff des Ergebnisabführungsvertrages geprägt. _____________ 24) S. dazu BFH, Beschl. v. 22.10.2008 – I R 66/07, ZIP 2009, 1122 = NZG 2009, 277. 25) Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57. 26) Daher war früher der isolierte Gewinnabführungsvertrag weitgehend unbekannt (Altmeppen, DB 1999, 2453, 2454: „so gut wie bedeutungslos“). 27) S. dazu näher Simon, ZGR 2007, 71, 102.
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§ 291 6.
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag Teilgewinnabführungsvertrag
26 Den Teilgewinnabführungsvertrag behandelt § 292 Abs. 1 Nr. 2; siehe zunächst zum Begriff und zur Abgrenzung die Darstellung bei § 292 unter Rz. 8 und Rz. 9 ff. Der Teilgewinnabführungsvertrag ist vom Gewinnabführungsvertrag jedenfalls strenger zu unterscheiden, als es die weitgehende Wortgleichheit vermuten lassen sollte. Das Gesetz ordnet ihn als einen sog. „anderen Unternehmensvertrag“ ein (§ 292 Abs. 1 Nr. 2). Er unterfällt daher den Vorschriften über Unternehmensverträge, aber nicht den besonderen Regelungen für Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge. Der Teilgewinnabführungsvertrag ist selbst dann dem Gewinnabführungsvertrag i. S. von § 291 Abs. 1 Satz 1 nicht gleichzustellen, wenn der nicht abzuführende Teil des Gewinnes gering ist. Der Grund dafür ist der, dass der Teilgewinnabführungsvertrag als anderer Unternehmensvertrag i. S. von § 292 eine angemessene Gegenleistung voraussetzt. Demgemäß fehlt es hier auch an einer Verlustausgleichspflicht, wie sie nach § 302 für den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag gilt. Das Konzept ist also ein anderes. Siehe dazu näher bei § 292 unter Rz. 8 ff. IV.
Geschäftsführungsvertrag
27 Der Begriff ist, anders als beim Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag oder bei den anderen Unternehmensverträgen i. S. des § 292, im Gesetz selbst nicht genannt. Er hat sich aber als Bezeichnung für die in § 291 Abs. 1 Satz 2 geregelte besondere Form eines Gewinnabführungsvertrages eingebürgert. Es geht um einen Vertrag, durch den eine AG oder KGaA es übernimmt, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen. Das Gesetz stellt diesen Geschäftsführungsvertrag dem Gewinnabführungsvertrag gleich, weil die Wirkungen sich entsprechen. Denn da die abhängige Gesellschaft ihr Unternehmen für Rechnung des herrschenden Unternehmens führt, hat sie auch den am Ende eines Geschäftsjahres sich ergebenden Gewinn an dieses abzuführen. Die abhängige Gesellschaft kann dabei sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des herrschenden Unternehmens handeln. Der Geschäftsführungsvertrag ist unentgeltlich. Erhielte die abhängige Gesellschaft eine Gegenleistung, wäre der Vertrag mit einem Gewinnabführungsvertrag nicht mehr gleichzustellen, sondern würde stattdessen in den Bereich der anderen Unternehmensverträge i. S. des § 292 fallen. Zivilrechtlich gesehen handelt es sich beim Geschäftsführungsvertrag um einen (unentgeltlichen) Auftragsvertrag. Auf ihn sind daher neben den Vorschriften für den Gewinnabführungsvertrag ergänzend die §§ 662 ff. BGB anzuwenden. Einzige Ausnahme ist § 665 BGB (Weisungsrecht). Im Bereich der Unternehmensverträge wäre eine derartige Rechtsfolge nur über den Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu erreichen, dagegen nicht durch einen Geschäftsführungs-(Gewinnabführungs-)vertrag. 28 Anders als ein Gewinnabführungsvertrag wird ein Geschäftsführungsvertrag von der Finanzverwaltung nicht als Grundlage für die körperschaftsteuerliche Organschaft anerkannt.28) Das ist erstaunlich, führt der Geschäftsführungsvertrag doch wie der Gewinnabführungsvertrag im Endergebnis zu der gleichen Rechtsfolge der Gewinnabführung. V.
Gleichordnungskonzern (§ 291 Abs. 2)
29 Das Gesetz hält in § 291 Abs. 2 fest, dass der Gleichordnungskonzernvertrag kein Beherrschungsvertrag ist. Durch den Gleichordnungskonzernvertrag stellen sich mehrere Unternehmen unter einheitliche Leitung, ohne voneinander abhängig zu sein oder es durch den Vertrag zu werden. Durch den Gleichordnungskonzernvertrag wird weder _____________ 28) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 291 AktG Rz. 67.
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Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
§ 291
Konzernleitungsmacht noch überhaupt ein Weisungsrecht begründet. Daher ist der Gleichordnungskonzernvertrag überhaupt kein Unternehmensvertrag und fällt demgemäß nicht unter die besonderen Abschlussvoraussetzungen der §§ 293 ff.29) Er führt auch nicht dazu, dass die sonstigen mit einem Beherrschungsvertrag verbundenen Wirkungen eintreten. Bei einem Gleichordnungskonzern gilt somit das System der aktienrechtlichen Kapitalbindung (§§ 57 ff.) uneingeschränkt weiter. Folglich kann der Gleichordnungskonzernvertrag von den beteiligten Unternehmen ohne Zustimmung der Haupt- oder Gesellschafterversammlungen und ohne Eintragung in das Handelsregister abgeschlossen werden. Auch eine Zustimmungsbedürftigkeit aufgrund der Holzmüllerbzw. Gelatine-Rechtsprechung wird man nicht verlangen können.30) Denn durch den Gleichordnungskonzernvertrag werden die Rechte der Gesellschafter bzw. der Hauptversammlung nicht beschnitten.31) VI.
Lockerung der Kapitalbindung (§ 291 Abs. 3)
Leistungen der beherrschten oder gewinnabführungsverpflichteten Gesellschaft aufgrund 30 eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages gelten nicht als Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsgrundsätze der §§ 57, 58 und 60 (§ 291 Abs. 3). Bei einem Gewinnabführungsvertrag liegt es auf der Hand, dass naturgemäß Leistungen der Gesellschaft (bei erfolgreichem Wirtschaften) an das herrschende Unternehmen erfolgen. Aber auch beim Beherrschungsvertrag sind Vermögenszuwendungen denkbar. Sie mögen durch (rechtmäßige) Weisungen des herrschenden Unternehmens nach § 308 veranlasst sein. Bei all diesen Leistungen könnten regelmäßig Verstöße gegen §§ 57, 58 und 60 vorliegen. 31 Das Gesetz erklärt diese Vorschriften für nicht anwendbar. Dies muss im Zusammenhang mit § 302 gesehen werden.32) Das herrschende Unternehmen ist nach dieser Vorschrift zum Ausgleich jedes Jahresfehlbetrages der abhängigen Gesellschaft verpflichtet. Insoweit ist bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen das Kapitalerhaltungsrecht nicht abgeschafft, sondern nur völlig anders geregelt. Die Andersartigkeit zeigt sich etwa dann, wenn Verluste entstehen, die nichts mit einem internen Zahlungsfluss, sondern ausschließlich mit glücklosem Wirtschaften am Markt zusammenhängen: das Kapitalerhaltungsrecht wäre dann überhaupt nicht einschlägig, nach § 302 aber wird voller Verlustausgleich geschuldet. Durch diese völlig andersartige Regelung wird etwa auch ein konzernweites Cash Mana- 32 gement begünstigt; jedenfalls schlagen ihm im Hinblick auf das Kapitalerhaltungsrecht bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen wesentlich weniger Bedenken entgegen.33) Unzulässig bleiben aber auch bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen Leistungen an das herrschende Unternehmen aufgrund rechtswidriger Weisungen. VII. Fehlerhafte Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge 1.
Begriff
Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge sind fehlerhaft, wenn sie entweder 33 formelle (Hauptbeispiel: Nichtbeachtung der Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 293 und 294) oder materielle (Hauptbeispiel: fehlende Ausgleichsregelung, § 304 Abs. 3 Satz 1) Mängel aufweisen. Auch verdeckte Beherrschungsverträge gehören hierher, wenn sie _____________ 29) 30) 31) 32) 33)
Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 291 Rz. 213. A. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 291 Rz. 215. Krieger, MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 87; § 72 Rz. 3. Altmeppen, DB 1999, 2453. Henze, WM 2005, 717, 723.
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§ 291
Beherrschungsvertrag. Gewinnabführungsvertrag
Dritten eine derart starke Einflussposition einräumen, dass die entsprechende Anwendung der beherrschungsvertraglichen Wirksamkeitsvoraussetzungen geboten, aber nicht erfolgt ist (siehe oben Rz. 16 ff.). Diese Mängel machen den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nichtig (§§ 293, 294; §§ 134, 138 BGB). Bei einem Anfechtungsverfahren gegen den zustimmenden Beschluss der Hauptversammlung tritt die Nichtigkeitswirkung durch entsprechendes rechtskräftiges Urteil ein (§ 248 Abs. 1 Satz 1). 2.
Freigabeverfahren
34 Nach § 246a kann, wenn gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über einen Unternehmensvertrag geklagt wird, ein sog. Freigabebeschluss ergehen. Dadurch stellt das Gericht fest, dass die Klage der Eintragung des Unternehmensvertrages nicht entgegen steht und dass Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Eintragungswirkungen unberührt lassen. Diesen Beschluss erlässt es, wenn die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder wenn das Interesse der Gesellschaft an dem alsbaldigen Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses die Interessen der Aktionäre überwiegt (§ 246a Abs. 2). Zu entscheiden ist dabei, ob die Nachteile einer bis auf weiteres aufgeschobenen Bestandskraft bei unterstellter Rechtmäßigkeit des Beschlusses schwerer wiegen als die Nachteile einer Bestandskraft bei unterstellter Rechtswidrigkeit des Beschlusses.34) 35 Nach § 246a Abs. 3 Satz 4 ist der Beschluss unanfechtbar. Er ist für das Registergericht bindend und die Feststellung der Bestandskraft der Eintragung wirkt für und gegen jedermann (§ 246a Abs. 3 Satz 5). Folgerichtig hat der Gesetzgeber für das Freigabeverfahren vorgesehen, dass, wenn sich die Klage doch noch als begründet erweist, der Erfolg der Klage nur die Wirkung hat, dass der Aktionär Schadensersatz verlangen kann, die Wirkungen der Eintragung im Übrigen aber nicht mehr berührt werden (§ 246a Abs. 4). Ist also der Vertrag erst einmal aufgrund eines rechtskräftigen Freigabebeschlusses im Handelsregister eingetragen, wird er endgültig wirksam (§ 294 Abs. 2). Eine Rückabwicklung des Vertrages nach den Grundsätzen über fehlerhafte Verträge scheidet aus. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Zustimmungsbeschluss letztlich bei einer erfolgreichen Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage als nichtig erweisen sollte. Mangelhafte Beherrschungsoder Gewinnabführungsverträge wie auch sonstige mangelhafte Unternehmensverträge genießen also umfassende Bestandskraft, wenn sie aufgrund eines rechtskräftigen Freigabebeschlusses im Handelsregister eingetragen sind. 3.
Übertragung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft?
36 Schwieriger wird es, wenn kein Freigabebeschluss existiert. Im GmbH-Konzernrecht hat die Rechtsprechung die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft entsprechend angewendet, solange der betreffende Unternehmensvertrag von den Beteiligten durchgeführt wird.35) Ob man dies für das Aktienkonzernrecht übernehmen kann, ist noch nicht vollständig ausgelotet.36) Sinnvoll erscheint die entsprechende Anwendung der
_____________ 34) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.12.2008 – I-6 W 24/08, ZIP 2009, 518, 520. 35) BGH, Urt. v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 4 f. = ZIP 1988, 229; s. a. Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 577. Krit. Kleindiek, ZIP 1988, 613 ff., der aber trotz Unwirksamkeit und abgelehnter Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschafft einen Verlustausgleichsanspruch nach § 302 bejaht, ZIP 1988, 613, 622. 36) S. a. die Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung bei OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124, 129 f., das bei fehlender Eintragung die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft nicht anwenden will.
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§ 292
Andere Unternehmensverträge
Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch im Bereich des Aktienvertragskonzernrechts nur, wenn zumindest eine Eintragung in das Handelsregister erfolgt ist.37) Denn ohne Eintragung im Handelsregister wird sich niemand ernsthaft darauf berufen können, er sei von einem wirksamen Unternehmensvertrag ausgegangen (§ 294 Abs. 2). Das gilt allemal, wenn noch nicht einmal ein Hauptversammlungsbeschluss gefasst worden ist.38) Wenn aber der fehlerhafte Unternehmensvertrag in das Handelsregister eingetragen wurde, dient die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft der Rechtssicherheit. VIII. Internationale Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge 1.
Deutsche Gesellschaft ist herrschendes Unternehmen
Bei einem grenzüberschreitenden Unterordnungskonzern, bei dem die Obergesellschaft 37 in Deutschland, die abhängige Gesellschaft aber im Ausland ihren Sitz hat, richten sich lediglich die Rechtsverhältnisse der Obergesellschaft nach deutschem Gesellschaftsrecht. Vom Konzernrecht gehören dazu nur die Regeln der Konzernbildungs- und der Konzernleitungskontrolle auf Ebene der Obergesellschaft. Dagegen richten sich die Rechtsverhältnisse der ausländischen abhängigen Gesellschaft nach ihrem Heimatrecht.39) Der Unternehmensvertrag selbst unterfällt dem Recht des Staates des beherrschten Unternehmens, richtet sich also hier nach dem ausländischen Recht. Dies ist jedenfalls die (zutreffende) international-privatrechtliche Sicht.40) 2.
Deutsche Gesellschaft ist abhängiges Unternehmen
Wenn eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland von einem ausländischen herrschenden 38 Unternehmen abhängig ist, sind grundsätzlich die deutschen konzernrechtlichen Vorschriften zum Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und ihrer Gläubiger auf diesen grenzüberschreitenden Unterordnungskonzern anzuwenden;41) auch die §§ 302 – 305 gelten dann für das ausländische herrschende Unternehmen.42) Abweichende Vereinbarungen sind unzulässig.43) Dagegen bleiben die Beziehungen der Obergesellschaft zu ihren Gesellschaftern und ihren Gläubigern ihrem Heimatrecht unterworfen. _____________ 37) OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124, 130; Hüffer, AktG, § 291 Rz. 21. 38) OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124, 131. In diesen Fällen (kein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter) lehnt Kleindiek, ZIP 1988, 613, 621, die Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu Recht rundweg ab, auch für den GmbH-Vertragskonzern. 39) Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182, 187. 40) Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182, 186. 41) BGH, Urt. v. 13.12.2004 – II ZR 256/02, ZIP 2005, 250, 251; OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07, NZG 2008, 753, 755; LG München I, Urt. v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06, ZIP 2008, 555, 560. 42) Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182, 186 f. 43) Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182, 186.
§ 292 Andere Unternehmensverträge (1) Unternehmensverträge sind ferner Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien 1. sich verpflichtet, ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen oder einzelner Betriebe an-
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§ 292
Andere Unternehmensverträge
derer Unternehmen zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen (Gewinngemeinschaft), 2. sich verpflichtet, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen (Teilgewinnabführungsvertrag), 3. den Betrieb ihres Unternehmens einem anderen verpachtet oder sonst überläßt (Betriebspachtvertrag, Betriebsüberlassungsvertrag). (2) Ein Vertrag über eine Gewinnbeteiligung mit Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat oder mit einzelnen Arbeitnehmern der Gesellschaft sowie eine Abrede über eine Gewinnbeteiligung im Rahmen von Verträgen des laufenden Geschäftsverkehrs oder Lizenzverträgen ist kein Teilgewinnabführungsvertrag. (3) 1Ein Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag und der Beschluß, durch den die Hauptversammlung dem Vertrag zugestimmt hat, sind nicht deshalb nichtig, weil der Vertrag gegen die §§ 57, 58 und 60 verstößt. 2Satz 1 schließt die Anfechtung des Beschlusses wegen dieses Verstoßes nicht aus. Literatur: Altmeppen, Zum richtigen Verständnis der neuen §§ 293a – 293g AktG, ZIP 1998, 1853; Apfelbacher, Zur Frage der Anwendbarkeit der gesetzlichen Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB und der gesetzlichen Abführungssperre des § 301 Satz 1 AktG auf Hybridkapital von Aktiengesellschaften, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 13; Huber, Betriebsführungsverträge zwischen konzernverbundenen Unternehmen, ZHR 152 (1988), 123; Huber, Betriebsführungsverträge zwischen selbständigen Unternehmen, ZHR 152 (1988), 1; Mühl/Wagenseil, Der Gewinnabführungsvertrag – gesellschafts- und steuerrechtliche Aspekte, NZG 2009, 1253; Neumayer/Imschweiler, Aktuelle Rechtsfragen zur Gestaltung und Durchführung von Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 2011, 57; Winter/Theisen, Betriebsführungsverträge in der Konzernpraxis, AG 2011, 662.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1) ........................... 1. Gemeinschaft ..................................... 2. Gewinn ............................................... 3. Aufteilung .......................................... 4. Rechtsnatur ........................................ 5. Unangemessene Aufteilungsschlüssel .............................................. III. Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2) ........................... 1. Gesetzliche Begriffsbildung .............. 2. Abgrenzung zum Gewinnabführungsvertrag ................ I.
1 3 3 4 5 6 7 8 8
3. Ausnahmen nach § 292 Abs. 2 ......... 15 IV. Betriebspachtvertrag, Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 3) .......................... 17 1. Begriff ................................................ 17 2. Betriebspachtvertrag ......................... 18 3. Betriebsüberlassungsvertrag ............ 20 V. Betriebsführungsvertrag ................. 23 1. Vorbemerkung .................................. 23 2. Begriff/Auftragsrecht ....................... 24 3. Anwendbarkeit des § 292 Abs. 1 Nr. 3 .................................................. 25
9
Überblick
1 § 292 beschäftigt sich – in Abgrenzung von den Unternehmensverträgen des § 291 – mit „anderen“ Unternehmensverträgen. Das Gesetz versteht darunter Verträge (Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1), Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2) sowie Betriebspachtvertrag und Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 3)), denen es einerseits ebenfalls Konzernbildungscharakter zumisst, bei denen es aber andererseits entscheidende Unterschiede zu den Unternehmensverträgen des § 291, also dem Beherrschungs- und dem Gewinnabführungsvertrag, gibt. So sind Beherrschungs- und Gewinn-
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Andere Unternehmensverträge
abführungsverträge vornehmlich Organisationsverträge und greifen in die Verfassung der abhängigen Gesellschaft ein. Dagegen haben die Unternehmensvertragtypen des § 292 Abs. 1 nur schuldrechtliche Bedeutung. So gibt es bei ihnen kein Weisungsrecht wie bei den Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, § 308 ist auf andere Unternehmensverträge nicht anwendbar. Ferner werden die Kapitalerhaltungsvorschriften nicht wie nach § 291 Abs. 3 gelockert. Und schließlich muss bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292 – in scharfem Gegensatz zu § 291 – die Gesellschaft jeweils für ihre vertragstypische Leistung ein angemessenes Entgelt erhalten.1) Auf der anderen Seite haben die anderen Unternehmensverträge erhebliche wirtschaft- 2 liche Bedeutung für die Gesellschaft. Daher hat sich der Gesetzgeber zur Einordnung als Unternehmensverträge entschlossen. Maßgebende Rechtsfolge dieser Einordnung ist, dass die §§ 293 ff. mit ihren besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Unternehmensverträgen gelten. Das dient nicht zuletzt der sprachlichen und gesetzessystematischen Vereinfachung. Über den Sammelbegriff des Unternehmensvertrages wird ein Strauß von Verträgen unterschiedlichen Inhalts und unterschiedlicher Natur demselben Kernbestand an gesetzlichen Regelungen unterstellt. II.
Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1)
1.
Gemeinschaft
Eine Gewinngemeinschaft liegt vor, wenn sich eine AG oder KGaA verpflichtet, ihren 3 Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen oder einzelner Betriebe anderer Unternehmen zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen (§ 292 Abs. 1 Nr. 1). Vertragsgegenstand ist also, dass zunächst eine Art „Gewinnpool“ gebildet und dieser sodann nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel an die Mitglieder der Gewinngemeinschaft ausgekehrt wird. 2.
Gewinn
Mit Gewinn ist nicht der Gewinn aus einzelnen Geschäften gemeint, sondern nur der 4 periodisch ermittelte Gewinn.2) Das Erfordernis eines periodisch zu ermittelnden Gewinns ist dabei erfüllt, wenn der Vertrag an den Bilanzgewinn oder den Jahresüberschuss anknüpft. Daraus folgt, dass nur die auf längere Frist geschlossene Abrede zur Gewinnpoolung eine Gewinngemeinschaft i. S. von § 292 Abs. 1 Nr. 1 sein kann. Verabreden sich mehrere zur Vornahme eines einzelnen Geschäftes und zur Teilung der daraus erzielten Gewinne (wie etwa bei Konsortialgeschäften), so bilden sie keine Gewinngemeinschaft i. S. des § 292 Abs. 1 Nr. 1. Die Gewinngemeinschaft des § 292 Abs. 1 Nr. 1 kann mit einer entsprechend verabredeten Verlustgemeinschaft zu einer erweiterten Ergebnisgemeinschaft verbunden werden.3) Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist indes bei isolierten Verlustgemeinschaften verlassen.4) 3.
Aufteilung
Der Vertrag muss vorsehen, dass der zunächst zusammengelegte, näher spezifizierte Ge- 5 winn unter die Teilnehmer an der Gewinngemeinschaft aufgeteilt wird. Das bedeutet, dass die einzelnen Teile tatsächlich an die Teilnehmer ausgekehrt werden müssen. Es _____________ 1) 2) 3) 4)
Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1854. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 292 Rz. 16. Hüffer, AktG, § 292 Rz. 7. Hüffer, AktG, § 292 Rz. 7 m. w. N.
Klaus J. Müller
1399
§ 292
Andere Unternehmensverträge
reicht nicht aus, wenn mit den Geldern gemeinsame Vorhaben finanziert werden. Wenn es an der Aufteilung fehlt, ist der Vertrag kein Unternehmensvertrag i. S. des § 292 Abs. 1 Nr. 1.5) Der Vertrag muss daher zwingend einen Verteilungsschlüssel für die Aufteilung festlegen. Das ist ein wesentlicher Vertragsbestandteil. Fehlt er, ist der Vertrag mangels Einigung über die essentialia negotii nicht zustande gekommen. Eine Ausnahme mag lediglich dann gelten, wenn aus dem ganzen Vertragsaufbau und dem Umfang der einzelnen Gewinnbeiträge ersichtlich und somit durch Auslegung ermittelbar sein sollte, dass die Aufteilung nach Köpfen erfolgen soll. 4.
Rechtsnatur
6 Die Mitglieder der Gewinngemeinschaft schließen durch die vorgestellte Abrede in der Regel einen Gesellschaftsvertrag und rufen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ins Leben. Organisationscharakter hat der Vertrag – im Gegensatz zu den Unternehmensverträgen des § 291 – nicht. 5.
Unangemessene Aufteilungsschlüssel
7 Bei untereinander verbundenen Gesellschaften, die vertragsschließende Partner einer Gewinngemeinschaft sind, mag es zu der Vereinbarung von unangemessenen Aufteilungsschlüsseln kommen. Dies kann dazu führen, dass einer der Teilnehmer deutlich mehr bei der Aufteilung erhält, als er vorher bei der Zusammenlegung der Gewinne eingebracht hat, und dies regelmäßig und vorhersehbar. Ist der begünstigte Teilnehmer Aktionär der benachteiligten Teilnehmer-Gesellschaft, greifen die – einem derartigen Konstrukt entgegenstehenden – Kapitalerhaltungsvorschriften ein. Anders als bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen ist bei der Gewinngemeinschaft insoweit keine Lockerung vorgesehen. Es gibt für die Gewinngemeinschaft keine dem § 291 Abs. 3 entsprechende Vorschrift. Daher wäre in einem solchen Fall die Gewinngemeinschaft wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB nichtig; das gleiche gilt für den zustimmenden Beschluss der Hauptversammlung nach § 241 Nr. 3.6) III.
Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2)
1.
Gesetzliche Begriffsbildung
8 Durch den Teilgewinnabführungsvertrag verpflichtet sich eine AG oder KGaA, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen (§ 292 Abs. 1 Nr. 2). Das Gesetz stellt zunächst in § 292 Abs. 2 klar, dass ein Vertrag mit Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern oder mit einzelnen Arbeitnehmern über eine Gewinnbeteiligung sowie überhaupt Gewinnbeteiligungsabreden in Verträgen des täglichen Geschäfts oder in Lizenzverträgen kein Teilgewinnabführungsvertrag i. S. des § 292 Abs. 1 Nr. 2 ist. 2.
Abgrenzung zum Gewinnabführungsvertrag
9 Nach h. M. bedeutet „Gewinn“ i. S. des § 292 Abs. 1 Nr. 2 dasselbe wie bei der Gewinngemeinschaft nach § 292 Abs. 1 Nr. 1.7) Ein Vertrag über die Abführung von Gewinn ist immer dann Teilgewinnabführungsvertrag i. S. des § 292 Abs. 1 Nr. 2 und nicht Gewinnabführungsvertrag i. S. von § 291 Abs. 1 Satz 1, wenn der gewinnabführungsverpflichteten _____________ 5) 6) 7)
Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 292 Rz. 19. Hüffer, AktG, § 292 Rz. 11 m. w. N. zu dieser h. M.; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 292 Rz. 30 (Vertragsanpassung). Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 25 m. w. N.
1400
Klaus J. Müller
§ 292
Andere Unternehmensverträge
Gesellschaft noch ein Teil ihres Gewinns oder der Gewinn eines einzelnen Betriebes verbleibt. Denn ein Gewinnabführungsvertrag i. S. des § 291 Abs. 1 Satz 1 liegt nur dann vor, wenn der „ganze“ Gewinn abzuführen ist. Das ist auch dann nicht der Fall, wenn der Vertrag nur „fast den gesamten Gewinn“ der Gesellschaft betrifft. Eine Untergrenze für den abzuführenden Gewinn besteht nach dem Gesetz jedenfalls nicht; ein Teilgewinnabführungsvertrag liegt daher immer dann vor, wenn der Gesellschaft nach dem Vertrag noch ein (beliebig kleiner) Teil ihres Gewinns verbleibt.8) Somit betrifft auch der Teilgewinnabführungsvertrag, und das unter Umständen erheblich 10 oder sogar mit (fast) gleicher Intensität, das Gewinnverwendungsrecht der Aktionäre nach § 174. Für die Aktionäre spielt es kaum eine Rolle, ob ihre Gesellschaft 100 % des Gewinns abführen soll oder „nur“ 99 %. Daher bindet das Gesetz durch die Einordnung des Teilgewinnabführungsvertrages als Unternehmensvertrag auch den Abschluss dieses Vertrages an die Zustimmung der Hauptversammlung und die weiteren Voraussetzungen der §§ 293 ff. Aus dieser Schutzrichtung wird klar, dass es für das Eingreifen von § 292 Abs. 1 Nr. 2 nicht auf die Bezeichnung des Vertrages ankommt, sondern darauf, ob der Vertrag der Sache nach auf die Abführung eines Teils des Gewinns der Gesellschaft hinausläuft. Ist das der Fall, liegt ein Teilgewinnabführungsvertrag ohne Rücksicht auf seine Bezeichnung vor.9) Die Ausnahmen sind in § 292 Abs. 2 geregelt. Ein praktischer Anwendungsfall für den Teilgewinnabführungsvertrag sind stille Gesell- 11 schaften mit einer AG (oder einer KGaA).10) Weitere Beispiele sind Genussrechtsverträge über die quotale Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft,11) Miet- und Pachtverträge mit einer AG oder KGaA oder partiarische Darlehen sowie überhaupt alle Verträge, in denen eine Gewinnbeteiligung des Vertragspartners vorgesehen ist (ausgenommen die in Absatz 2 genannten Verträge). Kein Teilgewinnabführungsvertrag liegt demgegenüber vor, wenn ein Darlehen mit auflösend bedingtem (durch die Erwirtschaftung entsprechender Beträge) Rückzahlungsverzicht gewährt wird.12) Durch die Formulierung des Gesetzes wird deutlich, dass es, anders als bei § 291, bei den 12 anderen Unternehmensverträgen des § 292 Abs. 1 Nr. 2 und 3 nicht auf die Unternehmenseigenschaft des anderen Vertragsteils ankommt. Das Gesetz spricht lediglich von „einem anderen“. Auch die Ausnahmetatbestände des § 292 Abs. 2 wären, käme es auf die Unternehmenseigenschaft des anderen Vertragsteils an, überflüssig. Denn die dort genannten Personen sind keine Unternehmen. Neben der für alle Unternehmensverträge geltenden §§ 293 – 299 gibt es Sondervorschrif- 13 ten für den Teilgewinnabführungsvertrag in § 300 Nr. 2 (Rücklagenbildung) und § 301. Steuerrechtlich führt der Teilgewinnabführungsvertrag nicht (mehr) in die Organschaft.13) Bei der GmbH als i. R. einer stillen Beteiligung teilgewinnabführungsverpflichteter Ge- 14 sellschaft soll der Teilgewinnabführungsvertrag nach überwiegender Meinung nicht in das Handelsregister eingetragen werden müssen und dürfen.14)
_____________ 8) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 24a. 9) OLG München, Beschl. v. 29.10.2008 – 31 Wx 92/07, NZG 2009, 38, 39 = ZIP 2009, 318. 10) BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 50/11, AG 2013, 92, 93 m. w. N. = ZIP 2013, 19; Apfelbacher in: FS Hoffmann-Becking, S. 13, 16; Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253; s. dazu ausführlich Emmerich/ Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 29 ff., auch zur Abgrenzung vom Beherrschungsvertrag. 11) Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253. 12) OLG München, Beschl. v. 29.10.2008 – 31 Wx 92/07, NZG 2009, 38 = ZIP 2009, 318. 13) Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57. 14) OLG München, Beschl. v. 17.3.2011 – 31 Wx 68/11, DNotZ 2011, 949, 951 m. w. N = ZIP 2011, 811.
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1401
§ 292 3.
Andere Unternehmensverträge Ausnahmen nach § 292 Abs. 2
15 Zu den Ausnahmen nach § 292 Abs. 2: § 87 Abs. 1 Satz 1, Satz 3, erwähnt Gewinnbeteiligungen als Bestandteil der Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds. Gleiches gilt für die Aufsichtsratsmitglieder (§ 113 Abs. 3) und für Bonus- oder Tantiemeregelungen mit einzelnen Arbeitnehmern, die eine Gewinnbeteiligung vorsehen. Solche Abreden sind also möglich, ohne dass die Hauptversammlung zustimmen muss. Anderes gilt, wenn diese Gewinnbeteiligungsverträge nicht mit einzelnen Personen, sondern etwa mit allen Arbeitnehmern der Gesellschaft oder mit nach allgemeinen Merkmalen näher eingegrenzten Gruppen von Arbeitnehmern abgeschlossen werden sollen. Dann geht es nicht mehr um Verträge mit Einzelnen, so dass derartige Vereinbarungen als Teilgewinnabführungsverträge i. S. von § 292 Abs. 1 Nr. 2 einzuordnen sind.15) Das gilt dann folglich auch für Betriebsvereinbarungen.16) 16 Der Begriff des laufenden Geschäftsverkehrs in § 292 Abs. 2 wird hier ebenso wie in § 116 Abs. 1 HGB verstanden, so dass unter § 292 Abs. 2 nur für die Gesellschaft typische Verträge fallen.17) Beispiele für Verträge des laufenden Geschäftsverkehrs können etwa die oben schon genannten partiarischen Darlehen oder partiarischen Mietverträge sein. IV.
Betriebspachtvertrag, Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 3)
1.
Begriff
17 Mit Betriebspachtverträgen und Betriebsüberlassungsverträgen verpflichtet sich die Gesellschaft zwar nicht, ihren Gewinn abzuführen oder sich den Weisungen eines anderen Unternehmens zu unterwerfen. Doch ist dies nur eine formale Sicht. Denn der Sache nach kann es durch diese Verträge nicht nur zu Konzernierungen, sondern fast ebenso wie durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nahezu zur „Eingliederung“ in den Konzern des herrschenden Unternehmens kommen.18) Denn die Kompetenzen des Vorstandes der Gesellschaft werden im Grunde auf die Entscheidung darüber reduziert, was mit der erzielten Pacht oder dem Überlassungsentgelt anzufangen ist (Herabstufung der Gesellschaft zur „Rentnergesellschaft“).19) Das kommt faktisch fast einer Änderung des Unternehmensgegenstandes gleich. Jedenfalls verändert es die abhängige Gesellschaft strukturell stark. Insoweit werden Betriebspachtverträge und Betriebsüberlassungsverträge überwiegend als Organisationsverträge eingeordnet.20) Zwar sieht das Gesetz auch hier – wie bei den übrigen „anderen Unternehmensverträgen“ des § 292 – im Regelfall bloße schuldrechtliche Austauschverträge. Doch hat es die Eignung der Betriebspachtverträge und Betriebsüberlassungsverträge zu strukturverändernder Qualität erkannt und sieht deshalb in § 302 Abs. 2 zum Schutz der Gläubiger und außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft vor, dass eine Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens im Hinblick auf Jahresfehlbeträge auch beim Betriebspachtvertrag und beim Betriebsüberlassungsvertrag besteht, wenn diese Verträge in Abhängigkeitsverhältnissen abgeschlossen worden sind und soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht.
_____________ 15) 16) 17) 18) 19) 20)
Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 34. K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 292 Rz. 48. KG, Urt. v. 15.3.1999 – 8 U 4630/98, AG 2000, 183, 184. K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 292 Rz. 29. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 39. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 39; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 292 Rz. 29; OLG Hamburg, Urt. v. 29.10.1999 – 11 U 45/99, AG 2001, 91, 92.
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Klaus J. Müller
§ 292
Andere Unternehmensverträge 2.
Betriebspachtvertrag
Eine eigentliche Definition des Betriebspachtvertrages enthält das Gesetz nicht. Aus 18 § 302 Abs. 2 lässt sich allerdings der Rückschluss ziehen, dass es sich entsprechend dem Begriff „Pacht“ um einen entgeltlichen Vertrag handeln und dieses Entgelt auch im Regelfall angemessen sein muss. Zurückgreifen lässt sich auf die Regelung der Pacht in §§ 581 ff. BGB. Verpächterin muss eine AG oder eine KGaA sein. Pächter kann jedermann sein. Der Wortlaut verlangt noch nicht einmal Unternehmenseigenschaft. Spätestens durch den Betrieb des Unternehmens der Verpächter-Gesellschaft im eigenen Namen und für eigene Rechnung wird der Pächter indes zum Unternehmen i. S. des § 15. Gegenstand des Vertrages ist die entgeltliche Überlassung des gesamten Betriebes mit allen Anlagen an den Pächter, der auf dieser Grundlage den Betrieb im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiterführt. Die Verpächtergesellschaft beschränkt sich dagegen auf die Vereinnahmung der Pacht und auf die Verwaltung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.21) Arbeitsverhältnisse gehen in der Regel nach § 613a BGB auf den Pächter über.22) Kein Betriebspachtvertrag i. S. des § 292 Abs. 1 Nr. 3 ist es, wenn die Gesellschaft ledig- 19 lich einzelne Betriebe verpachtet und andere noch selbst weiter betreibt. Dann handelt es sich nicht mehr um eine Verpachtung des „Betriebs ihres Unternehmens“.23) 3.
Betriebsüberlassungsvertrag
Beim Betriebspachtvertrag führt der Pächter den ihm überlassenen Betrieb im eigenen 20 Namen und für eigene Rechnung weiter. Dagegen wird beim Betriebsüberlassungsvertrag (der im Gesetz ebenfalls nicht definiert ist) der „Übernehmer“ zwar auf eigene Rechnung, aber nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der überlassenden Gesellschaft tätig. Dazu stellt ihm die überlassende Gesellschaft in der Regel eine Generalvollmacht, eine Generalhandlungsvollmacht oder eine Prokura aus. Wie beim Betriebspachtvertrag geht das Gesetz auch hier davon aus, dass es sich bei dem Betriebsüberlassungsvertrag um einen entgeltlichen Vertrag handelt (arg. § 302 Abs. 2). Vom Betriebsführungsvertrag unterscheidet sich der Betriebsüberlassungsvertrag vor allem dadurch, dass der Übernehmer auf eigene Rechnung handelt, während der Übernehmer beim Betriebsführungsvertrag für Rechnung der überlassenden Gesellschaft tätig wird. Als Maßstab für die Angemessenheit des Entgelts bei dem Betriebsüberlassungsvertrag 21 sowie beim Betriebspachtvertrag kann die bisherige Ertragslage der Gesellschaft herangezogen werden; freilich ist auch darauf zu achten, dass der Ertragswert des Unternehmens langfristig erhalten bleibt.24) Dagegen wenden manche ein, sie könnten nicht erkennen, was die Ertragslage einer Gesellschaft mit der Angemessenheit einer Gegenleistung in einem Austauschvertrag zu tun habe.25) Indes, da es um die Verpachtung des ganzen Unternehmens geht, ist dessen Ertragslage sehr wohl ein Indikator für die Frage, wie eine Pacht zu bemessen ist. Für ein gut aufgestelltes Unternehmen mit hohem Ertrag, das der Pächter sowie der Übernehmer beim Betriebsüberlassungsvertrag auf eigene Rechnung führt, wird er mehr an Pacht bzw. Entgelt zu zahlen haben als für ein Unternehmen, das gerade einmal schwarze Zahlen schreibt. Ist die vereinbarte Gegenleistung unangemessen, kommen Ansprüche gegen das herr- 22 schende Unternehmen auf Nachteilsausgleich oder Schadensersatz aus den §§ 311, 317 _____________ 21) 22) 23) 24) 25)
OLG Hamburg, Urt. v. 29.10.1999 – 11 U 45/99, AG 2001, 91, 93. K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 292 Rz. 31. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 40a. Hüffer, AktG, § 292 Rz. 25. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 49.
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§ 292
Andere Unternehmensverträge
sowie Schadensersatzansprüche gegen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder nach §§ 93, 116 in Betracht. Nur in Ausnahmefällen dürfte der Vertrag dagegen wegen der Unangemessenheit nichtig sein. Anders verhält es sich nur, wenn der Vertrag mit einem Aktionär abgeschlossen worden ist. Dann greift das Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen aufgrund der §§ 57, 58 und 60 ein. Zwar befreit § 292 Abs. 3 den Vertrag und den Zustimmungsbeschluss von der automatisch eintretenden Nichtigkeit. Dafür wird aber die Anfechtbarkeit des Beschlusses nicht ausgeschlossen. Bei erfolgreicher Anfechtung kann also der Vertrag nichtig werden. V.
Betriebsführungsvertrag
1.
Vorbemerkung
23 Ein „Betriebsführungsvertrag“ wird in § 292 an sich nicht angesprochen. Von der reinen Bezeichnung her mag man zunächst auch eher an eine Verwandtschaft mit dem in § 291 Abs. 1 Satz 2 aufgeführten Geschäftsführungsvertrag denken (immerhin heißt es dort, dass das Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens „geführt“ wird). Doch besteht der Unterschied darin, dass die AG es beim Geschäftsführungsvertrag des § 291 Abs. 1 Satz 2 unternimmt, ihr Unternehmen zwar für Rechnung eines Dritten, aber immer noch selbst und im eigenen Namen zu führen. Dagegen lässt das Unternehmen (das Eigentümerunternehmen) beim Betriebsführungsvertrag den Geschäftsbetrieb durch einen anderen, den Betriebsführer, im Namen und für Rechnung des Eigentümerunternehmens führen.26) Anders liegt es beim unechten Betriebsführungsvertrag, bei dem der Betriebsführer zwar für Rechnung des Eigentümers, aber im eigenen Namen tätig wird.27) (Echte) Betriebsführungsverträge werden häufig auch als Managementverträge bezeichnet, weil sie der Sache nach darauf hinauslaufen, Managementdienstleistungen „einzukaufen“.28) An diesen Unterschieden zum Geschäftsführungsvertrag mag es liegen, dass statt der entsprechenden Heranziehung der Bestimmungen über den Geschäftsführungsvertrag eher diskutiert wird, § 292 Abs. 1 Nr. 3 analog auf den Betriebsführungsvertrag anzuwenden (siehe näher sogleich unten). 2.
Begriff/Auftragsrecht
24 Bei einem Betriebsführungsvertrag beauftragt die Eigentümergesellschaft einen Dritten, den Betriebsführer, dazu, ihr Unternehmen auf ihre Rechnung und in ihrem Namen zu führen.29) Im Grundsatz ist das Auftragsrecht des BGB auf diesen Vertrag anzuwenden, wenn der Betriebsführungsvertrag unentgeltlich abgeschlossen wird (§§ 662 ff. BGB). Bei entgeltlichem Abschluss liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter vor (§§ 675 Abs. 1, 611 BGB).30) So hat etwa der Betriebsführer für die von ihm bei der Betriebsführung getätigten Aufwendungen einen Ersatzanspruch und für die eingegangenen Verbindlichkeiten einen Freistellungsanspruch gegen die Eigentümergesellschaft (§ 670 BGB).31)
_____________ Huber, ZHR 152 (1988), 123, 124. Huber, ZHR 152 (1988), 123, 124. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 55. Bsp. in OLG München, Urt. v. 7.3.1986 – 23 U 1936/82 (Holiday Inn II), AG 1987, 380. Speziell zu Fallgestaltungen, in denen die Betriebsführerin eine verbundene Gesellschaft ist: Winter/Theisen, AG 2011, 662, 663. 30) OLG München, Urt. v. 7.3.1986 – 23 U 1936/82, ZIP 1987, 849, 852. 31) Huber, ZHR 152 (1988), 123, 155.
26) 27) 28) 29)
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Klaus J. Müller
§ 293
Zustimmung der Hauptversammlung 3.
Anwendbarkeit des § 292 Abs. 1 Nr. 3
In der Literatur wird zum Schutz der Aktionäre überwiegend die entsprechende An- 25 wendbarkeit von § 292 Abs. 1 Nr. 3 auf den Betriebsführungsvertrag vertreten, auch wenn dieser unentgeltlich abgeschlossen wird.32) Abgesehen von dem zutreffenden Schutzgedanken lässt sich das auch dadurch stützen, dass auch die Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge ein Tätigkeitsmoment jedenfalls insoweit aufweisen, als der Betriebspächter das ihm überlassene Unternehmen sodann führt. Jedenfalls bleibt die entsprechende Anwendung von (lediglich) § 292 Abs. 1 Nr. 3 so lange richtig, wie die Eigentümergesellschaft noch über ihr Weisungsrecht (§ 665 BGB) gegenüber dem Betriebsführer sicherstellen kann, dass sie selbst durch ihren eigenen Vorstand die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft (§ 76) wahrnimmt. Das ist dann der Fall, wenn der Vorstand der Eigentümergesellschaft noch die grundsätzlichen Entscheidungen trifft, der Betriebsführer dagegen (nur) mit der laufenden Geschäftsführung betraut ist. Wird dagegen das Weisungsrecht aus § 665 im Betriebsführungsvertrag so eingeschränkt, dass von einer eigenverantwortlichen Leitung i. S. des § 76 durch die Eigentümergesellschaft nicht mehr die Rede sein kann oder bekommt der Betriebsführer anderweitig eine so starke Stellung eingeräumt, dass sie beherrschungsvertragsähnlich wird, wird man eher die für den Beherrschungsvertrag geltenden Regeln anzuwenden haben.33) _____________ 32) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 58. Anders aber Winter/Theisen, AG 2011, 662, 667, die den Betriebsführungsvertrag im Regelfall als Geschäftsbesorgungsvertrag i. S. des § 675 BGB einordnen. Freilich empfehlen auch sie, „vorsorglich“ die Zustimmung der Gesellschaft einzuholen. 33) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 292 AktG Rz. 57 ff. und 60 ff.; s. a. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 292 Rz ff.
Zweiter Abschnitt Abschluß, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen § 293 Zustimmung der Hauptversammlung (1) 1Ein Unternehmensvertrag wird nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam. 2Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. 3Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. 4Auf den Beschluß sind die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden. (2) 1Ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag wird, wenn der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, nur wirksam, wenn auch die Hauptversammlung dieser Gesellschaft zustimmt. 2Für den Beschluß gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 sinngemäß. (3) Der Vertrag bedarf der schriftlichen Form. Literatur: Beuthien/Müller, Gemischte Gesamtvertretung und unechte Gesamtprokura, DB 1995, 461; Veith/Schmid, Abschluss und Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Konzern, DB 2012, 728.
Klaus J. Müller
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§ 293
Zustimmung der Hauptversammlung Übersicht
I. Überblick ........................................... 1 II. Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der Untergesellschaft ....................... 2 1. Unternehmensvertrag ....................... 2 2. Hauptversammlung der verpflichteten Gesellschaft ................ 3 3. Zustimmung ....................................... 4 4. Beschlussinhalt ................................... 5 5. Mehrheitserfordernis ......................... 6 6. Kein Stimmrechtsausschluss des Mehrheitsaktionärs ..................... 7 7. Beschlusswirkungen .......................... 8 8. Beschlussmängel .............................. 11 I.
III. Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der Obergesellschaft (§ 293 Abs. 2) .............. 12 1. Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag ................................ 12 2. Entsprechende Anwendung des § 293 Abs. 1 ................................ 13 IV. Zustimmungsbeschluss bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen ................................... 14 V. Schriftlicher Vertragsabschluss (§ 293 Abs. 3) ................................... 16 1. Vertragsabschluss ............................. 16 2. Vertretung durch den Vorstand ...... 17 3. Schriftform ........................................ 19
Überblick
1 § 293 sowie die sich anschließenden §§ 293a – 293g regeln die Abschlussvoraussetzungen für Unternehmensverträge. Ergänzt werden sie durch § 294, der als weitere Wirksamkeitsvoraussetzung vorsieht, dass der Unternehmensvertrag in das Handelsregister eingetragen werden muss. Neben einigen wenigen Anforderungen an den Unternehmensvertrag selbst steht im Vordergrund der Vorschriften, Aktionäre der abhängigen Gesellschaft einzubinden. Ausgangspunkt der gesetzgeberischen Entscheidung, stets einen Hauptversammlungsbeschluss der Aktionäre der abhängigen Gesellschaft zu verlangen, ist die Erkenntnis, dass Unternehmensverträge zu bedeutsam sind, um sie der alleinigen Abschlusskompetenz des Vorstandes zu unterstellen. Bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen treten die erheblichen Verpflichtungen und Risiken für das herrschende bzw. gewinnabführungsberechtigte Unternehmen (Ausgleichs- und Abfindungszahlungen, Verlustübernahmepflicht, §§ 302, 304, 305) hinzu. Daher verlangt Absatz 2 hier zusätzlich auch noch die Zustimmung durch die Aktionäre der herrschenden bzw. gewinnabführungsberechtigten AG oder KGaA. II.
Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der Untergesellschaft
1.
Unternehmensvertrag
2 Ein Unternehmensvertrag wird nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam (§ 293 Abs. 1 Satz 1). Das gilt für alle Unternehmensverträge, also sowohl für die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge (§ 291) als auch für andere Unternehmensverträge (§ 292). 2.
Hauptversammlung der verpflichteten Gesellschaft
3 Das Gesetz spricht nur von „Zustimmung der Hauptversammlung“ (§ 293 Abs. 1 Satz 1). Gemeint ist die Hauptversammlung der Gesellschaft, welche die vertragstypische Leistung unter dem betreffenden Unternehmensvertrag erbringt.1) Bei Gewinnabführungsverträgen ist also etwa die Hauptversammlung der Gesellschaft aufgerufen, welche den Gewinn abzuführen hat, bei Betriebsüberlassungsverträgen die Gesellschaft, die den Betrieb ihres Unternehmens einem anderen überlässt. Bei der Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1) müssen dagegen schon nach § 293 Abs. 1 Satz 1 die Hauptversammlungen aller an _____________ 1)
Hüffer, AktG, § 293 Rz. 3.
1406
Klaus J. Müller
§ 293
Zustimmung der Hauptversammlung
der Gewinngemeinschaft beteiligten Gesellschaften zustimmen, weil bei der Gewinngemeinschaft jede teilnehmende Gesellschaft vertragstypische Leistungen (Einbringung des ganzen Gewinns oder eines Anteils) schuldet.2) 3.
Zustimmung
§ 293 Abs. 1 Satz 1 spricht von „Zustimmung“. Nach dem Sprachgebrauch des BGB um- 4 fasst das sowohl die Einwilligung (vorherige Zustimmung) als auch die Genehmigung (nachträgliche Zustimmung), §§ 183, 184 BGB. Der Zustimmungsbeschluss kann also dem Abschluss des Unternehmensvertrages vorangehen oder ihm nachfolgen.3) Wenn nach Einholung der vorherigen Zustimmung (Einwilligung) der Entwurf des Unternehmensvertrages noch einmal geändert wird, ist ein neuer Hauptversammlungsbeschluss erforderlich.4) 4.
Beschlussinhalt
Die Hauptversammlung muss dem gesamten Inhalt des Vertragswerkes zustimmen. Das 5 gilt auch dann, wenn neben einem Kern-Unternehmensvertrag weitere Vereinbarungen getroffen wurden oder getroffen werden sollen, die zusammen mit dem Unternehmensvertrag ein einheitliches Geschäft bilden. In diesem Fall müssen sämtliche (Teil-)Verträge der Hauptversammlung zur Beschlussfassung und Zustimmung vorgelegt werden.5) Werden der Hauptversammlung einzelne Vertragsteile nicht vorgelegt, so sind diese unwirksam. Nach § 139 BGB (Teilnichtigkeit) erfasst das im Regelfall das gesamte Vertragswerk. 5.
Mehrheitserfordernis
Wenn in der Satzung nichts anderes geregelt ist, bedarf der zustimmende Beschluss der 6 Hauptversammlung zunächst der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit) nach § 133 Abs. 1. Darüber hinaus verlangt § 293 Abs. 1 Satz 2 eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. § 293 Abs. 1 Satz 3 sieht vor, dass die Satzung diese Mehrheitsanforderungen verschärfen, aber nicht erleichtern kann. Bei einer GmbH als beherrschter Gesellschaft verlangt die überwiegende Meinung einen einstimmigen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter der beherrschten GmbH.6) 6.
Kein Stimmrechtsausschluss des Mehrheitsaktionärs
Für den Mehrheitsaktionär, der als herrschendes Unternehmen selbst Partei des Unterneh- 7 mensvertrages ist, besteht kein Stimmrechtsausschluss.7) Die allgemeinen Ausschlusskriterien des § 136 sind bei der Abstimmung über den Abschluss eines Unternehmensvertrages nicht erfüllt.8) Der Mehrheitsaktionär kann den zustimmenden Beschluss also auch allein mit seinen Stimmen zustande bringen, wenn er über die erforderliche Mehrheit von drei Vierteln bei der Beschlussfassung verfügt. _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Hüffer, AktG, § 293 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 293 Rz. 23 m. w. N. Hüffer, AktG, § 293 Rz. 4. BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80, BGHZ 82, 188, 196 = ZIP 1982, 172. Veith/Schmid, DB 2012, 728, 730 m. w. N., insbesondere in Fn. 17. BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 109/10, ZIP 2011, 1465 = DB 2011, 1682, s. dazu Müller, FAZ v. 21.9.2011, S. 21. Hüffer, AktG, § 293 Rz. 9.
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§ 293 7.
Zustimmung der Hauptversammlung Beschlusswirkungen
8 Die Zustimmung der Hauptversammlung ist für den wirksamen Abschluss des Unternehmensvertrages zwingend erforderlich. Mit Eintragung in das Handelsregister (§ 294) wird der Unternehmensvertrag endgültig wirksam. Dagegen wird der Unternehmensvertrag endgültig unwirksam, wenn die Hauptversammlung ihre Zustimmung versagt. Solange die Hauptversammlung noch nicht über die Zustimmung beschlossen hat, ist der Unternehmensvertrag schwebend unwirksam. 9 Bei Beschlussfassung nur zu Teilen des Unternehmensvertrages, etwa weil das Vertragswerk der Versammlung nicht vollständig vorgelegt wurde, werden nur diejenigen Vertragsteile von der Zustimmung erfasst, die der Hauptversammlung vorgelegen und tatsächlich ihre Zustimmung erfahren haben. Auf den übrigen Vertragsinhalt ist § 139 BGB anzuwenden. Im Zweifel wird danach der Vertrag insgesamt nicht wirksam. 10 Ein Beschluss der Hauptversammlung, in dem diese dem Vertrag nur unter Änderung des Vertragstextes zustimmt, ist eine Ablehnung des Vertrages; der Zustimmungsbeschluss kann die Wirksamkeit des Vertrages mit dem neuen Wortlaut nicht herbeiführen. Denn es fällt allein in die Kompetenz des Vorstandes, den Vertragsinhalt zu bestimmen. Die Hauptversammlung kann nur zustimmen oder ablehnen. Der Vorstand muss in einem solchen Fall einen neuen Beschlussvorschlag mit einem entsprechend geänderten Unternehmensvertrag erstellen.9) 8.
Beschlussmängel
11 Im Prinzip gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 241 ff. Beim Unternehmensvertrag anfechtbar ist der Zustimmungsbeschluss insbesondere dann, wenn die Informations- oder Auskunftspflichten aus §§ 293f, 293g verletzt wurden. Fehlt eine Ausgleichsregelung in einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und stimmt ihm die Hauptversammlung gleichwohl zu, so sind Vertrag und Beschluss nichtig (§§ 304 Abs. 3 Satz 1, 241 Nr. 3). Dagegen begründet eine (lediglich) unangemessene Ausgleichsregelung keine Anfechtbarkeit. Hier ist das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz eröffnet (§ 304 Abs. 3 Satz 3, § 1 Nr. 1 SpruchG). Gleiches gilt für fehlende oder unangemessene Abfindungsregelungen (§ 305 Abs. 5 Satz 1, Satz 2). III.
Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der Obergesellschaft (§ 293 Abs. 2)
1.
Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag
12 Geht es um einen Beherrschungs- oder einen Gewinnabführungsvertrag und ist das herrschende bzw. gewinnabführungsberechtigte Unternehmen eine AG oder KGaA, so muss auch die Hauptversammlung dieser Obergesellschaft (anderer Vertragsteil) zustimmen (§ 293 Abs. 2 Satz 1). Grund für diese erweiterte Zustimmungsbedürftigkeit ist, dass sich die Obergesellschaft durch den Vertrag erheblichen Verpflichtungen und Risiken ausgesetzt sieht (§§ 302, 304, 305). Das Zustimmungserfordernis des § 293 Abs. 2 Satz 1 gilt auch dann, wenn die Obergesellschaft keine außenstehenden Aktionäre hat.10) 2.
Entsprechende Anwendung des § 293 Abs. 1
13 Für den Beschluss der Obergesellschaft bei einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag gelten die Bestimmungen in § 293 Abs. 1 Satz 2 bis 4 sinngemäß (§ 293 Abs. 2 Satz 2). Auf die entsprechenden Ausführungen dazu oben unter Rz. 2 ff. wird verwiesen. _____________ 9) Hüffer, AktG, § 293 Rz. 13. 10) BGH, Beschl. v. 24.10.1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 325, 335 = ZIP 1989, 29.
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§ 293
Zustimmung der Hauptversammlung IV.
Zustimmungsbeschluss bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen
Bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen kann es sinnvoll sein, Beherrschungs- und/ 14 oder Gewinnabführungsverträge zwischen Mutter und Tochter einerseits sowie zwischen Tochter und Enkelin andererseits zu schließen. Wenn zwischen Mutter und Tochter ein derartiger Vertrag abgeschlossen werden soll, und bereits ein Unternehmensvertrag zwischen der Tochter und der Enkelin besteht, so deckt der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der Mutter zum Unternehmensvertrag mit der Tochter auch deren Vertrag mit der Enkelin ab.11) Streitig ist die Rechtslage in der umgekehrten Situation, also wenn bereits ein Vertrag zwischen Mutter und Tochter besteht und jetzt ein Vertrag zwischen Tochter und Enkelin geschlossen werden soll. Viele nehmen an, dass bei einem bereits bestehenden Vertrag zwischen Mutter und Tochter die Hauptversammlung der Mutter zur Zustimmung entsprechend § 293 Abs. 2 aufgerufen ist, wenn ein Unternehmensvertrag zwischen Tochter und Enkelin geschlossen werden soll.12) Das ist jedoch so dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr würde das eine Art „Zustimmungsdurchgriff“ bedeuten, für den zwingende Gründe nicht ersichtlich sind.13) Schließt die Mutter selbst einen Unternehmensvertrag mit der Enkelin, muss die Hauptver- 15 sammlung der Tochter nicht zustimmen.14) V.
Schriftlicher Vertragsabschluss (§ 293 Abs. 3)
1.
Vertragsabschluss
Außer der Anordnung der Schriftform gibt es keine weiteren aktienrechtlichen Spezialvor- 16 gaben zum Vertragsabschluss. Der Unternehmensvertrag kommt also durch Angebot und Annahme nach näherer Maßgabe der §§ 145 ff. BGB zustande. 2.
Vertretung durch den Vorstand
Beim Abschluss wird die AG durch den Vorstand vertreten (§ 78 Abs. 1 Satz 1). Bei 17 entsprechender Satzungsbestimmung oder -ermächtigung kommt auch die gemischte Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen in Betracht (§ 78 Abs. 3). Dem steht der Organisationscharakter von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen nicht entgegen. Bei der gemischten Gesamtvertretung erstarkt die Vertretungsmacht des Prokuristen und nimmt an dem organschaftlichen Umfang der des Vorstands teil.15) Auch die Ermächtigungsregelung mehrerer zur Gesamtvertretung befugter Vorstandsmitglieder des § 78 Abs. 4 ist i. R. des Abschlusses von Unternehmensverträgen anwendbar. Die Vertretungsmacht des Vorstandes beim Abschluss des Vertrages ist durch § 293 Abs. 1 (und ggf. § 293 Abs. 2) in dem Sinne beschränkt, dass der Vertrag ohne die Zustimmung der Hauptversammlung nicht wirksam wird. Da dies eine gesetzliche Kompetenzeinschränkung ist, haftet der Vorstand nicht nach § 179 Abs. 1 BGB, wenn die Zustimmung durch die Hauptversammlung nicht erteilt wird (§ 179 Abs. 3 Satz 1 BGB).
_____________ 11) K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 293 Rz. 30; s. zu der Thematik auch Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 293 Rz. 111 ff. 12) Nachweise dazu bei Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 293 Rz. 111. 13) Hüffer, AktG, § 293 Rz. 20; nach Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 293 Rz. 115 soll allenfalls nach Holzmüller- bzw. Gelatine-Grundsätzen eine Beteiligung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft angezeigt sein. 14) K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 293 Rz. 32; Hüffer, AktG, § 293 Rz. 20. 15) Beuthien/Müller, DB 1995, 461.
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§ 293a
Bericht über den Unternehmensvertrag
18 Gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 kann der Aufsichtsrat bestimmte Arten von Geschäften seiner Zustimmung unterstellen. Wenn eine danach etwa erforderliche Zustimmung durch den Aufsichtsrat zum Abschluss des Unternehmensvertrages verweigert werden sollte, kann der Vorstand verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt (§ 111 Abs. 4 Satz 3). Die dafür erforderliche Mehrheit beträgt nach der gesetzlichen Anordnung in § 111 Abs. 4 Satz 4 drei Viertel der abgegebenen Stimmen. 3.
Schriftform
19 Die für den Abschluss des Unternehmensvertrages erforderliche Schriftform bestimmt sich nach § 126 BGB. Wird diese Form nicht gewahrt, ist der Vertrag nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Wird der Vertrag notariell beurkundet, ist die erforderliche Schriftform gewahrt (§ 126 Abs. 4 BGB). Mündliche Nebenabreden zu dem Vertrag sind nichtig. Ihre Nichtigkeit kann nach § 139 BGB das gesamte Vertragswerk erfassen.
§ 293a Bericht über den Unternehmensvertrag (1) 1Der Vorstand jeder an einem Unternehmensvertrag beteiligten Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien hat, soweit die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 erforderlich ist, einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem der Abschluß des Unternehmensvertrags, der Vertrag im einzelnen und insbesondere Art und Höhe des Ausgleichs nach § 304 und der Abfindung nach § 305 rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden; der Bericht kann von den Vorständen auch gemeinsam erstattet werden. 2Auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der vertragschließenden Unternehmen sowie auf die Folgen für die Beteiligungen der Aktionäre ist hinzuweisen. (2) 1In den Bericht brauchen Tatsachen nicht aufgenommen zu werden, deren Bekanntwerden geeignet ist, einem der vertragschließenden Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. 2In diesem Falle sind in dem Bericht die Gründe, aus denen die Tatsachen nicht aufgenommen worden sind, darzulegen. (3) Der Bericht ist nicht erforderlich, wenn alle Anteilsinhaber aller beteiligten Unternehmen auf seine Erstattung durch öffentlich beglaubigte Erklärung verzichten. Literatur: Altmeppen, Zum richtigen Verständnis der neuen §§ 293a – 293g, ZIP 1998, 1853; Decher, Die Information der Aktionäre über die Unternehmensbewertung bei Strukturmaßnahmen in der Hauptversammlungs- und Gerichtspraxis, in: Festschrift für Michael HoffmannBecking, 2013, S. 295; Müller, Unterzeichnung des Verschmelzungsberichts, NJW 2000, 2001; Rodewald, Zur Ausgestaltung von Verschmelzungs- und Verschmelzungsprüfungsbericht, BB 1992, 237.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Unternehmensvertrag ..................... III. Beteiligte AG .................................... IV. Gemeinsame Berichterstattung ...... V. Schriftform ........................................ VI. Berichtsinhalt ...................................
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1. Abschluss des Unternehmensvertrages .............................................. 7 2. Vertragsinhalt ..................................... 8 3. Ausgleich und Abfindung .................. 9 4. Besondere Bewertungsschwierigkeiten ................................. 10
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§ 293a
Bericht über den Unternehmensvertrag VII. Ausnahme von der Berichtspflicht (§ 293a Abs. 2) ..................... 11 I.
VIII. Verzicht auf die Berichterstattung (§ 293a Abs. 3) ............... 12
Überblick
§ 293a Abs. 1 fordert einen ausführlichen schriftlichen Bericht mit rechtlicher und wirt- 1 schaftlicher Erläuterung des Vertrags und insbesondere der Art und Höhe des Ausgleiches nach § 304 und der Abfindung nach § 305. Das dient dem Schutz der Aktionäre durch Information.1) Insoweit verhält es sich genauso wie bei dem Verschmelzungsbericht bei der Verschmelzung. Wie dieser auch, ist der Bericht über den Unternehmensvertrag verzichtbar; freilich müssen alle Anteilsinhaber aller beteiligten Unternehmen auf seine Erstattung durch öffentlich beglaubigte Erklärung verzichten (§ 293a Abs. 3). Anders als bei der Verschmelzung ist die notarielle Beurkundung des Verzichts (§ 8 Abs. 3 Satz 2 UmwG) hier nicht erforderlich, es reicht die öffentliche Beglaubigung. II.
Unternehmensvertrag
Wie § 293 gilt § 293a für jeden Unternehmensvertrag, also sowohl für einen Beherrschungs- 2 oder Gewinnabführungsvertrag als auch für einen anderen Unternehmensvertrag.2) III.
Beteiligte AG
Die bloße Beteiligung einer AG an einem Unternehmensvertrag reicht nicht aus. Für die 3 Pflicht zur Berichterstattung muss vielmehr hinzukommen („soweit“, § 293a Abs. 1 Satz 1), dass die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 erforderlich ist. Geht es also um die Obergesellschaft, sind nur Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge berichtspflichtig, weil nur sie der Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bedürfen (§ 293 Abs. 2). Im eigentlichen Sinne berichtspflichtig ist nicht die AG, sondern der Vorstand als Kolle- 4 gialorgan (eine weitere Parallele zum Umwandlungsrecht, wo der Verschmelzungsbericht von den „Vertretungsorganen“ der beteiligten Rechtsträger zu erstatten ist, § 8 UmwG). Zur Mitwirkung ist jedes einzelne Vorstandsmitglied verpflichtet und berechtigt.3) IV.
Gemeinsame Berichterstattung
Die Vorstände der beteiligten Gesellschaften können den Bericht auch gemeinsam er- 5 statten (§ 293a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2). V.
Schriftform
Der Bericht über den Unternehmensvertrag ist schriftlich zu erstatten (§ 293a Abs. 1 6 Satz 1 Halbs. 1). Die (noch) h. M. verlangt dazu gemäß § 126 BGB eigenhändige Unterschrift aller Vorstandsmitglieder.4) Die h. M. begründet ihre Sicht (Unterzeichnung durch alle Vorstandsmitglieder, unabhängig von der konkreten Regelung der Vertretungsbefugnis) damit, dass der Bericht eine Wissenserklärung sei. Das mag stimmen. Es erklärt aber dennoch nicht, warum nicht – wie auch sonst – eine Unterzeichnung durch Vorstands_____________ 1) 2) 3) 4)
KG, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223, 1228. In dieser Hinsicht (in Bezug auf die anderen Unternehmensverträge) krit. Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1854. Hüffer, AktG, § 293a Rz. 8; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 293a Rz. 29. Hüffer, AktG, § 293a Rz. 10; w. N. bei Emmerich/Habersack-Emmerich, § 293a AktG Rz. 18, der aber selbst jetzt wohl eher der Gegenansicht zuneigt; a. A. KG, Urt. v. 25.10.2004 – 23 U 234/03, WM 2005, 41, 42; a. A. – für Verschmelzungsbericht – auch schon Müller, NJW 2000, 2001, 2002.
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§ 293a
Bericht über den Unternehmensvertrag
mitglieder in vertretungsberechtigter Zahl genügen soll. Schwerer wiegt das Argument, dass nach der gesetzlichen Formulierung nicht die Gesellschaft, sondern ausdrücklich der Vorstand Berichtsschuldner ist.5) Doch auch wenn das so ist, bedeutet es nicht zwingend, dass der Berichtsschuldner Vorstand mit allen Mitgliedern unterzeichnen muss. Seiner dort konkretisierten Berichtspflicht kann er auch durch die Unterschriften durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl erfüllen. Weiter spricht gegen eine Unterzeichnung durch alle Vorstandsmitglieder, dass das Gesetz ansonsten in den entsprechenden Fällen ausdrücklich die Unterzeichnung durch sämtliche Mitglieder des Vertretungsorgans vorsieht, wenn es das für angezeigt hält (siehe etwa § 78 GmbHG). Das ist in § 293a nicht geschehen. Folgte man der h. M., ergäbe sich weiterhin auch das schiefe Bild, dass der eigentliche Rechtsakt „Unternehmensvertrag“ durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl oder sogar im Wege der gemischten Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen unterzeichnet werden kann, für den lediglich erläuternden Bericht aber plötzlich der gesamte Vorstand antreten muss. Das kann nicht gewollt sein und war es auch nicht.6) VI.
Berichtsinhalt
1.
Abschluss des Unternehmensvertrages
7 Der Bericht soll zunächst den „Abschluss des Unternehmensvertrages“ rechtlich und wirtschaftlich erläutern und begründen. Der Vorstand muss darlegen, welche Gründe den Abschluss des Unternehmensvertrages als ein geeignetes Mittel zur Verfolgung des Unternehmenszwecks (i. S. der Förderung der Interessen der Gesellschaft, der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit) erscheinen lassen. Der Vorstand muss also den Zweck des Abschlusses dieses Unternehmensvertrages darlegen, mögliche andere Maßnahmen (wie Abschluss eines anderen Unternehmensvertrages) ansprechen sowie die Vorund Nachteile der verschiedenen möglichen Maßnahmen abwägen. 2.
Vertragsinhalt
8 Nicht nur der Abschluss des Vertrages, sondern auch sein Inhalt ist zu erläutern und zu begründen. Der Schwerpunkt der Berichterstattung sollte auf den vertraglichen Bestimmungen ruhen, in denen i. R. der Vertragsfreiheit Regelungen getroffen werden, die als solche so nicht im Gesetz stehen (wie etwa bestimmte Kündigungsklauseln oder Regelungen bei Umwandlungsmaßnahmen).7) 3.
Ausgleich und Abfindung
9 Ferner muss der Bericht, wenn es sich um den Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages (oder eines Geschäftsführungsvertrages i. S. von § 291 Abs. 1 Satz 2) handelt, Angaben über Ausgleich und Abfindung machen. Das an dieser Stelle vom Wortlaut etwas zu weit geratene Gesetz ist insoweit zweckentsprechend einzuschränken, weil es bei den anderen Unternehmensverträgen i. S. des § 292 weder Ausgleich noch Abfindung gibt. Im Einzelnen sind hier Angaben zu Art und Höhe des Ausgleiches und der Abfindung sowie zur Unternehmensbewertung und zur Unternehmenswertrelation zwischen den beteiligten Unternehmen zu machen.8) Schließlich müssen die Aktionäre _____________ 5) 6) 7) 8)
Hüffer, AktG, § 293a Rz. 10. Zur Entstehungsgeschichte der Parallelvorschrift im Verschmelzungsrecht s. Müller, NJW 2000, 2001, 2002. KG, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223, 1228. Rodewald, BB 1992, 237, 238.
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dem Bericht auch entnehmen können, ob das herrschende Unternehmen seinen Zahlungspflichten auch genügen kann.9) Enthält der Vertrag mangels außenstehender Aktionäre keine Ausgleichsregelung (zulässig nach § 304 Abs. 1 Satz 3), entfällt die Betriebspflicht nur insoweit nicht im Übrigen.10) 4.
Besondere Bewertungsschwierigkeiten
Der Bericht muss ferner auf besondere Bewertungsschwierigkeiten sowie auf die Folgen 10 für die Beteiligungen der Aktionäre hinweisen (§ 293a Abs. 1 Satz 2). Besondere Bewertungsschwierigkeiten sind selbstverständlich nur dann darzustellen, wenn es überhaupt auf Bewertungsfragen ankommt. Das ist nur dann der Fall, wenn in dem Bericht auch Ausgleich und Abfindung angesprochen werden. Das ist nur bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen, nicht aber bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292 der Fall. Offen ist dagegen, was mit „Folgen für die Beteiligungen der Aktionäre“ gemeint sein soll. Die Gesellschaft wird durch den Abschluss eines Unternehmensvertrages zunächst in ihrem rechtlichen Bestand nicht verändert. Die Folgen eines Beherrschungsvertrages (siehe § 308) oder Gewinnabführungsvertrages (siehe § 302) sind zwar bedeutsam. Doch ergeben sie sich schon aus dem Gesetz. Insoweit darf sich der Bericht kurz halten.11) VII. Ausnahme von der Berichtspflicht (§ 293a Abs. 2) Keine Berichtspflicht besteht bezüglich solcher Tatsachen, deren Bekanntwerden einem 11 der vertragsschließenden Unternehmen oder einem ihrer verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen geeignet ist (§ 293a Abs. 2 Satz 1). Es bestehen Parallelen zu dem Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstandes nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1. Wie bei dem Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands ist auch hier bei der Ausnahme von der Berichtspflicht erforderlich und genügend die „Eignung“, also die Gefahr eines Nachteils. Nicht notwendig ist die Nachteilszufügung als solche. Wie bei § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 sollte eine vernünftige kaufmännische Beurteilung den Maßstab abgeben. So sollen vertrauliche Einzelheiten der Ertragsprognose bei den Angaben zur Bewertungsrelation möglicherweise vorerst weiter geheim bleiben; ein weiteres in der Literatur genanntes Beispiel ist die Aufdeckung stiller Reserven.12) Die entsprechende Berichtslücke muss kenntlich gemacht und es muss ferner dargestellt werden, welche Nachteile bei Offenlegung der zurückgehaltenen Informationen drohen. Es liegt auf der Hand, dass diese Begründungspflicht nicht so genau sein kann wie die Darlegung, auf die hier gerade verzichtet werden darf. Es muss für einen vernünftigen Aktionär nur nachzuvollziehen sein, dass veröffentlichte Prognosegrundlagen oder bestimmte Angaben in der Bewertungsrelation das Gesellschaftsinteresse beeinträchtigen können.13) VIII. Verzicht auf die Berichterstattung (§ 293a Abs. 3) Wenn alle Anteilsinhaber aller beteiligten Unternehmen darauf verzichten, ist der Bericht 12 nach § 293a Abs. 3 nicht erforderlich. Die Verzichtserklärungen müssen in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden. Da die Berichterstattung allein dem Schutz der Aktionäre dient, liegt es auch in ihrer Hand, den Vorständen die damit verbundene Arbeit _____________ 9) OLG München, Urt. v. 19.11.2008 – 7 U 2405/08, ZIP 2009, 718, 721. 10) LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.12.2012 – 3-05 O 96/12, ZIP 2013, 119, 121. 11) Noch weitergehender Hüffer, AktG, § 293a Rz. 17 – schon aus §§ 302, 308 folgende Konsequenzen müssten nicht eigens hervorgehoben werden; a. A. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 293a AktG Rz. 27. 12) K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 293a Rz. 22. 13) Hüffer, AktG, § 293a Rz. 20.
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§ 293b
Prüfung des Unternehmensvertrags
und der Gesellschaft (und damit mittelbar ihnen selbst) die damit verbundenen Kosten zu ersparen. 13 Es reicht nicht aus, wenn lediglich alle Anteilsinhaber einer Gesellschaft den Verzicht erklären. Wenn auch nur ein Anteilsinhaber der anderen Vertragspartei die Verzichtserklärung nicht abgibt, ist der Bericht zu erstatten, jedenfalls wenn wegen § 293a Abs. 2 auch die Gesellschafter der Obergesellschaft zur Zustimmung i. R. einer Hauptversammlung aufgerufen sind.14) 14 Anders als bei § 8 UmwG, bei dem i. R. der reinen Konzernverschmelzung (upstream merger) ohne außenstehende Gesellschafter der Bericht automatisch hinfällig wird (§ 8 Abs. 3 Satz 1 UmwG), ist die Verzichtserklärung bei § 293a Abs. 3 auch dann erforderlich, wenn keine außenstehenden Aktionäre vorhanden sind.15) 15 Fraglich ist, ob das Formerfordernis der öffentlichen Beglaubigung erfüllt ist, wenn die Verzichtserklärungen in einem notariellen Hauptversammlungsprotokoll enthalten sind. An sich fordert § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB für die öffentliche Beglaubigung die Unterschrift des Erklärenden. Bei der über eine Hauptversammlung typischerweise aufgenommenen Niederschrift des Notars fehlt es daran aber (§§ 36, 37 BeurkG). Hier spricht vieles dafür, § 293a Abs. 3 zweckentsprechend weit auszulegen und das notarielle Protokoll genügen zu lassen.16) Ansonsten wäre der Verzicht auf die Informationen zur Hauptsache an schärfere Voraussetzungen geknüpft als die Hauptsache selbst.17) Wer ganz sicher gehen will, lässt den Verzicht gesondert neben dem Protokoll mit einzelnen Unterschriftsbeglaubigungen erklären. Dabei reicht freilich die erst nachträgliche Verzichtserklärung abwesender Aktionäre nie aus.18) _____________ 14) 15) 16) 17) 18)
Krit. dazu Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1861 f. Dazu krit. Hüffer, AktG, § 293a Rz. 22. So zutreffend Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1862; in diese Richtung wohl auch Hüffer, AktG, § 293a Rz. 21. Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1863. Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1863.
§ 293b Prüfung des Unternehmensvertrags (1) Der Unternehmensvertrag ist für jede vertragschließende Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Vertragsprüfer) zu prüfen, es sei denn, daß sich alle Aktien der abhängigen Gesellschaft in der Hand des herrschenden Unternehmens befinden. (2) § 293a Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden. Literatur: Rodewald, Zur Ausgestaltung von Verschmelzungs- und Verschmelzungsprüfungsbericht, BB 1992, 237.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Prüfungsgegenstand ......................... III. Prüfungsumfang ............................... IV. Vertragsprüfer ..................................
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V. Verzicht auf Prüfung ........................ 7 VI. Entbehrlichkeit der Prüfung ............ 8 VII. Fehlerhafte Vertragsprüfung ................................ 9
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§ 293b
Prüfung des Unternehmensvertrags I.
Überblick
§ 293b ordnet die Prüfungspflicht für den Unternehmensvertrag an. Die Vorschrift wird 1 durch die §§ 293c – 293e ergänzt. Die Begutachtung durch sachverständige Prüfer (das Gesetz spricht von „Vertragsprüfern“) bereits vor der Zustimmung durch die Hauptversammlung soll dazu beitragen, dass spätere gerichtliche Auseinandersetzungen insbesondere wegen der Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung im Spruchverfahren möglichst vermieden werden. Denn der Prüfer soll auf eine angemessene Barabfindung hinwirken.1) II.
Prüfungsgegenstand
Gegenstand der Prüfung ist der Unternehmensvertrag. Erfasst sind nicht nur Beherr- 2 schungs- und Gewinnabführungsverträge (§ 291), sondern auch die anderen Unternehmensverträge (§ 292). Nicht als Prüfungsgegenstand genannt ist im Gesetz der Bericht des Vorstands bzw. der 3 Vorstände nach § 293a. Die Frage, ob er mit in die Prüfung einzubeziehen ist, wird daher unterschiedlich beantwortet. Manche stellen allein auf den Wortlaut ab und sehen den Vorstandsbericht deshalb als nicht von der Prüfung nach § 293b umfasst an.2) Andere halten zu Recht den Wortlaut des § 293b Abs. 1 für auslegungsfähig und ziehen die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastungsfunktion der Prüfung als Argument für eine weite Auslegung heran.3) Das überzeugt. Die Vertragsprüfer haben nach richtiger Ansicht den Vorstandsbericht mit in ihre Prüfung einzubeziehen. III.
Prüfungsumfang
Die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des Unternehmensvertrages ist nicht Prüfungsgegen- 4 stand. Darüber entscheidet der Vorstand i. R. seines Leitungsermessens. Die wesentliche Aufgabe der Vertragsprüfung besteht vielmehr darin, die Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung zu begutachten. Dies gilt selbstverständlich nur für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. In diesem Rahmen ist es ausreichend, wenn bereits eingeholte Bewertungsgutachten einer Plausibilitätskontrolle unterworfen werden.4) Es liegt auf der Hand, dass bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292 mangels Ausgleich und Abfindung mit Ausnahme von korrekter Parteibezeichnung nicht mehr sonderlich viel zu prüfen bleibt. Der Sinn der Vertragsprüfung bei diesen Unternehmensverträgen mag daher durchaus bezweifelt werden.5) Nach dem Gesetzeswortlaut hat die Prüfung für jede vertragsschließende AG oder KGaA 5 zu erfolgen. Da nur bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen die Hauptversammlung der Obergesellschaft nach § 293 Abs. 2 zur Zustimmung aufgerufen ist (und Bericht und Prüfung der Information der Aktionäre dienen), ist jedoch nur im Falle von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen die Prüfung für beide Vertragsteile vorzunehmen. Bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292 erfolgt die Prüfung allein für die zur vertragstypischen Leistung verpflichtete AG oder KGaA.6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
KG, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223, 1230. K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 293b Rz. 5. Hüffer, AktG, § 293b Rz. 3. KG, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223, 1230 = AG 2009, 30, 35 – allg. für die „vorgesehenen Leistungen“; s. a. schon Rodewald, BB 1992, 237, 241. K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 293b Rz. 6 – „entbehrt eines vernünftigen Sinngehalts“; Hüffer, AktG, § 293b Rz. 6 a. E. Hüffer, AktG, § 293b Rz. 7.
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§ 293c IV.
Bestellung der Vertragsprüfer
Vertragsprüfer
6 Vertragsprüfer sind nach § 293b Abs. 1 Halbs. 1 sachverständige Prüfer. Das können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein (wie bei der Abschlussprüfung, § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB). Das schreibt § 293d Abs. 1 Satz 1 durch entsprechende Verweisung vor. V.
Verzicht auf Prüfung
7 Durch die Verweisung in § 293b Abs. 2 auf § 293a Abs. 3 können alle Anteilsinhaber auf die Prüfung des Vertrages verzichten. Auch hier sind ihre Erklärungen öffentlich zu beglaubigen. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung zu § 293a unter Rz. 12 ff., 15. VI.
Entbehrlichkeit der Prüfung
8 Die Prüfung ist unabhängig von einer Verzichtserklärung entbehrlich, wenn sich alle Aktien der abhängigen Gesellschaft in der Hand des herrschenden Unternehmens befinden (§ 293b Abs. 1 Halbs. 2). Die Gesellschaft hat dann keine außenstehenden Aktionäre. Der Vertrag bedarf keiner Regelungen zu Ausgleich und Abfindung. Damit fehlt es an dem Hauptgegenstand der Vertragsprüfung. Der Vorstandsbericht ist in diesem Fall jedoch gleichwohl zu erstellen, weil § 293a Abs. 3 eine dem § 293b Abs. 1 Halbs. 2 entsprechende Ausnahme nicht vorsieht. VII. Fehlerhafte Vertragsprüfung 9 Findet eine erforderliche Vertragsprüfung nicht statt und wird somit auch kein Bericht über die Prüfung erstellt, stimmt aber die Hauptversammlung gleichwohl zu, so ist der entsprechende Beschluss nach § 243 Abs. 1 anfechtbar und der zuständige Registerrichter muss bei unterbliebener Vertragsprüfung die Eintragung ablehnen.7) Dagegen führt eine mangelhafte Vertragsprüfung in der Regel nicht zur Anfechtbarkeit. Denn die Gesellschaft hat auf die Güte der Prüfungsleistungen keinen Einfluss. Sie kann den bestellten Prüfer ja auch nicht auswechseln. Allenfalls dann, wenn von einem Bericht über die Prüfung wegen ganz schwerwiegender Mängel überhaupt nicht mehr die Rede sein kann, die Prüfungsleistung also dem Ausbleiben der Prüfung gleichkommt, ist an eine Anfechtbarkeit zu denken.8) _____________ 7) 8)
Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 293b Rz. 20, § 293e Rz. 23; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 293b Rz. 7. OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05 (GEA AG), ZIP 2005, 1457, 1460.
§ 293c Bestellung der Vertragsprüfer (1) 1Die Vertragsprüfer werden jeweils auf Antrag der Vorstände der vertragschließenden Gesellschaften vom Gericht ausgewählt und bestellt. 2Sie können auf gemeinsamen Antrag der Vorstände für alle vertragschließenden Gesellschaften gemeinsam bestellt werden. 3Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk die abhängige Gesellschaft ihren Sitz hat. 4Ist bei dem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet deren Vorsitzender an Stelle der Zivilkammer. 5Für den Ersatz von Auslagen und für die Vergütung der vom Gericht bestellten Prüfer gilt § 318 Abs. 5 des Handelsgesetzbuchs. (2) § 10 Abs. 3 bis 5 des Umwandlungsgesetzes gilt entsprechend. 1416
Klaus J. Müller
Auswahl, Stellung und Verantwortlichkeit der Vertragsprüfer
§ 293d
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Zuständigkeit ..................................... 2 I.
III. Rechtsmittel ...................................... 3
Überblick
§ 293c sieht die gerichtliche Bestellung der Vertragsprüfer vor. Das soll die Akzeptanz der 1 Prüfung des Vertrages (und der Berichterstattung) steigern und somit weitere Entlastungswirkung (siehe schon die Kommentierung zu § 293b) in Bezug auf eine spätere gerichtliche Überprüfung schaffen. Die Vertragsprüfer werden ausschließlich vom Gericht ausgewählt und bestellt. Dadurch wird vermieden, dass auch nur der Anschein eines „Parteigutachtens“ entsteht. Das sichert die Neutralität des Vertragsprüfers. II.
Zuständigkeit
Sachlich und örtlich zuständig ist das LG, in dessen Bezirk die abhängige Gesellschaft 2 ihren Sitz hat (§ 293c Abs. 1 Satz 3). Mit Sitz ist nach § 5 der Ort gemeint, den die Satzung als solchen bestimmt. Funktionell zuständig ist die bei dem betreffenden LG eingerichtete Kammer für Handelssachen, und zwar im Wege der Entscheidung durch ihren Vorsitzenden (§ 293c Abs. 1 Satz 4). Bei der Bestellung der Vertragsprüfer wird das LG im Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) tätig. Das Gericht wird also nur auf Antrag (§ 293c Abs. 1 Satz 1 AktG, § 23 FamFG) aktiv. Sollen dieselben Vertragsprüfer für mehrere an dem Vertrag beteiligte Gesellschaften bestellt werden, ist ein gemeinsamer Antrag der Vorstände erforderlich (§ 293c Abs. 1 Satz 2). III.
Rechtsmittel
Aus der Verweisung in § 293c Abs. 2 AktG auf u. a. § 10 Abs. 4 UmwG folgt, dass gegen 3 die Entscheidung des Gerichts über Auswahl und Bestellung der Vertragsprüfer die Beschwerde zulässig ist. Die Frist beträgt einen Monat, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe der Entscheidung (§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 FamFG).
§ 293d Auswahl, Stellung und Verantwortlichkeit der Vertragsprüfer (1) 1Für die Auswahl und das Auskunftsrecht der Vertragsprüfer gelten § 319 Abs. 1 bis 4, § 319a Abs. 1, § 319b Abs. 1, § 320 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 und 2 des Handelsgesetzbuchs entsprechend. 2Das Auskunftsrecht besteht gegenüber den vertragschließenden Unternehmen und gegenüber einem Konzernunternehmen sowie einem abhängigen und einem herrschenden Unternehmen. (2) 1Für die Verantwortlichkeit der Vertragsprüfer, ihrer Gehilfen und der bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft gilt § 323 des Handelsgesetzbuchs entsprechend. 2Die Verantwortlichkeit besteht gegenüber den vertragschließenden Unternehmen und deren Anteilsinhabern. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Auswahl der Vertragsprüfer ............ 2
III. Auskunftsrecht .................................. 3 IV. Verantwortlichkeit ........................... 4
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§ 293d I.
Auswahl, Stellung und Verantwortlichkeit der Vertragsprüfer
Überblick
1 Die Vorschrift verweist für die Auswahl, das Auskunftsrecht und die Verantwortlichkeit der Vertragsprüfer auf die entsprechenden Regelungen des HGB für Abschlussprüfer. Damit knüpft sie an die Regelungstechnik des § 11 UmwG für Verschmelzungsprüfer an. II.
Auswahl der Vertragsprüfer
2 Vertragsprüfer können nur Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein (§ 293d Abs. 1 Satz 1 AktG; § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB). Es gilt sowohl die allgemeine Befangenheitsregelung des § 319 Abs. 2 HGB als auch der Ausschlusskatalog des § 319 Abs. 3 HGB. Ein Wirtschaftsprüfer kommt daher als Vertragsprüfer insbesondere nicht in Betracht, wenn er an einer an dem zu prüfenden Unternehmensvertrag beteiligten Partei oder an einem mit ihr verbundenen Unternehmen Anteile hält, Organmitglied oder Arbeitnehmer ist oder in den letzten fünf Jahren jeweils mehr als 30 % seiner Gesamteinnahmen aus Tätigkeit für eine beteiligte Vertragspartei oder eine Gesellschaft, an der diese mehr als 20 % der Anteile hält, bezogen hat; bei am Kapitalmarkt orientierten Kapitalgesellschaften i. S. des § 264d HGB sinkt diese Schwelle von 30 % auf 15 % (§ 319 Abs. 3, § 319a Abs. 1 HGB, dort auch zu weiteren Ausschlussgründen). Dagegen ist die Tätigkeit als Abschlussprüfer einer an dem Unternehmensvertrag beteiligten Gesellschaft kein Bestellungshindernis.1) III.
Auskunftsrecht
3 Nach § 293d Abs. 1 Satz 1 AktG i. V. m. § 320 Abs. 1 Satz 2 HGB ist dem Vertragsprüfer zu gestatten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände und Schulden zu prüfen, insbesondere die Kasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren. Ferner kann der Vertragsprüfer von den gesetzlichen Vertretern der beteiligten Vertragsparteien alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, die für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind (§ 320 Abs. 2 Satz 1 HGB i. V. m. § 293d Abs. 1 Satz 1 AktG). Auskunftsverpflichtet sind jeweils alle an dem Unternehmensvertrag beteiligten Unternehmen und ferner die von ihnen abhängigen oder sie beherrschenden Unternehmen (§ 293d Abs. 1 Satz 2). IV.
Verantwortlichkeit
4 Der Vertragsprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter seiner Prüfungsgesellschaft unterliegen der gesetzlichen Verschwiegenheit und sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet; wer seine Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, ist schadensersatzpflichtig (§ 293d Abs. 2 Satz 1 AktG; § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Verantwortlichkeit besteht gegenüber den vertragschließenden Unternehmen und ihren Gesellschaftern (§ 293d Abs. 2 Satz 2). Wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt wird, ist auch dieses unmittelbar anspruchsberechtigt (§ 323 Abs. 1 Satz 3 HGB). Bei schuldhafter Verletzung ihrer Prüferpflichten sind die Vertragsprüfer auch den Aktionären gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn etwa der Ausgleich oder die Abfindung in Folge eines Bewertungsfehlers zu niedrig ausgefallen ist (§ 293d Abs. 2 Satz 2).2)
_____________ 1) 2)
OLG München, Beschl. v. 19.10.2006 – 31 Wx 092/05, AG 2007, 287, 289. Hüffer, AktG, § 293d Rz. 5.
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§ 293e
Prüfungsbericht
§ 293e Prüfungsbericht (1) 1Die Vertragsprüfer haben über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. 2 Der Prüfungsbericht ist mit einer Erklärung darüber abzuschließen, ob der vorgeschlagene Ausgleich oder die vorgeschlagene Abfindung angemessen ist. 3Dabei ist anzugeben, 1. nach welchen Methoden Ausgleich und Abfindung ermittelt worden sind; 2. aus welchen Gründen die Anwendung dieser Methoden angemessen ist; 3. welcher Ausgleich oder welche Abfindung sich bei der Anwendung verschiedener Methoden, sofern mehrere angewandt worden sind, jeweils ergeben würde; zugleich ist darzulegen, welches Gewicht den verschiedenen Methoden bei der Bestimmung des vorgeschlagenen Ausgleichs oder der vorgeschlagenen Abfindung und der ihnen zugrunde liegenden Werte beigemessen worden ist und welche besonderen Schwierigkeiten bei der Bewertung der vertragschließenden Unternehmen aufgetreten sind. (2) § 293a Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Literatur: Altmeppen, Zum richtigen Verständnis der neuen §§ 293a – 293g AktG, ZIP 1998, 1853; Decher, Die Information der Aktionäre über die Unternehmensbewertung bei Strukturmaßnahmen in der Hauptversammlungs- und Gerichtspraxis, in: Festschrift für Michael HoffmannBecking, 2013, S. 295.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Berichtsinhalt .................................... 2 I.
III. Verweisung auf § 293a Abs. 2 und Abs. 3 ................... 5
Überblick
Kernstück des Prüfungsberichts ist die Schlusserklärung über die Angemessenheit von Aus- 1 gleich oder Abfindung (§ 293e Abs. 1 Satz 2). Deren Detaillierungsgrad bestimmt § 293e Abs. 1 Satz 3 durch eine gesetzlich vorgegebene Gliederung dieser Schlusserklärung. Der Bericht ist dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft vorzulegen.1) Dabei spielt keine Rolle, dass der Vertragsprüfer vom Gericht bestellt wurde (§ 293c Abs. 1 Satz 1). Denn der Vorstand kann nur so seine Pflichten zur Auslegung nach §§ 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1 erfüllen.2) Im Falle eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ist folglich der Bericht sowohl dem Vorstand der abhängigen als auch der herrschenden Gesellschaft vorzulegen. Denn in diesen Fällen hat nicht nur bei der abhängigen Gesellschaft, sondern auch bei der Obergesellschaft eine Hauptversammlung stattzufinden (§ 293 Abs. 2), für deren Vorbereitung dann ebenfalls § 293f gilt. II.
Berichtsinhalt
Der Berichtsinhalt bestimmt sich danach, ob es um andere Unternehmensverträge (§ 292) 2 oder um Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge (§ 291) geht. Wie oben erwähnt, ist Kernstück des Berichts die Stellungnahme dazu, ob Ausgleich und Abfindung angemessen sind. Diese fehlen bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292. Daher wird sich der Berichtsinhalt bei den anderen Unternehmensverträgen (bei denen es weder Ausgleich noch Abfindung gibt) im Regelfall auf einige wenige formale Aspekte beschränken _____________ 1) 2)
Hüffer, AktG, § 293e Rz. 2. Hüffer, AktG, § 293e Rz. 2.
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§ 293f
Vorbereitung der Hauptversammlung
(wie überhaupt die gesamte Vertragsprüfung). Insoweit hat die ganze Vorschrift eigentlich bei den anderen Unternehmensverträgen keinen sinnvollen Anwendungsbereich3) und könnte gestrichen werden. 3 Für Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge enthält § 293e Abs. 1 Satz 3 die Vorgaben für den Mindestinhalt. Danach muss zunächst dargelegt werden, nach welchen Methoden Ausgleich und Abfindung ermittelt worden sind (§ 293e Abs. 1 Satz 3 Nr. 1). Gemeint sind hier vornehmlich die Methoden, nach denen die Wertrelationen bei einem variablen Ausgleich nach § 304 Abs. 2 Satz 2 oder bei einer Abfindung in Aktien nach § 305 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ermittelt worden sind. Von der Gesetzesformulierung erfasst werden aber wohl auch die Berechnungsgrundsätze für den festen Ausgleich bei einem isolierten Beherrschungsvertrag nach § 304 Abs. 1 Satz 2 und § 304 Abs. 2 Satz 1.4) Ferner muss der Bericht eine Aussage dazu treffen, warum die Anwendung der erläuterten Methoden angemessen ist (§ 293e Abs. 1 Satz 3 Nr. 2). Falls mehrere Methoden angewendet worden sind, müssen schließlich Vergleichsrechnungen für die Anwendung der verschiedenen Methoden aufgestellt werden (§ 293e Abs. 1 Satz 3 Nr. 3). Ansonsten ist der Prüfungsbericht grundsätzlich ein Ergebnisbericht.5) Er muss keine Angaben über den Verlauf der Prüfung machen und auch nicht die einzelnen Tatsachen enthalten, auf die sich das Angemessenheitsurteil der Prüfer stützt.6) Er muss sich auch nicht auf die Finanzausstattung der herrschenden Gesellschaft oder darauf beziehen, ob diese voraussichtlich ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllen kann.7) 4 Der Prüfungsbericht endet mit der Erklärung der Prüfer darüber, ob Ausgleich und/oder Abfindung angemessen sind (§ 293e Abs. 1 Satz 2). III.
Verweisung auf § 293a Abs. 2 und Abs. 3
5 § 293e Abs. 2 verweist auf § 293a Abs. 2 und 3. Insoweit muss der Prüfungsbericht also Tatsachen nicht aufführen, die einem beteiligten oder verbundenen Unternehmen einen Nachteil zufügen könnten; das Fehlen der entsprechenden Angaben muss aber begründet werden (§ 293a Abs. 2). Ferner ergibt die Verweisung, dass der Prüfungsbericht dann entbehrlich ist, wenn sämtliche Anteilsinhaber aller beteiligten Unternehmen darauf in öffentlich beglaubigter Form verzichten (§ 293a Abs. 3). Freilich wird in den allermeisten einschlägigen Fällen vorher schon auf die Prüfung überhaupt verzichtet worden sein. _____________ 3) 4) 5) 6) 7)
Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1855. Hüffer, AktG, § 293e Rz. 4. Decher in: FS Hoffmann-Becking, S. 295, 300. Hüffer, AktG, § 293e Rz. 6. LG München, Urt. v. 4.6.2009 – 5 HK O 591/09, ZIP 2009, 2247.
§ 293f Vorbereitung der Hauptversammlung (1) Von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag beschließen soll, sind in dem Geschäftsraum jeder der beteiligten Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien zur Einsicht der Aktionäre auszulegen 1. der Unternehmensvertrag;
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§ 293f
Vorbereitung der Hauptversammlung
2. die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der vertragschließenden Unternehmen für die letzten drei Geschäftsjahre; 3. die nach § 293a erstatteten Berichte der Vorstände und die nach § 293e erstatteten Berichte der Vertragsprüfer. (2) Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der in Absatz 1 bezeichneten Unterlagen zu erteilen. (3) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 entfallen, wenn die in Absatz 1 bezeichneten Unterlagen für denselben Zeitraum über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind. Literatur: Altmeppen, Zum richtigen Verständnis der neuen §§ 293a – 293g AktG, ZIP 1998, 1853.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Auslegung .......................................... 2 I.
III. Abschriften ........................................ 4 IV. Elektronische Veröffentlichung ...... 5
Überblick
Die Vorschrift bezieht sich immer auf die Hauptversammlung der Untergesellschaft, bei 1 der stets ein zustimmender Beschluss erforderlich ist, um den Unternehmensvertrag wirksam werden zu lassen. Darüber hinaus gilt sie dann auch für die Hauptversammlung der Obergesellschaft, wenn es sich um einen Beherrschungs- und/oder einen Gewinnabführungsvertrag handelt (§ 293 Abs. 2). Insoweit ist der Wortlaut („jeder der beteiligten Aktiengesellschaften“) zu weit geraten.1) Denn bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292 ist ein Hauptversammlungsbeschluss der Obergesellschaft nie erforderlich. Daher empfiehlt sich für die anderen Unternehmensverträge des § 292 eine zweckentsprechende einschränkende Auslegung. Wie insbesondere auch § 293a und § 293g bezweckt die Vorschrift die Information der Aktionäre. II.
Auslegung
§ 293f Abs. 1 verlangt zunächst, dass von dem Tage der Einberufung der Hauptversamm- 2 lung an der Unternehmensvertrag selbst, Jahresabschlüsse und Lageberichte der vertragsschließenden Unternehmen für die letzten drei Geschäftsjahre und schließlich Vorstandsund Prüfungsberichte nach § 293a bzw. § 293e in den Geschäftsräumen jeder beteiligten Gesellschaft auszulegen sind (§ 293f Abs. 1 Nr. 1 bis 3). Richtiger Ansicht nach ist die Vorschrift bei den anderen Unternehmensverträgen des § 292 zweckentsprechend so zu reduzieren, dass die Auslegung nur bei der Gesellschaft erfolgen muss, nicht bei den anderen Vertragspartnern (siehe oben). Mit den letzten drei Geschäftsjahren sind nur solche Geschäftsjahre gemeint, für welche die Rechnungslegung nach dem Gesetz schon vorliegen müsste.2) Bei Einberufung im Januar 2012 sind daher die Abschlüsse für die Geschäftsjahre 2008, 2009 und 2010 auszulegen. Einfache Abschriften sind ausreichend. Nicht verlangt werden kann die Auslage des Jahresabschlusses der (bürgenden) Konzern- 3 mutter, jedenfalls dann nicht, wenn schon ein Konzernabschluss mit ausgelegt wurde.3)
_____________ 1) 2) 3)
Altmeppen, ZIP 1998, 1853, 1856. Hüffer, AktG, § 293f Rz. 3. KG, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223, 1231.
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§ 293g III.
Durchführung der Hauptversammlung
Abschriften
4 Jeder Aktionär kann einfache Abschriften sämtlicher der in § 293f Abs. 1 genannten Unterlagen verlangen (§ 293f Abs. 2). IV.
Elektronische Veröffentlichung
5 Die oben beschriebenen Verpflichtungen zur Auslegung und zur Erteilung von Abschriften entfallen, wenn die betreffenden, in § 293f Abs. 1 genannten Unterlagen vom Tage der Einberufung der Hauptversammlung an über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind (§ 293f Abs. 3). Diese elektronische Veröffentlichung ist rein freiwillig.
§ 293g Durchführung der Hauptversammlung (1) In der Hauptversammlung sind die in § 293f Abs. 1 bezeichneten Unterlagen zugänglich zu machen. (2) 1Der Vorstand hat den Unternehmensvertrag zu Beginn der Verhandlung mündlich zu erläutern. 2Er ist der Niederschrift als Anlage beizufügen. (3) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft auch über alle für den Vertragsschluß wesentlichen Angelegenheiten des anderen Vertragsteils zu geben. Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Erläuterung des Unternehmensvertrages ............................................ 2 I.
III. Beifügung zur Niederschrift ............ 3 IV. Auskunftsrecht .................................. 4
Überblick
1 § 293g ergänzt § 293f und bezieht sich auf die Gestaltung der Hauptversammlung selbst. Wie bei § 293f gilt die Vorschrift stets für die Hauptversammlung der Untergesellschaft, bei Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträgen auch für die Hauptversammlung der Obergesellschaft (§ 293 Abs. 2). II.
Erläuterung des Unternehmensvertrages
2 Zusätzlich zu der Auslage der in § 293f Abs. 1 bezeichneten Unterlagen in der Hauptversammlung muss („hat zu“) der Vorstand den Unternehmensvertrag zu Beginn mündlich erläutern. Dabei bedeutet „Erläuterung“, dass der wesentliche Vertragsinhalt, die Gründe für den Abschluss und dessen Folgen sowie Ausgleich und Abfindung und ihre Angemessenheit vom Vorstand vorgetragen werden. III.
Beifügung zur Niederschrift
3 Durch die zusätzlich vorgeschriebene (§ 293g Abs. 2 Satz 2) Beifügung des Vertrages zur Niederschrift als Anlage soll sichergestellt werden, dass der Vertragswortlaut, dem die Hauptversammlung zugestimmt hat, später genau festgestellt werden kann. Die Niederschrift muss stets notariell sein. § 293 Abs. 1 Satz 2 fordert für die Beschlussfassung eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals. Dann ist auch bei
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§ 294
Eintragung. Wirksamwerden
nicht börsennotierten Gesellschaften eine notariell aufgenommene Niederschrift erforderlich (§ 130 Abs. 1 Satz 3). IV.
Auskunftsrecht
Das Auskunftsrecht des § 293g Abs. 3 geht über das allgemeine Auskunftsrecht aus 4 § 131 hinaus. Der Aktionär kann auch verlangen, Auskunft über alle Angelegenheiten des anderen Vertragsteils zu erhalten, die für den Vertragsschluss wesentlich sind. Auskunftspflichtig ist dabei der Vorstand der eigenen Gesellschaft. Er muss sich die erforderlichen Informationen über den Vertragspartner selbst beschaffen. Streitig ist, ob die Auskunftsverweigerungsrechte des § 131 Abs. 3 auch gegenüber dem 5 Auskunftsverlangen nach § 293g Abs. 3 bestehen. Das wird teilweise unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift verneint.1) Doch scheint der Wortlaut hier kein tauglicher Anknüpfungspunkt für das Bestehen oder Nichtbestehen von Auskunftsverweigerungsrechten zu sein. Die Frage wird in § 293g Abs. 3 vielmehr überhaupt nicht angesprochen. Alleiniger Regelungsinhalt ist das Auskunftsrecht des Aktionärs, das über das allgemeine Auskunftsrecht des Aktionärs in § 131 Abs. 1 hinaus erweitert wurde. Gerade weil das Auskunftsverweigerungsrecht nicht eigens angesprochen wird, legt das eher die Geltung aller Auskunftsverweigerungsrechte des § 131 Abs. 3 – wie auch bei sonstigen Auskunftsbegehren – nahe. _____________ 1)
So etwa Hüffer, AktG, § 293g Rz. 5 m. w. N., mit Ausnahme von § 131 Abs. 3 Nr. 7.
§ 294 Eintragung. Wirksamwerden (1) 1Der Vorstand der Gesellschaft hat das Bestehen und die Art des Unternehmensvertrages sowie den Namen des anderen Vertragsteils zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; beim Bestehen einer Vielzahl von Teilgewinnabführungsverträgen kann anstelle des Namens des anderen Vertragsteils auch eine andere Bezeichnung eingetragen werden, die den jeweiligen Teilgewinnabführungsvertrag konkret bestimmt. 2 Der Anmeldung sind der Vertrag sowie, wenn er nur mit Zustimmung der Hauptversammlung des anderen Vertragsteils wirksam wird, die Niederschrift dieses Beschlusses und ihre Anlagen in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (2) Der Vertrag wird erst wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. Literatur: Vetter, Eintragung des Unternehmensvertrages im Handelsregister des herrschenden Unternehmens?, AG 1994, 110.
Übersicht I. II. 1. 2.
Überblick ............................................ 1 Anmeldung (§ 294 Abs. 1) ............... 2 Inhalt ................................................... 2 Form .................................................... 3
3. Anlagen ............................................... 4 4. Keine Registersperre .......................... 5 III. Wirkungen der Eintragung (§ 294 Abs. 2) ..................................... 6
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§ 294 I.
Eintragung. Wirksamwerden Überblick
1 Für die Wirksamkeit des Unternehmensvertrages ist nicht nur der schriftliche Abschluss (§ 293 Abs. 3), die Zustimmung der Hauptversammlung der Untergesellschaft (§ 293 Abs. 1) und ggf. der Obergesellschaft (§ 293 Abs. 2), sondern auch die Eintragung seines Bestehens in das Handelsregister der (abhängigen) Gesellschaft erforderlich (§ 294 Abs. 2). Damit wird einerseits der Rechtsverkehr über den Unternehmensvertrag informiert. Auf der anderen Seite befördert es die Legitimation des Unternehmensvertrages und somit die Rechtssicherheit, da der Eintragung naturgemäß eine registergerichtliche Prüfung vorangeht.1) II.
Anmeldung (§ 294 Abs. 1)
1.
Inhalt
2 Der Vorstand der (abhängigen) Gesellschaft hat das Bestehen und die Art des Unternehmensvertrages sowie den Namen des anderen Vertragsteils (der Obergesellschaft) zur Eintragung anzumelden (§ 294 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1). Das gilt nach § 295 entsprechend für eine Änderung des Unternehmensvertrages.2) Der Gesetzgeber hat sich dabei in § 294 bewusst nur für die Eintragung in das Handelsregister der abhängigen Gesellschaft entschieden.3) 2.
Form
3 Der Vorstand muss die Erklärung nicht durch sämtliche Vorstandsmitglieder abgeben. Es reicht vielmehr aus, wenn Vorstandsmitglieder oder ggf. ein Vorstandsmitglied in der durch die Satzung bestimmten Form der Vertretungsbefugnis die Handelsregisteranmeldung unterzeichnen (§ 78 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3). Auch gemischte Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen ist zulässig, wenn die Satzung dies vorsieht (§ 78 Abs. 3 Satz 1). Die Unterzeichnung durch einen ordnungsgemäß Bevollmächtigten (auf der Grundlage einer öffentlich beglaubigten Vollmacht) kommt ebenfalls in Betracht. Die Anmeldung muss wie alle Handelsregisteranmeldungen in öffentlich beglaubigter Form erfolgen (§ 12 Abs. 1 HGB). 3.
Anlagen
4 Nach § 294 Abs. 1 Satz 2 müssen der Anmeldung der Unternehmensvertrag (in Urschrift oder beglaubigter Abschrift) und, im Falle des § 293 Abs. 2, auch die Niederschrift über die Hauptversammlung des anderen Vertragsteils mit deren Zustimmung beigefügt werden. Die Niederschrift über die Hauptversammlung der Untergesellschaft dagegen ist bereits nach § 130 Abs. 5 dem Handelsregister einzureichen. Dieser Pflicht kann auch dadurch genügt werden, dass die Niederschrift der Untergesellschaft der Handelsregisteranmeldung über den Unternehmensvertrag ebenfalls mit beigefügt wird (jedenfalls dann, wenn zwischen Hauptversammlung und Anmeldung nicht ein größerer Zeitraum liegt). 4.
Keine Registersperre
5 Eine Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss begründet keine Registersperre. Bei einer Anfechtungsklage kann das Registergericht vielmehr gemäß §§ 21 Abs. 1, 381 FamFG entweder die Eintragung verfügen oder das Eintragungsverfahren aussetzen. _____________ 1) 2) 3)
Materiell wie formell, OLG München, Beschl. v. 14.7.2009 – 31 Wx 16/09, ZIP 2009, 1250 = NZG 2009, 1031. BFH, Beschl. v. 22.10.2008 – I R 66/07, NZG 2009, 277, 278 = ZIP 2009, 1122. Näher Vetter, AG 1994, 110, 113, der das auch für den GmbH-Konzern für richtig hält.
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§ 295
Änderung III.
Wirkungen der Eintragung (§ 294 Abs. 2)
Die Eintragung hat nach dem Gesetzeswortlaut konstitutive Bedeutung.4) Ohne die Ein- 6 tragung wird der Unternehmensvertrag – oder seine Änderung5) – nicht wirksam. Auf der anderen Seite kommt der Eintragung keine Heilungswirkung zu. Ein vom Registergericht unerkannt nichtiger Vertrag wird durch die Eintragung nicht wirksam. Vielmehr liegt dann eine falsche Eintragung vor. Es handelt sich um einen Fall, indem die Amtslöschung nach § 395 FamFG erfolgen muss.6) Zeitlich wird der Unternehmensvertrag am Tage der Handelsregistereintragung wirksam; 7 eine automatische Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder der Hauptversammlung gibt es nicht. Beim Beherrschungsvertrag kann auch keine Rückwirkung vereinbart werden. Beim Gewinnabführungsvertrag und bei anderen Unternehmensverträgen kann nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG steuerlich eine Rückwirkung auf den Beginn des Jahres erreicht werden, in dessen Lauf der Gewinnabführungs- oder der andere Unternehmensvertrag in das Handelsregister eingetragen wird. An der positiven Registerpublizität des § 15 Abs. 3 HGB nimmt die Eintragung eines 8 Unternehmensvertrages nicht teil.7) Aus diesem Grunde besteht auch keine Veranlassung, die – gesetzlich nicht vorgesehene – Eintragungsfähigkeit der Nichtigkeit eines Unternehmensvertrages anzunehmen.8) _____________ 4) 5) 6) 7) 8)
OLG München, Beschl. v. 14.7.2009 – 31 Wx 16/09, ZIP 2009, 1250 = NZG 2009, 1031; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124, 130. BFH, Beschl. v. 22.10.2008 – I R 66/07, NZG 2009, 277, 278 = ZIP 2009, 1122. Hüffer, AktG, § 294 Rz. 21. OLG Hamm, Beschl. v. 14.4.2009 – 15 Wx 241/08, NZG 2009, 1117, 1119 = ZIP 2010, 229. OLG Hamm, Beschl. v. 14.4.2009 – 15 Wx 241/08, NZG 2009, 1117, 1119 = ZIP 2010, 229.
§ 295 Änderung (1) Ein Unternehmensvertrag kann nur mit Zustimmung der Hauptversammlung geändert werden. §§ 293 bis 294 gelten sinngemäß. (2) 1Die Zustimmung der Hauptversammlung der Gesellschaft zu einer Änderung der Bestimmungen des Vertrags, die zur Leistung eines Ausgleichs an die außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichten, bedarf, um wirksam zu werden, eines Sonderbeschlusses der außenstehenden Aktionäre. 2Für den Sonderbeschluß gilt § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3. 3Jedem außenstehenden Aktionär ist auf Verlangen in der Versammlung, die über die Zustimmung beschließt, Auskunft auch über alle für die Änderung wesentlichen Angelegenheiten des anderen Vertragsteils zu geben. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Vertragsänderung .............................. 2 III. Zustimmung und Eintragung ......... 4
IV. Sonderbeschluss außenstehender Aktionäre (§ 295 Abs. 2) .................. 5
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§ 295 I.
Änderung Überblick
1 § 295 sichert die Zustimmungskompetenz der Hauptversammlung ab. Dadurch, dass die Änderung des Vertrages nicht an geringere Erfordernisse geknüpft wird als sein Abschluss, können auch im Nachhinein keine Regelungen Eingang in den Vertragstext finden, die nicht von der Hauptversammlung abgesegnet sind. § 295 Abs. 2 ergänzt dies durch das Erfordernis eines Sonderbeschlusses der außenstehenden Aktionäre, wenn die beabsichtigte Änderung die unternehmensvertraglichen Ausgleichs- und Abfindungsregelungen betreffen sollte. II.
Vertragsänderung
2 Es spielt keine Rolle, ob die geplante Änderung wesentlich oder unwesentlich ist.1) Das Gesetz stellt nur auf die Tatsache der Änderung überhaupt ab. In der Praxis häufiger vorkommende Änderungen sind etwa der Austausch der Vertragspartner, steuerlich motivierte Änderungen des Vertragstextes oder die nachträgliche Einfügung von Kündigungsklauseln.2) 3 Keine Vertragsänderung liegt dagegen vor bei Gesamtrechtsnachfolge, insbesondere dann nicht, wenn die Obergesellschaft auf eine dritte Gesellschaft verschmolzen wird und daher die Rechtsstellung als herrschender Vertragsteil aus dem betreffenden Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag auf die dritte Gesellschaft übergeht. Das ist keine Änderung des Vertrages i. S. einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung. Vielmehr handelt es sich um eine Rechtsnachfolge kraft Gesetzes. Siehe im Übrigen eingehend zu Umwandlungsfolgen die Kommentierung bei § 297 unter Rz. 17 ff. III.
Zustimmung und Eintragung
4 Aus der angeordneten entsprechenden Geltung der §§ 293 bis 294 folgt, dass mindestens (i. R. des § 293 Abs. 2 muss darüber hinaus die Hauptversammlung der Obergesellschaft zustimmen) die Hauptversammlung der Untergesellschaft mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen zustimmen und dass die Vertragsänderung zur Eintragung in das Handelsregister (§ 294) angemeldet werden muss.3) Anzumelden ist dabei nur, dass der Vertrag geändert worden ist. Der Inhalt der Änderung im Einzelnen ergibt sich aus dem beizufügenden Änderungsvertrag nebst Zustimmungsbeschluss. Nach der Konzeption des Gesetzes sind auch die Berichtspflicht (§ 293a) und die Prüfungspflicht (§§ 293b ff.) zu beachten. Versäumnisse führen dazu, dass infolge der zivilrechtlichen Unwirksamkeit etwa durch unterbliebene Eintragung auch die steuerliche Anerkennung versagt bleibt.4) IV.
Sonderbeschluss außenstehender Aktionäre (§ 295 Abs. 2)
5 Bei einer beabsichtigten Änderung der Ausgleichs- und Abfindungsregelungen im Vertrag ist ein Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre erforderlich (§ 295 Abs. 2 Satz 1). Darunter fallen nicht nur unmittelbare Änderungen wie die Höhe des Ausgleichs oder der Abfindung, sondern auch mittelbare wie etwa der Austausch des anderen (herrschenden) Vertragsteils durch eine beabsichtigte Vertragsübernahme.5)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 50/11, AG 2013, 92, 93 = ZIP 2013, 19. S. etwa den Fall von BFH, Beschl. v. 22.10.2008 – I R 66/07, ZIP 2009, 1122 = NZG 2009, 277. BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 50/11, AG 2013, 92, 94 = ZIP 2013, 19. BFH, Beschl. v. 22.10.2008 – I R 66/07, NZG 2009, 277, 278 = ZIP 2009, 1122. Hüffer, AktG, § 295 Rz. 11.
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§ 296
Aufhebung
Außenstehende Aktionäre i. S. des § 295 sind alle Aktionäre (außer dem anderen Ver- 6 tragsteil und der mit ihm verbundenen Aktionäre), die Inhaber von Ausgleichs- oder Abfindungsansprüchen sind. Diese Eigenschaft als Aktionär muss im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch bestehen. Wer schon eine Abfindung bekommen bzw. seine Aktien bereits übertragen hat, kann selbst im Falle, dass ihm im Spruchverfahren eine höhere Abfindung zuerkannt wird, nicht bei dem Sonderbeschluss des § 295 Abs. 2 mitstimmen.6) Der Sonderbeschluss bedarf nach § 295 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 293 Abs. 1 Satz 2 einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des von den außenstehenden Aktionären vertretenen Grundkapitals. Bis zu dem zustimmenden Sonderbeschluss ist die Vertragsänderung schwebend unwirksam, bei Ablehnung des Antrages ist sie endgültig unwirksam. Der Handelsregisteranmeldung ist auch eine Niederschrift des Sonderbeschlusses beizufügen. _____________ 6)
Hüffer, AktG, § 295 Rz. 13 m. w. N.
§ 296 Aufhebung (1) 1Ein Unternehmensvertrag kann nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden. 2Eine rückwirkende Aufhebung ist unzulässig. 3Die Aufhebung bedarf der schriftlichen Form. (2) 1Ein Vertrag, der zur Leistung eines Ausgleichs an die außenstehenden Aktionäre oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichtet, kann nur aufgehoben werden, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen. 2Für den Sonderbeschluß gilt § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 295 Abs. 2 Satz 3 sinngemäß. Literatur: Beck, Notarielle Beurkundung der Beschlüsse zu Unternehmensverträgen in der GmbH, DNotZ 2013, 90; Fichtelmann, Die Beendigung des Gewinnabführungsvertrags und ihre Auswirkungen auf die Organschaft, GmbHR 2010, 576; Hentzen, Atypische Risiken aus der Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, NZG 2008, 201; Joussen, Die Kündigung von Beherrschungsverträgen bei Anteilsveräußerung, GmbHR 2000, 221; Khonsari, Aufhebung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit einer abhängigen GmbH, BB 2010, 2714; Krieger/Jannott, Änderung und Beendigung von Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen, DStR 1995, 1473; Paschos/Goslar, Die Beendigung von Gewinnabführungsverträgen mit einer abhängigen GmbH während des laufenden Geschäftsjahrs, Der Konzern 2006, 479; Priester, Unterjährige Aufhebung des Unternehmensvertrages im GmbH-Konzern, NZG 2012, 641; Schlögell, Die Beendigung von Unternehmensverträgen im GmbH-Konzern, GmbHR 1995, 401; Schwarz, Beendigung von Organschaftsverträgen anlässlich der Veräußerung der Beteiligung an der hauptverpflichteten Gesellschaft, DNotZ 1996, 68; Ulrich, Gewinnabführungsverträge im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1000; Veith/ Schmid, Abschluss und Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Konzern, DB 2012, 728; Wirth, Die Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen bei der Veräußerung der abhängigen GmbH, DB 1990, 2105.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Keine Rückwirkung .......................... 2 III. Aufhebung zum Ende des Geschäftsjahres .................................. 3
IV. Form ................................................... 5 V. Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre .............. 6 VI. Eintragung in das Handelsregister .... 7
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§ 296 I.
Aufhebung Überblick
1 Eine einvernehmliche Aufhebung des Vertrags ist grundsätzlich möglich. Hier herrscht Vertragsfreiheit der Parteien. Zivilrechtlich ist die Aufhebung nur zum Ende des Geschäftsjahres (oder des sonst vereinbarten Abrechnungszeitraumes) zulässig. Rückwirkung hat die Aufhebung nicht (§ 299 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3). Verstöße gegen diese Vorschriften über den zulässigen Aufhebungszeitpunkt führen zur Nichtigkeit der entsprechenden Abrede und ggf. (über § 139 BGB) des gesamten Aufhebungsvertrages nach § 134 BGB. Steuerlich ist zu berücksichtigen, dass die Aufhebung wie auch die ordentliche Kündigung eines Gewinnabführungsvertrages während des Geschäftsjahres der Organgesellschaft gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG auf den Beginn des Geschäftsjahres zurückwirken und so die Voraussetzungen für eine steuerliche Anerkennung der Organschaft beseitigen können.1) II.
Keine Rückwirkung
2 Eine rückwirkende Aufhebung des Unternehmensvertrages gibt es nicht.2) § 296 Abs. 1 Satz 2 verbietet das ausdrücklich. Bereits entstandene Ansprüche außenstehender Gesellschafter nach §§ 304 f. sollen nämlich nicht rückwirkend entfallen können. Ebenso wenig soll der abhängigen Gesellschaft der Verlustausgleichsanspruch für die laufende Rechnungsperiode rückwirkend entzogen werden. § 296 Abs. 1 Satz 2 ist auf den GmbHKonzern analog anwendbar.3) III.
Aufhebung zum Ende des Geschäftsjahres
3 Umstritten ist aber, ob auf die vertragliche Aufhebung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einer GmbH auch § 296 Abs. 1 Satz 1 analog anzuwenden ist.4) Diese Vorschrift lässt eine Aufhebung nur zum Ende eines Geschäftsjahres oder des sonstigen vertraglichen Abrechnungszeitraums zu. Bislang ist die Frage, soweit ersichtlich, nicht höchstrichterlich entschieden.5) Es gibt aber, die entsprechende Anwendung von § 296 Abs. 1 Satz 1 bejahende, obergerichtliche Rechtsprechung.6) Die wohl h. M. befürwortet eine entsprechende Anwendung auch von § 296 Abs. 1 Satz 1,7) da das herrschende Unternehmen sonst seine Endabrechnung über den Verlust vermeiden könne. Das ist zumindest nicht zwingend.8) Bei unterjähriger Aufhebung ließe sich die Endabrechnung auch auf einen früheren Abrechnungszeitpunkt erstellen.
_____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6) 7)
8)
Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 482; Hentzen, NZG 2008, 201, 202. Priester, NZG 2012, 641; Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 481. BGH, Urt. v. 5.11.2001 – II ZR 119/00, NJW 2002, 822, 823 = ZIP 2002, 35; Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 481; Ulrich, GmbHR 2004, 1000, 1002; Joussen, GmbHR 2000, 221, 222 Fn. 5 m. w. N; Schwarz, DNotZ 1996, 68, 72; Wirth, DB 1990, 2105, 2107; Krieger/Janott, DStR 1995, 1473, 1475. Abl. Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 482. Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 482. OLG München, Beschl. v. 16.3.2012 – 31 Wx 70/12, ZIP 2012, 870 (dazu eingehend Priester, NZG 2012, 641). OLG München, Beschl. v. 16.3.2012 – 31 Wx 70/12, ZIP 2012, 870 (weil dies bei der GmbH im Vergleich zur AG nicht zu einem „untypischen Rechtszustand“ führe); Wirth, BB 1990, 2105, 2107; Schlögell, GmbHR 1995, 401, 408; anders Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rz. 196 – §§ 53, 54 GmbHG seien entspr. anzuwenden; w. N. zur h. M. bei Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 482 Fn. 29; BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 228 = ZIP 1993, 751. So z. B. Schlögell, GmbHR 1995, 401, 411.
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§ 296
Aufhebung
Richtiger, aber derzeit (noch) nicht h. A. nach ist § 296 Abs. 1 Satz 1 auf die abhängige 4 GmbH daher nicht analog anwendbar.9) Die Abrechnungsprobleme, denen § 296 Abs. 1 Satz 1 vorbeugen will, können nicht entstehen, weil nach Ansicht des BGH im Falle einer unterjährigen Beendigung eines Unternehmensvertrages ohnehin eine Stichtagsbilanz auf den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zu erstellen und die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens anhand dieser Bilanz bis zum Stichtag zu ermitteln ist. Daher besteht die Verlustausgleichspflicht bis zu dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung fort und ein bis dahin angefallener Verlust ist vom herrschenden Unternehmen zu tragen.10) § 296 Abs. 1 Satz 1 mit seinem Verbot der unterjährigen Aufhebung ist an sich schon für das Aktienrecht sachlich nicht mehr gerechtfertigt.11) Erst recht besteht kein Bedürfnis für eine Ausdehnung der Norm in das GmbH-Konzernrecht. Und wenn die Vereinbarung eines außerordentlichen Kündigungsrechts als zulässig angesehen wird, um die Vertragsbeendigung zu einem von § 296 Abs. 1 Satz 1 abweichenden Zeitpunkt zu ermöglichen (siehe die Kommentierung zu § 297), so ist nicht einzusehen, warum nicht auch eine einvernehmliche Aufhebung des Vertrags abweichend von § 296 Abs. 1 Satz 1 möglich sein soll. Es handelt sich in letzter Konsequenz nur um einen anderen Weg zum selben Ergebnis. Diese Sicht entspricht freilich, wie gesagt, nicht der derzeit herrschenden Rechtsmeinung. IV.
Form
Nach § 296 Abs. 1 Satz 3 bedarf die Aufhebung der Schriftform. Für das Aktienrecht ist 5 das klar geregelt. Für die GmbH als abhängige Gesellschaft neigten früher die obergerichtlichen Entscheidungen zwar der Auffassung zu, dass es sich bei der Aufhebung um eine bloße Geschäftsführungsmaßnahme handelt und daher außer dem schriftlichen Aufhebungsvertrag keine weitere Form zu beachten ist.12) Stimmen in der Literatur sahen in der Aufhebung aber schon länger einen gesellschaftsrechtlichen actus contrarius zum Abschluss, so dass es nach deren Auffassung eines notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses bedarf.13) Der BGH ist letzterer Meinung gefolgt: die Aufhebung sei keine bloße Geschäftsführungsmaßnahme, sondern ein innergesellschaftlicher Organisationsakt, ein körperschaftlicher Rechtsakt.14) Dann ist es nur folgerichtig, für den Beschluss über die Aufhebung notarielle Beurkundung zu verlangen.15) V.
Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre
Nach § 296 Abs. 2 Satz 1 müssen die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluss 6 einer Aufhebung zustimmen, wenn der Vertrag Abfindungen oder Ausgleichszahlungen vorsieht. Für diesen Sonderbeschluss gelten nach § 296 Abs. 2 Satz 2 dieselben Anforde_____________ 9) Priester, NZG 2012, 641, 643; Veith/Schmid, DB 2012, 728, 733; Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, SchlAnhKonzernR Rz. 72; w. N. bei Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 482 Fn. 31. 10) BGH, Urt. v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 9 = ZIP 1988, 229. 11) Näher hierzu Priester, NZG 2012, 641, 643, sowie Paschos/Goslar, Der Konzern 2006, 479, 483, mit Verweis auf BGH, Urt. v. 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 9 = ZIP 1988, 229. 12) So OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.6.1994 – 4 W 122/93, GmbHR 1994, 807, 808 = ZIP 1994, 1022; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.11.1993 – 20 W 317/93, GmbHR 1994, 809, 810 = ZIP 1993, 1790 da kein Grund ersichtlich sei, an die Vertragsaufhebung im GmbH-Konzern strengere Anforderungen zu stellen als im Aktienkonzern; s. a. Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 577. 13) Scholz-Priester/Veil, GmbHG, § 53 Rz. 172 – „entspr. §§ 53, 54 [GmbHG]“, m. w. N.; so auch a. A. Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 577; Übersicht zum Streitstand bei Khonsari, BB 2010, 2714 ff. 14) BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 109/10, ZIP 2011, 1465. Zust. viele, s. nur etwa Beck, DNotZ 2013, 90, 95, 101. 15) AG Hamburg, Beschl. v. 4.2.2013 – HRB 38053, GmbHR 2013, 311.
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§ 297
Kündigung
rungen wie für den Sonderbeschluss nach § 295 Abs. 3 (und § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3) bei der Änderung des Vertrags. VI.
Eintragung in das Handelsregister
7 Die Aufhebung – als eine der möglichen Formen der Beendigung – des Unternehmensvertrages ist nach § 298 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Vertrag endet allerdings – bei Vorliegen der sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen – zum vorgesehenen Aufhebungszeitpunkt auch ohne Eintragung. Sie hat nur deklaratorische Bedeutung.
§ 297 Kündigung (1) 1Ein Unternehmensvertrag kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. 2Ein wichtiger Grund liegt namentlich vor, wenn der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine auf Grund des Vertrags bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. (2) 1Der Vorstand der Gesellschaft kann einen Vertrag, der zur Leistung eines Ausgleichs an die außenstehenden Aktionäre der Gesellschaft oder zum Erwerb ihrer Aktien verpflichtet, ohne wichtigen Grund nur kündigen, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen. 2Für den Sonderbeschluß gilt § 293 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 295 Abs. 2 Satz 3 sinngemäß. (3) Die Kündigung bedarf der schriftlichen Form. Literatur: Ebenroth/Parche, Konzernrechtliche Beschränkungen der Umstrukturierung des Vertragskonzerns, BB 1989, 637; Fichtelmann, Die Beendigung des Gewinnabführungsvertrages und ihre Auswirkungen auf die Organschaft, GmbHR 2010, 576; Freudenberg, Der Fortbestand des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in der Insolvenz der Konzernobergesellschaft, ZIP 2009, 2037; Goldschmidt/Laeger, Risiken aus der Beendigung von Unternehmensverträgen beim Verkauf der Untergesellschaft, NZG 2012, 1201; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2000; Gutzler, Übertragungshindernisse bei der Unternehmensspaltung, 2000; Heidenhain, Spaltungsvertrag und Spaltungsplan, NJW 1995, 2873; Hentzen, Atypische Risiken aus der Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, NZG 2008, 201; Heurung/Engel/Müller-Thomczik, Der „wichtige Grund“ zur Beendigung des Gewinnabführungsvertrags, GmbHR 2012, 1227; Joussen, Die Kündigung von Beherrschungsverträgen bei Anteilsveräußerung, GmbHR 2000, 221; Knott/Rodewald, Beendigung der handels- und steuerrechtlichen Organschaften bei unterjähriger Anteilsveräußerung, BB 1996, 472; Krieger, Der Konzern in Fusion und Umwandlung, ZGR 1990, 517; Laule, Die Beendigung eines Beherrschungsvertrages aus wichtigem Grund (§ 297 Abs. 1 AktG) und korrespondierende Handlungspflichten der Verwaltung einer beherrschten Aktiengesellschaft, AG 1990, 145; Müller/Dorweiler, Unterjährige Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages beim Unternehmensverkauf, in Festschrift für Volker Beuthien, 2009, S. 183; Müller, Auswirkungen von Umstrukturierungen nach dem Umwandlungsgesetz auf Beherrschungsverträge und Gewinnabführungsverträge, BB 2002, 157; Müller, Die gesamtschuldnerische Haftung bei der Spaltung nach §§ 133, 134 UmwG, DB 2001, 2637; Schwarz, Beendigung von Organschaftsverträgen anlässlich der Veräußerung der Beteiligung an der hauptverpflichteten Gesellschaft, DNotZ 1996, 68; Timm, Geklärte und offene Fragen im Vertragskonzernrecht der GmbH, GmbHR 1987, 8; Ulrich, Gewinnabführungsverträge im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1000; Veith/Schmid,
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§ 297
Kündigung
Abschluss und Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbHKonzern, DB 2012, 728; Wirth, Die Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen bei der Veräußerung der abhängigen GmbH, DB 1990, 2105.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Kündigung aus wichtigem Grund ................................................. 2 1. Grundlagen ......................................... 2 2. Kündigung aus wichtigem Grund bei Anteilsveräußerung ....................... 5 a) Streitstand ..................................... 6 b) Stellungnahme ............................... 9 3. Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Anteilsveräußerung ...................................... 12 III. Ordentliche Kündigung ................. 13 1. Sonderbeschluss ............................... 13 2. Vertragliche Regelung des Kündigungsrechts ...................... 14 3. Kündigung bei fehlender vertraglicher Regelung ..................... 15 IV. Rechtsfolgen der Kündigung ......... 16 V. Auswirkungen von Umwandlungsvorgängen ............... 17 1. Vorbemerkung .................................. 17 2. Verschmelzung der Obergesellschaft ............................... 18 3. Formwechsel der Obergesellschaft ............................... 19 4. Spaltung der Obergesellschaft .......... 20 I.
a) Abspaltung ................................. aa) Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag soll bei der Obergesellschaft verbleiben ...... bb) Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag soll Bestandteil des abgespaltenen Vermögens sein .......................... b) Ausgliederung ............................ c) Aufspaltung ................................ 5. Verschmelzung der Untergesellschaft ............................. a) Verschmelzung der Untergesellschaft auf dritten Rechtsträger ........................................... b) Verschmelzung eines dritten Rechtsträgers auf die Untergesellschaft ................................. 6. Formwechsel der Untergesellschaft ............................. 7. Spaltung der Untergesellschaft ........ a) Abspaltung ................................. b) Ausgliederung ............................ c) Aufspaltung ................................ VI. Beendigung durch Insolvenz .........
20
20
21 22 23 26
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Überblick
Die Vorschrift enthält in Absatz 1 die Ausprägung des allgemeinen – nicht ausschließ- 1 baren – Rechtssatzes, dass Dauerrechtsverhältnisse aus wichtigem Grund kündbar sind, in Absatz 2 das Erfordernis eines zustimmenden Sonderbeschlusses der außenstehenden Aktionäre in den Fällen der §§ 304, 305, und in Absatz 3 ein Schriftformerfordernis für die Kündigung. Ergänzt wird die Vorschrift durch § 296 (Aufhebung) sowie durch § 304 Abs. 5 und § 305 Abs. 5 Satz 4 mit weiteren Kündigungsgründen. II.
Kündigung aus wichtigem Grund
1.
Grundlagen
Die außerordentliche – fristlose – Kündigung des Unternehmensvertrages ist zulässig, 2 auch wenn sie im Vertrag nicht eigens vorbehalten wurde. Nach § 297 Abs. 1 Satz 1 können beide Seiten einen Unternehmensvertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Vertrag befristet oder unbefristet abgeschlossen wurde. Die Kündigung – eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung – beendet den Vertrag mit sofortiger Wirkung.
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§ 297
Kündigung
3 Die Beendigung ist nach § 298 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das Handelsregister ist, wenn Anhaltspunkte für das Fehlen eines wichtigen Grundes bestehen, zur materiellen Prüfung der Kündigung berechtigt und verpflichtet.1) 4 Ein wichtiger Grund liegt nach § 297 Abs. 1 Satz 2 „namentlich“ vor, wenn der andere Vertragsteil voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Verpflichtungen aufgrund des Unternehmensvertrages zu erfüllen. Darüber hinaus bzw. grundsätzlich ist ein wichtiger Grund gegeben, wenn für den kündigenden Vertragsteil die Fortsetzung des Vertrages wegen ernsthafter und nicht mehr in angemessener Form behebbarer Schwierigkeiten nicht zumutbar ist.2) Beispiele3) sind schwerwiegende Vertragsverletzungen, nachhaltige Erteilung unzulässiger Weisungen oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (falls es dadurch nicht ohnehin zur automatischen Beendigung des Vertrags kommt). Heftig umstritten ist die Frage, ob auch die (unterjährige) Veräußerung der Anteile an der abhängigen Gesellschaft dem herrschenden Unternehmen ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund gibt. 2.
Kündigung aus wichtigem Grund bei Anteilsveräußerung
5 Die Antwort auf diese umstrittene Frage hängt davon ab, ob es für das herrschende Unternehmen im Falle der Veräußerung seiner Mehrheits- oder Alleinbeteiligung am abhängigen Unternehmen unzumutbar ist, den Unternehmensvertrag bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin fortzuführen. a)
Streitstand
6 Die Rechtsprechung hat sich zu der Frage bislang nur in wenigen Entscheidungen geäußert. Die meisten LG und OLG sind der Auffassung, eine außerordentliche Kündigung durch die herrschende Gesellschaft sei jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn Umstände und Zeitpunkt der Anteilsveräußerung von wirtschaftlichen Zwängen unbeeinflusst und damit steuerbar gewesen seien und das herrschende Unternehmen somit selbst einen Kündigungsgrund zu schaffen versuche.4) Nur das LG Bochum nimmt an, dass aufgrund der Anteilsveräußerung grundsätzlich ein Recht des herrschenden Unternehmens zur außerordentlichen Kündigung in Betracht komme.5) 7 Auch das Schrifttum hält die Kündigung des Unternehmensvertrages aus wichtigem Grund durch das herrschende Unternehmen wegen der Veräußerung seiner Beteiligung überwiegend für unzulässig.6) Die fristlose Kündigung sei ausgeschlossen, wenn sich der Organträger aus freiem Belieben und ohne wirtschaftliche Zwänge zur Anteilsveräußerung entschließe und damit durch gezielte Änderung der Beteiligungsverhältnisse selbst einen Kündigungsgrund schaffe. Wenn sich herrschende und abhängige Gesellschaft über die Beendigung des Unternehmensvertrages einig seien, könne stets eine einvernehmliche Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrages zum Ende des laufenden Geschäftsjahres erzielt werden.7) Ein Bedürfnis für eine fristlose Kündigung bestehe dann nicht. Unzumut_____________ 1) 2) 3) 4)
5) 6)
7)
OLG München, Beschl. v. 9.12.2008 – 31 Wx 106/08, ZIP 2009, 2295. OLG München, Beschl. v. 9.12.2008 – 31 Wx 106/08, ZIP 2009, 2295. Weitere Beispiele bei Heurung/Engel/Müller-Thomczik, GmbHR 2012, 1227, 1228 f. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.1994 – 3 Wx 178/94, AG 1995, 137, 138; LG Frankenthal, Urt. v. 4.8.1988 – 2 (HK) O 178/87, AG 1989, 253, 254; LG Duisburg, Beschl. v. 18.10.1993 – 16 T 2/93, ZIP 1994, 299, 300. Jedenfalls für die konzerninterne Veräußerung sieht das ebenso das FG Niedersachsen, Urt. v. 10.5.2012 – 6 K 140/10, NZG 2012, 1119. LG Bochum, Teilurt. v. 1.7.1986 – 12 O 67/86, AG 1987, 323 = BB 1987, 355, 356. Veith/Schmid, DB 2012, 728, 730; Ebenroth/Parche, BB 1989, 637, 642 f.; Laule, AG 1990, 145 ff.; Timm, GmbHR 1987, 8, 14 f.; Wirth, DB 1990, 2105 f.; Ulrich, GmbHR, 2004, 1000, 1001; Joussen, GmbHR 2000, 221, 222; Schwarz, DNotZ 1996, 68, 69; a. A. etwa Knott/Rodewald, BB 1996, 472 ff. Schwarz, DNotZ 1996, 68, 71.
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§ 297
Kündigung
bar sei die Fortführung des Unternehmensvertrages allenfalls dann, wenn ohne die Kündigung die Veräußerung der Anteile unmöglich und wenn ohne die Veräußerung der Bestand des herrschenden Unternehmens gefährdet wäre.8) Die – wenigen – Gegenstimmen halten es für nicht erheblich, dass der Kündigungsgrund von 8 der herrschenden Gesellschaft selbst herbeigeführt werde. Zwar sei grundsätzlich zutreffend, dass derjenige, der die Zerrüttung eines Dauerschuldverhältnisses selbst herbeiführe, in der Regel kein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund habe.9) Eine solche Betrachtungsweise sei hier jedoch verkürzend. Die wirtschaftlichen Umstände, die zur Anteilsveräußerung führten, könnten allgemein konjunkturell, marktspezifisch oder unternehmensbezogen sein. Im Übrigen sei auch die Kündigung nach § 297 Abs. 1 Satz 2 selbst dann möglich, wenn das herrschende Unternehmen die eigene Notlage selbst verschuldet habe. Denn § 297 Abs. 1 Satz 2 lasse die Kündigung durch die herrschende Gesellschaft zu,10) wenn diese glaube, ihren Verpflichtungen aus dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag (§§ 302, 304) nicht nachkommen zu können. Die Kündigungsmöglichkeit stehe ausdrücklich nicht unter dem Vorbehalt, dass das herrschende Unternehmen nicht wegen ihm zuzurechnender Gründe leistungsunfähig sei. Dieser in § 297 Abs. 1 ausgesprochene Rechtsgedanke könne auch auf andere Fälle der Unzumutbarkeit übertragen werden.11) § 297 Abs. 1 belege also mittelbar, dass keine Begrenzung der Kündigungsgründe existiere. b)
Stellungnahme
Das mehrheitlich gegen eine Kündigung aus wichtigem Grund vorgebrachte Argument, 9 das herrschende Unternehmen dürfe sich durch die Anteilsveräußerung nicht einfach selbst einen wichtigen Grund für die Vertragsbeendigung schaffen, überzeugt nicht.12) Dass der geltend gemachte wichtige Grund aus der Sphäre einer der Parteien stammt, ist nur ein Gesichtspunkt unter vielen i. R. der gebotenen Gesamtabwägung. Diese hat zu berücksichtigen, dass der Zeitpunkt des Beteiligungsverkaufs für die herrschende Gesellschaft innerhalb des wirtschaftlich Vernünftigen nur bedingt frei wählbar ist. Oftmals ergibt sich eine Beteiligungsveräußerung aus übergeordneten strategischen Überlegungen. Weiter spielen die Marktverhältnisse und die Vorstellungen der in Frage kommenden Erwerber eine große Rolle. Ein Unternehmens- oder Unternehmensspartenverkauf, der zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich und zu befriedigenden Konditionen möglich ist, kann ein halbes Jahr später bereits nicht mehr oder zumindest so nicht mehr durchführbar sein. Das Gelingen unternehmerisch sinnvoller oder gar gebotener Beteiligungsveräußerungen hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Wesentliche Faktoren unter ihnen (Markt, Käufer, Finanzierungsbedingungen) kann das herrschende Unternehmen nicht beeinflussen. _____________ 8) Wirth, DB 1990, 2105, 2106; Ebenroth/Parche, BB 1990, 637, 643; Scholz-Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rz. 193. 9) So Knott/Rodewald, BB 1996, 472, 473, mit Verweis auf BGH, Urt. v. 11.2.1981 – VIII ZR 312/79, NJW 1981, 1264, 1265; das LG Hamburg, Urt. v. 3.2.2004 – 330 O 29/04, NJW-RR 2005, 187, 188, scheint eine außerordentliche Kündigung ohne Rücksicht darauf zuzulassen, wer die Zerrüttung der Vertrauensgrundlage verschuldet hat. Der BGH hingegen schließt eine außerordentliche Kündigung bei eigenem Verschulden zwar nicht aus, stellt aber durchweg maßgeblich auf die Gesamtabwägung aller Umstände und die Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung ab; vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1965 – VII ZR 202/63, BGHZ 44, 271, 275 f.; BGH, Urt. v. 11.2.1981 – VIII ZR 312/79, NJW 1981, 1264, 1265. 10) Die Vorschrift spricht zwar nur davon, dass die Kündigung eröffnet sei, wenn „der andere Vertragsteil“ (also die herrschende Gesellschaft) ihren Verpflichtungen voraussichtlich nicht nachkommen kann. Kündigen kann nach h. M. dann aber jeder Vertragsteil; Hüffer, AktG, § 297 Rz. 5 m. w. N. 11) Knott/Rodewald, BB 1996, 472, 473 Fn. 21; BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 227 = ZIP 1993, 751. 12) S. näher zu der Begr. i. E. Müller/Dorweiler in: FS Beuthien, S. 183 ff.
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§ 297
Kündigung
10 Auch das Steuerrecht erkennt die Anteilsveräußerung als wichtigen Grund für die Beendigung des Unternehmensvertrages an. Das ist in Abschn. 60 VI KStR festgeschrieben.13) Es mag grundsätzlich zutreffen, dass Wertungen des Steuerrechts für das Gesellschaftsrecht nicht von vornherein maßgebend sind. Diese richtige Erkenntnis schließt es aber umgekehrt auch in keiner Weise aus (vielmehr ist es i. S. einer einheitlichen Rechtsordnung erstrebenswert), dass für das Gesellschaftsrecht zutreffende Wertungen mit denen des Steuerrechts übereinstimmen. Letztlich ist doch entscheidend, zu welchem Ergebnis die zugrunde liegenden Sacherwägungen führen.14) Eine solche Übereinstimmung liegt hier vor. 11 Daher kommt zur Beendigung des Vertrages bei Anteilsveräußerung entgegen der h. M. grundsätzlich die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund analog § 297 Abs. 1 Satz 1 in Betracht. Abgesehen von Fällen evidenten Missbrauchs ist die Anteilsveräußerung als möglicher wichtiger Grund zur Kündigung anzuerkennen. 3.
Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Anteilsveräußerung
12 Der BGH lässt trotz Gegenstimmen in der Literatur15) zu Recht die vertragliche Vereinbarung eines unterjährigen Kündigungsrechts im Unternehmensvertrag für den Fall der Unternehmensveräußerung zu.16) Es handelt sich dabei in der Sache nicht mehr um eine außerordentliche Kündigung, sondern um ein vertraglich vereinbartes Recht zur fristlosen ordentlichen Kündigung mit vertraglicher Fixierung des dafür erforderlichen wichtigen Grundes.17) § 296 Abs. 1 Satz 1 (Aufhebung nur zum Ablauf eines Geschäftsjahres) ist nach der Auffassung des BGH nicht auf die Beendigung des Unternehmensvertrags durch ordentliche Kündigung übertragbar. Somit stehe die Norm einer Kündigungsmöglichkeit vor Ablauf des Geschäftsjahres nicht entgegen18). Allerdings könnte ein Sonderbeschluss der außenstehenden Gesellschafter analog § 297 Abs. 2 notwendig sein. Das Gesetz verlangt den Sonderbeschluss indes nur dann, wenn eine ordentliche Kündigung durch die abhängige Gesellschaft erfolgen soll.19) Wenn die herrschende Gesellschaft kündigt, ist unklar, ob es eines Sonderbeschlusses analog § 297 Abs. 2 bedarf. Das ist richtigerweise nicht der Fall.20) III.
Ordentliche Kündigung
1.
Sonderbeschluss
13 Eigentlich geregelt ist die ordentliche Kündigung in § 297 Abs. 2 nicht. Es wird dort für diesen Fall nur ein Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre verlangt, wenn der Vertrag Ausgleichs- oder Abfindungsregelungen enthält. Für den erforderlichen Sonderbeschluss gelten § 138 sowie entsprechend §§ 293 Abs. 1 Satz 2 und 3, 295 Abs. 2 Satz 3 (§ 297 Abs. 2 Satz 2). Der Sonderbeschluss muss nur dann gefasst werden, wenn der _____________ 13) Dazu FG Niedersachsen, Urt. v. 10.5.2012 – 6 K 140/10, NZG 2012, 1119. Zu diesem Urteil s. a. Heurung/Engel/Thomczik, GmbHR 2012, 1227, 1231 f. 14) Vgl. Laule, AG 1990, 145, 152. 15) Exemplarisch Joussen, GmbHR 2000, 221, 224 der in der Vereinbarung eines gewillkürten wichtigen Kündigungsgrundes einen Verstoß gegen § 297 Abs. 1 und § 296 Abs. 1 sieht, weil die beliebige Vereinbarung wichtiger Kündigungsgründe letztlich eine Beendigung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Zeitpunkt zulasse (nämlich auch unterjährig). Zum anderen könnten die zum Schutz außenstehender Gesellschafter bestehenden Regelungen umgangen werden. 16) BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 228 f. = ZIP 1993, 751. 17) OLG München, Beschl. v. 9.12.2008 – 31 Wx 106/08, ZIP 2009, 2295. 18) BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 228 = ZIP 1993, 751. 19) BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 232 = ZIP 1993, 751. 20) Im Zweifel ist es aber ratsam, rechtzeitig vorher die Auffassung des zuständigen Registergerichts in Erfahrung zu bringen.
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§ 297
Kündigung
Vorstand der abhängigen Gesellschaft kündigen will. Bei Kündigung durch das herrschende Unternehmen gilt § 297 Abs. 2 nach seinem klaren Wortlaut nicht. 2.
Vertragliche Regelung des Kündigungsrechts
Die Parteien können das Recht zur ordentlichen Kündigung im Unternehmensvertrag frei 14 regeln. Sie können Fristen vorsehen, bestimmte Laufzeiten, automatische Verlängerungen im Falle der Nichtkündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt etc. 3.
Kündigung bei fehlender vertraglicher Regelung
Enthält der Unternehmensvertrag überhaupt keine oder nicht vollständige Bestimmungen 15 über die ordentliche Kündigung, gilt das Gesetz. Für die Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1) kann die Kündigung nach § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB dann jederzeit erfolgen, bei Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträgen (§ 292 Abs. 1 Nr. 3) gelten §§ 584, 595 BGB und für Betriebsführungsverträge ist § 671 BGB einschlägig. Bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§ 291; wohl auch einschließlich Teilgewinnabführungsverträgen, § 292 Abs. 1 Nr. 2) dagegen gibt es dann kein Recht zur ordentlichen Kündigung.21) IV.
Rechtsfolgen der Kündigung
Der Vertrag endet durch die wirksame Kündigung, bei der außerordentlichen sofort, bei 16 der ordentlichen zu dem vertraglich vereinbarten oder gesetzlich zugelassenem Zeitpunkt. Die vorgeschriebene Eintragung in das Handelsregister (§ 298) ist nur deklaratorischer Natur.22) Das gilt auch, wenn eine GmbH beherrschte Gesellschaft ist.23) V.
Auswirkungen von Umwandlungsvorgängen
1.
Vorbemerkung
Üblicherweise werden die verschiedenen möglichen Auswirkungen der einzelnen Umwand- 17 lungsarten nicht systematisch geschlossen behandelt, sondern an verschiedenen Stellen, je nachdem, ob nun Kündigungsrechte bestehen, Verträge enden oder sonstige Rechtsfolgen ausgelöst werden. Der schnellen Übersicht halber wird hier ein anderer Weg gewählt und ein kurzer Überblick über die hauptsächlichen Konstellationen von Umwandlungen und ihre Auswirkungen auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gegeben. 2.
Verschmelzung der Obergesellschaft
Bei der Verschmelzung der Obergesellschaft auf die Untergesellschaft (sog. downstream 18 merger) erlischt der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wegen Konfusion.24) 3.
Formwechsel der Obergesellschaft
Durch den Formwechsel verändert die Obergesellschaft nur ihr Rechtskleid. Ihre Identität 19 als Rechtsträger bleibt unangetastet. Genauso wenig ändert sich am Bestand des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags. _____________ 21) H. M., s. etwa Hüffer, AktG, § 297 Rz. 12, 13 m. w. N. 22) OLG München, Beschl. v. 9.12.2008 – 31 Wx 106/08, ZIP 2009, 2295. 23) Veith/Schmid, DB 2012, 728, 731 m. w. N., auch zur Gegenmeinung. S. zur Beendigung bei der GmbH auch § 296 Rz. 5. 24) Krieger, MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 202; Kallmeyer-Marsch-Barner, UmwG, § 20 Rz. 18 – allg. für Unternehmensverträge zwischen übertragendem und übernehmendem Rechtsträger.
Klaus J. Müller
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§ 297
Kündigung
4.
Spaltung der Obergesellschaft
a)
Abspaltung
aa)
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag soll bei der Obergesellschaft verbleiben
20 Bei der Abspaltung überträgt ein Rechtsträger einen Teil seines Vermögens auf einen bestehenden oder neu gegründeten anderen Rechtsträger. Im Gegenzug werden den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers Anteile am übernehmenden Rechtsträger gewährt (§ 123 Abs. 2 UmwG). Die Abspaltung führt also nicht dazu, dass der übertragende Rechtsträger erlischt. Vielmehr bleibt die Obergesellschaft auch weiterhin bestehen. Deshalb besteht auch der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Untergesellschaft fort.25) Allerdings kommt bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Kündigungsrecht der Untergesellschaft aus wichtigem Grund nach § 297 Abs. 1 in Betracht.26) Daran wäre etwa in dem Fall zu denken, dass die Obergesellschaft wesentliche Betriebsteile abspaltet und daher nach der Abspaltung voraussichtlich wirtschaftlich nicht mehr in der Lage ist, ihre Verpflichtungen aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu erfüllen. An einen wichtigen Grund sind aber strenge Maßstäbe anzulegen. Es muss der kündigungswilligen Untergesellschaft unzumutbar sein, den Vertrag fortzuführen. Dabei ist auch zu bedenken, dass § 133 UmwG eine gesamtschuldnerische Haftung der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger anordnet.27) Ferner kann das beherrschte Unternehmen Sicherheit nach §§ 125, 22 UmwG verlangen. Doch sind diese Gesichtspunkte bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, nur mit zu berücksichtigen.28) Von vornherein ausgeschlossen wird das Kündigungsrecht dadurch nicht. bb)
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag soll Bestandteil des abgespaltenen Vermögens sein
21 Es fragt sich, ob ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen Gesellschaft derart auf eine bereits bestehende oder neu gegründete Gesellschaft abgespalten werden kann, dass nach der Abspaltung der übernehmende Rechtsträger das herrschende Unternehmen aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist. Die Problematik drängt sich auf: die abhängige Gesellschaft und ihre Gesellschafter bekämen dadurch einen anderen Vertragspartner. Im Hinblick auf ihre Ausgleichs- und Abfindungsansprüche wird sie das möglicherweise beunruhigen. Aus diesem Grund mag man die Übertragung der Stellung als herrschendes Unternehmen im Wege der Spaltung anzweifeln. Manche halten eine Zuordnung auf den oder einen der übernehmenden Rechtsträger aber für möglich.29) Zur Rechtfertigung könnte man auch hier wieder auf §§ 125, 22 UmwG und § 133 UmwG verweisen. Die Interessen der abhängigen Gesellschaft werden dadurch zumindest zum Teil berücksichtigt. Außerdem spricht für die Abspaltbarkeit der Stellung als „anderer Vertragsteil“ eines Unternehmensvertrages die Parallele mit der Verschmelzung der Obergesellschaft auf einen dritten Rechtsträger. Auch in diesem Fall bekommt die Untergesellschaft einen neuen Vertragspartner. Gleichwohl ist der Übergang des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages auf den dritten _____________ 25) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 126; Gutzler, Übertragungshindernisse bei der Unternehmensspaltung, S. 122. 26) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 206; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 126. 27) Dazu i. E. Müller, DB 2001, 2637. 28) So kommt etwa nach Gutheil, S. 233, eine Kündigung gemäß § 297 Abs. 1 AktG erst nach Ablauf der Nachhaftungsfristen des § 133 Abs. 3 und 4 UmwG in Betracht. 29) Heidenhain, NJW 1995, 2873, 2877 – nur die gleichzeitige Zuordnung zu mehreren übernehmenden Rechtsträgern sei nicht denkbar; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 47.
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§ 297
Kündigung
Rechtsträger anerkannt. Insofern sollte auch die Stellung als herrschendes Unternehmen bei der Abspaltung übergehen können. Man mag allenfalls den außenstehenden Aktionären der Untergesellschaft ein Recht auf Anpassung eines eventuellen variablen Ausgleiches und auf ein erneutes Abfindungsgebot30) und der Untergesellschaft selbst ein Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund nach § 297 Abs. 1 zugestehen. b)
Ausgliederung
Für die Ausgliederung gilt das oben zur Abspaltung Gesagte grundsätzlich entsprechend. 22 Sie unterscheidet sich von der Abspaltung allerdings dadurch, dass die Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger nicht den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers gewährt werden, sondern dem übertragenden Rechtsträger selbst (§ 123 Abs. 3 UmwG). Deswegen ändert sich die Lage hier allein im Hinblick auf ein mögliches Recht der Untergesellschaft zur Kündigung aus wichtigem Grund für den Fall, dass der Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag bei der ausgliedernden Gesellschaft bleiben soll. Deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird dann durch die Ausgliederung nicht berührt. Sie erhält im Gegenzug für die Übertragung ihrer ausgegliederten Vermögensteile Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger. Folglich ist hier weniger Raum für ein Kündigungsrecht der Untergesellschaft als bei der Abspaltung. Für den Fall, dass der Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag Bestandteil des ausgegliederten Vermögens sein soll, ergeben sich zur Abspaltung freilich keine Unterschiede. c)
Aufspaltung
Bei der Aufspaltung überträgt der übertragende Rechtsträger sein gesamtes Vermögen auf 23 andere bestehende oder neu gegründete Rechtsträger; er selbst erlischt dabei (§ 123 Abs. 1 UmwG). Bei der Aufspaltung auf mehrere – mindestens zwei – übernehmende Rechtsträger ist zu- 24 nächst denkbar, dass der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag den mehreren übernehmenden Rechtsträgern gemeinsam zugeordnet werden soll. Dies wird indes ganz überwiegend für unmöglich gehalten.31) Vielmehr endet der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag dann automatisch.32) Andere sehen in der Zuordnung zu mehreren übernehmenden Rechtsträgern zutreffend Ähnlichkeiten mit dem Vertragsbeitritt.33) Diesen aber ordnet die h. M. als Vertragsänderung i. S. des § 295 ein.34) Da die Aufspaltung auf mehrere übernehmende Rechtsträger wie der Vertragsbeitritt dazu führt, dass die abhängige Gesellschaft zwei Vertragspartner als herrschende Unternehmen bekommt, ist § 295 entsprechend anzuwenden.35) Danach ist folglich die Zustimmung der Hauptversammlung der Untergesellschaft zu dem beschriebenen Vorgehen erforderlich. Es ist jedoch bei der Aufspaltung auf mehrere übernehmende Rechtsträger auch denkbar, 25 dass der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen Gesellschaft nur einem der übernehmenden Rechtsträger zugeordnet werden soll. Auch hier könnte man zunächst annehmen, dass der Unternehmensvertrag automatisch ende. Denn die Interessen der abhängigen Gesellschaft und ihrer Gesellschafter sind nicht unmaßgeblich betroffen, etwa im Hinblick auf Ausgleichs- und Abfindungsansprüche. Doch dürfte den _____________ Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 207. Krieger, ZGR 1990, 517, 542; Heidenhain, NJW 1995, 2873, 2877. Kallmeyer-Kallmeyer/Sickinger, UmwG, § 126 Rz. 26. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 129. BGH, Urt. v. 15.6.1992 – II ZR 18/91 (ASEA/BBC I), BGHZ 119, 1, w. N. bei Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 295 Rz. 5, Fn. 16. 35) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 129.
30) 31) 32) 33) 34)
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Interessen der verpflichteten Gesellschaft mit einem Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 297 Abs. 1 Genüge getan sein.36) Dafür spricht – wie bei der Zuordnung des Unternehmensvertrages zum übertragenen Vermögen bei der Abspaltung – die Parallele zur Verschmelzung. Auch dort geht, wenn die Obergesellschaft auf einen dritten Rechtsträger verschmolzen wird, die Obergesellschaft unter. Gleichwohl besteht der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit dem übernehmenden Rechtsträger fort und es wird nur ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 297 Abs. 1 gewährt. Es besteht kein Grund, hier anders zu entscheiden. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kann also einem der übernehmenden Rechtsträger zugeordnet werden.37) Die Untergesellschaft ist aber – bei Vorliegen der Voraussetzungen – zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. 5.
Verschmelzung der Untergesellschaft
a)
Verschmelzung der Untergesellschaft auf dritten Rechtsträger
26 Wenn die Untergesellschaft auf einen dritten Rechtsträger verschmolzen wird, erlischt sie als eigene Rechtspersönlichkeit (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Ihr Vermögen geht einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger über (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Doch gilt das nicht für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag; dieser wird vielmehr durch die Verschmelzung beendet.38) Denn sonst würde die Stellung als abhängige Gesellschaft aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag dem übernehmenden Rechtsträger geradezu aufgestülpt. Eine Entscheidung für einen Organisationsvertrag ohne ausdrückliche Beteiligung der Organe und vor allem Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers ist aber nicht möglich. Ferner stünde man andernfalls vor dem Problem, wie etwaige außenstehende Gesellschafter in der übernehmenden Gesellschaft zu entschädigen sind.39) Bei Verschmelzung der verpflichteten Gesellschaft auf einen dritten Rechtsträger endet also ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.40) b)
Verschmelzung eines dritten Rechtsträgers auf die Untergesellschaft
27 Eine Verschmelzung, bei der die Untergesellschaft der übernehmende Rechtsträger ist, lässt den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag unberührt.41) Anderes gilt gemäß § 307 nur dann, wenn die Untergesellschaft bei Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages keine außenstehenden Aktionäre hatte, solche aber als Folge der Verschmelzung erstmalig beteiligt werden: in diesem Fall endet der Vertrag zum Ende des laufenden Geschäftsjahres. 28 Allerdings verändert sich das Vermögen der abhängigen Gesellschaft im Zuge der Verschmelzung. Zum einen können die als Folge der Verschmelzung etwa hinzukommenden _____________ 36) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 128; Heidenhain, NJW 1995, 2873, 2877. 37) Krieger, ZGR 1990, 517, 542. 38) H. M.: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.8.1994 – 15 W 19/94, ZIP 1994, 1529, 1531; LG Mannheim, Beschl. v. 30.5.1994 – 23 AktE 1/90, ZIP 1994, 1024; Lutter-Grunewald, UmwG, § 20 Rz. 36; Emmerich/ Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 39. Zweifelnd allerdings Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 131 – „Bedenken, dass eine Vertragspartei sich nicht durch ihre Entscheidung für eine Umwandlung ihrer Pflichten aus einem Dauerschuldverhältnis entziehen können sollte; der Fragenkreis dürfte insoweit noch nicht vollständig geklärt sein“; krit. auch Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 682. 39) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 291 Rz. 51. 40) Zu einer möglicherweise abweichenden Beurteilung bei den Unternehmensverträgen i. S. des § 292 (Gewinngemeinschaft, Teilgewinnabführung, Betriebspacht, Betriebsüberlassung, Betriebsführung) s. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 132. 41) H. M.: Lutter-Grunewald, UmwG, § 20 Rz. 35; Kallmeyer-Marsch-Barner, UmwG, § 20 Rz. 19; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 41.
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§ 297
Kündigung
Gesellschafter der Untergesellschaft in den Genuss der beherrschungsvertraglichen Ausgleichs- und Abfindungsregelungen kommen.42) Und zum anderen ist eine nachteilige Veränderung der Verhältnisse in der Untergesellschaft und somit ein vergrößertes Risiko für die Obergesellschaft nicht auszuschließen, Verlustausgleich leisten zu müssen. Daher ist der Obergesellschaft ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrages zu gewähren.43) Schließlich kommt es, gerade bei Konzernrestrukturierungen, auch vor, dass die Unter- 29 gesellschaft auf die herrschende Gesellschaft verschmolzen wird (sog. upstream merger). In einem derartigen Fall tritt wie beim downstream merger Konfusion ein. Es ist kein zweiter Vertragspartner mehr vorhanden, da die Untergesellschaft erlischt. Mit ihr erlischt auch der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.44) 6.
Formwechsel der Untergesellschaft
Der Formwechsel lässt die Identität der abhängigen Gesellschaft als solche unberührt und 30 ist deshalb für das Bestehen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages grundsätzlich unbeachtlich.45) Etwas anderes gilt, wenn die abhängige Gesellschaft die Rechtsform einer Gesellschaft annimmt, mit der kein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als abhängiger Gesellschaft geschlossen werden kann. Unzweifelhaft möglich ist der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einer AG, KGaA oder GmbH als abhängiger Gesellschaft.46) Denkbar ist jedenfalls ein Beherrschungsvertrag auch mit einer GmbH & Co. KG als beherrschter Gesellschaft. Dagegen wird der Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit einer Personengesellschaft, bei der natürliche Personen im Außenverhältnis unbeschränkt haften, zum Teil für unzulässig gehalten. Dies sei nicht mit der Privatautonomie vereinbar.47) Man könnte hier allenfalls dann die Zulässigkeit erwägen, wenn alle Gesellschafter zustimmen und das herrschende Unternehmen die Mitgesellschafter im Innenverhältnis von ihrer unbeschränkten Haftung im Außenverhältnis freistellt. 7.
Spaltung der Untergesellschaft
a)
Abspaltung
Bei einer Abspaltung durch die abhängige Gesellschaft besteht der Beherrschungs- und 31 Gewinnabführungsvertrag mit der herrschenden Gesellschaft grundsätzlich fort.48) Doch hat die herrschende Gesellschaft bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen –
_____________ 42) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 133; differenzierend Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 205 – nur – neu zu berechnender – Ausgleich, dagegen keine Abfindung, wenn Frist nach § 305 Abs. 4 AktG schon abgelaufen. 43) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 205; Krieger, ZGR 1990, 517, 536; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 133. 44) Krieger, ZGR 1990, 517, 533; Lutter-Grunewald, UmwG, § 20 Rz. 40 – „gegenstandslos“; Emmerich/ Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 38; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 130. 45) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 45; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 137. 46) Zur GmbH als abhängiger Gesellschaft s. BGH, Beschl. v. 24.10.1988 – II ZB 7/88 (Supermarkt), BGHZ 105, 324, 334 = ZIP 1989, 29; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.1994 – 3 Wx 178/94 (Rütgerswerke AG), AG 1995, 137. 47) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 291 Rz. 19; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 45 – in einem solchen Falle könne § 138 BGB entgegenstehen. 48) Kallmeyer-Kallmeyer/Sickinger, UmwG, § 126 Rz. 26; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 135; Heidenhain, NJW 1995, 2873, 2877.
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§ 297
Kündigung
dazu oben Rz. 28 – ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 297 Abs. 1 aus wichtigem Grund.49) 32 Fraglich ist allerdings, ob darüber hinaus gerade der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Bestandteil der abgespaltenen Vermögensteile sein kann. Bei der Spaltung zur Aufnahme kann der übernehmende Rechtsträger ohne seine Mitwirkung nicht gebunden werden.50) Die Situation ist mit der bei der Verschmelzung der Untergesellschaft auf einen dritten Rechtsträger vergleichbar. Bei einer Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung kann sich der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aber auf den neu gegründeten Rechtsträger erstrecken.51) Für eine derartige Erstreckung spricht, dass bei der Spaltung zur Neugründung vor und nach der Spaltung wirtschaftlich dieselben Beteiligten betroffen sind.52) b)
Ausgliederung
33 Die Ausgliederung unterscheidet sich von der Abspaltung nur dadurch, dass die Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger nicht den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträges (so bei der Abspaltung), sondern dem übertragenden Rechtsträger selbst gewährt werden. Insofern wird grundsätzlich auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Ein Unterschied mag sich freilich insofern ergeben, als die Obergesellschaft bei der Ausgliederung nicht mehr unmittelbar ihr Weisungsrecht gemäß § 308 in Bezug auf die ausgegliederten Vermögensteile ausüben kann. Dann ist ein Kündigungsrecht der Obergesellschaft nach § 297 Abs. 1 zu prüfen. c)
Aufspaltung
34 Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wird durch die Aufspaltung zur Aufnahme grundsätzlich beendet, da der aufnehmende Rechtsträger ohne Beteiligung seiner Organe nicht in die Rechte und Pflichten des – erlöschenden (§ 123 Abs. 1 UmwG) – übertragenden Rechtsträgers eintreten kann.53) Nur bei der Aufspaltung zur Neugründung kann der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag auf die neu gegründeten Gesellschaften übertragen werden, da wirtschaftlich hier dieselben Beteiligten vor und nach der Spaltung betroffen sind.54) Auch die Zuweisung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages an nur einen der übernehmenden neugegründeten Rechtsträger kommt in Betracht; die Obergesellschaft dürfte dann allerdings ein Kündigungsrecht unter den Voraussetzungen des § 297 Abs. 1 haben. VI.
Beendigung durch Insolvenz
35 Der Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag endet nach h. M. ohne weiteres Zutun, wenn über das Vermögen einer der beiden Parteien das Insolvenzverfahren eröffnet _____________ 49) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 135; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 47. 50) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 47; Heidenhain, NJW 1995, 2873, 2877; LutterTeichmann, § 132 UmwG Rz. 52 – es könne nicht angenommen werden, dass die aufnehmenden Rechtsträger zu abhängigen Unternehmen werden wollen. Generell – ohne Begründung – gegen die Abspaltung des Beherrschungsvertrages von der Untergesellschaft auf einen Dritten durch Spaltung zur Aufnahme Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4 § 70 Rz. 207 und ganz generell gegen die „Abspaltung des Unternehmensvertrages“ Krieger, ZGR 1990, 517, 542. 51) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 47; Kallmeyer-Kallmeyer/Sickinger, UmwG, § 126 Rz. 26; a. A. Heidenhain, NJW 1995, 2873, 2877. 52) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 135. 53) Kallmeyer-Kallmeyer/Sickinger, UmwG, § 126 Rz. 26; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 47. 54) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 297 Rz. 134; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 297 AktG Rz. 47.
1440
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§ 298
Anmeldung und Eintragung
wird.55) Doch bleibe dabei nach Stimmen in der Literatur unberücksichtigt, dass die in Insolvenz geratene Obergesellschaft ein Interesse am Fortbestand gerade eines Gewinnabführungsvertrages haben könne, jedenfalls sei eine ergänzende Vertragsauslegung mit dem Inhalt der Vertragsbeendigung eine wirklichkeitsferne Unterstellung.56) Insoweit sei eher eine außerordentliche Kündigung eröffnet.57) Richtig daran ist, dass es gewiss im Interesse der Obergesellschaft (bzw. ihres Insolvenzverwalters) liegt, den Vertrag als laufende Einnahmequelle aufrechtzuerhalten. Doch ist bei der ergänzenden Vertragsauslegung mit Blick auf einen nicht geregelten Punkt zu fragen, worauf die eine Partei sich redlicherweise hätte eingelassen, wäre der Punkt von der anderen Seite aufgebracht worden. Und insoweit erscheint eine Auslegung, die zur Beendigung des Vertrages bei Insolvenz führt, jedenfalls nicht fernliegend. _____________ 55) K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 297 Rz. 30; Freudenberg, ZIP 2009, 2037, 2038 m. w. N. zu dieser h. M. – der er freilich, zumindest für die Insolvenz der Obergesellschaft, nicht folgt. 56) Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 580. 57) Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 581.
§ 298 Anmeldung und Eintragung Der Vorstand der Gesellschaft hat die Beendigung eines Unternehmensvertrags, den Grund und den Zeitpunkt der Beendigung unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Literatur: Freudenberg, Der Fortbestand des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in der Insolvenz der Konzernobergesellschaft, ZIP 2009, 2037; Mühl/Wagenseil, Der Gewinnabführungsvertrag – gesellschafts- und steuerrechtliche Aspekte, NZG 2009, 1253; Veith/Schmid, Abschluss und Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbHKonzern, DB 2012, 728.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Anmeldung ........................................ 2 I.
III. Eintragung/Verzicht/ Sicherheitsleistung ............................ 3
Überblick
Wie § 294 die Anmeldung des Bestehens des Unternehmensvertrages zur Eintragung in das 1 Handelsregister vorschreibt, so regelt § 298 die Anmeldepflicht für die Beendigung eines Unternehmensvertrages. Wie § 294 dient § 298 der Information des Rechtsverkehrs. Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass nach § 294 Abs. 2 die Eintragung des Vertrages in das Handelsregister Wirksamkeitsvoraussetzung ist, also konstitutive Wirkung hat. Bei der Beendigung ist das nicht der Fall. Sie erfolgt wirksam bereits durch Kündigung oder Aufhebung oder einen sonstigen Erlöschensgrund (wie etwa die Insolvenz einer der beiden Vertragsparteien).1) Die Handelsregistereintragung ist also bei § 298 nur deklaratorisch.2) Das gilt auch für Unternehmensverträge im GmbH-Konzern.3) _____________ 1) 2) 3)
Zu dieser h. M. krit. Freudenberg, ZIP 2009, 2037 ff. Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253, 1257. Veith/Schmid, DB 2012, 728, 731.
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§ 299 II.
Ausschluß von Weisungen Anmeldung
2 Die Anmeldung der Beendigung hat unverzüglich in öffentlich beglaubigter Form (§ 12 HGB) durch den Vorstand der Untergesellschaft zu erfolgen. Wird der Vorstand nicht tätig, kann ein Zwangsgeld nach § 145 HGB festgesetzt werden. Anlagen zur Anmeldung schreibt § 298 nicht vor. Das Registergericht ist aber nach § 26 FamFG berechtigt, Unterlagen anzufordern, aus denen es die Richtigkeit der Anmeldung ersehen kann (wie z. B. ein Kündigungsschreiben oder einen Aufhebungsvertrag). Es empfiehlt sich daher, diese Unterlagen bereits der Anmeldung beizufügen, um das Eintragungsverfahren nicht in die Länge zu ziehen. III.
Eintragung/Verzicht/Sicherheitsleistung
3 Hat das Registergericht nach Prüfung der Anmeldung und ggf. weiterer Unterlagen keine Beanstandungen, verfügt es die Eintragung der Beendigung sowie deren Grund und Zeitpunkt. Die Eintragung wird nach § 10 HGB bekannt gemacht. 4 Diese Bekanntmachung ist der zeitliche Beginn für den Lauf mehrerer Fristen aus dem Unternehmensvertragskonzernrecht: Zum einen hat die Untergesellschaft bei einem Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag nach § 302 Abs. 1 einen Verlustausgleichsanspruch. Auf diesen Anspruch kann sie nach § 302 Abs. 3 Satz 1 frühestens drei Jahre nach der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrages verzichten. Ferner verjährt dieser Anspruch nach § 302 Abs. 4 in zehn Jahren nach Bekanntmachung der Eintragung. Und schließlich muss die herrschende Gesellschaft bei einem Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag den Gläubigern der beherrschten Gesellschaft nach § 303 Sicherheit leisten. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich die Gläubiger binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung melden (§ 303 Abs. 1 Satz 1 a. E.).
§ 299 Ausschluß von Weisungen Auf Grund eines Unternehmensvertrags kann der Gesellschaft nicht die Weisung erteilt werden, den Vertrag zu ändern, aufrechtzuerhalten oder zu beendigen. Literatur: Mühl/Wagenseil, Der Gewinnabführungsvertrag – gesellschafts- und steuerrechtliche Aspekte, NZG 2009, 1253; Sonnenschein, Der aktienrechtliche Vertragskonzern im Unternehmensrecht, ZGR 1981, 429.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 I.
II. Verbotene Weisungen ....................... 2
Überblick
1 Beim Beherrschungsvertrag hat das herrschende Unternehmen ein Weisungsrecht nach § 308. § 299 will verhindern, dass über dieses Weisungsrecht die Entscheidungsbefugnis des Vorstands der beherrschten Gesellschaft i. R. seiner Leitungsmacht über Abschluss und Inhalt des Unternehmensvertrages selbst ausgehöhlt wird. Könnte das herrschende Unternehmen nämlich zur Änderung, Aufrechterhaltung oder Beendigung des Vertrages Weisungen erteilen, bestünde die Leitungsmacht des Vorstands der beherrschten Gesellschaft insoweit nur auf dem Papier. Freilich ist bei engen Konzernverflechtungen rein tatsächlich nicht auszuschließen, dass – ohne dass eine Weisung i. S. des § 308 erteilt wird 1442
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§ 300
Gesetzliche Rücklage
– der Vorstand der beherrschten Gesellschaft aufgrund faktischer persönlicher Abhängigkeiten kündigt; darin liegt eine Schutzlücke des Gesetzes.1) II.
Verbotene Weisungen
Verboten sind alle Weisungen, die sich auf die Änderung, Fortführung oder Beendigung des 2 Beherrschungsvertrages beziehen. Wenn der Beherrschungsvertrag zusammen mit einem Gewinnabführungsvertrag oder mit einem anderen Unternehmensvertrag abgeschlossen worden ist, werden auch diese anderen Verträge von dem Verbot des § 299 erfasst. Die nach § 299 verbotene Weisung ist wegen Verstoßes gegen ein Gesetz nichtig (§ 134 BGB). Der Vorstand der Untergesellschaft darf sie nicht ausführen. Anderenfalls macht er sich nach §§ 93 Abs. 2, 310 Abs. 1 schadensersatzpflichtig.2) Für die Anwendbarkeit der Vorschrift muss immer (zumindest) ein Beherrschungsver- 3 trag vorliegen. Das steht zwar nicht in § 299, der nur von einem Unternehmensvertrag handelt. Doch ergibt es sich mittelbar daraus, dass nur beim Beherrschungsvertrag das Weisungsrecht des § 308 besteht. _____________ 1) 2)
Sonnenschein, ZGR 1981, 429, 439. Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253, 1257.
Dritter Abschnitt Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger § 300 Gesetzliche Rücklage In die gesetzliche Rücklage sind an Stelle des in § 150 Abs. 2 bestimmten Betrags einzustellen, 1. wenn ein Gewinnabführungsvertrag besteht, aus dem ohne die Gewinnabführung entstehenden, um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschuß der Betrag, der erforderlich ist, um die gesetzliche Rücklage unter Hinzurechnung einer Kapitalrücklage innerhalb der ersten fünf Geschäftsjahre, die während des Bestehens des Vertrags oder nach Durchführung einer Kapitalerhöhung beginnen, gleichmäßig auf den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals aufzufüllen, mindestens aber der in Nummer 2 bestimmte Betrag; 2. wenn ein Teilgewinnabführungsvertrag besteht, der Betrag, der nach § 150 Abs. 2 aus dem ohne die Gewinnabführung entstehenden, um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschuß in die gesetzliche Rücklage einzustellen wäre; 3. wenn ein Beherrschungsvertrag besteht, ohne daß die Gesellschaft auch zur Abführung ihres ganzen Gewinns verpflichtet ist, der zur Auffüllung der gesetzlichen Rücklage nach Nummer 1 erforderliche Betrag, mindestens aber der in § 150 Abs. 2 oder, wenn die Gesellschaft verpflichtet ist, ihren Gewinn zum Teil abzuführen, der in Nummer 2 bestimmte Betrag. Literatur: Mühl/Wagenseil, Der Gewinnabführungsvertrag – gesellschafts- und steuerrechtliche Aspekte, NZG 2009, 1253.
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§ 300
Gesetzliche Rücklage Übersicht
I. Überblick ........................................... 1 II. Gewinnabführungsvertrag (§ 300 Nr. 1) ...................................... 2 I.
III. Teilgewinnabführungsvertrag (§ 300 Nr. 2) ....................................... 3 IV. Beherrschungsvertrag (§ 300 Nr. 3) ....................................... 4
Überblick
1 Nach § 150 Abs. 1 hat jede AG eine gesetzliche Rücklage zu bilden. In diese ist nach § 150 Abs. 2 so lange jährlich der zwanzigste Teil des Jahresüberschusses einzustellen, bis der zehnte Teil des Grundkapitals erreicht wird. Diesen hier verkürzt wiedergegebenen Grundsatz passt § 300 den Besonderheiten von Gewinnabführungsvertrag, Teilgewinnabführungsvertrag und Beherrschungsvertrag an. Im Vordergrund steht dabei der Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubiger durch ein schnelleres Auffüllen der gesetzlichen Rücklage. Der Begriff der gesetzlichen Rücklage ist derselbe wie in § 150. Das gesetzlich vorgeschriebene Soll ist erfüllt, wenn der eingestellte Betrag und die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 – 3 HGB (Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB werden also nicht berücksichtigt) zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen. Freilich kann die Satzung eine höhere Grenze vorsehen.1) Im Falle von Gewinnabführungsverträgen, Teilgewinnabführungsverträgen und Beherrschungsverträgen tritt an die Stelle des § 150 Abs. 2 die speziellere Regelung des § 300, was die Auffüllung der gesetzlichen Rücklage angeht. Für die Verwendung der gesetzlichen Rücklage verbleibt es hingegen bei der Regelung in § 150 Abs. 3 und Abs. 4. II.
Gewinnabführungsvertrag (§ 300 Nr. 1)
2 Die Rücklage wird gebildet, indem der um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderte – ohne die Gewinnabführung ermittelte – Jahresüberschuss in der bestimmten Höhe eingestellt wird. Wenn mangels Jahresüberschusses oder bei übersteigendem Verlustvortrag die Rücklage nicht dotiert werden kann, ist dies zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Dabei ist in der Regel ein solcher Betrag einzustellen, der erforderlich ist, um die gesetzliche Rücklage innerhalb der ersten fünf Geschäftsjahre, die während des Bestehens des Gewinnabführungsvertrages beginnen, gleichmäßig auf den zehnten Teil des Grundkapitals aufzufüllen. Das bedeutet also, dass in der Regel der fünfte Teil des Unterschiedsbetrages zwischen bei Abschluss des Vertrages schon gebildeter und gesetzlich vorgeschriebener Rücklage eingestellt wird. Diese Berechnung wiederum kann dazu führen, wenn die gesetzliche Rücklage bei Abschluss des Gewinnabführungsvertrages schon weitgehend aufgefüllt ist, dass der aus der vorbeschriebenen Differenz errechnete regelmäßige Zuführungsbetrag unter dem Betrag liegt, der nach § 150 Abs. 2 abzuführen gewesen wäre, wenn man die Gewinnabführung außer Betracht ließe. In einem solchen Fall bildet dieser Betrag die Mindestzuführung. Unter den zwanzigsten Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses darf die Rücklagenzuführung also nicht absinken (§ 300 Nr. 1 a. E., Nr. 2, § 150 Abs. 2). III.
Teilgewinnabführungsvertrag (§ 300 Nr. 2)
3 Beim Teilgewinnabführungsvertrag knüpft das Gesetz an die „normale“ Regelung aus § 150 Abs. 2 an. Maßgeblich ist – wie bei § 300 Nr. 1 auch – der Jahresüberschuss, wie er sich ohne die Gewinnabführung ergäbe. Eine gegenüber dem § 150 Abs. 2 abweichende schnellere _____________ 1)
Aber natürlich nicht eine niedrigere, Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253, 1256.
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§ 301
Höchstbetrag der Gewinnabführung
Rücklagenbildung wie bei § 300 Nr. 1 ist beim Teilgewinnabführungsvertrag nicht vorgesehen. IV.
Beherrschungsvertrag (§ 300 Nr. 3)
§ 300 Nr. 3 bezieht sich dem Wortlaut nach auf den isolierten Beherrschungsvertrag. Im 4 Grunde wird auf die für den Gewinnabführungsvertrag nach § 300 Nr. 1 geltende Regelung der Rücklagenauffüllung verwiesen, einschließlich der auch dort vorgesehenen Mindestzuführung nach § 150 Abs. 2.
§ 301 Höchstbetrag der Gewinnabführung 1
Eine Gesellschaft kann, gleichgültig welche Vereinbarungen über die Berechnung des abzuführenden Gewinns getroffen worden sind, als ihren Gewinn höchstens den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr, um den Betrag, der nach § 300 in die gesetzlichen Rücklagen einzustellen ist, und den nach § 268 Abs. 8 des Handelsgesetzbuchs ausschüttungsgesperrten Betrag, abführen. 2Sind während der Dauer des Vertrags Beträge in andere Gewinnrücklagen eingestellt worden, so können diese Beträge den anderen Gewinnrücklagen entnommen und als Gewinn abgeführt werden.
Literatur: Apfelbacher, Zur Frage der Anwendbarkeit der gesetzlichen Ausschüttungssperre des § 268 Abs. 8 HGB und der gesetzlichen Abführungssperre des § 301 Satz 1 AktG auf Hybridkapital von Aktiengesellschaften, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 13; Mühl/ Wagenseil, Der Gewinnabführungsvertrag – gesellschafts- und steuerrechtliche Aspekte, NZG 2009, 1253; Neumayer/Imschweiler, Aktuelle Rechtsfragen zur Gestaltung und Durchführung von Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 2011, 57.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Höchstbetrag der Gewinnabführung ........................................... 2 I.
III. Andere Gewinnrücklagen ................ 3
Überblick
Die Vorschrift beschäftigt sich ausschließlich mit Gewinnabführungsverträgen (§ 291 1 Abs. 1 Satz 1) und Teilgewinnabführungsverträgen (§ 292 Abs. 1 Nr. 2). Ihr Zweck ist die Kapitalsicherung. Es soll durch die Gewinnabführung nicht zu Verlusten kommen. Die Regelung ist zwingend („gleichgültig welche Vereinbarungen über die Berechnung … getroffen worden sind“).1) Gleichwohl abgeführte Beträge sind zurückzugewähren.2) II.
Höchstbetrag der Gewinnabführung
Wie bei § 300 ist Ausgangspunkt für die Berechnung der Jahresüberschuss, der sich er- 2 gäbe, wenn keine Gewinnabführungspflicht bestünde (§ 301 Satz 1). Von diesem Jahres_____________ 1) 2)
Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57, 58. Überblick zu den diskutierten Rechtsgrundlagen für diesen – als solchen unzweifelhaften – Rückgewähranspruch bei Apfelbacher in: FS Hoffmann-Becking, S. 13, 15 f.
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1445
§ 302
Verlustübernahme
überschuss ist ein Verlustvortrag aus dem Vorjahr abzusetzen. Von dem sich dadurch ergebenden Betrag ist der Betrag abzuziehen, der nach § 300 in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist. Der sich danach ergebende Betrag ist schließlich um den nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag zu kürzen. Diese Kürzung soll vermeiden, dass selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter bei der Untergesellschaft zu Gewinnabführungs- und damit mittelbar bei der Obergesellschaft zu Ausschüttungspotential führen.3) Der sich nach diesen Abzügen (§ 301 Satz 1) ergebende Betrag ist der Höchstbetrag der Gewinnabführung.4) III.
Andere Gewinnrücklagen
3 Nach § 301 Satz 2 können neben dem Höchstbetrag der Gewinnabführung, wie er sich nach der Berechnung gemäß § 301 Satz 1 ergibt, ferner Beträge abgeführt werden, die während der Laufzeit des Vertrags in andere Gewinnrücklagen eingestellt und für die Abführung entnommen worden sind. Dagegen können Gewinnrücklagen, die vor dem Abschluss des Unternehmensvertrages gebildet worden sind, nach dem Wortlaut des § 301 Satz 2 nicht für die Gewinnabführung verwendet werden. _____________ 3) 4)
Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57, 58. Praktisches Berechnungsbeispiel bei Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253, 1256.
§ 302 Verlustübernahme (1) Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, daß den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. (2) Hat eine abhängige Gesellschaft den Betrieb ihres Unternehmens dem herrschenden Unternehmen verpachtet oder sonst überlassen, so hat das herrschende Unternehmen jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit die vereinbarte Gegenleistung das angemessene Entgelt nicht erreicht. (3) 1Die Gesellschaft kann auf den Anspruch auf Ausgleich erst drei Jahre nach dem Tage, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist, verzichten oder sich über ihn vergleichen. 2Dies gilt nicht, wenn der Ausgleichspflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. 3Der Verzicht oder Vergleich wird nur wirksam, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. (4) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in zehn Jahren seit dem Tag, an dem die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist. Literatur: Altmeppen, Zur Entstehung, Fälligkeit und Höhe des Verlustausgleichsanspruches nach § 302 AktG, DB 1999, 2453; Kleindiek, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht,
1446
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§ 302
Verlustübernahme
ZIP 1988, 613; Mühl/Wagenseil, Der Gewinnabführungsvertrag – gesellschafts- und steuerrechtliche Aspekte, NZG 2009, 1253; Neumayer/Imschweiler, Aktuelle Rechtsfragen zur Gestaltung und Durchführung von Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 2011, 57.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Ausgleichspflicht bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen (§ 302 Abs. 1) ..................................... 3 1. Voraussetzungen ................................ 3 2. Rechtsfolgen ....................................... 7 III. Parteien des Schuldverhältnisses ........................................... 10 I.
IV. Ausgleichspflicht bei Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträgen im Abhängigkeitsverhältnis (§ 302 Abs. 2) ...................... 1. Voraussetzungen .............................. 2. Rechtsfolgen ..................................... V. Einschränkung der Dispositionsbefugnis (§ 302 Abs. 3) ..................... VI. Verjährung (§ 302 Abs. 4) ..............
11 11 12 13 15
Überblick
In den Fällen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291) oder eines 1 Betriebspacht- oder eines Betriebsüberlassungsvertrages (§ 292 Abs. 1 Nr. 3) im Abhängigkeitsverhältnis hat die Obergesellschaft jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen (§ 302 Abs. 1 und Abs. 2). Hauptsächlich damit verfolgter Zweck ist es, das Kapital zu erhalten, oder, genauer gesagt, einen Ausgleich für die Lockerung der Kapitalbindung und überhaupt die grundlegende strukturelle Veränderung beim Unternehmensvertrag zu schaffen. Durch § 291 Abs. 3 werden beim Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag die ansonsten geltenden Vermögensbindungsvorschriften der §§ 57, 58 und 60 außer Kraft gesetzt. Über das Weisungsrecht aus § 308 kann die Obergesellschaft sehr weitgehend auf einzelne Entscheidungen auf der Ebene der Untergesellschaft Einfluss nehmen. Als Korrelat für diese Gefährdungen1) ordnet das Gesetz mit § 302 die Verlustausgleichspflicht durch die Obergesellschaft an. Auf diesen Anspruch kann die Untergesellschaft frühestens drei Jahre nach Beendigung des Vertrages verzichten (§ 302 Abs. 3). Ferner verjähren Ansprüche auf Verlustausgleich erst in zehn Jahren nach Beendigung des Unternehmensvertrages (§ 302 Abs. 4). Diese eingeschränkte Verzichtsund Vergleichsmöglichkeit sowie die verhältnismäßig lange Verjährungsfrist sollen die Verlustübernahmepflicht absichern. Die Verlustübernahmepflicht aus § 302 ist zwar keine Vertragshaftung, sondern stellt ein 2 gesetzliches Schuldverhältnis dar. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis knüpft nur tatbestandlich an das Bestehen des jeweiligen Unternehmensvertrages an.2) Im GmbH-Konzern verlangt allerdings § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG für die steuerliche Anerkennung der Organschaft mit einer GmbH als Untergesellschaft, dass die Verlustausgleichspflicht zusätzlich eigens in den Gewinnabführungsvertrag hineingeschrieben wird.3)
_____________ 1) 2) 3)
Kleindiek, ZIP 1988, 613, 621. Hüffer, AktG, § 302 Rz. 4 m. w. N. Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57, 61.
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§ 302
Verlustübernahme
II.
Ausgleichspflicht bei Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen (§ 302 Abs. 1)
1.
Voraussetzungen
3 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 302 Abs. 1 ist zunächst, dass ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 Satz 1) besteht.4) In den Fällen der anderen Unternehmensverträge (§ 292) ist § 302 Abs. 1 nicht anwendbar, auch nicht entsprechend (zu der speziellen Regelung des § 302 Abs. 2 für Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträge im Abhängigkeitsverhältnis siehe unten Rz. 11 f.). 4 Voraussetzung ist weiter ein Jahresfehlbetrag. Durch die Worte „sonst entstehender“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass bei der Ermittlung des Jahresfehlbetrages der Anspruch der Gesellschaft auf Verlustübernahme gemäß Absatz 1 nicht zu berücksichtigen ist. Dieser – angenommene – Jahresfehlbetrag muss „während der Vertragsdauer“ entstanden sein. Insoweit gibt es keine Deckungshaftung für die Verlustvorträge aus bei Inkrafttreten des Vertrages schon abgeschlossenen Geschäftsjahren.5) Bei einer unterjährigen Beendigung des Vertrages ist eine Zwischenbilanz aufzustellen, um den bis zum Beendigungszeitpunkt aufgelaufenen – ohne Berücksichtigung des Ausgleichsanspruches zu ermittelnden – Jahresfehlbetrag festzustellen. 5 Die Verlustausgleichspflicht besteht nicht, soweit der Jahresfehlbetrag dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen während der Vertragsdauer in sie eingestellte Beträge entnommen werden (§ 302 Abs. 1). Rücklagen, die vor Inkrafttreten des Vertrages gebildet worden sind, können für den Ausgleich von Fehlbeträgen nicht herangezogen werden. 6 Ein etwaiger ausschüttungsgesperrter Betrag i. S. des § 268 Abs. 8 HGB ist i. R. des § 302 – abweichend zu § 301 – nicht zu berücksichtigen, erhöht also die Verlustausgleichspflicht nicht.6) 2.
Rechtsfolgen
7 Die Untergesellschaft hat nach § 302 Abs. 1 einen Anspruch gegen die Obergesellschaft auf Ausgleich des (ohne Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs ermittelten) Jahresfehlbetrages. Das ist ein Zahlungsanspruch. 8 Dieser Anspruch entsteht (und wird zugleich fällig) mit dem Bilanzstichtag der Bilanz, die den auszugleichenden Jahresfehlbetrag ausweist.7) Träte die Fälligkeit der Ausgleichsforderung nämlich nicht am Bilanzstichtag, sondern etwa erst bei Auf- oder gar Feststellung des Jahresabschlusses ein, so hätte es der Mehrheitsgesellschafter in der Hand, durch tatsächliche Einflussnahme den Verlustausgleich zum Nachteil der außenstehenden Aktionäre und der Gläubiger zu verzögern.8) Somit werden ab diesem Zeitpunkt (Bilanzstichtag) auch Fälligkeitszinsen gemäß §§ 352, 353 HGB geschuldet.9) Aufrechnung mit einem vollwertigen Gegenanspruch des herrschenden Unternehmens ist zulässig.10) 9 Gläubiger der Gesellschaft können auf den Anspruch aus § 302 Abs. 1 gegen die Obergesellschaft durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugreifen. Rechnerisch wird das _____________ 4) Zum Verlustausgleichsanspruch beim unwirksamen, aber gleichwohl durchgeführten Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag s. Kleindiek, ZIP 1988, 613, 622. 5) Mühl/Wagenseil, NZG 2009, 1253, 1256. 6) Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57, 60. 7) BGH, Urt. v. 11.10.1999 – II ZR 120/98, NJW 2000, 210, 211 = ZIP 1999, 1965. 8) BGH, Urt. v. 11.10.1999 – II ZR 120/98, NJW 2000, 210, 211 = ZIP 1999, 1965. 9) BGH, Urt. v. 11.10.1999 – II ZR 120/98, NJW 2000, 210, 211 = ZIP 1999, 1965. 10) Überwiegende Meinung, s. Hüffer, AktG, § 302 Rz. 15 m. w. N.
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§ 302
Verlustübernahme
Kapital der Gesellschaft dadurch nicht angetastet, da zwar der Aktivposten „Ausgleichsanspruch“ wegfällt, zugleich mit ihm aber auch der Passivposten der Verbindlichkeit gegenüber dem betreffenden Gläubiger. III.
Parteien des Schuldverhältnisses
Schuldner ist die Obergesellschaft (in der Sprache des Gesetzes der andere Vertragsteil). 10 Gläubiger des Anspruches ist die Gesellschaft, und zwar nur die Gesellschaft, nicht ihre Aktionäre und auch nicht ihre Gläubiger.11) IV.
Ausgleichspflicht bei Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsverträgen im Abhängigkeitsverhältnis (§ 302 Abs. 2)
1.
Voraussetzungen
Voraussetzung für die Anwendung des § 302 Abs. 2 ist zunächst, dass ein Betriebspacht- 11 oder Betriebsüberlassungsvertrag im Abhängigkeitsverhältnis besteht. Der Betriebspachtoder Betriebsüberlassungsvertrag muss also mit der abhängigen Gesellschaft als Verpächterin oder Überlasserin und dem herrschenden Unternehmen als Pächterin oder Übernehmerin abgeschlossen worden sein. Wie § 302 Abs. 1 ist auch § 302 Abs. 2 weiter nur anwendbar auf während der Vertragsdauer entstandene Jahresfehlbeträge. Im Unterschied zu § 302 Abs. 1 ist es bei § 302 Abs. 2 indes nicht möglich, den Jahresfehlbetrag aus anderen Gewinnrücklagen zu kompensieren. Dafür ist, ebenfalls anders als bei § 302 Abs. 1, weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 302 Abs. 2, dass die vom herrschenden Unternehmen zu erbringende Gegenleistung unangemessen ist (§ 302 Abs. 2 letzter Halbs.). Angemessen ist das Entgelt nur dann, wenn es ausreicht, um den Ertragswert des verpachteten oder überlassenen Unternehmens langfristig zu erhalten.12) 2.
Rechtsfolgen
Auch der Anspruch aus § 302 Abs. 2 auf Ausgleich des Jahresfehlbetrages ist ein Zahlungs- 12 anspruch. Geschuldet ist die Zahlung des Betrages, der benötigt wird, um den Jahresfehlbetrag auszugleichen (allerdings nur, soweit die vereinbarte Gegenleistung unangemessen ist). In Bezug auf die Parteien dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses und die sonstige Anspruchsbehandlung gilt entsprechendes wie für § 302 Abs. 1. V.
Einschränkung der Dispositionsbefugnis (§ 302 Abs. 3)
Nach § 302 Abs. 3 Satz 1 kann die Gesellschaft auf den Verlustausgleichsanspruch erst 13 drei Jahre nach Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Vertrages verzichten oder sich über ihn vergleichen. Das sichert die mit § 302 Abs. 1 und 2 verfolgte Kapitalerhaltung ab. Wenn es außenstehende Aktionäre gibt, müssen diese dem Verzicht oder dem Vergleich zudem durch Sonderbeschluss zustimmen; ferner darf nicht eine Minderheit zur Niederschrift Widerspruch erheben, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei einer Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erreichen (§ 302 Abs. 3 Satz 3). Ausgenommen von der Drei-Jahres-Frist sind Fälle, in denen die ausgleichspflichtige 14 Obergesellschaft zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit ihren Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan ge
_____________ 11) I. E. streitig, s. Hüffer, AktG § 302 Rz. 20 m. w. N. 12) Hüffer, AktG, § 302 Rz. 24.
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§ 303
Gläubigerschutz
regelt wird (§ 302 Abs. 3 Satz 2). Dann kann sich die Untergesellschaft diesem Vergleich anschließen, und das auch schon vor Beendigung des Unternehmensvertrages.13) VI.
Verjährung (§ 302 Abs. 4)
15 Die Ansprüche der Untergesellschaft aus den § 302 Abs. 1 und 2 verjähren in zehn Jahren, beginnend mit dem Tag der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Unternehmensvertrages in das Handelsregister (§ 302 Abs. 4). Auch dies, also die relativ lange Frist und das Abstellen auf rein objektive Anknüpfungspunkte, entspringt dem Zweck des § 302, für ausreichende Kapitalerhaltung zu sorgen. _____________ 13) Hüffer, AktG, § 302 Rz. 28.
§ 303 Gläubigerschutz (1) 1Endet ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil den Gläubigern der Gesellschaft, deren Forderungen begründet worden sind, bevor die Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist, Sicherheit zu leisten, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung zu diesem Zweck bei ihm melden. 2Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen. (2) Das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, steht Gläubigern nicht zu, die im Fall des Insolvenzverfahrens ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist. (3) 1Statt Sicherheit zu leisten, kann der andere Vertragsteil sich für die Forderung verbürgen. 2§ 349 des Handelsgesetzbuchs über den Ausschluß der Einrede der Vorausklage ist nicht anzuwenden. Literatur: Goldschmidt/Laeger, Risiken aus der Beendigung von Unternehmensverträgen beim Verkauf der Untergesellschaft, NZG 2012, 1201; Henssler/Heiden, Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen bei der Beendigung von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen, NZG 2010, 328; Leinekugel/Winstel, Sicherheitsleistung nach § 303 AktG (analog) bei der Beendigung von Unternehmensverträgen im mehrstufigen Konzern, AG 2012, 389.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Voraussetzungen .............................. III. Taugliche Sicherheiten .................... IV. Höhe der Sicherheitsleistung ......... I.
1 2 3 4
V. Gläubiger mit Vorrecht in der Insolvenz ...................................... 5 VI. Bürgschaft statt Sicherheit (§ 303 Abs. 3) ..................................... 6
Überblick
1 Während der Laufzeit des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages sorgt § 302 Abs. 1 mit seiner Verlustausgleichspflicht durch das herrschende Unternehmen dafür, dass das Kapital der beherrschten oder gewinnabführenden Gesellschaft erhalten bleibt. Das herrschende Unternehmen kann also über sein Weisungsrecht aus § 308 durchaus auch nachteilige Veränderungen bei der beherrschten Gesellschaft vornehmen. Es ist aber
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§ 303
Gläubigerschutz
auf der anderen Seite zum Ersatz etwa dadurch verursachter Jahresfehlbeträge verpflichtet. Nach Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ist das anders. Eine Ausgleichspflicht für nunmehr entstehende Jahresfehlbeträge besteht nicht mehr. Gleichwohl können sich von dem herrschenden Unternehmen während der Laufzeit des Vertrages durchgesetzte Veränderungen oder Strukturmaßnahmen durchaus auf die Zeit nach Beendigung des Vertrages auswirken. Das Nachsehen hätten u. a. die Gläubiger der Gesellschaft. Deren Schutz nimmt § 303 in den Blick. Sie können binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Vertrages Sicherheitsleistung durch das herrschende Unternehmen verlangen (§ 303 Abs. 1 Satz 1). Insoweit verlängert § 303 den bis zur Beendigung des Vertrages aus § 302 abgeleiteten Vertrauensschutz.1) II.
Voraussetzungen
Das Recht auf Sicherheitsleistung setzt voraus, dass ein Beherrschungs- oder Gewinn- 2 abführungsvertrag beendet worden ist. Bei anderen Unternehmensverträgen i. S. von § 292 greift § 303 nicht. Ferner muss die betreffende Forderung des Gläubigers begründet worden sein, bevor die Eintragung der Beendigung nach § 10 HGB als bekannt gemacht gilt. Das ist der Fall, wenn der Entstehungsgrund für die Forderung angelegt, also etwa der entsprechende Vertrag geschlossen ist. Ob der Anspruch bedingt oder befristet ist, spielt keine Rolle. Fällig muss der Anspruch nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht sein. Auf der anderen Seite kann einem Gläubiger, der Sicherheitsleistung begehrt, diese nicht deswegen verweigert werden, weil die Forderung schon fällig sei und er sich deswegen doch an die Gesellschaft selbst halten könne. Schließlich muss sich der Gläubiger innerhalb der Sechs-Monate-Frist nach der Bekanntmachung melden. Die Meldung muss bei dem zur Sicherheitsleistung verpflichteten anderen Vertragsteil (also der Obergesellschaft) eingehen. III.
Taugliche Sicherheiten
In welcher Form die Sicherheit zu leisten ist, ist in §§ 232 ff. BGB geregelt. Danach 3 kommt die Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren, die Verpfändung von in das Bundesschuldbuch eingetragenen Forderungen oder von beweglichen Sachen sowie die Bestellung von Hypotheken oder Grundschulden in Betracht (§ 232 Abs. 1 BGB), hilfsweise die Stellung eines tauglichen Bürgen (§ 232 Abs. 2 BGB). Ein Bürge ist allerdings nur zugelassen, wenn er seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat und über ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen verfügt; außerdem muss er auf die Einrede der Vorausklage verzichten (§ 239 BGB). Zu diesen allgemeinen Regelungen der §§ 232 ff. BGB, die über den Begriff „Sicherheitsleistung“ in § 303 Abs. 1 Satz 1 Eingang in das Unternehmensvertragskonzernrecht finden, stellt § 303 Abs. 3 eine Sondervorschrift zur Verfügung, die von dem Subsidiaritätsverhältnis innerhalb des § 232 BGB abweicht. Nach § 303 Abs. 3 kann sich nämlich das herrschende Unternehmen bzw. die gewinnabführungsberechtigte Gesellschaft von vornherein statt für eine Realsicherheit für die Bürgschaft entscheiden und diese vor allem auch selbst übernehmen (§ 303 Abs. 3 Satz 1). Eine derartige Eigenbürgschaft kostet am wenigsten und dürfte daher in der Praxis die Regel sein.2) IV.
Höhe der Sicherheitsleistung
Grundsätzlich richtet sich die Höhe der Sicherheitsleistung nach dem konkreten Siche- 4 rungsinteresse der Gläubiger, also nach dem Wert des zu sichernden Anspruches. Insbe_____________ 1) 2)
Leinekugel/Winstel, AG 2012, 389, 390 m. w. N. Leinekugel/Winstel, AG 2012, 389, 392 m. w. N.
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§ 303
Gläubigerschutz
sondere bei unbefristeten Dauerschuldverhältnissen – wie etwa bei bestehenden Arbeitsverhältnissen oder auch bei lebenslangen Versorgungsansprüchen – ist aber nicht zwingend der für die vollständige – hypothetische – Restlaufzeit hochgerechnete Gesamtbetrag aller noch möglichen Zahlungen zugrunde zu legen. Jedenfalls kann eine vollständige Hochrechnung aller künftigen Ansprüche – bei entsprechender Zahl von unbefristeten Dauerschuldverhältnissen – eine solche Dimension erreichen, dass auch die gesundeste Obergesellschaft eine entsprechende Sicherheitsleistung nicht mehr verkraften kann. Das wird allgemein als unbillig empfunden.3) Die Rechtsprechung sieht so bei Versorgungsansprüchen in der Regel die Annahme einer Sicherung für zehn Jahre als angemessen und ausreichend an.4) Stimmen in der Literatur treten bei laufenden Arbeitsverhältnissen sogar für eine Begrenzung der Sicherheitsleistung auf Ansprüche ein, die innerhalb eines Fünfjahreszeitraumes fällig werden.5) Diese Fünf-Jahres-Frist dürfte bei Dauerschuldverhältnissen wohl grundsätzlich überwiegende Ansicht sein.6) Für künftig zu erwartende Betriebsrentenanpassungen kann der Versorgungsberechtigte überhaupt keine Sicherheitsleistung nach § 303 verlangen.7) V.
Gläubiger mit Vorrecht in der Insolvenz
5 Nach § 303 Abs. 2 haben solche Gläubiger kein Recht, Sicherheit zu verlangen, die bei einem Insolvenzverfahren aus der Masse bevorrechtigt zu befriedigen sind. Dahinter steht der Gedanke, dass derjenige weniger schutzbedürftig ist, der für einen etwaigen Insolvenzfall ohnehin schon ausreichend gesichert ist. Durch die Formulierung „ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem [der Gläubiger] Schutz errichtet und staatlich überwacht ist“ verengt sich der Anwendungsbereich des § 303 Abs. 2 im Wesentlichen auf die §§ 77, 79 VAG und § 36 SchiffsBG. VI.
Bürgschaft statt Sicherheit (§ 303 Abs. 3)
6 Das herrschende Unternehmen darf statt einer Realsicherheit auch eine Bürgschaft stellen, und zwar kann es sich selbst für die entsprechende Forderung verbürgen (§ 303 Abs. 3). So wird in der Praxis häufig verfahren. 7 In diesem Fall soll es ihm sogar möglich sein, die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) zu erheben (§ 303 Abs. 3 Satz 2). Dies steht im Widerspruch zu § 239 Abs. 2 BGB. Dort heißt es, dass für den im Regelfall ohnehin nur subsidiären Einsatz einer Bürgschaft als Sicherheitsleistungsmittel auf die Einrede der Vorausklage stets verzichtet werden muss. Dieser Widerspruch harrt noch der letztlich überzeugenden Auflösung. Zum Teil wird seine Existenz freilich – unzutreffend – von vornherein geleugnet.8) Am ehesten ist § 303 Abs. 3 wohl als Spezialregelung zu begreifen, die hier ausdrücklich ermöglicht, sich auf die Einrede der Vorausklage zu berufen. Die Gläubiger müssen demnach erst die Untergesellschaft erfolgreich verklagen und erfolglos gegen sie vollstrecken, bevor sie gegen die Obergesellschaft vorgehen können.
_____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Näher Henssler/Heiden, NZG 2010, 328, 329. OLG Hamm, Urt. v. 18.2.2008 – 1-8 U 235/06, ZIP 2008, 1925. Henssler/Heiden, NZG 2010, 328, 332. Goldschmidt/Laeger, NZG 2012, 1201, 1205 ff. m. w. N. BAG, Urt. v. 26.5.2009 – 3 AZR 369/07, ZIP 2009, 2166. So von Leinekugel/Winstel, AG 2012, 389, 392, nach denen „sich der Sicherheitsleistende nach § 303 Abs. 3 Satz 2 AktG entsprechend § 349 HGB nicht auf die Einrede der Vorausklage berufen kann“. Nach meinem Verständnis steht in § 303 Abs. 3 Satz 2 genau das Gegenteil.
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§ 304
Angemessener Ausgleich
Vierter Abschnitt Sicherung der außenstehenden Aktionäre bei Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen § 304 Angemessener Ausgleich (1) 1Ein Gewinnabführungsvertrag muß einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung (Ausgleichszahlung) vorsehen. 2Ein Beherrschungsvertrag muß, wenn die Gesellschaft nicht auch zur Abführung ihres ganzen Gewinns verpflichtet ist, den außenstehenden Aktionären als angemessenen Ausgleich einen bestimmten jährlichen Gewinnanteil nach der für die Ausgleichszahlung bestimmten Höhe garantieren. 3Von der Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs kann nur abgesehen werden, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag keinen außenstehenden Aktionär hat. (2) 1Als Ausgleichszahlung ist mindestens die jährliche Zahlung des Betrags zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener Abschreibungen und Wertberichtigungen, jedoch ohne Bildung anderer Gewinnrücklagen, voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. 2Ist der andere Vertragsteil eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien, so kann als Ausgleichszahlung auch die Zahlung des Betrags zugesichert werden, der unter Herstellung eines angemessenen Umrechnungsverhältnisses auf Aktien der anderen Gesellschaft jeweils als Gewinnanteil entfällt. 3Die Angemessenheit der Umrechnung bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der anderen Gesellschaft zu gewähren wären. (3) 1Ein Vertrag, der entgegen Absatz 1 überhaupt keinen Ausgleich vorsieht, ist nichtig. Die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung der Gesellschaft dem Vertrag oder einer unter § 295 Abs. 2 fallenden Änderung des Vertrags zugestimmt hat, kann nicht auf § 243 Abs. 2 oder darauf gestützt werden, daß der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen ist. 2Ist der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen, so hat das in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmte Gericht auf Antrag den vertraglich geschuldeten Ausgleich zu bestimmen, wobei es, wenn der Vertrag einen nach Absatz 2 Satz 2 berechneten Ausgleich vorsieht, den Ausgleich nach dieser Vorschrift zu bestimmen hat. (4) Bestimmt das Gericht den Ausgleich, so kann der andere Vertragsteil den Vertrag binnen zwei Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Literatur: Bilda, Erwerb der Ausgleichs- und Abfindungsrechte außenstehender Aktionäre, AG 2008, 641; Bungert/Wettich, Die zunehmende Bedeutung des Börsenkurses bei Strukturmaßnahmen im Wandel der Rechtsprechung, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 157; Meilicke, Zum Verhältnis von Ausgleichs- und Abfindungsansprüchen nach §§ 304, 305 AktG, AG 1999, 103; Neumayer/Imschweiler, Aktuelle Rechtsfragen zur Gestaltung und Durchführung von Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 2011, 57; Riegger/Wasmann, Kölner Kommentar zum Spruchverfahrensgesetz, 2005; Tebben, Ausgleichszahlungen bei Aktienübergang, AG 2003, 600.
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§ 304
Angemessener Ausgleich Übersicht
I. Überblick ........................................... 1 II. Angemessener Ausgleich nach § 304 Abs. 1 ........................................ 4 1. Gewinnabführungsvertrag ................ 4 a) Wiederkehrende anteilsbezogene Leistung ....................... 5 b) Gläubiger und Schuldner des Ausgleichsanspruches ........... 6 c) Entstehung, Fälligkeit, Verjährung und Abtretung des Ausgleichsanspruches ........... 7 d) Erwerb des Ausgleichsrechts durch Aktienübertragung ......... 11 2. Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ............................ 14 I.
3. Beherrschungsvertrag ....................... 15 4. Angemessenheit des Ausgleichs (Höhe) .............................................. 17 a) Fester Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 1) .................. 17 b) Variabler Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 2) .................. 18 III. Fehlende oder unangemessene Ausgleichsregelung (§ 304 Abs. 3) ................................... 20 1. Fehlende Ausgleichsregelung .......... 20 2. Unangemessene Ausgleichsregelung ............................................. 21 IV. Kündigungsrecht der Obergesellschaft (§ 304 Abs. 4) ..... 22
Überblick
1 Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge haben einschneidende Wirkungen. Beim Beherrschungsvertrag muss das abhängige Unternehmen den Weisungen des herrschenden Unternehmens folgen und sich sogar nachteiligen Maßnahmen unterwerfen (§ 308). Beim Gewinnabführungsvertrag kann das herrschende Unternehmen den gesamten Gewinn der abhängigen Gesellschaft für sich beanspruchen. Dadurch werden die Vermögensinteressen der außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft berührt. Beim Gewinnabführungsvertrag liegt diese Beeinträchtigung auf der Hand: Wenn der gesamte Gewinn an die herrschende Gesellschaft abgeführt wird, bleibt für die außenstehenden Aktionäre nichts übrig. Aber auch beim Beherrschungsvertrag schaffen die Möglichkeit nachteiliger Weisungen sowie die Durchbrechung der Kapitalbindungsvorschriften der §§ 57, 58 und 60 (§ 291 Abs. 3) eine ausgeprägte Gefährdungslage für die außenstehenden Aktionäre. Vor diesem Hintergrund will der Gesetzgeber mit § 304 (und mit § 305) für ein austarierendes Gegengewicht sorgen. 2 Schon früh hatte auch das BVerfG gefordert, dass die außenstehenden Aktionäre für die durch die Vertragskonzernierung entstehenden Nachteile wirtschaftlich vollständig entschädigt werden.1) Dieses Gegengewicht besteht neben der nach § 305 vorzusehenden Abfindungsmöglichkeit darin, dass den außenstehenden Aktionären ein angemessener Ausgleich vertraglich zuzusichern ist (§ 304 Abs. 1). Beim kombinierten Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag sowie beim isolierten Gewinnabführungsvertrag besteht der angemessene Ausgleich in einem Anspruch auf Ausgleichszahlung. Beim isolierten Beherrschungsvertrag ist ein garantierter Gewinnanteil vorzusehen. Dieser Weg über den garantierten Gewinnanteil ist bei dem Gewinnabführungsvertrag verschlossen, weil im Jahresabschluss der abhängigen Gesellschaft durch die Gewinnabführung kein Gewinn mehr ausgewiesen werden kann. Daher lässt sich dann auch kein Gewinnanteil garantieren. 3 § 304 kann i. R. einer ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend anwendbar sein, wenn nach Ausgabe von Genussscheinen später ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird.2) _____________ 1) 2)
BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – I BVL 16/60 (Feldmühle), BVerfGE 14, 263, 283 f. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.12.2011 – 5 U 56/11 (Eurohypo/Rheinhyp), ZIP 2012, 79.
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§ 304
Angemessener Ausgleich II.
Angemessener Ausgleich nach § 304 Abs. 1
1.
Gewinnabführungsvertrag
Ein Gewinnabführungsvertrag muss nach § 304 Abs. 1 Satz 1 einen angemessenen Aus- 4 gleich durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung vorsehen. Diese Regelung gilt für den Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 Satz 1) sowie den Geschäftsführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 Satz 2), aber nicht für den Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2). a)
Wiederkehrende anteilsbezogene Leistung
Dass die Ausgleichszahlung auf die Anteile am Grundkapital bezogen sein muss, bedeutet, 5 dass im Gewinnabführungsvertrag die Ausgleichszahlung per Aktie oder per bestimmten Nennbetrag je Aktie festzulegen ist. „Wiederkehrend“ ist die Ausgleichszahlung, wenn sie in zeitlich festgelegten Abschnitten erfolgt. Diese Zeitabschnitte dürfen dabei höchstens ein Jahr betragen (§ 304 Abs. 2 Satz 1). Statt eines festen Ausgleichsbetrages pro Aktie kann im Vertrag auch ein variabler Ausgleich vereinbart werden (§ 304 Abs. 2 Satz 2, siehe dazu sogleich bei Rz. 18 f.). b)
Gläubiger und Schuldner des Ausgleichsanspruches
Gläubiger des Ausgleichsanspruches sind die außenstehenden Aktionäre. Das sind sämt- 6 liche Aktionäre der abhängigen Gesellschaft mit Ausnahme der Obergesellschaft selbst sowie mit Ausnahme derjenigen Aktionäre, die an der Obergesellschaft zu 100 % beteiligt sind oder an denen die Obergesellschaft zu 100 % beteiligt ist, sowie mit Ausnahme solcher Aktionäre, die mit der Obergesellschaft ihrerseits einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag geschlossen haben.3) Schuldner des Ausgleichsanspruches ist die Obergesellschaft.4) Nach allgemeiner Auffassung ist es aber zulässig, dass die Ausgleichszahlungen für die im Außenverhältnis verpflichtete Obergesellschaft über die abhängige Gesellschaft abgewickelt werden.5) c)
Entstehung, Fälligkeit, Verjährung und Abtretung des Ausgleichsanspruches
Der Anspruch auf Ausgleichszahlung entsteht dem Grunde nach, wenn der Gewinnab- 7 führungsvertrag wirksam wird. Die Entstehung und Fälligkeit des einzelnen konkreten Anspruchs auf Auszahlung des Ausgleichsbetrages richten sich nach der jeweiligen vertraglichen Regelung.6) Zulässig ist etwa eine Regelung, wonach der Ausgleichsanspruch am ersten Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung fällig wird.7) Gibt es eine solche Regelung nicht, liegt es nahe, für die Fälligkeit des Ausgleichsbe- 8 tragsauszahlungsanspruches an die Fälligkeit des Dividendenanspruches anzuknüpfen. Insoweit maßgebend ist dann der Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft.8) _____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8)
OLG Nürnberg, Urt. v. 17.1.1996 – 12 U 2801/91 (Tucherbräu), AG 1996, 228, 229; s. a. Neumayer/ Imschweiler, GmbHR 2011, 57, 62. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.1992 – 19 W 3/91 (Agrippina/Zürich), AG 1992, 200, 201. Hüffer, AktG, § 304 Rz. 4 a. E.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 304 AktG Rz. 24. Tebben, AG 2003, 600, 601. BGH, Beschl. v. 31.5.2010 – II ZR 6/09, ZIP 2010, 1287, 1288; LG München, Urt. v. 4.6.2009 – 5 HK O 591/09, ZIP 2009, 2247; Tebben, AG 2003, 600, 601. Tebben, AG 2003, 600, 601 f.; s. a. etwa KG, Beschl. v. 9.6.2008 – 2 W 101/07, ZIP 2009, 1223, 1227, allerdings offenlassend, ob nicht der Mindermeinung (Fälligkeit zum Jahresende) zu folgen sei.
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§ 304
Angemessener Ausgleich
9 Die Verjährung des Ausgleichsanspruches richtet sich nach der Regelverjährung des § 195 BGB. 10 Der Anspruch auf Ausgleichszahlung ist abtretbar, verpfändbar und pfändbar. d)
Erwerb des Ausgleichsrechts durch Aktienübertragung
11 Veräußert ein außenstehender Aktionär seine Aktie(n) an einen Dritten, so steht diesem auch das Recht auf Ausgleichszahlungen zu.9) Zweifelhaft ist die Rechtslage aber dann, wenn der Dritte Aktien nicht von einem außenstehenden Aktionär, sondern von der Obergesellschaft (oder gar der beherrschten Gesellschaft selbst) erwirbt. In diesem Fall ist sein Veräußerer selbst nicht ausgleichsberechtigt gewesen (mangels Eigenschaft als außenstehender Aktionär). Insoweit ist fraglich, ob ein erstmalig neu hinzutretender außenstehender Aktionär ausgleichsberechtigt ist, obwohl sein „Vorgänger“ es nicht war. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob man das Ausgleichsrecht als mit der Aktie selbst verbunden ansieht oder ob es originär in der Person des Erwerbers entsteht. Nur im letzteren Fall würden solche (außenstehenden) Aktionäre ausgleichsberechtigt sein können, die ihre Aktien von einem selbst nicht ausgleichsberechtigten Veräußerer wie etwa der Obergesellschaft erworben haben. 12 Insoweit wird man mit dem BGH10) annehmen dürfen, dass das Ausgleichsrecht nach § 304 an die Eigenschaft als außenstehender Aktionär geknüpft ist, also originär entsteht und nicht im Wege abgeleiteten Erwerbs vom Rechtsvorgänger.11) Das trägt auch dem Schutzgedanken des § 304 (und des § 305) Rechnung. 13 Eine Ausnahme von dem Vorstehenden ist lediglich für den Fall angezeigt, dass bei Vertragsschluss kein einziger außenstehender Aktionär vorhanden war (und der Vertrag deshalb auch keine Ausgleichsregelung enthält).12) Dann erlischt der Vertrag nach § 307 bei Hinzutreten eines außenstehenden Aktionärs. 2.
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
14 Das vorstehend unter Rz. 4 ff. für den isolierten Gewinnabführungsvertrag Gesagte gilt auch für den kombinierten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Das folgt daraus, dass die abweichende Regelung des § 304 Abs. 1 Satz 2 sich ausdrücklich nur mit dem (isolierten) Beherrschungsvertrag beschäftigt. 3.
Beherrschungsvertrag
15 Wenn nur ein (isolierter) Beherrschungsvertrag besteht, muss der Vertrag als Ausgleich einen bestimmten jährlichen Gewinnanteil garantieren; dessen Höhe richtet sich nach der im Fall eines Gewinnabführungsvertrages geschuldeten Ausgleichszahlung (§ 304 Abs. 1 Satz 2). Diese unterschiedliche Regelung des Ausgleichs für Beherrschungsverträge einerseits und Gewinnabführungsverträge andererseits erklärt sich daraus, dass beim Beherrschungsvertrag nach wie vor ein Bilanzgewinn entsteht und die außenstehenden Aktionäre deshalb ihren regulären Dividendenanspruch verwirklichen können. Jedoch besteht die Gefahr, dass sie durch nachteilige Weisungen des beherrschenden Unternehmens mittelbar Einbußen erleiden. Um sie davor zu schützen und um die Gleichbehandlung mit den außenstehenden Aktionären im Falle eines Gewinnabführungsvertrages _____________ 9) 10) 11) 12)
Bilda, AG 2008, 641; Tebben, AG 2003, 600 ff. BGH, Urt. v. 8.5.2006 – II ZR 27/05, ZIP 2006, 1392; eingehende Würdigung bei Bilda, AG 2008, 641 ff. A. A. Bilda, AG 2008, 641, 646. Nicht völlig überzeugend, zumindest nicht zwingend verwendet Bilda, AG 2008, 641, 645, dies als Argument gegen den originären Erwerb des Ausgleichsrechts überhaupt.
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§ 304
Angemessener Ausgleich
sicherzustellen, sieht das Gesetz als Ausgleich die Garantiezusage des Betrages vor, der ihnen im Falle eines Gewinnabführungsvertrages als Ausgleichszahlung zugestanden hätte. Der Inhalt des Anspruches aus dieser Dividendengarantie richtet sich dabei darauf, dass die außenstehenden Aktionäre den Unterschied zwischen der an sie tatsächlich ausgeschütteten Dividende und dem Betrag der Dividendengarantie verlangen können.13) Für die Fragen, wer Gläubiger und Schuldner des Anspruches auf Zahlung aus der Dividen- 16 dengarantie ist und wann der Anspruch entsteht, fällig wird und verjährt, sowie im Hinblick auf die Abtretbarkeit, Verpfändung und Pfändung gelten keine Besonderheiten gegenüber der Ausgleichszahlung beim Gewinnabführungsvertrag. 4.
Angemessenheit des Ausgleichs (Höhe)
a)
Fester Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 1)
Der Vertrag kann zunächst eine feste Ausgleichszahlung vorsehen. Für dessen Höhe ist 17 maßgebend, was nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden kann (§ 304 Abs. 2 Satz 1). Grundlage für die Bemessung des festen Ausgleiches sind also die Ausschüttungserwartungen der außenstehenden Aktionäre, basierend auf dem gegenwärtigen Unternehmenswert und dem künftig zu erwartenden Unternehmenswert. Bei der Ermittlung der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und insbesondere der künftig zu erwartenden Ertragslage sind nach dem Wortlaut des Gesetzes angemessene Abschreibungen und Wertberichtigungen zu berücksichtigen und es ist von einer Vollausschüttung auszugehen (§ 304 Abs. 2 Satz 1 sieht vor, dass die Bildung anderer Gewinnrücklagen zu unterbleiben hat). Bei dieser Ermittlung spielt der Börsenkurs der Gesellschaft dagegen keine Rolle. Da es um einen Ausgleich für die (berechtigten) Ausschüttungserwartungen der außenstehenden Aktionäre geht, sich Ausschüttungen aber nur nach den erwirtschafteten Erträgen und nicht nach dem Börsenkurs richten, sind letztere hier nicht heranzuziehen. Bei der Abfindung i. R. des § 305 ist das selbstverständlich anders. b)
Variabler Ausgleich (§ 304 Abs. 2 Satz 2)
Anstelle des festen Ausgleiches gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, beim isolierten 18 Beherrschungsvertrag auch anstelle der Dividendengarantie gemäß § 304 Abs. 1 Satz 2, kann der Vertrag nach § 304 Abs. 2 Satz 2 wahlweise auch einen variablen Ausgleich vorsehen. Dabei handelt es sich in der Sprache des Gesetzes um die Zahlung des Betrages, der (unter Herstellung eines angemessenen Umrechnungsverhältnisses) auf Aktien der Obergesellschaft jeweils als Gewinnanteil entfällt (§ 304 Abs. 2 Satz 2). Mit anderen Worten knüpft der variable Ausgleich an die Höhe der Dividende der Obergesellschaft an (die eine AG oder eine KGaA sein muss). Der variable Ausgleich ist als solcher weder besser noch schlechter für die außenstehenden Aktionäre. Der Anknüpfungspunkt ist im Verhältnis zum festen Ausgleich verschieden. Während der feste Ausgleich nur die Untergesellschaft (und allenfalls über die künftigen Ertragserwartungen die Verbindung mit der Obergesellschaft) in den Blick nimmt, stellt der variable Ausgleich auf die Obergesellschaft ab. An diesem von ihrem ursprünglichen Beteiligungsgegenstand weiter entfernten Anknüpfungspunkt mag es liegen, dass die Risiken für die außenstehenden Aktionäre beim variablen Ausgleich höher als die Chancen eingeschätzt werden.14) _____________ 13) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 304 AktG Rz. 27. 14) K. Schmidt/Lutter-Stephan, AktG, § 304 Rz. 92.
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§ 304
Angemessener Ausgleich
19 Ausgangspunkt für die Berechnung des variablen Ausgleichs ist jedenfalls der Gewinnanteil, der auf Aktien der Obergesellschaft „jeweils“ (also von Jahr zu Jahr) entfällt. Ein tauglicher, aber nicht zwingender tatsächlicher Anknüpfungspunkt für das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „Gewinnanteil“ ist die bei der Obergesellschaft tatsächlich ausgeschüttete Dividende. Zur letztendlichen Ermittlung des variablen Ausgleichs ist diese Dividende schließlich nach Maßgabe des § 304 Abs. 2 Satz 3 (Angemessenheit der Umrechnung bestimmt sich nach Verschmelzungsrelation) zu berechnen. Zur Herstellung dieser Verschmelzungsrelation (wie viele Aktien der Obergesellschaft entsprechen einer Aktie der Untergesellschaft?) müssen die Unternehmenswerte der Obergesellschaft und der Untergesellschaft ermittelt und verglichen werden. Anders als bei der Ermittlung des festen Ausgleiches geht es hier nicht um Ausschüttungserwartungen, sondern um Unternehmenswerte. Insoweit spielt hier der Börsenkurs jedenfalls in dem Sinne eine Rolle, dass er im Regelfall als Untergrenze der Bewertung dienen kann.15) Auf die Ausführungen bei § 305 Rz. 16 ff. wird verwiesen. III.
Fehlende oder unangemessene Ausgleichsregelung (§ 304 Abs. 3)
1.
Fehlende Ausgleichsregelung
20 Enthält der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag überhaupt keine Ausgleichsregelung, ist er nichtig (§ 304 Abs. 3 Satz 1). Das ist nach § 304 Abs. 1 Satz 3 nur dann anders, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag keinen außenstehenden Aktionär hat. 2.
Unangemessene Ausgleichsregelung
21 Ein nicht angemessener Ausgleich ist kein Grund, auf den die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung zum Vertrag gestützt werden kann (§ 304 Abs. 3 Satz 2). Da der Festsetzung des Ausgleiches die von vielen, auch wertenden Faktoren beeinflusste Ermittlung von Ertragslage, Ertragsaussichten und ggf. Unternehmenswertrelation vorausgehen muss, kann man sich über die Angemessenheit der Ausgleichshöhe trefflich streiten. Das Gesetz entzieht diesen Streit dem Anfechtungsverfahren und weist die Bestimmung des angemessenen Ausgleiches dem in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmten Gericht zu (§ 304 Abs. 3 Satz 3).16) Das gilt erst recht auch dann, wenn über Einzelheiten der Leistungsbestimmung gestritten wird, wie etwa die Fälligkeit des festen Ausgleiches.17) IV.
Kündigungsrecht der Obergesellschaft (§ 304 Abs. 4)
22 Bestimmt das Gericht i. R. des Spruchverfahrens einen angemessenen Ausgleich, so gewährt § 304 Abs. 4 der Obergesellschaft das Recht, sich fristlos von dem Vertrag durch Kündigung zu lösen. Diese Kündigung muss innerhalb von zwei Monaten nach rechtskräftiger Entscheidung über den angemessenen Ausgleich erfolgen. Hintergrund der Bestimmung ist, dass die Obergesellschaft den durch die gerichtliche Bestimmung von ihr zu tragenden höheren Aufwand abwenden können soll. Für die Zeit bis zur Beendigung des Vertrages durch die Kündigung sind aber die vom Gericht bestimmten höheren Ausgleichsleistungen zu zahlen. Die Pflicht, für den Zeitraum bis zur Kündigung die höheren Leistungen zu erbringen, kann auch nicht durch eine vertragliche Rücktrittsklausel umgangen werden.18) _____________ 15) 16) 17) 18)
BVerfG, Urt. v. 27.4.1999 – 1 BVR 1613/94 (DAT/Altana), AG 1999, 566, 569 = ZIP 1999, 1436. Zum Spruchverfahrensgesetz s. Riegger/Wasmann, SpruchG. BGH, Beschl. v. 31.5.2010 – II ZR 6/09, ZIP 2010, 1287, 1288. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 304 AktG Rz. 83.
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§ 305
Abfindung
§ 305 Abfindung (1) Außer der Verpflichtung zum Ausgleich nach § 304 muß ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. (2) Als Abfindung muß der Vertrag, 1. wenn der andere Vertragsteil eine nicht abhängige und nicht in Mehrheitsbesitz stehende Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, die Gewährung eigener Aktien dieser Gesellschaft, 2. wenn der andere Vertragsteil eine abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien und das herrschende Unternehmen eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, entweder die Gewährung von Aktien der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft oder eine Barabfindung, 3. in allen anderen Fällen eine Barabfindung vorsehen. (3) 1Werden als Abfindung Aktien einer anderen Gesellschaft gewährt, so ist die Abfindung als angemessen anzusehen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der anderen Gesellschaft zu gewähren wären, wobei Spitzenbeträge durch bare Zuzahlungen ausgeglichen werden können. 2Die angemessene Barabfindung muß die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen. 3Sie ist nach Ablauf des Tages, an dem der Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag wirksam geworden ist, mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen; die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (4) 1Die Verpflichtung zum Erwerb der Aktien kann befristet werden. 2Die Frist endet frühestens zwei Monate nach dem Tag, an dem die Eintragung des Bestehens des Vertrags im Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist. 3Ist ein Antrag auf Bestimmung des Ausgleichs oder der Abfindung durch das in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmte Gericht gestellt worden, so endet die Frist frühestens zwei Monate nach dem Tag, an dem die Entscheidung über den zuletzt beschiedenen Antrag im Bundesanzeiger bekanntgemacht worden ist. (5) 1Die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung der Gesellschaft dem Vertrag oder einer unter § 295 Abs. 2 fallenden Änderung des Vertrags zugestimmt hat, kann nicht darauf gestützt werden, daß der Vertrag keine angemessene Abfindung vorsieht. 2Sieht der Vertrag überhaupt keine oder eine den Absätzen 1 bis 3 nicht entsprechende Abfindung vor, so hat das in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmte Gericht auf Antrag die vertraglich zu gewährende Abfindung zu bestimmen. 3 Dabei hat es in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Vertrag die Gewährung von Aktien der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft vorsieht, das Verhältnis, in dem diese Aktien zu gewähren sind, wenn der Vertrag nicht die Gewäh-
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§ 305
Abfindung
rung von Aktien der herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft vorsieht, die angemessene Barabfindung zu bestimmen. 4§ 304 Abs. 4 gilt sinngemäß. Literatur: Balthasar, Zum Austrittsrecht nach § 305 AktG bei „faktischer Beherrschung“, NZG 2008, 858; Bilda, Erwerb der Ausgleichs- und Abfindungsrechte außenstehender Aktionäre, AG 2008, 641; Bücker, Die Berücksichtigung des Börsenkurses bei Strukturmaßnahmen – BGH revidiert DAT/Altana, NZG 2010, 967; Bungert/Wettich, Die zunehmende Bedeutung des Börsenkurses bei Strukturmaßnahmen im Wandel der Rechtsprechung, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 157; Decher, Die Ermittlung des Börsenkurses für Zwecke der Barabfindung beim Squeeze out, ZIP 2010, 1673; Fleischer, Zur Behandlung des Fungibilitätsrisikos bei der Abfindung außenstehender Aktionäre (§§ 305, 320b AktG), in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 331; Habersack, Abfindung für von herrschender oder beherrschter Gesellschaft erworbene Aktien?, AG 2005, 709; Meilicke, Zum Verhältnis von Ausgleichs- und Abfindungsansprüchen nach §§ 304, 305 AktG, AG 1999, 103; Neumann/ Ogorek, Alles eine Frage der Zeit: BGH ändert Rechtsprechung zur Berechnung von Abfindungen auf der Basis des Börsenkurses, DB 2010, 1869; Riegger/Wasmann (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Spruchverfahrensgesetz, 2005; Wasmann, Bewegung im Börsenkurs: Kippt die „Dreimonats“-Rechtsprechung?, BB 2007, 680.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Abfindungsangebot .......................... 3 1. Verpflichtung zum Erwerb der Aktien ................................................. 3 2. Außenstehende Aktionäre ................ 4 3. Obergesellschaft als Abfindungsschuldner ........................ 5 4. Entstehung, Fälligkeit, Verjährung und Abtretung des Abfindungsanspruches .............................................. 6 5. Erwerb des Abfindungsrechts bei Aktienübertragung ............................. 8 III. Art der Abfindung (§ 305 Abs. 2) ................................... 12 1. Barabfindung .................................... 12 2. Abfindung in Aktien ........................ 13 3. Wahlrecht zwischen Aktien- und Barzahlung als Abfindung ............... 14 IV. Abfindungshöhe (§ 305 Abs. 3) .... 16 1. Barabfindung .................................... 17 2. Abfindung in Aktien ....................... 18 I.
3. Beachtlichkeit des Börsenkurses für die Höhe der Abfindung ............ 19 a) Die DAT/AltanaEntscheidung .............................. 19 b) Die StollwerckEntscheidung .............................. 20 4. Verzinsung des Barabfindungsanspruches ............................................ 22 V. Entfallen des Abfindungsanspruches ............................................ 24 1. Befristung (§ 305 Abs. 4) ................. 24 2. Außerordentliche Kündigung nach Spruchverfahren (§ 305 Abs. 5 Satz 4 i. V. m. § 304 Abs. 4) ............. 25 VI. Vertragsmängel ............................... 26 VII. Beschlussmängel ............................ 27 VIII. Spruchverfahren .......................... 28 1. Bestimmung der Abfindung durch das Gericht......................................... 28 2. Gestaltungswirkung ......................... 29 3. Abfindungsergänzungsanspruch ..... 30
Überblick
1 Zusammen mit dem Ausgleichsanspruch nach § 304 bildet § 305 das Kernstück des Schutzes der außenstehenden Aktionäre bei Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen. Die außenstehenden Aktionäre können deren Abschluss nicht verhindern, wenn sie nicht über die entsprechenden Mehrheiten verfügen. Ihre Vermögensinteressen sollen durch die §§ 304, 305 aber gewahrt werden. Nach dem System des Gesetzes können sich die außenstehenden Aktionäre dabei entscheiden, ob sie in der Gesellschaft auch weiterhin verbleiben und den nach § 304 vorgesehenen Ausgleich in Anspruch nehmen oder ob sie aus der Gesellschaft gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung nach § 305
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§ 305
Abfindung
ausscheiden wollen. Die nach § 305 vorzusehende Verpflichtung der Obergesellschaft, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben, tritt also im Vertrag neben die Verpflichtung zur Leistung eines wiederkehrenden Ausgleichs nach § 304 (der außenstehende Aktionär muss sich freilich für eine der beiden Entschädigungsarten entscheiden). Dabei führt das Fehlen einer Abfindungsregelung im Vertrag – anders als beim Fehlen 2 einer Ausgleichsregelung nach § 304 – nicht dazu, dass der Vertrag nichtig ist. Eine dem § 304 Abs. 3 Satz 1 entsprechende Regelung fehlt bei § 305. Vielmehr wird die angemessene Abfindung nach dem Spruchverfahrensgesetz gerichtlich bestimmt, wenn der Vertrag überhaupt keine oder aber eine nicht i. S. des § 305 Abs. 1 bis 3 angemessene Abfindung vorsieht (§ 305 Abs. 5 Satz 2). II.
Abfindungsangebot
1.
Verpflichtung zum Erwerb der Aktien
Nach Absatz 1 muss ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag1) die Verpflichtung 3 der Obergesellschaft enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Den außenstehenden Aktionären ist also ein Optionsrecht einzuräumen. Insoweit handelt es sich, da die außenstehenden Aktionäre an dem Abschluss des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages selbst nicht beteiligt sind, um einen Vertrag zugunsten Dritter.2) Es wird keine erneute Verpflichtung zum Angebot des Ausscheidens gegen Abfindung dadurch ausgelöst, dass sich die Obergesellschaft im Wege einer konzerninternen Umstrukturierung ändert. Für den Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz ist das klar. Nach dem LG München I soll es überdies auch für Umstrukturierungen nach dem Anwachsungsmodell, also im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, gelten.3) 2.
Außenstehende Aktionäre
Inhaber des Optionsrechtes und damit Gläubiger der Abfindung sind die außenstehenden 4 Aktionäre. Dabei handelt es sich um sämtliche Aktionäre der Untergesellschaft mit Ausnahme der Obergesellschaft sowie solcher Unternehmen, die mit der Obergesellschaft selbst durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag oder durch 100 %igen Anteilsbesitz verbunden sind (siehe dazu auch schon die Kommentierung zu § 304 unter Rz. 6). Der außenstehende Aktionär braucht das Abfindungsangebot nicht anzunehmen, sondern kann in der Gesellschaft verbleiben und sich für die nach § 304 vorgesehene Ausgleichsleistung entscheiden. Nimmt er allerdings das Abfindungsangebot an, geht aber vor Einlieferung der betreffenden Aktie diese auf einen Dritten über, so tritt jedenfalls im Falle der Gesamtrechtsnachfolge der Erwerber in die bisherige vertragliche Stellung des außenstehenden Aktionärs ein und ist damit auch verpflichtet, die betreffenden Aktien gegen Abfindung der Obergesellschaft zu liefern.4) 3.
Obergesellschaft als Abfindungsschuldner
Die Abfindung wird nach § 305 Abs. 1 durch den anderen Vertragsteil, also die Ober- 5 gesellschaft, geschuldet. _____________ 1) 2) 3) 4)
Zur Anwendbarkeit des § 305 bei faktischer Beherrschung s. Balthasar, NZG 2008, 858 ff. H. M.: Hüffer, AktG, § 305 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Stephan, AktG, § 305 Rz. 11 m. w. N. LG München I, Beschl. v. 12.5.2011 – 5 HK O 14543/10, WM 2012, 698, 699 = ZIP 2011, 1511. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 305 AktG Rz. 21.
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§ 305 4.
Abfindung Entstehung, Fälligkeit, Verjährung und Abtretung des Abfindungsanspruches
6 Der Abfindungsanspruch entsteht, wenn die Annahme des Abfindungsangebotes der Obergesellschaft zugeht. Fällig wird der Anspruch, wenn die betreffenden Aktien bei der Obergesellschaft (oder bei der sonst im Vertrag bestimmten Stelle) eingeliefert werden.5) Mit der Entstehung des Abfindungsanspruches (bei Zugang der Annahme des Abfindungsangebotes) erlischt zugleich der Ausgleichsanspruch nach § 304. Die Verjährung des Optionsrechtes selbst, also der Möglichkeit, das im Vertrag enthaltene Abfindungsangebot anzunehmen, richtet sich nach der vertraglichen Regelung. Wenn nach der einmal ausgeübten Option ein Kauf- oder Tauschvertrag (letzteres ist der Fall, wenn die Abfindung ihrerseits in Aktien besteht) zustande gekommen ist, verjähren die Ansprüche daraus nach § 195 BGB.6) 7 Abgetreten oder verpfändet werden kann lediglich der – nach Ausübung der Option entstehende – Abfindungsanspruch, nicht aber das Recht, das in dem Vertrag gemachte Abfindungsangebot anzunehmen. Diese Option ist an die Stellung eines außenstehenden Aktionärs geknüpft und nicht selbständig abtretbar oder verpfändbar.7) 5.
Erwerb des Abfindungsrechts bei Aktienübertragung
8 Veräußert ein außenstehender Aktionär seine Aktie(n) an einen Dritten, so steht diesem auch das Recht auf Abfindung zu.8) Zweifelhaft ist die Rechtslage aber dann, wenn der Dritte Aktien nicht von einem außenstehenden Aktionär, sondern von der Obergesellschaft (oder gar der beherrschten Gesellschaft selbst) erwirbt. In diesem Fall ist sein Veräußerer selbst nicht abfindungsberechtigt gewesen (mangels Eigenschaft als außenstehender Aktionär). Insoweit ist fraglich, ob ein erstmalig neu hinzutretender außenstehender Aktionär abfindungsberechtigt ist, obwohl sein „Vorgänger“ es nicht war. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob man das Abfindungsrecht als mit der Aktie selbst verbunden ansieht oder ob es originär in der Person des Erwerbers entsteht. Nur im letzteren Fall würden solche (außenstehenden) Aktionäre abfindungsberechtigt sein können, die ihre Aktien von einem selbst nicht abfindungsberechtigten Veräußerer wie etwa der Obergesellschaft erworben haben. 9 Insoweit ist mit dem BGH9) anzunehmen, dass das Abfindungsrecht nach § 305 an die Eigenschaft als außenstehender Aktionär geknüpft ist, also originär entsteht und nicht im Wege abgeleiteten Erwerbs vom Rechtsvorgänger.10) Das trägt auch dem Schutzgedanken des § 305 (und des § 304) Rechnung. 10 Eine Ausnahme wird man lediglich für den Fall machen müssen, dass bei Vertragsschluss kein einziger außenstehender Aktionär vorhanden war (und der Vertrag deshalb auch keine Abfindungsregelung enthält).11) Dann erlischt der Vertrag nach § 307 bei Hinzutreten eines außenstehenden Aktionärs. 11 Eine weitere abweichende Fallgestaltung liegt vor, wenn die Aktie erst nach Beendigung des Unternehmensvertrages (aber noch vor Abschluss eines Spruchverfahrens) erworben wird. Auch hier wird zum Teil angenommen, dass der Erwerber den Abfindungsanspruch _____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
Hüffer, AktG, § 305 Rz. 8. K. Schmidt/Lutter-Stephan, AktG, § 305 Rz. 30. K. Schmidt/Lutter-Stephan, AktG § 305 Rz. 32. Bilda, AG 2008, 641. BGH, Urt. v. 8.5.2006 – II ZR 27/05, ZIP 2006, 1392. Eingehende Würdigung bei Bilda, AG 2008, 641 ff. A. A. Bilda, AG 2008, 641, 646. Nicht ganz zwingend verwendet Bilda, AG 2008, 641, 645, dies als Argument gegen den originären Erwerb überhaupt.
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§ 305
Abfindung
geltend machen kann, vornehmlich mit dem Argument, dass anderenfalls die Abfindungsverpflichtung mehr oder weniger zufällig erlöschen würde.12) III.
Art der Abfindung (§ 305 Abs. 2)
1.
Barabfindung
Die Barabfindung ist nach der Konzeption des Gesetzes nicht die Regel, sondern die Aus- 12 nahme. Sie ist als eine Art Auffangregelung in § 305 Abs. 2 Nr. 3 vorgesehen. Sie wird nur geschuldet, wenn der betreffende Fall nicht bereits in § 305 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 geregelt ist. Insbesondere geht es damit um Fälle, in denen die Obergesellschaft weder eine AG noch eine KGaA ist. 2.
Abfindung in Aktien
Wenn die Gesellschaft eine AG oder KGaA ist, ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der 13 Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes hat und weder abhängig ist noch in Mehrheitsbesitz steht, muss der Vertrag zwingend als Abfindung die Gewährung eigener Aktien der Obergesellschaft vorsehen (§ 305 Abs. 2 Nr. 1). Mit den Stichworten „Abhängigkeit“ und „Mehrheitsbesitz“ wird auf die Definitionen in §§ 16, 17 verwiesen. 3.
Wahlrecht zwischen Aktien- und Barzahlung als Abfindung
Neben den oben beschriebenen zwingenden Fällen entweder der Regelung einer Barab- 14 findung oder der Regelung einer Abfindung in Aktien sieht § 305 Abs. 2 Nr. 2 auch ein Wahlrecht zwischen beiden Abfindungsarten vor. Dieses Wahlrecht wird für den Fall eröffnet, dass die Obergesellschaft eine abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende AG oder KGaA und dass die Obergesellschaft seinerseits beherrschende Unternehmen eine AG oder KGaA mit Sitz in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum ist. In diesem Fall kommt naturgemäß die Gewährung von Aktien der Obergesellschaft nicht in Betracht. Der Vertrag kann dann aber als Abfindung die Gewährung von Aktien der die Obergesellschaft beherrschenden AG oder KGaA vorsehen. In dem Fall, dass das die Obergesellschaft beherrschende Unternehmen seinerseits wieder abhängig ist oder in Mehrheitsbesitz steht, kann § 305 Abs. 2 Nr. 2 auch über mehrere Konzernstufen angewendet werden, bis hin zur Konzernspitze. Voraussetzung ist lediglich, dass die Konzernspitze die geschilderten Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 erfüllt, dass also der Sitz der Konzernspitze innerhalb der EU oder des EWR liegt.13) Soweit nach dem Gesagten ein Wahlrecht nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 besteht, muss die Wahl 15 zwischen der Abfindung in Aktien oder der Barabfindung im Vertrag selbst getroffen werden. Das ergibt sich zwar noch nicht unbedingt zwingend aus dem bloßen Gesetzeswortlaut. Dieser lässt vielmehr auch die Deutung zu, dass die Vertragsparteien die beiden Abfindungsarten alternativ anbieten können und dem außenstehenden Aktionär sodann die Entscheidung offensteht. Doch hat das Aktiengesetz an anderer Stelle bei einer ähnlichen Konstellation (Abfindung der i. R. einer Eingliederung ausgeschiedenen Aktionäre) ausdrücklich in den Gesetzeswortlaut die Worte „nach deren Wahl“ bei der Entscheidung zwischen Abfindung in Aktien oder einer Barabfindung aufgenommen (§ 320b Abs. 1 Satz 3). Dies spricht im Umkehrschluss dafür, dass es sich bei § 305 Abs. 2 Nr. 2
_____________ 12) Habersack, AG 2005, 709, 712. 13) Hüffer, AktG, § 305 Rz. 13.
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§ 305
Abfindung
(bei dem ein entsprechender Einschub fehlt) nicht so verhält,14) dass der Vertrag also eine der beiden Abfindungsarten definitiv festschreiben muss. IV.
Abfindungshöhe (§ 305 Abs. 3)
16 Das Gesetz verweist für die Höhe der angemessenen Abfindung auf eine (hypothetische) Verschmelzungswertrelation für den Fall, dass die Abfindung in Aktien erfolgen soll (§ 305 Abs. 3 Satz 1), und für die Barabfindung auf die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses über den Vertrag (§ 305 Abs. 3 Satz 2). Für die Berechnung der angemessenen Abfindung selbst enthält das Gesetz keine weiteren Vorgaben. Leitlinie muss sein, dass der außenstehende Aktionär voll entschädigt wird. Das hat das BVerfG bereits in seiner Feldmühle-Entscheidung15) niedergelegt.16) 1.
Barabfindung
17 Bei der Barabfindung ist der Unternehmenswert der Untergesellschaft zu ermitteln. Das geschieht in der Regel nach dem Ertragswertverfahren.17) Untergrenze der Bewertung ist nach dem DAT/Altana-Urteil des BVerfG allerdings stets der Börsenwert.18) Stichtag für die Bewertung soll dabei nach den gesetzlichen Vorgaben der Tag sein, an dem die Hauptversammlung der Untergesellschaft über die Zustimmung zu dem Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag beschließt (§ 305 Abs. 3 Satz 2). Siehe auch noch sogleich unten Rz. 19 ff. näher zum Börsenkurs. 2.
Abfindung in Aktien
18 Bei der Abfindung in Aktien schreibt § 305 Abs. 3 Satz 1 die Maßgeblichkeit der Verschmelzungsrelation vor. In diesem Fall müssen also Unternehmensbewertungen sowohl der Untergesellschaft als auch der Obergesellschaft (bzw. im Falle des § 305 Abs. 2 Nr. 2, der Gesellschaft, an der Aktien gewährt werden) vorgenommen werden. 3.
Beachtlichkeit des Börsenkurses für die Höhe der Abfindung
a)
Die DAT/Altana-Entscheidung
19 Seit der insoweit wegweisenden DAT/Altana-Entscheidung des BVerfG19) bildet der Börsenkurs der Untergesellschaft grundsätzlich die Untergrenze für die Bewertung. Insbesondere für einen Kleinaktionär ohne tieferen Einblick in die wertbildenden Faktoren ist dies im Grunde der einzig zugängliche Maßstab für die Bewertung seiner Anteilsrechte. Der Börsenkurs darf demnach bei der Festsetzung einer angemessenen Abfindung in der Regel nicht unterschritten werden. b)
Die Stollwerck-Entscheidung
20 Die Frage ist natürlich, welcher Börsenkurs zugrunde zu legen ist. Insoweit hatte der BGH zunächst in Fortentwicklung der Rechtsprechung des BVerfG auf den für die _____________ 14) Hüffer, AktG, § 305 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Stephan, AktG, § 305 Rz. 44. 15) BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60 (Feldmühle), BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667. 16) Dazu und zur weiteren Entwicklung der Rechtsprechung eingehend Bungert/Wettich, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 157, 158 ff. 17) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 5.3.2012 – 21 W 11/11, NZG 2012, 549, 550; KG, Beschl. v. 19.5.2011 – 2 W 154/08, WM 2011, 1705, 1706 = ZIP 2011, 2012; Neumann/Ogorek, DB 2010, 1869; Bücker, NZG 2010, 967; s. dazu näher K. Schmidt/Lutter-Stephan, AktG, § 305 Rz. 49 ff. 18) BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BVR 1613/94 (DAT/Altana), ZIP 1999, 1436, 1440. 19) BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BVR 1613/94 (DAT/Altana), ZIP 1999, 1436 ff.
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§ 305
Abfindung
letzten drei Monate vor der Hauptversammlung, in der über die Zustimmung zu dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag beschlossen werden soll, ermittelten Durchschnittskurs abgestellt.20) Dabei, so der BGH, sollte der Referenzzeitraum vom Tag der Hauptversammlung an zurückzurechnen sein.21) In seiner jüngsten Entscheidung zu diesem Thema hat er das jedoch korrigiert. Der BGH stellt jetzt nicht mehr auf die Hauptversammlung, sondern grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe ab, dass ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag geschlossen werden soll; der Referenzzeitraum von drei Monaten sei ab diesem Zeitpunkt zurückzuberechnen.22) Dem ist schon deswegen zuzustimmen, weil zum einen die Entwicklung des Börsenkurses zwischen Einladung (und Fertigstellung der relevanten Unterlagen) und Hauptversammlung gar nicht zuverlässig vorhergesehen werden kann23) und weil zum anderen ansonsten auch spekulationsbedingte Kurssteigerungen im Hinblick auf ein zu erwartendes Spruchverfahren zu berücksichtigen wären.24) Zulässig ist es aber, mit der Bekanntmachung zu warten, um einen günstigen Börsenkurs abzupassen.25) Der BGH hatte in seiner Stollwerck-Entscheidung zwar ausdrücklich nur über einen 21 Squeeze out zu befinden. Gleichwohl spricht er im Text des Beschlusses wiederholt von „Strukturmaßnahmen“. Das legt nahe, dass er auch Umwandlungsvorgänge und Unternehmensvertragsabschlüsse mit im Blick hatte, jedenfalls Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge als Organisationsmaßnahmen. Das wäre auch sachgerecht.26) 4.
Verzinsung des Barabfindungsanspruches
Die im Vertrag betraglich festgesetzte angemessene Barabfindung ist ab dem Wirksam- 22 werden des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen (§ 305 Abs. 3 Satz 3). Wirksam wird der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit dem Tag der Eintragung in das Handelsregister (§ 294 Abs. 2). Entscheidet sich der Aktionär erst später für die Abfindung nach § 305 und nimmt er in 23 der Zeit davor Ausgleichsleistungen nach § 304 in Anspruch, so werden die erhaltenen Ausgleichszahlungen unverzinst auf die Verzinsung der Abfindung, nicht aber auf die Abfindungszahlung selbst angerechnet.27) V.
Entfallen des Abfindungsanspruches
1.
Befristung (§ 305 Abs. 4)
Die Verpflichtung zum Erwerb der Aktien der außenstehenden Aktionäre kann befristet 24 werden, wobei die Frist frühestens zwei Monate nach Bekanntmachung der Eintragung des Vertrags im Handelsregister endet (§ 305 Abs. 4 Satz 2). Wenn ein Spruchverfahren anhängig gemacht worden ist, so endet die Frist allerdings frühestens zwei Monate nach _____________ 20) BGH, Beschl. v. 12.3.2001 – II ZB 15/00 (DAT/Altana IV), BGHZ 147, 108, 118 = ZIP 2001, 734. 21) BGH, Beschl. v. 12.3.2001 – II ZB 15/00 (DAT/Altana IV), BGHZ 147, 108, 118 = ZIP 2001, 734. 22) BGH, Beschl. v. 19.7.2010 – II ZB 18/09 (Stollwerck), ZIP 2010, 1487; eingehend zur Berechnung Bücker, NZG 2010, 967, 970 f. 23) Decher, ZIP 2010, 1673. 24) Näher dazu und zu weiteren Aspekten Neumann/Ogorek, DB 2010, 1869 ff.; s. a. schon Wasmann, BB 2007, 680, 681. 25) Bungert/Wettich, in Festschrift Hoffmann-Becking, S. 157, 163. 26) Decher, ZIP 2010, 1673, 1676 – „kein Anlass für eine abweichende Beurteilung“. Näher zum ganzen auch Bungert/Wettich, in: Festschrift Hoffmann-Becking, S. 157 ff. 27) BGH, Beschl. v. 16.9.2002 – II ZR 284/01 (Rütgers), ZIP 2002, 1892, 1893. S. zur Anrechnung der Ausgleichszahlung auch Meilicke, AG 1999, 103 ff.
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§ 305
Abfindung
Bekanntmachung der Entscheidung über den zuletzt beschiedenen Antrag (§ 305 Abs. 4 Satz 3). Nach Ablauf der zulässigerweise bestimmten Frist kommt eine wirksame Annahme des Abfindungsangebots durch den außenstehenden Aktionär nicht mehr in Betracht. 2.
Außerordentliche Kündigung nach Spruchverfahren (§ 305 Abs. 5 Satz 4 i. V. m. § 304 Abs. 4)
25 Die Obergesellschaft kann den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag außerordentlich kündigen, wenn im Spruchverfahren die Abfindung vom Gericht bestimmt (also erhöht) wird. Das folgt aus dem Verweis in § 305 Abs. 5 Satz 4 auf das parallel bei der Ausgleichszahlung nach § 304 Abs. 4 bestehende Kündigungsrecht. Die Kündigung muss spätestens vor Ablauf von zwei Monaten ab Rechtskraft der Gerichtsentscheidung erklärt werden (und zugehen). Der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag endet dann sofort. VI.
Vertragsmängel
26 Bei unangemessener Höhe der Abfindung im Vertrag ist das Spruchverfahren eröffnet. Das Gericht bestimmt jedoch nicht nur bei unangemessener Regelung die angemessene Abfindung, sondern auch dann, wenn der Vertrag überhaupt keine Abfindung vorsieht (§ 305 Abs. 5 Satz 2). Aus diesem Grunde ist der Vertrag, der überhaupt keine Abfindungsregelung enthält, im Gegensatz zu einem Vertrag ohne Ausgleichsregelung (§ 304 Abs. 3 Satz 1) nicht nichtig. VII. Beschlussmängel 27 Stimmt die Hauptversammlung einem Vertrag ohne Abfindungsregelung zu, so ist nicht nur der Vertrag gleichwohl wirksam; vielmehr kann der entsprechende Beschluss auch nicht mit der Begründung angefochten werden, dass der Vertrag keine angemessene Abfindung vorsieht (§ 305 Abs. 5 Satz 1). Die Anfechtung wird hier deshalb ausgeschlossen, weil sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Angemessenheit der Abfindung ausschließlich dem Spruchverfahren vorbehalten sein sollen (§ 305 Abs. 5 Satz 2).28) „Im Zusammenhang“ ist dabei weit auszulegen. Denn wenn schon das völlige Unterbleiben einer Abfindungsregelung in das Spruchverfahren mündet und die reguläre Anfechtung ausgeschlossen wird, so kann es bei etwa fehlenden oder unzureichenden Unterlagen oder Informationen über die Ermittlung oder die Angemessenheit der Abfindung nicht anders liegen. Auch etwa die Behauptung einer unzutreffenden Festlegung des Referenzzeitraumes für den Börsenkurs eröffnet die Anfechtungsklage nicht.29) VIII. Spruchverfahren 1.
Bestimmung der Abfindung durch das Gericht
28 Statt einer Anfechtungsklage ist bei fehlender oder den § 305 Abs. 1 bis 3 des § 305 nicht entsprechender Abfindungsregelung das in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmte Gericht auf Antrag zur Bestimmung der vertraglich zu gewährenden Abfindung aufgerufen (§ 305 Abs. 5 Satz 2). Dabei entspricht die Abfindungsregelung der Maßgabe des Absatz 1 nicht, wenn die vertragliche Regelung nicht die Obergesellschaft, sondern die Untergesellschaft als Abfindungsschuldnerin benennt. Gegen § 305 Abs. 2 wird verstoßen, wenn der Vertrag nicht die gehörige Abfindungsart festsetzt. Eine Verletzung schließlich des § 305 Abs. 3 liegt vor, wenn die festgesetzte Abfindung der Höhe nach unangemessen _____________ 28) Zum SpruchG s. Riegger/Wasmann, SpruchG. 29) LG München, Urt. v. 4.6.2009 – 5 HK O 591/09, ZIP 2009, 2247.
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Vertragsbeendigung zur Sicherung außenstehender Aktionäre
§ 307
ist, wenn also insbesondere Bewertungsmängel vorliegen. Bei § 305 Abs. 2 Nr. 2 darf das Gericht allerdings nicht die im Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag festgelegte Abfindungsart ändern; es kann nur das Umtauschverhältnis anders festsetzen oder die Barabfindung aufstocken (§ 305 Abs. 5 Satz 3). 2.
Gestaltungswirkung
Die gerichtliche Entscheidung, also die Bestimmung der angemessenen Abfindung, wirkt 29 gestaltend auf den Vertragsinhalt ein. Wird das im Vertrag gemachte Abfindungsangebot nach der gerichtlichen Bestimmung der angemessenen Abfindung von den außenstehenden Aktionären angenommen, entsteht der Abfindungsanspruch in der von dem Gericht festgesetzten Höhe. 3.
Abfindungsergänzungsanspruch
Schließlich bleibt zu regeln, was für solche außenstehenden Aktionäre gilt, die das Abfin- 30 dungsangebot bereits angenommen hatten, bevor das Gericht die angemessene Abfindung bestimmt hat. Sie haben als Entschädigung für ihre Aktien eine geringere Abfindung erhalten. Insoweit werden sich diese bereits ausgeschiedenen Aktionäre fragen, ob sie nach der gerichtlichen Bestimmung einer höheren Abfindung auch noch zusätzlich etwas beanspruchen können. Diese Frage war früher umstritten, wird aber heute durch § 13 Satz 2 SpruchG i. S. eines dort ausdrücklich geregelten Abfindungsergänzungsanspruches bejaht.
§ 306 1)
(aufgehoben) _____________ 1)
Aufgeboben durch Art. 2 des Gesetzes v. 12.6.2003, BGBl. I, 828, m. W. v. 1.9.2003.
§ 307 Vertragsbeendigung zur Sicherung außenstehender Aktionäre Hat die Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag keinen außenstehenden Aktionär, so endet der Vertrag spätestens zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem ein außenstehender Aktionär beteiligt ist. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Hinzutreten eines außenstehenden Aktionärs ......................... 2 I.
III. Automatische Vertragsbeendigung .......................... 3
Überblick
Die Vorschrift beschäftigt sich mit dem Fall, dass ein Beherrschungs- oder Gewinnabfüh- 1 rungsvertrag abgeschlossen wird und es zum Zeitpunkt des Abschlusses keinen außenstehenden Aktionär gibt. Das hat Einfluss auf die Vertragsgestaltung. Mangels außenstehendem Aktionär (das ist jeder Aktionär außer dem anderen Vertragsteil, soweit er diesem nicht über einen zwischen ihnen abgeschlossenen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsver-
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§ 307
Vertragsbeendigung zur Sicherung außenstehender Aktionäre
trag zuzurechnen ist) braucht der Vertrag dann nämlich keine Regelungen über Ausgleich (§ 304) und Abfindung (§ 305) zu enthalten. Ein außenstehender Aktionär im vorbeschriebenen Sinne kann aber während der Laufzeit des Vertrages hinzutreten. Dann ordnet § 307 die automatische Beendigung des Vertrages zum Ende des während des Hinzutretens laufenden Geschäftsjahres an. II.
Hinzutreten eines außenstehenden Aktionärs
2 Die Beteiligung eines außenstehenden Aktionärs an der abhängigen Gesellschaft kann auf verschiedene Art und Weise geschehen. So kann ein Dritter Aktien von der bisherigen Alleingesellschafterin, dem anderen Vertragsteil, erwerben. Es kann aber auch ein schon bisher beteiligter Aktionär, der über einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit dem anderen Vertragsteil diesem zugerechnet wurde (und deshalb nicht als außenstehender Aktionär galt), durch die Beendigung dieses letzteren, mit dem anderen Vertragsteil geschlossenen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages zum außenstehenden Aktionär werden. Schließlich ist auch denkbar, dass ein Dritter i. R. einer Kapitalerhöhung bei der abhängigen Gesellschaft, bei der die herrschende Gesellschaft auf ihr Bezugsrecht verzichtet hat, durch Zeichnung der neuen Aktien als außenstehender Aktionär hinzutritt. III.
Automatische Vertragsbeendigung
3 Kommt es zu einer Beteiligung eines außenstehenden Aktionärs, so endet der Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag spätestens zum Ende des laufenden Geschäftsjahres. Durch Kündigung aus wichtigem Grund kann er freilich auch früher enden. Als Beispielsfall für eine frühere Beendigung wird in der Literatur auch die Aufhebung (§ 296) genannt.1) Das wird in der Regel freilich nicht in eine frühere Beendigung des Vertrages als nach § 307 münden. Denn die Aufhebung kann nach § 296 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums erfolgen. 4 Um das Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverhältnis nahtlos fortzuführen, kann und muss rechtzeitig ein neuer Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen werden, der mit Blick auf den außenstehenden Aktionär nunmehr entsprechende Ausgleichs- und Abfindungsregelungen zu enthalten hat. Die Beendigung des bisherigen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages nebst Grund und Zeitpunkt ist gemäß § 298 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
_____________ 1)
Hüffer, AktG, § 307 Rz. 3.
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Zweiter Teil Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Abhängigkeit von Unternehmen Erster Abschnitt Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags § 308 Leitungsmacht Oliver Rothley
(1) 1Besteht ein Beherrschungsvertrag, so ist das herrschende Unternehmen berechtigt, dem Vorstand der Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. 2Bestimmt der Vertrag nichts anderes, so können auch Weisungen erteilt werden, die für die Gesellschaft nachteilig sind, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. (2) 1Der Vorstand ist verpflichtet, die Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen. 2Er ist nicht berechtigt, die Befolgung einer Weisung zu verweigern, weil sie nach seiner Ansicht nicht den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dient, es sei denn, daß sie offensichtlich nicht diesen Belangen dient. (3) 1Wird der Vorstand angewiesen, ein Geschäft vorzunehmen, das nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats der Gesellschaft vorgenommen werden darf, und wird diese Zustimmung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erteilt, so hat der Vorstand dies dem herrschenden Unternehmen mitzuteilen. 2Wiederholt das herrschende Unternehmen nach dieser Mitteilung die Weisung, so ist die Zustimmung des Aufsichtsrats nicht mehr erforderlich; die Weisung darf, wenn das herrschende Unternehmen einen Aufsichtsrat hat, nur mit dessen Zustimmung wiederholt werden. Literatur: Fleischer, Konzernleitung und Leitungssorgfalt der Vorstandsmitglieder im Unternehmensverbund, DB 2005, 759; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht – Zentrale Aspekte eines Konzernverfassungsrechts, 1982; Kantzas, Das Weisungsrecht im Vertragskonzern, 1988; Lutter, Due diligence des Erwerbers beim Kauf einer Beteiligung, ZIP 1997, 613; Schneider, S./ Schneider, U., Vorstandshaftung im Konzern, AG 2005, 57; Seibt/Wollenschläger, TrennungsMatrixstrukturen im Konzern, AG 2013, 229; Sina, Grenzen des Konzernverweisungsrechts nach § 308 AktG, AG 1991, 1; Stoffels, Grenzen der Informationsweitergabe durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft im Rahmen einer „Due Diligence“, ZHR 165 (2001), 362; Wardenbach, Weisung auf Unterstützung der Due Diligence im Konzern, in: Festschrift für Hans-Jochem Lüer, 2008, S. 303; Wellkamp, Die Haftung von Geschäftsleitern im Konzern, WM 1993, 2155; Zöllner, Inhalt und Wirkung von Beherrschungsverträgen bei der GmbH, ZGR 1992, 173.
Übersicht I. Weisungsrecht (§ 308 Abs. 1) ........... 1 1. Voraussetzungen ................................ 1 2. Weisungsempfänger ........................... 2
3. Weisungsberechtigter ......................... 3 a) Grundsatz ..................................... 3
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Leitungsmacht
b) Delegation und Bevollmächtigung .................................. 4 4. Weisung .............................................. 6 a) Inhalt und Gegenstand ................ 6 b) Begriff und Form ....................... 10 c) Vertragliche Vereinbarungen .... 12 d) Nachteilige Weisungen ............. 13 e) Grenzen ..................................... 16 I.
Weisungsrecht (§ 308 Abs. 1)
1.
Voraussetzungen
5. II. 1. 2.
Rechtsdurchsetzung ......................... 18 Folgepflicht (§ 308 Abs. 2) ............. 19 Grundsatz ......................................... 19 Recht und Pflicht zur Zurückweisung .............................................. 21 3. Weisungsfreier Raum ....................... 22 III. Zustimmungsbedürftige Geschäfte (§ 308 Abs. 3) ................. 23
1 Das Bestehen eines Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens gegenüber der Gesellschaft erfordert das wirksame Bestehen eines Beherrschungsvertrages i. S. von § 291 Abs. 1 Satz 1. Eine Investorenvereinbarung, die weder direkt noch indirekt ein Weisungsrecht vorsieht, reicht hierfür nicht aus.1) Ob es sich dabei um einen ausschließlichen Beherrschungsvertrag oder um eine Kombination mit einem Gewinnabführungsvertrag handelt, spielt keine Rolle.2) Eine Rückwirkung auf Weisungen, die bereits vor Bestehen eines wirksamen und im Handelsregister eingetragenen Beherrschungsvertrages erteilt wurden, ist mit der ganz h. M. zu verneinen.3) Bei Mängeln eines im Handelsregister eingetragenen Beherrschungsvertrages gelten die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft entsprechend; das herrschende Unternehmen ist damit berechtigt, Weisungen aufgrund des mangelhaften Vertrages zu erteilen, solange die Gesellschaft diese Mängel nicht rügt.4) 2.
Weisungsempfänger
2 Adressat der Weisung ist ausschließlich der Vorstand der Gesellschaft, und nicht die Gesellschaft als solche. Da hierdurch die eigenverantwortliche Leitungsmacht des Vorstands eingeschränkt wird, ist dies auch folgerichtig.5) Gegenüber Angestellten des abhängigen Unternehmens besteht kein Weisungsrecht. Es ist jedoch zulässig, dass der Vorstand i. R. seines Direktionsrechts seine Mitarbeiter anweist, Weisungen des herrschenden Unternehmens, die direkt an den Mitarbeiter adressiert sind, zu befolgen.6) Nach § 308 Abs. 2 Satz 2 ist der Vorstand nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, offensichtlich rechtswidrige Weisungen nicht zu befolgen. Um dem gerecht zu werden, muss der Vorstand durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass er von jeder Weisung Kenntnis erlangt, diese prüfen und ihren Vollzug erforderlichenfalls verhindern.7) Aus diesen Gründen ist auch eine umfassende Bevollmächtigung des herrschenden Unternehmens zur Vertretung der abhängigen Gesellschaft unzulässig mit der Folge des § 134
_____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6) 7)
OLG München, Beschl. v. 18.7.2012 – 7 AktG 1/12, AG 2012, 802, 803 f. Allg. M., Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 7. OLG München, Urt. v. 14.6.1991 – 23 U 4638/90, ZIP 1992, 327, 330; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.10.1993 – 11 Wx 48/93, AG 1994, 283; OLG Hamburg, Beschl. v. 6.10.1989 – 11 W 91/89, ZIP 1989, 1326, 1327; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 294 AktG Rz. 29; a. A. Altmeppen in: MünchKommAktG, § 294 Rz. 52 m. w. N. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 9; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 4. Vgl. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 33. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 15; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 28. Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 28.
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BGB.8) Die Möglichkeit zur Vertretung bleibt vielmehr auf begrenzte und überschaubare Einzelfälle beschränkt.9) 3.
Weisungsberechtigter
a)
Grundsatz
Grundsätzlich ist das herrschende Unternehmen als anderer Vertragsteil weisungsbe- 3 rechtigt und wird hierbei durch seine gesetzlichen Vertreter vertreten. Will im mehrstufigen Vertragskonzern die Mutter der Enkelin eine Weisung erteilen, ist dies nur aufgrund eines zwischen diesen Gesellschaften bestehenden Beherrschungsvertrags möglich.10) Bei einem Beherrschungsvertrag mit mehreren Müttern sind alle weisungsberechtigt. Es empfiehlt sich in diesem Fall, im Beherrschungsvertrag eine Regelung zur koordinierten Ausübung des Weisungsrechts zu treffen. Besteht das Vertretungsorgan des herrschenden Unternehmens aus mehreren Personen, können einzelne Organmitglieder zur Ausübung des Weisungsrechts unter Beachtung der für das herrschende Unternehmen maßgeblichen Rechtsvorschriften ermächtigt werden. b)
Delegation und Bevollmächtigung
Nach nahezu einhelliger Auffassung ist es zulässig, das Weisungsrecht entweder durch 4 Ermächtigung oder Bevollmächtigung auf einen Dritten zu delegieren.11) Das Weisungsrecht kann dabei an Angestellte des herrschenden Unternehmens (z. B. Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte), aber auch an sonstige Dritte delegiert werden, die nicht dem herrschenden Unternehmen angehören (z. B. Organmitglieder oder Mitarbeiter von Konzerngesellschaften). Mangels selbständiger Verkehrsfähigkeit des Weisungsrechts kann dieses jedoch nicht an einen Dritten i. S. eines Wechsels der Rechtszuständigkeit übertragen werden.12) In der Praxis wird die klare Abgrenzung zwischen einer bloßen Delegation und einer weitergehenden Übertragung des Weisungsrechts schwierig sein. Sinnvollerweise wird man darauf abstellen müssen, in welchen sachlichen und zeitlichen Grenzen die Delegation stattfindet. Unzulässig dürfte sicherlich eine unwiderrufliche Delegation ohne sachliche Begrenzung auf bestimmte Maßnahmen sein. Gleiches wird man für den Fall annehmen müssen, in dem das Weisungsrecht quasi auf ausschließlicher Basis an einen Dritten delegiert wird, ohne dass dem herrschenden Unternehmen weiterhin die Möglichkeit verbleibt, selbst das Weisungsrecht auszuüben. Innerhalb dieser Grenzen bestehen auch keine Bedenken gegenüber einer Delegation an die Muttergesellschaft.13) _____________ 8) Vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, ZIP 1990, 859, 860; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 15; Heidel-Peres, § 308 AktG Rz. 30. 9) Grigoleit-Servatius, AktG, § 308 Rz. 7; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 154; a. A. Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 28, mit Hinweis auf die damit einhergehenden Abgrenzungsschwierigkeiten; vgl. andererseits Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 21 ff., der eine umfassende Bevollmächtigung des herrschenden Unternehmens für zulässig hält. 10) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 10; BGH, Urt. v. 14.5.1990 – II ZR 122/89 (Singer), ZIP 1990, 859, 860; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 3; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 6; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 29, 51 ff.; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 308 Rz. 13. 11) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 12; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 41; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 25; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 5; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 152; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 15. 12) Hüffer, AktG,§ 308 Rz. 6; Spindler/Stilz-Veil, AktG,§ 308 Rz. 13; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 24; vgl. auch weitergehend Heidel-Peres, § 308 AktG Rz. 27, der auch eine unwiderrufliche Bevollmächtigung bzw. Ermächtigung Dritter für unzulässig hält. 13) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 12; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 15; Krieger in: MünchnerHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 152; a. A. Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 25.
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5 Verletzt der Delegatar bei Ausübung des delegierten Weisungsrechts die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 309 Abs. 1), ist der Umfang seiner Haftung umstritten. Es haben sich hier im Wesentlichen zwei Lager gebildet. Nach einer Ansicht haftet der Delegatar der abhängigen Gesellschaft analog § 309, während den gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens im Kontext von § 309 nur eine Haftung für sein Auswahlverschulden, jedoch keine verschuldensunabhängige Haftung für fremdes Verschulden trifft.14) Nach h. A. kommt für den Delegatar (nur) eine Haftung nach § 117 Abs. 3 oder aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 i. V. m. § 266 StGB, § 826, 830 BGB) in Betracht, während der gesetzliche Vertreter nach § 309 i. V. m. § 278 BGB haftet.15) Dieser Ansicht ist beizutreten. Zwar sprechen der Hinweis auf die Delegation als praktischer Regelfall und die dadurch auftretende Schutzlücke für die erstgenannte Ansicht. Gleichwohl wird hierbei aber verkannt, dass § 309 eine Sonderverbindung zwischen gesetzlichem Vertreter und abhängiger Gesellschaft begründet, die den Anwendungsbereich von § 278 BGB eröffnet. Darüber hinaus entsteht für den Delegatar, der zumeist weisungsgebundener Mitarbeiter des herrschenden Unternehmens sein wird, durch die analoge Anwendung von § 309 ein erhöhtes Haftungsrisiko, das mit den allgemeinen Grundsätzen zur Arbeitnehmerhaftung und innerbetrieblichen Haftungsverteilung nur schwer in Einklang zu bringen ist. 4.
Weisung
a)
Inhalt und Gegenstand
6 Inhaltlich deckt sich das Weisungsrecht mit § 76 Abs. 1. Weisungen können daher in allen Leitungsangelegenheiten inner- und außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes erteilt werden.16) Eine Weisungspflicht besteht demgegenüber nicht.17) Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft kann daher zu einer bestimmten Unternehmensplanung oder internen Organisation (einschließlich Compliance-Organisation), zu Personalentscheidungen, zu bestimmten Einkaufs- und Absatzmodalitäten einschließlich der zugrunde liegenden Kalkulation und Preisfestsetzung, zu Geschäften mit dem herrschenden Unternehmen oder anderen Konzernunternehmen, zur Erteilung bestimmter Auskünfte an das herrschende Unternehmen oder zur Zulassung und Vorbereitung einer Due Diligence Prüfung18) durch einen potentiellen Erwerber angewiesen werden. Zur Integration in die Konzernrechnungslegung kann der Vorstand angewiesen werden, in regelmäßigen Abständen bestimmte Kennzahlen an die Konzernobergesellschaft zu berichten oder die Rechnungslegung der Gesellschaft in das konzernweite IT-System einzubinden. 7 Das Weisungsrecht erstreckt sich auch auf finanzielle Angelegenheiten. Die Anweisung, Rücklagen aufzulösen oder zu bilden, bestimmte Darlehen an ein Konzernunternehmen oder einen Dritten auszureichen, liquide Mittel durch Umlagen, Konzernverrechnungspreise oder auf sonstige Weise zu verlagern oder Gegenstände unter Wert zu veräußern,
_____________ 14) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 12; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 48. 15) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 161; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 15, 26; Hüffer, AktG,§ 309 Rz. 4; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 309 Rz. 3; Heidel-Peres, § 309 AktG Rz. 15; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 19. 16) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 83; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 20; vgl. Seibt/ Wollenschläger, AG 2013, 229 ff. – zur Einführung von Trennungs-Matrixstrukturen im Konzern. 17) Fleischer, DB 2005, 759, 760. 18) Wardenbach in: FS Lüer, S. 303, 318; a. A. Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 371; wohl auch Lutter, ZIP 1997, 613, 618.
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ist daher zulässig.19) Der Grundsatz der Kapitalerhaltung ist hier durch § 291 Abs. 3, § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 eingeschränkt. Die Anweisung zur Teilnahme an einem Cash-PoolingSystem ist ebenfalls zulässig. Nach zwischenzeitlich allgemeiner Meinung sind auch Weisungen im Bereich der inner- 8 gesellschaftlichen Angelegenheiten und Organisation zulässig.20) Der Vorstand kann daher auch zur Einberufung einer Hauptversammlung, zur Ausnutzung eines genehmigten Kapitals oder zur Vorbereitung von Satzungsänderungen oder sonstigen in die Kompetenz der Hauptversammlung fallenden Angelegenheiten angewiesen werden. Eine gesetzliche Grenze zieht aber § 299. Die Kompetenzverteilung innerhalb der Gesellschaft bleibt jedoch vom Weisungsrecht 9 unberührt. Vor diesem Hintergrund ist umstritten, ob der Vorstand angewiesen werden kann, eine Beschlussfassung der Hauptversammlung nach § 111 Abs. 4 Satz 3 oder § 119 Abs. 2 herbeizuführen.21) Wegen der damit einhergehenden Verlagerung der Verantwortlichkeit wird man dies ablehnen müssen. Insoweit kann der Vorstand jedoch angewiesen werden, auf die Einschaltung der Hauptversammlung zu verzichten.22) Das Weisungsrecht findet auch seine Grenzen im Bereich der sog. Holzmüller-Fälle.23) b)
Begriff und Form
Eine Weisung muss nicht zwingend als solche bezeichnet sein. Innerhalb eines anerkannt 10 weiten Begriffsverständnisses reicht hier jede auf einen bestimmten Rechtserfolg gerichtete Einflussnahme aus. Maßgebend ist nicht der Wille des Erklärenden, sondern der objektive Empfängerhorizont. Auch Ratschläge, Empfehlungen oder erkennbare Erwartungen können daher eine Weisung darstellen.24) Die Weisungserteilung unterliegt keiner bestimmten Form. Aus Nachweisgründen und zur 11 Bestimmung des konkreten Weisungsgegenstands empfiehlt sich gleichwohl, Schrift- oder zumindest Textform (§ 126b BGB) festzulegen. Dem folgt die gängige Vertragspraxis. c)
Vertragliche Vereinbarungen
Der Umfang des Weisungsrechts kann im Beherrschungsvertrag innerhalb der unter Rz. 6 ff. 12 und Rz. 16 f. dargestellten rechtlichen Grenzen näher konkretisiert und/oder eingeschränkt werden.25) Aus diesem Grund sind auch sog. Teilbeherrschungsverträge, die nur bestimmte Geschäftsbereiche oder Betriebe bzw. Betriebsteile betreffen, als zulässig an-
_____________ 19) Vgl. Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 33, Krieger in: MünchnerHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 149; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 308 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 12; Altmeppen in: MünchKommAktG, § 308 Rz. 95.; a. A. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 21 – hinsichtlich finanzverfassungsrechtlicher Angelegenheiten. 20) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 21; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 88; Emmerich/ Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 40; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 12; Sina, AG 1991, 1, 7. 21) Abl. Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 32; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 308 Rz. 23; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 90; Spindler/Stilz-Veil, AktG § 308 Rz. 21; § 309 Rz. 12; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 41; Voigt, S. 278; befürwortend Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 308 Rz. 18; wohl auch Hüffer, AktG § 308 Rz. 12. 22) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 32; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 91. 23) In Anlehnung an OLG Stuttgart, Urt. v. 29.10.1997 – 20 U 8/97, NZG 1998, 601 f.; a. A. GrigoleitServatius, AktG, § 308 Rz. 4. 24) Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 245; Sina, AG 1991, 1. 25) Hüffer, AktG, § 308 Rz. 13; Krieger in MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 150; Altmeppen in MünchKommAktG, § 308 Rz. 132.
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zusehen.26) In der Vertragspraxis haben derartige Beschränkungen jedoch kaum Bedeutung erlangt. Eine vertragliche Erweiterung ist in jedem Fall unzulässig. d)
Nachteilige Weisungen
13 Nachteilige Weisungen sind zulässig, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen (§ 308 Abs. 1 Satz 2). Dies gilt auch bei ausstehenden Genussscheinen; eine teleologische Reduktion von § 308 ist damit nicht verbunden.27) Die Möglichkeit zur Erteilung nachteiliger Weisungen stellt einen prospektrelevanten Umstand dar.28) Der Pflichtenmaßstab des Vorstands orientiert sich damit nicht mehr am Wohl der Gesellschaft, sondern am Konzerninteresse. Diese Interessenverlagerung ist zwingend erforderlich, um den regelmäßigen Zweck eines Beherrschungsvertrages, nämlich der vollständigen wirtschaftlichen Integration der abhängigen Gesellschaft, zu ermöglichen.29) Die faktische Konzernverbundenheit des Unternehmens, in dessen Interesse die Weisung erfolgt, ist dabei ausreichend.30) 14 Eine Weisung ist nachteilig, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft, der sich nur am Wohle seiner Gesellschaft zu orientieren hat, das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme, zu dem bzw. der er angewiesen wurde, nicht vorgenommen hätte.31) Der Begriff des Nachteils ist identisch mit dem in § 311 (siehe dort Rz. 13 ff.). 15 Das Konzerninteresse ist gewahrt, wenn sich das Rechtsgeschäft bzw. die Maßnahme auf die Vermögens- oder Ertragslage des herrschenden Unternehmens oder der begünstigten Konzerngesellschaft positiv auswirkt.32) Mittelbare Vorteile, auch als Saldo unter Einbezug etwaiger Nachteile für den Konzern, sind hierbei ausreichend. Das Vorliegen eines Vorteils ist dabei nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Auf das subjektive Empfinden des Weisungsadressaten kommt es nicht an.33) Wenig praktikabel ist die h. M., wonach die Vorteile des Konzerns und der Nachteil der abhängigen Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen.34) Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine solche Einschränkung nicht angezeigt und wegen des Verbots existenzgefährdender Weisungen auch nicht geboten.35)
_____________ 26) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 133; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 30; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 308 Rz. 58. 27) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 7.2.2012 – 5 U 92/11 (Eurohypo), ZIP 2012, 524. 28) BGH, Urt. v. 18.9.2012 – XI ZR 344/11, AG 2012, 874 ff = ZIP 2012, 2199. 29) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 23. 30) H. M. Hüffer, AktG, § 308 Rz. 18; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 25; Kantzas, S. 100; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 49; wohl auch Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 109, der jedoch in diesem Fall besondere Anforderungen an die Feststellung des Konzerninteresses stellt; restriktiv Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 47a; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 308 Rz. 45. 31) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 50; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 24; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 15. 32) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 26; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 49. 33) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 106. 34) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 26; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 51; Bürgers/ Körber-Fett, AktG, § 308 Rz. 22; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 148; Sina, AG 1991, 1, 7; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 112 f., der diesen Aspekt im Bereich der Haftung nach § 309 diskutiert. 35) Grigoleit-Servatius, AktG, § 308 Rz. 10.
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§ 308
Leitungsmacht e)
Grenzen
Die Reichweite des Weisungsrechts ist zunächst durch die zwingenden gesetzlichen Vor- 16 schriften, insbesondere des AktG, die Satzung der abhängigen Gesellschaft und etwaige Einschränkungen im Beherrschungsvertrag begrenzt.36) Weisungen, die diese Grenzen überschreiten, sind nichtig (§ 134 BGB).37) Nach h. M. sind darüber hinaus auch existenzgefährdende Weisungen unzulässig.38) Dies 17 ist zu befürworten, soweit der Schutz über die §§ 302, 303 aufgrund einer Krise des herrschenden Unternehmens leer läuft. Dies ist nach objektiven Kriterien zum Zeitpunkt der Weisungserteilung zu beurteilen und bei Vollzug der Weisung zu überprüfen. Zum überwiegenden Teil wird hierbei jedoch nicht zwischen Weisungen differenziert, die während der Vertragslaufzeit die Existenz der Gesellschaft gefährden und solchen Weisungen, die sich auf die Lebensfähigkeit der Gesellschaft erst nach Vertragsbeendigung auswirken.39) Praktisch relevant dürfte indes nur die zweite Fallgruppe sein, da das herrschende Unternehmen regelmäßig kein Interesse daran haben dürfte, die Existenz des beherrschten Unternehmens zu gefährden. Schwierig zu beurteilen sind oftmals die Fälle, wonach aufgrund entsprechender Weisung der Geschäftsbetrieb der abhängigen Gesellschaft auf bestimmte Bereiche konzentriert wird (z. B. Produktion) und darüber hinaus gehende Bereiche und Stabsfunktionen (z. B. Vertrieb, Marketing, Rechnungslegung, Personalwesen) auf ein anderes Konzernunternehmen verlagert werden. Zulässig sind solche Maßnahmen jedenfalls dann, wenn durch eine entsprechende Vereinbarung mit der abhängigen Gesellschaft gewährleistet ist, dass die Maßnahmen, die die selbständige Überlebensfähigkeit beeinträchtigen, nach Vertragsende wieder auf Kosten des herrschenden Unternehmens wirtschaftlich betrachtet rückgängig gemacht werden (sog. Wiederaufbauhilfen).40) Aber auch ohne derartige Wiederaufbauhilfen dürften solche Maßnahmen zulässig sein, da die Gesellschaft und damit mittelbar auch die außenstehenden Aktionäre durch den letzten Verlustausgleichsanspruch (§ 302) und die Gläubiger zudem über § 303 ausreichend geschützt sind.41) 5.
Rechtsdurchsetzung
Das herrschende Unternehmen hat gegen die abhängige Gesellschaft einen Anspruch auf 18 Vollzug von rechtmäßigen Weisungen i. S. eines Erfüllungsanspruchs. Die Gesellschaft kann daher nach den allgemeinen Bestimmungen verklagt und der Anspruch vollstreckt werden.42) Ein direkter Leistungsanspruch des herrschenden Unternehmens gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft wird mangels schuldrechtlicher Beziehung zu Recht verneint.43) Die Vollstreckung des gegen die abhängige Gesellschaft gerichteten _____________ 36) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 28 f. 37) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 30. 38) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.6.1990 – 19 W 13/86 (DAB/Hansa), ZIP 1990, 1333, 1338; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 148; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 42; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 308 Rz. 24; Sina, AG 1991, 1, 7; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 308 Rz. 50 ff.; Wellkamp, WM 1993, 2155, 2156; Zöllner, ZGR 1992, 173, 189; Grigoleit-Servatius, AktG, § 308 Rz. 20 ff. 39) Hierzu im Einzelnen Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 115 ff. 40) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 42 m. w. N.; Hommelhoff, S. 310. 41) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 65; Grigoleit-Servatius, AktG, § 308 Rz. 22 f; vgl. auch Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 128, der darauf hinweist, dass die Gesellschaft nach Beendigung des Vertrages unter der Voraussetzung einer korrekten Bewertung bilanziell über dieselbe Vermögensmasse verfügen muss wie zu Vertragsbeginn. 42) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 64; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 52. 43) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 52; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 67; Bürgers/ Körber-Fett, AktG, § 308 Rz. 27; a. A. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 18; Emmerich/HabersackEmmerich, § 308 AktG Rz. 67.
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§ 308
Leitungsmacht
Anspruchs und diesbezügliche Zwangsmittel richten sich jedoch direkt gegen die Vorstandsmitglieder der betroffenen Gesellschaft (§§ 888, 890 ZPO).44) Daneben haftet der Vorstand im Innenverhältnis auf Schadensersatz (§ 93 Abs. 2) und riskiert bei Missachtung von rechtmäßigen Weisungen den Widerruf seiner Bestellung nach § 84 Abs. 3.45) II.
Folgepflicht (§ 308 Abs. 2)
1.
Grundsatz
19 Die Folgepflicht in § 308 Abs. 2 ist das Gegenstück zum Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1. Der Vorstand ist hiernach gegenüber der abhängigen Gesellschaft verpflichtet, zulässige Weisungen zu befolgen.46) 20 Vor Ausführung der Weisung hat der Vorstand der abhängigen Gesellschaft jedoch zu prüfen, ob die Weisung mit dem Gesetz, der Satzung und dem Beherrschungsvertrag in Einklang steht.47) Ist dies nicht der Fall, ist die Weisung unzulässig. Anderenfalls hat der Vorstand weiter zu prüfen, ob der Vollzug der Weisung nachteilig für die abhängige Gesellschaft ist. Das herrschende Unternehmen hat er auf die von ihm festgestellten Nachteile hinzuweisen, wenn das herrschende Unternehmen möglicherweise diese Nachteile dem Grunde oder ihrem Umfang nach bei der Weisungserteilung nicht erkannt hat.48) Hält das herrschende Unternehmen seine Weisung aufrecht, hat sie der Vorstand nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen (Rz. 21) zu befolgen. 2.
Recht und Pflicht zur Zurückweisung
21 Liegt die nachteilige Weisung nach objektiven Kriterien nicht im Konzerninteresse und entspricht damit nicht den Anforderungen nach § 308 Abs. 1 Satz 2, so ist diese objektiv rechtswidrige Weisung grundsätzlich dennoch zu befolgen. Auf die subjektive Einschätzung des Vorstands kommt es dagegen nicht an. Die Folgepflicht gilt nur dann nicht, wenn die Weisung offensichtlich nicht dem Konzerninteresse dient (§ 308 Abs. 2 Satz 2). Die Prüfungspflicht des Vorstands erstreckt sich damit nicht auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle, sondern (nur) auf eine Evidenzkontrolle.49) Offensichtlichkeit ist zu bejahen, wenn das fehlende Konzerninteresse für jeden Sachkenner ohne weitere tatsächliche Nachforschungen erkennbar ist.50) Entsprechend dem Gesetzeswortlaut trifft die Beweislast die abhängige Gesellschaft.51) Dient die Weisung offensichtlich nicht dem Konzerninteresse, ist der Vorstand verpflichtet, die Weisung abzulehnen. Folgt er der Weisung dennoch, handelt er nicht pflichtwidrig, wenn ihm Beweismittel zum Nachweis der Unzulässigkeit der Weisung fehlen.52) Hat der Vorstand Zweifel, ob die Weisung im Konzerninteresse _____________ 44) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 67. 45) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 18. 46) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 52; Bürgers/Körbers-Fett, AktG, § 308 Rz. 25; nach anderer, hier abgelehnter Ansicht hat das herrschende Unternehmen gegenüber dem Vorstand einen direkten schuldrechtlichen Anspruch, Emmerich/Habersack-Emmerich, AktG, § 308 Rz. 68; K. Schmidt/LutterLangenbucher, AktG, § 308 Rz. 37. 47) Allg. M., Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 140 m. w. N. 48) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 145. 49) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 143; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 54. 50) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 55; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 22; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 53. 51) Vgl. jedoch Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 152, der zu Recht eine Beweiserleichterung für typischerweise nicht konzerndienliche Geschäfte befürwortet. 52) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 56; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 22; a. A. Emmerich/HabersackEmmerich, § 308 AktG Rz. 53c – Beweislast bei herrschenden Unternehmen; vgl. auch Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 35, mit Hinweis auf eine häufig ungesicherte und bruchstückhafte Informationslage.
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§ 308
Leitungsmacht
liegt, hat er das herrschende Unternehmen hierüber zu informieren, um eine Korrektur der Weisung zu ermöglichen.53) Zweifelt der Vorstand an der Bonität des herrschenden Unternehmens und der Erfüllung dessen Verpflichtung aus § 302, ist er zur Zurückweisung verpflichtet.54) 3.
Weisungsfreier Raum
Im weisungsfreien Raum ist der Vorstand der abhängigen Gesellschaft zwar grundsätz- 22 lich zur eigenverantwortlichen Unternehmensleitung verpflichtet (§ 76), hat aber nach zu befürwortender Ansicht sein Handeln grundsätzlich am Konzerninteresse auszurichten und schuldet daher ein konzernfreundliches Handeln.55) Es ist nicht einzusehen, den Vorstand der abhängigen Gesellschaft mit der Zufälligkeit der Erteilung einer konkreten Weisung zu belasten. Bei beabsichtigten Maßnahmen, die nicht zugleich im Einklang mit dem Konzern- und dem Gesellschaftsinteresse stehen, empfiehlt es sich, das herrschende Unternehmen um eine konkrete Weisung zu ersuchen. III.
Zustimmungsbedürftige Geschäfte (§ 308 Abs. 3)
Das Bestehen eines Beherrschungsvertrages und darauf basierende Weisungen berühren 23 grundsätzlich nicht die Kompetenzverteilung innerhalb der abhängigen Gesellschaft. Dieser Grundsatz wird durch § 308 Abs. 3 gelockert. Wird der Vorstand zu Geschäften oder Maßnahmen angewiesen, die einem Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 unterliegen, ist der Vorstand zwar nach wie vor verpflichtet, das Rechtsgeschäft bzw. die Maßnahme vor deren Vollzug dem Aufsichtsrat mit der Bitte um Zustimmung vorzulegen. Verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung oder wird die Zustimmung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erteilt, muss er dies dem herrschenden Unternehmen unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) mitteilen.56) Will das herrschende Unternehmen an der Weisung festhalten, muss es sie wiederholen. In diesem Fall ist die Zustimmung des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft entbehrlich. Der Vorstand hat die Weisung dann zu befolgen. Hat das herrschende Unternehmen einen Aufsichtsrat oder ein damit vergleichbares Gremium, so ist allerdings dessen Zustimmung notwendig. Dieses Zustimmungserfordernis basiert auf mitbestimmungsrechtlichen Erwägungen und hat bloße Innenwirkung.57)
_____________ 53) Allg. M., Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 53a m. w. N.; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 57. 54) Grigoleit-Servatius, AktG, § 308 Rz. 28. 55) So auch Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 308 Rz. 71; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 308 Rz. 42; S. Schneider/U. Schneider, AG 2005, 57, 64; Grigoleit-Servatius, AktG, § 309 Rz. 6; wohl auch Hüffer, AktG, § 308 Rz. 20; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 308 AktG Rz. 54; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 154; vgl. auch Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 323 Rz. 7. 56) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 71; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 158. 57) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 73; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 308 Rz. 63; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 308 Rz. 40.
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§ 309
Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens
§ 309 Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens (1) Besteht ein Beherrschungsvertrag, so haben die gesetzlichen Vertreter (beim Einzelkaufmann der Inhaber) des herrschenden Unternehmens gegenüber der Gesellschaft bei der Erteilung von Weisungen an diese die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. (2) 1Verletzen sie ihre Pflichten, so sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. 2Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. (3) 1Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluß zustimmen und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. 2Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (4) 1Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von jedem Aktionär geltend gemacht werden. 2Der Aktionär kann jedoch nur Leistung an die Gesellschaft fordern. 3 Der Ersatzanspruch kann ferner von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. 4Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft nicht ausgeschlossen. 5Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Aktionäre und Gläubiger, den Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend zu machen, aus. (5) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. Literatur: Eschenbruch, Konzernhaftung, Haftung der Unternehmen und Manager, 1996; Henze/ Lübke, „Virtuelle Reorganisation“ im mehrstufigen GmbH-Vertragskonzern, Der Konzern 2009, 159; Kantzas, Weisungsrecht im Vertragskonzern, 1988; Mertens, Die Haftung wegen Mißbrauchs der Leitungsmacht nach § 39 AktG aus schadensersatzrechtlicher Sicht, AcP 168 (1968), 225; Wälde, Die Anwendbarkeit des § 31 BGB und der Begriff des „gesetzlichen Vertreters“ im Rahmen konzernrechtlicher Haftungstatbestände des faktischen Konzerns, DB 1972, 2289.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... II. Verhaltenspflicht und Sorgfaltsmaßstab (§ 309 Abs. 1) ...... 1. Adressat .............................................. 2. Konkretes Verhalten und Konzernleitung .................................. III. Schadensersatzpflicht (§ 309 Abs. 2) ..................................... 1. Haftungsgrund ..................................
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1 2 2 6 7 7
2. Schaden ............................................... 8 3. Beweislast ............................................ 9 IV. Verzicht und Vergleich (§ 309 Abs. 3) ................................... 10 V. Geltendmachung (§ 309 Abs. 4) .... 11 1. Aktionäre .......................................... 11 2. Gläubiger ........................................... 12 3. Insolvenzfall ...................................... 13 VI. Verjährung (§ 309 Abs. 5) .............. 14
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Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens I.
§ 309
Grundlagen
§ 309 ist strukturell mit § 93 vergleichbar und regelt ausschnittsweise die Haftung für 1 pflichtwidrig erteilte Weisungen nach § 308. Die Vorschrift richtet sich an die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens und schließt damit eine Schutzlücke, da nur das herrschende Unternehmen und nicht dessen gesetzliche Vertreter Partei des Beherrschungsvertrages sind.1) Im Ergebnis begründet § 309 eine Haftung wegen fehlerhaft ausgeübter Konzernleitungsmacht. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist jedoch gering.2) II.
Verhaltenspflicht und Sorgfaltsmaßstab (§ 309 Abs. 1)
1.
Adressat
Der Begriff des gesetzlichen Vertreters ist weit zu verstehen und umfasst jedes vertre- 2 tungsberechtigte Organ einer Kapitalgesellschaft und die vertretungsberechtigten Gesellschafter bei einer Personengesellschaft. Bei einer GmbH & Co. KG oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtsform sind sowohl die Komplementärin als auch deren gesetzlichen Vertreter haftbar.3) Die Mitglieder des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens trifft keine Haftung aus § 309, da sie keine gesetzlichen Vertreter sind.4) Dies gilt auch dann, wenn der Aufsichtsrat der Weisung zugestimmt hat.5) Die Haftung des herrschenden Unternehmens selbst neben der Haftung seiner ge- 3 setzlichen Vertreter ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetzeswortlaut, ist jedoch nach einhelliger Auffassung selbstverständlich.6) Die Voraussetzungen und der Umfang der Haftung ergeben sich dabei aus § 309. Nicht abschließend geklärt und wenig praxisrelevant ist dabei die Frage, ob sich die Haftung aus vertraglicher Grundlage nach § 280 Abs. 1 BGB oder aus § 309 (direkt oder analog), jeweils i. V. m. § 31 BGB ergibt.7) In mehrstufigen Unternehmensverbindungen ist zu differenzieren: Besteht im Ver- 4 hältnis von Mutter, Tochter und Enkelin eine durchlaufende Kette von Beherrschungsverträgen, scheidet nach wohl überwiegender Ansicht eine Haftung der Tochter nach § 309 aus, soweit sie aufgrund § 308 Abs. 2 Satz 1 eine für sie bindende Weisung ausgeführt hat.8) Die Haftung nach § 309 Abs. 1 trifft hiernach unmittelbar die gesetzlichen Vertreter der Mutter. Besteht nur zwischen Tochter und Enkelin ein Beherrschungsvertrag, zwischen Mutter und Tochter hingegen nur ein reines Abhängigkeitsverhältnis, haftet die Tochter nach § 309 und die Mutter gegenüber der Tochter nach §§ 311, 317, soweit sie _____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6)
7) 8)
Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 4. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 309 Rz. 3. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 6 – für eine direkte Anwendung von § 309 auf die Komplementärin und eine analoge Anwendung auf deren gesetzliche Vertreter; i. E. auch Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 14; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 15 f. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 7; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 17; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 18. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 309 Rz. 8; a. A. Wälde, DB 1972, 2289, 2292; Kantzas, S. 171. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 136 ff.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 309 Rz. 41; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 39; Hüffer, AktG, § 309 Rz. 26 f.; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 31. Vgl. Meinungsstand bei Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 21; Altmeppen in: MünchKommAktG, § 309 Rz. 137. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 14; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 27; Hüffer, AktG, § 309 Rz. 7; a. A. mit guten Gründen Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 9 m. w. N.; Henze/ Lübke, Der Konzern 2009, 159, 164; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 52; K. Schmidt/LutterLangenbucher, AktG, § 309 Rz. 13.
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§ 309
Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens
die Tochter faktisch angewiesen hat.9) Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung besteht hier kein Raum für eine analoge Anwendung von § 309. Als allgemeiner Grundsatz sollte im vertragslosen Verhältnis mithin immer die Haftung nach §§ 311, 317 zum Tragen kommen.10) 5 Ist das herrschende Unternehmen eine Gebietskörperschaft, lehnen weite Teile des Schrifttums zu Unrecht die Anwendbarkeit von § 309 mit den Hinweis ab, die Regeln über die Amtshaftung gehen hier als lex specialis vor.11) Begibt sich die öffentliche Hand auf Veranlassung ihrer gesetzlichen Vertreter bewusst in eine privatrechtlich ausgestaltete Konzernrechtsbeziehung, so ist kein Grund dafür ersichtlich, das Handeln der Vertreter nicht anhand der hierfür vorgesehenen Haftungsgrundsätze zu messen.12) 2.
Konkretes Verhalten und Konzernleitung
6 Die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens schulden gegenüber der abhängigen Gesellschaft bei Ausübung des Weisungsrechts die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 309 Abs. 1). Der konkrete Sorgfaltsmaßstab entspricht demjenigen in § 93 Abs. 1 Satz 1.13) Die Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Eine Pflichtverletzung liegt demnach nicht vor, wenn der Vertreter des herrschenden Unternehmens bei Weisungserteilung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen im Konzerninteresse14) zu handeln. Ist die Weisung bereits aus dem Grund unzulässig, weil sie gegen die formellen Schranken verstößt, die sich aus dem Gesetz, der Satzung der abhängigen Gesellschaft oder dem Beherrschungsvertrag selbst ergeben, liegt in jedem Fall ein pflichtwidriges Handeln vor; auf die zugrunde liegende Informationslage kommt es nicht mehr an.15) III.
Schadensersatzpflicht (§ 309 Abs. 2)
1.
Haftungsgrund
7 Nach der herrschenden Lehre von der Doppelfunktion enthält § 309 Abs. 1 nicht nur einen Haftungsmaßstab (Verschuldenselement) sondern auch einen Pflichtverletzungstatbestand (Haftungselement).16) Handelt der gesetzliche Vertreter des herrschenden Unternehmens bei der Erteilung einer Weisung sorgfaltswidrig und trifft ihn dabei zumindest einfache Fahrlässigkeit, ist bei der abhängigen Gesellschaft jeder hierdurch adäquat kausal verursachte Schaden (Pflichtwidrigkeitszusammenhang) auszugleichen. Damit kann grundsätzlich auch die Erteilung einer nach § 308 Abs. 1 rechtmäßigen Weisung zur
_____________ 9) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 11; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 15; a. A. – für Haftung analog § 309 – Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 43; Hüffer, AktG, § 309 Rz. 7. 10) So auch Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 53. 11) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 309 Rz. 6; Koppensteiner in: KölnKommAktG, § 309 Rz. 32; zweifelnd Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 20 f. 12) In diesem Sinne auch Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 18; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 17. 13) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 20; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 71. 14) Emmerich/Habersack-Emmerich, AktG § 309 Rz. 33. 15) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 21; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 34. 16) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 21; Hüffer, AktG, § 309 Rz. 14; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 28; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 22; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 68 ff. – für reinen Haftungsmaßstab; vgl. auch Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 160, mit Hinweis auf die mangelnde Praxisrelevanz dieses Streits.
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Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens
§ 309
Haftung nach § 309 Abs. 2 führen. Die Haftung ist zwingend und kann weder erweitert noch eingeschränkt werden.17) 2.
Schaden
Die Höhe des Schadens bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB.18) Ein Schaden wird 8 nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass die Gesellschaft ohnehin zur Gewinnabführung verpflichtet ist und ein entgangener Gewinn dann nicht kausal auf dem pflichtwidrigen und schuldhaften Handeln des Vertreters des herrschenden Unternehmens beruht.19) Gleiches gilt für die wirtschaftliche Kompensation durch einen entsprechend erhöhten Verlustausgleichsanspruch nach § 302 oder die Anrechnung von Konzernvorteilen. 3.
Beweislast
Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast entspricht derjenigen des § 93 Abs. 2 9 Satz 2. Über den Gesetzeswortlaut hinaus wird damit nicht nur ein Sorgfaltsverstoß, sondern darüber hinaus auch die objektive Pflichtwidrigkeit vermutet.20) Der gesetzliche Vertreter des herrschenden Unternehmens muss also darlegen und beweisen, dass die Weisung rechtmäßig war, insbesondere nach objektiven Maßstäben im Konzerninteresse lag und bei gewissenhafter Beurteilung ein Fehlschlag der Weisung nicht vorhersehbar war und dass der objektive Sorgfaltspflichtverstoß auch einem gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter unterlaufen wäre.21) Nach verbreiteter Ansicht wird darüber hinaus die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden vermutet22) oder zumindest die Erleichterung eines Anscheinsbeweises gewährt,23) wenn die Art des Schadens typischerweise auf einer Weisung des herrschenden Unternehmens beruht. IV.
Verzicht und Vergleich (§ 309 Abs. 3)
§ 309 Abs. 3 ist § 93 Abs. 4 Satz 3 und 4 nachgebildet. Abweichend hiervon kommt es je- 10 doch nur auf die Zustimmung der außenstehenden Aktionäre durch Sonderbeschluss mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen an, um eine Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen zu verhindern.
_____________ 17) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 74. 18) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 26. 19) Hüffer, AktG, § 309 Rz. 17; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 40; Mertens AcP 168 (1968), 225, 231; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rz. 304; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 84 ff. – differenzierend; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 27; a. A. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 159; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 309 Rz. 25; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 309 Rz. 15; wohl auch Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 309 Rz. 17, der eine Haftung insoweit verneint, als es tatsächlich zu einem Ausgleich nach § 302 bzw. zu einer Verringerung der Gewinnabführungspflicht gekommen ist; in dieser Richtung auch Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 23. 20) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 113; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 30; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 24. 21) Vgl. Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 24. 22) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 114; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 42 f.; vgl. BGH, Urt. v. 9.6.1980 – II ZR 187/79, ZIP 1980, 776 f.; BGH, Urt. v. 26.11.1990 – II ZR 223/89, ZIP 1991, 159, 160 – jeweils zu § 43 GmbHG; Kantzas, S. 170. 23) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 29; wohl auch Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 25.
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§ 309
Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens
V.
Geltendmachung (§ 309 Abs. 4)
1.
Aktionäre
11 Während nach einer Ansicht § 309 Abs. 4 Satz 1 einen gesetzlich geregelten Fall der actio pro socio darstellt,24) geht eine im Vordringen befindliche Ansicht mit den besseren Gründen von einer gesetzlichen Prozessstandschaft aus.25) Ein Vergleich oder Verzicht nach § 309 Abs. 3 wirkt sich in jedem Fall auch auf eine Aktionärsklage aus, die dann unbegründet wird.26) Nach h. M. findet zu Recht § 247 Abs. 2 (Streitwertspaltung) entsprechend Anwendung, da der klagende Aktionär ansonsten aufgrund des Kostenrisikos an der effektiven Durchsetzung seines Rechts gehindert wäre.27) Zum Verhältnis zu §§ 147, 148 siehe bei § 317 Rz. 10. 2.
Gläubiger
12 Unter der Einschränkung, dass die Gläubiger von der abhängigen Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können, kann der Schadensersatzanspruch nach § 309 Abs. 2 auch von diesen geltend gemacht werden (§ 309 Abs. 4 Satz 3). Die Zahlung ist dabei direkt an die Gläubiger zu leisten. Ein Verzicht oder Vergleich nach § 309 Abs. 3 berührt diesen Anspruch nicht (§ 309 Abs. 4 Satz 4). Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist gering, da die Gläubiger den Verlustausgleichsanspruch nach § 302 vollstrecken oder nach Vertragsbeendigung Sicherheitsleistung verlangen können (§ 303).28) 3.
Insolvenzfall
13 § 309 Abs. 4 Satz 5 ist § 93 Abs. 5 Satz 4 nachgebildet. Das Verfolgungsrecht ruht während des Insolvenzverfahrens, ein entsprechender Rechtstreit wird gemäß § 240 ZPO unterbrochen.29) Der Insolvenzverwalter bzw. Sachverwalter ist jedoch berechtigt, das Verfahren wieder aufzunehmen.30) VI.
Verjährung (§ 309 Abs. 5)
14 Ansprüche aus § 309 verjähren in fünf Jahren. Andere Anspruchsgrundlagen bleiben hiervon jedoch unberührt (z. B. Ansprüche aus Vertrag, Delikt oder § 117). Im Übrigen gelten die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB.
_____________ 24) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 34; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 124. 25) KG, Beschl. v. 25.8.2011 – 25 W 63/11, AG 2012, 256, 260 = ZIP 2012, 1029; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 309 Rz. 43; Hüffer, AktG, § 309 Rz. 21a; – beides bejahend – Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 49. 26) Hüffer, AktG, § 309 Rz. 21a; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 124. 27) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 35; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 309 Rz. 49; Emmerich/ Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 49a; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 163; a. A. HeidelPeres, § 309 AktG Rz. 31; Hüffer, AktG, § 309 Rz. 22, die stattdessen eine sinnvolle Handhabung der Generalklausel des § 3 ZPO befürworten. 28) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 309 Rz. 132; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 309 Rz. 24. 29) Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 309 Rz. 37. 30) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 309 AktG Rz. 51; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 309 Rz. 25.
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Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft
§ 310
§ 310 Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft (1) 1Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Gesellschaft haften neben dem Ersatzpflichtigen nach § 309 als Gesamtschuldner, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben. 2Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. (2) Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. (3) Eine Ersatzpflicht der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft besteht nicht, wenn die schädigende Handlung auf einer Weisung beruht, die nach § 308 Abs. 2 zu befolgen war. (4) § 309 Abs. 3 bis 5 ist anzuwenden. Literatur: Canaris, Hauptversammlungsbeschlüsse und Haftung der Verwaltungsmitglieder im Vertragskonzern, ZGR 1978, 207; Kantzas, Weisungsrecht im Vertragskonzern, 1988; Kuntz, Zur Frage der Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen, Der Konzern 2007, 802.
Übersicht I. Grundlagen ........................................ 1 I.
II. Haftungsvoraussetzungen ............... 2
Grundlagen
§ 310 regelt die Verantwortung und Haftung der Organmitglieder der abhängigen Gesell- 1 schaft beim Vollzug von Weisungen, zu deren Befolgung keine Pflicht nach § 308 Abs. 2 bestand. Einen eigenen Regelungsbereich erhält die Vorschrift in der Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung mit den gesetzlichen Vertretern des herrschenden Unternehmens.1) Soweit der Anwendungsbereich von § 310 eröffnet ist, werden die §§ 93, 116 verdrängt. § 310 ist zwingend und kann nicht abbedungen werden.2) Eine direkte Haftung gegenüber dem herrschenden Unternehmen lässt sich aus § 310 nicht ableiten.3) II.
Haftungsvoraussetzungen
Die Haftung setzt eine sorgfaltswidrige Befolgung einer unzulässigen Weisung durch 2 den Vorstand der abhängigen Gesellschaft voraus. Ein Handeln des herrschenden Unternehmens im Namen der abhängigen Gesellschaft oder eine unmittelbare Geschäftsführung durch das herrschende Unternehmen entlastet die Organmitglieder nicht.4) Mitarbeiter oder sonstige Personen, an die das Weisungsrecht delegiert wurde, haften nicht nach § 310.5) Schon zu seinem eigenen Schutz muss der Vorstand der abhängigen Gesellschaft daher jede einzelne Weisung auf ihre Zulässigkeit und Durchführbarkeit prüfen. Die Haftung des Vorstands bei der mangelhaften Ausführung einer zulässigen Weisung richtet sich jedoch weiterhin nach § 93.6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 310 Rz. 1; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 310 AktG Rz. 2. Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 310 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 310 Rz. 1. Kuntz, Der Konzern 2007, 802, 809. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 310 Rn. 7. Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 310 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 310 Rz. 7. H. M. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 310 Rz. 32; Hirte in: GroßKomm-AktG, § 310 Rz. 10; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 168; Kantzas, S. 215 f.; a. A. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 310 AktG Rz. 8, wonach auch in diesem Fall § 310 Anwendung findet.
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§ 311
Schranken des Einflusses
3 Eine Haftung des Aufsichtsrats kann sich ergeben, wenn der Vorstand zu einem nach § 111 Abs. 4 Satz 2 zustimmungspflichtigem Geschäft angewiesen wird und der Aufsichtsrat seine Zustimmung erteilt, obgleich die Weisung unzulässig und nicht bindend ist.7) Gleiches gilt bei unterlassener oder mangelhafter Kontrolle des Vorstands bei Erfüllung dessen Pflicht zur Prüfung, ob die Weisung zu befolgen war, und bei pflichtwidriger Nichtverhinderung der Ausführung nicht bindender Weisungen. Hauptanknüpfungspunkt wird in diesen Fällen zumeist die Frage nach der offensichtlichen Erkennbarkeit des fehlenden Konzerninteresses sein. Strittig ist, ob der Aufsichtsrat auch nach § 310 haftet, wenn er die Ausführung einer zulässigen Weisung durch den Vorstand nicht sorgfältig überwacht.8) Die besseren Gründe sprechen hier für eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften nach § 116, da die Situation hier mit der Haftung des Vorstands für die nachlässige Durchführung einer zulässigen Weisung vergleichbar ist und § 310 im Kontext zu einer verbotenen Geschäftsführung durch das herrschende Unternehmen steht.9) 4 Für das Verschulden des auf Schadensersatz haftenden Organmitglieds begründet § 310 Abs. 1 Satz 2 eine Beweislastumkehr. Wie bei § 309 (siehe dort Rz. 9) sind dem Kläger auch hier Beweiserleichterungen hinsichtlich der Kausalität einzuräumen.10) 5 Eine Billigung durch den Aufsichtsrat schließt die Ersatzpflicht nicht aus (§ 310 Abs. 2). Gleiches gilt auch bei einer Billigung durch die Hauptversammlung.11) 6 Hinsichtlich Verzicht, Vergleich, Geltendmachung der Haftung durch Aktionäre und Gläubiger und hinsichtlich Verjährung gilt § 309 Abs. 3 – 5 entsprechend. Auf die dortige Kommentierung kann deshalb verwiesen werden. _____________ 7) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 310 Rn. 35; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 310 Rz. 4. 8) Befürwortend Hirte in: GroßKomm-AktG, § 310 Rz. 26; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 310 AktG Rz. 8, 22; wohl auch Hüffer, AktG, § 310 Rz. 2 – keine Differenzierung nach Zulässigkeit der Weisung; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 310 Rz. 36; K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 310 Rz. 6. 9) So auch überzeugend Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 310 Rz. 36. 10) Hirte in: GroßKomm-AktG, § 310 Rz. 21; Spindler/Stilz-Veil, AktG, § 310 Rz. 9. 11) H. M. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 310 Rz. 16; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 166; a. A. Canaris, ZGR 1978, 207, 211 – § 93 Abs. 4 Satz 1 als allg. Rechtsgrundsatz.
Zweiter Abschnitt Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags § 311 Schranken des Einflusses (1) Besteht kein Beherrschungsvertrag, so darf ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluß nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, daß die Nachteile ausgeglichen werden. (2) 1Ist der Ausgleich nicht während des Geschäftsjahrs tatsächlich erfolgt, so muß spätestens am Ende des Geschäftsjahrs, in dem der abhängigen Gesellschaft der Nachteil zugefügt worden ist, bestimmt werden, wann und durch welche Vorteile der Nach-
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§ 311
Schranken des Einflusses
teil ausgeglichen werden soll. 2Auf die zum Ausgleich bestimmten Vorteile ist der abhängigen Gesellschaft ein Rechtsanspruch zu gewähren. Literatur: Altmeppen, Interessenkonflikte im Konzern, ZHR 171 (2007), 320; Decher, Das Konzernrecht des AktG: Bestand und Bewährung, ZHR 171 (2007), 126; Decher, Information im Konzern und Auskunftsrecht der Aktionäre gem. § 131 Abs. 4 AktG, ZHR 158 (1994), 473; Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990; Drescher, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zur Aktiengesellschaft, WM 2013, Sonderbeilage Nr. 2, S. 1; Ederle, Der verdeckte Beherrschungsvertrag als konzernrechtliches Haftungsinstrument, AG 2010, 273; Fleischer, Investor Relations und informationelle Gleichbehandlung im Aktien-, Konzern- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2009, 505; Götz, Corporate Governance multinationaler Konzerne und deutsches Unternehmensrecht, ZGR 2003, 1; Götz, Leitungssorgfalt und Leitungskontrolle der Aktiengesellschaft hinsichtlich abhängiger Unternehmen, ZGR 1998, 524; Habersack, „Superdividenden“, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 523; Habersack, Die UMTS-Auktion – Ein Lehrstück des Aktienkonzernrechts, ZIP 2006, 1327; Kort, Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf einen verdeckten Beherrschungsvertrag?, NZG 2009, 364; Kropff, Einlagerückgewähr und Nachteilsausgleich im faktischen Konzern, NJW 2009, 814; Menke, Befugnis des Vorstands einer börsennotierten Aktiengesellschaft zur bevorzugten Information eines Aktionärspools, NZG 2004, 697; Mylich, Rückgewähransprüche einer AG nach Ausschüttung oder Abführung von Scheingewinnen, AG 2011, 765; Pentz, Erweitertes Auskunftsrecht und faktische Unternehmensverbindungen, ZIP 2007, 2298; Pentz, Schutz der AG und der außenstehenden Aktionäre in mehrstufigen faktischen und unternehmensvertraglichen Unternehmensverbindungen, NZG 2000, 1103; Riegger, Kapitalgesellschaftsrechtliche Grenzen der Finanzierung von Unternehmensübernahmen durch Finanzinvestoren, ZGR 2008, 233; Rothley/Weinberger, Die Anforderungen an Vollwertigkeit und Deckung nach § 30 I 2 GmbHG und § 57 I 3 AktG, NZG 2010, 1001; Schnorberger/Billau, Wer ist fremd beim Fremdvergleich?, Der Konzern 2011, 511; Tillmann/Rieckhoff, Nachteilsausgleichspflicht bei Abspaltungen im faktischen Konzern?, AG 2008, 486; Tröger/Dangelmayer, Eigenhaftung der Organe für die Veranlassung existenzvernichtender Leitungsmaßnahmen im Konzern, ZGR 2011, 558; Velte, Die Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch Aufsichtsrat und Abschlussprüfer sowie ihre Berichterstattung – Ergebnisse einer empirischen Befragung, Der Konzern 2010, 49; Vetter, Interessenkonflikte im Konzern – vergleichende Betrachtungen zum faktischen Konzern und zum Vertragskonzern, ZHR 171 (2007), 342.
Übersicht I. Grundlagen ........................................ 1 II. Verhaltenspflichten im faktischen Konzern ................................ 3 1. Abhängigkeitsverhältnis ..................... 3 a) Allgemeines .................................. 3 b) Mehrstufigkeit, Gleichordnung ........................................ 4 2. Kein Beherrschungsvertrag, keine Eingliederung ............................ 5 3. Veranlassung ....................................... 7 a) Allgemeines .................................. 7 b) Art und Weise der Einflussnahme ............................................ 8 c) Besondere Formen ....................... 9 d) Beweislast ................................... 11 4. Folgen der Veranlassung .................. 12 5. Nachteil ............................................. 13
a) Allgemeines ................................ b) Feststellung des Nachteils ......... aa) Stichtag ....................................... bb) Quantifizierbarkeit .................... cc) Maßstab ...................................... dd) Einzelfälle ................................... III. Nachteilsausgleich .......................... 1. Allgemeines ...................................... 2. Umfang des Ausgleichs ................... 3. Erfüllung ........................................... a) Tatsächlicher Ausgleich ............. b) Einräumung eines Rechtsanspruchs .................................... c) Leistungsstörungen .................... IV. Systematisches Verhältnis zu anderen Vorschriften ......................
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§ 311 I.
Schranken des Einflusses Grundlagen
1 Die Vorschrift schützt die abhängige Gesellschaft im faktischen Konzern und die dahinter stehenden Gläubiger und außenstehenden Aktionäre. Grundsätzlich darf hiernach ein herrschendes Unternehmen die abhängige Gesellschaft nicht zu nachteiligem Handeln veranlassen, es sei denn, die Nachteile werden ausgeglichen. Eine Nachteilszufügung ist damit zulässig, untersteht jedoch einem zeitlich gestreckten Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2. § 311 begründet keinen allgemeinen Konzerneingangsschutz. Die außenstehenden Aktionäre haben vielmehr die Einbeziehung ihrer Gesellschaft in einen Konzern hinzunehmen.1) Hiervon unberührt bleiben jedoch die Möglichkeiten, eine Konzernbildung zu erschweren.2) 2 Das Recht des faktischen Konzerns begründet ein System des Einzelausgleichs, dass im Wesentlichen darauf beruht, dass einzelne individualisierbare Nachteile ausgeglichen werden. Erreicht die Ausübung der faktischen Leitungsmacht eine solche Dichte und lassen sich einzelne Maßnahmen und die daraus entstehenden Nachteile nicht mehr isolieren, ist die Grenze zum sog. qualifiziert faktischen Konzern überschritten. Im GmbHKonzernrecht ist dieser Begriff jedoch seit der Bremer Vulkan-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2001 aufgegeben und durch den Begriff des existenzvernichtenden Eingriffs ersetzt worden.3) Im Aktienkonzernrecht dagegen ist nach wie vor umstritten, ob und inwieweit die zum GmbH-Konzern entwickelten Grundsätze zum qualifiziert faktischen Konzern und der damit einhergehenden analogen Anwendung der §§ 302 ff. fortgelten.4) Die Aufgabe dieser Grundsätze ist auch bei der AG zu befürworten, da der gesetzliche Schutzmechanismus über die §§ 311, 317 nicht nur ausreichend, sondern, wie Altmeppen5) zutreffend hervorhebt, in seinem Schutzumfang (Schadensersatz!) auch weitergeht als der reine Verlustausgleich. Hinsichtlich seiner praktischen Relevanz dürfte der Streit ohnehin überbewertet sein, da in den meisten Fällen ein Einzelausgleich, wenn auch nur über eine richterliche Schadensschätzung (§ 287 ZPO) hergestellt werden kann.6) II.
Verhaltenspflichten im faktischen Konzern
1.
Abhängigkeitsverhältnis
a)
Allgemeines
3 Die Anwendung der §§ 311 ff. setzt ein Abhängigkeitsverhältnis voraus. Herrschendes Unternehmen kann dabei auch eine Privatperson sein, wenn sie unternehmerisch tätig ist,7) _____________ 1)
2) 3) 4)
5) 6) 7)
BGH, Urt. v. 15.6.1992 – II ZR 18/91, BGHZ 119, 1, 7; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, Vor § 311 Rz. 37; Emmerich/Habersack-Habersack, Vor § 311 AktG Rz. 1; Spindler/Stilz-Müller, AktG, Vor § 311 Rz. 37. Vgl. hierzu Altmeppen in: MünchKomm-AktG, Vor § 311 Rz. 32 ff., mit Einzelheiten zu den Möglichkeiten eines Konzerneingangsschutzes. BGH, Urt. v. 17.9.2001 – II ZR 178/99 (Bremer Vulkan), ZIP 1999, 1874 ff.; vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), ZIP 2007, 1552 ff. Abl. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, Anh. § 318 Rz. 64 ff.; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 11; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05 (Mobilcom), ZIP 2009, 124, 132; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2007 – 20 U 12/06, ZIP 2007, 1210, 1213; Decher, ZHR 171 (2007), 126, 137; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, Anh. § 317 Rz. 13; vgl. auch Tröger/Dangelmayer, ZGR 2011, 558, 575 ff; nach wie vor befürwortend wohl OLG Köln, Urt. v. 15.1.2009 – 18 U 205/07, ZIP 2009, 1469, 1471; Emmerich/ Habersack-Habersack, Anh. § 317 AktG Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 317 Rz. 51 ff., Spindler/Stilz-Müller, AktG, Vor § 311 Rz. 25 ff.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 134. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, Anh. § 317 Rz. 20. Spindler/Stilz-Müller, AktG, Vor § 311 Rz. 28; vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.1.1999 – 16 U 193/97, AG 2000, 567, 568. Anderenfalls gilt § 117.
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§ 311
Schranken des Einflusses
und Gebietskörperschaften wie Bund, Länder und Gemeinden8) oder ein anderer öffentlicher Rechtsträger.9) Die Abhängigkeit beurteilt sich nach § 17. Erforderlich ist damit ein unmittelbarer oder mittelbarer beherrschender Einfluss, der jedoch bei Mehrheitsbesitz vermutet wird (§ 17 Abs. 2). Ein Rückgriff auf die Konzernvermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 ist nicht erforderlich. b)
Mehrstufigkeit, Gleichordnung
In mehrstufigen Unternehmensverbindungen gilt § 311 für alle der abhängigen Gesell- 4 schaft übergeordneten Unternehmen.10) Ist die abhängige Gesellschaft ein Gemeinschaftsunternehmen, trifft § 311 grundsätzlich alle gleich geordneten Mutterunternehmen. Dies erfordert jedoch eine Einflussnahme aufgrund dauerhaft gleichgerichteter Interessen der herrschenden Unternehmen oder gemeinsamer Koordination.11) 2.
Kein Beherrschungsvertrag, keine Eingliederung
Die §§ 311 ff. finden keine Anwendung, wenn die abhängige Gesellschaft aufgrund eines 5 Beherrschungsvertrages beherrscht wird. Im Mutter-Tochter-Enkel-Verhältnis sind bei einer durchgängigen Kette von Beherrschungsverträgen die §§ 311 ff. insgesamt (also auch im vertragslosen Verhältnis Mutter – Enkelin) unanwendbar.12) Besteht nur ein Beherrschungsvertrag zwischen Mutter und Tochter, sind die §§ 311 ff. aus Sicht der Enkelin anwendbar (siehe auch § 309 Rz. 4).13) Besteht ein Beherrschungsvertrag zwischen Mutter und Enkelin, sind im Verhältnis von Enkelin zur Tochter nach h. M. die §§ 311 ff. zu Recht nicht anwendbar, da man in dieser Konstellation davon ausgeht, dass dann die Tochter bei Veranlassungen gegenüber der Enkelin die beherrschungsvertraglichen Rechte der Mutter ausübt.14) Im Verhältnis zwischen Mutter und Tochter bleiben in diesem Fall jedoch die §§ 311 ff. anwendbar. Besteht nur zwischen Tochter und Enkelin ein Beherrschungsvertrag und beherrscht die Mutter dagegen die Tochter nur faktisch, sollen nach h. M. die §§ 311 ff. nicht nur im Verhältnis von Enkelin zur Tochter, sondern auch im Verhältnis Enkelin zur Mutter ausgeschlossen sein, unabhängig davon, ob die nachteilige Einflussnahme von der Mutter oder der Tochter ausgeht.15) Ist die abhängige Gesellschaft in das herrschende Unternehmen eingegliedert, sind die 6 §§ 311 ff. ebenso nicht anwendbar (§ 323 Abs. 1 Satz 3). Bei reinen Gewinnabführungsverträgen oder anderen Unternehmensverträgen i. S. von § 292 finden die §§ 311 ff. jedoch Anwendung. _____________ 8) BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76 (Veba/Gelsenberg), BGHZ 69, 334 ff.; BGH, Urt. v. 3.3.2008 – II ZR 124/06 (Telekom/UMTS), ZIP 2008, 785 ff.; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 60. 9) BGH, Urt. v. 31.5.2011– II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), AG 2011, 548, 551 = ZIP 2011, 1306; vgl. auch Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 2, mit Hinweis auf die Ausnahme nach § 28a EGAktG. 10) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 62; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 17. 11) Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, BGHZ 62, 193, 197 ff.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 68, § 68 Rz. 52; vgl. auch Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 64, der darüber hinaus noch eine dauerhafte gemeinsame Einflussnahme fordert. 12) H. M. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.4.2000 – 5 U 224/98, ZIP 2000, 926, 927; Altmeppen in: MünchKommAktG, Anh. § 311 Rz. 21; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 18; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 70; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 10; a. A. Pentz, NZG 2000, 1103, 1106. 13) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, Anh. § 311 Rz. 10. 14) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 70; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, Anh. § 311 Rz. 42; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 15; a. A. Pentz, NZG 2000, 1103, 1107. 15) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 4.4.2000 – 5 U 224/98, ZIP 2000, 926, 927; Altmeppen in: MünchKommAktG, Anh. § 311 Rz. 52 ff.; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 10; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 70; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 18; Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 311 Rz. 14; a. A. mit guten Gründen Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 19.
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§ 311
Schranken des Einflusses
3.
Veranlassung
a)
Allgemeines
7 Die Veranlassung i. S. einer ursächlichen Einflussnahme muss vom herrschenden Unternehmen ausgehen. Dies erfordert eine Handlung, die sich das herrschende Unternehmen nach den allgemeinen Grundsätzen zurechnen lassen muss und die die Maßnahme bzw. das Rechtsgeschäft bei der abhängigen Gesellschaft adäquat kausal zumindest mit verursacht hat.16) Konkret kann es sich dabei um eine Einflussnahme durch dessen gesetzliche Vertreter, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte, sonstige Angestellte oder auch sonstige Dritte handeln.17) Ein Veranlassungsbewusstsein ist dabei nicht erforderlich.18) Eine Veranlassung kann auch i. R. von Konzern-Controlling19) oder verdeckten Beherrschungsverträgen20) erfolgen. Veranlassungsempfänger können sowohl der gesetzliche Vertreter der abhängigen Gesellschaft als auch einer ihrer Aufsichtsratsmitglieder, Angestellten oder ein von ihr bevollmächtigter Dritter sein.21) b)
Art und Weise der Einflussnahme
8 An die Intensität der Einflussnahme sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich reichen für eine Veranlassung i. S. von § 311 Abs. 1 Ratschläge, Anregungen, die geäußerte Erwartung eines bestimmten Verhaltens, die Vorgabe von konzerninternen Richtlinien, oder eine Anweisung, gleichgültig in welcher Form.22) Es gelten damit die gleichen Grundsätze wie zur Weisung nach § 308. c)
Besondere Formen
9 Rechtsgeschäfte, die vom herrschenden Unternehmen in Vollmacht für die abhängige Gesellschaft abgeschlossene werden, sind stets in diesem Sinne veranlasst.23) Gleiches gilt für personelle Verflechtungen der Gestalt, dass etwa das herrschende Unternehmen als gesetzlicher Vertreter der abhängigen Gesellschaft handelt oder der Vorstand des herrschenden Unternehmens zugleich Vorstand der abhängigen Gesellschaft ist.24) Auch ein Verhalten der Delegierten des herrschenden Unternehmens im Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft lässt eine Veranlassung vermuten.25) 10 Schließlich ist anerkannt, dass das herrschende Unternehmen auch durch sein Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft eine Maßnahme _____________ 16) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 82, mit Hinweis auf die §§ 31, 166, 278 BGB. 17) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rn 81; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 15. 18) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 16; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 80, wonach eine sinnvolle Einschränkung der Haftung auf Verschuldensebene zu suchen sei. 19) Vgl. hierzu Götz, ZGR 1998, 524, 534 ff. 20) Kort, NZG 2009, 364, 368; Ederle, AG 2010, 273, 277, die hier im Anschluss an OLG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2008 – 2 W 160/05 (Mobilcom), WM 2008, 2253 ff. zu Recht die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und die Anwendung der §§ 302 – 305 ablehnen. 21) Vgl. Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 14; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 27; Götz, ZGR 2003, 1, 6; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 19. 22) LG Bonn, Urt. v. 27.4.2005 – 16 O 13/04, AG 2005, 542, 543 f.; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 311 Rz. 40; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 16; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 12; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 76; Altmeppen in ZHR 171 (2007), 320, 332. 23) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 19; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 311 Rz. 43. 24) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 22; Altmeppen in: MünchKommAktG, § 311 Rz. 97, 106; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 311 Rz. 44, mit dem zutreffenden Hinweis, dass die personelle Verflechtung allein aber noch keinen Nachteil darstellt; a. A. wiederum Decher, S. 174. 25) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 36; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 20; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 110.
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§ 311
Schranken des Einflusses
oder ein Rechtsgeschäft veranlassen kann. Dies gilt nach ganz h. M. jedenfalls für Beschlüsse nach § 119 Abs. 2, Beschlüsse zu Unternehmensverträgen nach § 292, sog. HolzmüllerBeschlüsse, Beschlüsse über Verschmelzungen, Spaltungen oder Formwechsel und Beschlüsse zur Vermögensübertragung nach § 179a, §§ 174 ff. UmwG.26) Die Zustimmung zu Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträgen und zu einer Eingliederung unterfällt jedoch nicht den § 311 ff., da hier das Gesetz spezielle Schutzvorschriften zur Verfügung stellt.27) Nicht abschließend geklärt ist die Behandlung von Beschlüssen über die Gewinnverwendung, Auflösung oder Änderung des Unternehmensgegenstandes.28) Die besseren Gründe sprechen dafür, diese Beschlüsse vom Anwendungsbereich des § 311 auszuklammern, sofern diese rechtmäßig gefasst werden.29) d)
Beweislast
Zur Beweiserleichterung für die abhängige Gesellschaft und deren Minderheitsgesell- 11 schafter und Gläubiger geht die wohl h. M. bei Vorliegen einer einheitlichen Leitung (§ 18 Abs. 1 Satz 1) oder deren Vermutung (§ 18 Abs. 1 Satz 3) zu Recht von einer widerlegbaren Veranlassungsvermutung aus.30) Um die Vermutung für eine nachteilige Veranlassung zu widerlegen, muss das herrschende Unternehmen dann im Regelfall die tatsächliche Vermutung der einheitlichen Leitung widerlegen.31) 4.
Folgen der Veranlassung
Folge der Veranlassung muss ein für die abhängige Gesellschaft nachteiliges Rechtsge- 12 schäft oder für sie nachteilige Maßnahme sein. Einer genauen Grenzziehung zwischen Rechtsgeschäft und dem Oberbegriff der Maßnahme bedarf es für die Praxis nicht. Ausreichend ist jede Geschäftsführungshandlung der abhängigen Gesellschaft oder ein Unterlassen einer solchen, die Auswirkungen auf die Vermögens- oder Ertragssituation der Gesellschaft haben kann.32) Die Nichtvornahme einer vorteilhaften Maßnahme ist dabei ausreichend.
_____________ 26) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 21; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 17; einschränkend Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 118 ff. – nicht für Formwechsel; ebenso Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 29; Tillmann/Rieckhoff, AG 2008, 486, 493 – nicht für Spaltung. 27) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 129; – differenzierend – Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 84. 28) Anwendbarkeit der §§ 311 ff. auch hier befürwortend Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 21; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 29 f.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 84; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 20 – zur Änderung des Unternehmensgegenstandes; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 26 ff. 29) Überzeugend Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 30; Habersack in: FS K. Schmidt, S. 523, 534. 30) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 92; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 21; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 76; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 15; – für prima facie-Beweis – Spindler/ Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 25; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 33; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 30, offen gelassen BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), Rz. 40, ZIP 2011, 1306. 31) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 92; vgl. Hüffer, AktG, § 311 Rz. 22, der bei Vorstandsdoppelmandaten aber von einer unwiderlegbaren Veranlassungsvermutung ausgeht; a. A. wiederum Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 108, der auch in diesen Fällen mit guten Gründen einen Gegenbeweis zulassen will. 32) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 22; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 24; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 73.
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§ 311
Schranken des Einflusses
5.
Nachteil
a)
Allgemeines
13 Die Einflussnahme i. S. von § 311 muss für die abhängige Gesellschaft nachteilig sein. Der Nachteilsbegriff erfasst dabei jede Minderung oder konkrete Gefährdung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft ohne Rücksicht auf die Quantifizierbarkeit, soweit sie als Abhängigkeitsfolge eintritt.33) Letzteres ist der Fall, wenn die Maßnahme nicht dem Vergleich mit einem hypothetischen Drittgeschäft standhält oder wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft die Maßnahme nicht zu denselben Konditionen vorgenommen hätte.34) Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Vermögenseinbuße selbständig bewertet oder beziffert werden kann. Der Nachteil ist auch nicht gleichzusetzen mit einem Schaden i. S. von §§ 249 ff. BGB, da der Ausgleich den Eintritt eines Schadens gerade verhindern soll.35) b)
Feststellung des Nachteils
aa)
Stichtag
14 Für die Feststellung des Nachteils kommt es auf den Zeitpunkt der Vornahme des nachteiligen Rechtsgeschäfts bzw. der nachteiligen Maßnahme an.36) Im Sinne einer ex antePrognose kommt es auf die Umstände an, die ein ordentlicher und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter zu dieser Zeit kannte oder erkennen musste. Später eintretende positive oder negative Entwicklungen sind dann nicht mehr maßgebend.37) bb)
Quantifizierbarkeit
15 Ein Nachteil i. S. von § 311 liegt auch dann vor, wenn der einzelne Nachteil nicht quantifizierbar ist. Ist der Nachteil jedoch mangels Quantifizierbarkeit, insbesondere bei nicht bewertbaren Nachteilen oder nicht isolierbarer Maßnahmen (z. B. strukturändernde Eingriffe) nicht ausgleichsfähig, ist bereits die zugrunde liegende Einflussnahme rechtswidrig.38) cc)
Maßstab
16 Als Maßstab zur Feststellung des Nachteils ist das hypothetische Verhalten eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft zugrunde zu legen.39) Dabei kommt es nach h. M. auf die konkret-individuellen Verhältnisse _____________ 33) BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 17/12, ZIP 2013, 358, 361; BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), AG 2011, 548, 551 = ZIP 2011, 1306; BGH, Urt. v. 1.3.1999 – II ZR 312/97, ZIP 1999, 708, 709; OLG Köln, Urt. v. 27.4.2006 – 18 U 90/05 (Telekom/UMTS), ZIP 2006, 997, 998; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 27; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 25; Habersack, ZIP 2006, 1327, 1330; – für ein weiteres Verständnis – Ederle, AG 2010, 273, 277. 34) Drescher, WM 2013, Sonderbeilage Nr. 2, S. 1, 19. 35) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 170; OLG Köln, Urt. v. 27.4.2006 – 18 U 90/05 (Telekom/UMTS), ZIP 2006, 997, 998. 36) BGH, Urt. v. 3.3.2008 – II ZR 124/06 (Telekom/UMTS), ZIP 2008, 785, 786; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 172; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 311 Rz. 57. 37) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 79; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 44; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 28. 38) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 43; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 80; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 89; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 311 Rz. 56; Heidel-Walchner, § 311 AktG Rz. 35; – umstritten ist in diesem Fall dann, ob die Grundsätze über die Haftung im qualifiziert faktischen Konzern (§§ 302 ff.) entsprechend Anwendung finden, vgl. hierzu bereits oben Rz. 2. 39) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 40, 53; Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 353; Spindler/ Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 30.
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Schranken des Einflusses
der Gesellschaft zum maßgeblichen Stichtag an, welche regelmäßig auch durch Konzerneffekte und die Einbindung in ein Liefer- und Leistungsgeflecht sowie frühere Einflussnamen geprägt sind.40) Im Ergebnis ist damit (nur) das Konzerninteresse an der veranlassten Maßnahme auszublenden. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zu § 93 steht jedoch auch dem Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft ein unternehmerisches Ermessen zu, welche Risiken er in Form von Rechtsgeschäften oder sonstigen Maßnahmen auf Veranlassung eingeht. Hält er sich innerhalb dieser Grenzen, liegt bereits kein ausgleichspflichtiger Nachteil vor.41) In der Praxis erfolgt die Bemessung des Nachteils nach ähnlichen Grundsätzen wie die 17 Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung.42) Ebenso kann auf die Kriterien der vollwertigen Deckung i. S. von § 57 Abs. 1 Satz 1 zurückgegriffen werden. Bei veranlassten Rechtsgeschäften kommt es daher maßgeblich darauf an, ob das Rechtsgeschäft einem Drittvergleich (sog. Arms-Length-Grundsatz) standhält.43) Dies ist nicht mehr der Fall, wenn Leistung und Gegenleistung in einem objektiven Missverhältnis zueinander stehen. Der Vergleich mit Marktpreisen liefert hierfür einen wesentlichen Anhaltspunkt.44) Ist der abhängigen Gesellschaft ein Angebot für den Abschluss des fraglichen Rechtsgeschäfts von einem konzernfremden Dritten gemacht worden, ist dieser „Quasi-Marktpreis“45) zu berücksichtigen. Bei der konzerninternen Veräußerung von Vermögenswerten empfiehlt es sich für den Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft daher im Regelfall, zumindest zu versuchen, ein entsprechendes Angebot eines neutralen Dritten einzuholen. Findet ein Liefer- und Leistungsverkehr sowohl mit dem herrschenden Unternehmen als auch mit konzernfremden Dritten statt, sind regelmäßig die Konditionen des Drittgeschäfts auch konzernintern zu berücksichtigen.46) Zu- und Abschläge sind jedoch auch beim Vorliegen von Marktpreisen zur Nachteils- 18 feststellung zumeist geboten und können aus unterschiedlichsten Kriterien wie Intensität und Langfristigkeit der Lieferbeziehung, unterschiedliche Handelsstufen, Zahlungsziele, Transport- und Logistikkosten, Serviceleistungen, Garantien, Versicherungskosten oder sonstiger Nebenbedingungen gerechtfertigt sein.47) Liegt weder ein Marktpreis noch ein vergleichbares Drittgeschäft vor, ist die Ange- 19 messenheit von Leistung und Gegenleistung anhand von Hilfsrechnungen vorzunehmen. Hierzu wird dann überwiegend entweder auf die Absatzpreismethode oder die Kostenaufschlagsmethode zurückgegriffen.48) Im ersten Fall wird der Preis zugrunde gelegt, der einem konzernfremden Dritten für das Endprodukt berechnet wird, wenn es den Unternehmensverbund verlässt und sodann rückwärts gerechnet, um den Beitrag der Konzern_____________ 40) Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 311 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 41. 41) LG Kiel, Urt. v. 20.3.2009 – 14 O 90/05 (Mobilcom), Rz. 42, zit. nach juris; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 28; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 40; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 29; vgl. allgemein zum Ermessenspielraum des Vorstands BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/ Garmenbeck), ZIP 1997, 883, 885 f. 42) Heidel-Walchner, § 311 AktG Rz. 33; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 30; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 61 – zurückhaltend jedoch bei der Nutzung der steuerlichen Kasuistik. 43) Vgl. Schnorberger/Billau, Der Konzern 2011, 511 ff. zur Frage, wer tauglicher Dritter sein kann. 44) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 34; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 55; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 207. 45) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 63. 46) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 212 m. w. N. 47) Vgl. Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 55; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 52; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 31; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 34; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 209. 48) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 37; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 213 ff.
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unternehmen zu bestimmen. Im zweiten Fall wird von den Selbstkosten der abhängigen Gesellschaft ausgegangen und ein branchenüblicher Gewinnaufschlag hinzugerechnet.49) Der Buchwert des Vertragsgegenstandes ist jedoch in keinem Fall eine geeignete Bemessungsgrundlage.50) Liefert dieses Vorgehen kein brauchbares Ergebnis, können das Vorliegen und die Höhe des Nachteils anhand einer alternativen Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung nach allgemeinen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bestimmt werden. 20 Bei nachteiligen Maßnahmen sind grundsätzlich die vorstehend für Rechtsgeschäfte aufgezeigten Methoden zur Nachteilsfeststellung entsprechend anzuwenden.51) dd)
Einzelfälle
21 Ein Nachteil wird in der Regel dann vorliegen, wenn durch die Maßnahme bzw. das Rechtsgeschäft der Bestand des Unternehmens selbst oder dessen langfristige Rentabilität gefährdet oder die abhängige Gesellschaft unkalkulierbaren oder erheblichen Risiken ohne korrespondierende Geschäftschance ausgesetzt ist,52) bei Aufgabe eines Marktes, bei Maßnahmen, die bei Beendigung der Integration in den Unternehmensverbund die Lebensfähigkeit der Gesellschaft gefährden (z. B. die konzerninterne Verlagerung betrieblicher Funktionen wie Forschung, Entwicklung, Ein- und Verkauf53) oder der gesamten EDV).54) Auch die Informationsweitergabe an das herrschende Unternehmen55) und die Übernahme der Prospekthaftung für die Platzierung von Altaktien i. R. eines Börsengangs56) kann nachteilig sein. Gleiches gilt für die Auflösung von Rücklagen mit dem Ziel der Ausschüttung einer sog. Superdividende, soweit die Rücklage für bereits in die Wege geleitete Investitionen erforderlich ist.57) Nachteilig ist außerdem der mangelnde Ausgleich der Vorsteuerabzugsbeträge bei der umsatzsteuerlichen Organschaft.58) 22 Ein Darlehen der abhängigen Gesellschaft an das herrschende Unternehmen i. R. von Cash-Pool/Cash-Management-Systemen ist nicht nachteilig, wenn es durch einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch gedeckt ist.59) Je nach Bonität des herrschenden Unternehmens kann eine Besicherung erforderlich sein. Hinsichtlich der Vollwertigkeit und des damit verbundenen Rückzahlungsrisikos trifft den Vorstand der abhängigen Gesellschaft eine ständige Überwachungspflicht. Gegebenenfalls muss er das Darlehen kündigen oder eine nachträgliche Besicherung fordern. Bei Darlehen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr führt allein die fehlende Verzinsung nicht schon zu einem Nachteil i. S. von
_____________ 49) Vgl. im Einzelnen Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 213 ff.; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 37; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 44; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 65 ff. 50) H. M., statt vieler Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 69. 51) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 218; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 45 f. 52) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 74; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 34; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 46. 53) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 73, mit dem zutreffenden Hinweis in Fn. 193, dass gruppeninterne Auslagerungsmaßnahme jedoch nur dann nachteilig sind, wenn die Aufgabe ohne Verletzung der Sorgfaltspflicht nach § 93 auch nicht externen Dienstleistern überlassen werden dürfte. 54) LG Darmstadt, Urt. v. 6.5.1986 – 14 O 328/85, AG 1987, 218, 220 – im konkreten Fall Nachteil jedoch verneint; zum Erwerb von UMTS-Lizenzen vgl. OLG Köln, Urt. v. 27.4.2006 – 18 U 90/05 (Telekom/ UMTS), ZIP 2006, 997 ff. 55) Vgl. hierzu im Einzelnen Fleischer, ZGR 2009, 505, 534 f. 56) BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), AG 2011, 548, 551 = ZIP 2011, 1306. 57) Habersack in: FS K. Schmidt, S. 523, 541. 58) BGH, Urt. v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, AG 2013, 222, 224 = ZIP 2013, 409. 59) BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), ZIP 2009, 70, 71; krit. jedoch Kropff, NJW 2009, 814, 816.
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§ 311
Schranken des Einflusses
§ 311.60) Fehlt der abhängigen Gesellschaft allerdings durch die Darlehensgewährung die notwendige Liquidität für ihren eigenen Geschäftsbetrieb, kann dies einen Nachteil begründen, falls der Gesellschaft nicht ein entsprechender Anspruch auf Liquiditätsgewährung zu diesem Zwecke zusteht. Bei Konzernumlagen ist zwischen umlagefähigen und nicht umlagefähigen Positionen zu 23 unterscheiden. Kosten für die Konzernleitung (z. B. Konzernplanung, Konzernrechnungsund Berichtswesen, Konzernüberwachung, Öffentlichkeitsarbeit) sind grundsätzlich nicht umlagefähig.61) Die grundsätzlich zulässige Zentralisierung bestimmter Stabsfunktionen im Konzern begründet nur dann keinen Nachteil, wenn die jeweilige Funktion für die abhängige Gesellschaft weiterhin, auch über die Zeit der Abhängigkeit hinaus, verfügbar bleibt und sie an den entsprechenden Kostenvorteilen partizipiert.62) Auch die Tätigkeit eines Vorstandes der abhängigen Gesellschaft für das herrschende Unternehmen kann einen Nachteil darstellen.63) Bei sog. passiven negativen Konzerneffekten, die allein durch die Begründung der Abhängigkeit oder Konzernierung entstehen (z. B. zusätzliche Berichtspflichten, schlechteres Rating, Wegfall von Vertragspartner durch Wettbewerbsverhältnis, gruppenbedingte Exportbeschränkungen) fehlt es bereits an einer Veranlassung i. S. von § 311. Bei sog. Kompensationsgeschäften ist zu differenzieren: Tätigt die abhängige Gesell- 24 schaft mit dem herrschenden Unternehmen ein ungünstiges Geschäft in der Erwartung, bei anderer Gelegenheit eine entsprechende Kompensation zu erhalten, stellt dies einen grundsätzlich ausgleichspflichtigen Nachteil dar.64) Werden dagegen bei einem einheitlichen Rechtsgeschäft nachteilige Bedingungen vereinbart (z. B. marktunübliche Provisionssätze), die auf der anderen Seite aber durch anderweitige Vorteile kompensiert werden (z. B. marktunübliche Einkaufskonditionen), fehlt es schon insgesamt am nachteiligen Rechtsgeschäft, da hier bei einer Gesamtbetrachtung Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies gilt jedoch nur soweit die einzelnen Geschäfte in einem Rechtsgeschäft sachlich untrennbar miteinander verbunden sind und das eine Teilgeschäft nicht ohne das andere vorgenommen worden wäre.65) Dies muss konsequenterweise auch für sonstige Maßnahmen gelten. III.
Nachteilsausgleich
1.
Allgemeines
Bei veranlasster Nachteilszufügung ist das herrschende Unternehmen zum Nachteils- 25 ausgleich nach § 311 Abs. 2 verpflichtet. Der Nachteilsausgleich ist eine Kompensationspflicht eigener Art und nicht mit einem Schadensersatzanspruch gleichzusetzen.66) Die abhängige Gesellschaft hat gleichwohl keinen durchsetzbaren und pfändbaren Rechts_____________ 60) Vgl. im Einzelnen Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1003; a. A. Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 43; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 311 Rz. 62; – differenzierend – Altmeppen in: MünchKommAktG, § 311 Rz. 255 f. 61) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 278; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 45; zu Steuerumlagen vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1992 – IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 ff. und BGH, Urt. v. 1.3.1999 – II ZR 312/97, ZIP 1999, 708, 709. 62) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 298; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 57a. 63) OLG Stuttgart, Urt. v. 23.1.1979 – 12 U 171/77, AG 1979, 200, 202. 64) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 70; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 42. 65) Ähnlich K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 51; vgl. auch Velte, Der Konzern 2010, 49, 53. 66) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 48; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 61; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 105; krit. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 324, der die §§ 311, 317 jedenfalls von der Ausgleichshöhe betrachtet als Schadensersatzhaftung ansieht.
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Schranken des Einflusses
anspruch auf den Ausgleich.67) Die Pflicht ist nämlich erst bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres zu erfüllen und wandelt sich bei fruchtlosem Verstreichen dieser Frist automatisch in eine – rechtlich dann durchsetzbare – Schadensersatzpflicht um. In der Möglichkeit des zeitlich gestreckten Ausgleichs liegt damit eine Privilegierung des herrschenden Unternehmens. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft mit der Stimmenmehrheit des herrschenden Unternehmens einem nachteiligen Rechtsgeschäft zustimmt. Der Beschluss selbst muss dann bereits den Nachteilsausgleich vorsehen und, sofern der Nachteil bezifferbar ist, seine Art, Umfang und Leistungszeit festlegen.68) Hat der Vorstand Zweifel daran, ob der Nachteil ordnungsgemäß ausgeglichen wird und führt er die veranlasste Maßnahme dennoch durch, kann ihn eine Schadensersatzpflicht nach § 93 treffen.69) Ist das herrschende Unternehmen nach entsprechender Veranlassung auf Nachfrage des Vorstands der abhängigen Gesellschaft hin nicht bereit, die daraus resultierenden Nachteile auszugleichen, hat die nachteilige Maßnahme zu unterbleiben.70) In Anlehnung an § 308 Abs. 1 Satz 2 kann eine Nachteilszufügung überhaupt nur dann rechtmäßig sein, wenn sie im Konzerninteresse erfolgt. Anderenfalls führt dies ungeachtet eines Ausgleichs zu den Folgen des § 317.71) 2.
Umfang des Ausgleichs
26 Die entstandenen Nachteile sind durch konkrete Vorteile in gleicher Höhe auszugleichen. Anderenfalls ist die Nachteilszufügung rechtwidrig mit der Folge einer Schadensersatzpflicht nach § 317. 27 Zwischen ausgleichspflichtigem Nachteil und zu gewährendem Vorteil muss kein innerer Zusammenhang bestehen. Es reicht daher aus, wenn ein Dritter auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens die Vorteile gewährt.72) Die einzelne Vorteilsgewährung muss aber einem korrespondierenden Nachteil zugerechnet werden können, um dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft eine entsprechende Dokumentation im Abhängigkeitsbericht zu ermöglichen. Auf die Art des Vermögensvorteils kommt es nicht an. Zulässig ist damit eine Kompensation etwa durch Barzahlung, Übertragung von Sachmitteln, Dienstleistungen oder die Verschaffung von Geschäftschancen. 28 Umstritten ist, ob ein Nachteil, soweit er sich bilanziell auswirkt, auch im selben Geschäftsjahr bilanziell wieder neutralisiert werden muss.73) Die besseren Gründe sprechen dafür, dass bilanzwirksame Nachteile nicht durch periodengleiche Vorteile kompensiert werden müssen, da ansonsten keine vorlaufenden bilanziellen Belastungen mehr möglich
_____________ 67) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 75; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 49; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 375, jeweils m. w. N. 68) BGH, Urt. v. 26.6.2012 – II ZR 30/11, AG 2012, 680, 681 = ZIP 2012, 1753 = GWR 2012, 417 m. Anm. Rothley. 69) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.1995 – 8 U 59/94 (Harpener/Omni), ZIP 1995, 1263, 1271; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 142; Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 329, 330; vgl. auch Riegger, ZGR 2008, 233, 243 – für den Fall eines Leveraged Buy Out. 70) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 78. 71) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 60; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 53; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 43; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 102. 72) Allg. M., Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 343 m. w. N. 73) Befürwortend Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 63; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 50; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 86; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 39; wohl auch BGH, Urt. v. 26.6.2012 – II ZR 30/11, AG 2012, 680, 682 = ZIP 2012, 1753; abl. Altmeppen in: MünchKommAktG, § 311 Rz. 347 ff.; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 113.
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§ 311
Schranken des Einflusses
wären, die aber insgesamt nach entsprechendem Ausgleich vorteilhaft für die abhängige Gesellschaft sind.74) In jedem Fall muss der Vorteil jedoch bewertbar sein.75) Die Höhe des Ausgleichs ist an- 29 hand eines Drittvergleichs entsprechend den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für die Nachteilsfeststellung gelten. Es ist daher die Frage zu stellen, ob auch ein sorgfältig und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft die nachteilige Maßnahme in Kenntnis und unter der Bedingung der konkreten Vorteilsgewährung vorgenommen hätte.76) 3.
Erfüllung
a)
Tatsächlicher Ausgleich
Der Nachteil kann nach Wahl des herrschenden Unternehmens tatsächlich oder durch 30 die Begründung eines entsprechenden Rechtsanspruchs innerhalb des jeweiligen Geschäftsjahres ausgeglichen werden. Beim tatsächlichen Ausgleich muss der kompensierende Vorteil bis zum jeweiligen Bilanzstichtag dem Vermögen der abhängigen Gesellschaft zugeführt werden.77) Unter der Voraussetzung ihrer Isolierbarkeit können einzelne Vor- und Nachteile saldiert und kontokorrentartig zusammengestellt werden. Insgesamt muss jedoch nachvollziehbar bleiben, welcher Nachteil durch welchen Vorteil ausgeglichen wurde. Soweit ein (nicht quantifizierbarer) Nachteil nicht bereits aufgrund angemessener Gegenleistung zu verneinen ist, können nicht quantifizierbare Nachteile nicht durch entsprechende Vorteile ausgeglichen werden.78) Deckt die Kompensation jedenfalls die möglichen negativen Auswirkungen oder Risiken bei der abhängigen Gesellschaft ab, wird es zumeist schon am Nachteil i. S. von § 311 fehlen.79) Hat sich das herrschende Unternehmen ein entsprechendes Recht vorbehalten, ist auch eine 31 Verrechnung von bereits gewährten Vorteilen mit erst später veranlassten Nachteilen zulässig.80) Für die Bewertung des Vorteils kommt es auf den Zeitpunkt der Vorteilsgewährung an. Nach h. M. kann die Art und Weise der Vorteilsgewährung einschließlich deren Umfang zu Recht einseitig durch das herrschende Unternehmen festgelegt werden.81) Der einseitig festgelegte Vorteil muss jedoch nach objektiven Maßstäben für die abhängige Gesellschaft brauchbar und zur Nachteilskompensation geeignet sein.
_____________ 74) OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.2.2000 – 4 W 15/98, DB 2000, 709, 711; vgl. auch Bsp. bei Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 351. 75) Allg. M., statt vieler Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 63. 76) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 51. 77) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 70; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 55. 78) In diesem Sinne auch Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 64; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 52; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 346; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 87; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 311 Rz. 84; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 87. 79) Vgl. zur abweichenden Behandlung dieses Beispiels Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 311 Rz. 47; auch die Übernahme ggf. unbegrenzter Haftungsrisiken (einschl. Risiken aus Prospekthaftung, vgl. BGH [dritter Börsengang] in Fn. 55) könnten so unter Berücksichtigung damit einhergehender (unbegrenzter) Freistellungsansprüche ohne Systembruch gelöst werden. 80) H. M., Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 69; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 54; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 127; a. A. Hüffer, AktG, § 311 Rz. 41, der hier eine Verrechnungsabrede fordert. 81) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 71; Hüffer, AktG, § 311 Rz. 41; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 56; wohl auch Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 88; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 357; Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 333; wohl auch Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 123.
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§ 311 b)
Schranken des Einflusses Einräumung eines Rechtsanspruchs
32 Anstatt eines tatsächlichen Nachteilsausgleichs kann bis zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres bestimmt werden, wann und durch welche Vorteile der Nachteil ausgeglichen werden soll. Auf die so bestimmten Vorteile ist der abhängigen Gesellschaft ein Rechtsanspruch einzuräumen. Dies erfordert zwingend den Abschluss eines entsprechenden Vertrages, der Leistungszeit sowie Art und Umfang des Ausgleichs näher regelt.82) Eine bestimmte Form ist hierfür nicht erforderlich, die Schriftform aber schon im Hinblick auf § 312 Abs. 1 Satz 4 zu empfehlen. Die Vereinbarung einer entsprechenden Wahlschuld auch zugunsten des herrschenden Unternehmens ist dabei zulässig.83) Die zeitliche Verzögerung bei der Erfüllung des Anspruchs auf Nachteilsausgleich ist bei der Festlegung der Ausgleichshöhe entsprechend zu berücksichtigen. c)
Leistungsstörungen
33 Bei Leistungsstörungen im Hinblick auf die Erfüllung des vertraglich vereinbarten Ausgleichs ist umstritten, ob diese nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sind84) oder ob das herrschende Unternehmen in jedem Fall das Nichterfüllungsrisiko trägt und damit einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung unterliegt.85) In Anlehnung an die verschuldensunabhängige Haftung nach § 317 überzeugt die Ansicht, wonach die allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätze modifiziert dahingehend Anwendung finden, dass das herrschende Unternehmen auch bei unverschuldeter Unmöglichkeit im Ergebnis auf Schadensersatz haftet.86) IV.
Systematisches Verhältnis zu anderen Vorschriften
34 Die §§ 76, 93, 116 gelten für die Organmitglieder der abhängigen Gesellschaft unverändert fort. Es bleibt daher bei einer grundsätzlich eigenverantwortlichen Unternehmensführung. Der Vorstand darf unter der Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Nachteilsausgleichs nach § 311 Abs. 2 einer Veranlassung folgen, ist hierzu jedoch nicht verpflichtet.87) Anderenfalls kann er sich nach § 93 Abs. 2 schadensersatzpflichtig machen.88) Die Vorschriften über die Kapitalerhaltung nach §§ 57, 60, 62 werden durch § 311 als lex specialis verdrängt.89) Kommt es jedoch mangels Nachteilsausgleich zu einer Schadenersatzpflicht nach § 317, kommen daneben (wieder) die §§ 57, 60, 62 zur Anwendung.90) _____________ 82) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 72 ff.; zu den Anforderungen an eine solche Vereinbarung vgl. LG München I, Urt. v. 10.12.2010 – 5 HKO 13261/08, AG 2010, 173, 175. 83) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 74; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 311 Rz. 132; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 54. 84) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 382; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 311 Rz. 107. 85) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 61; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 311 Rz. 56 a. E. 86) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 76; wohl auch Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 88a. 87) KG, Beschl. v. 3.12.2002 – 1 W 363/02 (Ampere/Stadtwerke Hannover), ZIP 2003, 1042, 1049; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 78; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 62. 88) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.1995 – 8 U 59/94 (Harpener/Omni), ZIP 1995, 1263, 1271; Spindler/StilzMüller, AktG, § 311 Rz. 62. 89) BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), ZIP 2009, 70, 71; OLG München, Urt. v. 15.12.2004 – 7 U 5665/03, NZG 2005, 181, 183; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 324, 327; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 82. 90) BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), Rz. 48, ZIP 2011, 1306; OLG Koblenz, Urt. v. 5.4.2007 – 6 U 342/04, AG 2007, 408, 409; OLG München, Urt. v. 15.12.2004 – 7 U 5665/03, NZG 2005, 181, 183; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 63; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 84; Riegger, ZGR 2008, 233, 238; Mylich, AG 2011, 765, 769 ff. – zur Anwendbarkeit der §§ 62, 57 AktG bei Ausschüttung von Scheingewinnen.
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Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
§ 312
Gleiches gilt für die grundsätzliche Spezialität gegenüber den §§ 117 und 71a.91) Die Möglichkeit zur Beschlussanfechtung wegen Gewährung eines Sondervorteils nach § 243 Abs. 2 wird nach ganz h. M. nicht durch § 311 verdrängt.92) Das Nachauskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 Satz 1 ist nicht nur im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. ausgeschlossen,93) sondern bereits bei einem reinen Abhängigkeitsverhältnis,94) da die aus den §§ 311 ff. folgende Sonderrechtsbeziehung eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. _____________ 91) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 82, 84; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 311 Rz. 62 f. 92) LG München I, Urt. v. 17.5.2001 – 5 HKO 15414/99, NZG 2002, 826, 827; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.2.1973 – 13 U 2/72, WM 1973, 348, 350; Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 85; a. A. OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 412. 93) H. M., LG München I, Urt. v. 26.4.2007 – 5 HKO 12848/06, Der Konzern 2007, 448, 455; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 5; Hüffer, AktG, § 312 Rz. 39; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 4; Menke, NZG 2004, 697, 700; Decher, ZHR 158 (1994), 473, 483 ff.; vgl. auch Meinungsstand bei Fleischer, ZGR 2009, 505, 537; a. A. LG Frankfurt/M., Urt. v. 21.2.2006 – 3-5 O 71/05, AG 2007, 48, 50. 94) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 5; Pentz, ZIP 2007, 2298, 2301; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 8; Decher, ZHR 158 (1994), 473, 483.
§ 312 Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (1) 1Besteht kein Beherrschungsvertrag, so hat der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs einen Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzustellen. 2In dem Bericht sind alle Rechtsgeschäfte, welche die Gesellschaft im vergangenen Geschäftsjahr mit dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen oder auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen vorgenommen hat, und alle anderen Maßnahmen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr getroffen oder unterlassen hat, aufzuführen. 3 Bei den Rechtsgeschäften sind Leistung und Gegenleistung, bei den Maßnahmen die Gründe der Maßnahme und deren Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft anzugeben. 4Bei einem Ausgleich von Nachteilen ist im einzelnen anzugeben, wie der Ausgleich während des Geschäftsjahrs tatsächlich erfolgt ist, oder auf welche Vorteile der Gesellschaft ein Rechtsanspruch gewährt worden ist. (2) Der Bericht hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. (3) 1Am Schluß des Berichts hat der Vorstand zu erklären, ob die Gesellschaft nach den Umständen, die ihm in dem Zeitpunkt bekannt waren, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, bei jedem Rechtsgeschäft eine angemessene Gegenleistung erhielt und dadurch, daß die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, nicht benachteiligt wurde. 2Wurde die Gesellschaft benachteiligt, so hat er außerdem zu erklären, ob die Nachteile ausgeglichen worden sind. 3Die Erklärung ist auch in den Lagebericht aufzunehmen. Literatur: Bode, Abhängigkeitsbericht und Kostenlast im einstufigen faktischen Konzern, AG 1995, 261; Götz, Zeitliche Begrenzung der Verpflichtung zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts, NZG 2001, 68; Friedl, Abhängigkeitsbericht und Nachteilsausgleich zwischen erfolgreicher Übernahme und Abschluss eines Beherrschungsvertrags, NZG 2005, 875; Mertens,
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§ 312
Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
Verpflichtung der Volkswagen AG, einen Bericht gemäß § 312 AktG über ihre Beziehungen zum Land Niedersachsen zu erstatten, AG 1996, 241; Mutter/Frick, Die „Sperrwirkung“ des Abhängigkeitsberichts, AG-Report 2005, 270; van Venrooy, Erfüllungsgeschäfte im Abhängigkeitsbericht der Aktiengesellschaft, DB 1980, 385.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... II. Voraussetzungen der Berichtspflicht .................................. 1. Abhängigkeitsverhältnis .................... 2. Änderungen innerhalb des Geschäftsjahres .................................. III. Verfahren .......................................... IV. Inhalt des Berichts ............................ 1. Grundlagen ........................................ 2. Berichtspflichtige Vorgänge .............. I.
1 3 3 4 5 7 7 8
a) Rechtsgeschäfte ............................ 8 b) Andere Maßnahmen ................... 16 3. Umfang der Berichtspflicht ............. 17 4. Allgemeine Berichtsgrundsätze (§ 312 Abs. 2) ................................... 22 V. Schlusserklärung (§ 312 Abs. 3) ..... 24 VI. Durchsetzung der Berichtspflicht und Sanktionen .... 27 VII. Vertraulichkeit des Berichts ......... 28
Grundlagen
1 § 312 regelt die Pflicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft zur Erstellung eines Berichts über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen innerhalb der ersten drei Monate des Geschäftsjahres, die diesbezüglichen Berichtsinhalte einschließlich der Schlusserklärung des Vorstands und der Sorgfaltsanforderungen bei der Erstellung des Berichts. Dieser sog. Abhängigkeitsbericht soll nachteilige Veranlassungen durch das herrschende Unternehmen und deren Ausgleich dokumentieren und den außenstehenden Aktionären und Gläubigern der abhängigen Gesellschaft die Durchsetzung etwaiger Ersatzansprüche nach den §§ 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 erleichtern.1) Von der Verpflichtung zur Erstellung und Prüfung des Abhängigkeitsberichts geht eine präventive Wirkung für Vorstand und Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft aus, die Interessen ihrer Gesellschaft auch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu wahren und die Grenzen der legitimen Einflussnahme im Konzerninteresse zu beachten. Dem Abhängigkeitsbericht kommt damit eine erhebliche Bedeutung innerhalb des Systems der §§ 311 ff. zu.2) § 312 ist zwingend und nicht abdingbar. 2 Der Abhängigkeitsbericht ist jedoch aufgrund der dort beschriebenen vertraulichen Rechtsgeschäfte und sonstigen Maßnahmen nur dem Aufsichtsrat und nach Maßgabe von § 313 Abs. 1 Satz 1 auch dem Abschlussprüfer zur Prüfung vorzulegen. Darüber hinaus ist der Abhängigkeitsbericht vertraulich und insbesondere nicht der Hauptversammlung vorzulegen. Satzungsregelungen, die eine Offenlegung vorsehen, sind nichtig.3) Eingeschränkte Publizität erlangt der Abhängigkeitsbericht dadurch, dass die Schlusserklärung des Vorstands in den Lagebericht aufzunehmen ist (§ 312 Abs. 3), der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 über das Ergebnis seiner Prüfung des Abhängigkeitsberichts zu berichten hat und in den Bericht des Aufsichtsrats ein vom Abschlussprüfer erteilter Bestätigungsvermerk aufzunehmen bzw. eine Versagung dort mitzuteilen ist (§ 314 Abs. 2, 3). Eine mittelbare Information kann schließlich durch den Bericht über eine Sonderprüfung nach § 315 erfolgen (§ 145 Abs. 6 Satz 5). _____________ 1) 2) 3)
BGH, Beschl. v. 17.3.1997 – II ZB 3/96, BGHZ 135, 107, 109; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 2. BGH, Beschl. v. 17.3.1997 – II ZB 3/96, BGHZ 135, 107, 111 f.; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 3 – „Schlüsselrolle“. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 90; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 11.
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Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen II.
Voraussetzungen der Berichtspflicht
1.
Abhängigkeitsverhältnis
§ 312
Die Berichtspflicht setzt das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses i. S. von § 17 3 oder eines Konzerns i. S. von § 18 voraus und knüpft damit an die Pflicht zum Nachteilsausgleich nach § 311 an. Die Berichtspflicht gilt grundsätzlich auch bei einer Ein-Personen-AG4) und für die KGaA.5) Die Berichtspflicht entfällt bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages (§ 312 Abs. 1 Satz 1), bei Eingliederung der abhängigen Gesellschaft (§ 323 Abs. 1 Satz 3) oder bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages (§ 316). Im Falle einer mehrfachen Abhängigkeit kann in einem einheitlichen Bericht über die Beziehungen der abhängigen Gesellschaft zu den herrschenden Unternehmen berichtet werden, wenn ersichtlich ist, auf wessen Veranlassung und in welchem Interesse die jeweilige Maßnahme erfolgt ist.6) Unter den gleichen Voraussetzungen kann auch von der Enkelgesellschaft bei mehrstufiger Abhängigkeit ein einheitlicher Bericht erstellt werden.7) 2.
Änderungen innerhalb des Geschäftsjahres
Bei Begründung oder Beendigung eines Abhängigkeitsverhältnisses während eines Ge- 4 schäftsjahres besteht die Berichtspflicht nur für Vorgänge während der Zeit der Abhängigkeit.8) Entsprechendes gilt für einen Formwechsel in eine nicht berichtspflichtige Rechtsform (und umgekehrt) und Verschmelzungsvorgänge bis bzw. ab Eintragung im Handelsregister.9) Durch den Schutz der §§ 302, 322 Abs. 1, 324 Abs. 3 entfällt die Berichtspflicht beim unterjährigen Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages oder bei einer unterjährigen Eingliederung jedoch für das gesamte Geschäftsjahr.10) Voraussetzung ist allerdings, dass die Maßnahme noch vor dem jeweiligen Bilanzstichtag in das Handelsregister eingetragen und damit wirksam wurde. Im umgekehrten Fall beschränkt sich die Berichtspflicht auf das verbleibende Geschäftsjahr.11) Sind die Voraussetzungen für die Berichtspflicht erfüllt, jedoch keine berichtspflichtigen Vorgänge im relevanten Geschäftsjahr zu verzeichnen, haben Berichte i. S. eines Negativberichts und die Schlusserklärung eine entsprechende Negativerklärung zu enthalten.12) III.
Verfahren
Zuständig für die Aufstellung des Abhängigkeitsberichts ist der Gesamtvorstand. Das 5 Handeln einer vertretungsberechtigten Anzahl an Vorstandsmitglieder ist nicht ausrei_____________ 4) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 6; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 9. 5) OLG Stuttgart, Urt. v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1984; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 23; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 7. 6) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 9; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 92. 7) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 9; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 92. 8) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.7.1993 – 6 U 84/92, ZIP 1993, 1791, 1793; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 11; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 11; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 30. 9) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 11; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 11; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 93; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 45, wonach die Umwandlung in ein Unternehmen anderer Rechtsform die Berichtspflicht für das ganze Geschäftsjahr entfallen lässt; so auch Heidel-Walchner, § 312 AktG Rz. 9. 10) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 12; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 47; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 312 Rz. 7; vgl. auch ausführlich Friedl, NZG 2005, 875, 877 f. – zu unterjährigem Beherrschungsvertrag). 11) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 12; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 12. 12) Allg. M., Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 13; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 13.
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§ 312
Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
chend. Der Bericht ist daher auch von allen Vorstandsmitgliedern zu unterzeichnen.13) Bei einer abhängigen KGaA trifft die Pflicht die Komplementärin bzw. deren gesetzliche Vertreter. Der Abhängigkeitsbericht ist grundsätzlich innerhalb einer Drei-Monats-Frist nach Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres aufzustellen. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Abhängigkeitsbericht und Jahresabschluss verlängert sich diese Frist, soweit die Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses von der Drei-Monats-Frist nach § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB abweicht.14) Dies betrifft die kleine AG (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341a Abs. 1 und 5 HGB). 6 Der Vorstand hat den Abhängigkeitsbericht unverzüglich nach seiner Aufstellung dem Aufsichtsrat, und wenn eine Prüfungspflicht besteht, auch dem Abschlussprüfer vorzulegen (§§ 314 Abs. 1 Satz 1, 313 Abs. 1 Satz 1). Die Kosten für die Aufstellung des Abhängigkeitsberichts und dessen Prüfung trägt ausschließlich die abhängige Gesellschaft. Ein Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem herrschenden Unternehmen kommt nach h. M. zu Recht weder aus den §§ 311, 317 noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 Satz 1 BGB) in Betracht.15) Die Kosten stellen typische passive Konzerneffekte dar (siehe hierzu § 311 Rz. 23). IV.
Inhalt des Berichts
1.
Grundlagen
7 Obgleich § 312 im Kontext zu § 311 steht, beschränkt sich der Inhalt des Abhängigkeitsberichts nicht auf nachteilige Maßnahmen, die vom herrschenden Unternehmen veranlasst wurden und deren Ausgleich. Der Abhängigkeitsbericht will vielmehr für seinen begrenzten Adressatenkreis weitgehende Transparenz über sämtliche Rechtsgeschäfte und sonstigen Maßnahmen zwischen der abhängigen Gesellschaft und seiner verbundenen Unternehmen herstellen. Während § 312 Abs. 1 Satz 2 zunächst die berichtspflichtigen Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen konkretisiert, fordert § 312 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 nähere Angaben zur Feststellung etwaiger Nachteile und deren Ausgleich. 2.
Berichtspflichtige Vorgänge
a)
Rechtsgeschäfte
8 Zu berichten ist einmal über Rechtsgeschäfte, die mit dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen oder auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen vorgenommen wurden. Rechtsgeschäft ist dabei als Unterfall der Maßnahme zu verstehen. Aus diesem Grund ergibt sich auch die Pflicht, über unterlassene Rechtsgeschäfte zu berichten und Einzelangaben i. S. von § 312 Abs. 1 Satz 3 auch für Rechtsgeschäfte zu machen, sofern die Angabe von Leistung und Gegenleistung für die Beurteilung des nachteiligen Charakters des Rechtsgeschäfts nicht ausreicht.16) Im Gegensatz zu anderen Maßnahmen kommt es bei Rechtsgeschäften nicht darauf an, dass diese auf Veranlassung oder im Interesse der verbundenen Unternehmen vorgenommen wurden. 9 Der Begriff des Rechtsgeschäfts entspricht dem des BGB und umfasst eine oder mehrere Willenserklärungen, die allein oder i. V. m. anderen Tatbestandsmerkmalen eine gewollte _____________ 13) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 14; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 52. 14) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 16; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 15. 15) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 17; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 18; HöltersLeuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 63; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 56; a. A. Bode, AG 1995, 261, 269; Hüffer, AktG, § 312 Rz. 40. 16) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 22; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 26; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 95, 116.
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Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
§ 312
Rechtsfolge herbeiführen.17) Dies können einseitig verpflichtende oder gegenseitige Verträge, einseitige Gestaltungserklärungen (z. B. Anfechtung, Rücktritt, Kündigung oder Aufrechnung), unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge (z. B. Leihe, Auftrag oder Aufbewahrung), einseitige Unterlassungspflichten und zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft koordinierte Beschlüsse sein.18) Zu berichten ist auch über rechtsgeschäftsähnliche Handlungen. Bei Rahmenverträgen ist über diese an sich und über das konkrete Ausführungsgeschäft 10 zu berichten, soweit es gesonderte Verpflichtungen begründet.19) Bloße Erfüllungsgeschäfte sind nach zutreffender h. M. grundsätzlich nicht berichtspflichtig.20) Erfolgen jedoch Verfügungsgeschäfte rechtsgrundlos oder gehen sie über das zugrunde liegende Kausalgeschäft hinaus, sind sie berichtspflichtig. Über Angebote einschließlich Übernahmeangebote nach dem WpÜG ist nicht gesondert zu berichten, da sie Teil eines Vertrages sind, über den dann ohnehin zu berichten sein wird.21) Ein gescheitertes Übernahmeangebot kann aber unter Umständen als sonstige Maßnahme zu berichten sein. Erforderlich ist, dass die abhängige Gesellschaft das Rechtsgeschäft selbst vorgenommen, 11 also eine dahingehende Willenserklärung abgegeben hat. Einseitige Rechtsgeschäfte des herrschenden Unternehmens sind daher nicht berichtspflichtig.22) Dies gilt bei mehrstufiger Abhängigkeit auch für Rechtsgeschäfte der von der abhängigen Gesellschaft beherrschten Enkelin. Anders kann dies aber sein, wenn die Tochter das Rechtsgeschäft der Enkelin durch aktives Handeln oder Unterlassen von Eingriffsmöglichkeiten gefördert hat.23) In zeitlicher Hinsicht kommt es zu Recht auf das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts 12 im vergangenen Geschäftsjahr an, die bilanzielle Behandlung spielt dabei keine Rolle.24) § 312 Abs. 1 Satz 2 verlangt einen Bezug des Rechtsgeschäfts zu dem herrschenden Unter- 13 nehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen. Nach der dortigen abschließenden Aufzählung betrifft dies Rechtsgeschäfte –
mit dem herrschenden Unternehmen,
–
mit einem Unternehmen, das mit dem herrschenden Unternehmen verbunden ist, oder
–
mit einem Dritten auf Veranlassung oder im Interesse des herrschenden Unternehmens oder eines mit diesem verbundenen Unternehmen.
_____________ 17) Palandt-Ellenberger, BGB, Überbl. v. § 104 Rz. 2; vgl. auch Hüffer, AktG, § 312 Rz. 13; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 23. 18) Vgl. Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 27; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 23 ff.; Hüffer, AktG, § 312 Rz. 13; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 81 ff. 19) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 62; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 25; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 88. 20) Statt vieler Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 86; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 103; a. A. v. Venrooy, DB 1980, 385 ff.; vgl. für mangelhafte Erfüllungsgeschäfte HFA 3/1991, WPg 1992, 91, 92. 21) Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 28; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 23; – krit. für Angebote an einen unbestimmten Personenkreis – K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 312 Rz. 31 und Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 85. 22) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 29; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 27. 23) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 27; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 97; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 29; einschränkend Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 61. 24) H. M. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 10; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 33; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 65; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 312 Rz. 23; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 113: maßgeblich sei bereits die bindende Willenserklärung der abhängigen Gesellschaft.
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Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
Herrschendes Unternehmen kann bei mehrstufiger Abhängigkeit jedes in direkter Linie übergeordnete Unternehmen sein.25) Seine verbundenen Unternehmen bestimmen sich nach § 15 und nicht nach § 271 Abs. 2 HGB.26) 14 Bei Abhängigkeit von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts folgt die Berichtspflicht nicht allein aus dem Umstand, dass das Rechtsgeschäft (zugleich) im öffentlichen Interesse vorgenommen wurde. In diesem Fall müssen begründete Zweifel bestehen, ob auch der Vorstand einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft unter Beachtung seines Sorgfaltsmaßstabs aus § 93 so vorgenommen hätte.27) Diese Einschränkung gilt freilich nicht für die von öffentlicher Hand veranlassten Rechtsgeschäfte. 15 Der Begriff der Veranlassung bestimmt sich nach denselben Grundsätzen zu § 311 (siehe hierzu § 311 Rz. 7 ff.). Für die Beurteilung der Frage, ob das Rechtsgeschäft im Konzerninteresse vorgenommen wurde, ist alternativ auf die objektive Interessenlage und die subjektive Begünstigungsabsicht abzustellen.28) In beiden Fällen ist damit zu berichten. b)
Andere Maßnahmen
16 Der Begriff der anderen Maßnahme i. S. von § 312 Abs. 1 Satz 2 umfasst jedes Tun oder Unterlassen, das keinen rechtsgeschäftlichen Charakter hat und Auswirkungen auf die Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft haben kann.29) Unter diesem weit zu verstehenden Begriff können z. B. Personalentscheidungen, produktions-, absatz-, forschungs- und finanzpolitische Entscheidungen, Investitionsentscheidungen, Stilllegung von Betriebsteilen, Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen, die Informationsweitergabe und die Durchführung oder das Unterlassen sonstiger betrieblicher Maßnahmen sein.30) In zeitlicher Hinsicht ist die abschließende Entscheidung über die Durchführung der relevanten Maßnahme entscheidend. Hält sich die Durchführung dann in diesen Grenzen, ist hierüber nicht mehr gesondert zu berichten.31) 3.
Umfang der Berichtspflicht
17 Durch die Vorlage des Abhängigkeitsberichts sollen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer die Möglichkeit zur Prüfung erhalten, ob eine von der abhängigen Gesellschaft vorgenommene Maßnahme (einschließlich Rechtsgeschäfte) nachteilige Auswirkungen hat und ob ein angemessener Ausgleich erfolgt ist. Bei Rechtsgeschäften sind daher Leistung und Gegenleistung so detailliert zu beschreiben, dass ein Drittvergleich vorgenommen werden kann, um die Angemessenheit des Leistungsaustausches prüfen zu können.32) _____________ 25) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 98. 26) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 35; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 98. 27) Vgl. BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76 (Veba/Gelsenberg), BGHZ 69, 334, 343; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 32; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 37. 28) Alternativität befürwortend Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 102; Emmerich/HabersackHabersack, § 312 AktG Rz. 31; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 36; a. A. Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung, § 312 AktG Rz. 47 – subjektives Verständnis; Koppensteiner in: KölnKommAktG, § 312 Rz. 50 – objektives Verständnis. 29) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 89 ff.; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 47; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 39. 30) Vgl. zu diesen Bsp. Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 34; Koppensteiner in: KölnKommAktG, § 312 Rz. 47 f.; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 39; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 98; IDW HFA 3/1991, WPg 1992, 91, 92. 31) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 36; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 40. 32) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 37.
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Der Gesetzgeber hatte bei den zu Rechtsgeschäften geforderten Angaben einen gegen- 18 seitigen Vertrag im Blick. Hinsichtlich der Leistung sind daher etwa Angaben über die Art, Umfang, Menge und Vorkosten anzugeben. Wesentliche Nebenabreden sind ebenfalls zu beschreiben (z. B. Verzicht auf marktübliche Klauseln, ungewöhnliche Garantieleistungen).33) Die Gegenleistung ist ihrer Höhe nach zu beziffern, einschließlich etwaiger Nachlässe und der Modalitäten ihrer Erbringung. Abhängig vom Einzelfall (etwa bei komplexen Vertragsstrukturen mit gegenseitigen Leistungsbeziehungen oder bei Sachgegenleistungen) hat der Vorstand näher darzulegen und zu begründen, warum er die jeweilige Gegenleistung für angemessen hält.34) Zudem gilt: Als Unterfall der Maßnahmen sind auch bei den Rechtsgeschäften die Gründe für das jeweilige Geschäft und dessen Vor- und Nachteile darzustellen, soweit die Angemessenheit nicht bereits durch einfachen Vergleich von Leistung und Gegenleistung beurteilt werden kann (siehe bereits Rz. 8).35) Bei einseitig verpflichtenden Rechtsgeschäften ist auf die fehlende Gegenleistung hin- 19 zuweisen und dazulegen, warum der Vorstand das Geschäft dennoch für angemessen hält. Zudem sind hier in jedem Fall die Gründe für das Rechtsgeschäft und dessen Vor- und Nachteile anzugeben.36) Bei anderen Maßnahmen als Rechtsgeschäften sind die Gründe der Maßnahmen und 20 deren Vor- und Nachteile für die abhängige Gesellschaft anzugeben. Dies gilt auch für unterlassene Rechtsgeschäfte. Darzulegen sind deshalb die Motive der abhängigen Gesellschaft für die Vornahme bzw. das Unterlassen der Maßnahme und, jeweils getrennt, die Bezifferung der Vor- und Nachteile.37) In zeitlicher Hinsicht kommt es dabei auf die Prognose des Vorstands zur Zeit der Entscheidung über die Maßnahme an. Entwickeln sich jedoch die prognostizierten Vor- und Nachteile anders als erwartet, sind diese Abweichungen im Abhängigkeitsbericht offenzulegen und zu begründen.38) Der Nachteilsbegriff i. S. von § 312 Abs. 1 Satz 3 ist dabei nicht deckungsgleich mit demjenigen in § 311, da er sich nicht auf den Gesamtcharakter der Maßnahme bezieht. § 312 Abs. 1 Satz 4 knüpft an den Nachteilsausgleich i. S. von § 311 Abs. 1 an und ver- 21 langt die Angabe, ob nachteilige Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte tatsächlich oder durch Gewährung eines Rechtsanspruchs ausgeglichen wurden und auf welche Art und Weise und in welcher Höhe unter Bezifferung der jeweiligen Vor- und Nachteile der Ausgleich erfolgt ist.39) 4.
Allgemeine Berichtsgrundsätze (§ 312 Abs. 2)
Nach § 312 Abs. 2 muss der Bericht den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreu- 22 en Rechenschaft entsprechen. Diese Generalklausel ist mit Blick auf den Sinn und Zweck des Abhängigkeitsberichts, wonach dem Aufsichtsrat und dem Abschlussprüfer eine zutreffende Beurteilung sämtlicher berichtspflichtiger Vorgänge möglich sein muss, zu _____________ 33) Vgl. Hüffer, AktG, § 312 Rz. 27; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 115; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 37. 34) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 41; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 44; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 116. 35) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 116; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 104. 36) Vgl. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 117; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 45; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 73. 37) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 39; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 46; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 119. 38) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 119; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 39. 39) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 44; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 47; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 40.
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Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
konkretisieren.40) Hieraus ergibt sich, dass der Bericht vollständig, zutreffend, klar und übersichtlich gegliedert sein muss.41) Bei komplexen Konzernstrukturen ist daher vor Beschreibung der Einzelmaßnahmen eine Verbundübersicht voranzustellen. Das herrschende Unternehmen und die beteiligten verbundenen Unternehmen sind genau zu bezeichnen. Soweit eine weitere Untergliederung keinen zusätzlichen Informationswert generiert, sind zusammenfassende Angaben zu machen.42) Tatsachenangaben und Bewertungen sind dabei zu trennen. 23 Den Vorstand der abhängigen Gesellschaft trifft zur Vorbereitung des Abhängigkeitsberichts die Organisationspflicht, nachteilige Rechtsgeschäfte und Maßnahmen sowie einen bereits erfolgten oder angebotenen Nachteilsausgleich in geeigneter Form nachprüfbar festzuhalten bzw. zu dokumentieren, um die Vollständigkeit des Berichts sicherzustellen.43) V.
Schlusserklärung (§ 312 Abs. 3)
24 Am Ende des Abhängigkeitsberichts hat der Vorstand seine sog. Schlusserklärung abzugeben und darin zu erklären, ob die Gesellschaft bei jedem Rechtsgeschäft eine angemessene Gegenleistung erhalten hat und durch andere Maßnahmen nicht benachteiligt wurde und wie etwaige Nachteile ausgeglichen worden sind. Im Gegensatz zur Erklärung des Abschlussprüfers nach § 313 Abs. 3 Satz 2 ist der Vorstand bei seiner Erklärung nicht an einen bestimmten Wortlaut gebunden und kann damit besonderen Situationen (z. B. einem Vorstandswechsel)44) Rechnung tragen. Zur Negativerklärung siehe bereits Rz. 4. War mangels Quantifizierbarkeit einzelner Nachteile kein Einzelausgleich möglich, ist zu erklären, dass nicht alle Nachteile ausgeglichen worden sind.45) 25 In der Schlusserklärung ist auch anzugeben, dass die der Erklärung zugrunde liegende Beurteilung des Vorstands auf einer ex ante Prognose zur Zeit der Vornahme oder des Unterlassens des berichtspflichtigen Vorgangs beruht. Entsprechend dem Wortlaut von § 312 Abs. 3 Satz 1 kommt es hierbei nach überwiegender Auffassung ausschließlich auf die dem Vorstand bekannten Umstände und nicht darüber hinaus auch auf die ihm erkennbaren Umstände an. Dies gilt selbst dann, wenn die nachteiligen Umstände dem Vorstand nunmehr bei Abgabe seiner Schlusserklärung bekannt sind.46) Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts ist dem zu folgen, obgleich dies im Hinblick auf den Schutzzweck des Abhängigkeitsberichts und das zu beachtende Gebot der wahrheitsgemäßen Information durchaus bedenklich erscheint. 26 Die Schlusserklärung erlangt Publizität durch Aufnahme in den Lagebericht nach §§ 264 Abs. 1, 289 HGB (§ 312 Abs. 3 Satz 3). Ist die Gesellschaft nicht zur Aufstellung eines Lageberichts verpflichtet (§§ 264 Abs. 1 Satz 4, 267 Abs. 1 HGB) ist die Schlusserklärung
_____________ 40) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 42. 41) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 45; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 132 ff. 42) Vgl. OLG München, Urt. v. 10.4.2002 – 7 U 3919/01, AG 2003, 452, 453; Emmerich/HabersackHabersack, § 312 AktG Rz. 43; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 47. 43) Emmerich/Habersack-Habersack, § 311 AktG Rz. 80; § 312 Rz. 42. 44) Vgl. Formulierungsbeispiele bei Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 148 f. 45) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 45; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 312 Rz. 54. 46) Hüffer, AktG, § 312 Rz. 36; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 312 Rz. 34; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 105; krit. Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 50; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 46; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 146; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 312 Rz. 80 – Redaktionsversehen.
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Bericht des Vorstands über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
§ 312
stattdessen in den Anhang aufzunehmen.47) Bei einer Befreiung vom Anhang nach § 264 Abs. 3 HGB ist unter den Jahresabschluss ein entsprechender Vermerk aufzunehmen.48) VI.
Durchsetzung der Berichtspflicht und Sanktionen
Die Pflicht zur Berichterstattung kann vom Registergericht mittels Zwangsgeld durch- 27 gesetzt werden (§ 407 Abs. 1). Diese Möglichkeit besteht auch über die Feststellung des Jahresabschlusses hinaus bis zur Verjährung etwaiger Ansprüche aus §§ 317, 318.49) Für fehlende oder unzulängliche Berichterstattung haftet der Vorstand nach § 318 Abs. 1, 3 und 4 auf Schadensersatz. Der Aufsichtsrat hat in seinem Bericht nach § 171 Abs. 2 auf einen fehlenden oder unzulänglichen Abhängigkeitsbericht hinzuweisen. Ansonsten trifft auch ihn eine Schadensersatzhaftung (§ 318 Abs. 2). Fehlt der Bericht oder entspricht die Schlusserklärung des Vorstands objektiv nicht den Tatsachen, hat der Abschlussprüfer seinen Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss zumindest einzuschränken (§ 322 Abs. 4 HGB).50) Eine gravierende Verletzung der Berichtspflicht begründet darüber hinaus die Anfechtung des entsprechenden Entlastungsbeschlusses.51) Im Gegensatz zur fehlenden oder unzulänglichen Berichterstattung kann die fehlende Aktivierung eines Ersatzanspruches nach § 317 die Nichtigkeit des Jahresabschlusses begründen (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, Satz 3).52) VII. Vertraulichkeit des Berichts Trotz rechtspolitischer Kritik,53) ist der Abhängigkeitsbericht nicht offenzulegen (siehe 28 hierzu bereits Rz. 2). Den Aktionären der abhängigen Gesellschaft bleibt es nach h. M. jedoch unbenommen, ihr allgemeines Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 für Erkundigungen über berichtspflichtige Vorgänge zu nutzen.54) Mit guten Gründen hat demgegenüber das OLG Frankfurt55) entschieden, dass der Inhalt des Abhängigkeitsberichts nicht zu den Angelegenheiten einer abhängigen Gesellschaft gehört, über die der Vorstand in der Hauptversammlung Auskunft zu erteilen hat. Durch die zwingende Prüfung durch Aufsichtsrat und Abschlussprüfer und die Möglichkeit zur Sonderprüfung nach § 315 kommt dem Abhängigkeitsbericht hier eine erhöhte Unterrichtungsqualität zu, die zu einer Verdrängung des allgemeinen Auskunftsrechts hinsichtlich der Einzelheiten und Bedingungen der berichtspflichtigen Vorgänge führt. _____________ 47) H. M.; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 51; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 47; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 152; a. A. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 105. 48) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 152; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 51. 49) Vgl. BGH, Beschl. v. 17.3.1997 – II ZB 3/96, BGHZ 135, 107, 111 (VW); OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.1999 – 17 U 46/99, AG 2000, 365, 366; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 18; a. A. OLG Köln, Beschl. v. 22.12.1977 – 2 W 32/76, AG 1978, 171, 172; Götz, NZG 2001, 68 , 70; Mertens, AG 1996, 241, 248. 50) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 21; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 66. 51) BGH, Urt. v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, BGHZ 62, 193, 194; OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.6.1999 – 1 U 288/98, AG 2000, 78, 79; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.1999 – 17 U 46/99, wohl allg. M., AG 2000, 365, 366; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 20. 52) BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 253/92, BGHZ 124, 111, 119; Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 20 – vgl. dort auch zu den weiteren Folgen einer mangelhaften Berichterstattung; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 312 Rz. 22. 53) Emmerich/Habersack-Habersack, § 312 AktG Rz. 3 (dort Fn. 8). 54) OLG Stuttgart, Urt. v. 11.8.2004 – 20 U 3/04, NZG 2004, 966, 968; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.7.1991 – 19 W 2/91, DB 1991, 2532, 2533; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 16; einschränkend jedoch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.1.2003 – 20 W 449/93, ZIP 2003, 761, 762 mit Zustimmung Mutter/ Frick, AG-Report 2005, 270, 272; KG, Beschl. v. 11.2.1972 – 1 W 1672/71, NJW 1972, 2307, 2309. 55) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.1.2003 – 20 W 449/93, ZIP 2003, 761, 762.
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§ 313
Prüfung durch den Abschlußprüfer
§ 313 Prüfung durch den Abschlußprüfer (1) 1Ist der Jahresabschluß durch einen Abschlußprüfer zu prüfen, so ist gleichzeitig mit dem Jahresabschluß und dem Lagebericht auch der Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen dem Abschlußprüfer vorzulegen. 2Er hat zu prüfen, ob 1. die tatsächlichen Angaben des Berichts richtig sind, 2. bei den im Bericht aufgeführten Rechtsgeschäften nach den Umständen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme bekannt waren, die Leistung der Gesellschaft nicht unangemessen hoch war; soweit sie dies war, ob die Nachteile ausgeglichen worden sind, 3. bei den im Bericht aufgeführten Maßnahmen keine Umstände für eine wesentlich andere Beurteilung als die durch den Vorstand sprechen. 3
§ 320 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 und 2 des Handelsgesetzbuchs gilt sinngemäß. Die Rechte nach dieser Vorschrift hat der Abschlußprüfer auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen.
4
(2) 1Der Abschlußprüfer hat über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Stellt er bei der Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen fest, daß dieser Bericht unvollständig ist, so hat er auch hierüber zu berichten. 3Der Abschlußprüfer hat seinen Bericht zu unterzeichnen und dem Aufsichtsrat vorzulegen; dem Vorstand ist vor der Zuleitung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 2
(3) 1Sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so hat der Abschlußprüfer dies durch folgenden Vermerk zum Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu bestätigen: Nach meiner/unserer pflichtmäßigen Prüfung und Beurteilung bestätige ich/bestätigen wir, daß 1. die tatsächlichen Angaben des Berichts richtig sind, 2. bei den im Bericht aufgeführten Rechtsgeschäften die Leistung der Gesellschaft nicht unangemessen hoch war oder Nachteile ausgeglichen worden sind, 3. bei den im Bericht aufgeführten Maßnahmen keine Umstände für eine wesentlich andere Beurteilung als die durch den Vorstand sprechen. 2
Führt der Bericht kein Rechtsgeschäft auf, so ist Nummer 2, führt er keine Maßnahme auf, so ist Nummer 3 des Vermerks fortzulassen. 3Hat der Abschlußprüfer bei keinem im Bericht aufgeführten Rechtsgeschäft festgestellt, daß die Leistung der Gesellschaft unangemessen hoch war, so ist Nummer 2 des Vermerks auf diese Bestätigung zu beschränken. (4) 1Sind Einwendungen zu erheben oder hat der Abschlußprüfer festgestellt, daß der Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen unvollständig ist, so hat er die Bestätigung einzuschränken oder zu versagen. 2Hat der Vorstand selbst erklärt, daß die Gesellschaft durch bestimmte Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen benachteiligt worden ist, ohne daß die Nachteile ausgeglichen worden sind, so ist dies in dem Vermerk anzugeben und der Vermerk auf die übrigen Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen zu beschränken. (5) 1Der Abschlußprüfer hat den Bestätigungsvermerk mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen. 2Der Bestätigungsvermerk ist auch in den Prüfungsbericht aufzunehmen.
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§ 313
Prüfung durch den Abschlußprüfer
Literatur: Hommelhoff, Praktische Erfahrungen mit dem Abhängigkeitsbericht, ZHR 156 (1992), 295; Velte, Die Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch den Aufsichtsrat und Abschlussprüfer sowie ihre Berichterstattung – Ergebnisse einer empirischen Befragung, Der Konzern 2010, 49.
Übersicht I. II. 1. 2.
Grundlagen ........................................ 1 Prüfungspflicht ................................. 2 Voraussetzungen ................................ 2 Prüfungsgegenstände ......................... 3 a) Tatsächliche Angaben .................. 3 b) Rechtsgeschäfte ............................ 4 c) Sonstige Maßnahmen ................... 5 3. Umfang und Verfahren der Prüfung ......................................... 6 I.
a) Begrenzter Umfang ..................... 6 b) Verfahren ...................................... 7 4. Bestätigungsvermerk .......................... 9 a) Allgemeines .................................. 9 b) Uneingeschränkter Bestätigungsvermerk ...................... 10 c) Einschränkung oder Versagung ................................... 11
Grundlagen
§ 313 regelt die Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch den Abschlussprüfer. Die 1 Prüfung ist über § 314 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 ein Teil der begrenzten Publizität des Abhängigkeitsberichts, ergänzt die Prüfung durch den Aufsichtsrat und kann insoweit Interessenkonflikte kompensieren und fördert zudem eine vollständige und ordnungsgemäße Berichterstattung. Im Ergebnis trägt die Prüfung damit zur präventiven Wirkung des Abhängigkeitsberichts bei.1) II.
Prüfungspflicht
1.
Voraussetzungen
Voraussetzung einer Prüfungspflicht ist die Prüfung des Jahresabschlusses durch den 2 Abschlussprüfer. Ob sich hierfür eine Pflicht aus § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB oder aus der Satzung ergibt, spielt keine Rolle.2) Nach ganz h. M. findet aus diesem Grund bei der kleinen AG keine Prüfung des Abhängigkeitsberichts statt.3) Die durch das Bilanzrichtliniengesetz4) mittelbar entstandene Schutzlücke ist aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts hinzunehmen. 2.
Prüfungsgegenstände
a)
Tatsächliche Angaben
Der Prüfungsgegenstand ergibt sich aus § 313 Abs. 1 Satz 2. Die nach § 313 Abs. 1 Nr. 1 3 zu prüfende Richtigkeit der tatsächlichen Angaben zielt auf objektiv nachprüfbare Vorgänge, die von Werturteilen und Prognosen abzugrenzen sind. Zu prüfen ist nicht nur, ob die prüfungspflichtigen Vorgänge tatsächlich stattgefunden haben, sondern auch deren wesentliche Bedingungen und sonstigen beurteilungsrelevanten Umstände (z. B. Vertragsklauseln _____________ 1) 2)
3)
4)
Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 2 ff.; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 313 Rz. 2 (unentbehrlicher Eckpfeiler bzw. unverzichtbares Element des Außenseiterschutzes). Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 313 Rz. 4; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 22; a. A. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 107, der eine satzungsmäßige Anordnung zur Prüfung des Abhängigkeitsberichts fordert. Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 313 Rz. 4; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 107; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 22, jeweils m. w. N.; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 7. Gesetz v. 16.12.1985, BGBl. I, 2355.
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§ 313
Prüfung durch den Abschlußprüfer
bei Rechtsgeschäften). Von der Prüfung nicht umfasst ist dagegen die Vollständigkeit der tatsächlichen Angaben.5) b)
Rechtsgeschäfte
4 § 313 Abs. 1 Nr. 2 betrifft Rechtsgeschäfte i. S. von § 312 Abs. 1 Satz 2. Der Abschlussprüfer hat hier zunächst die Angemessenheit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu prüfen. Im Gegensatz zu § 312 Abs. 3 Satz 1 kommt es hier auf die dem Vorstand bekannten oder erkennbaren Umstände zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts an. Bei seiner Prüfung kommt dem Abschlussprüfer ein Beurteilungsspielraum zu. Er hat in diesem Rahmen zu prüfen, ob nach vernünftiger kaufmännischer Betrachtung die Vornahme des Rechtsgeschäfts vertretbar war.6) Geringfügige Abweichungen gegenüber der Bewertung des Vorstands sind aufgrund der Schwierigkeit der Prüfung hinzunehmen und begründen als solche noch keinen (dann nicht ausgeglichenen) Nachteil.7) Liegt nach dem Abhängigkeitsbericht oder den Feststellungen des Abschlussprüfers ein nachteiliges Rechtsgeschäft vor, so ist zu prüfen, ob die Nachteile nach Maßgabe von § 311 Abs. 2 ausgeglichen wurden. Dem Prüfer steht auch hier ein Beurteilungsspielraum nach vorstehender Maßgabe zu. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich kann dabei nach h. M. zu Recht nicht davon abhängig gemacht werden, zu welchen Feststellungen hier der Abschlussprüfer gelangt.8) c)
Sonstige Maßnahmen
5 Hinsichtlich sonstiger Maßnahmen ist nach § 313 Abs. 1 Nr. 3 zu prüfen, ob keine Umstände für eine wesentlich andere Beurteilung als die durch den Vorstand sprechen. Der Prüfer hat dabei den Ermessensspielraum des Vorstands zu respektieren. Er hat auch hier nur zu prüfen, ob die Angaben schlüssig und überzeugend, damit vertretbar sind, jedoch nicht, ob die Maßnahme aus Sicht des Prüfers unternehmerisch geboten oder jedenfalls zweckmäßig war.9) Drängen sich dem Abschlussprüfer aufgrund seiner Sachkunde beurteilungsrelevante Umstände auf, die der Vorstand nicht berücksichtigt hat, muss er diesen nachgehen.10) Hinsichtlich des Beurteilungszeitpunktes gelten die Ausführungen zu Rechtsgeschäften entsprechend. 3.
Umfang und Verfahren der Prüfung
a)
Begrenzter Umfang
6 Den Abschlussprüfer trifft keine Pflicht zur Prüfung der Vollständigkeit der berichteten Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, Stichproben sind vielmehr ausreichend.11) Bei Maßnahmen von außergewöhnlicher Bedeutung ist jedoch eine Einzelfallprüfung erforderlich.12) Nach Sinn und Zweck von § 313 Abs. 2 Satz 2 hat der Prüfer aber jedem Verdacht _____________ 5) Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 14; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 313 Rz. 8. 6) Allg. M., Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 108; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 43. 7) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 42, 43 – keine Prüfung auf Heller und Pfennig; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 16. 8) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 54; Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 17; a. A. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 311 AktG Rz. 71, vgl. auch Hüffer, AktG, § 313 Rz. 8 – zum Vorschlag einer auflösenden Bedingung. 9) Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 18; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 44. 10) Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 18; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 47. 11) Allg. M., Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 56 m. w. N. 12) Velte, Der Konzern, 2010, 49, 51.
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§ 313
Prüfung durch den Abschlußprüfer
auf eine Unvollständigkeit nachzugehen, gleichgültig in welchem Zusammenhang dieser Verdacht entsteht.13) Im Rahmen der Richtigkeitskontrolle nach § 313 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ist jedoch zu prüfen, ob alle wesentlichen beurteilungsrelevanten Angaben (siehe § 312 Rz. 17 ff.) vollständig aufgeführt sind.14) b)
Verfahren
Die Prüfung nach § 313 ist unselbständiger Teil der Jahresabschlussprüfung und kann 7 sich auf Stichproben15) beschränken. Zuständig ist ausschließlich der bestellte Abschlussprüfer. Der Prüfungsauftrag wird im Namen der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat erteilt (§ 111 Abs. 2 Satz 3). Eine inhaltliche Einflussnahme auf den Abhängigkeitsbericht durch den Prüfer ist unzulässig.16) Wenn es bei einer reinen Entscheidungshilfe verbleibt, kann der Abschlussprüfer vom Vorstand bereits in die Entscheidung über die konkrete Maßnahme während des jeweiligen Geschäftsjahres mit einbezogen werden.17) Ist zwischen Abschlussprüfer und Vorstand die Pflicht zur Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts streitig, ist ggf. der Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss einzuschränken.18) Nach der Verweisung in § 313 Abs. 1 Satz 3 hat der Vorstand dem Abschlussprüfer zu ge- 8 statten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände und Schulden, namentlich die Kasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, zu prüfen. Daneben kann der Abschlussprüfer vom Vorstand alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, die für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind. Soweit es die Vorbereitung der Abschlussprüfung erfordert, hat der Abschlussprüfer die vorstehenden Rechte bereits vor der Aufstellung des Abhängigkeitsberichts. Diese Rechte hat der Abschlussprüfer auch gegenüber einem Konzernunternehmen sowie gegenüber einem abhängigen oder herrschenden Unternehmen (§ 313 Abs. 1 Satz 4). Eine Stellungnahme des Vorstands i. S. von § 313 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 ist dem Aufsichtsrat (in der Regel dem Aufsichtsratsvorsitzenden) zusammen mit dem Prüfungsbericht vorzulegen. 4.
Bestätigungsvermerk
a)
Allgemeines
Der Abschlussprüfer kann nach seiner Prüfung einen uneingeschränkten oder einge- 9 schränkten Bestätigungsvermerk erteilen oder einen solchen ganz versagen. Der Vermerk ist in jedem Fall mit Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen und in den Prüfungsbericht aufzunehmen (§ 313 Abs. 5). Wird der Bestätigungsvermerk durch nachträglich bekanntwerdende Umstände unrichtig, ist er zu widerrufen.19) b)
Uneingeschränkter Bestätigungsvermerk
Bestehen keine Einwendungen, hat die Gesellschaft einen Anspruch auf einen unein- 10 geschränkten Bestätigungsvermerk mit dem in § 313 Abs. 3 Satz 1 formalisierten Wortlaut. Einzelfallbedingte Zusätze sind in Ausnahmefällen zulässig, soweit sie keinen ein_____________ 13) Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 21; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 108; für offenbar engeres Verständnis Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 304. 14) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 63. 15) Allg. M., vgl. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 108. 16) Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 10. 17) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 35; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (Hypo-Vereinsbank), ZIP 2003, 290, 292 – zur Vorbefassung bei einem Verschmelzungswertgutachten. 18) Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 13 – unter Hinweis auf das durch das BilMoG weggefallene Streitbeteiligungsverfahren nach § 324 HGB a. F. 19) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 313 Rz. 22; Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 30.
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§ 314
Prüfung durch den Aufsichtsrat
schränkenden Charakter haben und nicht die Grenzen zur Einschränkung verwischen.20) Je nach Inhalt des Abhängigkeitsberichts bestimmt sich der konkrete Wortlaut des Vermerks nach § 313 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3. Bei einem Negativbericht des Vorstands (vgl. § 312 Rz. 4) ist die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben zu bestätigen. c)
Einschränkung oder Versagung
11 Bei Einwendungen oder Unvollständigkeiten des Abhängigkeitsberichts ist der Bestätigungsvermerk einzuschränken oder zu versagen (§ 313 Abs. 4 Satz 1). Erster Fall erfordert aber die Abgrenzbarkeit der beanstandeten von den unbeanstandeten Vorgängen oder Berichtsteilen. Ansonsten ist der Bestätigungsvermerk insgesamt zu versagen.21) Die Versagung erfordert nach zutreffender Ansicht auch einen ausdrücklichen Vermerk (Versagungsvermerk), der unmissverständlich die Versagung zum Ausdruck bringt.22) Der Vermerk ist in diesem Fall mit einer Begründung zu versehen. Die negative Schlusserklärung des Vorstands nach § 313 Abs. 4 Satz 2 ist mangels Einschränkung im engeren Sinne ein besonderer Fall des Vermerks mit der Folge des § 315 Satz 1 Nr. 3 und im Vermerk des Abschlussprüfers anzugeben. _____________ 20) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 110; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 313 Rz. 41; Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 32. 21) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 313 Rz. 25. 22) Emmerich/Habersack-Habersack, § 313 AktG Rz. 34 – entsprechende Anwendung von § 322 Abs. 4 und 5 HGB; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 313 Rz. 99; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 313 Rz. 26; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 313 Rz. 23; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 313 Rz. 39; Hüffer, AktG, § 313 Rz. 21.
§ 314 Prüfung durch den Aufsichtsrat (1) 1Der Vorstand hat den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen unverzüglich nach dessen Aufstellung dem Aufsichtsrat vorzulegen. 2Dieser Bericht und, wenn der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen ist, der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers sind auch jedem Aufsichtsratsmitglied oder, wenn der Aufsichtsrat dies beschlossen hat, den Mitgliedern eines Ausschusses zu übermitteln. (2) 1Der Aufsichtsrat hat den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu prüfen und in seinem Bericht an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2) über das Ergebnis der Prüfung zu berichten. 2Ist der Jahresabschluß durch einen Abschlußprüfer zu prüfen, so hat der Aufsichtsrat in diesem Bericht ferner zu dem Ergebnis der Prüfung des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen durch den Abschlußprüfer Stellung zu nehmen. 3Ein von dem Abschlußprüfer erteilter Bestätigungsvermerk ist in den Bericht aufzunehmen, eine Versagung des Bestätigungsvermerks ausdrücklich mitzuteilen. (3) Am Schluß des Berichts hat der Aufsichtsrat zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstands am Schluß des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erheben sind. (4) Ist der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen, so hat dieser an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses über den Bericht über die
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§ 314
Prüfung durch den Aufsichtsrat
Beziehungen zu verbundenen Unternehmen teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten. Literatur: Lutter, Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, AG 2008, 1; Velte, Die Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch den Aufsichtsrat und Abschlussprüfer sowie ihre Berichterstattung – Ergebnisse einer empirischen Befragung, Der Konzern 2010, 49; Vetter, Interessenkonflikte im Konzern – vergleichende Betrachtungen zum faktischen Konzern und zum Vertragskonzern, ZHR 171 (2007), 342.
Übersicht I. Grundlagen ........................................ 1 II. Prüfungsverfahren ............................ 2 1. Vorlage an den Aufsichtsrat .............. 2 I.
2. Gegenstand der Prüfung .................... 3 3. Berichtspflicht und Schlusserklärung ............................................. 4
Grundlagen
§ 314 regelt die Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch den Aufsichtsrat und ist den 1 §§ 170, 171 nachgebildet. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Aufsichtsrat vom Abhängigkeitsbericht und dem Bericht des Abschlussprüfers Kenntnis erlangt, der Abhängigkeitsbericht dadurch vollständig und richtig erstattet wird und über den Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 begrenzte Publizität erlangt.1) Mit der Prüfungspflicht will der Gesetzgeber insbesondere die Repräsentanten des herrschenden Unternehmens im Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft in die Verantwortung nehmen.2) II.
Prüfungsverfahren
1.
Vorlage an den Aufsichtsrat
Der Abhängigkeitsbericht ist unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 2 BGB) vorzulegen. Ein 2 Abwarten bis zur Beendigung der Abschlussprüfung ist nicht zulässig.3) Die Vorlage des Berichts sowie seine Erstellung fallen in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands und erfordern daher einen entsprechenden Beschluss. In der Praxis erfolgt die Vorlage zumeist an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats zusammen mit dem Jahresabschluss, Lagebericht und Gewinnverwendungsvorschlag, der die Unterlagen dann an die einzelnen Mitglieder weiterleitet. Für die Prüfung des Abhängigkeitsberichts und des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers ist der Gesamtaufsichtsrat zuständig. Ein Ausschuss kann damit nicht abschließend betraut werden, jedoch diese Prüfung vorbereiten.4) Auch in diesem Fall haben sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats in entsprechender Anwendung von § 170 Abs. 3 Satz 1 ein Einsichtsrecht.5) Für die Übermittlung an die einzelnen Aufsichtsrats- bzw. Ausschussmitglieder reicht die elektronische Form. Der Abschlussprüfer hat zwingend an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses über den Abhängigkeitsbericht teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten (§ 314 Abs. 4). Ist ein Verstoß hiergegen dem Aufsichtsrat zurechenbar, kann dies zur
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 314 Rz. 1 ff. Emmerich/Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 2. Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 314 Rz. 3; Emmerich/Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 4.; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 314 Rz. 12. Emmerich/Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 6, 11. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 314 Rz. 16; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 314 Rz. 6; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 7 – Redaktionsversehen.
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§ 314
Prüfung durch den Aufsichtsrat
Unwirksamkeit des Beschlusses des Aufsichtsrats über dessen Stellungnahme zum Abhängigkeitsbericht und seiner Prüfung führen.6) 2.
Gegenstand der Prüfung
3 Der Aufsichtsrat hat den Abhängigkeitsbericht auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen, muss hierfür jedoch keine eigenen Recherchen vornehmen.7) Ausreichend ist, wenn die Aufsichtsratsmitglieder den Abhängigkeitsbericht unter Zugrundelegung des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers und ihrer eigenen Kenntnisse, Informationen und Erfahrungen einer sorgfältigen Würdigung unterziehen,8) was in der Praxis aber offenbar nicht immer geschieht.9) Im Falle von Beanstandungen kann jedoch eine weitergehende Prüfung notwendig sein. Zur Sicherstellung einer effektiven Prüfung haben die Repräsentanten des herrschenden Unternehmens ihr etwaiges Sonderwissen bei der Prüfung im Interesse der abhängigen Gesellschaft zu nutzen. 3.
Berichtspflicht und Schlusserklärung
4 Der Aufsichtsrat hat in seinem Bericht nach § 171 Abs. 2 über das Ergebnis seiner Prüfung des Abhängigkeitsberichts zu berichten und dabei auch zur Prüfung des Abschlussprüfers durch den Aufsichtsrat Stellung zu nehmen.10) Über §§ 171 Abs. 3, 175 Abs. 2 kommt dem Abhängigkeitsbericht damit eingeschränkte Publizität zu. Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers ist wörtlich im Bericht des Aufsichtsrats wiederzugeben, die Versagung dort ausdrücklich mitzuteilen.11) Bei Fehlen eines Abhängigkeitsberichts trotz Aufstellungspflicht ist auch hierüber zu berichten.12) Am Ende seines Berichts hat der Aufsichtsrat zur Schlusserklärung des Vorstands Stellung zu nehmen und sich hierbei möglichst am Wortlaut von § 314 Abs. 3 zu orientieren (vgl. auch § 315 Satz 1 Nr. 2). Geringfügige Beanstandungen führen noch nicht zu einer einschränkenden Schlusserklärung des Aufsichtsrats.13) Berichtsmängel, insbesondere die nicht wörtliche Wiedergabe des Bestätigungsvermerks, können Schadensersatzansprüche (§ 318 Abs. 3) und die Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses zur Folge haben.14)
_____________ 6) Emmerich/Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 10, 11; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 314 Rz. 7. 7) Emmerich/Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 12; vgl. Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 364, mit Hinweis auf die geringe Wertschätzung des Abhängigkeitsberichts innerhalb des Aufsichtsrats. 8) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 112; Emmerich/Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 12; dazu auch Velte, Der Konzern 2010, 49, 55 ff – Im Aufsatz zit. Studie zeigt, dass Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch den Aufsichtsrat in der Praxis noch Unzulänglichkeiten aufweist; Empfehlung: hohe Berichtsstandards im Aufsichtsratsbericht, wo ausdrücklich auch zur Prüfung des Abschlussprüfers durch den Aufsichtsrat Stellung zu nehmen ist. 9) Vgl. Velte, Der Konzern 2010, 49 ff. 10) LG Berlin, Urt. v. 13.12.2004 – 101 O 124/04, DB 2005, 1320 f; abweichend OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2012 – I-6 U 18/12, Der Konzern 2013, 44, 51 ff. 11) BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 (Macrotron), ZIP 2003, 387, 389; OLG Dresden, Urt. v. 23.4.2003 – 18 U 1976/02, AG 2003, 433, 436; LG München I, Urt. v. 29.9.2005 – 5HK O 13412/05, AG 2006, 170; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 314 Rz. 11. 12) Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 314 Rz. 26; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 314 Rz. 11. 13) Emmerich/Habersack-Habersack, § 314 AktG Rz. 16. 14) Vgl. BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 (Macrotron), ZIP 2003, 387, 388 f.; LG München I, Urt. v. 31.8.2008 – 5 HK O 15082/07, Der Konzern 2008, 295 ff., Rz. 101; OLG Stuttgart, Urt. v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1985; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 314 Rz. 13; Lutter, AG 2008, 1, 8; a. A. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 314 Rz. 21.
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§ 315
Sonderprüfung
§ 315 Sonderprüfung 1
Auf Antrag eines Aktionärs hat das Gericht Sonderprüfer zur Prüfung der geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu dem herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen zu bestellen, wenn 1. der Abschlußprüfer den Bestätigungsvermerk zum Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen eingeschränkt oder versagt hat,
2. der Aufsichtsrat erklärt hat, daß Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstands am Schluß des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erheben sind, 3. der Vorstand selbst erklärt hat, daß die Gesellschaft durch bestimmte Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen benachteiligt worden ist, ohne daß die Nachteile ausgeglichen worden sind. 2
Liegen sonstige Tatsachen vor, die den Verdacht einer pflichtwidrigen Nachteilszufügung rechtfertigen, kann der Antrag auch von Aktionären gestellt werden, deren Anteile zusammen den Schwellenwert des § 142 Abs. 2 erreichen, wenn sie glaubhaft machen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tage der Antragstellung Inhaber der Aktien sind. 3Über den Antrag entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. 4§ 142 Abs. 8 gilt entsprechend. 5Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. 6Hat die Hauptversammlung zur Prüfung derselben Vorgänge Sonderprüfer bestellt, so kann jeder Aktionär den Antrag nach § 142 Abs. 4 stellen. Literatur: Noack, Die konzernrechtliche Sonderprüfung nach § 315 AktG, WPg 1994, 225; Schneider, Die aktienrechtliche Sonderprüfung im Konzern, AG 2008, 305; Weinbrenner, Moderne Kommunikationsmittel und Konzerncontrolling im faktischen Konzern – zugleich ein Beitrag zur Verbesserung des Rechtsschutzes für Außenseiter, Der Konzern 2006, 583.
Übersicht I. Grundlagen ........................................ 1 II. Sonderprüfung ohne Quorum ........ 2 1. Antrag ................................................. 2 2. Prüfungsanlässe .................................. 3 III. Sonderprüfung mit Quorum ........... 4 1. Verfahrensvoraussetzungen ............... 4 I.
2. Verdachtsmomente ............................ IV. Durchführung der Sonderprüfung ............................................... 1. Gerichtliches Verfahren ..................... 2. Bestellung eines anderen Prüfers ....... 3. Prüfungsbericht ..................................
5 6 6 7 8
Grundlagen
§ 315 regelt die Prüfung der geschäftlichen Beziehungen der abhängigen Gesellschaft zum 1 herrschenden Unternehmen oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen durch einen unabhängigen und gerichtlich bestellten Sonderprüfer. Damit soll es den außenstehenden Aktionären durch Verbesserung ihrer Beweislage erleichtert werden, ihre Ansprüche nach den §§ 317, 318 durchzusetzen.1) Die konzernrechtliche Sonderprüfung nach § 315 ist ein besonderer Fall der allgemeinen Sonderprüfung nach den §§ 142 ff.2) Soweit § 315 für die konzernrechtliche Sonderprüfung keine besonderen Regelungen enthält, sind daher _____________ 1) 2)
BGH, Beschl. v. 17.3.1997 – II ZB 3/96 (VW), BGHZ 135, 107 f, 111; Schneider, AG 2008, 305, 309; Noack, WPg 1994, 225. OLG Hamm, Beschl. v. 29.06.2000 – 15 W 69/00, ZIP 2000, 1299; Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 3.
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§ 315
Sonderprüfung
die Bestimmungen der §§ 142 ff. ergänzend anwendbar. Die allgemeine Sonderprüfung ist neben der konzernrechtlichen Sonderprüfung nach § 315 statthaft, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen von § 315 vorliegen oder nicht. Im Gegensatz zur allgemeinen Sonderprüfung bedarf es jedoch unter den freilich engen Voraussetzungen des § 315 Satz 1 keines vorhergehenden Hauptversammlungsbeschlusses zur Durchführung der Sonderprüfung. Große Praxisrelevanz kommt der Vorschrift aber dennoch nicht zu.3) II.
Sonderprüfung ohne Quorum
1.
Antrag
2 Unter den Voraussetzungen von § 315 Satz 1 kann jeder Aktionär bei Gericht eine Sonderprüfung beantragen. Eines besonderen Quorums oder eines vorangehenden Beschlusses der Hauptversammlung bedarf es ebenfalls nicht. Der Antrag kann von jedem Aktionär gestellt werden. Einer Mindestbesitzzeit bedarf es nicht.4) Der Besitz einer Aktie ist ausreichend. Die Vorlage einer Depotbescheinigung zum Nachweis der Aktionärseigenschaft genügt. Der Antragsteller muss jedoch bis zum Schluss des Verfahrens Aktionär sein, um seine Antragsbefugnis nicht zu verlieren.5) Die Gläubiger der Gesellschaft haben kein eigenes Antragsrecht.6) 2.
Prüfungsanlässe
3 Die Antragsberechtigung nach § 315 Satz 1 knüpft an strenge formale Kriterien. Erforderlich ist, dass der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk zum Abhängigkeitsbericht nach § 313 Abs. 4 Satz 1 einschränkt oder versagt (§ 315 Satz 1 Nr. 1), der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung eine negative Schlusserklärung nach § 314 Abs. 3 abgibt (§ 315 Satz 1 Nr. 2) oder der Vorstand im Abhängigkeitsbericht eine negative Schlusserklärung nach § 312 Abs. 3 abgibt (§ 315 Satz 1 Nr. 3). Die materielle Rechtmäßigkeit dieser Erklärungen hat das Gericht jedoch nicht zu prüfen.7) Wird nach § 323 Abs. 3 HGB der Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss aufgrund des pflichtwidrigen Fehlens eines Abhängigkeitsberichts eingeschränkt, gilt § 315 Satz 1 Nr. 1 entsprechend und unabhängig davon, ob ein entsprechender Versagungsvermerk nach § 313 Abs. 4 erteilt wurde.8) III.
Sonderprüfung mit Quorum
1.
Verfahrensvoraussetzungen
4 Nach § 315 Satz 2 kann eine Sonderprüfung auch aufgrund des Vorliegens sonstiger Verdachtstatsachen beantragt werden. Den Antrag kann eine qualifizierte Minderheit stellen, die mit mindestens 1 % oder einem anteiligen Betrag von 100.000 € am Grundkapital beteiligt ist. Stimmrechtslose Vorzugsaktien und Aktien, die aus anderen Gründen vom Stimmrecht ausgeschlossen sind (z. B. nach § 28 WpHG, § 59 WpÜG, §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 8, 71b, 134, 135) sind bei der Bestimmung dieser Schwellenwerte mit zu berücksich_____________ 3) 4) 5) 6)
7) 8)
Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 315 Rz. 1; Noack, WPg 1994, 226. Ganz h. M., vgl. statt vieler Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 315 Rz. 9. Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 315 Rz. 3; Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 12. H. M. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 315 Rz. 10; Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 315 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 315 Rz. 2; krit. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 315 Rz. 7; Weinbrenner, Der Konzern 2006, 583, 591 f. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 315 Rz. 11; Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 5; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 315 Rz. 5. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 312 Rz. 69 und § 315 Rz. 13, 15; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 315 Rz. 5.
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Sonderprüfung
tigen.9) Die Mindestbesitzzeit von drei Monaten kann etwa durch Depotbescheinigung, Hinterlegung oder in entsprechender Anwendung von § 258 Abs. 2 Satz 5 durch eidesstattliche Versicherung vor einem Notar glaubhaft gemacht werden. Für die Berechnung der Drei-Monats-Frist gelten die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB (Rückwärtsrechnung). Die Antragsteller müssen in entsprechender Anwendung von § 142 Abs. 2 Satz 2 die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten, um ihre Antragsbefugnis nicht zu verlieren.10) 2.
Verdachtsmomente
In materieller Hinsicht müssen Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer pflicht- 5 widrigen Nachteilszufügung rechtfertigen. § 315 Satz 2 ist § 142 Abs. 2 Satz 1 nachgebildet und nach dortigem Verständnis zu interpretieren.11) Die pflichtwidrige Nachteilszufügung nimmt Bezug auf § 311 und meint eine ausgleichspflichtige, aber nicht ausgeglichene Maßnahme mit nachteiligem Charakter.12) Erforderlich, aber auch ausreichend ist der Vortrag diesbezüglicher Verdachtstatsachen. Eine Glaubhaftmachung oder Beweisführung ist nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr die freie Überzeugung des Gerichts von den Verdachtsmomenten, ggf. nach vorheriger Amtsermittlung nach § 26 FamFG. Als Verdachtstatsachen kommen alle über § 315 Satz 1 Nr. 1 bis 3 hinausgehenden Umstände in Betracht, an deren Vorliegen jedoch hohe Anforderungen zu stellen sind.13) Kein hinreichender Verdacht einer pflichtwidrigen liegt vor, wenn die betroffene Maßnahme zwar bei unklarer Rechtslage, aber noch i R. des unternehmerischen Ermessensspielraums vorgenommen wurde oder wenn nur eine abstrakte Gefährdung vorgetragen wird.14) IV.
Durchführung der Sonderprüfung
1.
Gerichtliches Verfahren
Der grundsätzlich nicht fristgebundene Antrag ist in zeitlicher Hinsicht begrenzt durch 6 die Verjährung der Ersatzansprüche nach §§ 317, 318.15) Der Antrag auf Sonderprüfung ist beim LG am Gesellschaftssitz zu stellen (§ 315 Satz 3). Eine Zuständigkeitskonzentration ist zulässig (§ 71 Abs. 4 GVG). Die funktionale Zuständigkeit liegt bei der Kammer für Handelssachen (§§ 71 Abs. 2 Nr. 4b, 95 Abs. 2 Nr. 1 GVG). Das Verfahren bestimmt sich nach dem FamFG (§ 315 Satz 4 i. V. m. § 142 Abs. 8). Das Gericht entscheidet durch begründenden Beschluss, wogegen unter Einhaltung einer Frist von einem Monat die Beschwerde zulässig ist (§ 315 Satz 5 i. V. m. § 63 FamFG). Die Auswahl des oder der Sonderprüfer erfolgt durch das Gericht, wobei die Prüfer namentlich zu bezeichnen sind. Vor seiner Entscheidung hat das Gericht die Antragsteller und den Vorstand und Aufsichtsrat anzuhören.16) _____________ 9) Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 11; Hüffer, AktG, § 315 Rz. 3b. 10) Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 12; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 315 Rz. 20; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 315 Rz. 6. 11) Hüffer, AktG, § 315 Rz. 3c; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 315 Rz. 7. 12) Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 10; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 315 Rz. 17; abw. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 315 Rz. 6; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 315 Rz. 6, wonach der Vortrag einer Veranlassung zu einer nachteiligen Maßnahme ausreicht. 13) Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.6.2010 – 8 W 391/08, GWR 2010, 346 m. Anm. Rothley. 14) OLG München, Beschl. v. 8.6.2011 – 31 Wx 81/10, AG 2011, 720, 721 = ZIP 2011, 1364, dazu EWiR 2011, 691 (Theusinger/Schilha). 15) Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 8; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 315 Rz. 8; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 315 Rz. 8. 16) Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 14; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 315 Rz. 21; einschränkend Würdinger in: GroßKomm-AktG, § 315 Rz. 3.
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§ 316 2.
Kein Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen Bestellung eines anderen Prüfers
7 Der Hauptversammlung bleibt es unbenommen, einen Sonderprüfer nach § 142 Abs. 1 zu bestellen. Es besteht hier aber die Gefahr, dass das herrschende Unternehmen einen ihm geneigten Sonderprüfer auswählt. Jeder außenstehende Aktionär hat deshalb ungeachtet eines bestimmten Quorums nach § 142 Abs. 4 das Recht, unter den dortigen Voraussetzungen die Bestellung eines anderen Sonderprüfers zu beantragen (§ 315 Satz 6). Durch Auslegung ist in diesem Fall zu ermitteln, ob es nur um einen Prüferwechsel oder auch um eine Erweiterung des Prüfungsgegenstandes geht. Letzteres kommt nach zutreffender Ansicht nur unter Beachtung der in § 315 Satz 2 bestimmten Quoren in Betracht.17) 3.
Prüfungsbericht
8 Die Prüfung erstreckt sich auf sämtliche Beziehungen der abhängigen Gesellschaft zu den vom Gericht bestimmten Verbundunternehmen und umfasst sämtliche Umstände, aus denen sich ein Verstoß gegen § 311 ergeben könnte.18) Innerhalb dieser Grenzen ist auch der Abhängigkeitsbericht auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen.19) Ob der Sonderprüfer hierfür ein über § 145 Abs. 3 hinausgehendes konzernweites Einsichtsrecht hat, ist umstritten und wohl nur für Ausnahmefälle zu bejahen.20) Über das Ergebnis hat der Sonderprüfer schriftlich zu berichten. Inhalt und Formalien des Berichts richten sich nach § 145 Abs. 6. Nur unter den Voraussetzungen von § 145 Abs. 4 sind damit nachteilige Umstände nicht aufzunehmen. Nach unverzüglicher Zuleitung des Berichts an den Vorstand hat dieser den Bericht zum Handelsregister einzureichen und dessen Vorlage auf die Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung zu setzen. _____________ 17) Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 22 (dort Fn. 52); Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 315 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 315 Rz. 30f.; a. A. Altmeppen in: MünchKommAktG, § 315 Rz. 38. 18) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 119. 19) Emmerich/Habersack-Habersack, § 315 AktG Rz. 17; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 315 Rz. 11. 20) Befürwortend Schneider, AG 2008, 305, 310.
§ 316 Kein Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen bei Gewinnabführungsvertrag §§ 312 bis 315 gelten nicht, wenn zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Übersicht I. Grundlagen ....................................... 1 II. Befreiungsvoraussetzungen ............ 2 1. Gewinnabführungsvertrag ................ 2 I.
2. Zeitliche Anknüpfung ........................ 3 III. Rechtsfolgen ...................................... 5
Grundlagen
1 § 316 erklärt die §§ 312 – 315 im seltenen Fall eines isolierten Gewinnabführungsvertrages zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen für unanwendbar. Der Gesetzgeber hielt die außenstehenden Aktionäre und die Gläubiger
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Kein Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen
§ 316
der Gesellschaft durch die §§ 300 ff. für hinreichend geschützt.1) Die §§ 311, 317 bleiben aber auch in diesem Fall anwendbar.2) II.
Befreiungsvoraussetzungen
1.
Gewinnabführungsvertrag
Befreiungsvoraussetzung ist das Bestehen eines im Handelsregister eingetragenen Gewinn- 2 abführungsvertrages i. S. von § 291 Abs. 1 Satz 1. Unter Anwendung der Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft reicht auch ein mangelhafter, aber durchgeführter Vertrag.3) Das Bestehen anderer Unternehmensverträge i. S. von § 292 oder eines Verlustübernahmevertrags reicht nicht aus. § 316 findet hierauf auch keine analoge Anwendung.4) 2.
Zeitliche Anknüpfung
In zeitlicher Hinsicht entfällt die Anwendbarkeit der §§ 312 – 315 und damit die Pflicht 3 zur Aufstellung und Prüfung eines Abhängigkeitsberichts für das gesamte Geschäftsjahr, falls der Gewinnabführungsvertrag bis zum Ende dieses Geschäftsjahres in das Handelsregister eingetragen wurde.5) Dies gilt nach zutreffender Ansicht auch für den Fall, dass der Gewinnabführungsvertrag Rückwirkung für das vergangene Geschäftsjahr hat.6) Gläubiger und außenstehende Aktionäre sind in diesen Fällen bereits durch die §§ 300 ff. ausreichend geschützt. Bei unterjähriger Vertragsbeendigung sind die §§ 312–315 ex nunc anwendbar mit der 4 Folge, dass über die im verbleibenden Geschäftsjahr vorgenommenen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen ein Abhängigkeitsbericht zu erstellen ist. Zur eindeutigen Abgrenzung ist in diesem Fall ohnehin ein Rumpfgeschäftsjahr auf den Stichtag des Vertragsendes zu bilden, für das dann ein Abhängigkeitsbericht zu erstellen ist.7) Für dieses Rumpfgeschäftsjahr gelten dann die §§ 312 – 315 uneingeschränkt. III.
Rechtsfolgen
Neben der ausdrücklichen Unanwendbarkeit der §§ 312 – 315 findet auch § 318 keine An- 5 wendung, da dieser einen Abhängigkeitsbericht nach § 312 voraussetzt.8) Nach h. M. sind jedoch § 315 Satz 2 und Satz 6 aus Gründen des Minderheitenschutzes gleichwohl anwendbar, da sie nicht an das Vorliegen eines Abhängigkeitsberichts anknüpfen. Eine
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
7) 8)
Begr. RegE in: Kropff, S. 418; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 3. Zur rechtspolitischen Kritik vgl. Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 316 Rz. 1; Emmerich/HabersackHabersack, § 316 AktG Rz. 10; diese Kritik jedoch abl. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 5. Emmerich/Habersack-Habersack, § 316 AktG Rz. 2; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 7. Ganz h. M., Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 8 m. w. N. – auch im Falle der EinPersonen-Gesellschaft. Emmerich/Habersack-Habersack, § 316 AktG Rz. 5; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 11 ff.; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 316 Rz. 5. Emmerich/Habersack-Habersack, § 316 AktG Rz. 5; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 316 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 316 Rz. 4; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 316 Rz. 5; zweifelnd, aber i. E. bejahend Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 12. H. M. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 14; Emmerich/Habersack-Habersack, § 316 AktG Rz. 6; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 316 Rz. 5; a. A. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 316 Rz. 6. Allg. M., Emmerich/Habersack-Habersack, § 316 AktG Rz. 8.
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§ 317
Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens
entsprechende Sonderprüfung ist damit auch bei Bestehen eines isolierten Gewinnabführungsvertrages zulässig.9) Die §§ 311, 317 bleiben jedoch in jedem Fall anwendbar. _____________ 9)
Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 316 Rz. 17 – mit Hinweis auf Redaktionsversehen; Spindler/StilzMüller, AktG, § 316 Rz. 6; Emmerich/Habersack-Habersack, § 316 AktG Rz. 9; a. A. Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 316 Rz. 1; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 316 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 316 Rz. 2.
§ 317 Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter (1) 1Veranlaßt ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, mit der kein Beherrschungsvertrag besteht, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne daß es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich ausgleicht oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt, so ist es der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 2Es ist auch den Aktionären zum Ersatz des ihnen daraus entstehenden Schadens verpflichtet, soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind. (2) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte. (3) Neben dem herrschenden Unternehmen haften als Gesamtschuldner die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, die die Gesellschaft zu dem Rechtsgeschäft oder der Maßnahme veranlaßt haben. (4) § 309 Abs. 3 bis 5 gilt sinngemäß. Literatur: Bernau, Konzernrechtliche Ersatzansprüche als Gegenstand des Klageerzwingungsrechts nach § 147 Abs. 1 S. 1 AktG, AG 2011, 894; Fleischer, Haftung des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern und unternehmerisches Ermessen (§§ 317 II, 93 I AktG – Das UMTS-Urteil des BGH), NZG 2008, 371, Hommelhoff, Gutachten G zum 59. Deutschen Juristentag, 1992; Müller, Die Durchsetzung konzernrechtlicher Ersatzansprüche nach dem UMAG, Der Konzern 2006, 725; Stöcklhuber, Dogmatik der Haftung im faktischen AG-Konzern, Der Konzern 2011, 253; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft (§§ 117, 309, 317 AktG), 2004.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... II. Haftung des herrschenden Unternehmens (§ 317 Abs. 1, 2) ..... 1. Haftungsvoraussetzungen ................. 2. Gläubiger und Schuldner ................... 3. Rechtsfolgen ...................................... I.
1 2 2 4 7
4. Darlegungs- und Beweislast ............... 8 III. Haftung des gesetzlichen Vertreters (§ 317 Abs. 3) ................... 9 IV. Verweis auf § 309 Abs. 4 – 5 (§ 317 Abs. 4) ................................... 10
Grundlagen
1 § 317 schützt die abhängige Gesellschaft, deren Gläubiger und außenstehende Aktionäre und begründet eine Schadensersatzhaftung des herrschenden Unternehmens (§ 317 Abs. 1) und dessen gesetzlicher Vertreter (§ 317 Abs. 3) für Verstöße gegen § 311, damit für nicht
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Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens
§ 317
ordnungsgemäß ausgeglichene nachteilige Rechtsgeschäfte und Maßnahmen.1) Die praktische Relevanz der Vorschrift ist jedoch gering.2) II.
Haftung des herrschenden Unternehmens (§ 317 Abs. 1, 2)
1.
Haftungsvoraussetzungen
Die Haftung nach § 317 Abs. 1 deckt sich tatbestandlich in vollem Umfang mit § 311. 2 Das herrschende Unternehmen muss daher die abhängige Gesellschaft zu einem Rechtsgeschäft oder einer sonstigen Maßnahme veranlasst haben, deren Nachteile entgegen § 311 Abs. 2 nicht ausgeglichen worden sind.3) Wegen der Möglichkeit zum zeitlich gestreckten Nachteilsausgleich kann die Rechtswidrigkeit der Veranlassung grundsätzlich erst mit Ablauf des Geschäftsjahres begründet sein, in das der ausgleichspflichtige, aber nicht ausgeglichene Vorgang fällt.4) Fehlt es dagegen schon an einer dem Grunde nach zulässigen Einflussnahme, etwa weil ein Einzelausgleich nicht möglich ist, das herrschende Unternehmen erkennbar nicht gewillt ist einen Ausgleich vorzunehmen oder die Veranlassung nicht im Konzerninteresse liegt, ist bereits mit Eintritt dieses Umstandes die Rechtswidrigkeit begründet.5) Der Schadensersatzanspruch kann in diesen Fällen schon vor Ablauf des relevanten Geschäftsjahres geltend gemacht werden.6) Ein Verschulden ist nach h. M. für eine Schadensersatzhaftung nach § 317 nicht erforderlich (siehe auch oben § 311 Rz. 33).7) Nach § 317 Abs. 2 ist die Haftung ausgeschlossen, wenn auch ein ordentlicher und ge- 3 wissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft den veranlassten Vorgang vorgenommen hätte. In diesem Fall liegt bereits kein abhängigkeitsbedingter Nachteil i. S. von § 311 vor.8) Aufgrund des objektiven Haftungsmaßstabs begründet § 317 Abs. 2 auch keine Exkulpationsmöglichkeit.9) Das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter können sich jedoch auf die Business Judgement Rule nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 93 Abs. 1 Satz 2) berufen.10) Der hieraus folgende Ermessenspielraum ist aber dann verlassen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen pflichtwidrig ist.11) _____________ 1) Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 2; vgl. auch Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 6 – für weitergehende Verknüpfung der §§ 311, § 317. 2) Hommelhoff, GutachtenG, S. 67; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 317 Rz. 2. 3) Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 317 Rz. 4; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 4; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 14. 4) Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 9; offengelassen Krieger in: MünchnerHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 122; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 317 Rz. 6; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 317 Rz. 5; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 22; Voigt, S. 309 ff. 5) OLG Köln, Urt. v. 15.1.2009 – 18 U 205/07 (Strabag), ZIP 2009, 1469, 1471 f., nrkr. 6) Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 10; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 317 Rz. 6. 7) BGH, Urt. v. 1.3.1999 – II ZR 312/97, ZIP 1999, 708, 711; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 5; Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 317 Rz. 4; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 317 Rz. 4; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 317 Rz. 11; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 317 Rz. 7; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 30; a. A. Stöcklhuber, Der Konzern 2011, 253, 255 ff. – Verschuldenshaftung für fehlerhafte Fremdgeschäftsführung. 8) BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 17/12, ZIP 2013, 358, 361 (Verschiebung des Gewinnbezugsrechts bei Verschmelzung); BGH, Urt. v. 3.3.2008 – II ZR 124/06 (Telekom/UMTS), ZIP 2008, 785, 785;. 9) BGH, Urt. v. 1.3.1999 – II ZR 312/97, ZIP 1999, 708, 711; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 7. 10) Fleischer, NZG 2008, 371, 373. 11) BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), AG 2011, 548, 551 = ZIP 2011, 1306.
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§ 317 2.
Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens Gläubiger und Schuldner
4 Gläubiger des Schadensersatzanspruchs ist die abhängige Gesellschaft (§ 317 Abs. 1 Satz 1). Obgleich dies oft an Interessenkonflikten scheitern wird, ist der Vorstand grundsätzlich verpflichtet, den Anspruch geltend zu machen. Der Aufsichtsrat hat dies zu überwachen. Der Anspruch kann daneben auch von den Gläubigern und Aktionären geltend gemacht werden (§ 317 Abs. 4 i. V. m. § 309 Abs. 4). 5 Nach § 317 Abs. 1 Satz 2 haben die Aktionäre einen eigenen Schadensersatzanspruch, soweit ihr unmittelbarer Schaden den Schaden der Gesellschaft übersteigt. Die Vorschrift ist § 117 Abs. 1 Satz 2 nachgezeichnet und entsprechend zu interpretieren.12) Ein solcher unmittelbarer Eigenschaden muss jedoch in Zusammenhang mit der Mitgliedschaft stehen und über die rein reflexartige Minderung des Aktienwerts hinausgehen.13) Ein solcher Schaden kann etwa bei einer Dividendenverkürzung oder einer veranlassten Überbewertung von Sacheinlagen i. V. m. einem Bezugsrechtsausschluss entstehen.14) Ein Kursverlust als solcher fällt zwar als reiner Reflexschaden nicht hierunter.15) Dies kann allerdings bei einem überstürzten Verkauf der Aktien unter Wert aufgrund irreführender Veröffentlichungen des Vorstands anders zu beurteilen sein.16) Der Grundrechtsschutz der Aktionäre gebietet es nicht, dass grundsätzlich ausgleichsfähige Nachteile, die nicht innerhalb der Frist des § 311 ausgeglichen werden, für rechtswidrig erklärt werden.17) 6 Schuldner des Anspruchs ist das herrschende Unternehmen. Mehrere herrschende Unternehmen haften als Gesamtschuldner bei koordinierter Interessenausübung und daraus folgender Einflussnahme. Bei mehrstufiger Abhängigkeit kommt es darauf an, wem die Veranlassung zuzurechnen ist. Maßgebend ist hierfür die Sicht der abhängigen Gesellschaft. 3.
Rechtsfolgen
7 Höhe und Inhalt des Schadensersatzanspruchs nach § 317 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 richten sich nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB. Ist Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) nicht möglich (z. B. durch Rückabwicklung der veranlassten Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen), ist Schadensersatz in Geld zu leisten (§ 251 Abs. 1 BGB).18) Ergibt sich die Höhe des Schadens nicht ohne Weiteres, kann der Schaden nach § 287 ZPO geschätzt werden. Ist eine Schätzung mangels hierfür ausreichender Anhaltspunkte nicht möglich, wie dies regelmäßig bei einer qualifizierten Nachteilszufügung der Fall sein wird, ist nicht auf die (aufgegebenen) Grundsätze zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern zurück zu greifen (vgl. hierzu § 311 Rz. 2), sondern vielmehr eine Beweislastverschiebung zulasten des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter vorzunehmen.19) Der Schaden ist dabei nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Nachteil und kann diesen über- oder untersteigen. Bleibt jedoch der Schaden aufgrund unvorhersehbarer günstiger Entwicklungen hinter dem Nachteil zurück, bildet der Nachteil _____________ 12) Vgl. zu § 117 BGH, Urt. v. 11.7.1988 – II ZR 243/87 (Kerkerbachbahn), ZIP 1988, 1112, 1115; BGH, Urt. v. 22.6.1992 – II ZR 178/90 (IBH/Scheich Kamel), ZIP 1992, 1464, 1471 f.; BGH, Urt. v. 10.11.1986 – II ZR 140/85, ZIP 1987, 29, 32 f. 13) BGH, Urt. v. 22.6.1992 – II ZR 178/90 (IBH/Scheich Kamel), ZIP 1992, 1464, 1471. 14) Vgl. Bsp. bei Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 13a. 15) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 84. 16) Vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1992 – II ZR 178/90, ZIP 1992, 1464, 1471 f. – zu § 117; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 84. 17) BVerfG, Beschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1460/10, AG 2011, 873, 874 = ZIP 2011, 2094. 18) Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 317 Rz. 11; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 15; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 33. 19) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 34.
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Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens
§ 317
den Mindestschaden.20) Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist unzulässig.21) Bei einer von Vornherein rechtswidrigen Veranlassung (siehe Rz. 2) hat die abhängige Gesellschaft einen entsprechenden Unterlassungsanspruch.22) Diesen Unterlassungsanspruch können auch die Aktionäre, nicht jedoch die Gläubiger, geltend machen. 4.
Darlegungs- und Beweislast
Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 317 Abs. 1 8 trägt der Kläger.23) Zu seinen Gunsten gilt jedoch § 317 Abs. 2, die Veranlassungsvermutung (siehe § 311 Rz. 11) und § 287 ZPO. Das herrschende Unternehmen hat dann den nachteiligen Charakter zu widerlegen oder den ordnungsgemäßen Ausgleich zu beweisen. Für die Aktionäre und Gläubiger gelten neben einer etwaigen Beweislastverschiebung nach Rz. 7 die Erleichterungen nach den allgemeinen Grundsätzen der Substantiierungslast.24) III.
Haftung des gesetzlichen Vertreters (§ 317 Abs. 3)
Nach § 317 Abs. 3 trifft die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens eine 9 gesamtschuldnerische Mithaftung. Hiervon umfasst sind die organschaftlichen Vertreter des Unternehmens, nicht jedoch dessen Prokuristen, sonstige Bevollmächtigte und Aufsichtsratsmitglieder.25) Die gesetzlichen Vertreter haften nur, soweit sie das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme selbst veranlasst haben. Bei mehrköpfigen Organen existiert aber keine Vermutung, dass alle Mitglieder die Maßnahme veranlasst haben.26) Eine mittelbare Veranlassung ist ausreichend. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das verantwortliche Organmitglied die Einflussnahme durch Angestellte des Unternehmens oder, bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen, durch die Organmitglieder oder Angestellten eines zwischengeschalteten Unternehmens duldet oder entsprechende Anweisungen zur Einflussnahme erteilt.27) Die unzureichende Organisation und Überwachung nachgeordneter Stellen als solche begründet nach zutreffender Ansicht aber noch keine Haftung.28) IV.
Verweis auf § 309 Abs. 4 – 5 (§ 317 Abs. 4)
Für einen Verzicht und Vergleich gilt § 309 Abs. 3, für die Geltendmachung der Ersatz- 10 ansprüche durch die Gläubiger und Aktionäre § 309 Abs. 4 und für die Verjährung § 309 Abs. 5 entsprechend (vgl. hierzu im Einzelnen § 309 Rz. 10 ff.). Ein Vorgehen nach den §§ 147, 148 zur Durchsetzung des Anspruchs nach § 317 Abs. 1 Satz 1 wird unter Schutz_____________ 20) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 122; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 317 Rz. 10; HeidelWalchner, § 317 AktG Rz. 8; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 17. 21) Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 17; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 317 Rz. 11. 22) LG Düsseldorf, Urt. v. 6.6.2006 – 32 O 31/06, AG 2006, 892, 893; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 19. 23) BGH, Beschl. v. 25.6.2008 – II ZR 133/07 (Züblin), ZIP 2008, 1872, 1873; LG Bonn, Urt. v. 27.4.2005 – 16 O 13/04, AG 2005, 542, 543; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 21. 24) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 80: Es reicht in diesem Fall der Vortrag von Anhaltspunkten, die die zu beweisenden Tatsachen als naheliegend erscheinen lassen. 25) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 100 ff.; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 317 Rz. 15, vgl. im Übrigen die Kommentare bei § 309 Rz. 2. 26) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 90, der zu Recht fordert, dass dann die einzelnen Vertreter ihre Unzuständigkeit aufgrund der internen Geschäftsverteilung substantiiert darlegen müssen. 27) Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 24. 28) H. M., Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 317 Rz. 96 f.; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 24; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 317 Rz. 16; Bürgers/Körber-Fett, § 317 Rz. 14; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 317 Rz. 44.
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§ 318
Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft
gesichtspunkten auch i. R. des § 317 Abs. 4 nicht durch das Einzelklagerecht verdrängt.29) Dies gilt im Übrigen auch im direkten Anwendungsbereich von § 309 Abs. 4 und bei § 310 Abs. 4 und § 318 Abs. 4.30) _____________ 29) OLG München, Urt. v. 27.08.2008 – 7 U 5678/07 (HVB/Unicredit), ZIP 2008, 1916, 1918; Spindler/StilzMüller, AktG, § 317 Rz. 19; Emmerich/Habersack-Habersack, § 317 AktG Rz. 27; a. A. Hüffer, AktG § 317 Rz. 16; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 317 Rz. 35. 30) Bernau, AG 2011, 894, 900; Müller, Der Konzern 2006, 725, 730.
§ 318 Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft (1) 1Die Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft haften neben den nach § 317 Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, wenn sie es unter Verletzung ihrer Pflichten unterlassen haben, das nachteilige Rechtsgeschäft oder die nachteilige Maßnahme in dem Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzuführen oder anzugeben, daß die Gesellschaft durch das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme benachteiligt wurde und der Nachteil nicht ausgeglichen worden war. 2Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. (2) Die Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft haften neben den nach § 317 Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, wenn sie hinsichtlich des nachteiligen Rechtsgeschäfts oder der nachteiligen Maßnahme ihre Pflicht, den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu prüfen und über das Ergebnis der Prüfung an die Hauptversammlung zu berichten (§ 314), verletzt haben; Absatz 1 Satz 2 gilt sinngemäß. (3) Der Gesellschaft und auch den Aktionären gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. (4) § 309 Abs. 3 bis 5 gilt sinngemäß. Übersicht I. Grundlagen ....................................... 1 II. Haftung des Vorstands (§ 318 Abs. 1) ..................................... 4 1. Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen ...................................... 4 I.
2. Ausschluss der Haftung (§ 318 Abs. 3) ..................................... 7 III. Haftung des Aufsichtsrats (§ 318 Abs. 2) ..................................... 8
Grundlagen
1 § 318 dient dem Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer außenstehenden Aktionäre und Gläubiger und sanktioniert die Verletzung der Pflicht zur Aufstellung und Prüfung des Abhängigkeitsberichts nach den §§ 312, 314 durch die Organe der abhängigen Gesellschaft. Die Vorschrift hat breite Kritik erfahren und wird für überflüssig erachtet, da die vorstehenden Pflichtverletzungen ohne weiteres unter die §§ 93, 116 gefasst werden könnten. § 318 ist vor diesem Hintergrund nicht als lex specialis anzusehen, die §§ 93, 116
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Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft
§ 318
sind vielmehr daneben anwendbar.1) Nur in seinen engen tatbestandlichen Grenzen geht § 318 den §§ 93, 116 vor. Die §§ 93, 116 werden in ihrem Anwendungsbereich jedoch durch § 318 modifiziert, 2 soweit die Verwaltungsmitglieder ihre aus dem Abhängigkeitsverhältnis resultierenden Pflichten verletzen und zugleich das herrschende Unternehmen nach § 317 Abs. 1 haftet.2) In diesem Fall haften die Verwaltungsmitglieder gesamtschuldnerisch mit dem herrschenden Unternehmen auch für unmittelbare Schäden der Aktionäre nach § 317 Abs. 1 Satz 2. Zudem können die Aktionäre und Gläubiger den aus der Verletzung von §§ 93, 116 resultierenden Schaden geltend machen (§ 318 Abs. 4, § 309 Abs. 4). Für den Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre bei Verzicht und Vergleich und 3 das Widerspruchsrecht einer Minderheit gilt § 309 Abs. 3 entsprechend (§ 318 Abs. 4). II.
Haftung des Vorstands (§ 318 Abs. 1)
1.
Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen
Die Haftung des Vorstands erfordert die Erfüllung des Tatbestands nach § 317 und setzt 4 zudem eine Verletzung seiner Berichtspflicht nach § 312 voraus. Erforderlich ist damit, dass das herrschende Unternehmen eine nachteilige Maßnahme oder ein nachteiliges Rechtsgeschäft nicht ordnungsgemäß nach § 311 Abs. 2 ausgeglichen hat und damit gegenüber der abhängigen Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet ist. In diesem Fall haften die Vorstandsmitglieder, wenn sie es im Abhängigkeitsbericht versäumen, auf diese nachteilige Maßnahme als solche, ihren nachteiligen Charakter oder den mangelnden Ausgleich hinzuweisen. Gleiches gilt, falls zu Unrecht kein Abhängigkeitsbericht aufgestellt wurde oder berichtspflichtige Angaben unrichtig dargestellt sind.3) Anders als bei § 317 erfordert die Haftung ein Verschulden. Dies ergibt sich aus § 318 5 Abs. 1 Satz 2. Hiernach tragen die Vorstandsmitglieder die Darlegungs- und Beweislast für fehlendes Verschulden. Die zu beachtende Sorgfalt richtet sich nach § 93. Aufgrund der Gesamtverantwortung des Vorstands für den Abhängigkeitsbericht führt eine vorstandsinterne Kompetenzverteilung nicht per se zur Exkulpation.4) Inhalt und Höhe des Schadensersatzes bestimmen sich nach den §§ 249 ff. BGB. Es ist 6 jedoch nach § 318 nur derjenige Schaden zu ersetzen, der kausal auf die Verletzung der Berichtspflicht zurückzuführen ist. Für die mangelhafte Ausführung der nachteiligen Maßnahme und damit verbundene Pflichtverletzungen bleibt es bei der allgemeinen Haftung nach § 93.5) 2.
Ausschluss der Haftung (§ 318 Abs. 3)
Der Haftungsausschluss nach § 318 Abs. 3 ist den §§ 93 Abs. 4 Satz 1 und 117 Abs. 2 7 Satz 3 nachgebildet. Die Vorschrift ist jedoch praktisch bedeutungslos, da die Berichtsund Prüfungspflichten nach den §§ 312, 314 zwingend sind und nicht durch Beschluss der
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 318 AktG Rz. 2; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 318 Rz. 1, 3; vgl. auch BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), ZIP 2009, 70, 72, Rz. 14. Emmerich/Habersack-Habersack, § 318 AktG Rz. 11; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 318 Rz. 14; Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 318 Rz. 24 f.; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 318 Rz. 11. Emmerich/Habersack-Habersack, § 318 AktG Rz. 5; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 318 Rz. 6; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 130; a. A. noch Würdinger in: GroßKomm-AktG, § 318 Rz. 4. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 318 Rz. 11. Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 318 Rz. 10.
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§ 318
Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Gesellschaft
Hauptversammlung geändert oder aufgehoben werden können. Einen gesetzmäßigen Beschluss i. S. von § 318 Abs. 3 kann es demnach gar nicht geben.6) III.
Haftung des Aufsichtsrats (§ 318 Abs. 2)
8 Die Mitglieder des Aufsichtsrats haften für einen Verstoß gegen ihre Prüfungs- und Berichtspflicht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die im Abhängigkeitsbericht aufgeführten Maßnahmen und Rechtsgeschäfte nicht ordnungsgemäß auf deren Nachteiligkeit hin überprüft werden, im Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 über den Abhängigkeitsbericht unvollständig oder unzutreffend berichtet oder der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers nicht seinem Wortlaut nach aufgenommen wurde oder dort ein Hinweis auf das pflichtwidrige Unterlassen der Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts fehlt.7) Im Übrigen gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Haftung des Vorstands nach § 318 Abs. 1.
_____________ 6) 7)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 318 AktG Rz. 8; Spindler/Stilz-Müller, AktG, § 318 Rz. 9 – wohl Redaktionsversehen. Vgl. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 318 Rz. 10; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 318 Rz. 9.
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Dritter Teil Eingegliederte Gesellschaften § 319 Eingliederung (1) 1Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann die Eingliederung der Gesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland (Hauptgesellschaft) beschließen, wenn sich alle Aktien der Gesellschaft in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden. 2Auf den Beschluß sind die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über Satzungsänderungen nicht anzuwenden. (2) 1Der Beschluß über die Eingliederung wird nur wirksam, wenn die Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft zustimmt. 2Der Beschluß über die Zustimmung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. 3Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. 4Absatz 1 Satz 2 ist anzuwenden. (3) 1Von der Einberufung der Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft an, die über die Zustimmung zur Eingliederung beschließen soll, sind in dem Geschäftsraum dieser Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen 1. der Entwurf des Eingliederungsbeschlusses; 2. die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der beteiligten Gesellschaften für die letzten drei Geschäftsjahre; 3. ein ausführlicher schriftlicher Bericht des Vorstands der zukünftigen Hauptgesellschaft, in dem die Eingliederung rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet wird (Eingliederungsbericht). 2
Auf Verlangen ist jedem Aktionär der zukünftigen Hauptgesellschaft unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der in Satz 1 bezeichneten Unterlagen zu erteilen. 3Die Verpflichtungen nach den Sätzen 1 und 2 entfallen, wenn die in Satz 1 bezeichneten Unterlagen für denselben Zeitraum über die Internetseite der zukünftigen Hauptgesellschaft zugänglich sind. 4In der Hauptversammlung sind diese Unterlagen zugänglich zu machen. 5Jedem Aktionär ist in der Hauptversammlung auf Verlangen Auskunft auch über alle im Zusammenhang mit der Eingliederung wesentlichen Angelegenheiten der einzugliedernden Gesellschaft zu geben. (4) 1Der Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft hat die Eingliederung und die Firma der Hauptgesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Der Anmeldung sind die Niederschriften der Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Anlagen in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (5) 1Bei der Anmeldung nach Absatz 4 hat der Vorstand zu erklären, daß eine Klage gegen die Wirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses nicht oder nicht fristgemäß erhoben oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist; hierüber hat der Vorstand dem Registergericht auch nach der Anmeldung Mitteilung zu machen. 2Liegt die Erklärung nicht vor, so darf die Eingliederung nicht eingetragen werden, es sei denn, daß die klageberechtigten Aktionäre durch notariell beurkundete Verzichtserklärung auf die Klage gegen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses verzichten. (6) 1Der Erklärung nach Absatz 5 Satz 1 steht es gleich, wenn nach Erhebung einer Klage gegen die Wirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses das Gericht auf Oliver Rothley
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§ 319
Eingliederung
Antrag der Gesellschaft, gegen deren Hauptversammlungsbeschluß sich die Klage richtet, durch Beschluß festgestellt hat, daß die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht. 2Auf das Verfahren sind § 247, die §§ 82, 83 Abs. 1 und § 84 der Zivilprozessordnung sowie die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. 3Ein Beschluss nach Satz 1 ergeht, wenn 1. die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, 2. der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 Euro hält oder 3. das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor. 4
Der Beschluß kann in dringenden Fällen ohne mündliche Verhandlung ergehen. Der Beschluss soll spätestens drei Monate nach Antragstellung ergehen; Verzögerungen der Entscheidung sind durch unanfechtbaren Beschluss zu begründen. 6Die vorgebrachten Tatsachen, aufgrund derer der Beschluß nach Satz 3 ergehen kann, sind glaubhaft zu machen. 7Über den Antrag entscheidet ein Senat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. 8Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen; einer Güteverhandlung bedarf es nicht. 9Der Beschluss ist unanfechtbar. 10Erweist sich die Klage als begründet, so ist die Gesellschaft, die den Beschluß erwirkt hat, verpflichtet, dem Antragsgegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus einer auf dem Beschluß beruhenden Eintragung der Eingliederung entstanden ist. 11Nach der Eintragung lassen Mängel des Beschlusses seine Durchführung unberührt; die Beseitigung dieser Wirkung der Eintragung kann auch nicht als Schadenersatz verlangt werden. 5
(7) Mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft wird die Gesellschaft in die Hauptgesellschaft eingegliedert. Literatur: Büchel, Voreilige Eintragung von Verschmelzung oder Formwechsel und die Folgen, ZIP 2006, 2289; Goette, Zu den Folgen der Eintragung eines Squeeze-Out-Beschlusses vor Ablauf der Eintragungsfrist, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, 469; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982; Pfeiffer, Die KGaA im Eingliederungskonzern, Der Konzern 2006, 122; Sonnenschein, Die Eingliederung im mehrstufigen Konzern, BB 1975, 1088; Wartenberg, Die Auslagen von Jahresabschlüssen für das letzte Geschäftsjahr beim Squeeze-Out, AG 2004, 539.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... II. Eingliederungsbeschluss (§ 319 Abs. 1) ..................................... III. Zustimmungsbeschluss (§ 319 Abs. 2) ...................................... 1. Allgemeines ........................................ 2. Mehrheitserfordernisse ..................... IV. Informationspflichten (§ 319 Abs. 3) ..................................... 1. Eingliederungsbericht ........................
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1 4 6 6 8 9 9
2. Auslagepflicht, Zugänglichmachen und Erläuterungspflicht ................... 11 3. Informationsrecht der Aktionäre .... 13 V. Registerverfahren (§ 319 Abs. 7) ... 14 1. Anmeldung (§ 319 Abs. 4) ............... 14 2. Negativerklärung (§ 319 Abs. 5 Satz 1) ........................ 15 3. Registersperre (§ 319 Abs. 5 Satz 2) ........................ 16
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Eingliederung 4. Unbedenklichkeitsverfahren (§ 319 Abs. 6) ................................... 17 I.
5. Eintragung im Handelsregister ....... 18
Grundlagen
§ 319 regelt die Eingliederung einer AG durch ihre Alleinaktionärin. Neben diesem 1 Grundfall der Eingliederung ist in § 320 die Mehrheitseingliederung geregelt, wonach eine mit mindestens 95 % beteiligte Hauptgesellschaft eine AG unter Ausschluss deren Minderheitsaktionäre eingliedern kann. Die Eingliederung als eigener kooperationsrechtlicher Vorgang ist die intensivste Form der Unternehmensverbindung und steht wirtschaftlich betrachtet zwischen Beherrschungsvertrag und Verschmelzung.1) Einerseits erhält die Hauptgesellschaft ein umfassendes Leitungsrecht über die eingegliederte Gesellschaft, das über einen reinen Beherrschungsvertrag hinausgeht und eine vollständige Dispositionsfreiheit über das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft eröffnet.2) Diese wird quasi zur rechtlich selbständigen Betriebsabteilung der Hauptgesellschaft.3) Andererseits bleibt die eingegliederte Gesellschaft im Gegensatz zur Verschmelzung als Rechtssubjekt erhalten und bildet mit der Hauptgesellschaft einen Konzern (§ 18 Abs. 1 Satz 2). Rechtliche Selbständigkeit, Firma, good will und Organpositionen bleiben damit erhalten. Auch kann die Eingliederung wieder beendet werden (§ 327). Teileingliederungen sind jedoch unzulässig.4) Zum Gläubigerschutz ordnet das Gesetz eine gesamtschuldnerische Mithaftung der 2 Hauptgesellschaft für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft (§ 322), Sicherheitsleistung (§ 321) und den Ausgleich eines sonst entstehenden Bilanzverlustes durch die Hauptgesellschaft (§ 324 Abs. 3) an. Die Eingliederung setzt nach h. M. auf beiden Seiten eine AG voraus. Die Eingliederung in eine KGaA ist demnach ausgeschlossen.5) Beide beteiligten Aktiengesellschaften müssen ihren Sitz im Inland haben. Maßgeblich hierfür ist jedoch nur der satzungsmäßige Sitz, nicht jedoch der tatsächliche Verwaltungssitz.6) Eine SE kann eine auf beiden Seiten beteiligte Gesellschaft sein, soweit sie ihren Sitz in Deutschland hat.7) Den Abschluss eines Eingliederungs- oder sonstigen Vertrages zwischen den beteiligten 3 Gesellschaften bedarf es nicht.8) Im Gegensatz zur Mehrheitseingliederung besteht auch keine § 320 Abs. 3 entsprechende Prüfungspflicht. II.
Eingliederungsbeschluss (§ 319 Abs. 1)
Der Grundfall der Eingliederung setzt voraus, dass sich alle Aktien der einzugliedernden 4 Gesellschaft in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden. Die Hauptgesellschaft muss hierfür selbst Eigentümerin aller Aktien sein. § 16 Abs. 4 findet daher keine _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6) 7) 8)
Grunewald in: MünchKomm-AktG, Vor § 319 Rz. 3; Heidel-Jaursch, § 319 AktG Rz. 2; Spindler/ Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 2; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 319 Rz. 1. Vgl. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, Vorb. § 319 Rz. 6. Begr. RegE in: Kropff, S. 429, 431; Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 3; Hüffer, AktG, § 319 Rz. 2; Grunewald in: MünchKomm-AktG, Vor § 319 Rz. 3. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 319 Rz. 4 Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 3; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rn 5; K. Schmidt/ Lutter-Ziemons, AktG, § 319 Rz. 6; Grigloleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 319 Rz. 6; a. A. Emmerich/ Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 6; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 319 Rz. 3; Pfeiffer, Der Konzern 2006, 122, 130. So auch Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 4; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 3. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 6, 10; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 3 OLG München, Urt. v. 17.3.1993 – 7 U 5382/92 (Siemens/SNI), ZIP 1993, 1001, 1003; Spindler/StilzSinghof, AktG, § 319 Rz. 2
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§ 319
Eingliederung
Anwendung.9) Auch eigene Aktien der einzugliedernden Gesellschaft stehen dem entgegen. Noch zur Ausübung ausstehende Aktienoptionen, schuldrechtliche Übertragungsverpflichtungen oder ein Sicherungseigentum hindern die Eingliederung jedoch nicht, da es (nur) auf die formalrechtliche Eigentumsposition ankommt.10) Für den erforderlichen Aktienbestand des Hauptaktionärs kommt es auf den Zeitpunkt des Eingliederungsbeschlusses an.11) Sind zu diesem Zeitpunkt nicht alle Aktien im Besitz der Hauptgesellschaft, ist nach überwiegender Ansicht sowohl der Eingliederungs- als auch der Zustimmungsbeschluss nichtig (§ 241 Nr. 3) und kann ausnahmsweise auch nicht nach § 242 Abs. 2 geheilt werden.12) Dies ist abzulehnen, da weder öffentliche Interessen noch die Interessen der Gläubiger hiervon berührt werden und auch das Wesen der AG unangetastet bleibt. Es verbleibt demnach bei § 243 Abs. 1. 5 Auf den Eingliederungsbeschluss, der seiner Natur nach i. R. einer Vollversammlung i. S. von § 121 Abs. 6 gefasst wird,13) finden die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzungsänderung keine Anwendung (§ 319 Abs. 1 Satz 2). Es gelten daher die allgemeinen Bestimmungen für die Beschlussfassung der Hauptversammlung. Die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ist daher ausreichend (§ 133 Abs. 1), eine notarielle Beurkundung nicht zwingend erforderlich (§ 130 Abs. 1 Satz 3). III.
Zustimmungsbeschluss (§ 319 Abs. 2)
1.
Allgemeines
6 § 319 Abs. 2 ist § 293 Abs. 2 nachgebildet und bestimmt als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Eingliederung die Zustimmung der Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft. Der Zustimmungsbeschluss kann vor oder nach dem Eingliederungsbeschluss nach § 319 Abs. 1 gefasst werden.14) Bis zur Zustimmung ist der Eingliederungsbeschluss schwebend unwirksam. 7 Eingliederungs- und Zustimmungsbeschluss bedürfen keiner sachlichen Rechtfertigung und unterliegen keinen weitergehenden inhaltlichen Anforderungen.15) Mängel des Eingliederungsbeschlusses führen nicht automatisch zur Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses.16) Umstritten ist, ob die Eingliederung einer Gesellschaft in eine bereits eingegliederte Gesellschaft eine Beschlussfassung der Hauptversammlung deren Muttergesellschaft erfordert. Wegen der weitreichenden Haftungsfolgen befürwortet die wohl h. M. zu Recht ein solches Erfordernis und sieht hierin einen sog. Holzmüller-Fall.17) Liegen _____________ 9) Allg. M., vgl. nur Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 8. 10) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 4; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 8 f. 11) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, Vorb. § 319 Rz. 17 – mit Hinweis auf den Gesetzeswortlaut; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 4; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 14; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 8, der auf den Zeitpunkt der Handelsregistereintragung abstellt; differenzierend Grigloleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 319 Rz. 9. 12) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 5; Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 9; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 8; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 14; OLG Hamm, Beschl. v. 8.12.1993 – 15 W 291/93, AG 1994, 376, 378 – zur Mehrheitseingliederung. 13) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 7. 14) Allg. M., OLG München, Urt. v. 17.3.1993 – 7 U 5382/92 (Siemens/SNI), ZIP 1993, 1001, 1003; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 19. 15) Grunewald in: MünchKomm-AktG. § 319 Rz. 19; Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 15; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 9; s. a. § 320 Rz. 4. 16) OLG München, Urt. v. 17.3.1993 – 7 U 5382/92 (Siemens/SNI), ZIP 1993, 1001, 1003; Spindler/StilzSinghof, AktG, § 319 Rz. 9. 17) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 21; Bürgers/Körber-Fett, § 319 Rz. 8; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 16; Hüffer, AktG, § 319 Rz. 7; Heidel-Jaursch, § 319 AktG Rz. 7; Grigloleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 319 Rz. 26; a. A. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 15.
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§ 319
Eingliederung
die hiernach geltenden Voraussetzungen an die Eingriffsintensität vor, ist eine Beschlussfassung erforderlich.18) Ein solcher Beschluss wirkt jedoch nur im Innenverhältnis und lässt die Beschlüsse nach § 319 Abs. 1 und 2 unberührt.19) 2.
Mehrheitserfordernisse
Der Zustimmungsbeschluss bedarf im Gegensatz zum Eingliederungsbeschluss einer 8 qualifizierten Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals der künftigen Hauptgesellschaft, wobei jedoch die Satzung eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen kann. Die Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung über deren Änderungen sind auch hier nicht anwendbar (§ 319 Abs. 2 Satz 4). IV.
Informationspflichten (§ 319 Abs. 3)
1.
Eingliederungsbericht
Der Vorstand der zukünftigen Hauptgesellschaft hat einen ausführlichen schriftlichen 9 Bericht zu erstatten, in dem er die Eingliederung rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet (sog. Eingliederungsbericht; § 319 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3). Die Berichtspflicht fällt zwar in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands. Nach zustimmender Beschlussfassung des Vorstands über den Berichtsentwurf ist jedoch die Unterzeichnung durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl ausreichend.20) Die Schriftform richtet sich nach § 126 BGB. Der Bericht dient den Aktionären der Hauptgesellschaft als entscheidende Informationsgrundlage für die Fassung des Zustimmungsbeschlusses. Die unterlassene oder mangelhafte Berichterstattung führt daher zur Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses.21) Seinem Inhalt nach soll der Bericht den Aktionären der Hauptgesellschaft eine Plausibi- 10 litätskontrolle der Eingliederung ermöglichen. Entsprechend der Grundsätze zur Erstellung von Vertragsberichten zu Unternehmensverträgen (§ 293 a) und von Verschmelzungsberichten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UmwG) sind daher die Vor- und Nachteile der Eingliederung, deren Sinn und Zweck, die damit verbundenen Risiken und Haftungstatbestände, etwaige Alternativen und die Kapitalstrukturen und Ertragsaussichten der einzugliedernden Gesellschaft zu erläutern.22) Aufgrund eines gesetzgeberischen Redaktionsversehens enthält § 319 keine besonderen Regelungen über den Schutz vertraulicher Informationen entsprechend § 293a Abs. 2 bzw. § 8 Abs. 2 UmwG und über einen Verzicht auf die Berichterstattung durch die Aktionäre der Hauptgesellschaft. Die h. M. wendet deshalb zu Recht diese Vorschriften entsprechend an und lässt daneben einen Verzicht durch öffentlich beglaubigte Erklärung zu.23) Aufgrund seines hohen Stellenwerts können Mängel _____________ 18) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 (Holzmüller), ZIP 1982, 434 ff.; BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine I), ZIP 2004, 993 ff.; BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 ff.; vgl. aber auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 7.12.2010 – 5 U 29/10 (Commerzbank/Dresdner Bank), ZIP 2011, 75 ff. 19) H. M., Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 16; a. A. Sonnenschein, BB 1975, 1088, 1091 f. 20) Vgl. BGH, Beschl. v. 21.5.2007 – II ZR 266/04 (Vattenfall/Bewag), AG 2007, 625 Rz. 27 – für Verschmelzungsbericht und h. M. für Übertragungsbericht nach § 327c Abs. 2 Satz 1 (s. dort Rz. 3); HöltersLeuering/Goertz, AktG, § 319 Rz. 15; a. A. Bürgers/Körber-Fett, § 319 Rz. 10; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 11. 21) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 11. 22) Vgl. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 13; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 22; Heidel-Jaursch, 319 Rz. 12; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 319 Rz. 11; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 319 Rz. 13. 23) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 12; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 15; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 20; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 319 Rz. 14.
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§ 319
Eingliederung
des Berichts nicht durch entsprechende Erläuterungen des Vorstands in der Hauptversammlung kompensiert werden.24) 2.
Auslagepflicht, Zugänglichmachen und Erläuterungspflicht
11 Die Pflicht nach § 319 Abs. 3 zur Auslage des Entwurfs des Eingliederungsbeschlusses, der Jahresabschlüsse und Lageberichte der beteiligten Gesellschaften für die letzten drei Geschäftsjahre und des Eingliederungsberichts vor der Hauptversammlung und zur Übersendung kostenloser Abschriften dieser Unterlagen ist im Wesentlichen §§ 293 f. nachgebildet. Maßgebend hierfür ist, welche Jahresabschlüsse im Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung unter Beachtung der handelsrechtlichen Bestimmungen nicht nur hätten aufgestellt, sondern auch festgestellt werden müssen.25) Erst mit Feststellung erlangt der Abschluss die notwendige Verbindlichkeit, um als Informationsgrundlage für eine Beschlussfassung zu dienen. Zur Auslegung von Konzernabschlüssen besteht keine Pflicht. Die Auslage der Originalunterlagen ist nicht erforderlich.26) Während der Hauptversammlung sind den Aktionären die vorstehenden Unterlagen zugänglich zu machen, was sich nach den zu § 176 Abs. 1 Satz 1 geltenden Grundsätzen richtet (siehe deshalb im Einzelnen bei § 176 Rz. 4 f.). 12 Nach ganz h. M. trifft den Vorstand der Hauptgesellschaft in entsprechender Anwendung von § 293g Abs. 2 Satz 1 und § 64 Abs. 1 Satz 2 UmwG die Pflicht, den Eingliederungsbericht zu erläutern und den Aktionären nochmals in zusammenfassender Weise die Konsequenzen ihrer Zustimmung vor Augen zu führen.27) Eine Verletzung der Erläuterungspflicht und der Pflichten nach § 319 Abs. 3 begründen grundsätzlich die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses. 3.
Informationsrecht der Aktionäre
13 § 319 Abs. 3 Satz 5 ist § 293g Abs. 3 nachgebildet und gibt den Aktionären der Hauptgesellschaft einen Anspruch auf Auskunft über alle im Zusammenhang mit der Eingliederung wesentlichen Angelegenheiten der einzugliedernden Gesellschaft. Das allgemeine Auskunftsrecht nach § 131 über Angelegenheiten der eigenen Gesellschaft wird damit erweitert, um den Aktionären aufgrund der weitreichenden Haftungsfolgen des § 322 ein Bild über die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der einzugliedernden Gesellschaft zu geben. Eine Auskunft kann nach den allgemeinen Grundsätzen in § 131 Abs. 3 Satz 1 verweigert werden, wobei jedoch nach überwiegender Ansicht die Auskunft nach § 319 Abs. 3 Nr. 1 nicht rein wegen der Offenlegung der negativen wirtschaftlichen und finanziellen Situation der einzugliedernden Gesellschaft verweigert werden darf.28) V.
Registerverfahren (§ 319 Abs. 7)
1.
Anmeldung (§ 319 Abs. 4)
14 Nach § 319 Abs. 7 ist die Eingliederung erst mit Eintragung in das Handelsregister der einzugliedernden Gesellschaft wirksam. Der Vorstand hat daher die Eingliederung und _____________ 24) LG Frankfurt/M., Urt. v. 29.7.1997 – 3/5 O 162/95, ZIP 1997, 1698, 1701 f.; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 13. 25) Vgl. Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327c Rz. 50; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c Rz. 64; Wartenberg, AG 2004, 539, 541; a. A. Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 319 Rz. 18. 26) Vgl. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c Rz. 60. 27) Statt vieler: Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 30 m. w. N. 28) Vgl. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 319 Rz. 16; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 15; Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 23; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 14.
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§ 319
Eingliederung
die Firma der Hauptgesellschaft zur Eintragung anzumelden. Die Anmeldung ist nicht zwangsgeldbewährt, den Vorstand trifft jedoch nach § 83 Abs. 2 AktG eine entsprechende Verpflichtung.29) Eine Eintragung in das Handelsregister der Hauptgesellschaft oder eine entsprechende Anmeldung ist nicht erforderlich.30) 2.
Negativerklärung (§ 319 Abs. 5 Satz 1)
Bei der Anmeldung hat der Vorstand eine sog. Negativerklärung abzugeben (§ 319 15 Abs. 5 Satz 1). Der Vorstand hat zu erklären, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit eines der beiden Hauptversammlungsbeschlüsse nicht oder nicht fristgemäß erhoben oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist. Die Erklärung bezieht sich auf die Beschlüsse bei der einzugliedernden Gesellschaft und bei der Hauptgesellschaft31) und betrifft Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen und sonstige Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit gleichermaßen.32) Die Erklärung kann bereits vor Ablauf der Anfechtungsfrist abgegeben werden, einer zügigen Anmeldung steht daher nichts entgegen (arg § 319 Abs. 1 Halbs. 2).33) Die Erhebung einer Klage nach Anmeldung hat der Vorstand aber nachträglich mitzuteilen. 3.
Registersperre (§ 319 Abs. 5 Satz 2)
Das Fehlen der Negativerklärung führt zur Registersperre. Der Registerrichter darf daher 16 die Eingliederung nicht in das Handelsregister eintragen. Dies gilt jedoch nicht, falls die Aktionäre der Hauptgesellschaft und die Hauptgesellschaft als Alleinaktionärin der einzugliedernden Gesellschaft durch notariell beurkundete Erklärung auf eine Klage verzichten (§ 319 Abs. 5 Satz 2). Ein einstimmiger Beschluss steht dem gleich.34) Eine fehlende Negativerklärung führt zur Zwischenverfügung (§ 25 Abs. 1 Satz 2 HRV) und zur Aussetzung des Eintragungsverfahrens (§ 21 FamFG). Wird dennoch eingetragen, führt dies aber mit Recht nicht zur Amtslöschung nach § 398 FamFG,35) sondern kann allenfalls Amtshaftungsansprüche nach sich ziehen. 4.
Unbedenklichkeitsverfahren (§ 319 Abs. 6)
Das Unbedenklichkeitsverfahren nach § 319 Abs. 6 entspricht hinsichtlich seiner Tatbe- 17 standsvoraussetzungen und Rechtsfolgen dem Freigabeverfahren nach § 246a (und der nahezu wortgleichen Vorschrift des § 16 Abs. 3 UmwG). Auf die Kommentierung dort kann deshalb verwiesen werden. – Siehe zu den Folgen etwaiger Beschlussmängel auch § 320a Rz. 2 und § 327e Rz. 12.
_____________ 29) Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 25. 30) Ganz h. M., Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 25; Koppensteiner in: KölnKommAktG, § 319 Rz. 20; a. A. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 359; für die Hauptgesellschaft verbleibt es damit bei § 130 Abs. 5. 31) Wobei nur der zweite Fall aufgrund etwaiger außenstehender Aktionäre praktisch relevant ist. 32) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 37; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 319 Rz. 14; Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 27. 33) Goette in: FS K. Schmidt, S. 469, 484; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 37; Spindler/ Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 18; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 319 Rz. 32; vgl. auch Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 20; a. A. BGH, Urt. v. 5.10.2006 – III ZR 283/05, ZIP 2006, 2312, 2313, Rz. 17 – zu § 16 UmwG; Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 28. 34) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 319 Rz. 20. 35) BGH, Urt. v. 5.10.2006 – III ZR 283/05, ZIP 2006, 2312, 2315, Rz. 23 – zu § 16 UmwG; Goette in: FS K. Schmidt, S. 469, 471; differenzierend Emmerich/Habersack-Habersack, § 319 AktG Rz. 29 (Löschung nach § 395 FamFG); a. A. Büchel, ZIP 2006, 2289, 2292; Grigloleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 319 Rz. 30.
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§ 320 5.
Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß Eintragung im Handelsregister
18 Mit Eintragung in das Handelsregister wird die Eingliederung wirksam. Die Eintragung darf jedoch nach h. M. auch bei Abgabe einer Negativerklärung nicht vor Ablauf der Anfechtungsfrist erfolgen.36) _____________ 36) BGH, Urt. v. 5.10.2006 – III ZR 283/05, ZIP 2006, 2314, 2313 f. Rz. 18; Grunewald in: MünchKommAktG, § 319 Rz. 43; Goette in: FS K. Schmidt, S. 469, 472; a. A. wohl Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 319 Rz. 24.
§ 320 Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß (1) 1Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann die Eingliederung der Gesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland auch dann beschließen, wenn sich Aktien der Gesellschaft, auf die zusammen fünfundneunzig vom Hundert des Grundkapitals entfallen, in der Hand der zukünftigen Hauptgesellschaft befinden. 2 Eigene Aktien und Aktien, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, sind vom Grundkapital abzusetzen. 3Für die Eingliederung gelten außer § 319 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 7 die Absätze 2 bis 4. (2) 1Die Bekanntmachung der Eingliederung als Gegenstand der Tagesordnung ist nur ordnungsgemäß, wenn 1. sie die Firma und den Sitz der zukünftigen Hauptgesellschaft enthält, 2. ihr eine Erklärung der zukünftigen Hauptgesellschaft beigefügt ist, in der diese den ausscheidenden Aktionären als Abfindung für ihre Aktien eigene Aktien, im Falle des § 320b Abs. 1 Satz 3 außerdem eine Barabfindung anbietet. 2
Satz 1 Nr. 2 gilt auch für die Bekanntmachung der zukünftigen Hauptgesellschaft.
(3) 1Die Eingliederung ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Eingliederungsprüfer) zu prüfen. 2Diese werden auf Antrag des Vorstands der zukünftigen Hauptgesellschaft vom Gericht ausgewählt und bestellt. 3§ 293a Abs. 3, §§ 293c bis 293e sind sinngemäß anzuwenden. (4) 1Die in § 319 Abs. 3 Satz 1 bezeichneten Unterlagen sowie der Prüfungsbericht nach Absatz 3 sind jeweils von der Einberufung der Hauptversammlung an, die über die Zustimmung zur Eingliederung beschließen soll, in dem Geschäftsraum der einzugliedernden Gesellschaft und der Hauptgesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. 2In dem Eingliederungsbericht sind auch Art und Höhe der Abfindung nach § 320b rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen; auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der beteiligten Gesellschaften sowie auf die Folgen für die Beteiligungen der Aktionäre ist hinzuweisen. 3§ 319 Abs. 3 Satz 2 bis 5 gilt sinngemäß für die Aktionäre beider Gesellschaften. (5) bis (7) (aufgehoben) Literatur: Vetter, Zum Ausgleich von Spitzen(beträgen) bei der Abfindung in Aktien, AG 1997, 6.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... 1 II. Voraussetzungen für eine Mehrheitseingliederung (§ 320 Abs. 1) ...................................... 2 1532
1. Mehrheitserfordernisse ...................... 2 2. Sonstige Erfordernisse ....................... 4 III. Berichts- und Prüfungspflichten ..... 5 1. Berichtspflicht des Vorstands ............ 5
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§ 320
Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß 2. Prüfung durch gerichtlich bestellten Prüfer (§ 320 Abs. 3) ........ 6 a) Auswahl und Bestellung des Prüfers .................................... 6 b) Prüfungsgegenstand ..................... 7 I.
IV. Informationspflichten (§ 320 Abs. 2) ..................................... 8 1. Besondere Anforderungen an die Einberufung .................................. 8 2. Auslage- und Informationspflichten (§ 320 Abs. 4) ..................... 9
Grundlagen
Eine Mehrheitseingliederung nach § 320 ist zulässig, wenn sich 95 % der Aktien der 1 einzugliedernden Gesellschaft in der Hand der künftigen Hauptgesellschaft befinden. Als Unterfall der Eingliederung nach § 319 gelten die dortigen Voraussetzungen, soweit die §§ 320 ff. nichts Anderweitiges bestimmen (§ 320 Abs. 1 Satz 3, § 319 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 – 7). Die Besonderheit der Mehrheitseingliederung ist der zwangsweise Ausschluss der verbleibenden Minderheit und der automatische Übergang deren Aktien auf die Hauptgesellschaft mit Eintragung der Mehrheitseingliederung im Handelsregister (§ 320a) gegen Gewährung einer Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft oder in bar (§ 320b). Neben der Konzernintegration wurde die Mehrheitseingliederung bis zur Einführung des aktienrechtlichen Squeeze-out nach §§ 327a ff. vor allem zum Zwecke des Minderheitenausschlusses genutzt.1) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Mehrheitseingliederung ist zwischenzeitlich geklärt.2) II.
Voraussetzungen für eine Mehrheitseingliederung (§ 320 Abs. 1)
1.
Mehrheitserfordernisse
Für die Mehrheitseingliederung muss die zukünftige Hauptgesellschaft Eigentümerin 2 von Aktien der einzugliedernden Gesellschaft sein, die mindestens 95 % deren Grundkapitals entsprechen. Maßgebend hierfür ist der Gesamtnennbetrag der Aktien bzw. bei Stückaktien deren Zahl. Auf die Zahl der Stimmrechte kommt es nicht an.3) Stimmrechtslose Vorzugsaktien sind daher bei der erforderlichen Kapitalmehrheit mit zu berücksichtigen. Eine Erleichterung gegenüber dem Grundfall des § 319 erfährt die Mehrheitseingliederung dadurch, dass eigene Aktien und Aktien, die einem anderen für Rechnung der einzugliedernden Gesellschaft gehören, vom Grundkapital abzusetzen sind (§ 320 Abs. 1 Satz 2). Diese Regelung ist nach zutreffender h. M. abschließend und nicht auf die in § 71d geregelten Fälle auszudehnen.4) § 16 Abs. 4 findet auch bei der Mehrheitseingliederung keine Anwendung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der erforderlichen Mehrheit ist die Fassung 3 des Eingliederungsbeschlusses.5) Dies entspricht dem Grundfall des § 319. Ist zu dieser Zeit nicht die 95 %-Mehrheit erreicht, ist der Beschluss nach hier vertretener Ansicht anfechtbar und nicht nichtig (siehe § 319 Rz. 4). _____________ 1) 2)
3)
4) 5)
Vgl. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 3 Vgl. BVerfG, Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60 (Feldmühle); BVerfGE 14, 263, 273 ff.; BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 (DAT/Altana), ZIP 1999, 1436, 1440; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 1. H. M., Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 5; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rz. 8; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 11; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 31a; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 320 Rz. 7; offen gelassen OLG Hamm, Beschl. v. 8.12.1993 – 15 W 291/93, AG 1994, 376, 377. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rz. 3; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 6; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 9; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 320 Rz. 4. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 7; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 319 Rz. 14; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 9 – Zeitpunkt der Anmeldung.
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§ 320 2.
Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß Sonstige Erfordernisse
4 Im Übrigen gelten für die Mehrheitseingliederung die gleichen Voraussetzungen wie für den Grundfall nach § 319. Es bedarf daher eines Beschlusses der Hauptversammlung der einzugliedernden Gesellschaft und eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung der künftigen Hauptgesellschaft, der jedoch in beiden Fällen keiner sachlichen Rechtfertigung bedarf.6) Die erstgenannte Beschlussfassung findet jedoch zwangsläufig nicht in Form einer Vollversammlung statt. Anfechtungsrisiken können sich daher auf beiden Seiten ergeben. III.
Berichts- und Prüfungspflichten
1.
Berichtspflicht des Vorstands
5 Der vom Vorstand der künftigen Hauptgesellschaft zu erstellende Eingliederungsbericht hat neben den bereits nach § 319 Abs. 3 Nr. 3 erforderlichen Angaben (siehe § 319 Rz. 9) zusätzlich diejenigen Erläuterungen zu enthalten, die für die Beschlussfassung der Aktionäre der einzugliedernden Gesellschaft von Bedeutung sind. Hierunter fallen Angaben über die Hauptgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand und Tätigkeitsbereich, Marktstellung, Organe, Kapitalstruktur und wesentliche Finanzkennzahlen sowie Erläuterungen zur Art und Höhe der Abfindung einschließlich besonderer Bewertungsschwierigkeiten sowie die Folgen für die Beteiligung der Aktionäre (§ 320 Abs. 4 Satz 2).7) Der Berichtsinhalt lehnt sich damit an § 293a Abs. 1 an. 2.
Prüfung durch gerichtlich bestellten Prüfer (§ 320 Abs. 3)
a)
Auswahl und Bestellung des Prüfers
6 § 320 Abs. 3 regelt die zwingende Prüfung der Eingliederung durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer. Die Prüfung ist nicht erforderlich, wenn alle Aktionäre beider Gesellschaften hierauf verzichten (§ 320 Abs. 3 Satz 3, § 293a Abs. 3). Die Prüfer werden auf Antrag des Vorstands der zukünftigen Hauptgesellschaft vom Gericht ausgewählt und bestellt (§ 320 Abs. 3 Satz 2). Üblich und zulässig ist ein entsprechender Vorschlag des Vorstands. Mehrere alternative Prüfer müssen hierbei nicht zwingend zur Auswahl gestellt werden. Zuständig ist das LG am Sitz der einzugliedernden Gesellschaft, dort funktional der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (§ 320 Abs. 3 Satz 3, § 293c Abs. 1 Satz 3, 4). Hinsichtlich des weiteren Bestellungsverfahrens, Bestellungshindernisse, Rechtsbehelfe, Vergütung des Prüfers und dessen Auskunftsrechte kann auf die entsprechende Kommentierung zu §§ 293c, 293d verwiesen werden. b)
Prüfungsgegenstand
7 Prüfungsgegenstand ist die gesamte Eingliederung (§ 320 Abs. 3 Satz 1). Diese umfasst die Prüfung der Voraussetzungen nach §§ 319, 320, damit insbesondere das Erreichen der 95 %-Schwelle und die Angemessenheit der Abfindung (§ 320 Abs. 3 Satz 3, § 293e Abs. 1 Satz 2, 3).8) Die Zweckmäßigkeit der Eingliederung ist im Eingliederungsbericht zu erläutern, nicht jedoch Prüfungsgegenstand.9) Der Eingliederungsbericht selbst ist _____________ 6) 7) 8) 9)
Vgl. OLG München, Urt. v. 17.3.1993 – 7 U 5382/92 (Siemens/SNI), ZIP 1993, 1001, 1003, nrkr.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 39 Vgl. Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 16; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rn. 10 f. Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 20. Allg. M., Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rz. 12; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 15; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 20.
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Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß
§ 320
zwar grundsätzlich nicht zu prüfen. Soweit er jedoch Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Eingliederung und Angemessenheit der Abfindung enthält, ist er nach richtiger Ansicht auch selbst Prüfungsgegenstand.10) Die beiden beteiligten Gesellschaften sind dem Prüfer zur Auskunft verpflichtet (§ 320 Abs. 3 Satz 3, § 293d Abs. 1). Über das Ergebnis seiner Prüfung hat der Prüfer schriftlich unter Beachtung der inhaltlichen Vorgaben nach § 293e Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berichten (§ 320 Abs. 3 Satz 3, § 293e). IV.
Informationspflichten (§ 320 Abs. 2)
1.
Besondere Anforderungen an die Einberufung
§ 320 Abs. 2 stellt besondere Anforderungen an die Einberufung zur Hauptver- 8 sammlung der einzugliedernden Gesellschaft und der zukünftigen Hauptgesellschaft, die auch bei einer Vollversammlung i. S. von § 121 Abs. 6 zu beachten sind.11) § 320 Abs. 2 Nr. 2 fordert eine Erklärung der Hauptgesellschaft, in der diese den ausscheidenden Aktionären als Abfindung für ihre Aktien eigene Aktien, im Falle des § 320e Abs. 1 Satz 3 außerdem eine alternative Barabfindung anbietet. Die Hauptgesellschaft hat daher ein konkretes Abfindungsangebot zu unterbreiten, das insbesondere Umtauschverhältnis, Höhe der Barabfindung sowie die Behandlung von Spitzenbeträgen umfassen muss.12) Zweck der zusätzlichen Angaben nach § 320 Abs. 2 Satz 1 ist die frühzeitige Information der Aktionärsminderheit über den Schuldner der Abfindung und die Einzelheiten des Angebots und der Aktionäre der Hauptgesellschaft über die Abfindungsbelastung deren Gesellschaft. Verstöße gegen die vorstehenden Informationspflichten führen grundsätzlich zur Anfechtbarkeit des jeweiligen Hauptversammlungsbeschlusses.13) Eine Erhöhung des Angebots nach Einberufung aufgrund einer bevorstehenden Kapitalerhöhung oder aus sonstigen Gründen ist zulässig.14) 2.
Auslage- und Informationspflichten (§ 320 Abs. 4)
§ 320 Abs. 4 ergänzt die allgemeine Auslagepflicht nach § 319 Abs. 3 Satz 1. Die dort ge- 9 nannten Unterlagen und zusätzlich der Prüfungsbericht sind in den Geschäftsräumen der künftigen Hauptgesellschaft und der einzugliedernden Gesellschaft ab der Einberufung ihrer jeweiligen Hauptversammlung auszulegen. Adressat der Verpflichtung ist der jeweilige Vorstand. Im Übrigen gelten nach § 320 Abs. 4 Satz 3 die §§ 319 Abs. 3 Satz 2 – 5 sinngemäß für die Aktionäre beider Gesellschaften. Damit können auch die Aktionäre der einzugliedernden Gesellschaft die Erteilung von Abschriften (es sei denn, die Unterlagen sind ordnungsgemäß auf der Internetseite zugänglich) und Auskünfte über alle im Zusammenhang mit der Eingliederung wesentlichen Angelegenheiten der zukünftigen Hauptgesellschaft verlangen (erweitertes Auskunftsrecht „nach oben“). Schließlich trifft auch den Vorstand der einzugliedernden Gesellschaft die Pflicht, die auszulegenden Unterlagen während der Hauptversammlung zugänglich zu machen und die Eingliede_____________ 10) Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 20; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 15; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 35; undifferenzierend LG Berlin, Urt. v. 13.11.1995 – 99 O 126/95, AG 1996, 230, 232 f. 11) Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 12; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 11 12) Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 13; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rz. 5, 6; ausführlich zur Behandlung von Aktienspitzen LG Berlin, Urt. v. 13.11.1995 – 99 O 126/95, AG 1996, 232; a. A. – zur Behandlung von Spitzenbeträgen – Vetter, AG 1997, 6, 16. 13) Allg. M., statt vieler Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rz. 7. 14) BGH, Urt. v. 27.5.1974 – II ZR 109/72, WM 1974, 713, 715 – für Kapitalerhöhung; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 13; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73, Rn 36; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rz. 6.
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§ 320a
Wirkungen der Eingliederung
rung einschließlich der Angemessenheit der Abfindung und etwaiger Bewertungsschwierigkeiten zu erläutern.15) _____________ 15) Emmerich/Habersack-Habersack, § 320 AktG Rz. 17; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320 Rz. 18.
§ 320a Wirkungen der Eingliederung 1
Mit der Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister gehen alle Aktien, die sich nicht in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, auf diese über. 2Sind über diese Aktien Aktienurkunden ausgegeben, so verbriefen sie bis zu ihrer Aushändigung an die Hauptgesellschaft nur den Anspruch auf Abfindung. Literatur: Aubel/Weber, Ausgewählte Probleme bei Eingliederung und Squeeze-Out während eines laufenden Spruchverfahrens, WM 2004, 857; König, Kraftloserklärung nicht eingereichter Aktien von Minderheitsaktionären nach einem Squeeze-Out, NZG 2006, 606; Petersen/Lübbe, Squeeze-out mit Eintragung im Handelsregister bestandskräftig?, NZG 2010, 1091; Santelmann/ Hoppe/Suerbaum/Bukowski (Hrsg.), Squeeze-out, 2010; Schäfer, Die „Bestandskraft“ fehlerhafter Strukturänderungen im Aktien- und Umwandlungsrecht, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1389; Timm/Schick, Die Auswirkungen der routinemäßigen Geltendmachung der Abfindung durch die Depotbanken auf die Rechte der außenstehenden Aktionäre bei der Mehrheitseingliederung, WM 1994, 185; Weppner/Groß-Bölting, Kraftloserklärung nicht eingereichter Aktienurkunden nach Durchführung eines aktienrechtlichen Squeeze out gem. §§ 327a ff. AktG, BB 2012, 2196.
Übersicht I. Übergang der Mitgliedschaftsrechte ................................................. 1 I.
II. Aktienurkunden ................................ 3
Übergang der Mitgliedschaftsrechte
1 § 320a regelt den Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Mehrheitseingliederung. Durch die konstitutiv wirkende Eintragung im Handelsregister (§ 319 Abs. 7) gehen alle Aktien, die sich nicht in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, auf diese über. Dies betrifft auch eigene Aktien der eingegliederten Gesellschaft und Aktien, die ein Dritter für Rechnung der eingegliederten Gesellschaft hält. Die aus den Aktien folgenden Mitgliedschaftsrechte gehen kraft Gesetzes über, eines gesonderten Übertragungsakts bedarf es nicht. Auf die Antragsbefugnis zu einem laufenden Spruchverfahren hat dies keine Auswirkungen.1) Die Aktien gehen lastenfrei auf die Hauptgesellschaft über. Dingliche Belastungen (z. B. Pfandrechte) setzen sich analog § 1287 Satz 1 BGB an dem Abfindungsanspruch fort.2) 2 Beschlussmängel des Eingliederungs- oder Zustimmungsbeschlusses in Form von Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründen lassen den Rechtsübergang unberührt. Findet keine Heilung nach § 242 Abs. 2 statt oder wird der betroffene Beschluss nicht mit der Folge des Bestandsschutzes nach § 319 Abs. 6 Satz 1 und Satz 11 freigegeben, finden die Grundsätze _____________ 1) 2)
BGH, Beschl. v. 12.3.2001 – II ZB 15/00 (DAT/Altana), ZIP 2001, 734, 735; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320a Rz. 2; differenzierend Emmerich/Habersack-Habersack, § 320a AktG Rz. 5. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320a Rz. 2; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320a Rz. 2.
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§ 320a
Wirkungen der Eingliederung
über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung.3) Diese nicht unumstrittene Ansicht ist aus Gründen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes zu befürworten. § 242 Abs. 2 Satz 5 findet bei positiver Freigabeentscheidung entsprechende Anwendung.4) II.
Aktienurkunden
In Abweichung von § 952 Abs. 2 BGB verbleiben ausgegebene Aktienurkunden im Eigen- 3 tum der ausgeschiedenen Aktionäre und verbriefen (nur noch) den Abfindungsanspruch (§ 320a Satz 2). Die ausgeschiedenen Aktionäre sind zur Aushändigung der Urkunden an die Hauptgesellschaft Zug um Zug gegen Zahlung der Abfindung verpflichtet. Mit Leistung der Abfindung geht dann das Eigentum in entsprechender Anwendung von § 797 Satz 2 BGB auf die Hauptgesellschaft über.5) Vorstehendes gilt grundsätzlich auch für den Miteigentumsanteil an wirksam verwahrten Globalurkunden. Soweit kein Wahlrecht besteht, können in diesem Fall die Aktien ohne weitere Mitwirkung der Aktionäre unverzüglich nach Eintragung im Handelsregister aus dem jeweiligen Depotkonto gegen gleichzeitige Zubuchung der Aktien der Hauptgesellschaft ausgebucht werden.6) Besteht noch ein Abfindungsrecht nach § 305 im Zusammenhang mit einem vorange- 4 gangenen Unternehmensvertrag, so sollen die als Abfindung gelieferten Aktien der Hauptgesellschaft zusätzlich den daraus folgenden Abfindungsanspruch verbriefen.7) Wählt der Aktionär dann die Abfindung nach § 305, kommt ihm eine hiernach im Spruchverfahren beschlossene Nachbesserung der Abfindung nach § 320b nicht mehr zu Gute.8) Bei börsennotierten Aktien wird nach Eintragung im Handelsregister der Handel einge- 5 stellt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG) und die Börsenzulassung von Amts wegen widerrufen (§ 39 BörsG). Hier empfiehlt sich eine zeitliche Abstimmung mit dem Registergericht und eine entsprechende Mitteilung des geplanten Eintragungsdatums an die jeweilige Börse. Nicht eingereichte Aktienurkunden in Form effektiver Stücke können nach § 73 für kraftlos erklärt werden, wenn feststeht, dass der jeweilige Inhaber seiner Verpflichtung zur Aushändigung der Urkunde nicht nachkommt.9)
_____________ 3)
4) 5) 6) 7) 8) 9)
Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320a Rz. 2; a. A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.2.2011 – 12 W 21/09, AG 2011, 673, 675 = ZIP 2011, 1817; dagegen Kort, EWiR 2011, 705, 196 (Urteilsanm.); vgl. auch Petersen/Lübbe, NZG 2010, 1091, 1094 zum Squeeze-out; einschränkend Emmerich/Habersack-Habersack, § 320a AktG Rz. 2, § 327e Rz. 8 – nicht im Falle besonders schwerer Beschlussmängel; vgl. auch Schäfer in: FS K. Schmidt, S. 1389, 1409. Vgl. Santelmann/Hoppe/Suerbaum/Bukowski-Santelmann/Hoppe, Squeeze-out, Rz. 229. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320a Rz. 3; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 320a Rz. 4; Timm/ Schick, WM 1994, 185, 186. Vgl. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320a Rz. 8; Timm/Schick, WM 1994, 185, 192. Aubel/Weber, WM 2004, 857, 860. Dies gilt auch für die Abfindung nach § 327b, vgl. Aubel/Weber, WM 2004, 857, 862, 865 ff. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320a Rz. 5; so auch zum Squeeze-out Hasselbach in: KölnKommWpÜG, § 327e Rz. 66; Weppner/Groß-Bölting, BB 2012, 1296, 1298 f.; König, NZG 2006, 606, 609; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 320a AktG Rz. 6; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320a Rz. 5.
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§ 320b
Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre
§ 320b Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre (1) 1Die ausgeschiedenen Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft haben Anspruch auf angemessene Abfindung. 2Als Abfindung sind ihnen eigene Aktien der Hauptgesellschaft zu gewähren. 3Ist die Hauptgesellschaft eine abhängige Gesellschaft, so sind den ausgeschiedenen Aktionären nach deren Wahl eigene Aktien der Hauptgesellschaft oder eine angemessene Barabfindung zu gewähren. 4Werden als Abfindung Aktien der Hauptgesellschaft gewährt, so ist die Abfindung als angemessen anzusehen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der Hauptgesellschaft zu gewähren wären, wobei Spitzenbeträge durch bare Zuzahlungen ausgeglichen werden können. 5Die Barabfindung muß die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung ihrer Hauptversammlung über die Eingliederung berücksichtigen. 6Die Barabfindung sowie bare Zuzahlungen sind von der Bekanntmachung der Eintragung der Eingliederung an mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen; die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (2) 1Die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft die Eingliederung der Gesellschaft beschlossen hat, kann nicht auf § 243 Abs. 2 oder darauf gestützt werden, daß die von der Hauptgesellschaft nach § 320 Abs. 2 Nr. 2 angebotene Abfindung nicht angemessen ist. 2Ist die angebotene Abfindung nicht angemessen, so hat das in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmte Gericht auf Antrag die angemessene Abfindung zu bestimmen. 3Das gleiche gilt, wenn die Hauptgesellschaft eine Abfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten hat und eine hierauf gestützte Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erhoben oder zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen worden ist. Literatur: Grunewald, Die Auswirkungen der Macrotron-Entscheidung auf das kalte Delisting, ZIP 2004, 542; Kamprad/Römer, Die Abfindung der außenstehenden Aktionäre bei der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss nach § 320 AktG, AG 1990, 486; Martens, Die rechtliche Behandlung von Options- und Wandlungsrechten anlässlich der Eingliederung der verpflichteten Gesellschaft, AG 1992, 209; Ziemons, Options- und Wandlungsrechte bei Squeeze-Out und Eingliederung, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1777.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... 1 II. Abfindungsanspruch (§ 320b Abs. 1) .................................. 2 1. Aktien der Hauptgesellschaft ........... 2 I.
2. Wahlweise Barabfindung .................... 6 3. Höhe der Abfindung .......................... 7 III. Einschränkung der Anfechtung (§ 320b Abs. 2) ................................... 8
Grundlagen
1 § 320b Abs. 1 Satz 1 gibt den ausgeschiedenen Aktionären einen Anspruch auf angemessene Abfindung zur vollständigen Kompensation des Verlustes ihrer Beteiligung an der eingegliederten Gesellschaft.1) Der Anspruch entsteht mit Eintragung der Mehrheitseingliederung im Handelsregister. Schuldner des Anspruchs ist die Hauptgesellschaft, Gläubiger die ausgeschiedenen Aktionäre.2) Im Falle eigener Aktien ist damit auch die einzu_____________ 1) 2)
Vgl. BVerfG Beschl. v. 29.11.2006 – 1 BvR 704/03 (Siemens/Nixdorf), ZIP 2007, 175, 176, Rz. 10. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.1.2004 – I-19 W 5/03 AktGE (Krupp/Hoesch), ZIP 2004, 1503, 1504.
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Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre
§ 320b
gliedernde Gesellschaft nach zutreffender Ansicht anspruchsberechtigt.3) Gläubiger von Options- oder Wandelschuldverschreibungen und Inhaber sonstiger Bezugs- und Umtauschrechte auf Aktien der einzugliedernden Gesellschaft erhalten unter Berücksichtigung der Wertungen nach den §§ 23, 36 Abs. 1 UmwG einen wertäquivalenten Anspruch gegen die Hauptgesellschaft (siehe auch § 327b Rz. 3).4) Der Bezugsberechtigte hat damit grundsätzlich einen Anspruch auf Aktien der Hauptgesellschaft oder, im Falle von § 320b Satz 2, eine Barabfindung analog § 320b. Einzelheiten zur inhaltlichen Ausgestaltung sind aber noch nicht abschließend geklärt.5) II.
Abfindungsanspruch (§ 320b Abs. 1)
1.
Aktien der Hauptgesellschaft
Als gesetzlicher Regelfall besteht die Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft (§ 320b 2 Abs. 1 Satz 2). Eine Barabfindung ist mit Ausnahme des Ausgleichs von Spitzenbeträgen ausgeschlossen.6) Reicht ein Aktionär seinen Aktienbestand in einzelnen kleinen Paketen ein, um einen höchstmöglichen Spitzenausgleich in Bar zu erhalten, ist er hieran gebunden und kann nach einer Verbesserung des Umtauschverhältnisses im Spruchverfahren nicht mehr statt der so erhaltenen Barabfindung Aktien verlangen.7) Bei der Eingliederung einer börsennotierten in eine nicht börsennotierte Gesellschaft muss entgegen der früher vertretenen8) h. M. dem Abfindungsberechtigten nach Aufgabe der Macrotron-Grundsätze durch den BGH9) kein Wahlrecht zum Ausgleich seines Fungibilitätsverlustes eingeräumt werden, wenn nicht darüber hinaus die Voraussetzungen von § 320b Abs. 1 Satz 3 vorliegen. Da ein vollständiger Rückzug vom regulierten Markt ohne Abfindungsangebot und Beschluss der Hauptversammlung zulässig ist, bedarf es auch keiner erweiternden Auslegung von § 320b Abs. 1. Die als Abfindung zu gewährenden Aktien können aus eigenen Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 3), 3 aus bedingtem Kapital (§ 192 Abs. 2 Nr. 2) oder aus genehmigtem Kapital (§§ 202 ff.) stammen.10) Die Weitergabe eigener Aktien der Hauptgesellschaft an die einzugliedernde Gesellschaft zur Kompensation deren eigener Aktien ist nach überzeugender Ansicht trotz § 71d Satz 2 zulässig und durch eine erweiterte Auslegung von § 71 Abs. 1 Nr. 3 zu lösen.11) Die neuen Aktien müssen derselben Gattung angehören wie die abzufindenden Aktien.12) Als Kompensation für Vorzugsaktien können jedoch Stammaktien hingegeben _____________ 3) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 2; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 4; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 320b Rz. 3; Hüffer, AktG, § 320b Rz. 2; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 320b Rz. 1; a. A. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 43; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 3. 4) BGH, Urt. v. 2.2.1998 – II ZR 117/97 (Siemens/Nixdorf), ZIP 1998, 560 f.; Hüffer, AktG, § 320b Rz. 4; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 15; Martens, AG 1992, 209, 211 ff.; a. A. Ziemons in: FS K. Schmidt, S. 1777, 1779 ff. 5) Vgl. hierzu im Einzelnen Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 6. 6) OLG Hamm, Beschl. v. 6.5.1992 – 8 W 28/92 (Siemens/Nixdorf), AG 1993, 93, 94. 7) BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 270/08, ZIP 2010, 2289, 2290 ff. (Siemens/Nixdorf) – eingereicht wurden hier Pakete zu je 5 Aktien bei einem Umtauschverhältnis von 6:1. 8) Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 5; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 7; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 8. 9) BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZB 26/12 (Frosta), ZIP 2013, 2254 = GWR 2013, 493 mit Anm. Rothley, dazu EWiR 2014, 3 (Bungert/Wettich). 10) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320e Rz. 11; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 4. 11) Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 320b Rz. 5; Hüffer, AktG, § 320b Rz. 3; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 5a; a. A. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 3; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 43. 12) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 4; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 6; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 45; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 5.
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§ 320b
Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre
werden. Die Aktionäre der Hauptgesellschaft sind durch das Zustimmungserfordernis nach § 319 Abs. 2 hinreichend geschützt.13) 4 Bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen ist die Eingliederung „von oben nach unten“ problematisch. Bei einer Eingliederung einer Enkelin in eine bereits in die Mutter eingegliederte Tochter wären den ausgeschiedenen Aktionären nach dem Gesetzeswortlaut Aktien der Tochter zu gewähren. Damit würde aber wiederum deren Eingliederung enden (§ 327 Abs. 1 Nr. 3). Mit guten Gründen kann daher in solchen Konstellationen in Aktien der Mutter abgefunden werden.14) 5 Weitere, in Richtung § 305 Abs. Nr. 2 zielende Ausnahmen zugunsten einer wahlweisen Barabfindung wären zwar sinnvoll, sind aber de lege lata aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts abzulehnen.15) 2.
Wahlweise Barabfindung
6 Die Aktionäre der einzugliedernden Gesellschaft sollen nicht gezwungen werden, (wieder) Aktionäre einer abhängigen Gesellschaft zu werden. Ist die Hauptgesellschaft abhängig i. S. von § 17, haben die ausgeschiedenen Aktionäre daher eine Wahl zwischen eigenen Aktien der Hauptgesellschaft oder einer angemessenen Barabfindung (§ 320b Abs. 1 Satz 3). Die Ausübung dieses Wahlrechts orientiert sich an § 305 Abs. 4 Satz 2, 3 und beträgt mindestens zwei Monate.16) Im Übrigen finden die §§ 262 ff. BGB Anwendung.17) 3.
Höhe der Abfindung
7 In beiden Alternativen muss die Abfindung angemessen sein. Bei einer Abfindung in Aktien ist hierfür die sog. Verschmelzungswertrelation maßgebend (§ 320b Abs. 1 Satz 4). Die Vorschrift ist § 305 Abs. 3 nachgebildet und entsprechend auszulegen. Der Abfindungsanspruch unterliegt der Regelverjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB). Barabfindung und Barzuzahlungen sind ab Bekanntmachung der Eintragung der Eingliederung im Handelsregister mit jährlich 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen (§ 320b Abs. 1 Satz 6). Die Verzinsung erfolgt dabei auch für den Zeitraum, in dem das Wahlrecht noch nicht ausgeübt wurde.18) Verzug ist hierfür nicht erforderlich. Soweit aus einer eigenständigen Anspruchsgrundlage (z. B. §§ 280 ff. BGB) ein Anspruch auf Ersatz weiterer Schäden besteht, ist deren Geltendmachung nicht ausgeschlossen (§ 320b Abs. 1 Satz 6 Halbs. 2). III.
Einschränkung der Anfechtung (§ 320b Abs. 2)
8 Die Anfechtung des Eingliederungsbeschlusses kann nicht auf § 243 Abs. 2 (Verfolgung von Sondervorteilen) oder darauf gestützt werden, dass die angebotene Abfindung nicht angemessen ist. In diesem Fall können jedoch die ausgeschiedenen Aktionäre die Höhe _____________ 13) So auch Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320 Rz. 4; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 5. 14) BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 12/97, ZIP 1998, 1353 ff.; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 10; einschränkend, Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 7 – rechnerisch nur bis zu 5 % der Aktien der Tochter. 15) Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 9; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 6; a. A. Kamprad/Römer, AG 1990, 486, 489 – bereits bei Mehrheitsbesitz ausreichend; Spindler/StilzSinghof, AktG, § 320b Rz. 8 – bei Konzernverhältnis. 16) Allg. M., Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 7; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 10; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 11; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 320b Rz. 15. 17) Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 320b Rz. 7; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 7. 18) Allg. M., Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 13.
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§ 321
Gläubigerschutz
der Abfindung im Spruchverfahren bestimmen lassen (§ 320b Abs. 2 Satz 2; § 1 Nr. 2 SpruchG). Ähnliche Regelungen finden sich in § 304 Abs. 3 Satz 2, § 305 Abs. 5 Satz 1 und § 327f (siehe hierzu im Einzelnen § 304 Rz. 21, § 305 Rz. 27 und § 327f). Im Falle einer nicht oder nicht ordnungsgemäß angebotenen Abfindung haben die Aktionäre unter den Voraussetzungen von § 320b Abs. 2 Satz 3 ein Wahlrecht zwischen Anfechtungklage und Spruchverfahren. Wird überhaupt keine Abfindung angeboten oder ist die Art der Abfindung fehlerhaft, bleibt damit die Anfechtung zulässig.19) Für abfindungswertbezogene Informationsmängel gilt § 243 Abs. 4 Satz 2, wonach eine 9 Anfechtungsklage nicht auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen in der Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit der Abfindung gestützt werden kann, wenn das Gesetz für Bewertungsrügen ein Spruchverfahren vorsieht. Nach dem Gesetzeswortlaut gilt dies nur für Informationen in der Hauptversammlung, daher für Auskünfte i. S. von § 131, die mündlichen Erläuterungen des Vorstands und die in der Hauptversammlung auszulegenden Unterlagen. Im eher theoretischen Fall der vollständigen Informationsverweigerung soll die Anfechtungsklage aber weiterhin zulässig bleiben.20) Nach h. M. gilt dies auch für Informations- und Bekanntmachungsmängel vor der Hauptversammlung und für eine fehlerhafte Berichterstattung (siehe hierzu noch bei § 327 f. Rz. 3).21) Der Zustimmungsbeschluss nach § 319 Abs. 2 bleibt von den vorstehenden Ausnahmen unberührt. Die Aktionäre der Hauptgesellschaft können diesen Beschluss nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 241 ff., insbesondere wegen einer zu hohen Abfindung angreifen.22) _____________ 19) Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 8.12.1993 – 15 W 291/93, AG 1994, 376, 378; LG Mosbach, Urt. v. 28.12.2000 – KfH 056/00, NZG 2001, 763, 766; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 17. 20) Zu Recht krit. unter Hinweis auf Abgrenzungsschwierigkeiten Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327f Rz. 9. 21) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 320b Rz. 12. 22) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 320b Rz. 21; Emmerich/Habersack-Habersack, § 320b AktG Rz. 16.
§ 321 Gläubigerschutz (1) 1Den Gläubigern der eingegliederten Gesellschaft, deren Forderungen begründet worden sind, bevor die Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister bekanntgemacht worden ist, ist, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung zu diesem Zweck melden, Sicherheit zu leisten, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können. 2Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen. (2) Das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, steht Gläubigern nicht zu, die im Falle des Insolvenzverfahrens ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist. Übersicht I. Anspruchsvoraussetzungen ............. 1 II. Inhalt des Anspruchs ........................ 3 1. Art der Sicherheit ............................... 3
2. Höhe der Sicherheit ........................... 4 3. Freigabe der Sicherheit ...................... 5
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§ 321 I.
Gläubigerschutz Anspruchsvoraussetzungen
1 § 321 gibt den Altgläubigern der eingegliederten Gesellschaft einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gegenüber der eingegliederten Gesellschaft als Schuldnerin der Hauptforderung.1) Die Vorschrift ist nicht abdingbar. Über § 322 trifft die Hauptgesellschaft eine gesamtschuldnerische Haftung auch für die Sicherheitsleistung. Der Anspruch setzt eine wirksame Eingliederung, daher deren Eintragung im Handelsregister, eine Begründung der zu besichernden Hauptforderung vor Bekanntmachung der Handelsregistereintragung (§ 10 HGB) und eine Meldung des jeweiligen Altgläubigers innerhalb einer Sechs-Monats-Frist bei der eingegliederten Gesellschaft voraus. Können die Altgläubiger zur Zeit der Bekanntmachung jedoch Befriedigung ihrer Ansprüche verlangen, ist der Anspruch ausgeschlossen. Dies gilt vor allem bei bereits fälligen Ansprüchen oder falls es der Altgläubiger in der Hand hat, die Fälligkeit herbeizuführen (z. B. Zug-um-Zug-Geschäfte).2) 2 Auf das Recht der Altgläubiger zur Sicherheitsleistung ist in der Bekanntmachung hinzuweisen; ein mangelnder Hinweis lässt jedoch den Lauf der Sechs-Monats-Frist unberührt.3) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn ein Recht zur vorzugsweisen Befriedigung nach Maßgabe von § 321 Abs. 2 besteht. Diese Ausnahme entspricht den §§ 225 Abs. 1 Satz 3, 303 Abs. 2 und zielt auf Pfandbriefgläubiger der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken (§ 30 PfandBG; § 36 SchiffsBG), Versicherungsnehmern gegenüber ihren Versicherungsgesellschaften (§§ 77, 77a VAG) und nach h. M. auch auf Ansprüche aus laufender betrieblicher Altersversorgung und unverfallbaren Anwartschaften hieraus ab (siehe im Einzelnen § 225 Rz. 4 ff.). II.
Inhalt des Anspruchs
1.
Art der Sicherheit
3 Die Art der Sicherheitsleistung bestimmt sich nach den §§ 232 ff. BGB. Soweit die Stellung einer Bürgschaft nach § 232 Abs. 2 BGB zulässig ist, scheidet jedoch die Hauptgesellschaft als Bürge aus.4) 2.
Höhe der Sicherheit
4 Seiner Höhe nach bemisst sich der Anspruch nach dem Wert der Hauptforderung. Problematisch ist diese Bewertung bei Dauerschuldverhältnissen. Aus Gründen der Praktikabilität wird hier in entsprechender Anwendung von § 327 Abs. 4, § 160 HGB auf diejenigen Forderungen abgestellt, die innerhalb einer Frist von fünf Jahren fällig werden.5) Diese Grenze ist zur Berechnung des Sicherungsgesamtwerts grundsätzlich zu befürworten. Kann jedoch die eingegliederte Gesellschaft ein konkretes Risiko und damit Sicherungsinteresse darlegen, das unterhalb dieses Gesamtwerts liegt, ist der geringere Wert maßgebend.6) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 321 Rz. 9; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 52. Emmerich/Habersack-Habersack, § 321 AktG Rz. 4. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 321 Rz. 11; Emmerich/Habersack-Habersack, § 321 AktG Rz. 7; ggf. sind Amtshaftungsansprüche in Betracht zu ziehen, vgl. Hüffer, AktG, § 321 Rz. 2. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 321 Rz. 12; Emmerich/Habersack-Habersack, § 321 AktG, § 321 Rz. 8; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 321 Rz. 6. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 321 Rz. 7; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 321 Rz. 5. Vgl. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 321 Rz. 13 – mit dem Hinweis auf die zusätzliche Risikobegrenzung durch § 322 und die Schwierigkeiten, die eine Prognose auf “stand-alone-basis” mit sich bringen kann.
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§ 322
Haftung der Hauptgesellschaft 3.
Freigabe der Sicherheit
Bei Erfüllung der Hauptforderung ist die Sicherheit nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zu- 5 rückzugewähren.7) Die einmal gewährte Sicherheit wird durch die Beendigung der Eingliederung nicht berührt, endet aber mit der Enthaftung der Hauptgesellschaft nach § 327 Abs. 4. Die Sicherheit ist dann mangels Sicherungsbedürfnis freizugeben.8) _____________ 7) 8)
Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 321 Rz. 14. Emmerich/Habersack-Habersack, § 321 AktG Rz. 7; vgl. auch Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 321 Rz. 8.
§ 322 Haftung der Hauptgesellschaft (1) 1Von der Eingliederung an haftet die Hauptgesellschaft für die vor diesem Zeitpunkt begründeten Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft den Gläubigern dieser Gesellschaft als Gesamtschuldner. 2Die gleiche Haftung trifft sie für alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, die nach der Eingliederung begründet werden. 3Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam. (2) Wird die Hauptgesellschaft wegen einer Verbindlichkeit der eingegliederten Gesellschaft in Anspruch genommen, so kann sie Einwendungen, die nicht in ihrer Person begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie von der eingegliederten Gesellschaft erhoben werden können. (3) 1Die Hauptgesellschaft kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange der eingegliederten Gesellschaft das Recht zusteht, das ihrer Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten. 2Die gleiche Befugnis hat die Hauptgesellschaft, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung der eingegliederten Gesellschaft befriedigen kann. (4) Aus einem gegen die eingegliederte Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Schuldtitel findet die Zwangsvollstreckung gegen die Hauptgesellschaft nicht statt. Übersicht I. Grundlagen ........................................ 1 II. Gesamtschuldnerische Mithaftung der Hauptgesellschaft (§ 322 Abs. 1) ..................................... 2 1. Haftungsinhalt .................................... 2 2. Haftungsumfang ................................. 3 3. Regress ................................................ 4 I.
III. Einwendungen (§ 322 Abs. 2) .......... 1. Persönliche Einwendungen ............... 2. Abgeleitete Einwendungen ................ IV. Gestaltungsrechte (§ 322 Abs. 3) ..... V. Zwangsvollstreckung (§ 322 Abs. 4) .....................................
5 6 7 8 9
Grundlagen
§ 322 begründet die gesamtschuldnerische Mithaftung der Hauptgesellschaft für Ver- 1 bindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, die vor und nach der Eintragung der Eingliederung ins Handelsregister begründet werden. Die Vorschrift schützt die Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft und kompensiert die weitgehenden Eingriffsbefugnisse der Hauptgesellschaft in das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft nach § 323 und die damit einhergehende Lockerung der Regelungen zur Kapitalaufbringung und -erhal-
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§ 322
Haftung der Hauptgesellschaft
tung.1) Die eingegliederte Gesellschaft und die Hauptgesellschaft können im Innenverhältnis den Ausgleich untereinander näher regeln oder einen vollständigen Haftungsausschluss bestimmen, was jedoch die Mithaftung im Außenverhältnis unberührt lässt (§ 322 Abs. 1 Satz 3).2) II.
Gesamtschuldnerische Mithaftung der Hauptgesellschaft (§ 322 Abs. 1)
1.
Haftungsinhalt
2 Mit § 322 wollte sich der Gesetzgeber ausweislich seiner Begründung an vergleichbare Gesamtschuldverhältnisse anlehnen. Er hatte dabei insbesondere den Vergleich mit der Haftung der OHG-Gesellschafter für Schulden ihrer Gesellschaft (§§ 128, 129 HGB) vor Augen.3) Nach zwischenzeitlich einhelliger Meinung begründet § 128 Satz 1 HGB jedoch ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den OHG-Gesellschaftern, nicht jedoch zwischen der OHG und ihren Gesellschaftern.4) § 128 HGB bestimmt hiernach eine akzessorische Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, was wiederum in § 322 Abs. 2 und 35) zum Ausdruck kommt. Die damit in § 322 zutage tretende Gemengelage zwischen akzessorischer und gesamtschuldnerischer Haftung lösen manche Ansichten über eine Modifizierung der §§ 421 ff. BGB durch § 322 Abs. 2 und Abs. 3,6) während andere Stimmen eine korrigierende Auslegung des § 322 Abs. 1 Satz 1 befürworten.7) Folgt man zu Recht der zweiten Ansicht und sieht in § 322 Abs. 1 Satz 1 eine akzessorische Haftung, bestimmt sich der Inhalt der Haftung der Hauptgesellschaft nach den zu § 128 HGB entwickelten Grundsätzen. Die ganz überwiegende Meinung folgt hier zu Recht der Erfüllungstheorie, wonach die Hauptgesellschaft grundsätzlich auf Erfüllung der von der eingegliederten Gesellschaft geschuldeten Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann.8) Die Hauptgesellschaft schuldet daher dasselbe wie die eingegliederte Gesellschaft und kann nicht nur auf das Interesse oder eine Einstandspflicht in Anspruch genommen werden. Ausnahmen gelten jedoch bei unvertretbaren Handlungen, Unterlassungsansprüchen oder bei einem Unvermögen zur Leistung, das auf die Einflussnahme durch die Hauptgesellschaft zurückzuführen ist.9) 2.
Haftungsumfang
3 Die Gesellschaft haftet in voller Höhe für alle nach § 322 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 begründeten Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft, gleich ob Barleistung oder Erfüllung in sonstiger Weise geschuldet ist. Entscheidend hierfür ist, dass der Rechtsgrund für den Anspruch des Gläubigers gelegt ist (z. B. Vertragsabschluss).10) Der
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
9) 10)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 1. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 2. Begr. RegE in: Kropff, S. 426. BGH, Urt. v. 22.3.1988 – X ZR 64/87, ZIP 1988, 841, 841 f.; Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 3; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 322 Rz. 1; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 5. Die nahezu wortgleich mit § 129 HGB übereinstimmen. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 12; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 322 Rz. 5. Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 4; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 3. So etwa Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 6; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 7; Grundwald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 3; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 322 Rz. 3; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 54; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 322 Rz. 7 f. Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 6; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 8. Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 5.
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§ 322
Haftung der Hauptgesellschaft
konkrete Rechtsgrund spielt dabei keine Rolle, was in mehrstufigen Konzernverbindungen dazu führen kann, dass die Hauptgesellschaft auch für Schulden der Enkelin haftet.11) 3.
Regress
Im Falle ihrer Inanspruchnahme kann die Hauptgesellschaft bei der eingegliederten Ge- 4 sellschaft in voller Höhe Regress nehmen.12) Unter Berücksichtigung der hier vertretenen Ansicht folgt dieser Anspruch aus den §§ 683 Satz 1, 670 BGB, § 110 HGB und nicht aus § 426 Abs. 1 und 2 BGB, da hierfür die tatbestandliche Anknüpfung fehlt. Zum selben Ergebnis kommen aber auch diejenigen Stimmen, die in § 322 Abs. 1 Satz 1 eine modifizierte Gesamtschuld sehen.13) Die Hauptforderung geht in entsprechender Anwendung von § 774 Abs. 1 S. 1 BGB im Wege der Legalzession einschließlich aller Sicherheiten und Nebenrechte auf die Hauptgesellschaft über.14) Die eingegliederte Gesellschaft kann jedoch einwenden, dass der Rechtsgrund für die Hauptforderung auf eine Veranlassung durch die Hauptgesellschaft i. S. von § 323 Abs. 1 Satz 1 zurückgeht und insoweit einen Regress ausschließen.15) III.
Einwendungen (§ 322 Abs. 2)
Die Hauptgesellschaft kann nach § 322 Abs. 2 gegen ihre Inanspruchnahme persönliche 5 Einwendungen und solche Einwendungen geltend machen, die die eingegliederte Gesellschaft selbst noch erheben kann (abgeleitete Einwendungen). 1.
Persönliche Einwendungen
Die Zulässigkeit persönlicher Einwendungen ist zwar in § 322 Abs. 2 nicht ausdrücklich 6 geregelt, aber selbstverständlich. Persönliche Einwendungen können sich etwa aus einem Erlassvertrag, einer Stundung, einer Abrede zwischen dem Gläubiger und der eingegliederten Gesellschaft zugunsten der Hauptgesellschaft i. S. von § 328 BGB, dem Arglisteinwand oder einer Aufrechnung mit einer eigenen Forderung ergeben.16) 2.
Abgeleitete Einwendungen
Die Regelung über die Geltendmachung abgeleiteter Einwendungen nach § 322 Abs. 2 ist 7 § 129 Abs. 1 HGB nachgebildet und kann entsprechend verstanden werden. Einreden sind damit ebenfalls umfasst.17) Kann die eingegliederte Gesellschaft die Einwendung oder Einrede, gleich aus welchem Rechtsgrund einschließlich eines Verzichts, nicht mehr erheben, wirkt dies zu Lasten der Hauptgesellschaft. In Betracht kommen hier etwa Verjährung, Verwirkung, Erfüllung, Anfechtung, Rücktritt, Stundung, Zurückbehaltungsrechte oder Erlass.18) Ein einseitiger Erlass nur zu Gunsten der eingegliederten Gesellschaft _____________ 11) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 8; Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 2, mit Hinweis auf die §§ 302 f., 317, 322 als möglicher Rechtsgrund. 12) Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 7; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 18; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 322 Rz. 4; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 18. 13) Vgl. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 18: Die Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 – hälftige Innenhaftung – gilt hier nicht. 14) Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 7. 15) Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 7; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 18. 16) Vgl. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 13; Hölters-Leuering/Goertz, AktG, § 322 Rz. 6; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 12. 17) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 10; Baumbach/Hopt-Roth, HGB, § 129 Rz. 1. 18) Vgl. Beispiele bei Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 322 Rz. 6; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 11; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 10.
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§ 323
Leitungsmacht der Hauptgesellschaft
unter Beibehaltung der Mithaft der Hauptgesellschaft ist jedoch ohne deren Einverständnis unzulässig.19) Eine Verjährungsunterbrechung ausschließlich gegenüber der Hauptgesellschaft reicht zugunsten des Gläubigers aus.20) IV.
Gestaltungsrechte (§ 322 Abs. 3)
8 § 322 Abs. 3 ist § 129 Abs. 2 und 3 HGB nachgebildet und regelt den Fall, dass die eingegliederte Gesellschaft noch zur Ausübung bestimmter Gestaltungsrechte (Anfechtung, Aufrechnung) berechtigt ist. Im Ergebnis hat die Hauptgesellschaft ein zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht. Soweit die Hauptgesellschaft berechtigt ist, Weisungen zur Ausübung dieser Gestaltungsrechte zu erteilen (§ 323 Abs. 1 Satz 1), ist die praktische Bedeutung der Vorschrift allerdings gering. Sind die Gestaltungsrechte bereits erklärt, gilt § 322 Abs. 2 i. V. m. § 142 bzw. § 389 BGB. Entgegen des missverständlichen Wortlauts kommt es für § 322 Abs. 3 Satz 2 darauf an, dass die eingegliederte Gesellschaft zur Aufrechnung berechtigt ist. Ist nur der Gläubiger hierzu berechtigt und besteht damit eine einseitige Aufrechnungslage zu seinen Gunsten, ist die Einrede durch die Hauptgesellschaft ausgeschlossen.21) Mangels praktischer Notwendigkeit ist der h. M. zuzustimmen, § 322 Abs. 3 nicht auf sonstige Gestaltungsrechte auszudehnen.22) V.
Zwangsvollstreckung (§ 322 Abs. 4)
9 Aus einem Titel gegen die eingegliederte Gesellschaft kann nicht gegen das Vermögen der Hauptgesellschaft vollstreckt werden. Persönliche Einwendungen wären ihr sonst abgeschnitten. Die Vorschrift ist § 129 Abs. 4 HGB nachgebildet. Erhebt die Hauptgesellschaft bei der Vollstreckung gegen die eingegliederte Gesellschaft Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO), ist diese als unbegründet abzuweisen, wenn die Hauptgesellschaft keine persönlichen Einwendungen vorträgt (arg. § 322 Abs. 1 Satz 1).23) _____________ 19) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 11; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.4.1976 – II ZR 220/65, BGHZ 47, 376, 380 – zu § 129 HGB; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 12 – wegen Akzessorietät auch mit Zustimmung unzulässig. 20) H. M. vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1988 – X ZR 64/87, ZIP 1988, 841, 842 f.; Grunewald in: MünchKommAktG, § 322 Rz. 11; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 11; a. A: Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 12. 21) BGH, Urt. v. 14.12.1964 – VIII ZR 119/63, BGHZ 42, 396, 397 f.; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 15; Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 14. 22) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 322 Rz. 15; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 322 Rz. 14; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 15. 23) Emmerich/Habersack-Habersack, § 322 AktG Rz. 17.
§ 323 Leitungsmacht der Hauptgesellschaft und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder (1) 1Die Hauptgesellschaft ist berechtigt, dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen. 2§ 308 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, §§ 309, 310 gelten sinngemäß. 3§§ 311 bis 318 sind nicht anzuwenden. (2) Leistungen der eingegliederten Gesellschaft an die Hauptgesellschaft gelten nicht als Verstoß gegen die §§ 57, 58 und 60.
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§ 323
Leitungsmacht der Hauptgesellschaft Übersicht I. Leitungsmacht ................................... 1 1. Weisungsrecht .................................... 1 I.
Leitungsmacht
1.
Weisungsrecht
2. Folgepflicht ........................................ 3 II. Verantwortlichkeit ........................... 4
§ 323 Abs. 1 Satz 1 gibt der Hauptgesellschaft ein § 308 Abs. 1 Satz 1 entsprechendes 1 Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft und damit das Recht, umfassend über das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft zu verfügen. Aufgrund der fehlenden Verweisung auf § 308 Abs. 1 Satz 2 müssen Weisungen jedoch nicht durch das Konzerninteresse gerechtfertigt sein. Nach h. M. sind darüber hinaus auch zu Recht existenzgefährdende oder -vernichtende Weisungen zulässig.1) Sittenwidrige Weisungen und Weisungen, die gegen §§ 134, 138 BGB oder die Satzung der eingegliederten Gesellschaft verstoßen, bleiben jedoch unzulässig.2) Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 sind grundsätzlich zu beachten (§ 323 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 308 Abs. 3). Die Regeln der Kapitalerhaltung in den §§ 57, 58 und 60 gelten i. R. zulässiger Weisungen 2 nicht (§ 323 Abs. 2). Die Hauptgesellschaft hat damit auch die Möglichkeit, den Gewinn der eingegliederten Gesellschaft oder deren gesamtes Vermögen durch entsprechende Weisung auf sich zu übertragen.3) Ein Gewinnabführungsvertrag ist hierfür nicht erforderlich. Die Grundsätze der Kapitalaufbringung gelten jedoch mit der Einschränkung des § 324 Abs. 1 fort.4) Für die Ausübung des Weisungsrechts, seine Delegation und den Kreis der Weisungsempfänger kann auf die Ausführungen zu § 308 (siehe dort Rz. 2 und 4 f.) verwiesen werden. Ein Recht zur umfassenden und sachlich unbeschränkten Delegation oder Bevollmächtigung ist auch bei einer mehrstufigen Eingliederung nicht anzuerkennen, da trotz der Lockerungen gegenüber § 308 Abs. 1 Satz 1 noch Schranken bestehen und der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft deren Beachtung kontrollieren und sicherstellen muss.5) 2.
Folgepflicht
Der Vorstand ist verpflichtet, die Weisungen der Hauptgesellschaft zu befolgen (§ 323 3 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 308 Abs. 2 Satz 1). Dies gilt jedoch nur für zulässige Weisungen. Der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft hat daher vor Ausführung einer jeden Weisung zu prüfen, ob diese sich i. R. der Vorgaben nach Rz. 1 hält. Nach zutreffender Ansicht hat der Vorstand entsprechend der allgemeinen Grundsätze hierbei auch zu prüfen, ob und in welchem Maße sich die Weisung auf die eingegliederte Gesellschaft nachteilig auswirkt und der Hauptgesellschaft sein Ergebnis vor Vollzug der Weisung mitzu-
_____________ 1)
2)
3) 4) 5)
Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 323 Rz. 3; Emmerich/Habersack-Habersack, § 323 AktG Rz. 2; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 56; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 323 Rz. 1; a. A. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 323 Rz. 6; wohl auch Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 323 Rz. 2; offen gelassen Hüffer, AktG, § 323 Rz. 3. Emmerich/Habersack-Habersack, § 323 AktG Rz. 2; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 323 Rz. 2; Bürgers/ Körber-Fett, AktG, § 323 Rz. 2; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 323 Rz. 5, worunter auch Weisungen fallen können, soweit sie einen existenzvernichtenden Eingriff i. S. von § 826 BGB darstellen. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 323 Rz. 4; Emmerich/Habersack-Habersack, § 323 AktG Rz. 3. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 323 Rz. 3, wonach ein weisungsgemäßer Verzicht auf eine noch offene Einlage unzulässig ist. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 323 Rz. 8; a. A. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 57; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 323 Rz. 11.
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1547
§ 324
Gesetzliche Rücklage. Gewinnabführung. Verlustübernahme
teilen.6) Im weisungsfreien Bereich leitet der Vorstand die eingegliederte Gesellschaft in eigener Verantwortung (§ 76). Für die Frage, an welchem Interesse er sich hierbei zu orientieren hat, gelten die Ausführungen zu § 308, siehe dort Rz. 22, entsprechend. In jedem Fall trifft ihn bei wesentlichen Entscheidungen eine Pflicht zur vorherigen Konsultation der Hauptgesellschaft.7) II.
Verantwortlichkeit
4 Hinsichtlich der Verantwortlichkeit für angewiesene Maßnahmen verweist § 323 Abs. 1 Satz 2 auf die §§ 309 und 310. Die Vorstandsmitglieder der Hauptgesellschaft haben daher bei der Weisungserteilung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Anderenfalls haften sie der eingegliederten Gesellschaft auf Schadensersatz. Die Haftung ist aber aufgrund des fehlenden Verweises auf § 308 Abs. 1 Satz 2 enger als im direkten Anwendungsbereich des § 309 und kommt nur bei Weisungen zum Tragen, die die in Rz. 1 aufgezeigten Grenzen überschreiten. Die praktische Bedeutung dieses Haftungstatbestands ist gering.8) Für Verzicht, Vergleich und Verjährung gelten die Ausführungen zu § 309 Abs. 3 bis 5 entsprechend (siehe dort Rz. 10 ff.). Der Verweis auf § 310 begründet eine gesamtschuldnerische Haftung der Verwaltungsmitglieder der eingegliederten Gesellschaft neben der Hauptgesellschaft und deren Vorstandsmitglieder für die Ausführung von unzulässigen Weisungen. § 323 Abs. 1 Satz 3 stellt klar, dass die §§ 311 bis 318 über den faktischen Konzern nicht anwendbar sind. _____________ 6) 7)
8)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 323 AktG Rz. 6; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 59; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 323 Rz. 6. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 323 Rz. 10; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 323 Rz. 5; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 323 Rz. 8; wohl auch Heidel-Knöfler, § 323 AktG Rz. 2; a. A. Emmerich/ Habersack-Habersack, § 323 AktG Rz. 7; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 323 Rz. 7. Vgl. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 323 Rz. 8
§ 324 Gesetzliche Rücklage. Gewinnabführung. Verlustübernahme (1) Die gesetzlichen Vorschriften über die Bildung einer gesetzlichen Rücklage, über ihre Verwendung und über die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage sind auf eingegliederte Gesellschaften nicht anzuwenden. (2) 1Auf einen Gewinnabführungsvertrag, eine Gewinngemeinschaft oder einen Teilgewinnabführungsvertrag zwischen der eingegliederten Gesellschaft und der Hauptgesellschaft sind die §§ 293 bis 296, 298 bis 303 nicht anzuwenden. 2Der Vertrag, seine Änderung und seine Aufhebung bedürfen der schriftlichen Form. 3Als Gewinn kann höchstens der ohne die Gewinnabführung entstehende Bilanzgewinn abgeführt werden. 4Der Vertrag endet spätestens zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem die Eingliederung endet. (3) Die Hauptgesellschaft ist verpflichtet, jeden bei der eingegliederten Gesellschaft sonst entstehenden Bilanzverlust auszugleichen, soweit dieser den Betrag der Kapitalrücklagen und der Gewinnrücklagen übersteigt. Übersicht I. Grundlagen ....................................... 1 II. Gesetzliche Rücklage (§ 324 Abs. 1) ..................................... 2
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III. Unternehmensverträge (§ 324 Abs. 2) ..................................... 3 IV. Verlustausgleich (§ 324 Abs. 3) ........ 7
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Gesetzliche Rücklage. Gewinnabführung. Verlustübernahme I.
§ 324
Grundlagen
§ 324 modifiziert die Finanzverfassung der eingegliederten Gesellschaft und ist Ausfluss 1 von § 323, wonach die Hauptgesellschaft umfassend auf das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft und deren Gewinn zugreifen kann, soweit nur das Grundkapital unangetastet bleibt. Die Vorschriften des § 150 über die Bildung, Dotierung und Verwendung der gesetzlichen Rücklage sind bei der eingegliederten Gesellschaft nicht anwendbar, da deren Gläubiger ausreichend über die §§ 321, 322 geschützt sind und keine außenstehenden Aktionäre mehr vorhanden sind. Aus diesem Grund bedarf es auch keines Schutzes durch die §§ 293 bis 296, 298 bis 303. Nicht verkannt werden darf dabei aber, dass die Pflicht zum Verlustausgleich nach § 324 Abs. 3 hinter dem Schutz des § 302 zurückbleibt und keinen Beitrag zur Bestandssicherung der Gesellschaft für die Zeit nach Beendigung der Eingliederung liefert.1) II.
Gesetzliche Rücklage (§ 324 Abs. 1)
Nach § 324 Abs. 1 sind die gesetzlichen Vorschriften über die Bildung einer gesetzlichen 2 Rücklage (§ 150 Abs. 1), über ihre Verwendung (§ 150 Abs. 3 und 4) und über die Einstellung von Beträgen in die gesetzliche Rücklage (§ 150 Abs. 2) auf die eingegliederte Gesellschaft nicht anzuwenden. Die gesetzliche Rücklage kann daher ohne Weiteres aufgelöst und als Gewinn nach den allgemeinen Bestimmungen ausgeschüttet werden. Satzungsregelungen über die gesetzliche Rücklage sind jedoch weiterhin zu beachten und müssten vor einer solchen Auflösung erst geändert werden.2) Auf die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 HGB ist § 324 Abs. 1 weder direkt noch entsprechend anwendbar.3) III.
Unternehmensverträge (§ 324 Abs. 2)
Der Verzicht auf bestimmte Formalien bei Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages 3 (Beschluss der Hauptversammlung, Berichts- und Informationspflichten nach den §§ 293 ff., Eintragung im Handelsregister nach § 294) will die Begründung einer steuerlichen Organschaft i. S. von § 14 KStG erleichtern. Darüber hinaus ergibt sich im Falle der Eingliederung keine Notwendigkeit für einen Gewinnabführungsvertrag, da die Hauptgesellschaft auch ohne einen solchen Vertrag ohne weiteres durch entsprechende Weisung auf die Gewinne der eingegliederten Gesellschaft zugreifen kann. Neben dem Abschluss bedürfen daher auch die Änderung (§ 295) und die Aufhebung (§§ 296, 298) eines Gewinnabführungsvertrages lediglich der Schriftform. Mangels Schutzbedürfnis finden auch die Regelungen über Weisungen zur Änderung, Aufrechterhaltung oder Beendigung eines Gewinnabführungsvertrages (§ 299), die gesetzliche Rücklage (§ 300), den Höchstbetrag der Gewinnabführung (§ 301), die Verlustübernahme (§ 302) und den Gläubigerschutz (§ 303) keine Anwendung. Die für eine Vertragskündigung geltenden Bestimmungen (§ 297) bleiben jedoch anwendbar. Nach § 324 Abs. 2 Satz 3 kann aufgrund eines Vertrages nach § 324 Abs. 2 Satz 1 nur der 4 fiktive Bilanzgewinn, also der Bilanzgewinn wie er ohne die vertragliche Pflicht zur Gewinnabführung entstehen würde, abgeführt werden. Mangels Anwendbarkeit von § 301 muss jedoch nicht der Gewinn zunächst um einen Verlustvortrag gemindert und die gesetzliche Rücklage dotiert werden. Die Sperre nach § 268 Abs. 8 HGB bleibt jedoch _____________ 1) 2) 3)
Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 324 Rz. 12; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 324 Rz. 8. Allg. M. Emmerich/Habersack-Habersack, § 324 AktG Rz. 4; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 324 Rz. 2. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Abs. 64 – keine praktische Bedeutung wegen § 324 Abs. 3.
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§ 325 weiterhin zu beachten.4) Daneben bleibt ein weitergehender Gewinnzugriff auf Basis einer Einzelweisung möglich.5) 5 Nach § 324 Abs. 2 Satz 4 endet der Gewinnabführungsvertrag spätestens zum Ende des Geschäftsjahres, in dem die Eingliederung endet. Der Vertrag endet dabei automatisch, eine anderweitige Regelung ist unzulässig.6) Sinn und Zweck der Regelung ist der Wegfall der gesetzlichen Mithaftung der Hauptgesellschaft nach § 322 (Gläubigerschutz) mit Beendigung der Eingliederung. Will die Hauptgesellschaft hiernach an der vertraglichen Gewinnabführung festhalten, hat sie unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen der §§ 293 ff. den Abschluss eines neuen Gewinnabführungsvertrages herbeizuführen. Verlängerungsklauseln oder sonstige Vereinbarungen, wonach die Gewinnabführung unter Beachtung der Schutzvorschriften der §§ 300 ff. fortbesteht, sind nach § 134 BGB nichtig.7) Alternativ kann der Vertrag vor seiner automatischen Beendigung nach § 324 Abs. 2 Satz 4 durch einvernehmliche Aufhebung, Ausübung vertraglicher Kündigungsrechte oder mangels Nichtanwendbarkeit von § 299 auch durch Weisung der Hauptgesellschaft beendet werden.8) 6 Vorstehende Ausführungen gelten nach § 324 Abs. 2 Satz 1 auch für die Gewinngemeinschaft oder Teilgewinnabführungsverträge i. S. von § 292, nicht jedoch für Beherrschungsverträge oder sonstige Unternehmensverträge i. S. von § 292 Abs. 1 Nr. 3. Ein bestehender Beherrschungsvertrag endet jedoch mit Eintragung der Eingliederung im Handelsregister.9) IV.
Verlustausgleich (§ 324 Abs. 3)
7 Nach § 324 Abs. 3 ist die Hauptgesellschaft verpflichtet, jeden bei der eingegliederten Gesellschaft sonst entstehenden Bilanzverlust (fiktiver Bilanzverlust) auszugleichen, soweit dieser den Betrag der Kapitalrücklagen und der Gewinnrücklagen übersteigt. Sinn und Zweck der Regelung ist die Erhaltung des Grundkapitals, aber auch nicht mehr. Im Gegensatz zu § 302 können damit auch die Kapitalrücklage und die vor Eingliederung gebildeten Gewinnrücklagen aufgelöst und zum bilanziellen Ausgleich eines Fehlbetrages verwendet werden.10) Alternativ kann dies auch durch eine vereinfachte Kapitalherabsetzung nach § 229 geschehen. _____________ 4) Hüffer, AktG, § 324 Rz. 5; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 324 Rz. 5 – Redaktionsfehler. 5) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 324 Rz. 7; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 324 Rz. 5; Bürgers/ Körber-Fett, AktG, § 324 Rz. 4. 6) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 324 Rz. 6; Emmerich/Habersack-Habersack, § 324 AktG Rz. 6; Hüffer, AktG, § 324 Rz. 6. 7) Emmerich/Habersack-Habersack, § 324 AktG Rz. 6; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 324 Rz. 6; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 324 Rz. 3. 8) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 324 Rz. 6. 9) BGH, Urt. v. 27.5.1974 – II ZR 109/72, WM 1974, 713, 715; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 324 Rz. 7. 10) Nach dem klaren Gesetzeswortlaut ist dies jedoch nicht zwingend erforderlich. Es kann vielmehr auch ein Verlustvortrag bis zu dieser Höhe gebildet werden, vgl. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 66.
§ 325 (aufgehoben)
1)
_____________ 1)
Aufgehoben durch Gesetz v. 19.12.1985 – BiRiLiG, BGBl. I, 2355.
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Auskunftsrecht der Aktionäre der Hauptgesellschaft
§ 326
§ 326 Auskunftsrecht der Aktionäre der Hauptgesellschaft Jedem Aktionär der Hauptgesellschaft ist über Angelegenheiten der eingegliederten Gesellschaft ebenso Auskunft zu erteilen wie über Angelegenheiten der Hauptgesellschaft. Übersicht I. Grundlagen ........................................ 1 I.
II. Auskunftsrecht .................................. 2
Grundlagen
§ 326 gibt jedem Aktionär der Hauptgesellschaft das Recht, über Angelegenheiten der 1 eingegliederten Gesellschaft ebenso Auskunft zu erhalten wie über die Angelegenheiten der Hauptgesellschaft selbst und erweitert damit das allgemeine Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1. Die Regelung berücksichtigt, dass die eingegliederte Gesellschaft ungeachtet ihrer rechtlichen Selbstständigkeit wie eine Betriebsabteilung der Hauptgesellschaft behandelt wird (siehe § 319 Rz. 1) und die Aktionäre der Hauptgesellschaft aufgrund deren Haftung nach § 322 ein erhöhtes Informationsbedürfnis haben.1) II.
Auskunftsrecht
Zur Auskunft verpflichtet ist die Hauptgesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand. 2 Über die Angelegenheiten der Hauptgesellschaft (§ 131 Abs. 1 Satz 1) und deren rechtliche und geschäftliche Beziehung zu einem verbundenen Unternehmen (§ 131 Abs. 1 Satz 2) hinaus können nach § 326 in der Hauptversammlung der Hauptgesellschaft auch Auskünfte über die Angelegenheiten der eingegliederten Gesellschaft verlangt werden. Die allgemeinen Grundsätze nach § 131 Abs. 1 Satz 1 gelten hierfür in vollem Umfang. Unter den Voraussetzungen von § 131 Abs. 3 können daher auch bestimmte Auskünfte verweigert werden. Der Vorstand kann sich zur Erfüllung seiner Auskunftspflicht Dritter bedienen, soweit er sich die entsprechenden Antworten erkennbar zu Eigen macht. Hierzu kann er auch den Vorstand der eingegliederten Gesellschaft anweisen, ohne dass die Aktionäre ein Recht hätten, dem zu widersprechen.2) Bei einer mehrstufigen Eingliederung können auch Auskünfte über die Angelegenheiten der Enkelin verlangt werden.3) Eine Auskunftspflicht des Vorstands der Hauptgesellschaft gegenüber deren Aufsichtsrat ergibt sich aufgrund der Führung der eingegliederten Gesellschaft wie eine Betriebsabteilung als Selbstverständlichkeit bereits aus § 90.4)
_____________ 1) 2)
3) 4)
Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 326 Rz. 1. Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 326 Rz. 1; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 326 Rz. 5; Emmerich/ Habersack-Habersack, § 326 AktG Rz. 2; einschränkend Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 326 Rz. 2, der dies nur mit Zustimmung aller Aktionäre für zulässig hält. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 326 Rz. 3; Emmerich/Habersack-Habersack, § 326 AktG Rz. 3; a. A. Hüffer, AktG, § 326 Rz. 3, der keinen Informationsdurchgriff zulassen will. Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 326 Rz. 3; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 326 Rz. 1.
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§ 327
Ende der Eingliederung
§ 327 Ende der Eingliederung (1) Die Eingliederung endet 1. durch Beschluß der Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft, 2. wenn die Hauptgesellschaft nicht mehr eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ist, 3. wenn sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, 4. durch Auflösung der Hauptgesellschaft. (2) Befinden sich nicht mehr alle Aktien der eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft, so hat die Hauptgesellschaft dies der eingegliederten Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (3) Der Vorstand der bisher eingegliederten Gesellschaft hat das Ende der Eingliederung, seinen Grund und seinen Zeitpunkt unverzüglich zur Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft anzumelden. (4) 1Endet die Eingliederung, so haftet die frühere Hauptgesellschaft für die bis dahin begründeten Verbindlichkeiten der bisher eingegliederten Gesellschaft, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ende der Eingliederung fällig und daraus Ansprüche gegen die frühere Hauptgesellschaft in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt der Erlass eines Verwaltungsakts. 2Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Eintragung des Endes der Eingliederung in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist. 3Die für die Verjährung geltenden §§ 204, 206, 210, 211 und 212 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. 4Einer Feststellung in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art bedarf es nicht, soweit die frühere Hauptgesellschaft den Anspruch schriftlich anerkannt hat. Übersicht I. II. 1. 2.
Grundlagen ....................................... Beendigungsgründe ......................... Gesetzliche Beendigungsgründe ....... Sonstige Beendigungsgründe ............
I.
1 2 2 6
III. Mitteilungspflicht ............................. 7 IV. Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister ................................. 8 V. Nachhaftung und Verjährung ......... 9
Grundlagen
1 § 327 regelt die Beendigung der Eingliederung. Die Beendigungsgründe in § 327 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 sind zwingend und weder durch Satzungsregelungen noch vertragliche Vereinbarungen abding- oder erweiterbar.1) Die Hauptgesellschaft kann sich jedoch gegenüber der eingegliederten Gesellschaft verpflichten, die Eingliederung unter bestimmten Voraussetzungen durch Beschluss nach § 327 Abs. 1 Nr. 1 zu beenden.2) Neben den gesetzlichen Beendigungsgründen regelt § 327 die Mitteilungspflicht der Hauptgesellschaft, falls diese nicht mehr Alleinaktionärin ist (§ 327 Abs. 2) und die Pflicht des Vorstands, die Beendigung zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 327 _____________ 1) 2)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 3; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 13, 14. Vgl. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 13.
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§ 327
Ende der Eingliederung
Abs. 3). § 327 Abs. 4 bestimmt zum Schutz der Gläubiger der eingegliederten Gesellschaft eine gesetzliche Nachhaftung der Hauptgesellschaft für fünf Jahre. Die Beendigung ist mit Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes wirksam, die Eintragung im Handelsregister hat nur deklaratorische Wirkung. Zur Bestimmung des Umfangs der Verlustausgleichspflicht nach § 324 Abs. 3 ist auf den Tag der Beendigung eine Zwischenbilanz aufzustellen.3) II.
Beendigungsgründe
1.
Gesetzliche Beendigungsgründe
Die Eingliederung nach § 327 Abs. 1 Nr. 1 endet durch Beschluss der Hauptversamm- 2 lung der eingegliederten Gesellschaft. Die Beschlussfassung findet zwangsläufig in Form einer Vollversammlung i. S. von § 121 Abs. 6 statt und kann damit praktisch jederzeit erfolgen. Für die Beendigung kann dabei ein späterer Zeitpunkt festgelegt werden, soweit er kalendermäßig bestimmbar ist. Eine rückwirkende Beendigung ist jedoch nicht zulässig.4) Einer Zustimmung der Hauptversammlung der Hauptgesellschaft bedarf es weder nach den Grundsätzen der Holzmüller-Rechtsprechung noch aus sonstigen Gründen.5) Nach § 327 Abs. 1 Nr. 2 endet die Eingliederung, wenn die Hauptgesellschaft nicht mehr 3 eine AG (oder nach hier vertretener Ansicht SE mit Sitz im Inland) ist. Auslöser hierfür kann etwa ein Formwechsel oder eine Verschmelzung auf einen Rechtsträger anderer Rechtsform sein. Die Eingliederung besteht jedoch fort, wenn die Hauptgesellschaft auf eine deutsche AG verschmolzen wird.6) Dies ist wegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG zu befürworten. Die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ins Ausland spielt dabei grundsätzlich keine Rolle (siehe § 319 Rz. 2), kann jedoch u. U. zur Auflösung der Hauptgesellschaft und damit zur Beendigung nach § 327 Abs. 1 Nr. 4 führen. Nach § 327 Abs. 1 Nr. 3 endet die Eingliederung, wenn sich nicht mehr alle Aktien der 4 eingegliederten Gesellschaft in der Hand der Hauptgesellschaft befinden. Das Hinzutreten von Minderheitsaktionären beendet damit die Eingliederung. Auf den Grund hierfür (z. B. Kapitalerhöhung, Erwerb von der Hauptgesellschaft) kommt es nicht an. Ausreichend ist der Erwerb der Mitgliedschaftsrechte an einer Aktie.7) Gleiches gilt für die Übertragung aller Aktien an eine andere Gesellschaft zum Schutz ihrer Gesellschafter.8) Auf die Person des hinzutretenden Aktionärs kommt es nicht an. Auch der Erwerb durch eine Konzerngesellschaft oder die eingegliederte Gesellschaft selbst führt daher zur Beendigung.9) Nach § 327 Abs. 1 Nr. 4 endet die Eingliederung durch Auflösung der Hauptgesell- 5 schaft. Hierfür sind ausschließlich die §§ 262 Abs. 1, 396 maßgebend.10) Trotz Auflösung führt die Verschmelzung der Hauptgesellschaft auf eine andere AG nicht zur Beendigung der Eingliederung, sondern zum Übergang des Eingliederungsverhältnisses auf die aufnehmende Gesellschaft. Diese ist dann die neue Hauptgesellschaft (siehe oben Rz. 3). _____________ 3) 4) 5) 6)
7) 8) 9) 10)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 2.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 75. Allg. M., Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327 Rz. 2; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 4. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 4. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 4 – auch bei Verschmelzung auf eine gleichstrukturierte Gesellschaft eines EU-Mitgliedsstaates; Hüffer, AktG, § 327 Rz. 4; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 8 – auch bei Verschmelzung auf eine SE oder KGaA; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327 Rz. 5; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 327 Rz. 15. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 6. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327 Rz. 4; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 6. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 6. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 7; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 8.
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§ 327
Ende der Eingliederung
Abspaltung und Ausgliederung (§ 123 Abs. 2 und 3 UmwG) bei der Hauptgesellschaft haben jedoch keine Auswirkungen auf die Eingliederung. 2.
Sonstige Beendigungsgründe
6 Neben den gesetzlichen Beendigungsgründen wird die Eingliederung auch durch den Wegfall der persönlichen Voraussetzungen der eingegliederten Gesellschaft nach § 319 Abs. 1 Satz 1 beendet.11) Dies ist beim Formwechsel der eingegliederten Gesellschaft in eine andere Rechtsform (außer SE mit Sitz im Inland) und grundsätzlich auch bei einer Verschmelzung der Fall. Uneinigkeit besteht jedoch bei einer Verschmelzung der eingegliederten Gesellschaft auf eine AG (oder SE mit Sitz im Inland), an der die Hauptgesellschaft zu 100 % beteiligt ist.12) Obgleich die h. M. wegen des ohnehin bestehenden Beschlusserfordernisses nach § 13, 65 UmwG überzeugt, empfiehlt es sich in der Praxis gleichwohl, neben der Umwandlung ausdrücklich auch die Eingliederung zu beschließen.13) Verschmelzungen auf die eingegliederte Gesellschaft lassen zu Recht die Eingliederung unberührt, falls die Hauptgesellschaft Alleinaktionärin der eingegliederten Gesellschaft bleibt (z. B. bei Verschmelzung einer 100 %-Tochter der Hauptgesellschaft oder eingegliederten Gesellschaft).14) III.
Mitteilungspflicht
7 Ist die Hauptgesellschaft nicht mehr Alleinaktionärin der eingegliederten Gesellschaft, hat sie dies der eingegliederten Gesellschaft unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) schriftlich mitzuteilen (§ 327 Abs. 2). Hierdurch soll die eingegliederte Gesellschaft die notwendige Kenntnis erlangen, um ihrer Pflicht zur Anmeldung nach § 327 Abs. 3 nachzukommen. In der Mitteilung ist der Zeitpunkt anzugeben, in dem die Hauptgesellschaft ihre Alleinaktionärseigenschaft verloren hat. Maßgeblich ist dabei der Erwerb der ersten Aktie durch einen Dritten.15) Eine schuldhafte Verletzung der Mitteilungspflicht kann zur Schadensersatzhaftung führen. Wegen der engen Verbindung beider Gesellschaften ist § 327 Abs. 2 für die Beendigung nach § 327 Abs. 1 Nr. 2 und 4 nach zutreffender Ansicht entsprechend anzuwenden.16) IV.
Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister
8 Der Vorstand der bisher eingegliederten Gesellschaft hat nach § 327 Abs. 3 das Ende der Eingliederung, seinen Grund und vor allem seinen Zeitpunkt unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragung hat nur deklaratorische Bedeutung. Die Anmeldung kann mittels Zwangsgeld nach § 14 HGB durchgesetzt werden. § 15 HGB findet Anwendung. Wegen der Anknüpfung für die Beendigung der Mithaftung nach § 322 und den Verlustausgleich nach § 324 Abs. 3 kommt es maßgeblich auf die Angabe des Beendigungszeitpunktes an. _____________ 11) H. M., Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 10; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 327 Rz. 4; vgl. auch Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 9. 12) Gegen Beendigung in diesem Fall Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 10; Spindler/ Stilz-Singhof, AktG, § 327 Rz. 6; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 327 Rz. 8; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 10. 13) In diese Richtung auch Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 10. 14) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 10; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 327 Rz. 16; vgl. auch Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 10; a. A. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 73 Rz. 74. 15) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327 Rz. 7; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 12. 16) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 5, 8; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327 Rz. 7; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327 AktG Rz. 12; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 327 Rz. 11.
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§ 327
Ende der Eingliederung V.
Nachhaftung und Verjährung
§ 327 Abs. 4 enthält eine besondere Enthaftungsregelung zugunsten der Hauptgesell- 9 schaft und ist § 160 Abs. 1 und 2 HGB nachgebildet.17) Mit Beendigung der Eingliederung endet auch die Mithaftung nach § 322 für hiernach neu begründete Verbindlichkeiten der ehemals eingegliederten Gesellschaft. Für die während der Eingliederung begründeten Verbindlichkeiten bestimmt § 327 Abs. 4 eine Nachhaftung von fünf Jahren ab Beginn des Tages, an dem die Eintragung der Beendigung im Handelsregister nach § 10 HGB bekannt gemacht worden ist. Die Haftung setzt voraus, dass die Ansprüche innerhalb dieser Frist fällig und nach Maßgabe von § 327 Abs. 4 Satz 1 festgestellt bzw. geltend gemacht werden.
_____________ 17) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327 Rz. 17.
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Vierter Teil Ausschluss von Minderheitsaktionären § 327a Übertragung von Aktien gegen Barabfindung (1) 1Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien kann auf Verlangen eines Aktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals gehören (Hauptaktionär), die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen. 2§ 285 Abs. 2 Satz 1 findet keine Anwendung. (2) Für die Feststellung, ob dem Hauptaktionär 95 vom Hundert der Aktien gehören, gilt § 16 Abs. 2 und 4. Literatur: Austmann, Integration der Zielgesellschaft nach Übernahme, ZGR 2009, 277; Bachmann, Der beschleunigte Anteilserwerb nach dem Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz vor dem Hintergrund des Verfassungs- und Europarechts, ZIP 2009, 1249; Bayer/Schmidt, Der Referentenentwurf zum 3. UmwÄndG: Vereinfachungen bei Verschmelzungen und Spaltungen und ein neuer verschmelzungsspezifischer Squeeze out, ZIP 2010, 953; Deilmann, Aktienrechtlicher versus übernahmerechtlicher Squeeze-Out, NZG 2007, 721; Fröde, Missbräuchlicher Squeeze-Out gemäß §§ 327a ff. AktG, NZG 2007, 729; Hentzen/Rieckers, Übernahmerechtlicher Squeeze-Out – ein Nachruf?, Der Betrieb 2013, 1159; Hohl/Auerbach, BB-Rechtsprechungsreport zum Squeeze-Out 2009, BB 2010, 902; Kiefner/Brügel, Der umwandlungsrechtliche Squeeze-out, Verfahren, Grundsatzmöglichkeiten, Rechtsschutzfragen, AG 2011, 525 ff.; Kocher/ Heydel, Aktienrechtlicher Squeeze-out: Zeitpunkt des Anteilsbesitzerfordernisses und Möglichkeit eines Bestätigungsbeschlusses, BB 2012, 401; Kort, Hauptaktionär nach § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG mittels Wertpapierdarlehen, AG 2006, 557; Kort, Squeeze-Out-Beschlüsse: Kein Erfordernis sachlicher Rechtsfertigung und bloß eingeschränkte Rechtsmissbrauchskontrolle, ZIP 2006, 1519; Kumpan/Mittermeier, Risikoentleerte Stimmrechte – Auswirkungen von Wertpapierdarlehen im Gesellschaftsrecht, ZIP 2009, 404; Lieder/Stange, Squeeze-Out: Aktuelle Streit- und Zweifelsfragen, Der Konzern 2008, 617; Markwardt, Squeeze-Out: Anfechtungsrisiken in „Missbrauchsfällen“, BB 2004, 277; Packi, Inhaltliche Kontrollmöglichkeiten bei Durchführung des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out, ZGR, 2011, 776; Pluskat, Nichtmissbräuchliche Gestaltungen zur Erlangung der Beteiligungshöhe beim Squeeze-Out, NZG 2007, 725; Roth, Die übertragende Auflösung nach Einführung des Squeeze-Out, NZG 2003, 998; Santelmann/Hoppe/ Suerbaum/Bukowski, Squeeze-Out, 2010; Schäfer/Dette, Aktienrechtlicher Squeeze-Out – Beschlussnichtigkeit bei missbräuchlicher Erlangung des Kapitalquorums?, NZG 2009, 1; Schlitt, Die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen des regulären Delisting – Macrotron und die Folgen, ZIP 2004, 533; Schockenhoff/Lumpp, Der verschmelzungsrechtliche Squeeze out in der Praxis, ZIP 2013, 749; Schröder/Wirsch, Formwechsel und anschließender Squeeze-out, ZGR 2012, 660; Stephanblome, Gestaltungmöglichkeiten beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out, AG 2012, 814; Vetter, Squeeze-out. Der Ausschluß der Minderheitsaktionäre aus der Aktiengesellschaft nach den §§ 327a – 327f AktG, AG 2002, 176; Vossius, Squeeze-Out – Checklisten für Beschlussfassung und Durchführung, ZIP 2002, 511.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... 1 1. Regelungsgegenstand und Normzweck ....................................... 1
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2. Verfassungsmäßigkeit ........................ 4 3. Andere Ausschlusstatbestände .......... 5
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§ 327a
Übertragung von Aktien gegen Barabfindung a) Übernahmerechtlicher Squeeze-out .................................. 5 b) Mehrheitseingliederung ............... 6 c) Übertragende Auflösung ............. 7 d) Umwandlungsrechtlicher Squeeze-out .................................. 8 II. Voraussetzungen für den Ausschluss .......................................... 9 1. Hauptaktionär .................................... 9 I.
Grundlagen
1.
Regelungsgegenstand und Normzweck
a) Persönliche Eigenschaften ........... 9 b) Kapitalmehrheit von 95 % ......... 10 2. Squeeze-out-Verlangen .................... 14 3. Beschlussfassung .............................. 17 a) Beschlussinhalt ........................... 17 b) Beschlussmehrheit ..................... 18 c) Materielle Beschlusskontrolle und Rechtsmissbrauch ............... 19
Die §§ 327a ff. regeln den zwangsweisen Ausschluss der Minderheit einer AG, einer SE 1 mit Sitz im Inland oder einer KGaA auf Verlangen eines mit mindestens 95 % beteiligten Hauptaktionärs gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung (sog. aktienrechtlicher Squeeze-out). Die Regelungen gehen auf das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 22.12.2001 zurück.1) Dem aktienrechtlichen Squeeze-out kommt in der Praxis insbesondere für börsennotierte Gesellschaften erhebliche Bedeutung zu.2) Mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister gehen alle Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär automatisch über (§ 327e Abs. 3 Satz 1). Im Gegenzug erhalten die Minderheitsaktionäre eine Barabfindung. Der aktienrechtliche Squeeze-out zielt vor allem auf eine effektive und kostenreduzierte 2 Unternehmensführung und eine Stärkung der unternehmerischen Flexibilität durch Vermeidung von Kleinstbeteiligungen.3) Nach der Gesetzesbegründung soll dem Hauptaktionär insbesondere die freie Entfaltung seiner unternehmerischen Initiative erleichtert werden.4) Die kostenintensive Vorbereitung und Durchführung einer Publikumshauptversammlung und die damit zusammenhängende Beachtung des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes entfällt, da Hauptversammlungen fortan in Form einer Vollversammlung (§ 121 Abs. 6) durchgeführt werden können. Lang andauernde und teure Beschlussmängelstreitigkeiten aufgrund oft missbräuchlicher Klagen können vermieden werden. Die Hürde des Übertragungsbeschlusses ist jedoch zunächst zu überwinden, die überwiegende Anzahl der Übertragungsbeschlüsse wird angefochten.5) Trotz seiner Verortung im Dritten Buch (verbundene Unternehmen) ist der Squeeze-out 3 nach den §§ 327a ff. konzernrechtsneutral, bedarf daher weder einer Verbindung zwischen Gesellschaft und Hauptaktionär nach § 15 AktG noch einer Leitungsbefugnis in Form eines Weisungsrechts gegenüber der Gesellschaft. Grenzen ziehen allein die §§ 311, 317 oder, falls der Hauptaktionär kein Unternehmer ist, die allgemeine Treuepflicht.6)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
BGBl. I 2001, S. 3822, 3838; RegE nebst Begr., BT-Drucks. 14/7034. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 5; DAI Studie Nr. 39, Squeeze-out, Recht und Praxis, Oktober 2007, S. 11. BT-Drucks. 14/7034, S. 31, 32; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 7. BT-Drucks. 14/7034, S. 32. Lieder/Stange, Der Konzern 2008, 617, 618; vgl. Zahlen bei Grunewald in: MünchKomm-AktG, Vor § 327a Rz. 15; DAI Studie Nr. 39 , Oktober 2007, S. 38. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 6; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 12.
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§ 327a 2.
Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
Verfassungsmäßigkeit
4 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der §§ 327a ff. ist zwischenzeitlich gesicherte und vom BVerfG bestätigte Erkenntnis.7) Dies gilt auch bei der Fassung des Übertragungsbeschlusses ohne die Mitwirkung der nicht stimmberechtigten Vorzugsaktionäre oder nach Auflösung der Gesellschaft gemäß § 262.8) Zwar ist das Anteilseigentum der Minderheitsaktionäre und deren mitgliedschaftliche Stellung von der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. § 327a Abs. 1 Satz 1 stellt jedoch eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, falls die Minderheitsaktionäre wirtschaftlich voll entschädigt werden (§ 327b) und ein effektiver Rechtschutz gegen einen Ausschluss gewährleistet ist (§ 327f).9) 3.
Andere Ausschlusstatbestände
a)
Übernahmerechtlicher Squeeze-out
5 Vom aktienrechtlichen ist der übernahmerechtliche Squeeze-out nach §§ 39a, b WpÜG zu unterscheiden.10) Dieser erfordert ein vorangegangenes Übernahme- oder Pflichtangebot, eine Beteiligung von mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals und einen entsprechenden Antrag des Bieters beim LG Frankfurt/M. innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist. Die Beteiligung von 95 % muss dabei spätestens bei Ablauf der erweiterten Annahmefrist vorliegen.11) Der übernahmerechtliche Squeeze-out beschränkt sich jedoch auf Aktien einer börsennotierten Gesellschaft (§ 1 Abs. 1 WpÜG). Aktien- und übernahmerechtlicher Squeeze-out stehen in keinem Vorrang- oder Spezialitätsverhältnis, können damit also auch von einem Bieter alternativ durchgeführt werden. Eine parallele Durchführung beider Verfahren ist jedoch nicht möglich (§ 39a Abs. 6 WpÜG). Der zwangsweise Ausschluss erfolgt nach den §§ 327a ff. durch Beschluss der Hauptversammlung und Eintragung im Handelsregister, nach den §§ 39a, b WpÜG durch rechtskräftigen Gerichtsbeschluss. Schließlich wird beim aktienrechtlichen Squeeze-out die Angemessenheit der Barabfindung durch einen gerichtlich bestellten Prüfer überprüft und kann in einem anschließenden Spruchverfahren korrigiert werden, während beim übernahmerechtlichen Squeeze-out die angemessene Abfindung sogleich gerichtlich festgestellt und dabei vermutet wird, dass die i. R. des Angebots angebotene Gegenleistung angemessen ist, wenn der Bieter aufgrund des Angebots Aktien i. H. von mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben
_____________ 7) BVerfG, Beschl. v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04 (Edscha), ZIP 2007, 1261, 1262 ff.; BVerfG, Beschl. v. 19.9.2007 – 1 BvR 2984/06, ZIP 2007, 2121, 2122; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.8.2000 – BvR 68/95 (Moto Meter), ZIP 2000, 1670, 1671 ff. – zur übertragenden Auflösung; Hasselbach in: KölnKommWpÜG, § 327a AktG Rz. 13 ff.; Santelmann/Hoppe/Suerbaum/Bukowski-Santelmann/Hoppe, SqueezeOut, Rz. 21 ff.; Grunewald in: MünchKomm-AktG, Vor § 327a Rz. 7. 8) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 12, 24, jeweils m. w. N. 9) BVerfG, Beschl. v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, ZIP 2007, 1261, 1262, Rz. 19;. 10) Zum Vergleich beider Ausschlussverfahren Deilmann, NZG 2007, 721 ff. 11) BGH, Urt. v. 18.12.2012 – II ZR 198/11, AG 2013, 262 f. = ZIP 2013, 308; a. A. OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 21.5.2012 – WpÜG 10/11, AG 2012, 635, 638 = ZIP 2012, 1602 (innerhalb der dreimonatigen Antragsfrist); vgl. auch Hentzen/Rieckers, Der Betrieb 2013, 1159, 1161.
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Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
§ 327a
hat (§ 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG).12) Die praktische Bedeutung des übernahmerechtlichen Squeeze-Out ist bislang gering.13) b)
Mehrheitseingliederung
Mit der Mehrheitseingliederung nach den §§ 319 Abs. 1 Satz 1, 320 Abs. 1 Satz 1 kann 6 ebenfalls ein zwangsweiser Ausschluss der Minderheitsaktionäre bewirkt werden, sobald eine Beteiligungsschwelle von 95 % erreicht ist. Im Gegensatz zu dem Verfahren nach den §§ 327a ff. begründet die Mehrheitseingliederung jedoch eine besonders intensive Konzernierung und verlagert das unternehmerische Risiko der betroffenen Gesellschaft wegen der §§ 322, 324 Abs. 3 auf den Hauptaktionär.14) Zudem sind den Minderheitsaktionären nach § 320b Abs. 1 Satz 2 grundsätzlich Aktien der Hauptgesellschaft anstatt einer Barabfindung zu gewähren, womit die auszuschließende Minderheit nur eine Konzernebene höher verschoben wird. Die Mehrheitseingliederung erfordert auch eine Hauptgesellschaft in Form einer deutschen AG oder SE, während Hauptaktionär i. S. von § 327a Abs. 1 Satz 1 auch eine ausländische Gesellschaft anderer Rechtsform sein kann. Seit Einführung der §§ 327a ff. hat daher die Mehrheitseingliederung als Mittel zum Zwangsausschluss erheblich an Bedeutung verloren. c)
Übertragende Auflösung
Unter den Voraussetzungen des § 179a Abs. 1 kann eine Gesellschaft ihr gesamtes Gesell- 7 schaftsvermögen mit Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit auf den Hauptaktionär übertragen und hiernach die Auflösung nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 beschlossen werden. In diesem und auch im zeitlich umgekehrten Fall, der jeweils verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist,15) scheiden die Minderheitsaktionäre nach Auskehrung des Liquidationserlöses aus der Gesellschaft aus. Den Minderheitsaktionären muss jedoch die Möglichkeit eröffnet werden, ihren anteiligen Liquidationserlös entweder durch Anfechtungsklage oder Durchführung eines Spruchverfahrens auf seine Angemessenheit hin überprüfen lassen zu können.16) Ob durch eine übertragende Auflösung eine Minderheit von mehr als 5 % zwangsweise ausgeschlossen werden kann oder eine übertragende Auflösung zu diesem Zweck neben den §§ 327a ff. überhaupt noch zulässig ist, ist umstritten und neben der Komplexität dieses Verfahrens ein weiterer Grund für dessen geringe praktische Bedeutung.17)
_____________ 12) Zu Recht handelt es sich hier um eine unwiderlegliche Vermutung, OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.5.2009 – 20 W 13/08, NZG 2009, 950, 951 = ZIP 2009, 1059; RegBegr. BT-Drucks. 16/1003, S. 22; Hüffer, AktG, § 327a Rz. 1a; Santelmann/Hoppe/Suerbaum/Bukowski-Santelmann/Hoppe, Squeeze-Out, Rz. 340; Austmann, ZGR 2009, 277, 303 f.; Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, Anh. § 327a Rz. 12; a. A. LG Frankfurt/M., Beschl. v. 5.8.2008 – 3-5 O 15/08, ZIP 2008, 1769, 1770 ff.; anschließend offengelassen OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 9.12.2008 – WpÜG 2/08, ZIP 2009, 74, 76 f. und BVerfG, Beschl. v. 16.5.2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09, AG 2012, 625, 627 = ZIP 2012, 1408; ebenso LG Frankfurt/M, Beschl. v. 19.2.2013 – 1-5 O 116/12, AG 2013, 433, 435. 13) Zu den Gründen Hentzen/Rieckers, Der Betrieb 2013, 1159 f. 14) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 9. 15) BVerfG, Beschl. v. 23.8.2000 – BvR 68/95 (Moto Meter), ZIP 2000, 1670 ff. 16) Gegen ein Spruchverfahren OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.4.2005 – 3 W 255/04, ZIP 2005, 948, 950; Hüffer, AktG, § 179a Rz. 12a; Roth, NZG 2003, 998, 1002; dafür Schlitt; ZIP 2004, 533, 540. 17) Vgl. Nachweise hierzu bei Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 10 (dort Fn. 52) und Grunewald in: MünchKomm-AktG, Vor § 327a Rz. 12 (dort Fn. 32).
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§ 327a d)
Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
Umwandlungsrechtlicher Squeeze-out
8 Nach dem durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 26.5.201118) neu eingeführten § 62 Abs. 5 UmwG kann eine übertragende AG (bzw. KGaA oder SE) im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Konzernverschmelzung den Ausschluss von Minderheitsaktionären herbeizuführen. Die Hauptversammlung des übertragenden Rechtsträgers hat nunmehr innerhalb von drei Monaten nach Abschluss eines Verschmelzungsvertrags die Möglichkeit, einen Squeeze-out nach § 327a Abs. 1 Satz 1 zu beschließen, wenn einer übernehmenden AG mindestens 90 % des Grundkapitals der übertragenden AG gehören. Zur Vermeidung einer Umgehung der grundsätzlich geltenden 95 %-Schwelle durch eine zunächst beabsichtigte, dann aber doch nicht durchgeführte Verschmelzung wird der umwandlungsrechtliche Squeeze-out allerdings erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem die Verschmelzung im Register der übernehmenden Gesellschaft eingetragen wird (registerrechtliche Lösung). Die Verfassungsmäßigkeit des umwandlungsrechtlichen Squeeze-out ist mit guten Gründen zu bejahen.19) II.
Voraussetzungen für den Ausschluss
1.
Hauptaktionär
a)
Persönliche Eigenschaften
9 Hauptaktionär kann grundsätzlich jeder sein, der Aktionär einer AG oder KGaA sein kann. Dies kann jede in- oder ausländische juristische oder natürliche Person, Personengesellschaft, Vorgesellschaft, BGB-Außengesellschaft, rechts- und nicht-rechtsfähige Vereine sowie Erbengemeinschaften nach § 2032 BGB und Gütergemeinschaften nach § 1419 BGB sein.20) Ein reiner Stimmrechtspool reicht hierfür jedoch nicht, soweit die Aktien noch den einzelnen Mitgliedern und nicht dem Konsortium (z. B. in Form einer GbR) gesamthänderisch gehören. Auf die Unternehmereigenschaft kommt es nicht an. Berechtigter Hauptaktionär kann aber immer nur ein Aktionär sein.21) b)
Kapitalmehrheit von 95 %
10 Hauptaktionär ist, wem Aktien i. H. von mindestens 95 % des Grundkapitals gehören. Durch den Verweis in § 327a Abs. 2 kommt es nach § 16 Abs. 2 bei Nennbetragsaktien auf das Verhältnis des Gesamtnennbetrages der dem Hauptaktionär gehörenden Aktien zum Grundkapital, bei Stückaktien der dem Hauptaktionär gehörenden Aktien zur Gesamtzahl der Aktien an. Maßgebend ist dabei grundsätzlich das eingetragene Grundkapital. Bei zwischenzeitlicher Ausgabe von Bezugsaktien (§ 200) ist jedoch das tatsächliche und nicht das eingetragene Grundkapital maßgebend.22) Eigene Aktien und Aktien, die für Rechnung der Gesellschaft gehalten werden, sind abzusetzen.23) Auf eine Stimmberechtigung kommt es nicht an. Ein Gehören i. S. von Abs. 1 Satz 1 erfordert Eigentum an den zur Erreichung der 95 %-Schwelle erforderlichen Aktien, damit die Inhaberschaft am Voll_____________ 18) BGBl. I 2011 Nr. 35 v. 14.7.2011, 1338; RegE mit Begr. BT-Drucks. 17/3122; vgl. Kiefner/Brügel, AG 2011, 525 ff.; vgl. zum RefE Bayer/Schmidt, ZIP 2010, 953, 959 ff. 19) Vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 14.6.2012 – 11 AktG 1/12 (PROCON Multimedia), AG 2012, 639, 640 f. = ZIP 2012, 1347. 20) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 40; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 14; Hüffer, AktG, § 327a Rz. 7; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 327a Rz. 4. 21) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 15. 22) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 50. 23) Bei Ausnutzung der gesetzlichen Höchstgrenze nach § 71 Abs. 2 Satz 1 von 10 % reicht daher bereits eine Beteiligung von 85,5 % aus, vgl. Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 28.
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Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
§ 327a
recht.24) Eine Verpfändung der Aktien oder eine Belegung mit einem Nießbrauch schadet daher nicht. Dies gilt auch für schuldrechtliche Verpflichtungen zur Veräußerung der Aktien oder aufschiebend bedingte Übertragungen, solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist.25) Nach ganz h. M. bleiben auch noch nicht ausgeübte Wandelschuldverschreibungen, Optionen oder sonstige Bezugsrechte unberücksichtigt.26) Auf welche Art und Weise und für wie lange sich der Hauptaktionär die für ein Übertra- 11 gungsverlangen erforderliche Mehrheit verschafft, spielt keine Rolle.27) Der Erwerb kann daher auch aufgrund eines Wertpapierdarlehens, Repo-Geschäfts28), Paketerwerbs29), öffentlichen Übernahmeangebots und nur aus dem Grund erfolgen, um die erforderliche Anteilshöhe zu erreichen.30) Auf den Zeitpunkt des Erwerbs kommt es ebenfalls nicht an. Nach dem Verweis in § 327a Abs. 2 sind für die Berechnung der 95 %-Schwelle nicht nur 12 die Aktien mit zu berücksichtigen, die im Eigentum des Hauptaktionärs stehen, sondern auch diejenigen Aktien, die ihm nach § 16 Abs. 4 zugerechnet werden. Dies können Aktien sein, die einem vom Hauptaktionär abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Hauptaktionärs oder eines von diesem abhängigen Unternehmen gehören und, wenn der Hauptaktionär ein Einzelkaufmann ist, auch die Aktien, die in dessen Privatvermögen gehalten werden. Zur Vermeidung unnötiger Anteilsumhängungen ist es nach zutreffender h. M. nicht erforderlich, dass der Hauptaktionär wenigstens eine Aktie hält. Die 95 %-Schwelle kann daher auch ausschließlich über eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 erreicht werden.31) Existieren hiernach in mehrstufigen Unternehmensverbindungen mehrere Hauptaktionäre i. S. von § 327a Abs. 1 Satz 1 bedarf es einer Abstimmung, auf wessen Verlangen der Squeeze-out eingeleitet wird.32) In Abweichung von § 327a Abs. 1 Satz 1 kann der Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) 13 nach § 12 Abs. 4 Satz 1 FMStBG ein Übertragungsverlangen bereits bei einer Beteiligung von 90 % stellen.33) 2.
Squeeze-out-Verlangen
Ein Übertragungsbeschluss kann nur gefasst werden, wenn der Hauptaktionär dies gegen- 14 über der Gesellschaft verlangt. Die Gesellschaft als Adressat des Verlangens wird dabei durch ihren Vorstand nach § 78 Abs. 2 Satz 2 vertreten. Das Verlangen bedarf keiner besonderen Form, wird aber in der Praxis schriftlich gestellt. Ein zeitlicher Zusammenhang _____________ 24) Hüffer, AktG, § 327a Rz. 12; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 16; Emmerich/HabersackHabersack, § 327a AktG Rz. 16. 25) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 6; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 16. 26) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 6; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 31; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 56. 27) BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, ZIP 2009, 908, 910 f., Rz. 15; Hüffer, AktG, § 327a Rz. 7; vgl. auch Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 16. 28) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 16. 29) OLG Düsseldorf; Beschl. v. 16.1.2004 – I-16 W 63/03 (Edscha), ZIP 2004, 359, 362; OLG Hamburg, Urt. v. 11.4.2003 – 11 U 215/02 (Philips/PKV), ZIP 2003, 1344, 1350. 30) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 8. 31) OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 207 mit Anm. Rothley, GWR 2009, 63; OLG Köln, Beschl. v. 6.10.2003 – 18 W 35/03, ZIP 2004, 760, 763; Hüffer, AktG, § 327a Rz. 15; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG § 327a Rz. 7; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 44; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 52; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 17; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 7. 32) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 45 – Wahlrecht des unmittelbaren und mittelbaren Hauptaktionärs; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 17. 33) Vgl. hierzu Bachmann, ZIP 2009, 1249, 1255 f; OLG München, Urt. v. 28.9.2011 (HRE) – 7 U 711/11, AG 2011, 840, 841 = ZIP 2011, 1955.
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§ 327a
Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
mit dem Erwerb der erforderlichen 95 %-Mehrheit ist nicht erforderlich.34) Die erforderliche 95 %-Mehrheit muss aber sowohl bei Zugang des Verlangens bei der Gesellschaft35) als auch im Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses bestehen.36) Ansonsten ist der Beschluss (nur) anfechtbar.37) § 241 Nr. 3 Alt. 1 greift in keinem der beiden Fälle ein, was sich schon anhand der gesetzgeberischen Wertung in § 12 Abs. 4 Satz 1 FMStBG und § 65 Abs. 5 UmwG zeigt. Ein Stimmverbot nach § 28 WpHG steht der Wirksamkeit eines Squeeze-out-Verlangens nicht entgegen.38) Durch das schriftliche Übertragungsverlangen kann gleichzeitig der Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 4 genügt werden.39) 15 Der Vorstand ist nach Zugang eines wirksamen Verlangens verpflichtet, unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine ordentliche oder außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen und alle hierfür notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen.40) Das Verlangen bedarf dabei (noch) nicht der Angabe der konkreten Barabfindung, da diese vom Hauptaktionär erst nach einer entsprechenden Unternehmensbewertung unter Mitwirkung des Vorstands der Gesellschaft festgesetzt werden kann.41) Da jedoch vor Einberufung der Hauptversammlung die Barabfindung zwingend festzulegen ist (§ 327c Abs. 1 Nr. 2), muss der Hauptaktionär (so auch der praktische Regelfall) ein konkretisiertes Übertragungsverlangen an die Gesellschaft richten, nachdem die Unternehmensbewertung und der Übertragungsbericht nach § 327c Abs. 2 Satz 1 und die entsprechende Prüfung nach § 327c Abs. 2 Satz 2 abgeschlossen sind. Bereits das erste Verlangen ohne Nennung einer konkreten Abfindungshöhe löst im Regelfall aber bereits eine Ad-hocMitteilung nach § 15 Abs. 1 WpHG aus.42) Von Gesetzes wegen nicht zwingend erforderlich, wenn auch zum Zwecke des Nachweises praktisch die Regel, ist eine entsprechende Depotbestätigung als Anlage zum jeweilgen Übertragungsverlangen. 16 Über den Zeitpunkt der Hauptversammlung entscheidet der Vorstand nach überwiegender Ansicht allein im Interesse der Gesellschaft,43) in der Praxis aber regelmäßig und in zulässiger Weise nach Abstimmung mit dem Hauptaktionär. Die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung wird dabei wegen der zusätzlichen Kosten nur in Ausnahmefällen im Interesse der Gesellschaft liegen,44) kann jedoch durch entsprechende _____________ 34) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 19; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 19. 35) BGH, Urteil v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1059, Rz. 26; a. A. Kocher/Heydel, BB 2012, 401, 402 f. 36) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2004 – 16-I W 63/03 (Edscha), ZIP 2004, 359, 362; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 58. 37) Str., so auch Grunewald in: MünchKomm-AktG § 327a Rz. 16; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 62; wohl auch DAV Handelsrechtsausschuss, NZG 2001, 420, 431; offen gelassen BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1059, Rz. 27; a. A. OLG München, Urt. v. 23.11.2006 – 23 U 2306/06, nrkr, ZIP 2006, 2370, 2371; Fleischer in: Großkomm-AktG, § 327f Rz. 6; Lieder/Stange, Der Konzern 2008, 617, 622 m. w. N. 38) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.12.2009 – I-6 U 69/08, AG 2010, 711, 713. 39) OLG München, Beschl. v. 12.4.2012 – 7 U 5101/11, Rz. 7 ff. zit. nach juris; OLG München, Beschl. v. 6.7.2011 – 7 AktG 1/11, AG 2012, 45, 47 f. = ZIP 2011, 2199. 40) Zum zeitlichen Ablauf eines Squeeze-Out vgl. Vossius, ZIP 2002, 511 ff. 41) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 66; K. Schmidt/Lutter-Schnorbus, AktG, § 327a Rz. 16; Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 31; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG § 327a Rz. 11; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 4. 42) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 64; vgl. auch Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 23, der eine (eigene) Bekanntmachungspflicht des Hauptaktionärs bei Erreichen der 95 %-Schwelle fordert. 43) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 20; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 60; K. Schmidt/Lutter-Schnorbus, AktG, § 327a Rz. 20; a. A. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 68. 44) OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 210, mit Anm. Rothley, GWR 2009, 63; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 19; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 12.
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Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
§ 327a
Kostenübernahme durch den Hauptaktionär veranlasst werden. Kommt der Vorstand dem Verlangen nicht nach oder beabsichtigt er, die Beschlussfassung trotz Zusage der Kostenerstattung erst auf die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung, steht dem Hauptaktionär der Weg über § 122 offen.45) Nach den allgemeinen Grundsätzen haben Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung auch einen entsprechenden Beschlussvorschlag zu unterbreiten (§ 124 Abs. 3).46) 3.
Beschlussfassung
a)
Beschlussinhalt
Der Inhalt des Übertragungsbeschlusses ist auf die Übertragung der Aktien der übrigen 17 Aktionäre der Gesellschaft (Minderheitsaktionäre) gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären nach den §§ 327a ff. auf den mit konkreter Firma und Sitz, ggf. Registerdaten bezeichneten Hauptaktionär gegen Gewährung einer bestimmten Barabfindung in Euro für je eine Aktie der Gesellschaft gerichtet. Bei verschiedenen Aktiengattungen oder abzufindenden Bezugsrechten ist der Beschlussinhalt entsprechend zu ergänzen. Weitergehende Angaben (z. B. zur Gewährleistungserklärung nach § 327b Abs. 3 und deren Aussteller oder zur technischen Durchführung des Squeeze-out) müssen nicht in den Beschluss aufgenommen werden. Entsprechend der gängigen Praxis enthält jedoch die Vor- bzw. Nachbemerkung zum Beschlussvorschlag hierzu ergänzende Hinweise.47) b)
Beschlussmehrheit
Der Übertragungsbeschluss unterliegt keinen besonderen Mehrheitsanforderungen. Die 18 einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 133 Abs. 1) ist daher ausreichend. Praktisch relevant wird dies nur bei einem Auseinanderfallen von Kapitalmehrheit und Stimmenmehrheit im Falle stimmrechtsloser Vorzugsaktien oder von Höchststimmrechten nach § 134 Abs. 1 Satz 2. Bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien ist weder ein Sonderbeschluss erforderlich noch ausnahmsweise ein Stimmrecht anzuerkennen.48) Der Hauptaktionär unterliegt unzweifelhaft keinem Stimmverbot. Nach § 327a Abs. 1 Satz 2 ist bei einer KGaA entgegen § 285 Abs. 2 Satz 1 keine Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter zum Übertragungsbeschluss erforderlich, da diese in ihrer Rechtsposition nicht beeinträchtigt werden.
_____________ 45) Hüffer, AktG, § 327a Rz. 8; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 19; LG Regensburg, Beschl. v. 16.1.2004 – 2 HKO 2124/03, Der Konzern 2004, 811, 815. Gute Gründe sprechen jedoch dafür, gleich den Weg nach § 122 Abs. 3 zuzulassen, so auch Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c AktG Rz. 5; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 62; Heidel-Heidel/Lochner, § 327a AktG Rz. 11b. 46) Str., in diesem Sinne auch LG Frankfurt/M., Urt. v. 9.3.2004 – 3/5 O 107/03, NZG 2004, 672, 673; LG Regensburg, Beschl. v. 16.1.2004 – 2 HKO 2124/03, Der Konzern 2004, 811, 815; Emmerich/HabersackHabersack, § 327a AktG Rz. 20; Hüffer, AktG, § 327a Rz. 8; Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, § 327a Rz. 15; Lieder/Stange, Der Konzern 2008, 617, 619; a. A. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c AktG Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Schnorbus, AktG, § 327c Rz. 3. 47) Vgl. aber Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 23, wo offen bleibt, an welcher Stelle diese Angaben im Beschlussvorschlag selbst verortet werden sollen. 48) OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.1.2005 – I-16 U 59/04 (GEA), AG 2005, 293, 298; OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05, ZIP 2005, 1457, 1463; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 24.
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§ 327a c)
Übertragung von Aktien gegen Barabfindung
Materielle Beschlusskontrolle und Rechtsmissbrauch
19 Der Übertragungsbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung i. S. einer materiellen Beschluss- oder Inhaltskontrolle.49) Des Weiteren herrscht grundsätzlich Einigkeit, dass das Recht des Hauptaktionärs zur Herbeiführung eines Übertragungsbeschlusses aber nicht treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich ausgenutzt werden darf.50) Über die Frage, an welche Handlung der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs anzuknüpfen hat (Erwerb der Mehrheitsbeteiligung, Squeeze-out-Verlangen oder Fassung des Übertragungsbeschlusses) und wo die Grenzen des zulässigen Verhaltens bei den im Schrifttum gebildeten Fallgruppen liegen, herrscht jedoch noch Uneinigkeit. 20 Zu Recht sind weite Teile des Schrifttums der Ansicht, dass sich Missbrauchsfälle mit der Rechtsfolge der Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses auf eng begrenzte und eklatante Ausnahmefälle zu beschränken haben und sich hierfür das Missbrauchselement geradezu in offensichtlicher Weise aufdrängen muss.51) Als Maßstab für eine entsprechende Beurteilung ist auf den Sinn und Zweck des aktienrechtlichen Squeeze-out abzustellen, insbesondere auf das Ziel, eine größere unternehmerische Flexibilität der Hauptgesellschaft zu erreichen (siehe Rz. 2). Nur wenn nach objektiven Maßstäben unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt ein unternehmerischer Bezug des vermeintlich missbräuchlichen Verhaltens festgestellt werden kann, mag der Vorwurf des Missbrauchs überhaupt gerechtfertigt sein. 21 Ein Missbrauch ist vor diesem Hintergrund zu verneinen bei einem nur vorübergehenden Erwerb, auch und gerade in Form eines Wertpapierdarlehens52) oder im Falle der späteren Reduzierung der Beteiligungsquote, sei es durch Aktienveräußerung oder Aufnahme neuer Aktionäre i. R. von Kapitalmaßnahmen.53) Die Einhaltung einer bestimmten Haltefrist ist daher nicht erforderlich. Die Übertragung der Aktien an eine Holdinggesellschaft zur dortigen Bündelung der 95 %-Beteiligung ist ebenfalls zulässig, da es auf die Motive für den Squeeze-out nicht ankommt und ein Aktionär seine Beteiligung grundsätzlich nach seinem freien Ermessen strukturieren kann.54) Ein ausschließlich zum _____________ 49) Allg. M. BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 302/06 (Lindner), ZIP 2009, 908, 910, Rz. 14; OLG Hamburg, Beschl. v. 14.6.2012 – 11 AktG 1/12 (PROCON Multimedia), AG 2012, 639, 641 = ZIP 2012, 1347; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 5.11.2007 – 5 W 22/07 (Wella), ZIP 2008, 138, 140; Hüffer, AktG, § 327a Rz. 11; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 17; Emmerich/Habersack-Habersack § 327a AktG, Rz. 26; Kort, ZIP 2006, 1519, 1519 f.; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 24. 50) OLG München, Beschl. v. 3.9.2008 – 7 W 1432/08 (HVB/Unicredit), ZIP 2008, 2117, 2121; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.11.2007 – 20 W 8/07, AG 2008, 464, 465; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 76; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 18; Emmerich/HabersackHabersack, § 327a AktG Rz. 27; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 25; Hüffer, AktG, § 327a Rz. 12; Heidel-Heidel/Lochner, § 327a AktG Rz. 14; Kort, AG 2006, 557 ff.; Pluskat, NZG 2007, 725 ff.; zum Rechtsmissbrauch durch einen Minderheitsaktionär vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.6.2010 – 20 W 2/09, ZIP 2010, 1641 ff. 51) Vgl. etwa Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 76 – äußerste Zurückhaltung geboten; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 18 – eklatante Fallgestaltungen; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 25 – nur ganz ausnahmsweise; Hohl/Auerbach, BB 2010, 902, 903 – außergewöhnlich gelagerte Einzelfälle; Lieder/Stange, Der Konzern 2008, 617, 620 – wenige Ausnahmekonstellationen; Pluskat, NZG 2007, 725, 729 – wirklich extrem gelagerte Ausnahmefälle; noch zurückhaltender Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 327f Rz. 11. 52) Hierzu grundlegend BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 302/06 (Lindner Holding), ZIP 2009, 908, 910, Rz. 15; Kort, AG 2006, 557, 560; Pluskat, NZG 2007, 725, 728 f.; Kumpan/Mittermeier, ZIP 2009, 404, 411, Fröde, NZG 2007, 729 ff., Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 5; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 28; a. A. Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 80. Dabei ist auch zulässig, dass die Dividendenberechtigung und das Bezugsrecht auf neue Aktien schuldrechtlich beim Darlehensgeber verbleiben. 53) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 88, 90; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 28; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327a Rz. 85; Kort, AG 2006, 557, 559. 54) In diesem Sinne auch Pluskat, NZG 2007, 725, 727; Vetter, AG 2002, 176, 185.
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§ 327b
Barabfindung
Zwecke eines umwandlungsrechtlichen Squeeze-out durchgeführter Formwechsel des Hauptaktionärs in eine AG begründet keinen Fall des Rechtsmissbrauchs.55) Unter Wertungsgesichtspunkten muss dieses Ergebnis auch für den Fall der vorherigen Umwandlung der Zielgesellschaft zur Durchführung eines aktienrechtlichen Squeeze-out gelten. Gleiches gilt für den in der Praxis besonders bedeutsamen Fall der Verwässerung der 22 Minderheit zugunsten des Hauptaktionärs bei der Durchführung einer Barkapitalerhöhung unter vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 zugunsten des Hauptaktionärs. Selbst wenn der Hauptaktionär aufgrund einer solchen Kapitalerhöhung die 95 %-Schwelle erreicht, hat hier die Gesellschaft zumeist ein objektives Interesse an der Stärkung ihrer Liquidität und Eigenkapitalbasis. Diese Annex-Wirkung steht selbst bei ausschließlicher Zielsetzung des Erreichens der 95 %-Mehrheit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entgegen.56) Der Bezugsrechtsausschluss muss dabei freilich den allgemeinen formellen und materiellen Anforderungen genügen und kann nicht allein mit einem beabsichtigten Squeeze-out gerechtfertigt werden.57) Eher kritisch zu beurteilen ist demgegenüber ein widersprüchliches Verhalten, wonach 23 der Hauptaktionär die Minderheitsaktionäre in zeitlich engem Zusammenhang vor dem Ausschlussverlangen zum Erwerb der Aktien veranlasst und damit einen bestimmten Vertrauenstatbestand gesetzt hat.58) Eine pauschale Bewertung verbietet sich aber auch hier. Sollte im Einzelfall ein konkreter, über die Art und Weise der Erlangung bzw. Schaffung der 95 %-Beteiligung hinausgehender Missbrauch festgestellt werden, ist der Übertragungsbeschluss anfechtbar und nicht nichtig.59) _____________ 55) OLG Hamburg, Beschl. v. 14.6.2012 – 11 AktG 1/12 (PROCON Multimedia), AG 2012, 639, 641 f. = ZIP 2012, 1347 – zum umwandlungsrechtlichen Squeeze-out; Stephanblome, AG 2012, 814, 816 ff; Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660, 696 ff; Schockenhoff/Lumpp, ZIP 2013, 749, 750 f; Pluskat, NZG 2007, 725, 729; Packi, ZGR 2011, 776, 801 f.; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 85; Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 6; überzeugend auch Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 115; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 29. 56) Vgl. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 92; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 27. 57) OLG Schleswig, Urt. v. 18.12.2003 – 5 U 30/03, NZG 2004, 281, 285; Santelmann/Hoppe/Suerbaum/ Bukowski-Santelmann/Hoppe, Squeeze-Out, Rz. 99; Pluskat, NZG 2007, 725, 727. 58) Die h. M. sieht hier im Regelfall einen Missbrauchstatbestand, OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 213 – im konkreten Fall aber abgelehnt; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 30; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327a AktG Rz. 91 – innerhalb Sechs-Monats-Frist; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 28; Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 6; a. A. Markwardt, BB 2004, 277, 286. 59) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 18; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327a AktG Rz. 27; Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, § 327f Rz. 5; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 327f Rz. 11; Grigoleit-Rieder, AktG, § 327 f. Rz. 8; a. A. Lieder/Stange, Der Konzern 2008, 617, 622 m. w. N.; wiederum abweichend Schäfer/Dette, NZG 2009, 1, 7 f., die die Anfechtbarkeit/Nichtigkeit verneinen und an das Verlangen anknüpfen.
§ 327b Barabfindung (1) 1Der Hauptaktionär legt die Höhe der Barabfindung fest; sie muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. 2Der Vorstand hat dem Hauptaktionär alle dafür notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen.
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§ 327b
Barabfindung
(2) Die Barabfindung ist von der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister an mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen; die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (3) Vor Einberufung der Hauptversammlung hat der Hauptaktionär dem Vorstand die Erklärung eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu übermitteln, durch die das Kreditinstitut die Gewährleistung für die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs übernimmt, den Minderheitsaktionären nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses unverzüglich die festgelegte Barabfindung für die übergegangenen Aktien zu zahlen. Literatur: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, Kommentar, 2. Aufl., 2013; Baums, Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach den §§ 327a ff. AktG n. F. – Einzelfragen, WM 2001, 1843; Decher, Das Konzernrecht des Aktiengesetzes: Bestand und Bewährung, ZHR 171 (2007), 126; Decher, Die Ermittlung des Börsenkurses für Zwecke der Barabfindung beim Squeeze-out, ZIP 2010, 1673; Friedl, Die Rechte von Bezugsrechtsinhabern beim Squeeze-out im Vergleich zu den Rechten der Minderheitsaktionäre, Der Konzern 2004, 309; Lieder/Stange, Squeeze-out: Aktuelle Streit- und Zweifelsfragen, Der Konzern 2008, 617; Popp, Squeeze-OutAbfindung bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, AG 2010, 1; Puszkajler, Börsenwert über alles bei Verschmelzungen?, ZIP 2010, 2275; Süßmann, Die Behandlung von Options – und Wandelrechten in den einzelnen Squeeze-out Verfahren, AG 2013, 158; Vossius, SqueezeOut – Checklisten für Beschlussfassung und Durchführung ZIP 2002, 511; Wahlscheidt/Breithaupt, Zur Maßgeblichkeit des Börsenkurses für Abfindungen bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen. Anmerkung zu BGH, B. v. 19.7.2010 – II ZB 18/09 – und mögliche Auswirkungen auf die Bewertung, Corporate Finance law 2010, 497; Wilsing/Kruse, Zur Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte beim Squeeze-out, ZIP 2002, 1465; Ziemons, Options- und Wandlungsrechte bei Squeeze-Out und Eingliederung, in: Festschrift für K. Schmidt, 2009, S. 1777.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... II. Festlegung der Barabfindung (§ 327b Abs. 1) .................................. 1. Abfindungsberechtigte ...................... 2. Festlegung durch den Hauptaktionär .............................................. 3. Abfindungshöhe ................................ a) Allgemeines ................................. I.
1 2 2 4 5 5
b) Maßgeblicher Börsenkurs und Referenzzeitraum ......................... 8 III. Verzinsung und Schadensersatz (§ 327b Abs. 2) ................................. 12 IV. Gewährleistungserklärung (§ 327b Abs. 3) ................................. 13 1. Inhalt und Rechtsnatur .................... 13 2. Umfang der Gewährleistung ............ 14 3. Form und Zeitpunkt der Abgabe .... 15
Grundlagen
1 § 327b regelt die Höhe, Verzinsung und Besicherung der Barabfindung und stellt sicher, dass die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre zur Erfüllung ihres verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruchs eine Abfindung erhalten, die dem vollen Wert ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Gesellschaft entspricht.1)
_____________ 1)
Begr. RegE BT-Drucks. 14/7034 S. 32; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 2.
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§ 327b
Barabfindung II.
Festlegung der Barabfindung (§ 327b Abs. 1)
1.
Abfindungsberechtigte
Abfindungsberechtigt sind diejenigen Aktionäre, deren Aktien mit Eintragung des Über- 2 tragungsbeschlusses im Handelsregister auf den Hauptaktionär übergehen.2) Nicht abfindungsberechtigt, da keine Minderheitsaktionäre i. S. der §§ 327a Abs. 1 Satz 1, 327e Abs. 3 Satz 1, sind Aktionäre, deren Anteile dem Hauptaktionär nach § 16 Abs. 4 zugerechnet werden und nach überwiegender Ansicht auch die Gesellschaft selbst, soweit sie eigene Aktien hält.3) Letzteres ist zu befürworten, da der Sinn und Zweck der §§ 327a ff. (siehe hierzu § 327a Rz. 2) auch unter Beibehaltung eigener (und ohnehin nicht stimmberechtigter) Aktien erreicht werden kann. Nach h. M. wandeln sich auch Options-, Umtausch-, Wandel- oder sonstige Bezugs- 3 rechte auf Aktien der Gesellschaft in einen Anspruch auf Barabfindung gegen den Hauptaktionär, da die Inhaber solcher Rechte nicht besser gestellt werden sollen als die Aktionäre selbst.4) Die Bezugsrechte gehen mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses auf den Hauptaktionär über. Zur zügigen Durchführung des Squeeze-out ist in diesen Fällen die Barabfindung bereits mit Eintragung im Handelsregister, und nicht erst bei Ausübbarkeit des entsprechenden Bezugsrechts fällig.5) Anstatt einer Bewertung der bar abzufindenden Bezugsrechte nach anerkannten finanzmathematischen Methoden (z. B. Black-ScholesModell) sprechen praktische Erwägungen für eine Fiktion der Ausübung unter Anrechnung des Basispreises auf die festgelegte Barabfindung nach § 327b Abs. 1 Satz 1.6) Maßgeblich ist dabei der Wert des Bezugsrechts zur Zeit der Beschlussfassung. Umstritten ist, ob Bezugsrechte auch dann einer zwangsweisen Entziehung gegen Barabfindung unterliegen, wenn sie sich auf mehr als 5 % des Grundkapitals beziehen. Aufgrund der abgestuften Rechtsqualität von Aktien und Bezugsrechten auf Aktien und zur zügigen und einheitlichen Durchführung des Squeeze-out besteht keine Notwendigkeit, die Barabfindung von Bezugsrechten durch diese 5 %-Schwelle zu begrenzen.7) Ein Anfechtungsrecht und ein Recht zur Stellung von Spruchanträgen stehen den Bezugsrechtsinhabern aber in keinem Fall zu. 2.
Festlegung durch den Hauptaktionär
Die Barabfindung wird einseitig durch den Hauptaktionär festgelegt. Dies geschieht in 4 der Regel in einem konkretisierenden Übertragungsverlangen (siehe § 327a Rz. 15) nach Abschluss der Bewertungsarbeiten. Durch die Festlegung wird das mit Eintragung im _____________ 2) 3)
4)
5)
6) 7)
Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 24; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 12. Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 25; Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, § 327b Rz. 5; Grunewald in: MünchKomm -AktG, § 327e Rz. 11; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327e Rz. 8; Lieder/ Stange, Der Konzern 2008, 617, 623; a. A. Hüffer, AktG, § 327b Rz. 2; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 6. BGH, Urt. v. 2.2.1998 – II ZR 117/97 (Siemens/Nixdorf), ZIP 1998, 560 – zur Eingliederung; LG Düsseldorf, Beschl. v. 4.3.2004 – 31 O 144/03 (Kamps), ZIP 2004, 1755, 1757; Emmerich/HabersackHabersack, § 327b AktG Rz. 7; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 28; Hüffer, AktG, § 327b Rz. 3; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 12; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 8; a. A. Baums, WM 2001, 1843, 1847 ff.; Friedl, Der Konzern 2004, 309, 315; Ziemons in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1777, 1779 ff. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 12; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 32; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 8; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 8; a. A. Vossius ZIP 2002, 511, 513. Süßmann, AG 2013, 158, 162. So auch Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 13; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 8; Wilsing/Kruse, ZIP 2002, 1465, 1469; K. Schmidt/Lutter- Schnorbus, AktG, § 327b Rz. 14; Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 105; a. A: Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 7; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 31; Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, § 327b Rz. 6.
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§ 327b
Barabfindung
Handelsregister zwischen Hauptaktionär und den Minderheitsaktionären entstehende gesetzliche Schuldverhältnis inhaltlich konkretisiert.8) Nach § 327b Abs. 1 Satz 2 hat der Vorstand dem Hauptaktionär alle für die Festlegung der Barabfindung notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen. Der Hauptaktionär hat hiernach ein umfassendes Informationsrecht über alle bewertungsrelevanten Umstände und kann vom Vorstand für seine bzw. die von einem Wirtschaftsprüfer in seinem Auftrag erstellte Unternehmensbewertung mündliche Auskünfte, Einsicht in Unterlagen und die Anfertigung von Abschriften, insbesondere hinsichtlich der Unternehmensplanung verlangen.9) § 131 Abs. 3 und 4 gelten nach zutreffender h. M. für solche Informationen nicht.10) Aufgrund zwischenzeitlich geänderter Umstände kann der Hauptaktionär die Barabfindung in der Hauptversammlung (oder bereits vorher) erhöhen, nicht jedoch reduzieren. Die erhöhte Barabfindung muss dann aber durch die Bankgewährleistung gedeckt sein.11) 3.
Abfindungshöhe
a)
Allgemeines
5 Die Abfindung hat zwingend in bar zu erfolgen und muss in Euro je Aktie lauten. Daneben kann auf freiwilliger Basis aber noch eine andere Art der Abfindung (z. B. Aktien des Hauptaktionärs) gewährt werden.12) Ihrer Höhe nach muss die Abfindung den Minderheitsaktionären eine volle wirtschaftliche Entschädigung für den Verlust ihrer Beteiligung gewähren.13) Hierfür sind der Unternehmenswert der Gesellschaft und damit der anteilige Wert der Minderheitsbeteiligungen festzustellen. Maßgeblich sind hierfür die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung. 6 Zur Bewertungsmethode enthält das Gesetz keine konkreten Vorgaben. Nahezu durchgängig in der nationalen Praxis etabliert und auch von der Rechtsprechung anerkannt ist die Bewertung anhand des Ertragswertverfahrens nach den IDW S 1-Grundsätzen.14) Alternativ kann die Bewertung auch nach dem Discounted Cash Flow-Verfahren oder einer anderen anerkannten Bewertungsmethode erfolgen. Werden bestimmte Mindeststandards eingehalten, kann der Unternehmenswert auch anhand von Börsenwerten geschätzt werden.15) Ob der Barwert der Ausgleichszahlung nach § 304 eine taugliche Untergrenze bildet, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, wegen der
_____________ 8) OLG München, Beschl. v. 10.5.2007 – 31 Wx 119/06, NZG 2007, 635; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 4; Hüffer, AktG, § 327b Rz. 6. 9) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327b AktG Rz. 9; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 5. 10) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 5; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327b AktG Rz. 9; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 8, 10; a. A. Heidel-Heidel/Lochner, § 327b AktG Rz. 6. 11) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327b AktG Rz. 52; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 15. 12) Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, § 327b Rz. 3. 13) Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.4.2011 – 1 BvR 2685/10 (T-Online), WM 2011, 1074; BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 (DAT/Altana), BVerfGE 100, 289, 303. 14) Popp, AG 2010, 1, 1; vgl. BGH, Beschl. v. 21.7.2003 – II ZB 17/01 (ytoug), ZIP 2003, 1745 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.1.2011 – 20 W 3/09, AG 2011, 205, 207; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.2011 – 20 W 11/08, AG 2011, 560, 562. 15) Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.4.2011 – 1 BvR 2685/10 (T-Online), WM 2011, 1074, 1076; in diese Richtung auch Decher, ZHR 171 (2007), 126, 145, Decher, ZIP 2010, 1673, 1678, der generell für den Börsenkurs als ausschließlichen Bewertungsmaßstab plädiert; so wohl auch Puszkajler, ZIP 2010, 2275, 2279.
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§ 327b
Barabfindung
unterschiedlichen Bewertungsstichtage jedoch abzulehnen.16) Die gewählte Bewertungsmethode muss nicht zwingend zum höchsten Unternehmenswert führen.17) Eigene Aktien der Gesellschaft bleiben bei der Feststellung des anteiligen Unternehmenswerts unberücksichtigt.18) Börsliche und außerbörsliche Vorerwerbspreise (entsprechend § 4 WpÜGAngebVO) spielen ebenfalls keine Rolle.19) Gleiches gilt für den Angebotspreis eines vorangegangenen Übernahmeangebots. Nach der Beschlussfassung bis zur Eintragung des Übertragungsbeschlusses fällige Dividenden- und Ausgleichszahlungen (§ 304) werden nicht auf die Barabfindung angerechnet.20) Eine Erhöhung der privatgutachterlich berechneten Barabfindung unter Berücksichtigung der Feststellungen des sachverständigen Prüfers, der eine höhere Bandbreite für angemessen hält, ist zulässig, sofern hierauf im Übertragungsbericht hingewiesen wird.21) Eine Untergrenze für die Abfindung bildet jedoch grundsätzlich ein vorhandener Bör- 7 senkurs.22) Hierunter fallen auch Freiverkehrskurse (§ 24 Abs. 1 Satz 2 BörsG), nicht jedoch Kurse, die an Graumärkten zustande kommen. Im Falle der Marktenge kann ausnahmsweise die Barabfindung den maßgeblichen Börsenpreis unterschreiten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Voraussetzungen von § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebVO erfüllt sind und damit kein repräsentativer Börsenhandel mehr gewährleistet ist.23) Die Beweislast für eine Marktenge obliegt dem Hauptaktionär. Alleine der bei einem Squeeze-out typischerweise geringe Streubesitz rechtfertigt es aber noch nicht, von der Berücksichtigung des Börsenkurses abzusehen.24) b)
Maßgeblicher Börsenkurs und Referenzzeitraum
Der maßgebliche Börsenkurs ist dabei anhand des umsatzgewichteten durchschnittlichen 8 Marktpreises innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten zu berechnen (entsprechend § 5 WpÜG-AngebVO).25)
_____________ 16) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.7.2012 – I-26 W 11/11, AG 2012, 716, 718; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.7.2009 – I-26 W 1/08, Rz. 49 ff. zit. nach juris; OLG München, Beschl. v. 26.10.2006 – 31 Wx 12/06, ZIP 2007, 375, 376 f.; Popp, AG 2010, 1, 14; Schmolke in: GroßKomm-AktG, § 320b Rz. 19; a. A. OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 7.6.2011 – 21 W 2/11, NZG 2011, 990, 991; OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 30.3.2010 – 5 W 32/09, NZG 2010, 664, 665; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.9.2011 – 20 W 7/08, AG 2012, 135, 136; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.3.2010 – 20 W 9/08, AG 2010, 510, 513 = ZIP 2010, 1498. 17) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.4.2013 – 12 W 5/12, ZIP 2013, 1469 = BB 2013, 1537; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.1.2011 – 20 W 3/09, AG 2011, 205, 209. 18) Der Unternehmenswert ist daher durch die um die eigenen Aktien geminderte Gesamtzahl der Aktien zu teilen, vgl. Bsp. bei Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327b AktG Rz. 23. 19) OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 24.11.2011 – 21 W 7/11, AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124; Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 93; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 4; Emmerich/HabersackHabersack, § 327b AktG Rz. 9. 20) OLG Hamburg, Urt. v. 11.3.2004 – 11 U 215/02, ZIP 2003, 1344, 1346; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 4. 21) OLG München, Beschl. v. 6.7.2011 – 7 AktG 1/11, ZIP 2011, 2199 = GWR 2011, 363 m. Anm. Lorenz. 22) BVerfG, Beschl. v. 26.4.2011 – 1 BvR 2685/10 (T-Online), WM 2011, 1074, 1076; BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1-BVR 1613/94 (DAT/Altana), BVerfGE 100, 289, 309 f. 23) Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.3.2008 – I-26 W 8/07, AG 2008, 498, 501 f.; Emmerich/HabersackHabersack, § 327b AktG Rz. 9; Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 91; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327b AktG Rz. 26. 24) OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.5.2011 – 20 W 11/08, AG 2011, 560, 562. 25) Allg. M., BGH, Beschl. v. 19.7.2010 – II ZB 18/09 (Stollwerck), ZIP 2010, 1487 ff., Rz. 12; BGH, Beschl. v. 28.6.2011 – II ZB 10/10 und II ZB 2/10, AG 2011, 590 f.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.1.2011 – 20 W 3/09, AG 2011, 205, 207; Wahlscheidt/Breithaupt, Corporate Finance law 2010, 497, 498.
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§ 327b
Barabfindung
9 Mit seiner zu § 327b ergangenen Entscheidung in Sachen Stollwerck26) hat der BGH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und sich der bereits vorherrschenden Ansicht angeschlossen, wonach für die Bestimmung des Referenzzeitraums an die Bekanntgabe der Strukturmaßnahme und nicht an den Tag der Beschlussfassung anzuknüpfen ist.27) Entscheidend ist daher in der Regel der Tag der Veröffentlichung einer entsprechenden Ad-hocMitteilung nach § 15 WpHG, einer Pressemitteilung oder einer sonstigen Verlautbarung der beteiligten Unternehmen i. R. ihrer IR/PR-Tätigkeit oder, spätestens, der Tag der Einberufung der Hauptversammlung. In den erstgenannten Fällen ist jedoch nicht zwingend erforderlich, dass dem Hauptaktionär zur Zeit der Bekanntgabe bereits die 95 %Mehrheit gehört oder er ein formelles Squeeze-out Verlangen gestellt hat.28) Die Bekanntgabe muss jedoch die unbedingte Ankündigung erhalten, dass der Squeeze-out ernsthaft beabsichtigt ist und in absehbarer Zeit aufgrund erkennbarer objektiver Kriterien hinreichend wahrscheinlich durchgeführt wird.29) Eine vage Absichtserklärung reicht damit noch nicht aus. Liegt am Tag der Bekanntgabe aufgrund eines zuvor wirksam gewordenen Delisting30) kein Börsenpreis mehr i. S. von § 24 Abs. 1 BörsG vor, bilden historische Börsenpreise auch dann keine Abfindungsuntergrenze, wenn im Referenzzeitraum noch Kurse festgestellt wurden. Entfällt die Zulassung oder Einbeziehung erst am Tag der Bekanntgabe oder danach, ändert dies nichts an der grundsätzlichen Relevanz des Referenzkurses. Dies ergibt sich aus einer Wertungsparallele zum WpÜG.31) 10 Abfindungswertspekulationen aufgrund der Erwartung, dass sich der Hauptaktionär den Squeeze-out „etwas kosten lässt“, bleiben damit grundsätzlich unberücksichtigt. Wenn jedoch zwischen der Bekanntgabe des Squeeze-out-Vorhabens und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht und die Entwicklung des Börsenkurses eine Anpassung geboten erscheinen lässt, ist der Börsenpreis entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der Kursentwicklung zum Schutz der Minderheitsaktionäre hochzurechnen.32) Angesichts der üblichen Dauer eines Squeeze-out-Verfahrens wird man einen längeren Zeitraum im vorstehenden Sinne nicht unter acht Monaten annehmen dürfen.33) Die Hochrechnung kann dabei vor allem anhand eines Vergleiches mit einer Peer-Group oder einem aussagekräftigen Branchenindex erfolgen.34) 11 Zu weiteren Einzelheiten der Unternehmensbewertung kann auf die Kommentierung zu § 304 (siehe dort Rn. 17) und § 305 (siehe dort Rn. 16 ff.) verwiesen werden. _____________ 26) BGH, Beschl. v. 19.7.2010 – II ZB 18/09 (Stollwerck), ZIP 2010, 1487 ff., vgl. hierzu Decher, ZIP 2010, 1673 ff.; Bücker, NZG 2010, 967 ff.; Wahlscheidt/Breithaupt, Corporate Finance law 2010, 497 ff.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.6.2011 – II ZR 10/10 und II ZR 2/10, AG 2011, 590 f. 27) So bereits früher OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.9.2009 – I-26 W 13/06, ZIP 2009, 2055, 2056 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.2.2007 – 20 W 6/06, ZIP 2007, 530 ff.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 305 AktG Rz. 46; Schlitt, ZIP 2004, 533, 538; a. A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.5.2004 – 12 W 12/01 (SEN), ZIP 2004, 2330 ff. 28) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 21.12.2010 – 5 W 15/10, Rz. 43, 49, zit. nach juris = BeckRS 2011, 03054, mit Anm. Reichardt, GWR 2011, 157. 29) Vgl. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 21.10.2010 – 5 W 15/10, Rz. 37 ff., zit. nach juris. Ähnlich auch Bücker, NZG 2010, 967, 969. 30) Vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.2013 – II ZB 26/12 (Frosta), ZIP 2013, 2254 = AG 2013, 877, dazu EWiR 2014, 3 (Bungert/Wettich). 31) Vgl. Assmann/Pötzsch/Schneider-Assmann/Favoccia, WpÜG, § 2 Rz. 131. 32) BGH, Beschl. v. 19.7.2010 – II ZB 18/09 (Stollwerck), ZIP 2010, 1487, 1491. 33) So auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 21.12.2010 – 5 W 15/10, Rz. 46, zit. nach juris; in der StollwerckEntscheidung waren es 7,5 Monate. 34) Decher, ZIP 2010, 1673, 1677; Bücker, NZG 2010, 967, 971; krit. Wahlscheidt/Breithaupt, Corporate Finance law 2010, 497, 500.
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§ 327b
Barabfindung III.
Verzinsung und Schadensersatz (§ 327b Abs. 2)
Nach § 327b Abs. 2 Halbs. 1 ist die Barabfindung von der Bekanntmachung der Eintragung 12 des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister (§ 10 HGB) mit jährlich 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen. Verzugseintritt ist hierfür nicht erforderlich. Nach § 327b Abs. 2 Halbs. 2 ist die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen (z. B. nach den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB). Die Vorschrift entspricht den Regelungen in § 305 Abs. 3 Satz 3 und § 320b Abs. 1 Satz 6. IV.
Gewährleistungserklärung (§ 327b Abs. 3)
1.
Inhalt und Rechtsnatur
Zum Schutz der Minderheitsaktionäre vor Bonitäts- und Vollstreckungsrisiken und 13 damit vor Verlust ihrer Aktien ohne Erhalt einer Abfindung hat der Hauptaktionär dem Vorstand der Gesellschaft eine Gewährleistungserklärung eines Kreditinstituts zu übermitteln. Der Begriff des Kreditinstituts richtet sich nach § 1 Abs. 1, 32 KWG. Kreditinstitut und Hauptaktionär können verbundene Unternehmen sein.35) Inhaltlich muss durch die Gewährleistungserklärung die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs zur Zahlung der Barabfindung übernommen werden. Weitere Anforderungen an Inhalt und Rechtsnatur stellt das Gesetz nicht. Ausreichend ist daher eine Garantie, eine Bürgschaft, ein abstraktes Schuldversprechen oder ein Schuldbeitritt,36) nicht dagegen die Stellung einer Sicherheit (§ 232 Abs. 1 BGB), eine Finanzierungsbestätigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpÜG oder eine Patronatserklärung.37) Entscheidend ist, dass den Minderheitsaktionären gegen das Kreditinstitut ein unmittelbarer Anspruch i. S. von § 328 BGB zusteht. In der Praxis ist das ausstellende Kreditinstitut zumeist auch mit der banktechnischen Abwicklung des Squeeze-out und der Auszahlung der Barabfindung beauftragt.38) Umstritten ist, ob es sich um eine selbstschuldnerische Verpflichtung (§ 771 BGB) handeln muss, was aus Gründen eines effizienten Minderheitenschutzes und unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu befürworten ist.39) Unzulässig ist daher auch der Vorbehalt sonstiger Leistungsverweigerungsrechte. Zulässig sind aber Formulierungen, wonach Forderungen dem Kreditinstitut gegenüber nur geltend gemacht werden können, wenn ein Zahlungsanspruch bezüglich der Barabfindung besteht und dieser nicht verjährt ist40) oder der Hauptaktionär die festgelegte Barabfindung nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt.41) Eine zeitliche Befristung ist in jedem Fall unzulässig. 2.
Umfang der Gewährleistung
Die Gewährleistung hat sich auf die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung zu 14 erstrecken. Maßgebend ist dabei die von der Hauptversammlung beschlossene Abfindung. _____________ 35) LG München, Beschl. v. 14.8.2003 – 5HK O 13413/03, ZIP 2004, 167, 169; Emmerich/HabersackHabersack, § 327b AktG Rz. 11 m. w. N.; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 207 f. 36) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2005 – I-15 W 38/05, AG 2005, 654, 655; Hasselbach in: KölnKommWpÜG, § 327b AktG Rz. 46; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 12. 37) Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 44. 38) Vgl. hierzu Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 102. 39) So auch BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1058, Rz. 18; Fleischer in: GroßKommAktG, § 327b Rz. 48; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 327 Rz. 12; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Schnorbus, AktG, § 327b Rz. 34; Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, § 327b Rz. 16; a. A. Hasselbach in: KölnKommWpÜG, § 327b AktG Rz. 47; Grunewald in: MünchKommAktG, § 327b Rz. 17. 40) BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1058, Rz. 17; LG München I, Urt. v. 23.04.2009 – 5 HK O 542/09, AG 2009, 632, 633 f. 41) BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1058, Rz. 17.
Oliver Rothley
1571
§ 327c
Vorbereitung der Hauptversammlung
Kommt es daher nach Einberufung oder während der Hauptversammlung zu einer Erhöhung durch den Hauptaktionär, hat sich die Gewährleistungserklärung auch auf die erhöhte Abfindung zu erstrecken (siehe bereits Rz. 4). Die Angemessenheit der Abfindung spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Die Gewährleistung muss daher auch nicht eine spätere Erhöhung der Barabfindung im Spruchverfahren abdecken.42) Auf Zinsen braucht sich die Gewährleistung ebenfalls nicht zu beziehen.43) 3.
Form und Zeitpunkt der Abgabe
15 Das Gesetz bestimmt keine besonderen Formerfordernisse für die Gewährleistungserklärung. Zu Nachweis- und Prüfungszwecken ist jedoch die Schriftform in der Praxis unentbehrlich.44) Die Erklärung kann sowohl an den Vorstand der Gesellschaft als auch an den Hauptaktionär, der die Gewährleistungserklärung dann an die Gesellschaft zu übermitteln hat, adressiert werden. In jedem Fall ist sie dem Vorstand vor Einberufung der Hauptversammlung zu übermitteln. Der Vorstand hat die Gewährleistung zu prüfen und darf die Hauptversammlung bei Feststellung von Mängeln nicht einberufen. Gleiches gilt bei Fehlen der Gewährleistungserklärung.45) Eine fehlende oder mangelhafte Gewährleistungserklärung begründet grundsätzlich die Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1. Dies gilt jedoch nicht, wenn bis zur Fassung des Übertragungsbeschlusses eine ordnungsgemäße Erklärung vorliegt46) oder, falls die Abfindung in der Hauptversammlung erhöht wird, der Erhöhungsbetrag bis zur Eintragung in das Handelsregister in die bereits vorliegende Erklärung einbezogen wird.47) Dem Registergericht ist aber in diesem Fall zum Schutz der Minderheitsaktionäre ein entsprechender Nachweis zu erbringen. Nach üblicher Praxis ist die Gewährleistungserklärung dem Übertragungsbericht auf freiwilliger Basis als Anlage beigefügt. Die Minderheitsaktionäre können so trotz fehlender Pflicht zur Auslage und zum Zugänglichmachen der Erklärung nach § 327c Abs. 3 frühzeitig Kenntnis von ihr nehmen. _____________ 42) Ganz h. M., BGH, Beschl. v. 25.5.2005 – II ZR 327/03, ZIP 2005, 2107, 2108; OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 208; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 5.11.2007 – 5 W 22/07, ZIP 2008, 138, 142; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 50; a. A. Heidel-Heidel/Lochner, § 327b AktG Rz. 16. 43) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.4.2009 – 5 W 8/09, AG 2010, 39, 42; OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05 (GEA), ZIP 2005, 1457, 1462; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2005 – I-15 W 38/05, AG 2005, 654, 655 f.; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 21; a. A. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 13; Vossius ZIP 2002, 511, 512. 44) Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 49; vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05 (GEA), ZIP 2005, 1457, 1461. 45) OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05 (GEA), ZIP 2005, 1457, 1461; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327b Rz. 16; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327b Rz. 52; a. A. Grunewald in: MünchKommAktG, § 327b Rz. 20, wenn feststeht, dass die Erklärung zur Zeit der Hauptversammlung vorliegt. 46) Ganz h. M. vgl. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327b AktG Rz. 56. 47) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327b AktG Rz. 14; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 22; zweifelnd Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327b AktG Rz. 57; a. A. K. Schmidt/LutterSchnorbus, AktG, § 326b Rz. 44; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 326b Rz. 16.
§ 327c Vorbereitung der Hauptversammlung (1) Die Bekanntmachung der Übertragung als Gegenstand der Tagesordnung hat folgende Angaben zu enthalten: 1. Firma und Sitz des Hauptaktionärs, bei natürlichen Personen Name und Adresse; 2. die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung. 1572
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Vorbereitung der Hauptversammlung
(2) 1Der Hauptaktionär hat der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem die Voraussetzungen für die Übertragung dargelegt und die Angemessenheit der Barabfindung erläutert und begründet werden. 2Die Angemessenheit der Barabfindung ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu prüfen. 3 Diese werden auf Antrag des Hauptaktionärs vom Gericht ausgewählt und bestellt. 4 § 293a Abs. 2 und 3, § 293c Abs. 1 Satz 3 bis 5, Abs. 2 sowie die §§ 293d und 293e sind sinngemäß anzuwenden. (3) Von der Einberufung der Hauptversammlung an sind in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen 1. der Entwurf des Übertragungsbeschlusses; 2. die Jahresabschlüsse und Lageberichte für die letzten drei Geschäftsjahre; 3. der nach Absatz 2 Satz 1 erstattete Bericht des Hauptaktionärs; 4. der nach Absatz 2 Satz 2 bis 4 erstattete Prüfungsbericht. (4) Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der in Absatz 3 bezeichneten Unterlagen zu erteilen. (5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 3 und 4 entfallen, wenn die in Absatz 3 bezeichneten Unterlagen für denselben Zeitraum über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind. Übersicht I. Bekanntmachung der Tagesordnung (§ 327c Abs. 1) ................... 1 II. Übertragungsbericht des Hauptaktionär (§ 327c Abs. 2 Satz 1) ......... 3 1. Allgemeines ........................................ 3 2. Berichtsinhalt ...................................... 4 III. Prüfung der Barabfindung (§ 327c Abs. 2 Satz 2) ........................ 6 I.
1. Prüfungsgegenstand ........................... 6 2. Auswahl und Bestellung des Prüfers ................................................. 8 3. Prüfungsbericht .................................. 9 IV. Informationspflichten (§ 327c Abs. 3 – 5) ............................. 10
Bekanntmachung der Tagesordnung (§ 327c Abs. 1)
§ 327c Abs. 1 ist § 320 Abs. 2 nachgebildet und bezweckt die frühzeitige Information 1 der Minderheitsaktionäre über die Identität des Hauptaktionärs und die Höhe der Barabfindung. Die Minderheitsaktionäre sollen damit die Möglichkeit haben, frühzeitig über die Durchführung eines Spruchverfahrens nach § 327f entscheiden zu können.1) Die Fassung des Übertragungsbeschlusses ist als Tagesordnungspunkt nach § 121 Abs. 3 Satz 2 einschließlich der zusätzlichen Angaben nach § 327c Abs. 3 Nr. 1 und 2 bekannt zu machen. Anderenfalls dürfen keine Beschlüsse gefasst werden (§ 124 Abs. 4 Satz 1). Dennoch gefasste Beschlüsse sind nach § 243 Abs. 1 anfechtbar.2) Anzugeben ist die vollständige Firma und der Sitz des Hauptaktionärs einschließlich der vollständigen Anschrift und bei ausländischen Gesellschaften auch der Rechtsformzusatz, selbst wenn dieser nicht offizieller Firmenbestandteil ist.3) Zudem empfiehlt sich entsprechend der üblichen Praxis die Angabe des zuständigen Gesellschaftsregisters nebst Registernummer. Bei natürlichen Personen sind Vor- und Nachname und die vollständige Adresse, daher Wohnort, Straße und Haus_____________ 1) 2) 3)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 327c AktG Rz. 1; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327c Rz. 2. Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327c Rz. 5, mit zutreffendem Hinweis, dass geringfügige Ungenauigkeiten keine Relevanz für die Beschlussfassung haben. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c AktG Rz. 6; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327c AktG Rz. 5.
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nummer, anzugeben. Eine geeignete Geschäftsadresse am allgemeinen Gerichtsstand ist ausreichend.4) 2 Die Abfindung ist in Euro pro Aktie für jede Aktiengattung und differenzierend nach Aktien mit unterschiedlichen Nennbeträgen sowie für ausstehende Bezugsrechte (siehe hierzu § 327b Rz. 3) gesondert anzugeben. Gegen die Bekanntmachung einer bestimmten Mindestabfindung bestehen keine Bedenken.5) II.
Übertragungsbericht des Hauptaktionär (§ 327c Abs. 2 Satz 1)
1.
Allgemeines
3 Der Hauptaktionär hat der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht (sog. Übertragungsbericht) zu erstatten, in dem die Voraussetzungen für die Übertragung dargelegt und die Angemessenheit der Barabfindung erläutert und begründet werden. Die Berichtspflicht ist den §§ 293a Abs. 1, 319 Abs. 3 Nr. 3 und 320 Abs. 4 Satz 2 nachgebildet, ohne jedoch die Ausführlichkeit der Berichterstattung explizit zu fordern. Ist der Hauptaktionär eine Gesellschaft, ist die Unterzeichnung des Berichts durch eine vertretungsberechtigte Zahl an Organmitgliedern ausreichend.6) 2.
Berichtsinhalt
4 Inhaltlich muss der Bericht die Voraussetzungen für die Übertragung und die Angemessenheit der Barabfindung schlüssig und plausibel darlegen7) und den Minderheitsaktionären zusammen mit den anderen ihnen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ein erstes und bei Bedarf in der Hauptversammlung zu vertiefendes Urteil über die Plausibilität insbesondere der angebotenen Barabfindung ermöglichen.8) Zu diesem Zweck muss der Erwerb der 95 %-Beteiligung unter Nennung sämtlicher nach § 16 Abs. 4 zugerechneten Beteiligungen und ihrer Verbindung zum Hauptaktionär, des aktuellen Grundkapitals und der hiervon abzusetzenden eigenen Aktien nachvollziehbar dargelegt werden.9) Sind Veränderungen dieser Umstände bis zur Hauptversammlung bereits absehbar, ist auch dies zu erläutern. Im Bericht ist auch darzulegen, dass dem Hauptaktionär bereits seit der Zeit des (konkretisierten) Übertragungsverlangens die erforderliche 95 %Mehrheit gehört, da dies wiederum Voraussetzung für ein wirksames Übertragungsverlangen ist.10) Als Nachweis dient regelmäßig die Beifügung der Übertragungsverlangen nebst entsprechender Depotbestätigungen als Anlagen zum Bericht. Verzichtet werden kann jedoch auf eine ausführliche Beschreibung von Hauptaktionär und Gesellschaft, die
_____________ 4) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327c AktG Rz. 5; Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 59; zur Angabe bei einer Erben- oder Gütergemeinschaft oder einer GbR s. Hasselbach in: KölnKommWpÜG, § 327c AktG Rz. 8. 5) LG Berlin, Urt. v. 17.2.2003 – 99 O 111/02, n. rkr., ZIP 2003, 1352, 1353; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327c Rz. 4. 6) OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05 (GEA), ZIP 2005, 1457, 1459; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.1.2005 – 16 U 59/04, NZG 2005, 347, 349; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524, 1528, Rz. 27 – zu § 8 UmwG; Vattenfall; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327c Rz. 7. 7) BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080, 2082 f., Rz. 17; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.9.2008 – I-6 W 30/08, ZIP 2009, 170, 174; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327c AktG Rz. 7; zu den sprachlichen Anforderungen vgl. Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 40. 8) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.12.2009 – I-6 U 69/08, AG 2010, 711, 714. 9) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327c Rz. 7; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327c AktG Rz. 22. 10) Vgl. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1059 Rz. 26 m. w. N.; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327a Rz. 10; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327a Rz. 18.
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Gründe für den Squeeze-out, seine Vor- und Nachteile und Hinweise auf die rechtlichen und steuerlichen Folgen der Übertragung.11) Der Übertragungsbericht muss zudem die Angemessenheit der Barabfindung erläutern 5 und begründen. Dies umfasst Angaben zu der verwendeten Bewertungsmethode unter Erläuterung der der Bewertung zugrunde liegenden Kenn- und Planzahlen, der Herleitung und Berechnung des maßgeblichen Börsenpreises als grundsätzliche Abfindungsuntergrenze und eine etwaige Abweichung hiervon. In der Praxis geschieht dies in aller Regel durch Beifügung einer gutachtlichen Stellungnahme zum Unternehmenswert der betroffenen Gesellschaft und der hieraus abgeleiteten Barabfindung als integraler Bestandteil des Übertragungsberichts. Bietet der Hauptaktionär in seinem Bericht eine höhere Abfindung an, als in dieser (externen) Unternehmensbewertung ermittelt, um innerhalb der durch den gerichtlich bestellten Prüfer als angemessen beurteilten Bandbreite zu bleiben, ist für eine Anfechtung des Übertragungsbeschlusses kein Raum.12) Der Inhalt des Übertragungsberichts muss den Minderheitsaktionären außerdem nicht ermöglichen, eine eigene Unternehmensbewertung durchzuführen. Nach h. M. sind auch Ausführungen zum Vorliegen der Gewährleistungserklärung nach § 327b Abs. 3 Berichtsgegenstand.13) Im Übrigen kann auf die Kommentierung zu § 293a (siehe dort Rz. 7 ff.) und § 320 (siehe dort Rz. 5) verwiesen werden. III.
Prüfung der Barabfindung (§ 327c Abs. 2 Satz 2)
1.
Prüfungsgegenstand
Die Angemessenheit der Barabfindung ist durch einen oder mehrere gerichtlich bestellte 6 Prüfer zu prüfen. Der Prüfungsgegenstand ergibt sich durch die Verweisung in § 327c Abs. 2 Satz 4 mittelbar aus den Pflichtangaben des Prüfungsberichts nach § 293e Abs. 1 Satz 3. Die dortige Aufzählung legt den Prüfungsgegenstand abschließend fest. Der Prüfungsbericht berichtet dabei nicht über eine eigene Bewertung des gerichtlich bestellten Prüfers, sondern (nur) über die Bewertung des Hauptaktionärs.14) Nicht zu prüfen ist die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Übertragungsberichts, die Rechtmäßigkeit und wirtschaftliche Zwecksetzung des angestrebten Ausschlusses und die dahinterstehenden Motive, die wirtschaftliche Situation des Hauptaktionärs, das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Gewährleistungserklärung und das Erreichen der 95 %-Schwelle.15) Die Schutzklausel nach § 293a Abs. 2 und die Verzichtsmöglichkeit nach § 293a Abs. 3 7 gelten über die Verweisung in § 327c Abs. 2 Satz 4 entsprechend. Eine Sonderprüfung nach § 142 ist neben der Prüfung nach § 327c Abs. 2 Satz 2 und einem etwaigen Spruchverfahren zur Überprüfung der Abfindungshöhe nicht zulässig.16)
_____________ 11) OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 208 f.; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327c Rz. 8. 12) OLG München, Beschl. v. 6.7.2011 – 7 AktG 1/11, AG 2012, 45, 48 = ZIP 2011, 2199. 13) OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05 (GEA), ZIP 2005, 1457, 1459; Emmerich/HabersackHabersack, § 327c AktG Rz. 8; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c AktG Rz. 22; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327c Rz. 8. 14) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c AktG Rz. 49, mit dem Hinweis, dass es sich bei dem Prüfungsbericht um eine reine Ergebnisdarstellung handelt; a. A. Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327c Rz. 36. 15) Vgl. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327c AktG Rz. 47; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327c Rz. 11. 16) BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080, 2084, Rz. 26 ff.; Emmerich/HabersackHabersack, § 327c AktG Rz. 10.
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§ 327c 2.
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Auswahl und Bestellung des Prüfers
8 Auswahl und Bestellung des Prüfers erfolgen auf Antrag des Hauptaktionärs (§ 327c Abs. 2 Satz 3). Das Gericht kann dabei dem Vorschlag des Hauptaktionärs folgen.17) Nicht erforderlich ist dabei, mehrere Prüfer zur Auswahl vorzuschlagen. Eine sog. Parallelprüfung ist dabei ohne weiteres zulässig (und auch gängige Praxis).18) Zuständig für die Prüferbestellung ist das LG am Sitz der Gesellschaft, dort funktional der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (§ 327c Abs. 2 Satz 4, § 293c Abs. 1 Satz 3, Satz 4). Für das weitere Bestellungsverfahren, Rechtsbehelfe, Bestellungshindernisse, Vergütung, Verantwortung und Informationsrechte des Prüfers gilt §§ 293c Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 und 293d (§ 327c Abs. 2 Satz 4). Auf die dortige Kommentierung kann verwiesen werden. 3.
Prüfungsbericht
9 Der Vertragsprüfer hat über das Ergebnis seiner Prüfung schriftlich zu berichten (§ 327c Abs. 2 Satz 4; § 293e Abs. 1 Satz 1). Der Inhalt des Prüfungsberichts richtet sich nach § 293e Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 (§ 327c Abs. 2 Satz 4). Der Übertragungsbeschluss ist nach § 243 Abs. 1 anfechtbar, wenn der Bericht gänzlich fehlt oder nicht den gesetzlichen Formalanforderungen genügt. Inhaltliche Mängel und andere Unzulänglichkeiten bei der Abfassung des Prüfungsberichts führen aufgrund der unabhängigen Stellung des Prüfers aber nicht zur Anfechtbarkeit.19) Gleiches gilt für die Bestätigung der Angemessenheit der Barabfindung unter dem Vorbehalt einer noch auszuschüttenden Dividende,20) und für den Fall, dass der Prüfer die Angemessenheit der Abfindung verneint.21) Andernfalls wäre ein Anfechtungsverfahren wieder mit bewertungsrelevanten Themen belastet, was der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte. IV.
Informationspflichten (§ 327c Abs. 3 – 5)
10 Ab Einberufung der Hauptversammlung bis zu deren Beginn sind in den Geschäftsräumen der Gesellschaft der Entwurf des Übertragungsbeschlusses, die Jahresabschlüsse (nicht auch Konzernabschlüsse22) und Lageberichte der Gesellschaft (nicht auch des Hauptaktionärs) für die letzten drei Geschäftsjahre (siehe hierzu die entsprechend geltenden Ausführungen zu § 320 Rz. 9), der Übertragungsbericht und der Prüfungsbericht zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Die Auslage am Verwaltungssitz ist dabei ausreichend.23) 11 Die Aktionäre können die kostenlose und unverzügliche Übersendung von Abschriften verlangen (§ 327c Abs. 4). Vorstehende Pflichten entfallen jedoch, wenn die auszulegenden Unterlagen während des relevanten Zeitraums auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind (§ 327c Abs. 5). Die vorstehenden Bestimmungen sind den §§ 293f, 319 Abs. 3, 320 Abs. 4 Satz 1 und 3 nachgebildet. Auf die entsprechende Kommentierung dort kann deshalb verwiesen werden. _____________ 17) LG München I, Urt. v. 26.4.2007 – 5 HK O 12848/06, Der Konzern 2007, 448, 453. 18) Ganz h. M., BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, ZIP 2009, 908, 913, Rz. 32; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327c Rz. 10; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327c AktG Rz. 11. 19) KG, Beschl. v. 10.12.2009 – 23 AktG 1/09, ZIP 2010, 180, 182; LG München I, Urt. v. 26.4.2007 – 5 HK O 12848/06, Der Konzern 2007, 448, 453. 20) OLG Hamm, Beschl. v. 22.9.2010 – I – 8 AktG 1/10, AG 2011, 136, 137. 21) Bayer/Fiebelkorn, EWiR 2013, 231 f. (Urteilsanm.) jedoch differenzierend nach Umfang der Gewährleistungserklärung; Grigoleit-Rieder, AktG, § 327c, Rz. 6; a. A.; OLG Bremen, Beschl. v. 16.8.2012 – 2 U 51/12, ZIP 2013, 460, 461 f. (Klage nicht offensichtlich unbegründet) 22) BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, ZIP 2009, 908, 912, Rz. 29. 23) BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1057 f.
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§ 327d
Durchführung der Hauptversammlung
§ 327d Durchführung der Hauptversammlung 1
In der Hauptversammlung sind die in § 327c Abs. 3 bezeichneten Unterlagen zugänglich zu machen. 2Der Vorstand kann dem Hauptaktionär Gelegenheit geben, den Entwurf des Übertragungsbeschlusses und die Bemessung der Höhe der Barabfindung zu Beginn der Verhandlung mündlich zu erläutern. Übersicht I. Auslage von Unterlagen (§ 327d Satz 1) .................................... 1
I.
II. Erläuterungen durch Vorstand und Hauptaktionär (§ 327d Satz 2) ................................... 2 III. Auskunftsrecht der Aktionäre ........ 5
Auslage von Unterlagen (§ 327d Satz 1)
Die Vorschrift ist den §§ 176 Abs. 1, 293f Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 4 und 320 Abs. 1 Satz 3, 1 Abs. 4 Satz 3 nachgebildet und verlangt, dass die nach § 327c Abs. 3 auslagepflichtigen Unterlagen (Entwurf des Übertragungsbeschlusses, Jahresabschlüsse und Lageberichte der Gesellschaft, Übertragungsbericht, Prüfungsbericht) den Aktionären während der Hauptversammlung zugänglich gemacht werden. Ein Verlesen dieser Unterlagen ganz oder in Auszügen ist in keinem Fall erforderlich.1) II.
Erläuterungen durch Vorstand und Hauptaktionär (§ 327d Satz 2)
Da ein Squeeze-out Verfahren maßgeblich durch den Hauptaktionär beeinflusst und 2 gesteuert wird, kann der Vorstand der Gesellschaft nach § 327d Satz 2 dem Hauptaktionär Gelegenheit geben, zu Beginn des Tagesordnungspunktes „Ausschluss der Minderheitsaktionäre“ den Entwurf des Übertragungsbeschlusses und die Bemessung der Höhe der Barabfindung mündlich zu erläutern. Damit soll der Hauptaktionär insbesondere die Möglichkeit haben, seine Ausführungen im Übertragungsbericht zu aktualisieren. Eine Pflicht zur Erläuterung trifft den Hauptaktionär jedoch nicht. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob der Vorstand der Gesellschaft verpflichtet 3 ist, seine Vorlagen gegenüber der Hauptversammlung zu erläutern.2) Die besseren Argumente sprechen dafür. Der Rechtsgedanke aus §§ 176 Abs. 1 Satz 1, 293g Abs. 2 Satz 1 AktG, § 64 Abs. 1 Satz 2 UmwG liefert bereits gute Gründe für die Annahme einer allgemeinen Pflicht des Vorstandes zur Erläuterung seiner Vorlagen. Hinzu kommt, dass der Hauptaktionär zu einer Erläuterung nicht verpflichtet ist und der Vorstand ihm die Möglichkeit zur Erläuterung geben kann, aber nicht muss.3) Im äußersten Fall würde es daher außerhalb der Generaldebatte an jeder mündlichen Erläuterung fehlen. Seiner Erläuterungspflicht genügt der Vorstand aber mit einer auf das Wesentliche beschränkten Zusammenfassung der zwingenden Inhalte des Übertragungsberichts und einer kurzen Beschreibung etwaiger Bewertungsschwierigkeiten. Eine eigene, wenn auch nur kurze _____________ 1) 2)
3)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 327d AktG Rz. 2; Hüffer, AktG, § 327d Rz. 2; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327d Rz. 2. So die wohl h. M., OLG Hamburg, Urt. v. 11.4.2003 – 11 U 215/02, n. rkr., ZIP 2003, 1344, 1348; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327d AktG Rz. 3; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327d Rz. 3; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327d Rz. 8; a. A. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327d AktG Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Schnorbus, AktG, § 327d Rz. 6. OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.12.2003 – 20 W 6/03, ZIP 2003, 2363, 2364; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327d Rz. 3.
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§ 327d
Durchführung der Hauptversammlung
Stellungnahme wird man von ihm nur verlangen können, wenn man ihn, wie hier, für verpflichtet hält, einen Beschlussvorschlag nach § 124 Abs. 3 Satz 1 zu unterbreiten.4) 4 Soweit die in § 327d Satz 2 genannten Angelegenheiten betroffen sind, kann er die Erfüllung seiner Erläuterungspflicht auf den Hauptaktionär delegieren, falls dieser hierzu seine Bereitschaft erklärt. Im Übrigen bleibt der Vorstand jedoch zur Erläuterung verpflichtet und hat etwaige Lücken in den Ausführungen des Hauptaktionärs zu schließen.5) Aufgrund der größeren Sachnähe des Hauptaktionärs zu den in § 327c Satz 2 genannten Angelegenheiten, erfährt der Vorstand eine Privilegierung. Ihn trifft daher keine Verantwortung für die Erläuterungen des Hauptaktionärs und muss sich diese auch nicht zu Eigen machen6), soweit sie das von ihm geforderte Mindestmaß überschreiten. III.
Auskunftsrecht der Aktionäre
5 § 131 Abs. 1 Satz 1 findet uneingeschränkt Anwendung. Der Vorstand der Gesellschaft hat daher alle Aktionärsfragen zu beantworten, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des anstehenden Übertragungsbeschlusses erforderlich sind und die Angelegenheiten der Gesellschaft betreffen. Das Auskunftsrecht bezieht sich dabei auf die Voraussetzungen des § 327a Abs. 1 und die nach § 327d zugänglich zu machenden Unterlagen.7) Hierunter fallen zuvorderst alle Umstände, die sich wesentlich auf den Unternehmenswert und damit auf die Barabfindung auswirken. Zulässig sind des Weiteren auch Fragen nach der Höhe der Beteiligung des Hauptaktionärs zur Zeit des Übertragungsverlangens und am Tag der Hauptversammlung. Ferner können die Aktionäre Auskünfte über das Übertragungsverlangen, die Gewährleistungserklärung und alle sonstigen Voraussetzungen für den Minderheitenausschluss verlangen.8) Die Vorlage von Depotbestätigungen und sonstiger nicht gesetzlich vorgesehener Unterlagen kann jedoch nicht verlangt werden. 6 Angelegenheiten des Hauptaktionärs sind vom Auskunftsrecht nicht erfasst. Fragen nach der Art und Weise und den dahinter stehenden Motiven für den Erwerb der 95 %-Mehrheit einschließlich des Namens des Verkäufers der jeweiligen Aktien, der Kaufpreise und der Erwerbszeitpunkte müssen daher nicht beantwortet werden. Gleiches gilt für Fragen zum Auftragsverhältnis des Hauptaktionärs mit dem gewährleistenden Kreditinstitut und einem Gutachter zur Bestimmung des Unternehmenswerts einschließlich der diesbezüglichen Kosten. 7 Eine Pflicht des Hauptaktionärs Auskünfte zu erteilen, ist generell abzulehnen.9) Kann der Vorstand die Aktionärsfrage nicht ohne Mithilfe des Hauptaktionärs beantworten, spricht schon vieles dafür, dass die Frage nicht mehr die Angelegenheiten der Gesellschaft betrifft. Der Vorstand kann dem Hauptaktionär freilich Gelegenheit geben, bestimmte Fragen direkt zu beantworten, falls er sich dabei die Antwort erkennbar zu Eigen macht.
_____________ 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Generell gegen Pflicht zur Stellungnahme Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327d Rz. 4; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327d Rz. 3. Hüffer, AktG, § 327d Rz. 4; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327d AktG Rz. 4; Bürgers/KörberHolzborn/Müller, AktG, § 327d Rz. 3; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327d Rz. 4. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327d Rz. 3; a. A. Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327d Rz. 9. OLG München, Urt. v. 28.9.2011 – 7 U 711/11, AG 2011, 840, 843 f. = ZIP 2011, 1955. Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 69; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327d Rz. 11, mit weiteren Einzelheiten. So auch Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327d AktG Rz. 9; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327d AktG Rz. 5; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327d Rz. 5; Ausnahmen zulassend Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327d Rz. 12; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327d Rz. 6 – jeweils auf Treuepflicht abstellend.
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§ 327e
Eintragung des Übertragungsbeschlusses
Informationen, die dem Hauptaktionär zur Vorbereitung seines Barangebots erteilt wurden, unterliegen nicht dem erweiterten Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 4.10) _____________ 10) LG München I, Beschl. v. 24.4.2008 – 5 HK O 23244/07 (HVB/Unicredit), ZIP 2008, 1635 (LS7) und Urt. v. 28.8.2008 – 5 HK O 12861/07 (HVB/Unicredit), nrkr, ZIP 2008, 2124 f. (LS8); Kersting in: KölnKomm-AktG, § 131 Rz. 442; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327b Rz. 5.
§ 327e Eintragung des Übertragungsbeschlusses (1) 1Der Vorstand hat den Übertragungsbeschluss zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Der Anmeldung sind die Niederschrift des Übertragungsbeschlusses und seine Anlagen in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (2) § 319 Abs. 5 und 6 gilt sinngemäß. (3) 1Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister gehen alle Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär über. 2Sind über diese Aktien Aktienurkunden ausgegeben, so verbriefen sie bis zu ihrer Aushändigung an den Hauptaktionär nur den Anspruch auf Barabfindung. Literatur: Altmeppen, Die unzulängliche Abfindungsregelung beim Squeeze-out, ZIP 2010, 1773; Dreier/Riedel, Der zeitanteilige Ausgleichsanspruch beim Squeeze out, BB 2009, 1822; Fuhrmann/ Linnerz, Das überwiegende Vollzugsinteresse im aktien- und umwandlungsrechtlichen Freigabeverfahren, ZIP 2004, 2306; Goette, Zu den Folgen der Eintragung eines Squeeze-out-Beschlusses vor Ablauf der Eintragungsfrist, in: Festschrift für K. Schmidt, 2009, S. 469; Keul, Anfechtungsklage und Überwindung der Registersperre im Rahmen eines Squeeze-out, ZIP 2003, 566; Lieder/ Stange, Squeeze-out: Aktuelle Streit- und Zweifelsfragen, Der Konzern 2008, 617; Petersen/ Habbe, Squeeze-out mit Eintragung im Handelsregister bestandskräftig?, NZG 2010, 1091.
Übersicht I. Anmeldung zum Handelsregister (§ 327e Abs. 1) .................................... 1 II. Negativerklärung und Freigabeverfahren (§ 327e Abs. 2) .................. 2 I.
III. Wirkung der Eintragung (§ 327e Abs. 3) ................................... 8
Anmeldung zum Handelsregister (§ 327e Abs. 1)
Die Vorschrift ist § 319 Abs. 4 nachgebildet und verpflichtet den Vorstand der Gesell- 1 schaft, den Übertragungsbeschluss zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Aufgrund eines Redaktionsversehens in § 407 Abs. 2 ist diese Pflicht nicht zwangsgeldbewährt.1) Der Vorstand ist gegenüber der Gesellschaft jedoch nach § 83 Abs. 2 zur Anmeldung verpflichtet. Der Anmeldung sind die Niederschrift des Übertragungsbeschlusses und seine Anlagen in Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen (§ 327e Abs. 1 Satz 2). Da der Übertragungsbeschluss keiner qualifizierten Mehrheit bedarf, reicht bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft die privatschriftliche Niederschrift nach § 130 Abs. 1 Satz 3 aus. In jedem Fall bedürfen aber die Anlagen der besonderen Form nach Satz 2. Umstritten ist, welche Anlagen der Beschlussniederschrift beizufügen sind. Nach richtiger Ansicht sind dies nur die Anlagen nach § 130 Abs. 3 _____________ 1)
H. M., Hüffer, AktG, § 327e Rz. 2; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327e AktG Rz. 2; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 327e Rz. 4; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327e Rz. 3.
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§ 327e
Eintragung des Übertragungsbeschlusses
(Belege über die Einberufung) und nicht auch die nach § 327c Abs. 3 auszulegenden Unterlagen.2) Aufgrund der Prüfungspflicht des Registergerichts empfiehlt es sich dennoch, der üblichen Praxis zu folgen und Übertragungsbericht, Prüfungsbericht, Übertragungsverlangen und Gewährleistungserklärung auf freiwilliger Basis mit einzureichen. II.
Negativerklärung und Freigabeverfahren (§ 327e Abs. 2)
2 Über die Verweisung in § 327e Abs. 2 gelten für die Abgabe der sog. Negativerklärung, die Registersperre bei deren Nichtvorliegen und das Freigabeverfahren die Vorschriften für die Eingliederung in § 319 Abs. 5 und 6 entsprechend (vgl. § 319 Rz. 15 ff.). Danach hat der Vorstand der Gesellschaft bei der Anmeldung eine Negativerklärung gegenüber dem Gericht abzugeben, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses nicht oder nicht fristgemäß erhoben oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist. Hierüber hat der Vorstand dem Gericht auch nach der Anmeldung Mitteilung zu machen. Fehlt die Negativerklärung, darf der Registerrichter nicht eintragen (Registersperre), es sei denn, es liegt ein wirksamer Klageverzicht aller Minderheitsaktionäre vor.3) Die Erklärung bezieht sich dabei auf Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Feststellungsklagen, die sich gegen die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses richten. Die Anmeldung und die Negativerklärung können nach dem Gesetzeswortlaut bereits vor Ablauf der Anfechtungsfrist erfolgen.4) 3 Die Registersperre kann durch stattgebenden Beschluss im Freigabeverfahren überwunden werden (§ 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 6 Satz 1).5) Antragsbefugt ist die Gesellschaft (vertreten durch ihren Vorstand6), nicht der Hauptaktionär. Nach zutreffender Ansicht kann aber der Hauptaktionär im Falle eines hinreichenden Vollzugsinteresses und bei gleichzeitiger Kostenübernahme die Durchführung eines Freigabeverfahrens verlangen.7) 4 Dem Freigabeantrag ist stattzugeben, wenn –
die Klage unzulässig ist,
–
die Klage offensichtlich unbegründet ist,
–
der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Freigabeantrags durch Urkunde nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung zur entsprechenden Hauptversammlung einen anteiligen Betrag am Grundkapital von mindestens 1.000 € (Bagatellquorum) hält8), oder
_____________ 2)
3)
4)
5) 6) 7)
8)
Bürgers/Körber-Holzborn/Müller, AktG, § 327e Rz. 3; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327e Rz. 2; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327e Rz. 3; Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327e AktG Rz. 7; a. A. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327e AktG Rz. 3 – auch Übertragungsbericht und Prüfungsbericht. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327e AktG Rz. 15; weitergehend Grunewald in: MünchKommAktG, § 327e Rz. 5; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327e AktG Rz. 5, wonach ein Verzicht aller klageberechtigten Aktionäre erforderlich ist (damit auch der nach § 327a Abs. 2 i. V. m. § 16 Abs. 4 verbundenen Unternehmen); so wohl auch Goette in: FS K. Schmidt, S. 469, 484. Strittig, so aber auch Goette in: FS K. Schmidt, S. 449, 484; vgl. im Übrigen bei § 319 Rz. 15; a. A: Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327e AktG Rz. 13 – unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 5.10.2006 – III ZR 283/05, ZIP 2006, 2312, 2313 – zu § 16 Abs. 2 UmwG. Nach der DAI Studie Nr. 39, Oktober 2007, S. 39 wurde jedoch in weniger als der Hälfte der Fälle, in denen der Übertragungsbeschluss angefochten wurde, ein Freigabeantrag gestellt. OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 27 W 3/05 (GEA), ZIP 2005, 1457, 1458; Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 78. Emmerich/Habersack-Habersack, § 327e AktG Rz. 6; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327e Rz. 6 – jeweils nur gegen entsprechende Freistellung von Schadensersatzansprüchen; a. A. Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 78. Vgl. hierzu ausführlich OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.9.2010 – 12 AktG 1218/10, AG 2011, 179 f.
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Eintragung des Übertragungsbeschlusses –
§ 327e
das alsbaldige Wirksamwerden des Übertragungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die von der Gesellschaft dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre (einschließlich des Hauptaktionärs) nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor (vorrangiges Vollzugsinteresse).
Besonderheiten für den Squeeze-out ergeben sich in diesem Zusammenhang nur für die 5 Beurteilung eines vorrangigen Vollzugsinteresses, obgleich diese Fallgruppe gegenüber den unter Spiegelstrich 2 genannten Fällen in der Praxis von nur untergeordneter Bedeutung ist.9) Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Interessen der Gesellschaft und 6 des Hauptaktionärs auf der einen und die Interessen der klagenden Minderheitsaktionäre auf der anderen Seite gegenüberzustellen und abzuwägen, wobei hierbei das Interesse, als Aktionär an der Gesellschaft beteiligt zu sein, aufgrund der mit dem Squeeze-out verfolgten Zielsetzung unberücksichtigt bleibt. Die Erfolgsaussichten der Klage sind i. R. der Interessenabwägung auszublenden.10) Mit dem Squeeze-out verbundene organisatorische Vereinfachungen und finanzielle Ersparnisse können dabei das Vollzugsinteresse bestimmen, da die unterbliebene Vereinfachung von Entscheidungsprozessen und die Erforderlichkeit der Durchführung von Publikumshauptversammlungen in der Regel schwerwiegende Nachteile für die Gesellschaft darstellen.11) Ebenfalls zu berücksichtigen sind die Kosten für die Erstellung eines IFRS-Konzernabschlusses einer börsennotierten verbundener Umstrukturierungen12) oder erhebliche finanzielle Nachteile für die Gesellschaft oder den Hauptaktionär13). Die Vereinfachung und effizientere Gestaltung der Unternehmensführung wird jedoch für sich allein betrachtet noch nicht als ausreichend anerkannt.14) Der Einwand der Verfassungswidrigkeit der §§ 327a ff. oder Unzulässigkeit der durch Wertpapierdarlehen begründeten 95 %-Mehrheit führt für sich betrachtet bereits zur offensichtlichen Unbegründetheit der Klage.15) Tendenziell wird daher nur in besonders gelagerten Fällen ein überwiegendes Vollzugsinteresse der Gesellschaft und/oder des Hauptaktionärs feststellbar sein.16) Zu den weiteren formellen und materiellen Einzelheiten des Freigabeverfahrens kann auf 7 die Kommentierung zu § 246a und § 319 (dort Rz. 17) verwiesen werden. III.
Wirkung der Eintragung (§ 327e Abs. 3)
Mit der konstitutiv wirkenden Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handels- 8 register der Gesellschaft gehen alle Aktien ohne Weiteres kraft Gesetzes auf den Hauptaktionär über (§ 327e Abs. 3 Satz 1). Die Regelung entspricht § 320a Satz 1 und kann gleichermaßen verstanden werden. Vom Rechtsübergang betroffen sind sämtliche Aktien _____________ 9) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327e AktG Rz. 35; vgl. aber demgegenüber Fuhrmann/Linnerz, ZIP 2004, 2306, 2311. 10) OLG Hamm, Beschl. v. 22.9.2010 – I-8 AktG 1/10, AG 2011, 136, 138. 11) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 14.7.2008 – 23 W 14/08 (Commerzbank), ZIP 2008, 1968, 1969; OLG Hamm, Beschl. v. 22.9.2010 – I-8 AktG 1/10, AG 2011, 136, 138 – Kosten i. H. von 200.000 €). 12) LG Regensburg, Beschl. v. 16.1.2004 – 2 HKO 2124/03, Der Konzern 2004, 811, 817. 13) Vgl. weitere Beispiele bei Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327e Rz. 7; abzulehnen ist aber die Entscheidung des LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.5.2003 – 3-13 O 22/03; NZG 2003, 731, 732, wonach eine Steuerersparnis von 1 Mio. € p. a. in Anbetracht einer Barabfindung von ca. 22 Mio. € keine Rolle spielt. 14) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327e AktG Rz. 39; vgl. auch OLG München, Beschl. v. 16.11.2005 – 23 W 2384/05 (Lindner Holding), ZIP 2005, 2259, 2261, wonach atypische Umstände vorgetragen werden müssen; vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.2.2005 – 1 W 293/04, AG 2005, 366 – Eilbedürftigkeit aufgrund besonderer atypischer Nachteile für Gesellschaft bzw. Hauptaktionär nicht vorgetragen. 15) Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327e AktG Rz. 30, 31. 16) In diese Richtung auch Austmann in: MünchKomm-AktG, § 74 Rz. 80; Keul, ZIP 2003, 566, 568.
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§ 327e
Eintragung des Übertragungsbeschlusses
der Minderheitsaktionäre und Bezugsrechte auf Aktien der Gesellschaft17) (zu Einzelheiten siehe § 327b Rz. 2 f.). Aktien, die dem Hauptaktionär nach § 16 Abs. 4 zugerechnet werden und eigene Aktien der Gesellschaft sind nach der hier vertretenen Ansicht vom Rechtsübergang nicht betroffen. Im Übrigen gehen die Aktien lastenfrei auf den Hauptaktionär über; dingliche Belastungen (z. B. Pfandrechte) setzen sich in analoger Anwendung von § 1287 Satz 1 BGB am Abfindungsanspruch fort.18) Die vollständige oder teilweise Veräußerung der 95 %-Mehrheit an einen Dritten nach Fassung des Übertragungsbeschlusses lässt den Übergang der Aktien auf den Hauptaktionär gegen die von ihm geschuldete Abfindung unberührt.19) 9 Die Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär beendet einen etwaigen Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag nicht. Ein Minderheitsaktionär hat jedoch weder ganz noch teilweise einen Anspruch auf die hieraus folgende feste Ausgleichszahlung (§ 304), wenn der Übertragungsbeschluss vor dem Entstehen und der Fälligkeit des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung in das Handelsregister eingetragen wird.20) Nach gängiger Vertragspraxis entsteht der Anspruch auf Ausgleichszahlung mit gleichzeitiger Fälligkeit erst nach Beendigung der ordentlichen Hauptversammlung für das relevante Geschäftsjahr. Der Unternehmensvertrag kann jedoch eine anderweitige Regelung treffen. Abfindungsansprüche nach § 305 bestehen aufgrund ihres schuldrechtlichen Charakters auch nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses fort.21) Die Minderheitsaktionäre haben dann ein Wahlrecht. Bei Wahl der Abfindung aus § 305 wird die Abfindung nach § 327b Abs. 1 Satz 1 aber angerechnet. 10 Bemisst sich die Barabfindung wie im Regelfall entweder nach dem Börsenwert oder nach der Ertragswertmethode als Barwert der künftigen Erträge, steht den Minderheitsaktionären auch kein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 101 Nr. 2 Halbs. 2 BGB auf eine anteilige Dividende bis zum Übergang der Aktien auf den Hauptaktionär zu.22) 11 Durch den Übergang der Aktien verliert ein Minderheitsaktionär nach h. M. nicht seine Befugnis, mit einer Beschlussmängelklage gegen den Übertragungsbeschluss selbst vorzugehen. Seine Aktionärsstellung wird in diesem Fall durch verfassungskonforme Auslegung von § 245 Nr. 1 bis 3 fingiert, um dem allgemeinen Grundsatz zu entsprechen, dass die Aktionärseigenschaft auch noch im Zeitpunkt der Klageerhebung, d. h. Zustellung der Klage bestehen muss.23) Ein Auskunftsantrag nach § 13224) und ein Antrag auf Sonderprüfung25) werden jedoch mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses unzulässig. Ein bereits laufendes Spruchverfahren hinsichtlich einer vorangegangenen Strukturmaßnahme wird fortgesetzt (siehe bereits § 320a Rz. 1). Gleiches gilt für einen Anfechtungsprozess, _____________ 17) 18) 19) 20)
21) 22)
23)
24) 25)
Emmerich/Habersack-Habersack, § 327e AktG Rz. 9; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327e Rz. 8. Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327e Rz. 8. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327e AktG Rz. 57. Nunmehr ganz h. M., BGH, Urt. v. 19.4.2011 – II ZR 237/09 (Wella I) und II ZR 244/09 (Wella II), AG 2011, 514 ff. = ZIP 2011, 1097; bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 5.12.2012 – 1 BvR 1577/11, AG 2013, 255 ff. = ZIP 2013, 260; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327e Rz. 10; a. A. Dreier/Riedel, BB 2009, 1822, 1828. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.10.2006 – I-26 W 7/06, AG 2007, 325, 327 f.; Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 74 Rz. 98; a. A. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 305 AktG Rz. 34. Vgl. BGH, Urt. v. 19.4.2011 – II ZR 244/09 (Wella II), AG 2011, 514, 516 f. – in seiner Begründung nahezu wortidentisch mit Parallelurteil vom selben Tag, Az. II ZR 237/09, Wella I; a. A. Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG, § 327e AktG Rz. 70; Altmeppen, ZIP 2010, 1773, 1782. BVerfG, Beschl. v. 9.12.2009 – BvR 1542/06, ZIP 2010, 571, 575; BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09; ZIP 2011, 1055, 1056; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327e Rz. 10; Hüffer, AktG, § 327e Rz. 3; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327e Rz. 14; Goette in: FS K. Schmidt, S. 469, 475 ff. LG München I, Beschl. v. 26.8.2010 – 5 HK O 19003/09 (HRE), ZIP 2011, 494 ff. OLG München, Beschl. v. 11.5.2010 – 31 Wx 14/10, ZIP 2010, 1032 f.
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§ 327f
Gerichtliche Nachprüfung der Abfindung
soweit dessen Ausgang rechtlich erhebliche Auswirkungen auf die Barabfindung haben kann und der betroffene Aktionär damit ein berechtigtes Interesse an der Weiterführung des Prozesses hat.26) Einem Aktionär fehlt jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für ein Spruchverfahren zur Überprüfung der Kompensation nach §§ 304, 305, wenn die Übertragung seiner Aktien auf den Hauptaktionär aufgrund eines in derselben Hauptversammlung wie die Zustimmung zum Unternehmensvertrag beschlossenen Übertragungsbeschlusses vor Ablauf eines Geschäftsjahres wirksam und die Angemessenheit der Abfindung nach § 327b in einem anderen Spruchverfahren mit demselben Antragsgegner gerichtlich überprüft wird.27) Mängel des Übertragungsbeschlusses lassen den mit der Eintragung erfolgten Rechts- 12 übergang grundsätzlich unberührt und sind über die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zu lösen, sofern nicht bereits ein Bestandsschutz nach § 319 Abs. 6 Satz 1, Satz 11 oder eine Heilung nach § 242 eingetreten ist.28) Hierzu und zum Schicksal der Aktienurkunden (§ 327e Abs. 3 Satz 2) kann auf die Kommentierung zu § 320a verwiesen werden. Bei Erfolg der Anfechtungsklage haben die Minderheitsaktionäre einen Anspruch auf Rückübertragung der Aktien durch den Hauptaktionär, wenn keine Freigabe erfolgt ist.29) _____________ 26) BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 46/05 (Massa), ZIP 2006, 2167, 2168 ff. 27) OLG München, Beschl. v. 24.5.2012 – 31 Wx 553/11, AG 2012, 603 = ZIP 2012, 1180; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.6.2011 – 20 W 1/11 und 20 W 2/11, AG 2011, 599, 602 ff.; vgl. aber OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.4.2012 – 20 W 6/09, AG 2012, 839, 841 = ZIP 2012, 925, wonach ein Rechtsschutzbedürfnis für die Überprüfung der Abfindung nach § 305 zu bejahen ist, wenn der Kreis der Antragsteller in beiden Verfahren nicht völlig identsich ist. 28) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 327f Rz. 15; Petersen/Lübbe, NZG 2010, 1091, 1094 m. w. N. zur Gegenansicht; vgl. ausführlich Lieder/Stange, Der Konzern 2008, 617, 627 f. m. w. N. 29) BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 229/09, ZIP 2011, 1055, 1057.
§ 327f Gerichtliche Nachprüfung der Abfindung 1
Die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses kann nicht auf § 243 Abs. 2 oder darauf gestützt werden, dass die durch den Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. 2Ist die Barabfindung nicht angemessen, so hat das in § 2 des Spruchverfahrensgesetzes bestimmte Gericht auf Antrag die angemessene Barabfindung zu bestimmen. 3Das Gleiche gilt, wenn der Hauptaktionär eine Barabfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten hat und eine hierauf gestützte Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erhoben, zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen worden ist.
Literatur: Henselmann/Munkert/Winkler/Schrenker, 20 Jahre Spruchverfahren, WPg 2013, 1153; Lorenz, Das Spruchverfahren – dickes Ende oder nur viel Lärm um nichts?, AG 2012, 284; Puszkajler, Börsenwert über alles bei Verschmelzungen?, ZIP 2010, 2275.
Übersicht I. Grundlagen ........................................ 1 II. Eingeschränkte Anfechtbarkeit bei Bewertungsrügen ........................ 2
III. Spruchverfahren ................................ 5
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§ 327f I.
Gerichtliche Nachprüfung der Abfindung
Grundlagen
1 § 327f regelt das Verhältnis von Anfechtungsklage und Spruchverfahren als die wesentlichen Rechtsbehelfe der Minderheitsaktionäre gegen einen rechtswidrigen Übertragungsbeschluss und verweist bestimmte abfindungsbezogene Rügen unter Anfechtungsausschluss in das Spruchverfahren. Im Ergebnis sollen damit Bewertungsfragen den Aktienübergang nach § 327e Abs. 3 Satz 1 nicht verhindern. Die Vorschrift entspricht nahezu wortgleich § 320b Abs. 2. II.
Eingeschränkte Anfechtbarkeit bei Bewertungsrügen
2 Die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses ist ausgeschlossen, soweit die Gewährung von Sondervorteilen (§ 243 Abs. 2) oder die Unangemessenheit der Abfindung gerügt wird (§ 327f Satz 1). Aus § 327f Satz 3 folgt, dass den Minderheitsaktionären die Anfechtungsklage offensteht und die Einleitung eines Spruchverfahrens subsidiär ist, wenn der Hauptaktionär eine Barabfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten hat. 3 Problematisch und umstritten ist hierbei die Frage, wann eine Barabfindung bei abfindungswertbezogenen Informationsmängeln nicht ordnungsgemäß angeboten wurde. Nach einer Entscheidung des BGH zu § 207 UmwG ist die Anfechtung aufgrund der Verletzung von Informations-, Auskunfts- oder Berichtspflichten im Zusammenhang mit der Barabfindung zugunsten des Spruchverfahrens ausgeschlossen.1) Für unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen in der Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit der Abfindung ist dies seit dem 1.11.2005 ausdrücklich in § 243 Abs. 4 Satz 2 geregelt.2) Dieser Anfechtungsausschluss gilt grundsätzlich auch für das fehlerhafte Zugänglichmachen (§ 327d Satz 1) der Unterlagen nach § 327c Abs. 3 Nr. 2 und 4 in der Hauptversammlung. Ausgenommen ist der Übertragungsbericht, da dieser nicht nur bestimmte abfindungsrelevante Informationen, sondern auch Angaben zu den Voraussetzungen für die Übertragung enthalten muss.3) Nach einer verbreiteten Ansicht sind der obigen Rechtsprechung des BGH durch die Einführung von § 243 Abs. 4 Satz 2 Grenzen gesetzt mit der Folge, dass abfindungswertbezogene Informationsmängel außerhalb der Hauptversammlung mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden können.4) Dem wird man nicht uneingeschränkt folgen können, da hierdurch die klare gesetzgeberische Intention, alle bewertungsrelevanten Fragen ins Spruchverfahren zu verweisen, unterlaufen wird. Unzutreffende oder fehlende Angaben zu bestimmten bewertungsrelevanten Aspekten im Übertragungsbericht dürfen daher nicht zur Anfechtung führen, soweit der Bericht im Übrigen die wesentlichen Eckdaten der Bewertung enthält.5)
_____________ 1) 2) 3) 4)
5)
BGH, Urt. v. 18.12.2000 – II ZR 1/99, ZIP 2001, 199, 200 ff. Eingeführt durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I, 2802 ff. In diese Richtung, jedoch nicht differenzierend, Hasselbach in: KölnKomm-WpÜG § 327f Rz. 8. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 327f Rz. 8; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327f AktG Rz. 4; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327f Rz. 3; vgl. auch Gesetzesbegründung zum UMAG, BT-Drucks. 15/ 5092, S. 26; a. A. BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, ZIP 2009, 908 = AG 2009, 441, 446, dazu EWiR 2009, 327 (Grunewald); LG München I, Urt. v. 23.4.2009 – 5 HK O 542/09, AG 2009, 632, 636 – zum Übertragungsbericht. LG München I, Urt. v. 28.8.2008 – 5 HKO 2522/08, AG 2008, 904, 907 f. und LG München I, Urt. v. 23.4.2009 – 5 HK O 542/09, AG 2009, 632, 634 f.
1584
Oliver Rothley
Gerichtliche Nachprüfung der Abfindung
§ 327f
Kein ordnungsgemäßes Angebot liegt jedoch vor, wenn eine andere als eine Barabfindung 4 in Euro angeboten wird (z. B. in Aktien) oder die Gewährleistungserklärung nach § 327b Abs. 3 fehlt oder nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.6) III.
Spruchverfahren
Unter den Voraussetzungen von § 327f Satz 2 und Satz 3 ist jeder ausgeschiedene Aktionär 5 berechtigt, die Durchführung eines Spruchverfahrens zu beantragen (§ 3 Satz 1 Nr. 3 SpruchG). Antragsberechtigt sind darüber hinaus die Inhaber von Bezugsrechten auf Aktien der Gesellschaft.7) Der Antrag kann binnen drei Monaten seit dem Tag der Veröffentlichung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister nach § 10 HGB gestellt werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG), wobei eine Antragstellung bereits ab Eintragung des Übertragungsbeschlusses zulässig ist.8) Antragsgegner ist der Hauptaktionär (§ 5 Nr. 3 SpruchG). Antragsberechtigt sind ausschließlich diejenigen Aktionäre, die im Zeitpunkt der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister Aktionäre der Gesellschaft waren, nicht jedoch deren Einzelrechtsnachfolger.9) Bei Namensaktien sind nur die zu diesem Zeitpunkt im Aktienregister eingetragenen Aktionäre antragsberechtigt.10) Das weitere Verfahren bestimmt sich nach dem Spruchgesetz. Das Gericht bestimmt eine vom Angebot abweichende Abfindung, wenn die angebotene 6 Barabfindung unangemessen ist. Dies ist aber nicht bei jeder, sondern erst bei einer mehr als nur geringfügigen Abweichung der Fall. Noch nicht hinreichend geklärt ist, wann diese Bagatellgrenze konkret überschritten ist. Unter besonderen Umständen muss dies jedoch bei einer Abweichung bis zu 10 % noch nicht der Fall sein.11)Aus empirischer Sicht ist im Zeitraum 2009 bis 2011 generell ein Rückgang der Anhebung der angebotenen Barabfindung im Spruchverfahren zu beobachten. Wurden 2009 durch gerichtliche Entscheidung und im Vergleichswege noch durchschnittlich 40 % aufgeschlagen, so betrug die durchschnittliche Erhöhung 2011 nur noch 11 %. Bei einer durchschnittlichen Erhöhung von 16 % bei gerichtlichen Entscheidungen im vorstehenden Zeitraum lag die Erhöhung der Barabfindung bei Vergleichsabschlüssen mit durchschnittlich 40 % deutlich höher.12)
_____________ 6) Emmerich/Habersack-Habersack, § 327f AktG Rz. 5; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.7.2005 – 5 U 134/04, AG 2005, 657, 658 – zu § 327b Abs. 3. 7) Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327f Rz. 5; Emmerich/Habersack-Habersack, § 327f AktG Rz. 7. 8) LG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.3.2004 – 3-5 O 74/03, nrkr., ZIP 2004, 808, 809; LG Berlin, Beschl. v. 25.3.2003 – 102 O 19/03, nrkr., ZIP 2003, 1300; Spindler/Stilz-Singhof, AktG, § 327f Rz. 5; a. A. Hüffer, AktG, Anh. § 305, § 4 SpruchG Rz. 5. 9) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.2.2005 – I-19 W 12/04, ZIP 2005, 1369, 1370; Hasselbach in: KölnKommWpÜG, § 327f AktG Rz. 17. 10) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.1.2008 – 20 W 443/07, ZIP 2008, 1036, 1038. 11) OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.1.2011 – 20 W 3/09, AG 2011, 205 (LS2); vgl. auch Puszkajler, ZIP 2010, 2275, 2279 – Spanne zwischen 5 und 10 %; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.7.2011 – 20 W 14/08, GWR 2011, 420 m. Anm. Rothley – jedenfalls bis zu 5 %; so auch Grigoleit-Rieder, AktG, § 327f Rz. 11. 12) Vgl. hierzu die empirische Auswertung von Lorenz, AG 2012, 284, 287 f., wonach 60 % der betrachteten Spruchverfahren Ausschlussverfahren nach den §§ 327a ff. betrafen; weiteres Zahlenmaterial bei Henselmann/Munkert/Winkler/Schrenker, WPg 2013, 1153, 1158 f.
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Fünfter Teil Wechselseitig beteiligte Unternehmen § 328 Beschränkung der Rechte (1) 1Sind eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien und ein anderes Unternehmen wechselseitig beteiligte Unternehmen, so können, sobald dem einen Unternehmen das Bestehen der wechselseitigen Beteiligung bekannt geworden ist oder ihm das andere Unternehmen eine Mitteilung nach § 20 Abs. 3 oder § 21 Abs. 1 gemacht hat, Rechte aus den Anteilen, die ihm an dem anderen Unternehmen gehören, nur für höchstens den vierten Teil aller Anteile des anderen Unternehmens ausgeübt werden. 2Dies gilt nicht für das Recht auf neue Aktien bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. 3§ 16 Abs. 4 ist anzuwenden. (2) Die Beschränkung des Absatzes 1 gilt nicht, wenn das Unternehmen seinerseits dem anderen Unternehmen eine Mitteilung nach § 20 Abs. 3 oder § 21 Abs. 1 gemacht hatte, bevor es von dem anderen Unternehmen eine solche Mitteilung erhalten hat und bevor ihm das Bestehen der wechselseitigen Beteiligung bekannt geworden ist. (3) In der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft kann ein Unternehmen, dem die wechselseitige Beteiligung gemäß Absatz 1 bekannt ist, sein Stimmrecht zur Wahl von Mitgliedern in den Aufsichtsrat nicht ausüben. (4) Sind eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien und ein anderes Unternehmen wechselseitig beteiligte Unternehmen, so haben die Unternehmen einander unverzüglich die Höhe ihrer Beteiligung und jede Änderung schriftlich mitzuteilen. Literatur: Schubert/Ravenstein, Beschränkung der Stimmrechtsausübung und Abhängigkeit: Überlegungen zu § 328 AktG, DB 2006, 2219.
Übersicht I. Grundlagen ....................................... 1 II. Ausübungsbeschränkung (§ 328 Abs. 1) ..................................... 2 III. Schutz des gutgläubigen Erwerbers (§ 328 Abs. 2) .................. 5 I.
IV. Wahlen zum Aufsichtsrat bei börsennotierten Gesellschaften (§ 328 Abs. 3) ..................................... 7 V. Mitteilungspflichten (§ 328 Abs. 4) ..................................... 9
Grundlagen
1 § 328 regelt auf komplizierte Weise die einfache wechselseitige Beteiligung (§ 19 Abs. 1 Satz 1) unter Beteiligung einer AG oder KGaA. Eine solche liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland auf der einen und eine AG oder KGaA auf der anderen Seite mit mehr als 25 % an der jeweils anderen Gesellschaft beteiligt sind, ohne dass die jeweilige Beteiligung eine Mehrheitsbeteiligung oder ein Abhängigkeitsverhältnis begründet. Durch die angeordnete Rechtsbeschränkung auf 25 % der Anteile wollte der Gesetzgeber den Aufbau wechselseitiger Beteiligungen eindämmen, da diese die Gefahr der Kapitalverwässerung durch Hin- und Herzahlen von Einlageleistungen begründen und aufgrund der mittelbaren Selbstbeteiligung beider Gesellschaften die Grenzen zwischen
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§ 328
Beschränkung der Rechte
Geschäftsführung und Ausübung der Gesellschafterrechte verschwimmen.1) Aus § 19 Abs. 4 folgt, dass § 328 auf herrschende oder abhängige Unternehmen und damit auf qualifiziert wechselseitige Beteiligungen nicht anzuwenden ist. II.
Ausübungsbeschränkung (§ 328 Abs. 1)
Hat ein Unternehmen von der wechselseitigen Beteiligung Kenntnis erlangt, kann es vor- 2 behaltlich von § 328 Abs. 2 seine Gesellschafterrechte am anderen Unternehmen nur noch in Höhe von 25 % aller Anteile ausüben. Die restliche Beteiligung unterliegt einer Ausübungssperre. Ausgenommen hiervon ist jedoch das Recht auf Bezug neuer Aktien bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 328 Abs. 1 Satz 2). Durch die Verweisung in § 328 Abs. 1 Satz 3 unterliegen nicht nur eigene Aktien der Ausübungssperre, sondern auch Aktien Dritter, die dem gesperrten Unternehmen nach § 16 Abs. 4 zugerechnet werden. Die ausübbaren 25 % sind in diesem Fall quotal auf die eigenen Anteile und die zugerechneten Anteile zu verteilen.2) Eine anderweitige Regelung zwischen den Beteiligten ist jedoch möglich. Für die Feststellung der wechselseitigen Beteiligung gilt § 19 Abs. 1 Satz 2. Für die Be- 3 rechnung der 25 %-Schwelle kommt es daher unter Berücksichtigung von § 16 Abs. 2 Satz 1 nicht nur auf die unmittelbare Beteiligung, sondern auch auf die nach § 16 Abs. 4 zugerechneten Anteile an dem anderen Unternehmen an. Eigene Anteile sind wegen des Ausschlusses von § 16 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 nicht anzusetzen. Die nach § 328 Abs. 1 Satz 1 vorausgesetzte Kenntnis der wechselseitigen Beteiligung kann 4 neben den dort ausdrücklich genannten Mitteilungen nach § 20 Abs. 3 oder § 21 Abs. 1 auch auf sonstige Weise, insbesondere durch § 21 Abs. 1 WpHG erlangt werden. Eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1 genügt jedoch aufgrund der Zurechnungsmöglichkeiten nach § 20 Abs. 2 nicht.3) III.
Schutz des gutgläubigen Erwerbers (§ 328 Abs. 2)
§ 328 Abs. 2 privilegiert ein Unternehmen (Unternehmen A), das sich an einem anderen 5 Unternehmen (Unternehmen B) mit mehr als 25 % beteiligt und diese Beteiligung ordnungsgemäß nach §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 1 oder § 21 Abs. 1 WpHG mitteilt, bevor B eine solche Mitteilung an A macht oder A anderweitig von der wechselseitigen Beteiligung positive Kenntnis erlangt. A ist in diesem Fall gutgläubig und unterliegt keiner Ausübungssperre. Erwirbt wie im Regelfall A zuerst die relevante Beteiligung an B und teilt dies B mit, bevor B die relevante Beteiligung an A erwirbt, ist B bösgläubig und hätte erkennbar die wechselseitige Beteiligung vermeiden können. B trifft dann quasi als Sanktion für seinen bösgläubigen Beteiligungserwerb die Ausübungssperre nach § 328 Abs. 1 Satz 1, sofern B nicht nach §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 oder § 28 WpHG in weiterem Umfang an der Ausübung seiner Beteiligungsrechte gehindert ist.4) Als allgemeiner Grundsatz gilt, dass nur dasjenige Unternehmen schutzwürdig ist und 6 eine rechtswahrende Anzeige nach § 328 Abs. 2 vornehmen kann, das nicht weiß, dass ein anderes Unternehmen mit mehr als 25 % an ihm beteiligt ist.5) Auf die Erwerbsreihen_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Begr. RegE in: Kropff, S. 433 f.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 94; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 328 Rz. 1 f. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 328 AktG Rz. 20; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 103; a. A. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 328 Rz. 13 – Sperre für das direkt beteiligte Unternehmen. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 101; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 328 Rz. 5. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 328 AktG Rz. 12. Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 328 Rz. 6.
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§ 328
Beschränkung der Rechte
folge kommt es daher nicht an. Auch der Ersterwerber kann ausnahmsweise der Ausübungssperre unterliegen, wenn er die Mitteilung versäumt und der gutgläubige Zweiterwerber dem Ersterwerber das Überschreiten der 25 %-Schwelle ordnungsgemäß mitteilt. Bei zeitgleicher Mitteilung oder verspäteter Mitteilung erst nach Kenntniserlangung von der wechselseitigen Beteiligung, was die Anwendung von § 328 Abs. 2 ausschließt, kann es auch zu einer Ausübungssperre nach § 328 Abs. 1 Satz 1 für beide Unternehmen kommen.6) Die durch eine Ausübungssperre nach § 328 hervorgerufene faktische Stimmrechtsmehrheit eines Dritten an dem nicht gesperrten wechselseitig beteiligten Unternehmen begründet mangels beständiger Einflussmöglichkeit noch kein Abhängigkeitsverhältnis i. S. von § 17.7) IV.
Wahlen zum Aufsichtsrat bei börsennotierten Gesellschaften (§ 328 Abs. 3)
7 Ist einem Unternehmen eine wechselseitige Beteiligung an einer i. S. von § 3 Abs. 2 börsennotierten Gesellschaft bekannt, kann es in deren Hauptversammlung sein Stimmrecht bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nicht ausüben. Damit soll die mittelbare Selbstkontrolle der Verwaltung einer börsennotierten Gesellschaft verhindert werden. Die Vorschrift erfasst dabei die gesamte Beteiligung und nicht wie § 328 Abs. 1 Satz 1 nur den über 25 % hinausgehenden Anteil. 8 Nach h. M. sind auf § 328 Abs. 3 sowohl § 16 Abs. 4 als auch § 328 Abs. 2 anwendbar.8) Obgleich § 328 Abs. 3 weder auf § 328 Abs. 2 noch § 16 Abs. 4 ausdrücklich verweist, spricht der durch das Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 328 Abs. 1 und Abs. 2 unter Berücksichtigung des gleichen Schutzzwecks von § 328 Abs. 1 und Abs. 3 (Begrenzung der Verwaltungsstimmrechte)9) für diese Ansicht. V.
Mitteilungspflichten (§ 328 Abs. 4)
9 Bei Vorliegen einer wechselseitigen Beteiligung müssen sich die betroffenen Unternehmen jeweils die exakte Höhe ihrer Beteiligung am anderen Unternehmen und jede Veränderung hieran unverzüglich schriftlich mitteilen. § 328 Abs. 4 geht damit über die Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 hinaus und bezweckt, dass die betroffenen Unternehmen stets über die Höhe ihrer mittelbaren Selbstbeteiligung unterrichtet sind. Im Falle der Verletzung der Mitteilungspflicht sieht das Gesetz keine besondere Sanktion vor. Über § 823 Abs. 2 BGB können jedoch Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.10)
_____________ 6) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 328 Rz. 11; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 328 Rz. 8; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 328 Rz. 8; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 328 Rz. 22. 7) Vgl. Fallbeispiel bei Schubert/Ravenstein, DB 2006, 2219 ff. 8) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 328 Rz. 17; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 106; Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 328 Rz. 10; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 328 AktG Rz. 23, 23 a; a. A. Hüffer, AktG, § 328 Rz. 7; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 328 Rz. 31 – nur die Anwendung von § 328 Abs. 2 ablehnend. 9) Emmerich/Habersack-Emmerich, AktG, § 328 Rz. 22. 10) Grunewald in: MünchKomm-AktG, § 328 Rz. 14; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 328 Rz. 33; Fleischer in: GroßKomm-AktG, § 328 Rz. 26; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 328 Rz. 18 – jeweils mit Hinweis auf die praktischen Schwierigkeiten der Schadensfeststellung.
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Oliver Rothley
1)
Sechster Teil Rechnungslegung im Konzern §§ 329–393 2) (aufgehoben)
_____________ 1) 2)
Bisheriger Fünfter Teil wird Sechster Teil, geändert durch Art. 7 des Gesetzes v. 20.12.2001, BGBl. I, 3822. §§ 329 – 336, 338 aufgehoben durch Gesetz v. 9.12.1985, BGBl. I, 2355; §§ 339 – 393 aufgehoben durch Art. 6 des Gesetzes v. 28.10.1994 – UmwBerG, BGBl. I, 3210; § 337 aufgehoben durch Art. 1 des Gesetzes v. 19.7.2002 – TrPublG, BGBl. I, 2681.
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Viertes Buch Sonder-, Straf- und Schlußvorschriften Erster Teil Sondervorschriften bei Beteiligung von Gebietskörperschaften § 394 Berichte der Aufsichtsratsmitglieder Bernd Früchtl
1
Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, unterliegen hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Verschwiegenheitspflicht. 2Für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, gilt dies nicht, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Berichte nicht von Bedeutung ist. Literatur: Bormann, Mehr „Transparenz“ bei Unternehmen mit Beteiligung von Gebietskörperschaften?, NZG 2011, 926; Früchtl, Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand, 2009; Heidel, Zur Weisungsgebundenheit von Aufsichtsratsmitgliedern bei Beteiligung von Gebietskörperschaften und Alleinaktionären, NZG 2012, 48; Land/Hallermayer, Weitergabe von vertraulichen Informationen durch auf Veranlassung von Gebietskörperschaften gewählte Mitglieder des Aufsichtsrats gem. §§ 394, 394 AktG, AG 2011, 114; Martens, Berichtspflicht beamteter Aufsichtsratsmitglieder auf Grund von § 55 BBG – Eine Erwiderung, AG 1984, 212; Martens, Privilegiertes Informationsverhalten von Aufsichtsratsmitgliedern einer Gebietskörperschaft nach § 394 AktG, AG 1984, 29; Schmidt-Aßmann/Ulmer, Die Berichterstattung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Gebietskörperschaft nach § 394 AktG, BB Beilage 13/1988, 1; Schwintowski, Verschwiegenheitspflicht für politisch legitimierte Mitglieder des Aufsichtsrates, NJW 1990, 1009; Spindler, Deutsches Gesellschaftsrecht in der Zange zwischen Inspire Art und Golden Shares, RIW 2003, 850; Weber-Rey/Buckel, Corporate Governance in Aufsichtsräten von öffentlichen Unternehmen und die Rolle von Public Corporate Governance Kodizes, ZHR 177 (2013), 13; Will, Informationszugriff auf AG-Aufsichtsratsmitglieder durch Gemeinden, VerwArch 2003, 248; Wilting, Weitergabe von vertraulichen Informationen im Rahmen der §§ 394, 395 AktG, AG 2012, 529.
Übersicht I. Allgemeines ....................................... 1 II. Norm-Adressaten .............................. 4 III. Beteiligte Gebietskörperschaften .... 5 I.
IV. Berichterstattungspflicht ................. 7 V. Berichterstattung ............................ 12 VI. Grenzen der Berichtspflicht .......... 15
Allgemeines
Die öffentliche Hand kann sich für ihre Aufgabenerfüllung der Rechtsform der AG be- 1 dienen und muss sich dann grundsätzlich an die privatrechtlichen Vorschriften halten. Allerdings müssen aus Gründen des Demokratieprinzips der öffentlichen Hand auch Informations- und Einsichtsrechte bei der AG zustehen, welche grundsätzlich wie diejenigen der privaten Anteilseigner ausgestattet sind, aber aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben eine höhere Bedeutung für die Gebietskörperschaft als (Allein-)Aktionärin
Bernd Früchtl
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§ 394
Berichte der Aufsichtsratsmitglieder
haben.1) Der grundsätzliche „Vorrang“ des Gesellschaftsrechts2) wird durch die §§ 394 f. sowie etwaige öffentlich-rechtliche Prinzipien überlagert, ohne dass dabei der Wortlaut der einzelnen Normen überschritten werden dürfte. Insbesondere § 394 ist eine Bereichsausnahme bezüglich der Verschwiegenheitspflichten aus den §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 und 2 für die „Vertreter“ der Gebietskörperschaften im Aufsichtsrat, weil nur so die vertraulichen Daten und Geheimnisse an die Gebietskörperschaft übermittelt werden können.3) Alleiniges Kriterium bezüglich der Geheimhaltung ist das Unternehmensinteresse,4) weil sich die öffentlich-rechtlichen Geheimhaltungserfordernisse auch aus öffentlich-rechtlichen Normen ergeben. Daher ist ein doppelter Verschwiegenheitsgrund, einmal aufgrund aktienrechtlicher und einmal aufgrund kommunal- bzw. landesrechtlicher Vorschriften gegeben.5) Im Falle einer Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand muss der aktienrechtliche Geheimnisschutz jedoch auch die Minderheitsaktionäre und die Gesellschaft vor Nachteilen durch die Informationsweitergabe schützen, worauf § 395 durch eine Beschränkung des weitergabeberechtigten Personenkreises reagiert. Die §§ 394, 395 stehen damit in einem Spannungsfeld zwischen Schutz der AG und öffentlich-rechtlichen Vorgaben der diese haltenden Gebietskörperschaft. Aus den genannten Normen ergeben sich daher auch nur eng umgrenzte Fragen und Antworten, wobei außerhalb dieser „Sondervorschriften“ die allgemeinen Regelungen weitergelten.6) Neuerdings nehmen auch sog. Public Corporate Governance Kodizes (indirekten) Einfluss auf die tatsächliche (Rechts-)Lage und versuchen das facettenreiche Bild der öffentlichen Unternehmen durch eine best practice zu vereinheitlichen.7) 2 Bei den öffentlich-rechtlichen Spezialvorschriften sind insbesondere die §§ 53, 54 HGrG sowie die haushaltsrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder, §§ 65 – 96 BHO/ LHO sowie die kommunalrechtlichen Vorschriften zu nennen. 3 Nach jüngster Rechtsprechung des EuGH,8) sind sog. Golden Shares, durch welche staatliche Einflussmöglichkeiten, insbesondere i. R. der Privatisierung von Unternehmen, gesichert werden, vor dem Hintergrund der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit besonders rechtfertigungsbedürftig.9) Diese Sonderrechte der öffentlichen Hand sind demnach nur dann zu rechtfertigen, wenn das Unternehmen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dient oder eine Funktion des öffentlichen Interesses (also aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls) erfüllt und dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Allerdings gilt diese Rechtsprechung und ihre Grundsätze nicht im Falle einer Mehrheitskapitalbeteiligung durch die öffentliche Hand, weil diese dann nur die Einflussmöglichkeiten aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung hat.10) In einer derartigen Konstellation sind auch die Eingriffe gegenüber privaten Anlegern wesentlich geringer. Insbesondere im Falle einer allein von der öffentlichen Hand gehaltenen AG ist das grundsätzliche Schutzbedürfnis der Gesellschaft und der Anteilseigner geringer anzusetzen, weil damit nunmehr das Unternehmensgeheimhaltungsinteresse tangiert wird. _____________ Vgl. zu einer AG in öffentlicher Hand – Früchtl, Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand m. w. N. BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 ff. Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 1. BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 ff. Vgl. dazu Früchtl, Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand, S. 133 ff. BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334 ff. Vgl. zu den Auswirkungen auf die Aufsichtsräte öffentlicher Unternehmen Weber-Rey/Buckel, ZHR 177 (2013), 13 ff. 8) EuGH, Urt. v. 23.10.2007 – Rs. C-112/05 (Kommission/BRD), Slg. 2007, I-8995 – zum VW-Gesetz. 9) Vgl. Spindler, RIW 2003, 850, 853. 10) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 9. 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
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Bernd Früchtl
§ 394
Berichte der Aufsichtsratsmitglieder II.
Norm-Adressaten
Nur Aufsichtsratsmitglieder, welche auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählt 4 oder entsandt worden sind, sind von § 394 erfasst. Nur bei einem obligatorischem Aufsichtsrat in einer GmbH können diese Normen analog angewendet werden, wobei, insbesondere im Falle einer Kommune bzw. Gebietskörperschaft als Alleingesellschafterin, die Wirkung dieser Normen durch § 51a GmbHG deutlich gemindert ist, weil darin ein umfassendes Informationsrecht über alle vertraulichen Angaben und Gesellschaftsgeheimnisse normiert ist.11) Bei einem fakultativen Aufsichtsrat kann gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich von den aktienrechtlichen Vorgaben abgewichen und ein Schweigegebot sowie ein Weisungsrecht für die Aufsichtsratsmitglieder normiert werden, welches nicht durch § 394 eingeschränkt wird.12) Grundsätzlich werden Weisungsrechte für Aufsichtsratsmitglieder durch die Rechtsprechung jedoch kritisch gewürdigt und angesichts der Verpflichtung auf die Unternehmensinteressen verneint.13) III.
Beteiligte Gebietskörperschaften
Gemäß § 394 sind als Gebietskörperschaften alle Gemeinden bzw. Gemeindeverbände 5 sowie die Länder und der Bund anzusehen, welche an der Aktiengesellschaft beteiligt sind, auch wenn diese Voraussetzung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut folgt.14) Dafür genügt auch eine Minderheitsbeteiligung, ohne dass hierfür eine bestimmte Beteiligungsmindesthöhe erforderlich wäre; entscheidend ist allein, dass eine Beteiligung der Gebietskörperschaft vorliegt.15) Grundsätzlich ist dabei eine mittelbare einer unmittelbaren Beteiligung gleichzusetzen.16) Weiterhin müssen die Aufsichtsratsmitglieder auf Veranlassung der Gebietskörper- 6 schaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sein, § 101 Abs. 1 und Abs. 2. Über den Wortlaut hinaus, sind auch gerichtlich auf Vorschlag oder Antrag der Gebietskörperschaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder erfasst.17) Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder muss durch die Gebietskörperschaft veranlasst sein, also dort ihren ursächlichen Einfluss haben. Bei einer unmittelbaren Beteiligung der Gebietskörperschaft ist nur bei einer Entsendung gemäß § 101 Abs. 2 von einer Veranlassung auszugehen, wohingegen bei einer Wahl gemäß § 101 Abs. 1 nur dann von einer Veranlassung durch die Gebietskörperschaft auszugehen ist, wenn diese die Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung hat oder eine ausdrückliche oder konkludente Absprache mit den Mitaktionären erfolgt.18) Bei einer mittelbaren Beteiligung ist für die Veranlassung darauf abzustellen, ob die Gebietskörperschaft einen bestimmenden bzw. herrschenden Einfluss auf die haltende Gesellschaft hat. Hierbei wird vertreten, dass bei tiefer gestaffelten Beteiligungsstrukturen ein gemäß § 76 Abs. 1 ungebundener Vorstand einer Obergesellschaft, welche die Bitte der Gebietskörperschaft zur Bestellung des Aufsichtsrats einer Tochtergesellschaft erfüllt, _____________ 11) Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 10; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.2.1984 – 15 W 42/83, GmbHR 1985, 59. 12) So zuletzt BVerwG, Urt. v. 31.8.2011 – 8 C 16.10, ZIP 2011, 2054 = KommJur 2011, 456; krit. dazu Heidel, NZG 2012, 48 ff. 13) Vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 398 = ZIP 1984, 572; aus dem öffentlichen Recht zuletzt OVG Sachsen, Beschl. v. 3.7.2012 – 4 B 211/12, ZIP 2012, 2111 = GmbHR 2013, 35. 14) Hüffer, AktG, § 394 Rz. 33. 15) Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 7; a. A.: Martens, AG 1984, 29, 36. 16) Hüffer, AktG, § 394 Rz. 33. 17) Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 14. 18) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 20 m. w. N.
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§ 394
Berichte der Aufsichtsratsmitglieder
dass Veranlassungskriterium ausreichend erfüllt.19) Nur soweit es der Gebietskörperschaft tatsächlich möglich ist, auf den Vorstand Einfluss zu nehmen,20) wird man dieser Ansicht folgen können. Ansonsten ist eine Veranlassung i. S. des § 394 nur schwer zu begründen. IV.
Berichterstattungspflicht
7 Die Berichtspflicht des auf Veranlassung der Gebietskörperschaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds an „seine“ Gebietskörperschaft kann nicht aus dem Wortlaut des Satzes 1 abgeleitet werden, sondern die Norm setzt vielmehr eine anderweitig begründete Berichtspflicht voraus.21) Eine zivilrechtliche Sichtweise leitet eine solche Berichtspflicht aus einem Auftragsverhältnis ab,22) wobei dadurch die ganz h. M. zur Auslegung des § 394 Satz 1 durch eine zivilrechtliche Hilfsargumentation unterlaufen wird.23) Der BGH hat eine solche Berichtspflicht bereits aus § 69 Satz 1 Nr. 2 BHO hergeleitet,24) wobei er hierin einer im zivilrechtlichen Schrifttum verbreiteten Ansicht folgt, welche objektiv-rechtliche Pflichten für die Begründung einer Berichtspflicht ausreichen lässt.25) In der öffentlichrechtlichen Literatur wird hingegen regelmäßig eine spezialgesetzliche Berichtspflicht gefordert.26) Insbesondere in jüngster Zeit sind jedoch in den meisten Gemeindeordnungen bzw. Kommunalverfassungen entsprechende Berichtspflichten für von Kommunen entsandte oder gewählte Aufsichtsratsmitglieder eingeführt worden, ohne dass sich hierdurch der Diskussionsstand verändert hätte. Aus öffentlich-rechtlicher Sicht wird häufig auch noch ein beamtenrechtliches Weisungsrecht, vgl. § 62 BBG, als Grundlage für die Berichtspflicht angenommen, ohne dass hierbei der beamtenrechtliche Unterschied einer Weisung und einer demokratischen Legitimation eines Amtsträgers aufgrund einer Wahl erkannt wird. In der Sache ist anzuerkennen, dass eine Berichtspflicht einer rechtlichen Grundlage bedarf, diese jedoch zur Klarheit und Transparenz für alle Beteiligten in der Satzung der AG festgeschrieben sein sollte.27) 8 Diese rechtliche Unsicherheit wurde in der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/2013 aufgegriffen. In § 394 sollten durch den RefE zunächst folgende Sätze angefügt werden: „Die Berichtspflicht folgt aus dem Innenverhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zur Gebietskörperschaft. Ist eine Gebietskörperschaft an einer nicht börsennotierten Gesellschaft beteiligt, kann die Satzung die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder und der Öffentlichkeit der Sitzungen regeln.“
9 Mit dieser Regelung würde der Sitz der Berichtspflicht festgeschrieben, ohne dessen Grundlage allerdings rechtsdogmatisch zu benennen. Unglücklich ist jedoch, dass nicht im Anschluss an eine Literaturmeinung28) ausdrücklich erlaubt wird, dass die Verschwiegenheitspflichten und die Öffentlichkeit der Sitzungen bei nicht börsennotierten AG in der Satzung geregelt werden können. Die Satzung wäre auch der richtige Ort für eine Regelung des gesellschaftsrechtlichen Spannungsverhältnisses zum öffentlichen Recht, weil _____________ 19) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 21; Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 7. 20) Vgl. zu diesen Möglichkeiten: Früchtl, Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand, S. 103 ff. 21) Eingehend Land/Hallermayer, AG 2011, 114 ff.; Wilting, AG 2012, 529 ff.; .Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 8 m. w. N. zur ganz h. M. 22) So eingehend Land/Hallermayer, AG 2011, 114, 115 f. unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungshistorie. 23) So ähnlich: Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 22. 24) BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334, 345. 25) Martens, AG 1984, 212; Hüffer, AktG, § 394 Rz. 39. 26) Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 8; Martens, AG 1984, 29, 33; Will, VerwArch 2003, 248, 252. 27) Vgl. zu diesem Vorschlag und dessen Begründung, Früchtl, Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand, S. 124 ff. 28) Früchtl, Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand, S. 127.
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§ 394
Berichte der Aufsichtsratsmitglieder
insoweit die Rechte auch dritter Aktionäre abschließend in der Satzung geregelt sind und eine entsprechende Einschränkung der Mitgliedschaftsrechte aller Aktionäre in der Satzung zu erfolgen hat. Mit der vorgeschlagenen Regelung wird die Berücksichtigung des Aktionärskreises weiter fortgesetzt und die aktienrechtliche Tendenz zu einer mitunternehmerischen AG, welche die besonderen Gesellschafterverhältnisse mit in den Blick nimmt, fortgesetzt.29) Durch den Rechtsausschuss wurde im Ergebnis nur folgender Satz als Ergänzung vorge- 10 schlagen (BT-Drucks. 17/14214): „Die Berichtspflicht nach Satz 1 kann auf Gesetz, auf Satzung oder auf dem Aufsichtsrat in Textform mitgeteiltem Rechtsgeschäft beruhen.“
Nach der Gesetzesbegründung dient insbesondere der Hinweis auf die Textform einer 11 erhöhten Nachvollziehbarkeit von bestehenden Berichtspflichten. Mittelbar geklärt wird dadurch ebenfalls, dass eine Berichtspflicht auch durch Rechtsgeschäft begründet werden kann. Der Verweis auf den Begriff des Rechtsgeschäfts führt jedoch zu weitgehenden Konsequenzen: Denn ein solcher liegt auch bei einseitigen Erklärungen, insbesondere bei Weisungen aus einem Anstellungsverhältnis, vor.30) Daher kann die öffentliche Hand – sofern der bisherige Entwurf Gesetzeskraft erlangt – durch einseitige Weisung in Textform, die der AG mitgeteilt werden, Berichtspflichten begründen. V.
Berichterstattung
Der Kreis der Berichtsadressaten ist aktienrechtlich nur mittelbar durch den Kreis der 12 zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen in § 395 Abs. 1 Halbs. 1 normiert.31) Die Konretisierung durch das Organisationsstatut und -recht der Gebietskörperschaft muss jedoch in Übereinstimmung mit den Grenzen aus den §§ 394, 395 erreicht werden.32) Die Berichterstattung darf daher nur an die Angehörigen der Beteiligungsverwaltung oder entsprechender Prüfungsorgane, insbesondere aber auch an den Stadt- bzw. Gemeinderat als oberstes Verwaltungsorgan der Gemeinde gerichtet sein. Umgekehrt dürfen jedoch nicht einzelne Gemeinderatsmitglieder, Arbeitskreise oder Fraktionen, Berichtsempfänger werden,33) Allerdings ist insoweit eindeutig auf die öffentlich-rechtlichen Vorgaben und Berichtspflichten aufgrund von Landes- oder Kommunalgesetzen abzustellen, so dass die Satzung nur im Falle einer darüber hinausgehenden Berichtspflicht Relevanz hat.34) Sinnvollerweise sollte in der Gestaltungsberatung jedoch zumindest deklaratorisch die öffentlich-rechtliche Vorgabe wiederholt werden und ggf. auf den Einzelfall zugeschnitten und ergänzt werden. Dies gilt insbesondere nach der vorgeschlagenen gesetzlichen Neuerung im letzten Satz des § 394. Ein zentrales Problem ist jedoch die Frage des Parlaments bei Bundes- und Landesbe- 13 teiligungen, weil hier nicht mehr innerhalb der Verwaltung bzw. der Behörden Informationen weitergegeben werden, sondern eben an das Parlament als Legislative. Dies wird partiell kategorisch abgelehnt, während andere die aktienrechtlichen Verschwiegenheitsvorgaben hinter die Interessen des Gesetzgebers zurücktreten lassen.35) Richtigerweise muss eine vermittelnde Ansicht eingenommen werden, welche insbesondere den Stellenwert des _____________ 29) 30) 31) 32)
Vgl. Begr. RefE, S. 22 f. Seiler in: MünchKomm-BGB, § 665 Rz. 5. Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 8. Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 65, 72; Martens, AG 1984, 29, 31; a. A. Spindler/StilzSchall, AktG, § 394 Rz. 14. 33) Bezüglich des Gemeinderats, welcher eine Berichtserstattung an den Rat krit. sieht, vgl. Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1010; a. A.: Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 31 f. 34) Im Ergebnis ähnlich: Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 33. 35) Zuletzt genannte Ansicht: Hüffer, AktG, § 394 Rz. 43; Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 9.
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§ 395
Verschwiegenheitspflicht
Parlaments als höchstes demokratisch legitimiertes Organ gerecht wird; dabei ist insbesondere die Nichtöffentlichkeit von Parlaments- und Ausschusssitzungen eine Möglichkeit, die Verschwiegenheitspflicht zu gewährleisten.36) Daher ist eine Berichterstattung im Rechnungsprüfungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung bspw. angezeigt.37) 14 Die Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht umfasst gemäß § 394 Satz 2 die gesamte zulässige Berichterstattung in mündlicher und schriftlicher Form. Die Weitergabe von vertraulichen Unterlagen ist in § 394 nicht explizit genannt, allerdings wird häufig unter Bezugnahme auf § 69 Satz 1 Nr. 2 BHO die Beifügung von Unterlagen zugelassen, zumal der Wortlaut des § 394 nicht entgegensteht.38) VI.
Grenzen der Berichtspflicht
15 Gemäß § 394 Satz 2 sind die Berichtspflichten der §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 und Satz 2 nicht für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, insbesondere für Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, nicht durchbrochen.39) Diese vertraulichen Angaben oder Geheimnisse sind dann gegeben, wenn Vorgänge im Interesse des Unternehmens nicht an Dritte weiterzugeben sind, damit keine Nachteile entstehen.40) Unter Geheimnis ist das Bedürfnis des Unternehmens nach Geheimhaltung nach dem BGH zu verstehen.41) Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu den §§ 93, 116 verwiesen werden. Darüber hinaus dürfen die vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft nicht für den Zweck der Berichterstattung von Bedeutung sein. Der Zweck der Berichterstattung richtet sich bei der wirtschaftlichen Betätigung durch Gebietskörperschaften insbesondere nach den haushaltsrechtlichen Vorgaben der §§ 65 ff. BHO/LHO sowie § 44 HGrG.42) Die Berichtspflicht darf allerdings nicht zur allgemeinen Compliance-Kontrolle durch die Gebietskörperschaften, etwa für die Aufdeckung steuerlicher oder kartellrechtlicher Vorgänge, herangezogen werden.43) Darüber hinaus müssen insbesondere die Aufsichtsratsmitglieder sorgfältig überprüfen, ob es angemessen ist, vertrauliche Angaben und Geheimnisse gegenüber Personen außerhalb der AG preiszugeben.44) _____________ 36) Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 22; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1014. 37) Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 66. 38) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 38; Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. ; a. A.: Martens, AG 1984, 29, 37. 39) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 39. 40) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 7. 41) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ, 64, 325, 329. 42) Hüffer, AktG, § 394 Rz. 44. 43) Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 43. 44) Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 10; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 394 Rz. 42; a. A.: Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 394 Rz. 14.
§ 395 Verschwiegenheitspflicht (1) Personen, die damit betraut sind, die Beteiligungen einer Gebietskörperschaft zu verwalten oder für eine Gebietskörperschaft die Gesellschaft, die Betätigung der Gebietskörperschaft als Aktionär oder die Tätigkeit der auf Veranlassung der Gebietskörperschaft gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitglieder zu prüfen, haben über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder
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Verschwiegenheitspflicht
Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aus Berichten nach § 394 bekanntgeworden sind, Stillschweigen zu bewahren; dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr. (2) Bei der Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen dürfen vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, nicht veröffentlicht werden. Literatur: Siehe auch die Angaben zu § 394; Leisner, Weisungsrechte der öffentlichen Hand gegenüber ihren Vertretern in gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen – Die „Ingerenzrechte“ des Staates in der Wirtschaftskrise, GewA, 2009, 337; Lohl, Die staatliche Betätigung bei privatrechtlichen Unternehmen nach der Haushaltsrechtsreform, AG 1970, 159; Lutter/Grunewald, Öffentliches Haushaltsrecht und privates Gesellschaftsrecht, WM 1984, 385.
Übersicht I. Allgemeines ....................................... 1 II. Verschwiegenheitspflicht ................. 2 III. Adressat der Verschwiegenheitspflicht ......................................... 4 I.
IV. Verschwiegenheitspflicht und Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen (§ 395 Abs. 2) ................ 5 V. Rechtsfolgen ...................................... 6
Allgemeines
§ 395 ist eng mit der Durchbrechung der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht 1 gemäß § 394 verbunden und erstreckt die besondere Verschwiegenheitspflicht auf Personen, welche nicht Organmitglied sind, jedoch aufgrund der Berichte der Aufsichtsratsmitglieder von den vertraulichen Angaben oder Geheimnissen der AG Kenntnis haben. Die Norm stellt damit eine Extension der Verschwiegenheitsverpflichtungen der Organe der AG auf mittelbare Dritte dar, um für eine AG in öffentlicher Hand einen Interessenausgleich zwischen dem Schutz- und Geheimhaltungsinteresse der AG einerseits sowie dem öffentlich-rechtlichen Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeiten andererseits zu gewährleisten. Neuerdings wird auch vertreten, dass durch die Norm die Verschwiegenheitspflicht erst konstituiert wird.1) II.
Verschwiegenheitspflicht
Unter die Schweigepflicht fallen „vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, 2 namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die aus Berichten nach § 394 bekannt geworden sind“. Mit dieser Formulierung wird auf § 394 Satz 2 sowie auf § 93 Abs. 1 Satz 2 Bezug genommen, wobei wie bei § 394 auch vertrauliche Berichte und Beratungen gemäß § 116 Satz 2 darunter gefasst werden müssen.2) Zu den Definitionen und Inhalten der vertraulichen Angaben bzw. Geheimnisse wurde bereits oben Stellung genommen (siehe § 394 Rz. 15). Über dieses bestehende Maß hinaus, muss die Verschwiegenheit auch für den Fall der Kenntnis von vertraulichen Angaben und Geheimnissen der Gebietskörperschaft durch etwaige Prüfungen gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 HGrG gelten. Die Differenzierung zwischen einer Beteiligung nach § 53 Abs. 1 oder einem Aufsichtsratsvertreter ist hierbei nicht angezeigt.3) Allerdings ist unklar, ob sich die Verschwiegenheitspflicht auch auf die Erkenntnisse bezieht, welche aufgrund einer Rechnungsprüfung gemäß § 54 HGrG der Rechnungsprüfungsbehörde bzw. Gebietskörperschaft bekannt wurden. Dies wird insbesondere aufgrund der später erfolgten Regelung in § 54 HGrG bejaht, weil diese _____________ 1) 2) 3)
Vgl. Wilting, AG 2012, 529, 533 ff. mit beachtlichen Argumenten. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 395 Rz. 3. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 395 Rz. 4 m. w. N.
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§ 395
Verschwiegenheitspflicht
dadurch Bestandteil von § 395 Abs. 1 wurden, so dass jedoch die Empfänger derartiger Informationen ebenso wie Aufsichtsratsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.4) 3 Dieser Streit wird jedoch häufig als irrelevant angesehen, weil die Mitteilungen „im dienstlichen Verkehr“ gemäß § 395 Abs. 1 Halbs. 2 erfolgen müssen, so dass aufgrund der Bezugnahme auf beamtenrechtliche Vorschriften davon auszugehen ist, dass es sich um behördeninterne Weitergabe von Auskünften und Vorlagen handelt.5) Daher wird eine Weitergabe an andere Stellen, wie Finanzbehörden oder Aufsichtsämter sowie die Staatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf § 395 Abs. 1 Halbs. 1 für unzulässig angesehen.6) Ganz herrschend wird vertreten, dass durch die Bezugnahme auf den dienstlichen Verkehr nicht eine faktische Veröffentlichung von wichtigen Unternehmensinterna entgegen dem Veröffentlichungsverbot des § 395 Abs. 2 herbeigeführt werden darf.7) Daher wird sowohl für Kommunen wie auch das Landes- oder das Bundesparlament eine Verschwiegenheitspflicht für eine Berichtsempfangsmöglichkeit nach § 395 Abs. 1 als notwendig erachtet, wobei diese sich regelmäßig auf Ausschüsse konzentrieren wird.8) III.
Adressat der Verschwiegenheitspflicht
4 Adressat der Verschwiegenheitspflicht ist gemäß § 395 Abs. 1 Halbs. 1 Alt. 1 der Personenkreis, welcher zur Verwaltung der Beteiligung der Gebietskörperschaft bestimmt ist, unabhängig von der dienstrechtlichen Stellung als Beamte, Minister oder Angestellte.9) Daneben ist der Personenkreis, welche die Betätigung der Gebietskörperschaft als Aktionär oder die Tätigkeit der auf Veranlassung der Gebietskörperschaft im Aufsichtsrat sitzenden Personen zu überprüfen hat, zur Verschwiegenheit gemäß § 395 Abs. 1 Halbs. 1 Alt. 2 verpflichtet. Dies umfasst insbesondere die mit der Kontrolle der Beteiligungsverwaltung befassten Stellen sowie die mit der Unterrichtung des Rechnungshofs betrauten Stellen, § 69 Satz 2 BHO.10) Dies gilt naturgemäß auch für die Adressaten bzw. Berichtsempfänger, also die Rechnungsprüfungshöfe oder die gemeindlichen Prüfungsämter.11) Sofern die Berichte auch an Abgeordnete bzw. Mandatsträger des parlamentarischen Gremiums übermittelt werden, müssen auch diese der Verschwiegenheitspflicht nach § 395 unterliegen.12) Der Kreis der Berichtsempfänger nach § 394 stimmt mit dem Kreis der Verschwiegenheitsverpflichteten nach § 395 überein.13) Neuerdings wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass auf die tatsächliche Verschwiegenheit und nicht die reine Verpflichtung darauf für die Bestimmung des Berichtsempfängers abzustellen ist.14) IV.
Verschwiegenheitspflicht und Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen (§ 395 Abs. 2)
5 Gemäß § 395 Abs. 2 dürfen auch bei Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft nicht veröffentlicht werden, womit _____________ Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 59; Hüffer, AktG, § 395 Rz. 4. Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 61. Hüffer, AktG, § 395 Rz. 7; Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 63. Schwintowski, NJW 1990, 1009; Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB Beilage 13/1988, 1, 22. Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 65 ff.; a. A. Hüffer, AktG, § 395 Rz. 5 f. Hüffer, AktG, § 395 Rz. 1. Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 52. Hüffer, AktG, § 395 Rz. 1. Vgl. dazu eingehend Wilting, AG 2012, 529, 533 ff. So zuletzt Land/Hallermayer, AG 2011, 114, 118 ff. m. w. N.; a. A. Wilting, AG 2012, 2012, 529, 533 ff., der § 395 als Statuierung der Verschwiegenheit ansieht. 14) So explizit Land/Hallermayer, AG 2011, 114, 118 ff.; krit. dazu Wilting, AG 2012, 529, 533 ff.
4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13)
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Verschwiegenheitspflicht
insbesondere die jährliche Berichterstattung der Rechnungsbehörden gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften gemäß § 97 BHO/LHO, § 46 HGrG erfasst ist. Diese Klarstellung ist zwingend, weil diese vertraulichen Angaben oder Geheimnisse bspw. in Parlamentsdrucksachen allgemein zugänglich gemacht würden.15) In der Praxis wird das Publizitätsverbot des § 395 Abs. 2 durch eine Anonymisierung des Unternehmens bewerkstelligt, durch die sowohl der Unternehmensname wie auch alle zuordnungsfähigen Angaben, bspw. über Produkte u. Ä. im Prüfungsbericht nicht genannt werden.16) Allerdings besteht durch die Rechnungshöfe die Tendenz, der Berichterstattung einen verfassungsrechtlichen Vorrang, vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 2 GG, gegenüber dem Geheimnisschutz des Unternehmens einzuräumen; dieser verfassungsrechtlichen Überlagerung in der Berichterstattung kann jedoch im Ergebnis nicht zugestimmt werden, weil insoweit dadurch die schutzwürdigen Interessen des Unternehmens vernachlässigt werden.17) V.
Rechtsfolgen
Die bedeutendste Rechtsfolge einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist eine 6 Amtshaftung der Gebietskörperschaft gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG sowie eine persönliche Haftung der beauftragten Personen der Gesellschaft gemäß § 839 BGB, sofern deren zivilrechtliche Voraussetzungen erfüllt sind.18) Daneben sind auch disziplinarrechtliche Maßnahmen bei Beamten möglich, welche zusätzlich einer Strafbarkeit gemäß §§ 203 Abs. 2, 253b StGB ausgesetzt sind.19)
_____________ 15) 16) 17) 18) 19)
Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 395 Rz. 9 m. w. N. Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 75. Hüffer, AktG, § 395 Rz. 8. Will, VerwArch 2003, 248, 264; Kropff in: MünchKomm-AktG, §§ 394, 395 Rz. 79. Hüffer, AktG, § 395 Rz. 9.
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Zweiter Teil Gerichtliche Auflösung § 396 Voraussetzungen Thomas Wachter
(1) 1Gefährdet eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien durch gesetzwidriges Verhalten ihrer Verwaltungsträger das Gemeinwohl und sorgen der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung nicht für eine Abberufung der Verwaltungsträger, so kann die Gesellschaft auf Antrag der zuständigen obersten Landesbehörde des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, durch Urteil aufgelöst werden. 2 Ausschließlich zuständig für die Klage ist das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. (2) 1Nach der Auflösung findet die Abwicklung nach den §§ 264 bis 273 statt. 2Den Antrag auf Abberufung oder Bestellung der Abwickler aus einem wichtigen Grund kann auch die in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Behörde stellen. Übersicht I. II. 1. 2. 3. 4.
Überblick ........................................... Voraussetzungen der Auflösung .... Gefährdung des Gemeinwohls .......... Gesetzeswidriges Verhalten .............. Verwaltungsträger ............................. Keine Abberufung der Verwaltungsträger .......................
I.
1 2 2 3 4
5. Verhältnismäßigkeit ........................... 6 III. Auflösungsklage und -urteil ............ 7 1. Antrag bzw. Auflösungsklage ............ 7 2. Zuständigkeit ...................................... 8 3. Auflösungsurteil ................................. 9 4. Abwickler .......................................... 10
5
Überblick
1 Die Vorschriften der §§ 396 ff. regeln die Auflösung einer AG wegen Gefährdung des Gemeinwohls (siehe auch § 62 GmbHG). Die Auflösung erfolgt dabei stets durch ein gerichtliches Urteil und nicht etwa durch einen behördlichen Verwaltungsakt. In der Praxis hat die Vorschrift bislang keine Bedeutung erlangt.1) Für Kreditinstitute und Versicherungen gelten ergänzende Sonderregelungen (§ 38 KWG, § 87 VAG). II.
Voraussetzungen der Auflösung
1.
Gefährdung des Gemeinwohls
2 Die Auflösung einer AG setzt eine Gefährdung des Gemeinwohls voraus. Unter Gemeinwohl werden die Interessen der Allgemeinheit insgesamt oder zumindest von breiten Kreisen der Bevölkerung verstanden. Eine Gefährdung der Interessen von Aktionären, Arbeitnehmern oder Gläubigern ist nicht ausreichend. Von einer Gefährdung ist immer dann auszugehen, wenn ohne einen entsprechenden Auflösungsantrag konkrete Nachteile für das Gemeinwohl zu befürchten sind.
_____________ 1)
Allgemeine Meinung, s. nur Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 396 Rz. 1.
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§ 396
Voraussetzungen 2.
Gesetzeswidriges Verhalten
Grund für die Gefährdung des Gemeinwohls muss stets ein gesetzeswidriges Verhalten 3 eines Verwaltungsträgers sein. Aufgrund der strengen Gesetzesbindung bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift heute keine Bedenken mehr.2) Gesetz meint jede Rechtsnorm (siehe Art. 2 EGBGB), nicht aber die Satzung3) oder der Corporate Governance Kodex (und zwar auch nicht im Falle der Abgabe einer falschen Entsprechenserklärung).4) Die Verwaltungsträger müssen gegen das Gesetz verstoßen haben. 3.
Verwaltungsträger
Verwaltungsträger sind alle Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, nicht aber die 4 Aktionäre oder die Hauptversammlung. Die Verwaltungsträger müssen durch ein gesetzeswidriges Verhalten das Gemeinwohl gefährden. Falls die Gesetzesverletzung Verschulden voraussetzt, müssen die Verwaltungsträger vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. 4.
Keine Abberufung der Verwaltungsträger
Die Auflösung einer AG aufgrund eines behördlichen Antrags kommt nur dann in Be- 5 tracht, wenn der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung nicht selbst für die Abberufung der gesetzeswidrig handelnden Verwaltungsträger sorgen (siehe § 84 Abs. 3 für Mitglieder des Vorstands und § 103 für Mitglieder des Aufsichtsrats). Die Abberufung ist bis zur letzten mündlichen Verhandlung über die Auflösungsklage möglich. Eine bereits erhobene Klage wird dadurch unbegründet. 5.
Verhältnismäßigkeit
Die AG ist als juristische Person in ihren Grundrechten geschützt (Art. 19 Abs. 3 GG). 6 Der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist daher bei der Stellung eines Antrags auf Auflösung einer AG stets zu beachten.5) Dies setzt zunächst voraus, dass die Auflösung zur Beseitigung der Gemeinwohlgefährdung überhaupt geeignet ist. Die Auflösung muss sodann erforderlich sein, d. h. andere Maßnahmen mit geringerer Eingriffsintensität (wie etwa eine Gewerbeuntersagung oder ein Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren) müssen erfolglos geblieben sein. Ferner muss die Gesellschaft das gesetzeswidrige Verhalten ihrer Verwaltungsträger trotz entsprechender behördlicher Aufforderung nicht beendet haben. Schließlich muss die Auflösung im konkreten Fall auch angemessen sein. III.
Auflösungsklage und -urteil
1.
Antrag bzw. Auflösungsklage
Eine AG kann im Falle einer entsprechenden Gemeinwohlgefährdung von den staatlichen 7 Verwaltungsbehörden nicht selbst aufgelöst werden. Vielmehr kann die oberste Behörde des Bundeslandes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz (§ 5) hat, lediglich einen entsprechenden „Antrag“ auf Auflösung stellen. Bei diesem Antrag handelt es sich richtigerweise um die Klageerhebung (siehe § 396 Abs. 1 Satz 2 AktG i. V. m. §§ 253 ff. ZPO). Die Klageerhebung steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Landesbehörde. Eine pflichtwidrig erhobene Auflösungsklage ist unbegründet und kann Amtshaftungsansprüche auslösen.6) _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
Hüffer, AktG, § 396 Rz. 1. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 396 Rz. 5; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 396 Rz. 8. Weitergehend Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 396 Rz. 8. K. Schmidt/Lutter-Oetker, AktG, §§ 396–398 Rz. 1 (Auflösungsklage als ultima ratio). Hüffer, AktG, § 396 Rz. 8, 10.
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§ 397 2.
Anordnungen bei der Auflösung Zuständigkeit
8 Für die Auflösungsklage ist ausschließlich das LG zuständig, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat (§ 396 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 5). Funktionell ist die Kammer für Handelssachen zuständig (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 GVG). 3.
Auflösungsurteil
9 Mit der Rechtskraft eines der Klage stattgebenden Urteils tritt die Auflösung der Gesellschaft ein (§ 396 Abs. 1 Satz 1). Die werbende Gesellschaft wird dann zur Abwicklungsgesellschaft (§ 262 Abs. 2). Die Abwicklung richtet sich grundsätzlich nach den auch sonst für die Abwicklung geltenden Vorschriften (§ 396 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 264 – 273). Ein Fortsetzungsbeschluss kann allerdings nicht (und zwar auch nicht mit Zustimmung der klagenden Landesbehörde) gefasst werden (Grund: § 396 Abs. 2 Satz 1 verweist gerade nicht auf § 274, anders etwa § 277 Abs. 1). 4.
Abwickler
10 Abwickler sind grundsätzlich die bisherigen Mitglieder des Vorstands (§ 396 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 265). Die klagende Landesbehörde kann jedoch die Bestellung anderer Abwickler verlangen, wenn das gesetzeswidrige Verhalten der Vorstandsmitglieder die Auflösung veranlasst hat oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt (§ 396 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 265 Abs. 3).
§ 397 Anordnungen bei der Auflösung Ist die Auflösungsklage erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der in § 396 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Behörde durch einstweilige Verfügung die nötigen Anordnungen treffen. Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Voraussetzungen .............................. 2 I.
III. Gerichtliche Anordnungen ............. 4
Überblick
1 Das Gericht kann bereits vor der Entscheidung über die Auflösungsklage einstweilige Maßnahmen zur Sicherung des Gemeinwohls treffen (§ 397 AktG i. V. m. §§ 935 ff. ZPO). II.
Voraussetzungen
2 Einstweilige Maßnahmen sind erst nach Erhebung der Auflösungsklage möglich (§ 397). Die Klage ist mit Zustellung der Klageschrift erhoben (§ 261 ZPO). Die bloße Einreichung der Klage ist nicht ausreichend (§ 253 Abs. 1 ZPO). Der Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen kann in der Klageschrift bereits enthalten sein. 3 Das Gericht kann einstweilige Anordnungen nur auf Antrag treffen (§ 308 Abs. 1 ZPO). Antragsberechtigt ist die klagende oberste Landesbehörde.
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Thomas Wachter
§ 398
Eintragung III.
Gerichtliche Anordnungen
Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag durch einstweilige Verfügung die nötigen 4 Anordnungen treffen (§ 397 AktG i. V. m. § 940 ZPO). Die Anordnungen müssen im Hinblick auf die Gefährdung des Gemeinwohls geeignet, erforderlich und angemessen sein. Das Gericht entscheidet i. R. des Antrags nach eigenem Ermessen, welche Anordnungen im Einzelfall nötig sind (§ 938 Abs. 1 ZPO). Die gerichtlichen Anordnungen müssen aktienrechtlich zulässig sein und dürfen die 5 Entscheidung über die Auflösungsklage nicht vorwegnehmen. Zulässig ist etwa die Suspendierung (nicht dagegen die endgültige Abberufung)1) oder Bestellung von Vorstandsmitgliedern sowie die Untersagung einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen. Nicht zulässig ist es dagegen, die Geschäftsführung durch den Vorstand generell an die Zustimmung der antragstellenden Behörde zu binden oder dieser ein Weisungsrecht einzuräumen (siehe § 76 Abs. 1 AktG; Ausnahmen: § 38 Abs. 2 KWG, § 87 Abs. 4 VAG). _____________ 1)
Ähnlich Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 397 Rz. 11 ff.
§ 398 Eintragung 1
Die Entscheidungen des Gerichts sind dem Registergericht mitzuteilen. 2Dieses trägt sie, soweit sie eintragungspflichtige Rechtsverhältnisse betreffen, in das Handelsregister ein. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Mitteilungspflicht des Prozessgerichts .................................. 2 I.
III. Handelsregistereintragung durch das Registergericht ............................ 3
Überblick
Das Prozessgericht hat die Entscheidungen i. R. des Auflösungsverfahrens dem für die 1 Gesellschaft zuständigen Registergericht mitzuteilen (§ 398 Satz 1). Betreffen die mitgeteilten Entscheidungen eintragungspflichtige Tatsachen, nimmt das Registergericht die entsprechenden Eintragungen von Amts wegen vor (§ 398 Satz 2). Die Vorschrift dient der Publizität der gerichtlichen Entscheidungen und sichert die Vollständigkeit der Eintragungen im Handelsregister. II.
Mitteilungspflicht des Prozessgerichts
Das Prozessgericht hat dem Registergericht von Amts wegen alle seine Entscheidungen mit- 2 zuteilen, sofern sie nicht lediglich die Prozessleitung betreffen. Auf Art und Inhalt der Entscheidung kommt es dabei nicht an. Entscheidungen in der Hauptsache (§ 396) sind daher ebenso mitzuteilen wie einstweilige Verfügungen (§ 397). Bei erfolgreichen Klagen ist sowohl die gerichtliche Entscheidung als auch der spätere Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen. Mitzuteilen ist auch der Umstand, dass eine Klage oder ein Antrag abgewiesen worden ist. Die Mitteilung hat selbst dann zu erfolgen, wenn die Entscheidung im Handelsregister nicht eingetragen werden muss bzw. gar nicht eingetragen werden kann
Thomas Wachter
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§ 398
Eintragung
(siehe § 398 Satz 2). Über den Gesetzeswortlaut hinaus, ist dem Registergericht bereits die Tatsache der Klageerhebung mitzuteilen.1) III.
Handelsregistereintragung durch das Registergericht
3 Das Registergericht hat die mitgeteilten Entscheidungen von Amts wegen einzutragen, sofern sie eintragungspflichtige Tatsachen betreffen (§ 398 Satz 2). Die mitgeteilten Entscheidungen sind unabhängig davon einzutragen, ob der Eintragung im Handelsregister lediglich deklaratorische (Bsp.: Auflösung, siehe § 263) oder konstitutive (Bsp.: Satzungsänderung, § 181 Abs. 3) Bedeutung zukommt.2) Betrifft die Mitteilung dagegen nicht eintragungspflichtige Rechtsverhältnisse (Bsp.: Abweisung der Auflösungsklage), erfolgt keine Eintragung.
_____________ 1) 2)
Dagegen allerdings K. Schmidt/Lutter-Oetker, AktG, §§ 396–398 Rz. 15 unter Hinweis auch auf § 275 Abs. 4 Satz 2. Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 398 Rz. 6.
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Thomas Wachter
Dritter Teil Straf- und Bußgeldvorschriften. Schlußvorschriften § 399 Falsche Angaben (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. als Gründer oder als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft über die Übernahme der Aktien, die Einzahlung auf Aktien, die Verwendung eingezahlter Beträge, den Ausgabebetrag der Aktien, über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen oder in der nach § 37a Abs. 2 abzugebenden Versicherung, 2. als Gründer oder als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats im Gründungsbericht, im Nachgründungsbericht oder im Prüfungsbericht, 3. in der öffentlichen Ankündigung nach § 47 Nr. 3, 4. als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Grundkapitals (§§ 182 bis 206) über die Einbringung des bisherigen, die Zeichnung oder Einbringung des neuen Kapitals, den Ausgabebetrag der Aktien, die Ausgabe der Bezugsaktien, über Sacheinlagen, in der Bekanntmachung nach § 183a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 37a Abs. 2 oder in der nach § 184 Abs. 1 Satz 3 abzugebenden Versicherung, 5. als Abwickler zum Zweck der Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft in dem nach § 274 Abs. 3 zu führenden Nachweis oder 6. als Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder des Leitungsorgans einer ausländischen juristischen Person in der nach § 37 Abs. 2 Satz 1 oder § 81 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung oder als Abwickler in der nach § 266 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt. (2) Ebenso wird bestraft, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Grundkapitals die in § 210 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Erklärung der Wahrheit zuwider abgibt. Literatur: Bittmann, Strafrechtliche Folgen des MoMiG, NStZ 2009, 113; Bittmann, Strafrecht und Gesellschaftsrecht, ZGR 2009, 931; Kiethe, Gesellschaftsstrafrecht – Zivilrechtliche Haftungsgefahren für Gesellschaften und ihre Organmitglieder, WM 2007, 722; Leipold, Auswirkungen des MoMiG auf das Strafrecht, NJW-Spezial 2008, 472; Müller-Gugenberger, GmbH-Strafrecht nach der Reform, GmbHR 2009, 578; Schlosser, Europäische Aktiengesellschaft und deutsches Strafrecht, NZG 2008, 126; Weyand, Strafrechtliche Aspekte des MoMiG im Zusammenhang mit juristischen Personen, ZInsO 2008, 702.
Übersicht I. II. 1. 2.
Überblick ............................................ 1 Objektiver Tatbestand ...................... 5 Täter .................................................... 5 Falsche Angaben oder Verschweigen erheblicher Umstände ............... 10 3. Einzelne Tatbestände ....................... 14
a) Gründungsschwindel durch unrichtige Anmeldung (§ 399 Abs. 1 Nr. 1) ................... 14 b) Gründungsschwindel durch unrichtige Berichte (§ 399 Abs. 1 Nr. 2) ................... 18
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§ 399
Falsche Angaben
c) Schwindel bei öffentlicher Ankündigung von Aktien (§ 399 Abs. 1 Nr. 3) .................. 19 d) Kapitalerhöhungsschwindel (§ 399 Abs. 1 Nr. 4) .................. 20 e) Abwicklungsschwindel (§ 399 Abs. 1 Nr. 5) .................. 21
I.
f) Unrichtige Versicherung in Bezug auf Bestellungshindernisse von Organmitgliedern (§ 399 Abs. 1 Nr. 6) ................... 22 g) Abgabe wahrheitswidriger Erklärung bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 399 Abs. 2) ............................. 23 III. Subjektiver Tatbestand ................... 24
Überblick
1 Das Aktienrecht schützt das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Handelsregister eingetragenen und sonst bekannt gemachten Tatsachen.1) Der Wirtschaftsverkehr soll davor geschützt werden, dass Aktien in Umlauf kommen, die nur Scheinwerte darstellen. Ziel der Regelung ist es, die Täuschung von Personen, die mit der Gesellschaft rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen unterhalten, zu verhindern. Falsche oder unvollständige Angaben, insbesondere solche von Gründern, Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats sind demnach strafbar. 2 Die Strafbarkeit ist dabei unabhängig vom Eintritt eines Vermögensschadens oder einer Vermögensgefährdung. Vielmehr handelt es sich bei dem Straftatbestand des § 399 um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. 3 § 399 ist ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB.2) Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist jedoch, dass eine Person gerade im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben eine Vermögensdisposition getroffen hat und dadurch einen Schaden erlitten hat. Die allgemeine Vorstellung, dass „alles in Ordnung“ ist, genügt insoweit nicht.3) 4 Die Vorschrift wurde zuletzt durch das ARUG4) und das MoMiG5) geändert. Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/2013 sollte ein Redaktionsversehen (Strafbarkeitslücken im Zusammenhang mit der Nachgründung, § 52) behoben werden.6) II.
Objektiver Tatbestand
1.
Täter
5 Als Täter kommen grundsätzlich nur bestimmte Personen in Betracht (Ausnahme: § 399 Abs. 1 Nr. 3). Insoweit handelt es sich um ein echtes Sonderdelikt. 6 Gründer sind mögliche Täter des Gründungsschwindels in § 399 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2. Gründer sind die Personen, die die Satzung festgestellt und mindestens eine Aktie übernommen haben (§ 28 i. V. m. § 2). Im Falle der offenen Stellvertretung ist der Vertretene _____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6)
Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 399 Rz. 1 ff. S. a. Hölters-Müller-Michaels, AktG, Vor § 399 Rz. 2, der auf die zunehmende praktische Bedeutung der §§ 399 ff. zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen hinweist. BGH, Urt. v. 26.9.2005 – II ZR 380/03, ZIP 2005, 2012, dazu EWiR 2007, 545 (Werner); BGH, Urt. v. 11.7.1988 – II ZR 243/87 (Kerkerbachbahn AG), BGHZ 105, 121 = ZIP 1988, 1112, dazu EWiR 1988, 951 (Schulze-Osterloh); OLG München, Urt. v. 19.12.2003 – 21 U 5489/02, ZIP 2004, 69, dazu EWiR 2004, 627 (Schwintowski) (§ 399 Abs. 1 Nr. 1 ist für stille Gesellschafter kein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB). Art. 1 Nr. 51 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 67. Art. 5 Nr. 17 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026. S. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 52. S. Einf., Rz. 24 ff.
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§ 399
Falsche Angaben
der Gründer; der Vertreter kann aber unter Umständen als Teilnehmer strafbar sein. Bei einer verdeckten Treuhandschaft gilt der Handelnde als Gründer, da nur dieser rechtlich verpflichtet wird; der Hintermann kann aber Teilnehmer sein. Zu juristischen Personen als Gründer siehe § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Mitglieder des Vorstands kommen in den Fällen von § 399 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 und 7 Nr. 6 sowie § 399 Abs. 2 als Täter in Betracht. Zu Mitgliedern des Vorstands gehören auch stellvertretende Vorstandsmitglieder (§ 94). Auf die rechtliche Wirksamkeit des Bestellungsakts (§§ 84, 85) kommt es für die Tätereigenschaft nicht an. Selbst die faktische Tätigkeit als Vorstand wird allgemein als ausreichend angesehen.7) Mitglieder des Aufsichtsrats können in den Fällen von § 399 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und 8 Nr. 4 sowie § 399 Abs. 2 Täter sein. Dies gilt gleichermaßen für alle Mitglieder des Aufsichtsrats, insbesondere auch unabhängig davon, ob es sich um Vertreter der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer handelt. Ersatzmitglieder stehen den Mitgliedern des Aufsichtsrats erst dann gleich, wenn sie das Amt übernommen haben. Abwickler können in den Fällen des § 399 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 Täter sein (§ 265). Für die 9 Tätereigenschaft kommt es nicht darauf an, ob es sich um geborene oder gekorene Abwickler handelt. 2.
Falsche Angaben oder Verschweigen erheblicher Umstände
In allen Fällen des § 399 Abs. 1 Nr. 1 – 6 besteht die strafbare Handlung darin, dass der 10 Täter falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt (§ 399 Abs. 1 a. E.). Angaben sind Tatsachen, deren Richtigkeit nachgeprüft werden kann. Dazu können auch 11 Schätzungen, Prognosen und Bewertungen gehören, wenn sie auf einer Tatsachengrundlage beruhen. Reine Meinungsäußerungen sind nicht erfasst. Bei gemischten Aussagen kommt es darauf an, ob diese durch die Tatsachenbehauptung oder die Meinungsäußerung geprägt sind. Falsch ist eine Angabe, die objektiv unwahr ist. Maßgebend sind grundsätzlich die Ver- 12 hältnisse im Zeitpunkt des Zugangs beim Registergericht. Das Verschweigen rechtserheblicher Umstände beinhaltet regelmäßig falsche Angaben, da sie aus Sicht eines objektiven Empfängers anders zu verstehen sind. Schätzungen, Prognosen und Bewertungen sind immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Sie sind nur dann falsch, wenn sie auf einer falschen Tatsachengrundlage beruhen oder auf der Grundlage zutreffender Tatsachen offensichtlich unrichtige Schlussfolgerungen gezogen worden sind. Das Verschweigen erheblicher Umstände ist ebenso strafbar wie die aktive Angabe 13 falscher Tatsachen. Erheblich sind dabei alle Umstände, deren Angabe gesetzlich vorgesehen ist oder für die zutreffende Beurteilung durch das Registergericht von Bedeutung ist. Maßgebender Zeitpunkt ist der Zugang einer Erklärung beim Registergericht. Ändern sich die maßgeblichen Umstände nach der Anmeldung, aber vor der Eintragung sind diese zu berichtigen.
_____________ 7)
S. BayObLG, Urt. v. 20.2.1997 – 5 St RR 159/96, BayObLGSt 1997, 38 = NJW 1997, 1936 (zur Strafbarkeit eines faktischen Geschäftsführers einer GmbH nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a. F., jetzt § 15a Abs. 4 InsO).
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§ 399
Falsche Angaben
3.
Einzelne Tatbestände
a)
Gründungsschwindel durch unrichtige Anmeldung (§ 399 Abs. 1 Nr. 1)
14 Strafbar ist, wer als Gründer, als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zwecke der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister in Bezug auf folgende Vorgänge falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt (§ 399 Abs. 1 Nr. 1):8) –
Übernahme der Aktien (siehe § 23 Abs. 2 Nr. 2),
–
Einzahlung auf Aktien (siehe §§ 37 Abs. 1, 36 Abs. 2),9)
–
Verwendung eingezahlter Beträge (siehe § 36 Abs. 2),
–
Ausgabebetrag der Aktien (siehe § 9 und § 36a Abs. 1),
–
Sondervorteile (§ 26 Abs. 1),
–
Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2),
–
Sacheinlagen und Sachübernahmen (§ 27), oder
–
Versicherung in der Handelsregisteranmeldung bei Sachgründung ohne externe Gründungsprüfung (§ 37a Abs. 2).10)
15 Strafbar sind (auch nach Inkrafttreten des ARUG) insbesondere falsche oder unvollständige Angaben in Bezug auf verdeckte Sacheinlagen (§ 27 Abs. 3) oder ein Hin- und Herzahlen der Einlagen (§ 27 Abs. 4).11) 16 Nicht erfasst sind – derzeit – dagegen falsche Angaben im Zusammenhang mit der Nachgründung (§ 52), da die Gesellschaft in diesem Fall bereits im Handelsregister eingetragen ist und die Angaben nicht „zum Zwecke der Eintragung der Gesellschaft“ erfolgen (siehe auch § 399 Abs. 1 Nr. 2, wo der Fall der Nachgründung – anders als bei § 399 Abs. 1 Nr. 1 – ausdrücklich neben der Neugründung erwähnt ist).12) Diese Strafbarkeitslücke sollte i. R. der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/2013 jedoch geschlossen werden.13) 17 Falsche Angaben im Zusammenhang mit der Anmeldung einer wirtschaftlichen Neugründung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft können zwar zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen, sind aber aufgrund des im Strafrecht geltenden Analogieverbots nicht strafbar.14) b)
Gründungsschwindel durch unrichtige Berichte (§ 399 Abs. 1 Nr. 2)
18 Strafbar ist, wer als Gründer, als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats im Gründungsbericht (§ 32), im Nachgründungsbericht (§ 52 Abs. 3) oder im Prüfungsbericht (§ 34 Abs. 2) falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt (§ 399 Abs. 1 Nr. 2).
_____________ 8) Zum Strafbarkeit von falschen Angaben nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG (Gründungsschwindel) s. BGH, Beschl. v. 20.10.2011 – 1 StR 354/11, ZInsO 2011, 2226, dazu EWiR 2012, 349 (Floeth). 9) Zur möglichen Beihilfe einer Bank zu einem Gründungsschwindel durch Ausstellen einer unrichtigen Bestätigung nach § 37 Abs. 1 Sätze 3 und 4 s. BGH, Urt. v. 26.9.2005 – II ZR 380/03, ZIP 2005, 2012, dazu EWiR 2007, 545 (Werner), und OLG München, Urt. v. 19.12.2003 – 21 U 5489/02, ZIP 2004, 69, dazu EWiR 2004, 627 (Schwintowski). Zu § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG s. ferner BGH, Beschl. v. 29.9.2004 – 5 StR 357/04, wistra 2005, 58. 10) Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 399 Rz. 133 ff. 11) Kritisch allerdings Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 399 Rz. 96 ff. (keine Strafbarkeit bei voller Werthaltigkeit der verdeckten Sacheinlage). 12) Bürgers/Körber-Pelz, AktG, § 399 Rz. 3. A. A. Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 399 Rz. 124 f. 13) S. Einf., Rz. 24 ff. 14) Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 399 Rz. 76 ff.
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Thomas Wachter
§ 399
Falsche Angaben c)
Schwindel bei öffentlicher Ankündigung von Aktien (§ 399 Abs. 1 Nr. 3)
Strafbar ist, wer in einer öffentlichen Ankündigung von Aktien zum Zwecke von deren Ver- 19 kehrseinführung (§ 47 Nr. 3) falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt (§ 399 Abs. 1 Nr. 3). Täter kann in diesem Fall jedermann sein. Die Vorschrift gilt nur für Aktien, die bei Gründung (nicht auch bei einer Kapitalerhöhung) geschaffen oder ausgegeben worden sind. Strafbar sind unrichtige Angaben nur dann, wenn sie vor Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister oder in den ersten zwei Jahren nach Eintragung erfolgt sind. d)
Kapitalerhöhungsschwindel (§ 399 Abs. 1 Nr. 4)
Strafbar ist, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zum Zwecke der Ein- 20 tragung einer Erhöhung des Grundkapitals (§§ 182–206) in Bezug auf folgende Vorgänge falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt (§ 399 Abs. 1 Nr. 4): –
Einbringung des bisherigen Kapitals (§§ 182 Abs. 4, 203 Abs. 3),
–
Zeichnung oder Einbringung des neuen Kapitals (§§ 188, 203),15)
–
Ausgabebetrag der Aktien (§ 188),
–
Ausgabe der Bezugsaktien (§ 203),
–
Sacheinlagen (§§ 188 Abs. 3, 194, 203),
–
Bekanntmachung bei Sacheinlagen ohne Prüfung (§§ 183a Abs. 2 Satz 1, 37a Abs. 2),
–
Versicherung in der Handelsregisteranmeldung bei Sacheinlagen ohne Prüfung (§ 184 Abs. 1 Satz 3).
e)
Abwicklungsschwindel (§ 399 Abs. 1 Nr. 5)
Ist eine AG aufgelöst worden, so kann die Hauptversammlung die Fortsetzung der 21 Gesellschaft beschließen, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen worden ist (§ 274 Abs. 1). Die Abwickler haben die Fortsetzung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 274 Abs. 3 Satz 1) und nachzuweisen, dass noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen worden ist (§ 274 Abs. 3 Satz 2). Strafbar ist, wer als Abwickler zum Zwecke der Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft in dem Nachweis über die Vermögensverteilung falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt (§ 399 Abs. 1 Nr. 5). f)
Unrichtige Versicherung in Bezug auf Bestellungshindernisse von Organmitgliedern (§ 399 Abs. 1 Nr. 6)
Als Vorstand oder Abwickler kann grundsätzlich nur bestellt werden, wer keinem Berufs- 22 oder Gewerbeverbot unterliegt und nicht vorbestraft ist (siehe im Einzelnen §§ 76 Abs. 3, 265 Abs. 2 Satz 2). Dementsprechend haben die Mitglieder des Vorstands und die Abwickler in der Handelsregisteranmeldung zu versichern, dass in ihrer Person keine gesetzlichen Bestellungshindernisse vorliegen und sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden sind (§§ 37 Abs. 2 Satz 1, 81 Abs. 3 Satz 1 und 266 Abs. 3 Satz 1). Falsche Versicherungen sind strafbar (§ 399 Abs. 1 Nr. 6). Gleiches gilt auch für die Mitglieder des Leitungsorgans einer ausländischen juristischen _____________ 15) BGH, Urt. v. 26.9.2005 – II ZR 380/03, ZIP 2005, 2012, dazu EWiR 2007, 545 (Werner); BGH, Urt. v. 11.7.1988 – II ZR 243/87 (Kerkerbachbahn AG), BGHZ 105, 121 = ZIP 1988, 1112, dazu EWiR 1988, 951 (Schulze-Osterloh). Zur Zweckbindung von Einlagen im Zusammenhang mit der parallelen Regelung des § 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG s. BGH, Beschl. v. 30.11.1995 – 1 StR 358/95, NStZ 1996, 238.
Thomas Wachter
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§ 400
Unrichtige Darstellung
Person (siehe § 13f Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 HGB für inländische Zweigniederlassungen von ausländischen AG).16) g)
Abgabe wahrheitswidriger Erklärung bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 399 Abs. 2)
23 Dem Beschluss über eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 ff.) ist eine Bilanz zugrunde zu legen, deren Stichtag höchstens acht Monate vor der Handelsregisteranmeldung liegt (§ 209 Abs. 1). In der Handelsregisteranmeldung haben die Mitglieder des Vorstands und der Vorsitzende des Aufsichtsrats zu erklären, dass seit dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz bis zum Tag der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstünde, wenn sie am Tag der Anmeldung beschlossen worden wäre (§ 210 Abs. 1 Satz 2). Strafbar ist, wer zum Zwecke der Eintragung einer Erhöhung des Grundkapitals eine solche Erklärung der Wahrheit zuwider abgibt (§ 399 Abs. 2). III.
Subjektiver Tatbestand
24 Die Strafbarkeit setzt vorsätzliches Handeln voraus (§ 15 StGB), wobei bedingter Vorsatz ausreichend ist. Der Täter muss daher zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass seine Angaben falsch oder unvollständig sind. Ein Irrtum über einzelne Tatbestandsmerkmale kann den Vorsatz ausschließen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB). _____________ 16) Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 399 Rz. 26 ff. und Rz. 191 ff.
§ 400 Unrichtige Darstellung (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler 1. die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 1 oder 1a des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist, oder 2. in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes einem Prüfer der Gesellschaft oder eines verbundenen Unternehmens zu geben sind, falsche Angaben macht oder die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist. (2) Ebenso wird bestraft, wer als Gründer oder Aktionär in Aufklärungen oder Nachweisen, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes einem Gründungsprüfer oder sonstigen Prüfer zu geben sind, falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt. Literatur: Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), 2009; Findeisen, Die Bedeutung der haftungsbegründenden Kausalität einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung für die Anlageentscheidung des Schadensersatzklägers, NZG 2007, 692; Fleischer, Das Haffa-Urteil: Kapitalmarktstrafrecht auf dem Prüfstand, NJW 2003, 2584; Fleischer, Zur deliktsrechtlichen Haftung der Vorstandsmitglieder für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, DB 2004, 2031; Hefendehl, Enron, Worldcon und die Folgen: Das Wirtschaftsstrafrecht zwischen kriminalpolitischen
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Thomas Wachter
§ 400
Unrichtige Darstellung
Erwartungen und dogmatischen Erfordernissen, JZ 2004, 18; Hutter/Stürwald, EM.TV und die Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, NJW 2005, 2428; Kiethe, Strafrechtlicher Anlegerschutz durch § 400 I Nr. 1 AktG, NStZ 2004, 73; Kindler, Gesellschaftsrechtliche Grenzen der Emittentenhaftung am Kapitalmarkt – Eine Nachlese zum Fall „EM.TV“ vor dem Hintergrund zwischenzeitlicher Entwicklungen, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 417; Kruppa, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) – Bestandaufnahme und Perspektiven, 2011; Olbrich/Fuhrmann, DAX 30-Geschäftsberichte im Lichte von § 244 HGB und § 400 AktG, AG 2011, 326; Schlitt, Die strafrechtliche Relevanz des Corporate Governance Kodexes, DB 2007, 326; Trescher, Strafrechtliche Aspekte der Berichterstattung des Aufsichtsrats, DB 1998, 1016; Vorwerk/Wolf, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz: KapMuG, 2007; Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahr 2010, NJW 2011, 273.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Objektiver Tatbestand ...................... 5 1. Strafbarkeit nach § 400 Abs. 1 ........... 5 a) Täter .............................................. 5 b) Tathandlung ................................. 6 aa) Unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der Gesellschaft ...... 6 I.
bb) Falsche Angaben gegenüber Prüfern ........................................ 2. Strafbarkeit nach § 400 Abs. 2 ......... a) Täter ............................................ b) Tathandlung ............................... III. Subjektiver Tatbestand ...................
11 12 12 13 14
Überblick
Die Vorschrift schützt das Vertrauen in die Vollständigkeit und Richtigkeit bestimmter 1 Angaben über die Verhältnisse der Gesellschaft.1) Die Strafbarkeit ist unabhängig vom Erfolg der Täuschung und vom Eintritt eines Vermögensschadens; es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Eine Verurteilung wegen einer vorsätzlich unrichtigen Darstellung hat u. a. zur Folge, dass 2 der Täter auf die Dauer von fünf Jahren nicht mehr zum Vorstand (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 lit. d) oder Geschäftsführer (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. d GmbHG) bestellt werden kann. § 400 ist Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB.2) Geschützt werden insbesondere die 3 Gesellschaft, deren Aktionäre3) und Arbeitnehmer sowie die Gläubiger der Gesellschaft. Ein Schadensersatzanspruch setzt aber stets voraus, dass der Schaden gerade auf dem Vertrauen in die Richtigkeit der gemachten Angaben beruht. In prozessualer Hinsicht besteht die Besonderheit, dass Schadensersatzansprüche wegen 4 falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformation nicht nur in einem individuellen Rechtsstreit, sondern auch in einem kollektiven Musterverfahren geltend gemacht werden können. Das Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen
_____________ 1)
2)
3)
Zur gestiegenen praktischen Bedeutung der Vorschrift, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Haftung von Organmitgliedern von Gesellschaften des früheren Neuen Marktes ausführlich Spindler/ Stilz-Hefendehl, AktG, § 400 Rz. 14 ff. BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 (EM.TV), ZIP 2005, 1270 = EWiR 2005, 689 (Bayer); BGH, Urt. v. 19.7.2004, II ZR 402/02 (Infomatec), BGHZ 160, 149 = ZIP 2004, 1593 = EWiR 2004, 961 (Lenenbach); BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 = ZIP 2004, 1599 = EWiR 2005, 699 (Sethe); BGH, Urt. v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 = ZIP 2001, 1874 = EWiR 2004, 723 (Eisner); OLG München, Urt. v. 24.5.2006 – 15 U 3958/05, ZIP 2006, 1247 = EWiR 2006, 739 (Sethe); OLG Stuttgart, Urt. v. 8.2.2006 – 20 U 24/04, ZIP 2006, 511 = EWiR 2006, 263 (Sethe). S. dazu OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 21.4.2010 – 2 Ws 147/08 (Kirch/Deutsche Bank), NJW 2011, 691 (keine Verletzteneigenschaft des Antragstellers, wenn Erwerb der Aktien erst nach der Hauptversammlung erfolgt ist).
Thomas Wachter
1611
§ 400
Unrichtige Darstellung
Streitigkeiten (Kapitalanlage-Musterverfahrensgesetz – KapMuG)4) dient u. a. dazu, geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern. II.
Objektiver Tatbestand
1.
Strafbarkeit nach § 400 Abs. 1
a)
Täter
5 Täter einer unrichtigen Darstellung i. S. von § 400 Abs. 1 können nur Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats oder Abwickler sein. Andere Personen können nur Anstifter oder Gehilfe sein. b)
Tathandlung
aa)
Unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der Gesellschaft
6 Strafbar ist die unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der Gesellschaft oder deren Verschleierung (§ 400 Abs. 1 Nr. 1).5) Die Vorschrift genügt dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis (Art. 103 Abs. 2 GG).6) 7 Verhältnisse der Gesellschaft sind alle Umstände, die für die Vermögenslage der Gesellschaft oder ihre (derzeitige oder künftige) Gesamtsituation von Bedeutung sind. Die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§§ 15 ff.) werden im Gesetz lediglich beispielhaft erwähnt. 8 Die Verhältnisse der Gesellschaft werden unrichtig wiedergegeben, wenn die Darstellung nicht der tatsächlichen Sachlage entspricht (siehe dazu § 399 Rz. 10 ff.). Die Verhältnisse der Gesellschaft werden verschleiert, wenn sie nach außen anders dargestellt werden, als sie sich tatsächlich darstellen.7) 9 Die unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse muss in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand (siehe auch § 264a Abs. 1 StGB), in Vorträgen oder Auskünften in (nicht aber außerhalb) der Hauptversammlung8) erfolgen. 10 Darstellungen sind vor allem Berichte jeder Art (z. B. Quartalsberichte, Zwischenberichte, Berichte des Vorstands an den Aufsichtsrat (§ 90) und Berichte des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2)), grundsätzlich aber nicht Ad-hoc-Mitteilungen (siehe § 15 WpHG)9), Pressemitteilungen10), Erklärungen zur Unternehmensführung (§ 289a _____________ 4) Ausführlich dazu u. a. Bergmeister, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG); Kruppa, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) – Bestandaufnahme und Perspektiven; Vorwerk/Wolf, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz: KapMuG. 5) K. Schmidt/Lutter-Oetker, AktG, § 400 Rz. 5 ff.; Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 400 Rz. 18 ff. 6) BVerfG, Beschl. v. 27.4.2006 – 2 BvR 131/05 (EM.TV/Haffa), ZIP 2006, 1096. Ebenso in Bezug auf § 331 Nr. 1 HGB – BVerfG, Beschl. v. 25.8.2006 – 2 BvR 822/06, WM 2006, 1839. 7) Zum Verschleiern durch Verwendung englischsprachiger Begriffe in Geschäftsberichten s. Olbrich/ Fuhrmann, AG 2011, 326. 8) Dazu BGH, Urt. v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 = ZIP 2001, 1874, dazu EWiR 2004, 723 (Eisner) – strafbar ist es auch, wenn ein Vorstandsmitglied es unterlässt, den unrichtigen Erklärungen eines anderen Vorstandsmitglieds auf der Hauptversammlung zu widersprechen. 9) BGH, Urt. v. 19.7.2004 –II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 = ZIP 2004, 1599, dazu EWiR 2005, 699 (Sethe); BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 (Infomatec), BGHZ 160, 149 = ZIP 2004, 1593, dazu EWiR 2004, 961 (Lenenbach). S. aber auch BGH, Urt. v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03 (EM.TV), BGHSt 49, 381 = ZIP 2005, 78, wonach Darstellungen über den Vermögensstand (hier: Bekanntgabe von Halbjahreszahlen) nicht allein deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 400 Abs. 1 Nr. 1 herausfallen, weil sie in Form einer Ad-hoc-Mitteilung abgegeben werden; dem folgend OLG München, Urt. v. 24.5.2006 – 15 U 3958/05, ZIP 2006, 1247, dazu EWiR 2006, 739 (Sethe). Weitergehend Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 400 Rz. 65 ff. 10) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.6.2009 – I 22 U 2/09, AG 2009, 870.
1612
Thomas Wachter
Pflichtverletzung bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
§ 401
HGB)11) oder zum Corporate Governance Kodex (§ 161).12) Übersichten sind Zusammenstellungen von Zahlenmaterial, wie etwa Bilanzen (§ 242 Abs. 1 HGB), Gewinn- und Verlustrechnungen (§ 242 Abs. 2 HGB) oder sonstige Vermögensübersichten. Nicht erfasst ist dagegen der Jahresabschluss, der unter die vorrangige Regelung des § 331 Nr. 1 HGB fällt (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 a. E.). Darstellungen und Übersichten müssen stets ein Gesamtbild über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft (und nicht nur über einzelne Aspekte der Vermögenslage) vermitteln.13) bb)
Falsche Angaben gegenüber Prüfern
Strafbar sind darüber hinaus falsche Angaben gegenüber Prüfern (§ 400 Abs. 1 Nr. 2). 2.
Strafbarkeit nach § 400 Abs. 2
a)
Täter
11
Täter einer unrichtigen Darstellung i. S. von § 400 Abs. 2 können nur Gründer (§ 28) und 12 Aktionäre sein. Andere Personen können nur Anstifter oder Gehilfe sein. b)
Tathandlung
Strafbar ist, wer als Gründer oder Aktionär gegenüber einem Prüfer (z. B. nach §§ 33 Abs. 2, 13 52 Abs. 4 oder 183 Abs. 3) falsche Angaben macht oder erhebliche Umstände verschweigt (§ 400 Abs. 2). III.
Subjektiver Tatbestand
Der Straftatbestand der unrichtigen Darstellung kann nur vorsätzlich verwirklicht werden 14 (§ 15 StGB). Bedingter Vorsatz ist allerdings ausreichend. _____________ 11) Im Ergebnis ähnlich Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 400 Rz. 46 f. 12) Grundsätzlich auch Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 400 Rz. 68 m. w. N zum Streitstand. 13) BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 (EM.TV), ZIP 2005, 1270, dazu EWiR 2005, 689 (Bayer); BGH, Urt. v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03 (EM.TV), BGHSt 49, 381 = ZIP 2005, 78; BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 = ZIP 2004, 1599, dazu EWiR 2005, 699 (Sethe). Umfassend Spindler/ Stilz-Hefendehl, AktG, § 400 Rz. 40 ff.
§ 401 Pflichtverletzung bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es als Mitglied des Vorstands entgegen § 92 Abs. 1 unterläßt, bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen. (2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Literatur: Bittmann, Strafrechtliche Folgen des MoMiG, NStZ 2009, 113; Hefendehl, Der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung und die unstete Wirtschaft: Ausländische Gesellschaftsformen – faktische Organe – Führungslosigkeit, ZIP 2011, 601; Kühnberger, Verlustanzeigebilanz – zu Recht kaum beachteter Schutz für Eigentümer, DB 2000, 2077; Schlosser, Europäische Aktiengesellschaft und deutsches Strafrecht, NZG 2008, 126; Weyand, Strafrechtliche Aspekte des MoMiG im Zusammenhang mit juristischen Personen, ZInsO 2008, 702.
Thomas Wachter
1613
§ 402
Falsche Ausstellung von Berechtigungsnachweisen Übersicht
I. Überblick ........................................... 1 II. Objektiver Tatbestand ..................... 4 I.
III. Subjektiver Tatbestand ..................... 6
Überblick
1 Besteht ein Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen (§ 92 Abs. 1). Unterlässt er dies (vorsätzlich oder fahrlässig), macht er sich strafbar. Die Vorschrift gilt auch für die Europäische AG (§ 53 Abs. 2 SEAG). 2 § 401 ist Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB.1) 3 Entgegen der amtlichen Gesetzesüberschrift betrifft die Vorschrift heute nur noch die Pflichtverletzungen des Vorstands bei Verlust (§ 92 Abs. 1). Die Pflichtverletzungen bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit (Insolvenzverschleppung) sind durch das MoMiG2) rechtsformübergreifend in der Insolvenzordnung zusammengefasst worden (§ 15a Abs. 4 InsO). II.
Objektiver Tatbestand
4 Täter können nur Mitglieder des Vorstands sein (§ 401 Abs. 1). Andere Personen (z. B. Mitglieder des Aufsichtsrats, siehe § 111 Abs. 3) kommen allenfalls als Teilnehmer in Betracht. Die Amtsniederlegung eines Mitglieds des Vorstands lässt die Strafbarkeit nur dann entfallen, wenn die Handlungspflicht zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestand und die Niederlegung zivilrechtlich wirksam war.3) 5 Ist bei einer AG ein Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals eingetreten, muss der Vorstand (§ 121 Abs. 2) unverzüglich (§ 121 BGB) eine Hauptversammlung einberufen und ihr dies anzeigen (§ 92 Abs. 1). Unterlässt er die Einberufung oder die Anzeige, macht er sich strafbar. III.
Subjektiver Tatbestand
6 Strafbar ist sowohl das vorsätzliche (§ 401 Abs. 1) als auch das fahrlässige (§ 401 Abs. 2) Unterlassen der Verlustanzeige. Irrt sich der Vorstand über das Vorliegen eines Verlusts, liegt ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum vor (§ 16 StGB). Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es der Vorstand unterlässt, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft regelmäßig zu prüfen oder er allgemeine kaufmännische Grundsätze missachtet.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
BGH, Urt. v. 17.12.1984 – II ZR 314/83, GmbHR 1985, 83, dazu EWiR 1985, 131 (Meyer-Landrut); BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 116 = NJW 1979, 1823. Art. 5 Nr. 18 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), BGBl. I 2008, 2026. S. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 52 und 55 f. Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 401 Rz. 18 ff. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 401 Rz. 16.
§ 402 Falsche Ausstellung von Berechtigungsnachweisen (1) Wer Bescheinigungen, die zum Nachweis des Stimmrechts in einer Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung dienen sollen, falsch ausstellt oder verfälscht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die
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Thomas Wachter
§ 403
Verletzung der Berichtspflicht
Tat nicht in anderen Vorschriften über Urkundenstraftaten mit schwererer Strafe bedroht ist. (2) Ebenso wird bestraft, wer von einer falschen oder verfälschten Bescheinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art zur Ausübung des Stimmrechts Gebrauch macht. (3) Der Versuch ist strafbar. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Tatbestand .......................................... 2 I.
III. Subsidiarität ....................................... 4
Überblick
Bei AG mit Inhaberaktien1) kann die Satzung bestimmen, wie die Berechtigung zur Teil- 1 nahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist (§ 123 Abs. 3). Für eine gesonderte Versammlung der Aktionäre gilt dies sinngemäß (§ 138 Satz 2). Im Interesse eines richtigen Abstimmungsergebnisses ist es strafbar, Bescheinigungen, die zum Nachweis des Stimmrechts in einer Versammlung dienen sollen, falsch auszustellen oder zu verfälschen. Täter kann jedermann sein. II.
Tatbestand
Strafbar ist das falsche Ausstellen oder das Verfälschen von Stimmrechtsnachweisen 2 (§ 402 Abs. 1). Eine Bescheinigung ist falsch ausgestellt, wenn sie inhaltlich unrichtig ist oder der angegebene Aussteller nicht der wahre Aussteller ist. Verfälscht wird eine Bescheinigung, wenn sie nachträglich inhaltlich geändert wird. Gleichfalls strafbar ist das Gebrauchmachen einer falschen oder verfälschten Bescheinigung (§ 402 Abs. 2). Von einer Bescheinigung wird Gebrauch gemacht, wenn sie einer anderen Person derart zugänglich gemacht wird, dass diese die Möglichkeit hat davon Kenntnis zu nehmen. Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln. Im Falle des Gebrauchmachens (§ 402 Abs. 2) 3 muss der Täter zudem in der Absicht handeln, durch den Gebrauch der Bescheinigung das Stimmrecht auszuüben. III.
Subsidiarität
Der Straftatbestand des § 402 kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Tat nicht in 4 den anderen Vorschriften über Urkundenstraftaten (§§ 267, 271 ff., 348 StGB) mit einer schwereren Strafe bedroht ist. _____________ 1)
Zur Anwendung von § 402 bei Gesellschaften mit Namensaktien im Hinblick auf die Fälschung von Eintritts- und Stimmkarten s. Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG § 402 Rz. 21 f.
§ 403 Verletzung der Berichtspflicht (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Prüfer oder als Gehilfe eines Prüfers über das Ergebnis der Prüfung falsch berichtet oder erhebliche Umstände im Bericht verschweigt. (2) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Thomas Wachter
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§ 403
Verletzung der Berichtspflicht
Literatur: Dierlamm, Verletzung der Berichtspflicht gem. § 332 HGB – eine Analyse des gesetzlichen Tatbestandes, NStZ 2000, 130.
Übersicht I. II. 1. 2.
Überblick ........................................... Objektiver Tatbestand ..................... Täter ................................................... Tathandlung ....................................... a) Prüfung ........................................
I.
1 3 3 5 5
b) Falscher oder unvollständiger Prüfungsbericht ............................ 7 III. Subjektiver Tatbestand ..................... 9 IV. Qualifizierte Verletzung der Berichtspflicht .......................... 10
Überblick
1 Das AktG sieht in verschiedenen Fällen eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch unabhängige Prüfer vor. Die Berichte der Prüfer dienen dem Schutz des Vermögens der Gesellschaft, der Aktionäre und von bestimmten Dritten. Die Erstellung unrichtiger oder unvollständiger Prüfungsberichte ist strafbar, und zwar unabhängig vom Eintritt eines Vermögensschadens.1) Bei § 403 handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. 2 § 403 ist Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB. Schadensersatzansprüche bestehen allerdings nur dann, wenn jemand auf die Richtigkeit eines Prüfungsberichts vertraut hat und aufgrund von dessen Unrichtigkeit einen Vermögensschaden erlitten hat.2) II.
Objektiver Tatbestand
1.
Täter
3 Täter können nur Prüfer oder Gehilfen eines Prüfers sein. § 403 ist ein echtes Sonderdelikt. Bei den Prüfern muss es sich nicht unbedingt um Wirtschaftsprüfer handeln. Bei Prüfungsgesellschaften gelten die jeweiligen Organmitglieder und die mit der Prüfung beauftragten Personen als Prüfer (§ 14 Abs. 1 und 2 StGB). Gehilfen des Prüfers sind alle Personen, die den Prüfer bei der Erstellung des Prüfungsberichts unmittelbar unterstützen (z. B. Prüfungsassistenten, die mit einzelnen Prüfungsaufgaben beauftragt werden, nicht aber Sekretärinnen oder Schreibkräfte). 4 Mitglieder des Vorstands, die im Zusammenhang mit der Bilanz falsche Angaben machen, können sich aber gleichwohl strafbar machen (§ 400 Abs. 1 Nr. 2 AktG; § 331 Nr. 4 HGB sowie § 331 Nr. 3a HGB zum sog. Bilanzeid). 2.
Tathandlung
a)
Prüfung
5 Die Verletzung der Berichtspflicht muss i. R. einer gesetzlich vorgesehenen Prüfung erfolgen. Dazu gehören: –
Gründungsprüfung (§§ 33, 34 Abs. 2),
–
Nachgründungsprüfung (§ 52 Abs. 3 und 4),
–
Sonderprüfung (§§ 142, 258, 315),
–
Kapitalerhöhungsprüfung (§§ 183 Abs. 3, 194 Abs. 4, 205 Abs. 3),
–
Prüfung von Unternehmensverträgen (§§ 293b ff.),
_____________ 1) 2)
Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 403 Rz. 5 vermutet, dass § 403 trotz verschiedener Bilanzskandale in der Vergangenheit (wie etwa Flowtex oder Comroad) bislang kaum praktische Bedeutung erlangt hat. OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.2.1985 – 12 U 132/82, ZIP 1985, 409, 414, dazu EWiR 1985, 291 (Medicus).
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Thomas Wachter
Verletzung der Geheimhaltungspflicht
§ 404
–
Eingliederungsprüfung (§ 320 Abs. 3),
–
Prüfung über die Angemessenheit der Barabfindung beim Ausschluss von Minderheitsaktionären (§ 327c AktG).
Nicht erfasst ist dagegen die Abschlussprüfung (§§ 316 ff. und 332 HGB) und die Prüfung 6 von Umwandlungen (siehe § 314 UmwG). Ebenfalls nicht erfasst sind freiwillige Prüfungen. b)
Falscher oder unvollständiger Prüfungsbericht
Strafbar ist es, über das Ergebnis einer Prüfung falsch zu berichten oder erhebliche Umstände 7 im Bericht zu verschweigen. Unrichtig ist ein Bericht, wenn er von den i. R. der Prüfung getroffenen Feststellungen abweicht. Unvollständig ist ein Bericht, wenn darin Umstände, die nach dem vorgesehenen Prüfungsumfang von Bedeutung sind, nicht erwähnt werden. Die Vorschrift schützt nur die Richtigkeit des Prüfungsberichts, nicht dagegen auch die 8 Richtigkeit der Prüfung selbst. Nicht strafbar ist es daher, wenn unrichtige Prüfungsfeststellungen in den Bericht aufgenommen werden.3) Umgekehrt ist es strafbar, wenn der Prüfer einen von ihm zu Unrecht festgestellten Mangel in dem Bericht nicht erwähnt. III.
Subjektiver Tatbestand
Strafbar ist nur vorsätzliches Verhalten (§ 15 StGB). Bedingter Vorsatz ist ausreichend. 9 Der Täter muss daher zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass der Prüfungsbericht falsch oder unvollständig ist. IV.
Qualifizierte Verletzung der Berichtspflicht
Im Regelfall wird die Verletzung der Berichtspflicht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren 10 oder mit Geldstrafe bestraft (§ 403 Abs. 1). Ein erweiterter Strafrahmen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren ist jedoch vorgesehen, wenn der Täter gegen Entgelt (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB) oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht handelt (§ 403 Abs. 2). _____________ 3)
OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.2.1985 – 12 U 132/82, ZIP 1985, 409, 415, dazu EWiR 1985, 291 (Medicus).
§ 404 Verletzung der Geheimhaltungspflicht (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, bei börsennotierten Gesellschaften bis zu zwei Jahren, oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als 1. Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder Abwickler, 2. Prüfer oder Gehilfe eines Prüfers bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart; im Falle der Nummer 2 jedoch nur, wenn die Tat nicht in § 333 des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist. (2) 1Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, bei börsennotierten Gesellschaften bis zu drei Jahren, oder Geldstrafe. 2Ebenso wird bestraft, wer ein Geheimnis der in Absatz 1 bezeichneten Art, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 bekanntgeworden ist, unbefugt verwertet.
Thomas Wachter
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§ 404
Verletzung der Geheimhaltungspflicht
(3) 1Die Tat wird nur auf Antrag der Gesellschaft verfolgt. 2Hat ein Mitglied des Vorstands oder ein Abwickler die Tat begangen, so ist der Aufsichtsrat, hat ein Mitglied des Aufsichtsrats die Tat begangen, so sind der Vorstand oder die Abwickler antragsberechtigt. Literatur: Kiethe/Hohmann, Der strafrechtliche Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, NStZ 2006, 185; Quick, Geheimhaltungspflicht des Abschlussprüfers: Strafrechtliche Konsequenzen bei Verletzung, BB 2004, 1490.
Übersicht I. II. 1. 2. 3.
Überblick ........................................... Objektiver Tatbestand ..................... Täter ................................................... Geheimnis der Gesellschaft .............. Tathandlung .......................................
I.
1 3 3 4 5
III. Subjektiver Tatbestand ..................... 7 IV. Qualifizierte Verletzung der Geheimhaltungspflicht .................... 8 V. Strafantrag ......................................... 9 VI. Konkurrenzen .................................. 10
Überblick
1 Die Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind vor unbefugtem Offenbaren durch die Mitglieder des Vorstands (§ 93 Abs. 1 Satz 3), des Aufsichtsrats (§ 116 Satz 2), die Abwickler (§ 268 Abs. 2 Satz 1) sowie die Prüfer und deren Gehilfen (§ 323 Abs. 1 Satz 2 HGB und §§ 49, 144, 258 Abs. 5 AktG) gesetzlich besonders geschützt. Vorsätzliche Verletzungen dieser Geheimhaltungspflicht sind strafbar. 2 § 404 ist ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschaft (aufgrund des fehlenden Antragsrechts nicht aber auch zugunsten der Aktionäre, Arbeitnehmer und der Gläubiger der Gesellschaft, siehe § 403 Abs. 3 Satz 1).1) II.
Objektiver Tatbestand
1.
Täter
3 Als Täter kommen nur Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats, Abwickler, Prüfer und deren Gehilfen in Betracht. § 404 ist ein echtes Sonderdelikt. Bei Prüfern und Gehilfen ist die Strafbarkeit nach § 333 HGB vorrangig (§ 404 Abs. 1 Halbs. 2). 2.
Geheimnis der Gesellschaft
4 Strafbar ist das unbefugte Offenbaren von Geheimnissen der Gesellschaft, namentlich von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (§ 404 Abs. 1, ebenso § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG und § 17 UWG). Geheimnisse der Gesellschaft sind grundsätzlich alle Tatsachen, die im Zusammenhang der Gesellschaft stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden sollen.2) Eine ausdrückliche Geheimhaltungserklärung ist zur Begründung eines Geheimnisses nicht erforderlich (siehe demgegenüber §§ 41 Abs. 2 Satz 1, 45 SEBG). 3.
Tathandlung
5 Strafbar ist sowohl das unbefugte Offenbaren eines Geheimnisses (§ 404 Abs. 1) als auch das unbefugte Verwerten eines Geheimnisses (§ 404 Abs. 2 Satz 2). Offenbart wird ein Geheimnis, wenn es einem Dritten, dem das Geheimnis bislang nicht bekannt war, mit_____________ 1) 2)
Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG § 400 Rz. 9. Bsp. für Unternehmensgeheimnisse finden sich bei Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 404 Rz. 28.
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Thomas Wachter
Verletzung der Geheimhaltungspflicht
§ 404
geteilt oder zugänglich gemacht wird. Verwertet wird ein Geheimnis, wenn es zum Zwecke der Gewinnerzielung genutzt wird. Unbefugt handelt der Täter, wenn die Offenbarung bzw. Verwertung des Geheimnisses 6 nicht gerechtfertigt ist. Der Täter handelt rechtmäßig, wenn das zuständige Organ der Gesellschaft (nicht nur ein einzelnes Organmitglied)3) die Offenbarung des Geheimnisses erlaubt hat. Ein rechtmäßiges Verhalten liegt auch dann vor, wenn eine gesetzliche Aussage- oder Anzeigepflicht besteht (z. B. nach § 34 StGB oder § 138 StGB).4) § 404 selbst begründet allerdings kein Zeugnisverweigerungsrecht.5) Die Weiterleitung von Geheimnissen an Arbeitnehmer oder den Betriebsrat ohne besondere Erlaubnis ist grundsätzlich unbefugt. Die Zulässigkeit der Offenbarung von Geheimnissen i. R. der due diligence eines Unternehmensverkaufs richtet sich nach einer umfassenden Güterabwägung im jeweiligen Einzelfall.6) III.
Subjektiver Tatbestand
Strafbar ist nur vorsätzliches Verhalten (§ 15 StGB). Bedingter Vorsatz ist ausreichend. IV.
7
Qualifizierte Verletzung der Geheimhaltungspflicht
Im Regelfall wird die Verletzung der Geheimhaltungspflicht mit Freiheitsstrafe bis zu 8 einem Jahr (bei börsennotierten Gesellschaften bis zu zwei Jahren, siehe § 3 Abs. 2) oder mit Geldstrafe bestraft (§ 404 Abs. 1). Ein erweiterter Strafrahmen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren (bei börsennotierten Gesellschaften bis zu drei Jahren) ist jedoch vorgesehen, wenn der Täter gegen Entgelt (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB) oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht handelt (§ 404 Abs. 2 Satz 1). V.
Strafantrag
Die Verletzung der Geheimhaltungspflicht wird nur auf Antrag der Gesellschaft verfolgt 9 (§ 404 Abs. 3 Satz 1 AktG i. V. m. §§ 77 ff. StGB). Antragsberechtigt ist grundsätzlich der Vorstand. Wurde die Tat aber von einem Mitglied des Vorstands oder einem Abwickler begangen, ist – zur Vermeidung von Interessenkollisionen – der Aufsichtsrat antragsberechtigt (§ 404 Abs. 3 Satz 2 und Rechtsgedanke von § 112). VI.
Konkurrenzen
Bei einer Strafbarkeit nach § 404 kommt Tateinheit mit einer Strafbarkeit nach § 17 UWG 10 in Betracht. Bei einer unbefugten Offenbarung von Insiderinformationen ist Tateinheit mit § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG möglich.7)
_____________ 3) 4)
5)
6) 7)
So aber Schaal in: MünchKomm-AktG, § 404 Rz. 34. Zum Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO von ausgeschiedenen Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats siehe OLG Koblenz, Beschl. v. 5.3.1987 – 6 W 38/87, ZIP 1987, 637, dazu EWiR 1987, 513 (Hommelhoff). BVerfG, Beschl. v. 1.10.1987 – 2 BvR 1165/86 (Fall Lappas/Neue Heimat), BVerfGE 76, 363 = NJW 1988, 897 (zu Fragen der Geheimhaltung im Zusammenhang mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss). Ausführlich Spindler/Stilz-Fleischer, AktG § 93 Rz. 170 f.; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 22. K. Schmidt/Lutter-Oetker, AktG, § 404 Rz. 16. A. A. Spindler/Stilz-Hefendehl, AktG, § 404 Rz. 56 (§ 38 WpHG als lex specialis zu § 404).
Thomas Wachter
1619
§ 405
Ordnungswidrigkeiten
§ 405 Ordnungswidrigkeiten (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler 1. Namensaktien ausgibt, in denen der Betrag der Teilleistung nicht angegeben ist, oder Inhaberaktien ausgibt, bevor auf sie der Ausgabebetrag voll geleistet ist, 2. Aktien oder Zwischenscheine ausgibt, bevor die Gesellschaft oder im Fall einer Kapitalerhöhung die Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals oder im Fall einer bedingten Kapitalerhöhung oder einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln der Beschluß über die bedingte Kapitalerhöhung oder die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eingetragen ist, 3. Aktien oder Zwischenscheine ausgibt, die auf einen geringeren als den nach § 8 Abs. 2 Satz 1 zulässigen Mindestnennbetrag lauten oder auf die bei einer Gesellschaft mit Stückaktien ein geringerer anteiliger Betrag des Grundkapitals als der nach § 8 Abs. 3 Satz 3 zulässige Mindestbetrag entfällt, oder 4. a) entgegen § 71 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 oder Abs. 2 eigene Aktien der Gesellschaft erwirbt oder, in Verbindung mit § 71e Abs. 1, als Pfand nimmt, b) zu veräußernde eigene Aktien (§ 71c Abs. 1 und 2) nicht anbietet oder c) die zur Vorbereitung der Beschlußfassung über die Einziehung eigener Aktien (§ 71c Abs. 3) erforderlichen Maßnahmen nicht trifft. (2) Ordnungswidrig handelt auch, wer als Aktionär oder als Vertreter eines Aktionärs die nach § 129 in das Verzeichnis aufzunehmenden Angaben nicht oder nicht richtig macht. (2a) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 67 Abs. 4 Satz 2, auch in Verbindung mit Satz 3, eine Mitteilung nicht oder nicht richtig macht. (3) Ordnungswidrig handelt ferner, wer 1. Aktien eines anderen, zu dessen Vertretung er nicht befugt ist, ohne dessen Einwilligung zur Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung benutzt, 2. zur Ausübung von Rechten in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung Aktien eines anderen benutzt, die er sich zu diesem Zweck durch Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile verschafft hat, 3. Aktien zu dem in Nummer 2 bezeichneten Zweck gegen Gewähren oder Versprechen besonderer Vorteile einem anderen überläßt, 4. Aktien eines anderen, für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 135 nicht ausüben darf, zur Ausübung des Stimmrechts benutzt, 5. Aktien, für die er oder der von ihm Vertretene das Stimmrecht nach § 20 Abs. 7, § 21 Abs. 4, §§ 71b, 71d Satz 4, § 134 Abs. 1, §§ 135, 136, 142 Abs. 1 Satz 2, § 285 Abs. 1 nicht ausüben darf, einem anderen zum Zweck der Ausübung des Stimmrechts überläßt oder solche ihm überlassene Aktien zur Ausübung des Stimmrechts benutzt, 6. besondere Vorteile als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme oder 7. besondere Vorteile als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß jemand bei einer Abstimmung in der Hauptversammlung oder in einer gesonderten Versammlung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme.
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§ 405
Ordnungswidrigkeiten (3a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig
1. entgegen § 121 Abs. 4a Satz 1, auch in Verbindung mit § 124 Abs. 1 Satz 3, die Einberufung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zuleitet oder 2. entgegen § 124a Angaben nicht, nicht richtig oder nicht vollständig zugänglich macht. (4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden. Literatur: Kort, Anwendbarkeit von § 405 AktG auf Wertpapierdarlehen?, DB 2006, 1546.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Täter .................................................... 3 I.
III. Einzelne Ordnungswidrigkeiten ..... 4 IV. Geldbuße ............................................ 9
Überblick
Die Vorschrift sanktioniert verschiedene Pflichtverletzungen als Ordnungswidrigkeit. Bei 1 § 405 handelt es sich um eine Blankettnorm, deren vollständiger Inhalt sich erst aus der Verweisung auf andere aktienrechtliche Bestimmungen ergibt. Eine Ahndung der Pflichtverletzungen ist nur dann möglich, wenn sie vorsätzlich begangen worden sind (§ 10 OWiG). § 405 Abs. 2a wurde durch das Risikobegrenzungsgesetz1) und § 405 Abs. 3a durch das 2 ARUG2) neu eingefügt. Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/2013 war die Einfügung eines neuen Ordnungswidrigkeitstatbestands vorgesehen (unerlaubte Ausgabe von Inhaberaktien).3) II.
Täter
Die in § 405 Abs. 1 geregelten Ordnungswidrigkeiten können nur von Mitgliedern des 3 Vorstands, des Aufsichtsrats oder von Abwicklern begangen werden. Als Täter der in § 405 Abs. 2 geregelten Ordnungswidrigkeiten kommen nur Aktionäre oder Vertreter eines Aktionärs in Betracht. Alle anderen Tatbestände sind Allgemeindelikte und können von Jedermann begangen werden (siehe auch § 14 OWiG). Zur Tatbegehung durch juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften siehe §§ 9 und 30 OWiG. III.
Einzelne Ordnungswidrigkeiten
§ 405 Abs. 1 Nr. 1 – 3 betreffen die Ausgabe von Aktien und Zwischenscheinen.4) § 405 4 Abs. 1 Nr. 4 sanktioniert die Verhaltenspflichten im Zusammenhang mit der Veräußerung und dem Erwerb eigener Aktien. Mit § 405 Abs. 2 soll die Richtigkeit und Vollständigkeit des Teilnehmerverzeichnisses 5 der Hauptversammlung sichergestellt werden (§ 129). § 405 Abs. 2a bezweckt die Einhaltung der Mitteilungspflichten von den im Aktien- 6 register eingetragenen Personen gegenüber der Gesellschaft (§ 67 Abs. 4 Satz 2 und 3).5) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Art. 3 des Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz), BGBl. I 2008, 2066. S. dazu BT-Drucks. 16/7438, S. 9 und S. 13 f. Art. 1 Nr. 52 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 67 f. S. Einf., Rz. 24 ff. und § 24 Rz. 5. Zum Emissionsschwindel nach § 405 Abs. 1 Nr. 2 s. BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 256/86, WM 1987, 1455. Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 405 Rz. 36 ff.
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§ 406 7 § 405 Abs. 3 gewährleistet die unverfälschte Meinungsbildung in der Hauptversammlung und in gesonderten Versammlungen. Sanktioniert wird u. a. auch der Verkauf und Kauf von Stimmen (§ 405 Abs. 3 Nr. 6 und 7). 8 § 405 Abs. 3a regelt Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Einberufung der Hauptversammlung von börsennotierten AG (§§ 121 Abs. 4a, 124a).6) IV.
Geldbuße
9 Die Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße von mindestens 5 € (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB) und höchstens 25.000 € (§ 405 Abs. 4) geahndet werden. Die Verfolgung erfolgt durch die von der jeweiligen Landesregierung bestimmte Verwaltungsbehörde (§ 36 OWiG). _____________ 6)
Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 405 Rz. 72 ff.
§ 406 (aufgehoben)
1)
_____________ 1)
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 53 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479 aufgehoben. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 68.
§ 407 Zwangsgelder (1) 1Vorstandsmitglieder oder Abwickler, die § 52 Abs. 2 Satz 2 bis 4, § 71c, § 73 Abs. 3 Satz 2, §§ 80, 90, 104 Abs. 1, § 111 Abs. 2, § 145, §§ 170, 171 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3, §§ 175, 179a Abs. 2 Satz 1 bis 3, 214 Abs. 1, § 246 Abs. 4, §§ 248a, 259 Abs. 5, § 268 Abs. 4, § 270 Abs. 1, § 273 Abs. 2, §§ 293f, 293g Abs. 1, § 312 Abs. 1, § 313 Abs. 1, § 314 Abs. 1 nicht befolgen, sind hierzu vom Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten; § 14 des Handelsgesetzbuchs bleibt unberührt. 2Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünftausend Euro nicht übersteigen. (2) Die Anmeldungen zum Handelsregister nach den §§ 36, 45, 52, 181 Abs. 1, §§ 184, 188, 195, 210, 223, 237 Abs. 4, §§ 274, 294 Abs. 1, § 319 Abs. 3 werden durch Festsetzung von Zwangsgeld nicht erzwungen. Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Durchsetzung mittels Zwangsgeld ....................................... 5 I.
1. Betroffene Personen ........................... 5 2. Durchsetzbare Handlungen ............... 6 III. Zwangsgeld ........................................ 8
Überblick
1 Mitglieder des Vorstands und Abwickler, die bestimmten gesetzlichen Pflichten (z. B. Auslegungs-, Berichts- und Vorlagepflichten) nicht nachkommen, können dazu vom Registergericht mittels Zwangsgeld angehalten werden (§ 407 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1).
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§ 407
Zwangsgelder
Die allgemeine Möglichkeit, die Pflicht zur Anmeldung oder zur Einreichung von Dokumen- 2 ten zum Handelsregister, durch die Festsetzung von Zwangsgeld sicherzustellen bleibt davon unberührt (§ 14 HGB i. V. m. § 407 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AktG). Davon ausgenommen werden allerdings einzelne aktienrechtliche Anmeldungen, bei denen die Eintragung im Handelsregister Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Die Durchsetzung der Anmeldungspflicht mittels Zwangsgeld erscheint in diesen Fällen entbehrlich (§ 407 Abs. 2). Eine vergleichbare Vorschrift im Zusammenhang mit Umwandlungen findet sich in § 316 3 UmwG. Die Vorschrift wurde zuletzt durch das ARUG1) geändert. II.
Durchsetzung mittels Zwangsgeld
1.
Betroffene Personen
4
Die Vorschrift richtet sich an die Mitglieder des Vorstands und die Abwickler, nicht 5 dagegen auch an die Gesellschaft selbst2), Mitglieder des Aufsichtsrats (Ausnahme: § 105 Abs. 2) oder an andere Personen. Zwangsgelder können dementsprechend auch nur gegen die jeweils zuständigen Mitglieder des Vorstands oder Abwickler festgesetzt werden. Falls für eine gesetzlich vorgesehene Handlung die Mitwirkung mehrerer Personen notwendig ist, kann gegen jede von ihnen ein Zwangsgeldverfahren eingeleitet werden. 2.
Durchsetzbare Handlungen
Ein Zwangsgeld kann nur zur Durchsetzung der gesetzlich vorgesehenen Pflichten (z. B. 6 Auslegungs-, Berichts- und Vorlagepflichten) verhängt werden. Die einzelnen Pflichten sind im Gesetz abschließend3) aufgeführt (§ 407 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1). Grundsätzlich können auch Anmelde- und Einreichungspflichten zum Handelsregister 7 durch Zwangsgeld durchgesetzt werden (§ 407 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AktG i. V. m. § 14 HGB). Dies gilt jedoch nicht, für die im AktG ausdrücklich ausgenommenen Anmeldepflichten (§ 407 Abs. 2). In diesen Fällen ist eine Durchsetzung mittels Zwangsgeld entbehrlich, da die entsprechenden Rechtsänderungen ohne die Eintragung im Handelsregister nicht wirksam werden.4) Hinsichtlich aller anderen (in § 407 Abs. 2 nicht aufgeführten) Anmeldeverpflichtungen (z. B. nach §§ 81, 201, 298 AktG oder §§ 13 ff. HGB) verbleibt es dagegen bei der Möglichkeit der Durchsetzung mittels Zwangsgeld (§ 14 HGB). III.
Zwangsgeld
Das Zwangsgeld beträgt mindestens 5 € (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB) und höchstens 8 5.000 € (§ 407 Abs. 1 Satz 2). Ein Zwangsgeld kann wegen einer Pflichtverletzung auch mehrfach verhängt werden. Allerdings darf der Höchstbetrag bei einer Pflichtverletzung insgesamt nicht überschritten werden. Auf Verschulden kommt es nicht an, weil das Zwangsgeld eine Beugemaßnahme (und keine Strafe) ist. Für die Festsetzung des Zwangsgeldes ist das Registergericht am Sitz der Gesellschaft zu- 9 ständig (§§ 388 ff. FamFG i. V. m. §§ 3 Nr. 2 lit. d, 17 RPflG). Das Gericht wird von Amts wegen tätig; ein Antrag ist nicht erforderlich. _____________ 1) 2) 3) 4)
Art. 1 Nr. 54 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 68. S. a. BayObLG, Beschl. v. 26.1.2000 – 3 Z BR 410/99, BayObLGZ 2000, 11 = ZIP 2000, 668, dazu EWiR 2000, 545 (Luttermann) – zu § 21 Nr. 1 PublG. Hüffer, AktG, § 407 Rz. 1 und 4. Hüffer, AktG, § 407 Rz. 10.
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§ 408
Strafbarkeit persönlich haftender Gesellschafter
§ 408 Strafbarkeit persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien 1
Die §§ 399 bis 407 gelten sinngemäß für die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Soweit sie Vorstandsmitglieder betreffen, gelten sie bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien für die persönlich haftenden Gesellschafter.
2
1 Die Vorschrift stellt klar, dass die Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 399 – 407) auch für die KGaA (§§ 278 ff.) Anwendung finden (§ 408 Satz 1). Die Verweisung bezieht sich – entgegen der amtlichen Gesetzesüberschrift – nicht nur auf die Strafbarkeit, sondern auch auf die Ordnungswidrigkeiten (§ 405) und das Zwangsgeld (§ 407). 2 Die KGaA kennt keinen Vorstand (§§ 76 ff.). An Stelle des Vorstands tritt der persönlich haftende Gesellschafter (§ 278 Abs. 1 und §§ 282 f.). Die persönlich haftenden Gesellschafter werden in Bezug auf die Straf- und Bußgeldvorschriften den Mitgliedern des Vorstands gleichgestellt (§ 408 Satz 2). Zu juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften als persönlich haftende Gesellschafter siehe § 14 Abs. 1 StGB und § 9 Abs. 1 OWiG.
§ 409 Geltung in Berlin Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes. (gegenstandslos)
§ 410 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1966 in Kraft.
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Aktiengesetz (AktG) vom 6. September 1965, BGBl. I, 1089 zuletzt geändert durch Artikel 26 des Gesetzes vom 23. Juli 2013, BGBl. I, 2586 Erstes Buch Aktiengesellschaft Erster Teil Allgemeine Vorschriften §1 Wesen der Aktiengesellschaft Alexander Franz
(1) 1Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. 2 Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen. (2) Die Aktiengesellschaft hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital. Literatur: Dauner-Lieb, Die Existenzvernichtungshaftung als deliktische Innenhaftung gemäß § 826 BGB, ZGR 2008, 34; Goette, VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009, 2010, S. 24; Kölbl, Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs: gesicherte Erkenntnisse und Entwicklungen seit Trihotel, BB 2009, 1194; Leipold, Kommt das Unternehmensstrafrecht, NJWSpezial 2013, 696; Rubner, Liquidationsgesellschaft und Gesellschafterhaftung – zugleich Besprechung des BGH-Urteils vom 9.2.2009, II ZR 292/07, „Sanitary“, DStR 2009, 1538; Rubner, „Solvat socius“ statt „caveat creditor“? Zur Haftung des GmbH-Gesellschafters wegen sog. existenzvernichtenden Eingriffs, 2005; Weller, Die Neuausrichtung der Existenzvernichtungshaftung durch den BGH und ihre Implikationen für die Praxis, ZIP 2007, 1681; Wessing, Gesetzentwurf zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts, DB 2013, 1.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Typologische Einordnung der AG ................................................ 2 III. Eigene Rechtspersönlichkeit ........... 5 1. Beginn der Rechtspersönlichkeit ....... 6 2. Vorgründungsgesellschaft, Vorgesellschaft ................................... 7 3. Fähigkeiten als juristische Person ..... 8 4. Ende der Rechtspersönlichkeit ........ 17 IV. Beschränkung der Haftung ............ 18 V. Durchgriffshaftung ......................... 21
1. Unterkapitalisierung ........................ 2. Vermögensvermischung ................... 3. Existenzvernichtender Eingriff ....... 4. Bedeutung für die AG ...................... VI. Grundkapital ................................... 1. Begriff, Funktionen, Abgrenzung ... 2. Prinzip der Kapitalaufbringung ....... 3. Prinzip der Kapitalerhaltung ........... VII. Zerlegung in Aktien ..................... 1. Bedeutung der Aktie ........................ 2. Zerlegung ..........................................
Alexander Franz
22 23 24 26 27 27 28 29 30 30 31
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§1 I.
Wesen der Aktiengesellschaft Bedeutung der Norm
1 § 1 nennt folgende Wesensmerkmale der AG: Gesellschaft, eigene Rechtspersönlichkeit, (grundsätzliche) Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 1 Abs. 1) sowie Existenz eines in Aktien zerlegten Grundkapitals (§ 1 Abs. 2). Zum Wesen der AG zählt darüber hinaus das in § 3 Abs. 1 normierte Merkmal der Kaufmannseigenschaft (siehe § 3 Rz. 1, 3).1) II.
Typologische Einordnung der AG
2 Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 als Gesellschaft bezeichnete AG hat insbesondere korporativen Charakter und ist als Körperschaft typologisch dem Verein i. S. der §§ 21 ff. BGB zuzuordnen.2) Diese Zuordnung folgt primär aus ihrer dem Verein ähnlichen Organisationsstruktur mit Satzung (§§ 2, 23), Vorstand (§§ 76 ff.), Aufsichtsrat (§§ 95 ff.), Hauptversammlung (§§ 118 ff.), festgelegten Kompetenzen der Organe sowie mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten der Aktionäre. Die vereinsrechtlichen Vorschriften der § 31 BGB (Haftungszuweisung von schädigenden Handlungen der Organe), § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB (Zustimmung aller Gesellschafter zur Änderung des Gesellschaftszwecks; umstritten) und § 35 BGB (Unentziehbarkeit von Sonderrechten) sind mangels spezieller Regelungen im AktG ergänzend auf die AG anzuwenden.3) 3 Gleichzeitig ist die AG aber auch Gesellschaft, deren Gründung durch mehrere Personen einen notariell zu beurkundenden Gesellschaftsvertrag sowie die Erfüllung der Kriterien in § 705 BGB, §§ 2, 23 und 41 AktG, bzw. im Fall der Einmanngründung eine ebenfalls notariell zu beurkundende einseitige Gründungserklärung (anstelle des Gesellschaftsvertrages) sowie die Erfüllung der Kriterien in §§ 2 (verdrängt § 705 BGB), 23 und 41 AktG voraussetzt.4) Zu den Themen Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck vgl. die Ausführungen unter § 3 Rz. 4. 4 Eine AG entsteht entweder durch Neugründung (Bar- und/oder Sachgründung), in der Praxis häufig im Wege der Umwandlung5) (insbesondere durch: Formwechsel, §§ 190 ff. UmwG; aber auch durch: Verschmelzung zur Neugründung, §§ 36 ff. UmwG; Spaltung zur Neugründung, §§ 135 ff. UmwG; Ausgliederung zur Neugründung, §§ 158 ff. UmwG).6) III.
Eigene Rechtspersönlichkeit
5 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 hat die AG eigene Rechtspersönlichkeit und ist somit juristische Person.7) 1.
Beginn der Rechtspersönlichkeit
6 Die AG erwirbt die Rechtspersönlichkeit erst mit Eintragung in das Handelsregister, § 41 Abs. 1 Satz 1. Vor Eintragung besteht eine juristische Person nicht (siehe auch § 41 Rz. 1).8) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
18
Hüffer, AktG, § 1 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 2; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 I. 1., S. 755. Näher hierzu K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 3; Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 11. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 3. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 3 Rz. 1. Ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 27 I., S. 783 f. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 I. 2., S. 755. Hüffer, AktG, § 41 Rz. 1.
Alexander Franz
§1
Wesen der Aktiengesellschaft 2.
Vorgründungsgesellschaft, Vorgesellschaft
Bei einer Mehrpersonengründung existiert die Gesellschaft vor dem Zeitpunkt ihrer 7 Gründung durch notarielle Satzung als sog. Vorgründungsgesellschaft in Form einer GbR bzw. OHG und ab diesem Zeitpunkt (statutarische Gründung) bis zur Registereintragung als sog. Vor-AG in Form einer Gesellschaft eigener Art mit Gesamthandsstruktur.9) Bei einer Einmanngründung soll es sich ab statutarischer Gründung bis zur Registereintragung entweder um eine am Vorbild der Vor-AG orientierten teilrechtsfähigen Wirkungseinheit oder um ein Sondervermögen des Alleingründers handeln.10) In beiden Fällen dieser sog. Vorgesellschaft (Mehrpersonen- und Einmanngründung) gehen mit Eintragung in das Handelsregister die seit statutarischer Gründung entstandenen Rechte und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ipso iure auf die AG als juristische Person über (siehe auch § 41 Rz. 16).11) Eine Gesamtrechtsnachfolge ipso iure von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft bzw. auf die juristische Person findet hingegen nicht statt, so dass die Übertragung etwaiger Vermögensgegenstände mit oder im Anschluss an die statutarische Gründung im Wege der vertraglich zu regelnden Einzelrechtsnachfolge (sog. Asset Deal12); siehe auch § 41 Rz. 6) oder der ebenfalls vertraglich zu regelnden (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge nach den Vorschriften des UmwG13) erfolgen muss. 3.
Fähigkeiten als juristische Person
Als juristische Person ist die AG selbst Trägerin von Rechten und Pflichten und kann 8 somit am Rechtsverkehr ähnlich einer natürlichen Person teilnehmen. Erst durch ihre Organe wird die AG handlungsfähig. –
Zivilrechtlich kann die AG Trägerin sämtlicher vermögensrechtlicher Rechte und 9 Pflichten, Eigentümerin, Vertragspartnerin, Gläubigerin und Schuldnerin sein, ist u. a. konto-, grundbuch-, beteiligungsfähig (d. h. sie kann Gesellschafterin anderer Gesellschaften sein), und auch besitzfähig, soweit der Vorstand die Voraussetzungen des § 854 BGB oder einer anderen Besitzform (z. B. § 868 BGB) erfüllt.14)
–
Die AG kann zwar weder Urheber noch Erfinder schöpferischer Ideen sein, sie kann 10 aber z. B. Patente anmelden und somit Inhaber derartiger Schutzrechte werden, sich das ausschließliche Nutzungsrecht an Urheberrechten einräumen lassen (§ 31 UrhG) und Diensterfindungen ihrer Arbeitnehmer in Anspruch nehmen (§§ 6 ff. ArbEG).15)
–
Ob der AG Persönlichkeitsrechte zustehen, ist umstritten, wird aber vom BGH 11 befürwortet, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen ist.16)
_____________ 9) Hüffer, AktG, § 41 Rz. 2 ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 10 ff. 10) Zum Meinungsstand: Hüffer, AktG, § 41, Rz. 17a ff.; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 76 ff. 11) Hüffer, AktG, § 41 Rz. 16, 17g; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 IV. 4., S. 306 f., § 27 II. 3. d), S. 790. 12) Pentz in: MünchKomm-AktG, § 41 Rz. 17. 13) Die Vor-AG als aufnehmender Rechtsträger ist als Gesellschaft sui generis noch nicht umwandlungsfähig, kann zwar bereits den jeweiligen Umwandlungs-Vertrag (z. B. Verschmelzungsvertrag) abschließen, Zustimmungsbeschlüsse fassen lassen und die Anmeldung zum Handelsregister durchführen, muss allerdings vor Eintragung des umwandlungsrechtlichen Vorgangs in das Handelsregister durch ihre eigene Handelsregistereintragung entstanden sein; vgl. hierzu Henssler/Strohn-Heidinger, GesR, § 3 UmwG Rz. 13; Lutter-Lutter/Drygala, UmwG, § 3 Rz. 5. 14) Hüffer, AktG, § 1 Rz. 5 ff. 15) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 1 Rz. 18. 16) BGH, Urt. v. 3.6.1986 – VI ZR 102/85, ZIP 1986, 1145, 1146 f.; Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 20 ff.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 1 Rz. 16.
Alexander Franz
19
§1
Wesen der Aktiengesellschaft
12 –
Zivilprozessrechtlich ist die AG aktiv und passiv parteifähig i. S. von § 50 ZPO.17) Umstritten ist, ob sie auch prozessfähig i. S. von § 51 ZPO ist.18)
13 –
Steuerrechtlich ist die AG mit inländischem Register- und/oder Verwaltungssitz grundsätzlich körperschafts- sowie gewerbesteuerpflichtig und im Gegensatz zu Personengesellschaften steuerlich nicht transparent.19)
14 –
Öffentlich-rechtlich unterliegt die AG den gleichen bau-, umwelt- und gewerberechtlichen Vorschriften wie natürliche Personen; Grundrechte gelten gemäß Art. 19 Abs. 3 GG, wenn und soweit diese ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind.20)
15 –
Strafrechtlich kann die AG als juristische Person mangels Handlungs- und Schuldfähigkeit nicht selbst zur Verantwortung gezogen werden und wird auch nicht für strafrechtlich relevantes Handeln ihrer Organmitglieder verantwortlich gemacht.21) Ein straftatbestandliches oder ordnungswidriges Verhalten der Organe wirkt sich allerdings insofern auf die AG aus, als dass auch gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden kann, vgl. § 30 OWiG, § 401 AO.22)
16 –
Die Insolvenzfähigkeit der AG folgt aus §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 InsO.23)
4.
Ende der Rechtspersönlichkeit
17 Wann die Rechtspersönlichkeit der AG endet, ist umstritten. Nach Meinung des BGH24) endet diese ipso iure im Zeitpunkt der Vermögenslosigkeit, nach a. A.25) mit Löschung im Handelsregister. Die vermittelnde Auffassung26) kombiniert die beiden zuvor genannten Positionen und nimmt ein Ende der Rechtspersönlichkeit mit Eintritt der Vermögenslosigkeit und der Löschung als Doppeltatbestand an, da die Rechtspersönlichkeit auch nach Löschung erhalten bleiben muss, wenn und solange noch verteilungsfähiges Vermögen der AG vorhanden ist.27) Der am 1.1.1999 für die GmbH eingeführte § 66 Abs. 5 GmbHG spricht insgesamt auch auf Ebene der AG für die Theorie des Doppeltatbestandes.28) IV.
Beschränkung der Haftung
18 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 haftet den Gläubigern für die Verbindlichkeiten der AG (grundsätzlich) nur das Gesellschaftsvermögen. Hiermit wird das für Kapitalgesellschaften charakteristische Trennungsprinzip beschrieben. Aus dem Trennungsprinzip folgt, dass nur _____________ 17) Hüffer, AktG, § 1 Rz. 7. 18) Die Prozessfähigkeit befürworten Hüffer, AktG, § 1 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 8; Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 26; jeweils m. w. N. zum Meinungsstand; a. A. Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann-Hartmann, ZPO, § 52 Rz. 4. 19) Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 30; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 1 Rz. 24. 20) Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 27; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 10; jeweils m. w. N. 21) Vgl. aber zur Gesetzesinitiative von NRW zu einem Unternehmensstrafrecht Wessing, DB 2013, 1; Leipold, NJW-Spezial 2013, 696. 22) Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 28 f.; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 9; jeweils m. w. N. 23) Hüffer, AktG, § 1 Rz. 7. 24) BGH, Urt. v. 29.9.1981 – VI ZR 21/80, NJW 1982, 238. 25) Heider in: MünchKomm-AktG, § 1 Rz. 27; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, Anh. § 60 Rz. 37. 26) BayObLG, Beschl. v. 7.1.1998 – 3Z BR 491/97, ZIP 1998, 421 f.; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.9.1998 – 20 U 21/98, AG 1999, 280, 281 = ZIP 1998, 1880; Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 32; K. Schmidt/ Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 5; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 1 Rz. 9. 27) K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 5 m. w. N. 28) So auch Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 32.
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Wesen der Aktiengesellschaft
die AG selbst Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten ist, die Rechtssphären der AG und ihrer Organmitglieder folglich getrennt sind.29) Dieser Grundsatz gilt nicht zulasten der Gläubiger einer eingegliederten Gesellschaft 19 i. S. von §§ 319 ff., da diesen gemäß § 322 neben der eingegliederten Gesellschaft selbst auch die Hauptgesellschaft als Aktionärin haftet. Ebenso wenig gilt dieser Grundsatz in anderen Fällen von unmittelbar den Aktionär persönlich treffenden vertraglich oder gesetzlich begründeten Haftungstatbeständen, z. B. im Falle der sog. harten Patronatserklärung, der allgemeinen Schutzpflichthaftung gemäß § 311 Abs. 2 und 3 BGB sowie der deliktischen Haftung nach §§ 823 ff. BGB.30) Einen direkten Zugriff der Gläubiger auf die Aktionäre oder sonstige Organmitglieder 20 lassen darüber hinaus ausnahmsweise folgende Vorschriften zu: § 62 Abs. 2 Satz 1 (subsidiäre Haftung der Aktionäre), § 93 Abs. 5 Satz 1 (ggf. i. V. m. § 116) (subsidiäre Haftung von Vorstand bzw. Aufsichtsrat), § 117 Abs. 5 (subsidiäre Haftung des „Beeinflussenden“), § 309 Abs. 4 Satz 3 (subsidiäre Haftung des gesetzlichen Vertreters im Vertragskonzern), § 317 (subsidiäre Haftung des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter im faktischen Konzern).31) Es handelt sich hierbei nicht um Ausnahmen von dem in § 1 Abs. 1 Satz 2 verankerten Trennungsprinzip, sondern lediglich um Lockerungen in Form einer ausnahmsweise zugelassenen subsidiären Haftung, die immer nur dann eingreift, wenn und soweit die Gläubiger von der AG selbst keine Befriedigung erlangen können.32) V.
Durchgriffshaftung
Eine echte Ausnahme vom Trennungsprinzip stellt hingegen die sog. Durchgriffshaftung 21 dar, die im anglo-amerikanischen Rechtskreis unter dem Rechtsinstitut piercing the corporate veil diskutiert wird.33) Die Durchgriffslehre möchte Missbrauchsfällen mit der ausnahmsweise zulässigen direkten Haftung der Aktionäre gegenüber den Gläubigern der AG begegnen und wird primär im Bereich der GmbH diskutiert.34) Praktisch bedeutsam werden die folgenden Ausführungen allerdings regelmäßig erst bei Insolvenz der AG, da zuvor kein Anlass für die Gläubiger besteht, die schwierigere Inanspruchnahme der Aktionäre einer solchen der AG vorzuziehen.35) Im Laufe der Zeit haben sich im Wesentlichen folgende Fallgruppen herausgebildet36): 1.
Unterkapitalisierung
Statten die Gesellschafter die Gesellschaft mit völlig unzureichenden Mitteln aus, so dass 22 das Eigenkapital nicht ausreicht, um den nach Art und Umfang der angestrebten oder tatsächlichen Geschäftstätigkeit bestehenden und nicht durch Kredite Dritter zu deckenden Finanzbedarf zu befriedigen, so liegt ein Fall der offenen Unterkapitalisierung vor, der eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter rechtfertigen soll.37) Der BGH tendiert _____________ 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37)
Hüffer, AktG, § 1 Rz. 4, 15. Vgl. hierzu ausführlich Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 87 ff. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 12. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 9. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 15; zum anglo-amerkinaischen piercing the corporate veil: Henssler/Strohn-Servatius, GesR, IntGesR Rz. 110; Spahlinger/Wegen, IntGesR, Rz. 1342. Lutter/Hommelhoff-Lutter, GmbHG, § 13 Rz. 11 ff.; Bork/Schäfer-Weller, GmbHG, § 13 Rz. 34 ff. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 14. Vgl. zur ausführlichen und vollständigen Darstellung der Fallgruppen Hölters-Solveen, AktG, § 1 Rz. 10 ff.; Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 93 ff. Hachenburg-Ulmer, GmbHG, Anh. § 30 Rz. 55; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 16.
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Wesen der Aktiengesellschaft
dazu, diese Fallgruppe nicht über die Durchgriffshaftung, sondern allein über eine Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft gemäß § 826 BGB zu lösen, die nur seitens der Geschäftsleitung bzw. des Insolvenzverwalters im Namen der Gesellschaft, nicht aber seitens der Gläubiger selbst geltend gemacht werden kann.38) Die Gläubiger der Gesellschaft müssen infolge dessen zunächst einen Titel gegen die (vermögenslose) Gesellschaft erstreiten, um anschließend auf Basis eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Forderung der Gesellschaft aus § 826 BGB direkt bei den Gesellschaftern einziehen zu können. 2.
Vermögensvermischung
23 Ein Fall der Vermögensvermischung liegt vor, wenn infolge undurchsichtiger Buchführung oder auf andere Weise das Trennungsprinzip missachtet wurde und so eine Abgrenzung von Privat- und Gesellschaftsvermögen verschleiert wird.39) Rechtsfolge ist eine akzessorische Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber deren Gläubigern analog § 128 HGB.40) Der BGH stellt bei der GmbH hohe Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Fallgruppe und fordert hierfür, dass die vom Gesetz normierte Kapitalerhaltung durch Verschleierungstaktiken der Gesellschafter unkontrollierbar wird.41) Nach a. A. ist die Vermögensvermischung zumindest bei der AG keine Fallgruppe der Durchgriffshaftung.42) Zuletzt genannte Ansicht erscheint im Hinblick auf eventuell entstehende Schutzlücken bedenklich. 3.
Existenzvernichtender Eingriff
24 Die Fallgruppe des existenzvernichtenden Eingriffs ist die in der Praxis wichtigste. Nach jüngerer Rechtsprechung des BGH handelt es sich hierbei allerdings nicht (mehr) um einen Fall der Durchgriffshaftung, sondern ebenfalls um eine auf § 826 BGB gestützte Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft.43) Der BGH versteht unter der sog. Existenzvernichtungshaftung die durch Schutzlücken im Haftungssystem der Kapitalerhaltungsvorschriften gerechtfertigte Missbrauchshaftung der Gesellschafter, die durch Eingriffe des jeweiligen Gesellschafters in das dem Gläubigerschutz zur Verfügung stehenden Gesellschaftsvermögen ausgelöst werden soll, sofern diese Eingriffe –
die Insolvenz der Gesellschaft bewirken oder vertiefen,
–
als sittenwidrig zu qualifizieren sind, und
–
bei der Gesellschaft zu einem vorsätzlich verursachten Schaden führen.44)
25 Mit Urteil vom 16.7.2007 stellte der BGH die Existenzvernichtungshaftung in endgültiger Abkehr von früheren Konzepten auf die deliktische Grundlage des § 826 BGB (Tri_____________ 38) BGH, Urt. v. 24.8.2008 – II ZR 264/06 (Gamma), ZIP 2008, 1232, 1234 ff. 39) BGH, Urt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, ZIP 2006, 467, 469 f.; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 17. 40) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), ZIP 2007, 1552, 1556; Bork/Schäfer-Weller, GmbHG, § 13 Rz. 32. 41) BGH, Urt. v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, ZIP 1994, 867 f.; BGH, Beschl. v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308, 310. 42) Hüffer, AktG, § 1 Rz. 20. 43) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), ZIP 2007, 1552, 1557 ff.; hierzu Weller, ZIP 2007, 1681 ff.; BGH, Beschl. v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308 ff.; BGH, Urt. v. 9.2.2009 – II ZR 292/07 (Sanitary), ZIP 2009, 802 ff.; insgesamt zum Thema Kölbl, BB 2009, 1194 ff.; Rubner, DStR 2009, 1538 ff. 44) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), ZIP 2007, 1552, 1555 ff.; ausführlich zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen Bork/Schäfer-Weller, GmbHG, § 13 Rz. 42 ff.
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Wesen der Aktiengesellschaft
hotel).45) Die Trihotel-Entscheidung wurde zuletzt durch Urteil vom 9.2.2009 (Sanitary) bestätigt.46) In der Sanitary-Entscheidung hat der BGH bei einer GmbH in Liquidation das Rechtsinstitut der Existenzvernichtungshaftung aufgrund Missachtung der Liquidationsvorschriften angewendet und auf die Voraussetzung der Insolvenzverursachung oder -vertiefung sogar gänzlich verzichtet.47) 4.
Bedeutung für die AG
Die Übertragung dieser für die GmbH entwickelten Grundsätze auf die AG ist um- 26 stritten und bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Der praktische Mehrwert des existenzvernichtenden Eingriffs und der damit verbundenen Haftung gemäß § 826 BGB wird in der aktienrechtlichen Literatur teilweise als gering eingestuft, da der ebenfalls als deliktische Innenhaftung ausgestaltete § 117 im Jahre 1937 eingeführt wurde, um die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf § 826 BGB zu vermeiden.48) Dennoch sind die vom BGH zu diesem Rechtsinstitut für die GmbH angestellten Erwägungen vorbehaltlos auf die AG übertragbar.49) So wird das Rechtsinstitut des existenzvernichtenden Eingriffs in der gesamten aktienrechtlichen Kommentarliteratur teilweise recht ausführlich diskutiert50) und sollte bereits aus rechtssystematischen Gründen nicht auf die GmbH beschränkt, sondern als ein auf § 826 BGB gestützter allgemeiner Grundsatz im Kapitalgesellschaftsrecht verstanden werden.51) VI.
Grundkapital
1.
Begriff, Funktionen, Abgrenzung
Der Betrag des Grundkapitals ist in Euro auszuweisen, darf einen Betrag von mindestens 27 50.000 € nicht unterschreiten (§ 7), bildet einen notwendigen Satzungsbestandteil (§ 23 Abs. 3 Nr. 3) und ist auf der Passivseite der Bilanz als Teil des Eigenkapitals (Gezeichnetes Kapital) auszuweisen (§ 266 Abs. 3 A. I. HGB).52) Das Grundkapital dient primär dem Ausgleich für die in § 1 Abs. 1 Satz 2 normierte Beschränkung der Gesellschafterhaftung auf das Gesellschaftsvermögen; allerdings sollte diese Kompensationswirkung bei einem tatsächlichen Grundkapital von lediglich 50.000 € nicht überschätzt werden.53) Neben dem Gläubigerschutz hat das Grundkapital u. a. folgende Funktionen: Ordnungspolitische Seriositätsschwelle, Finanzierungsinstrument (Eigenkapital) und Warnfunktion (da bei hälftigem Verlust die Hauptversammlung einzuberufen ist, vgl. § 92).54) Vom Grundkapital streng zu trennen ist das Gesellschaftsvermögen als solches (Reinvermögen der AG nach Abzug der Verbindlichkeiten).55) Anders als das Grundkapital sind die _____________ 45) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04 (Trihotel), ZIP 2007, 1552, 1555 ff.; hierzu Weller, ZIP 2007, 1681 ff. 46) BGH, Urt. v. 9.2.2009 – II ZR 292/07 (Sanitary), ZIP 2009, 802 ff.; hierzu Kölbl, BB 2009, 1194 ff.; Rubner, DStR 2009, 1538 ff. 47) BGH, Urt. v. 9.2.2009 – II ZR 292/07 (Sanitary), ZIP 2009, 802, 806; hierzu Goette in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2009, S. 24 f. 48) Hüffer, AktG, § 1 Rz. 26a. 49) So zu Recht Kölbl, BB 2009, 1194, 1200. 50) S. nur bei Hüffer, AktG, § 1 Rz. 22 ff.; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 18; Spindler/StilzFock, AktG, § 1 Rz. 62 ff.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 1 Rz. 56 f. 51) So auch Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 64; i. E. auch Heider in: MünchKomm-AktG, § 1 Rz. 85. 52) K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 IV. 1. a), S. 775 f. 53) Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 83. 54) K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 24. 55) Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 85.
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verschiedenen Vermögensgruppen des Gesellschaftsvermögens, soweit diese ansatzfähig sind, als Aktivposten zu bilanzieren.56) 2.
Prinzip der Kapitalaufbringung
28 Nach dem Prinzip der Kapitalaufbringung muss ein der Grundkapitalziffer in der Satzung entsprechender Vermögenswert (Bar- und/oder Sachwert) tatsächlich durch die Aktionäre aufgebracht werden.57) Dieses Prinzip hat folgende Facetten: Verbot der Stufengründung (§§ 2, 29) sowie der Unterpariemmission (§ 9 Abs. 1), Satzungspublizität von Sondervorteilen und Gründungsaufwand, die für Sacheinlagen und –übernahmen strengeren Sonderregelungen (§§ 26, 27), die Gründungsprüfung (§§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, § 34), Vorschriften über die Einlagenleistung (§ 36 Abs. 2 i. V. m. §§ 54 Abs. 3, 36a), gerichtliche Prüfung des Gründungsvorgangs (insb. § 38 Abs. 2 Satz 2), die Regelungen der Gründerhaftung (§§ 46 ff.) und das Nachgründungserfordernis (§ 52).58) 3.
Prinzip der Kapitalerhaltung
29 Die Schutzfunktion zugunsten der Gläubiger einer AG kann das Grundkapital nur dann erfüllen, wenn das der statutarischen Grundkapitalziffer entsprechende Vermögen im Wert dauerhaft erhalten bleibt und nicht an die Aktionäre ausgeschüttet wird.59) Dieses Prinzip der Kapitalerhaltung hat folgende Facetten: Das Verbot jeglicher Leistungen an die Aktionäre außerhalb der Dividendenausschüttung (Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 57 Abs. 1 und 2), das in §§ 71 bis 71e normierte grundsätzliche Verbot, eigene Aktien zu erwerben (sonst: Zahlung des Kaufpreises = verdeckte Einlagenrückgewähr), und das Verbot, vor Auflösung der AG eine Dividende auszuschütten, die höher als der Bilanzgewinn ist (§ 57 Abs. 3).60) Klarzustellen ist: Die dem Grundkapital zugewiesenen Bar- bzw. Sacheinlagen sind nur wertmäßig (= rechnerisch), nicht hingegen gegenständlich zu erhalten (Grundkapital als Finanzierungsinstrument).61) VII. Zerlegung in Aktien 1.
Bedeutung der Aktie
30 Der Begriff Aktie beschreibt die Gesamtheit der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten eines Aktionärs, das Objekt des Rechtsverkehrs (ggf. das sie verbriefende Wertpapier) und die Beteiligungsquote des einzelnen Aktionärs.62) In § 1 Abs. 2 beschreibt der Begriff die Beteiligungsquote.63) Die Höhe des Grundkapitals entspricht bei Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 1, 2) der Summe der Nennbeträge und bei Stückaktien (§ 8 Abs. 1, 3) der Summe der Ausgabebeträge aller Aktien; bei Nennbetragsaktien ist der Nennbetrag zu nennen, bei Stückaktien lediglich die Anzahl aller Aktien (Beispiel für Nennbetragsaktie: Eine Aktie über 50 €; Beispiel für Stückaktie: Eine von fünf Aktien).64) Die Beteiligungsquote ist bei Nennbetragsaktien gleich dem Quotienten aus der Summe der _____________ 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62) 63) 64)
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Hüffer, AktG, § 1 Rz. 10. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 11. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 27. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 12. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 28. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 29 II. 2. b), S. 891 f. Hüffer, AktG, § 1 Rz. 13. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 27. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 30.
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Gründerzahl
Nennbeträge aller Aktien eines Aktionärs und der Grundkapitalziffer (die einzelnen Nennbetragsaktien können je nach Höhe des Nennbetrags unterschiedliche Anteile am Grundkapital ausmachen) und bei Stückaktien gleich dem Quotienten aus der gesamten Anzahl der Aktien eines Aktionärs und der gesamten Anzahl aller ausgegebenen Aktien (jede Aktie macht einen gleichwertigen Anteil am Grundkapital aus).65) 2.
Zerlegung
§ 1 Abs. 2 fordert die Aufteilung (Zerlegung) des Grundkapitals in grundsätzlich mehr 31 als eine, d. h. mindestens zwei Aktien, deren Gesamtzahl in der Satzung anzugeben ist (§ 23 Abs. 3 Nr. 4). Die Auffassung, am Plural „Aktien“ auch für die Einpersonen-AG (siehe hierzu § 2 Rz. 4) festzuhalten, ist abzulehnen, so dass bei der EinpersonenGründung die „Zerlegung“ in eine Aktie ausreicht.66) _____________ 65) Hüffer, AktG, § 1 Rz. 13. 66) So auch Hüffer, AktG, § 1 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 1 Rz. 29; Spindler/Stilz-Fock, AktG, § 1 Rz. 102; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 1 Rz. 29; a. A. wohl nur Heider in: MünchKomm-AktG, § 1 Rz. 97, der auch bei der Einpersonen-AG die Zerlegung in mindestens zwei Aktien fordert.
§2 Gründerzahl An der Feststellung des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) müssen sich eine oder mehrere Personen beteiligen, welche die Aktien gegen Einlagen übernehmen. Literatur: Buck, Der Erwerb von Geschäftsanteilen durch Minderjährige, Diss. 2012; Flume, Der minderjährige Gesellschafter, NZG 2014, 17; Hüffer, Vorgesellschaft, Kapitalaufbringung und Drittbeziehungen bei der Einmanngründung, ZHR 142 (1978), 486; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer, ZIP 1999, 1577; Winkler, Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu gesellschaftsrechtlichen Akten bei Beteiligung Minderjähriger, ZGR 1973, 177.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Feststellung der Satzung .................. 2 1. Grundlagen ......................................... 3 2. Beteiligung einer Person .................... 4 3. Beteiligung mehrerer Personen ......... 5 III. Gründungsfähige Personen ............. 6 1. Grundsatz ........................................... 6 2. Einzelfälle ........................................... 7 a) Natürliche Personen .................... 7 b) Juristische Personen ................... 10 I.
c) Personenhandelsgesellschaften, EWIV, PartG .............. d) GbR, eingetragener Verein ........ e) Erbengemeinschaft .................... f) Ehegatten .................................... IV. Übernahme der Aktien gegen Einlagen ........................................... 1. Einheitsgründung ............................. 2. Mitwirkung ohne Einlagepflicht .....
11 12 13 14 17 18 19
Bedeutung der Norm
§ 2 nennt als Anforderungen an die Gründung einer AG die Feststellung der Satzung und 1 die Übernahme der Aktien gegen Einlage(n) durch die beteiligte(n) Person(en).
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§2 II.
Gründerzahl Feststellung der Satzung
2 Bei Gleichstellung der Begriffe Gesellschaftsvertrag und Satzung handelt es sich um eine irreführende Legaldefinition. Die Satzung kann nicht nur von zwei oder mehreren Personen durch Vertrag, sondern ebenfalls von nur einer Person durch einseitiges Rechtsgeschäft festgestellt werden.1) Der bzw. die satzungsfeststellende(n) Aktionär(e) ist bzw. sind Gründer der AG (§ 28). 1.
Grundlagen
3 Die Satzung entsteht durch rechtsgeschäftliche Feststellung des oder der Gründer in Form notarieller Beurkundung (§ 23 Abs. 1). Mit Eintragung der AG in das Handelsregister löst sich die Satzung von ihrem rein schuldrechtlichen Charakter (Vertrag bzw. einseitiges Rechtsgeschäft) und erlangt einen Status mit schuld- und organisationsvertraglichen Elementen.2) Es ist klar zu trennen zwischen der Satzungserrichtung (Rechtsgeschäft) und der Satzung selbst als Verfassung des Verbandes (Rechtszustand).3) Da die Satzung ab dem Zeitpunkt der Registereintragung als Quelle objektiven Rechts nicht länger nur für die Gründungsmitglieder, sondern auch für sämtliche zukünftigen Aktionäre gilt und sich somit an einen unbestimmten Personenkreis richtet, sind zumindest ihre materiellen Bestandteile nicht länger nach §§ 133, 157 BGB, sondern vielmehr objektiv auszulegen.4) Bei dieser objektiven Auslegung werden nur Wortlaut, Zweck und systematische Stellung berücksichtigt, wozu nur allgemein zugängliche Unterlagen, also insbesondere die Handelsregisterakten, herangezogen werden dürfen.5) Der Wille der Gründer bleibt ebenso unberücksichtigt wie die Entstehungsgeschichte der Satzung, sofern sich entsprechende Anhaltspunkte nicht aus den öffentlich zugänglichen Registerakten erschließen.6) 2.
Beteiligung einer Person
4 Beteiligt sich zum Gründungszeitpunkt lediglich eine Person (sog. Einpersonen-AG), so kann die Satzung ausschließlich durch einseitiges Rechtsgeschäft festgestellt werden; als nicht empfangsbedürftige Willenserklärung wird die Erklärung des alleinigen Gründers mit Abgabe und notarieller Beurkundung wirksam und die Satzung festgestellt.7) 3.
Beteiligung mehrerer Personen
5 Beteiligen sich bereits zum Gründungszeitpunkt mehrere Mitglieder an der AG, so kann die Satzung ausschließlich durch notariell zu beurkundenden Vertrag, den Gesellschaftsvertrag, nicht auch durch einseitiges Rechtsgeschäft, festgestellt werden.8) Beteiligen sich zum Gründungszeitpunkt mehrere Mitglieder an der AG, obwohl zwischen den Beteiligten verabredet ist, eine Einpersonen-AG zu errichten, so kann die Satzung dennoch durch Gesellschaftsvertrag festgestellt werden. In einem solchen Fall der sog. Strohmanngründung wird die Satzung regelmäßig zunächst durch zwei Mitglieder festgestellt und im Anschluss an den Gründungsakt die Aktie(n) des einen auf das andere Gründungsmitglied _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Spindler/Stiltz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 3 m. w. N. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I., S. 76. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 23 Rz. 9 m. w. N. Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 6 Rz. 4. BGH, Urt. v. 11.10.1993 – II ZR 155/92, ZIP 1993, 1709, 1711 f.; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 6 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 2 Rz. 4a. Hüffer, AktG, § 2 Rz. 3.
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§2
Gründerzahl
übertragen.9) Die Strohmanngründung ist nach überwiegender Meinung rechtlich unbedenklich und stellt weder ein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB noch einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB dar.10) III.
Gründungsfähige Personen
1.
Grundsatz
„Person(en)“ i. S. von § 2 und somit gründungsfähig sind aufgrund ihrer (Teil-) Rechts- 6 fähigkeit natürliche und juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften; bei GbR, Erben- und Gütergemeinschaft ist die Gründerfähigkeit aufgrund ihres Charakters als Gesamthandsgemeinschaft jeweils gesondert zu rechtfertigen.11) 2.
Einzelfälle
a)
Natürliche Personen
Jede natürliche Person kann unabhängig von ihrer Nationalität (Mit-)Gründerin einer 7 AG sein. Umstritten ist, ob ein Verstoß gegen Aufenthaltsbeschränkungen nach § 14 Abs. 1 und 8 2 AuslG zur Unwirksamkeit der Gründungserklärung führt. Nach Auffassung der überwiegenden Rechtsprechung zur GmbH12) sowie Teilen der Literatur13) führt nur eine im Einzelfall festzustellende Gesetzesumgehung zur Unwirksamkeit. Nach der vorzugswürdigen Gegenansicht14) berührt selbst eine solche Umgehung die Wirksamkeit der Gründungserklärung nicht, da ausländerrechtliche Beschränkungen nicht den Zweck haben, die Rechtsfähigkeit und somit die Gründerfähigkeit zu beschränken. Da sich ausländische Staatsangehörige selbst dann an der Gründung einer AG beteiligen können, wenn sie ihren Wohnsitz im Ausland haben, muss die Frage der Gründerfähigkeit von Ausländern mit Wohnsitz im Inland unabhängig von eventuellen Verstößen gegen Aufenthaltsbeschränkungen beantwortet werden.15) Für Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige (§ 104 bzw. § 106 BGB) handelt 9 bei Gründung deren gesetzlicher Vertreter (§§ 107 ff. BGB). Nach überwiegender Auffassung bedarf es gemäß §§ 1822 Nr. 3, 1643 Abs. 1 BGB nur dann zusätzlich der Genehmigung des Familiengerichts (§ 112 BGB), wenn die AG auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ausgerichtet ist.16) Eine abweichende Ansicht17) verlangt unabhängig vom Betrieb eines Erwerbsgeschäfts stets eine solche Genehmigung, ist aber mit Wortlaut und Sinn des § 1822 Nr. 3 BGB unvereinbar und daher abzulehnen.18) Im Hinblick auf die heute anerkannte persönliche Haftung der Gründungsgesellschafter einer Vor-AG (vgl. hierzu _____________ 9) K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 11. 10) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 11 m. w. N. Früher geäußerte Bedenken gegen die Strohmanngründung sind inzwischen überholt, vgl. Hüffer, ZHR 142 (1978), 486, 488 f. 11) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 5. 12) OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.1.1984 – 8 W 243/83, OLGZ 1984, 143, 145 f.; KG, Beschl. v. 24.9.1996 – 1 W 4534/95, BB 1997, 172 f. 13) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 7. 14) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 3; Heider in: MünchKomm-AktG, § 2 Rz. 12; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 2 Rz. 6; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1582 ff. 15) So zu Recht Heider in: MünchKomm-AktG, § 2 Rz. 12. 16) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 11. 17) Ebenso: Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 2 Rz. 7; Heider in: MünchKomm-AktG, § 2 Rz. 11. 18) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 6; Grigoleit-Vedder, AktG, § 2 Rz. 3.
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27
§2
Gründerzahl
§ 41 Rz. 12) ist die früher vertretene Ansicht19), mangels persönlichen Haftungsrisikos des nicht voll Geschäftsfähigen bei Gründung einer AG sei eine Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB generell entbehrlich, ebenfalls abzulehnen.20) b)
Juristische Personen
10 Gründer einer AG können angesichts ihrer Rechtsfähigkeit alle inländischen juristischen Personen sein, namentlich AG, KGaA, Societas Europaea (SE), GmbH, Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), im Falle ihrer Einführung auch die Societas Privata Europaea (SPE), Genossenschaften, rechtsfähige Vereine und Stiftungen des Privatrechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, d. h. rechtsfähige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen.21) Auch Vor-AG und Vor-GmbH werden als gründungsfähig angesehen.22) Ausländische juristische Personen können Gründer sein, wenn sie nach dem für sie maßgeblichen ausländischen Recht einer inländischen juristischen Person gleichgestellt sind.23) Ausländische juristische Personen aus Drittstaaten mit Verwaltungssitz in Deutschland, die von der deutschen Rechtsordnung aufgrund der Sitztheorie nicht als solche anerkannt, sondern vielmehr als OHG bzw. GbR qualifiziert werden (z. B. eine Schweizer AG; siehe zur Sitztheorie § 5 Rz. 13 ff.)24) sind ebenso wie die Vorgründungsgesellschaft nach den im Folgenden dargestellten für OHG bzw. GbR geltenden Grundsätzen gründerfähig. c)
Personenhandelsgesellschaften, EWIV, PartG
11 OHG und KG (und somit auch AG & Co. KG, GmbH & Co. KG, UG & Co. KG, aber auch Limited & Co. KG) können aufgrund ihrer selbständigen Rechtsträgerschaft Gründer einer AG sein. Selbiges gilt für die deutsche Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) und die Partnerschaftsgesellschaft (PartG), die den Personenhandelsgesellschaften aufgrund des Verweises in § 1 EWIVAG bzw. der vielen Verweise des PartGG ins HGB (vgl. insb. § 6 Abs. 2 PartGG, der die entsprechende Anwendung von § 124 HGB normiert) nahestehen.25) d)
GbR, eingetragener Verein
12 Da der BGH im Jahre 200126) die Teilrechtsfähigkeit der GbR festgestellt hat und diese als Rechtsform folglich immer näher an die der Personenhandelsgesellschaften heranrückt, ist auch der GbR-Außengesellschaft die Fähigkeit zuzusprechen, eine AG gründen zu können. Zuordnungssubjekt der Aktien ist die GbR als nunmehr teilrechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft.27) Diese für die GbR geltenden Grundsätze sind ebenso auf den nicht eingetragenen Verein übertragbar (umstritten).28) _____________ 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)
28
Winkler, ZGR 1973, 177, 182. So zu Recht Grigoleit-Vedder, AktG, § 2 Rz. 3; Buck, S. 42. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 2 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 4; Dauner-Lieb in: KölnKommAktG, § 2 Rz. 9. Hüffer, AktG, § 2 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 4. BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), ZIP 2008, 2411 ff. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 5 m. w. N. BGH, Urt. v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, ZIP 1999, 1755 ff.; BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330 ff. Hüffer, AktG, § 2 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 6. Hüffer, AktG, § 2 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 6; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 11; Grigoleit-Vedder, AktG, § 2 Rz. 6; a. A. im Hinblick auf den nicht rechtsfähigen Verein: Kraft in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 2 Rz. 30.
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§2
Gründerzahl e)
Erbengemeinschaft
Da die Gesamthandsgemeinschaften keinen einheitlichen Rechtsregeln folgen, sind die 13 aufgrund ihrer Sonderstellung für die GbR geltenden Grundsätze nicht verallgemeinerungsfähig.29) Dennoch wird nach überwiegender Auffassung30) auch der Erbengemeinschaft die Fähigkeit zuerkannt, Gründerin einer AG sein zu können. Eine differenzierende Ansicht31) lässt die Fortführung einer noch vom Erblasser begonnenen Gründung zu, lehnt die Möglichkeit einer originären Gründung durch die Erbengemeinschaft hingegen ab. Die Fortführung einer Gründung anzuerkennen, den eigenständigen Beginn hingegen abzulehnen, wird zu Recht als widersprüchlich bezeichnet.32) f)
Ehegatten
Ehegatten können Gründer einer AG sein, wenn sie jeweils einzeln als natürliche Person 14 auftreten, wobei im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB) jeder Ehegatte ggf. die Verfügungsbeschränkung des § 1365 BGB zu beachten hat.33) Die Zugewinngemeinschaft als solche ist hingegen nicht ausreichend verselbständigt, um 15 als eigenes Rechtssubjekt gründungsfähig sein zu können.34) Umstritten ist, ob Ehegatten als Gütergemeinschaft Gründer einer AG sein können.35) 16 Da eine unterschiedliche Behandlung der Erbengemeinschaft und der ehelichen Gütergemeinschaft im Ergebnis keinen Sinn macht, ist die Gründerfähigkeit nach hier vertretener Ansicht auch für die Gütergemeinschaft anzuerkennen.36) IV.
Übernahme der Aktien gegen Einlagen
Zusätzlich zur Feststellung der Satzung durch eine oder mehrere Person(en) verlangt die 17 ordnungsgemäße Gründung einer AG gemäß § 2 die Übernahme der Aktien gegen Einlagen. 1.
Einheitsgründung
Die Aktien werden von dem bzw. den Gründer(n) jeweils gegen Abgabe einer Erklärung 18 über die Begründung einer entsprechenden Einlagepflicht übernommen (Grundsatz der Einheitsgründung); zwecks Vermeidung von Stufengründungen verlangt dieser Grundsatz, dass Feststellung der Satzung und Abgabe der Erklärungen zur Übernahme der Einlagen einheitlich beurkundet werden (§ 23 Abs. 2).37) Eine einheitliche Beurkundung in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn mehrere Urkunden aufeinander verweisen und jede als Teil des Ganzen erkennbar ist (umstritten).38) Mit Feststellung der Satzung _____________ 29) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 11. 30) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 7; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 12; Heider in: MünchKomm-AktG, § 2 Rz. 19; Brändel in: GroßKomm-AktG, § 2 Rz. 29; Grigoleit-Vedder, AktG, § 2 Rz. 6. 31) Kraft in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 2 Rz. 27 ff.; zustimmend, aber i. E. bezüglich der originären Gründung offengelassen in Folgeauflage (3. Aufl.): Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 2 Rz. 11. 32) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 7. 33) K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 8. 34) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 13; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 2 Rz. 12. 35) Für die Gründerfähigkeit: Hüffer, AktG, § 2 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 8; Spindler/ Stilz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 13; a. A. mangels eigenständiger Organisationseinheit und mangels nach außen in Erscheinung tretendem Sondervermögen bei der Gütergemeinschaft: Heider in: MünchKommAktG, § 2 Rz. 20; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 2 Rz. 12. 36) Ebenso: Hüffer, AktG, § 2 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 8. 37) K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 13. 38) Hüffer, AktG, § 23 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 13.
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§3
Formkaufmann. Börsennotierung
und Übernahme aller Aktien ist die AG errichtet und bis zum Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Handelsregister zunächst als Vor-AG entstanden, vgl. § 29.39) 2.
Mitwirkung ohne Einlagepflicht
19 Solange zumindest ein einlagewilliger Gründer vorhanden ist, lässt der Wortlaut des § 2 bei Gründung einer AG auch die Mitwirkung von Teilnehmern zu, die selbst keine Einlagepflicht übernehmen.40) Die Beteiligung Dritter an der Satzungsfeststellung ist allerdings umstritten.41) Als unbedenklich wird hingegen die Begründung schuldrechtlicher Förderpflichten durch Abgabe der Errichtungserklärung außenstehender Dritter angesehen.42) _____________ 39) K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 13. 40) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 13. 41) Für die Möglichkeit einer Beteiligung: K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 2 Rz. 14; Brändel in: GroßKomm-AktG, § 2 Rz. 64; Kraft in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 2 Rz. 21; gegen diese Möglichkeit: Hüffer, AktG, § 2 Rz. 13; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 6; Dauner-Lieb in: KölnKommAktG, § 2 Rz. 21; Heider in: MünchKomm-AktG, § 2 Rz. 32. 42) Hüffer, AktG, § 2 Rz. 13; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 2 Rz. 6; Heider in: MünchKomm-AktG, § 2 Rz. 32.
§3 Formkaufmann. Börsennotierung (1) Die Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. (2) Börsennotiert im Sinne dieses Gesetzes sind Gesellschaften, deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Übersicht I. Bedeutung der Norm ....................... 1 II. Handelsgesellschaft .......................... 3 I.
III. Gegenstand des Unternehmens ....... 4 IV. Börsennotierung ................................ 7
Bedeutung der Norm
1 § 3 Abs. 1 ergänzt §§ 1 ff. HGB und ordnet im Wege der gesetzlichen Fiktion an, dass die AG ohne Rücksicht auf ihren Unternehmensgegenstand Handelsgesellschaft und als solche gemäß § 6 Abs. 1 HGB Kaufmann kraft Rechtsform (Formkaufmann) ist.1) 2 § 3 Abs. 2 enthält eine für den Bereich des Aktiengesetzes gültige Legaldefinition des Begriffs der börsenorientierten Gesellschaft.2) II.
Handelsgesellschaft
3 Angesichts ihrer Eigenschaft als Handelsgesellschaft gelten gemäß § 6 Abs. 1 HGB die auf Kaufleute anwendbaren Vorschriften des HGB auch für die AG. Im Umkehrschluss wird aus § 3 Abs. 1 gefolgert, dass die AG weder ein Handelsgewerbe betreiben noch sonst wirtschaftliche Zwecke verfolgen muss, ihr vielmehr jede legale Tätigkeit offen_____________ 1) 2)
30
Hüffer, AktG, § 3 Rz. 1. Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 3 Rz. 3.
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§3
Formkaufmann. Börsennotierung
steht, soweit das Gesetz diese im Einzelfall nicht an bestimmte persönliche Voraussetzungen knüpft.3) So steht die Rechtsform der AG auch den freiberuflich (und nicht gewerblich) tätigen Anwälten,4) Wirtschaftsprüfern5) und Steuerberatern6) zur Verfügung.7) Für das Gewerbe- und Steuerrecht ist die Qualifikation als Handelsgesellschaft unbedeutend und vielmehr entscheidend, ob tatsächlich ein Gewerbe betrieben wird oder nicht.8) Nach h. A. gilt § 3 Abs. 1 ausschließlich für die in das Handelsregister bereits eingetragene AG und ist mithin nicht auf die Vor-AG anwendbar, die sich folglich ausschließlich über § 1 HGB als Kaufmann qualifizieren kann.9) III.
Gegenstand des Unternehmens
Der in § 3 Abs. 1 erwähnte Unternehmensgegenstand ist ebenso wie im GmbH-Recht 4 auch im Aktienrecht vom Gesellschaftszweck abzugrenzen.10) Während der Gesellschaftszweck vorrangig das von den Aktionären festgelegte Ziel des Zusammenschlusses definiert und häufig nur aus dem Unternehmensgegenstand abgeleitet werden kann, ist der Unternehmensgegenstand statutarisch festzulegen und bezeichnet die Tätigkeit, mit der der Gesellschaftszweck zu verfolgen ist.11) Im Zweifelsfall liegt der Gesellschaftszweck in der Erwirtschaftung von Gewinnen, er kann aber auch rein sozialer, ideeller oder gemeinnütziger Natur sein.12) Soll die ursprünglich vereinbarte Gewinnerzielungsabsicht einer AG aufgegeben werden, so ist eine Änderung des Gesellschaftszwecks unter Zustimmung sämtlicher Aktionäre erforderlich (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB),13) soll hingegen die Tätigkeit zur Gewinnerzielungsabsicht z. B. von „Immobilienan- und -verkauf“ auf „Herstellung und Betrieb von Solaranlagen“ erweitert werden, so ist lediglich eine Anpassung des Unternehmensgegenstands in Form einer mit Dreiviertelmehrheit der Hauptversammlung umsetzbaren Satzungsänderung erforderlich (§ 179 Abs. 2).14) Da der Umfang des Unternehmensgegenstands die Geschäftsführungsbefugnis des Vor- 5 stands der AG begrenzt, ist es diesem untersagt, Geschäfte abzuschließen, die über diesen statutarisch festgelegten Umfang hinausgehen (Innenverhältnis).15) Anders als nach der im anglo-amerikanischen Rechtskreis vorherrschenden sog. ultra-vires-Lehre begrenzen im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht allerdings weder der Gesellschaftszweck noch der Unternehmensgegenstand die Vertretungsmacht des Vorstands (Außenverhältnis).16)
_____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16)
K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 3 Rz. 1; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 3 Rz. 2, 7 und 12. § 59f Abs. 1 BRAO. §§ 27, 28 WPO. § 49 Abs. 1 StBerG. Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 3 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 3 Rz. 4 m. w. N. Hüffer, AktG, § 3 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 3 Rz. 1; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 3 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 3 Rz. 3; Heider in: MünchKomm-AktG, § 3 Rz. 14. Heider in: MünchKomm-AktG, § 3 Rz. 15. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 3 Rz. 3; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 9 Rz. 10. Umstritten, vgl. zum Meinungsstand der Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Änderung des Gesellschaftszwecks: Heider in: MünchKomm-AktG, § 1 Rz. 20, § 3 Rz. 16. Vgl. Heider in: MünchKomm-AktG, § 1 Rz. 20, § 3 Rz. 16; Pentz in: MünchKomm-AktG, § 23 Rz. 20; grundlegend für das Verbandsrecht: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II. 3., S. 65 f. K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 3 Rz. 3. Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 10; K. Schmidt, GesR, § 8 V. 2. a), S. 214.
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§4
Firma
6 Der Unternehmensgegenstand kann frei gewählt werden, solange er dem Bestimmtheitserfordernis des § 23 Abs. 3 Nr. 2 entspricht, klar umschrieben ist und weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstößt noch sittenwidrig (§ 138 BGB) ist.17) IV.
Börsennotierung
7 Die für das Aktiengesetz geltende Legaldefinition der börsennotierten Gesellschaft umfasst den amtlich regulierten Handel gemäß §§ 32 ff. BörsG, nicht hingegen den Freiverkehr gemäß § 48 BörsG.18) Die Zulassung zu einem ausländischen Markt (auch außerhalb EU und EWR), der von einer staatlich anerkannten Stelle geregelt und überwacht wird, genügt.19) Die Legaldefinition hat insbesondere Bedeutung für §§ 67 Abs. 6 Satz 2, 110 Abs. 3, 120 Abs. 4, 121 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4a und Abs. 7, 122 Abs. 2 Satz 3, 124 Abs. 1 Satz 2, 124a Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 3, 126 Abs. 1 Satz 3, 130 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6, 134 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 3 und 4, 135 Abs. 5 Satz 4, 149 Abs. 1, 161, 171 Abs. 2 Satz 2, 176 Abs. 1 Satz 1, 248a Abs. 1, 328 Abs. 3, 404 Abs. 1 Satz 1. _____________ 17) K. Schmidt/Lutter-Lutter, AktG, § 3 Rz. 4. 18) Hüffer, AktG, § 3 Rz. 6; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 3 Rz. 5. 19) Hüffer, AktG, § 3 Rz. 6.
§4 Firma Die Firma der Aktiengesellschaft muß, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Literatur: Bydlinski, Zentrale Änderungen des HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz, ZIP 1998, 1169; Clausnitzer, Das Firmenrecht in der Rechtsprechung (2000 bis 2009), DNotZ 2010, 345; Lutter/Welp, Das neue Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, ZIP 1999, 1073; Möller, Das neue Firmenrecht in der Rechtsprechung – Eine kritische Bestandsaufnahme, DNotZ 2000, 830; Obergfell, Grenzenlos liberalisiertes Firmenrecht? Ein Statement zur Eintragungsfähigkeit des „@“, CR 2000, 855.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ....................... II. Firmenfähigkeit ................................ III. Rechtsformzusatz ............................. IV. Firma der AG .................................... 1. Erstmalige Firmenbildung ................. a) Kennzeichnungseignung ............. b) Unterscheidbarkeit ...................... I.
1 2 3 4 5 6 7
c) Firmenwahrheit ............................ 8 d) Firmeneinheit ............................... 9 2. Fortführung der Firma ..................... 10 V. Firma der Zweigniederlassung ...... 13 VI. Rechtsfolgen bei Verstößen ........... 14 VII. Firmenschutz ................................. 16 VIII. Praxishinweis ................................ 17
Bedeutung der Norm
1 Entgegen der Überschrift behandelt § 4 nicht die Firma selbst, sondern lediglich den von der AG zu führenden Rechtsformzusatz.1) Die Firma und deren rechtliche Grundlagen _____________ 1)
32
Hüffer, AktG, § 4 Rz. 1.
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§4
Firma
regeln vielmehr die §§ 17 ff. HGB. Gemäß §§ 6 Abs. 1, 17 Abs. 1 HGB ist die Firma der Name der Handelsgesellschaft und somit gemäß § 3 Abs. 1 auch der Name der AG. Die Firma verkörpert zugleich Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht der AG und zählt als immaterielles Rechtsgut zur Insolvenzmasse.2) Die durch § 4 angeordnete Kennzeichnung als Aktiengesellschaft soll die Rechtsverhältnisse offenlegen und auf diese Weise der Information und dem Schutz des Rechtsverkehrs dienen.3) Die Offenlegung erfolgt insbesondere durch die in §§ 23 Abs. 3 Nr. 1, 80 Abs. 1 vorgeschriebene Angabe der Rechtsform in der Satzung sowie auf allen Geschäftsbriefen der AG. II.
Firmenfähigkeit
Grundsätzlich beginnt die Firmenfähigkeit als „Aktiengesellschaft“ mit Eintragung der 2 AG in das Handelsregister, vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1.4) Wenn bereits vor Eintragung ein kaufmännisches Gewerbe betrieben wird, ist auch der Name der Vor-AG Firma (§ 1 Abs. 2 HGB); allerdings muss die firmenführende Vor-AG einen zusätzlichen Hinweis auf das Gründungsstadium aufnehmen (z. B. „in Gründung“, „i. G.“ oder „i. Gr.“).5) § 269 Abs. 6 ordnet auch für die Liquidationsphase die Aufnahme eines auf dieses Stadium hinweisenden Zusatzes (z. B. „in Liquidation“ oder „i. L.“) an. III.
Rechtsformzusatz
Die Firma muss die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ ausgeschrieben oder in einer 3 allgemein verständlichen Abkürzung enthalten (sog. Rechtsformzusatz). Dieser Zusatz muss in deutscher Sprache abgefasst sein und kann an beliebiger Stelle in die Firma eingefügt werden, d. h. am Ende, am Anfang oder auch in der Mitte.6) Der Rechtsformzusatz kann mit den sonstigen Bestandteilen der Firma verbunden,7) in Versalien oder auch klein geschrieben sowie in Klammern gestellt werden (zumindest sofern die Art der Klammerstellung nicht zu einer Verwirrung führt)8). Als verkehrsüblich und allgemein verständliche Abkürzung im Sinne der Norm gilt die Abkürzung „AG“.9) Da die Abkürzung den gesamten Begriff „Aktiengesellschaft“ spiegeln muss, kann diese nicht nur aus einem der beiden Begriffsbestandteile des Wortes „Aktiengesellschaft“ bestehen, so dass z. B. „Aktien-Brauerei“ ausscheidet.10) Da der Gesetzgeber die genaue Ausgestaltung offengelassen hat, können neben „AG“ auch andere Abkürzungen verwendet werden, z. B. „Aktienges.“, „Aktges.“, oder „Gesellschaft auf Aktien“.11) IV.
Firma der AG
Die AG ist als juristische Person Trägerin von Rechten und Pflichten, so dass im rechts- 4 geschäftlichen Verkehr klar erkennbar sein muss, wer diese durch ihre Organe berechtigte _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Grigoleit-Vedder, AktG, § 4 Rz. 3. Hüffer, AktG, § 4 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 4 Rz. 4; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 4 Rz. 17; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 4. Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 18. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 7; für die Zulässigkeit der Verwendung von Klammern auch Hüffer, AktG, § 4 Rz. 17; die Zulässigkeit von Klammern anzweifelnd: Dauner-Lieb in: KölnKommAktG, § 4 Rz. 9. 9) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 17. 10) K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 5. 11) K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 5; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 4 Rz. 8; Spindler/ Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 5 will zumindest „Aktienges.“ zulassen; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073 ff.; a. A. Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 18; ähnlich wohl auch Hüffer, AktG, § 4 Rz. 17.
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§4
Firma
bzw. verpflichtete juristische Person ist.12) Die Firma ist ausschließlich der Name der AG, eine Gleichsetzung mit dem Unternehmen oder dem Betrieb ist umgangssprachlich und trifft rechtlich nicht zu.13) Die Bezeichnung des Unternehmens oder des Betriebs als allgemeine Geschäftsbezeichnung i. S. von § 5 Abs. 2 MarkenG muss mit der Firma der AG folglich nicht zwingend übereinstimmen.14) 1.
Erstmalige Firmenbildung
5 Seit der Deregulierung und Liberalisierung durch das Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998 ist die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter bei der Wahl einer Firma deutlich erweitert worden, so dass heute auch Fantasiebezeichnungen rechtlich unbedenklich sind.15) Eingeschränkt wird diese Gestaltungsfreiheit durch §§ 18, 30 HGB wie folgt: a)
Kennzeichnungseignung
6 Die Firma muss die AG als Inhaberin des Unternehmens individualisieren können und folglich eine entsprechende Namensfunktion mit Kennzeichnungseignung aufweisen (d. h. „wie ein Name wirken“).16) Im Einzelnen können Sachbezeichnungen, Personennamen, Fantasienamen, Werbeslogans, bloße (lateinische) Buchstabenfolgen17) (zumeist Abkürzungen wie z. B. MAN, SAP, BMW, RWE, VW), aber auch Zeichen (soweit mit ihnen eine bestimmte sprachliche Aussage verbunden ist) sowie Zahlen zur Kennzeichnung geeignet sein.18) Bloße Bildzeichen haben dagegen regelmäßig keine ausreichende Kennzeichnungseignung.19) Diskutiert und umstritten ist dies bei dem Bildzeichen „@“.20) b)
Unterscheidbarkeit
7 Im Lichte einer abstrakt generellen Betrachtungsweise muss sich die Firma der AG gemäß § 18 Abs. 1 HGB von anderen Firmen unterscheiden und auf diese Weise individualisierbar sein (Unterscheidungskraft).21) Während Fantasienamen angesichts ihrer besonderen Originalität meist unproblematisch sind, mangelt es bei allgemeinen Gattungs- oder Branchenbezeichnungen, die ohne ausreichende Individualisierung lediglich die Tätigkeit des Unternehmens beschreiben, häufig an dieser Unterscheidungskraft.22) Konkret betrachtet muss die Firma gemäß § 30 HGB auch von anderen, an demselben Ort bereits existierenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen unterscheidbar sein, d. h. _____________ 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20)
21) 22)
34
Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 20. Hüffer, AktG, § 4 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 4 Rz. 2; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 7. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 4 Rz. 10. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 12. Artikulierbarkeit reicht aus, vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 8.12.2008 – II ZB 46/07 (HM & A GmbH & Co. KG), ZIP 2009, 168 = DNotZ 2009, 469 ff. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 4 Rz. 11; vgl. hierzu ausführlich und mit vielen Beispielen aus der Rechtsprechung: Clausnitzer, DNotZ 2010, 345 ff.; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 13 ff. BGH, Urt. v. 6.7.1954 – I ZR 167/52, NJW 1954, 1681 ff.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 4 Rz. 11; Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 18 Rz. 4. Die Kennzeichnungseignung befürwortend: LG München, Beschl. v. 15.12.2008 – 17 HKT 920/09, MittBayNot 2009, 315; LG Berlin, Beschl. v. 13.1.2004 – 102 T 122/03, NZG 2004, 532 f.; LG Cottbus, Beschl. v. 2.8.2001 – 11 T 1/00, CR 2002, 134, 135; Clausnitzer, DNotZ 2010, 345, 358; K. Schmidt/ Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 19; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, § 4 Rz. 19 für die GmbH; a. A.: BayOLG, Beschl. v. 4.4.2001 – 3 Z BR 84/01, NZG 2001, 802 f.; OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2000 – 2 W 270/00, WRP 2001, 287, 288; ausführlich hierzu: Obergfell, CR 2000, 855 ff. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 20; Canaris, Handelsrecht, § 10 Rz. 38. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.1.2005 – 20 W 106/04, AG 2005, 403, 404; Dauner-Lieb in: KölnKommAktG, § 4 Rz. 12 f.; Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 18 Rz. 6.
Alexander Franz
§4
Firma
auch für geschäftlich unerfahrene Personen darf keine Verwechslungsgefahr bestehen (Unterscheidbarkeit); hieran mangelt es, wenn Wortbild und -klang ähnlich sind und die Verschiedenartigkeit der Unternehmensträger auch nicht durch den Wortsinn sichergestellt ist.23) Regelmäßig reicht der Rechtsformzusatz allein als Unterscheidungskriterium nicht aus.24) c)
Firmenwahrheit
Das allgemeine Prinzip der Firmenwahrheit umfasst gemäß § 18 Abs. 2 HGB insbeson- 8 dere das Irreführungsverbot, welches sich auf die Firma insgesamt, d. h. nicht nur auf Firmenzusätze sondern auch und gerade auf den Firmenkern bezieht.25) Eine Irreführung liegt vor, wenn mit einer in der Firma enthaltenen Angabe eine unzutreffende Vorstellung über die geschäftlichen Verhältnisse gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen hervorgerufen werden kann (Eignung zur Irreführung genügt).26) Eine Irreführung in diesem Sinne kann sich insbesondere bei geografischen Firmenzusätzen, Personenfirmen, unklaren Haftungsverhältnissen bzw. einer Täuschung über den Unternehmensgegenstand ergeben.27) Bestimmte Bezeichnungen unterliegen einem spezialgesetzlichen Schutz und sind in ihrer Verwendung den die entsprechenden regulatorischen Anforderungen erfüllenden Rechtsträgern vorbehalten (z. B. Rechtsanwaltsgesellschaft, REIT, Architekt, Ingenieur, Steuerberatungsgesellschaft, Kapitalanlagegesellschaft, Investmentfonds, Bank, Bausparkasse, Versicherung etc.).28) Angesichts der Wesentlichkeits- und Ersichtlichkeitsschwelle ist eine Irreführung in diesem Sinne allerdings nur anzunehmen, wenn diese für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich und die Irreführungsgefahr durch das für die Eintragung zuständige Registergericht ohne intensivere Prüfung ersichtlich ist.29) Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit ist objektiviert auf die Sicht eines durchschnittlichen Adressaten abzustellen.30) Ersichtlich irreführend sind insbesondere solche Firmenbestandteile, bei denen die Täuschungseignung nicht allzu fern liegt und ohne umfangreiche Beweisaufnahme angenommen werden kann.31) d)
Firmeneinheit
Darüber hinaus gilt für die AG der Grundsatz der Firmeneinheit, d. h. jede AG kann nur 9 eine Firma führen.32) Zur Firma eventueller Zweigniederlassungen, siehe Rz. 13. 2.
Fortführung der Firma
Der bereits in Art. 22 EGHGB verankerte Grundsatz der Firmenbeständigkeit soll bei 10 Übertragung oder Umwandlung eines Rechtsträgers den Erhalt des Firmenwerts sicherstellen.33) _____________ 23) K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 36; Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 7. 24) BGH, Beschl. v. 14.7.1966 – II ZB 4/66, NJW 1966, 1813, 1815 f.; Hüffer, AktG, § 4 Rz. 8; K. Schmidt/ Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 36; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 10. 25) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 4 Rz. 14. 26) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 28. 27) Clausnitzer, DNotZ 2010, 345, 351 ff. 28) Clausnitzer, DNotZ 2010, 345, 359 f. 29) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 13; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 11. 30) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 28. 31) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 13; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 11. 32) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 7 m. w. N. 33) BGH, Urt. v. 20.4.1972 – II ZR 17/70, NJW 1972, 1419, 1420; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 38; Baumbach/Hopt-Hopt, HGB § 22 Rz. 1.
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§4
Firma
11 Der im § 4 explizit genannte § 22 HGB regelt die Fortführung der bisherigen Firma bei Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts. Da die AG nicht mehrere Handelsgeschäfte betreiben und für jedes einzelne eine eigene Firma bilden kann (Grundsatz der Firmeneinheit, siehe Rz. 9), muss sie als Erwerberin i. S. von § 22 HGB ihre bisherige Firma aufgeben und die neue im Wege der Satzungsänderung und unter Ergänzung des nach § 4 erforderlichen Rechtsformzusatzes übernehmen.34) Die Übernahme eines unter Lebenden erworbenen Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma löst gemäß § 25 HGB die Haftung für alle im Betrieb des früheren Inhabers begründeten Verbindlichkeiten aus. 12 Im Falle der Firmenfortführung bei Umwandlungsvorgängen enthält das UmwG spezielle Vorschriften.35) Gemäß § 18 UmwG kann der übernehmende Rechtsträger nach einer Verschmelzung durch Aufnahme die Firma eines der übertragenden Rechtsträger, dessen Handelsgeschäft er durch die Verschmelzung erwirbt, fortführen, wobei sich der erforderliche Rechtsformzusatz im Falle einer übernehmenden AG nach § 4 richtet. Selbiges gilt bei der Aufspaltung gemäß §§ 125 Satz 1, 18 UmwG sowie beim Formwechsel gemäß § 200 UmwG. Aufgrund des Fortbestehens des übertragenden Rechtsträgers ist eine Firmenfortführung bei Abspaltung und Ausgliederung nicht möglich, vgl. § 125 Satz 1 UmwG. V.
Firma der Zweigniederlassung
13 Für eventuelle Zweigniederlassungen kann die AG entweder ihre eigene Firma oder eine gesonderte Firma einsetzen.36) Übernimmt die Zweigniederlassung die Firma der AG, so ist ein besonderer Hinweis auf die Stellung als rechtlich unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens nicht erforderlich.37) Bei Verwendung einer von der Firma der AG abweichenden Firma für die Zweigniederlassung muss der Zusammenhang zwischen Hauptund Zweigniederlassung deutlich zum Ausdruck kommen, bei Beibehaltung des Firmenkerns z. B. durch den Zusatz „Zweigniederlassung“.38) Umgekehrt kann aber auch ein abweichender Firmenkern gebildet und die Firma der Hauptgesellschaft als Zusatz eingefügt werden.39) Auch für die Zweigniederlassung ist die Führung des in § 4 angeordneten Rechtsformzusatzes notwendig.40) VI.
Rechtsfolgen bei Verstößen
14 Ist die gewählte Firma oder deren Rechtsformzusatz i. R. der dargestellten Grundsätze unzulässig oder fehlt der notwendige Rechtsformzusatz, so hat das Registergericht die Eintragung abzulehnen, vgl. § 38 Abs. 1 Satz 2. Wird die Gesellschaft gleichwohl eingetragen, ist sie trotz dieses Mangels wirksam als AG entstanden; das Registergericht kann in einem solchen Fall das Firmenmissbrauchsverfahren nach § 392 FamFG i. V. m. § 37 Abs. 1 HGB einleiten und die AG zur Unterlassung des Gebrauchs der unzulässigen Firma oder des unzulässigen bzw. fehlenden Rechtsformzusatzes auffordern.41) Führt _____________ 34) BGH, Urt. v. 8.4.1991 – II ZR 259/90, NJW 1991, 2023, 2024; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 39, Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 32. 35) Vgl. ausführlich zu diesem Thema: Lutter-Bork, UmwG, § 18 Rz. 1 ff.; Heider in: MünchKommAktG, § 4 Rz. 39 ff.; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 19. 36) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 20. 37) Spindler/Stilz/Drescher, AktG, § 4 Rz. 21; Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 51. 38) RG, Beschl. v. 30.3.1926 – II B 8/26, RGZ 113, 213, 217; RG, Urt. v. 24.9.1926 – II 558/25, RGZ 114, 318, 320; Hüffer, AktG, § 4 Rz. 20; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 21. 39) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 21; Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 52; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 4 Rz. 22. 40) Hüffer, AktG, § 4 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 44. 41) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 42.
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§5
Sitz
dies nicht zum Erfolg, kann das Registergericht gemäß § 399 FamFG die AG zusätzlich zu einer Behebung des Mangels anhalten und, kommt die AG auch dieser Aufforderung nicht nach, schließlich den Mangel mittels richterlichem Beschluss feststellen, wodurch die AG gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 5 als aufgelöst gilt.42) Ein Verstoß gegen Namens- bzw. Markenrechte ist kein registerrechtliches Eintragungs- 15 hindernis.43) VII. Firmenschutz Die AG genießt unter ihrer zulässigen Firma Firmenschutz und kann gegen Konkurrenten 16 nach § 37 Abs. 2 HGB auf Unterlassung einer Verwendung der Firma durch diese klagen sowie ein Firmenmissbrauchsverfahren durch das Registergericht gemäß § 37 Abs. 1 HGB anregen.44) Darüber hinaus genießt sie den materiellen Firmenschutz des in § 12 BGB normierten Namensrechts sowie den Unternehmenskennzeichenschutz der §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 15 MarkenG, ebenfalls durchsetzbar mittels entsprechender Beseitigungsund Unterlassungsklagen.45) Bei Irreführung ist auch eine Konkurrentenklage auf Unterlassung nach § 5 UWG denkbar.46) Die Vor-AG genießt Firmenschutz hingegen nur, wenn ein Handelsgewerbe als Sacheinlage eingebracht und nunmehr fortgeführt wird.47) VIII. Praxishinweis Ist für den Rechtsformzusatz ein anderer als „Aktiengesellschaft“ oder eine andere als die 17 geläufige Abkürzung „AG“ geplant oder bestehen Unsicherheiten im Hinblick auf die Zulässigkeit und Eintragungsfähigkeit der vorgesehenen Firma, insbesondere im Hinblick auf §§ 18, 30 HGB, so empfiehlt sich angesichts der bestehenden Meinungsvielfalt für die Praxis in jedem Fall eine vorherige Abstimmung mit dem zuständigen Registergericht. Um insbesondere dem Kriterium der Unterscheidbarkeit (siehe Rz. 7) gerecht werden zu können, bietet sich eine frühzeitige Anfrage bei der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) an. Zur Erlangung des markenrechtlichen Schutzes sind eine rechtzeitige Markenrecherche sowie die entsprechende Anmeldung zum Markenregister ratsam. _____________ 42) 43) 44) 45)
Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 6, 20; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 4 Rz. 42. Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 20. Hüffer, AktG, § 4 Rz. 10. BGH, Urt. v. 2.4.1971 – I ZR 41/70, NJW 1971, 1522, 1523 f. – zu § 16 UWG a. F.; Hüffer, AktG, § 4 Rz. 6; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 22. 46) Grigoleit-Vedder, AktG, § 4 Rz. 15, 20. 47) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 4 Rz. 2; Heider in: MünchKomm-AktG, § 4 Rz. 17.
§5 Sitz Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den die Satzung bestimmt. Literatur: Bayer/Hoffmann, Aktiengesellschaft mit Doppelsitz, AG Report 2010, R 259; Behme, Der Weg deutscher Aktiengesellschaften ins Ausland – Goldene Brücke statt Stolperpfad, BB 2008, 70; Drygala, Europäische Niederlassungsfreiheit vor der Rolle rückwärts?, EuZW 2013, 569; Ege/Klett, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften, DStR 2012, 2442; Fingerhuth/Rumpf, MoMiG und die grenzüberschreitende Sitzverlegung, IPRax 2008, 90; Franz, Internationales Gesellschaftsrecht und deutsche Kapitalgesellschaften im In-
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§5
Sitz
bzw. Ausland, BB 2009, 1250; Franz/Laeger, Die Mobilität deutscher Kapitalgesellschaften nach Umsetzung des MoMiG unter Einbeziehung des Referentenentwurfs zum internationalen Gesellschaftsrecht, BB 2008, 678; Heinrichs/Pöschke/Klavina, Die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften in Europa – Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH und ein Plädoyer für eine Neuorientierung, WM 2009, 2009; Hoffmann, Die stille Bestattung der Sitztheorie durch den Gesetzgeber, ZIP 2007, 1581; Kindler, Der reale Niederlassungsbegriff nach dem VALEUrteil des EuGH, EuZW 2012, 888; Kindler, GmbH-Reform und internationales Gesellschaftsrecht, AG 2007, 721; König, Doppelsitz einer Kapitalgesellschaft – Gesetzliches Verbot oder zulässiges Mittel der Gestaltung einer Fusion?, AG 2000, 18; Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2008: Fundamente der Europäischen IPR-Kodifikation, IPRax 2009, 1; Otte, Folgen der Trennung von Verwaltungs- und Satzungssitz für die gesellschaftsrechtliche Praxis, BB 2009, 344; Sandrock, Die Konkretisierung der Überlagerungstheorie in einigen zentralen Einzelfragen, in Festschrift für Günther Beitzke, 1979, S. 669; Teichmann, Cartesio – Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug, ZIP 2009, 393; Triebel/v. Hase, Wegzug und grenzüberschreitende Umwandlungen deutscher Gesellschaften nach „Überseering“ und „Inspire Art“, BB 2003, 2409; Wachter, Die GmbH nach MoMiG im internationalen Rechtsverkehr, Sonderheft GmbHR 2008, 80; Weller, Internationales Unternehmensrecht 2010 – IPR-Methodik für grenzüberschreitende gesellschaftsrechtliche Sachverhalte, ZGR 2010, 679; Wicke, Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels – Rechtssache „Vale“ des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, DStR 2012, 1756.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ....................... 1 II. Sitz der Gesellschaft ......................... 3 1. Satzungssitz ....................................... 4 a) Festlegung .................................... 4 b) Bedeutung .................................... 5 c) Verlegung ..................................... 8 d) Rechtsfolgen bei Verstößen ........ 9 2. Verwaltungssitz ............................... 12 I.
a) Festlegung ................................... 13 b) Bedeutung ................................... 14 c) Verlegung .................................... 16 d) Praxishinweis .............................. 19 e) Rechtsfolgen bei Verstößen ...... 20 III. Inländische Geschäftsanschrift ..... 21 IV. Doppelsitz ........................................ 22
Bedeutung der Norm
1 Die Norm enthält eine Legaldefinition des Terminus „Sitz der Gesellschaft“. Aus dem Wortlaut des bis 31.10.2008 geltenden § 5 a. F. ergaben sich folgende Konsequenzen: Der mit dem Satzungssitz übereinstimmende Registersitz (§ 5 Abs. 1 a. F.) sollte in der Regel mit dem tatsächlichen Sitz der Geschäftsleitung (Verwaltungssitz) gemäß § 5 Abs. 2 a. F. gleichlaufen, d. h. die in einem deutschen Handelsregister einzutragende AG konnte ihren Verwaltungssitz regelmäßig nicht im Ausland begründen und auch im Inland kein vom Verwaltungssitz abweichendes Registergericht auswählen (sog. HandelsregisterShopping).1) 2 Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH i. R. der Urteile Centros,2) Überseering3) und Inspire Art4) ist es EU-Gesellschaften inzwischen gestattet, ihren Verwaltungssitz auch in einem anderen Staat zu begründen und ist der jeweilige Aufnahmestaat verpflichtet, die zuziehende ausländische EU-Gesellschaft nach den Grundsätzen der Rechtsordnung
_____________ 1) 2) 3) 4)
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Franz/Laeger, BB 2008, 678. EuGH, Urt. v. 9.3.1999 – C-212/97 (Centros), ZIP 1999, 438 ff. EuGH, Urt. v. 5.11.2002 – C-208/00 (Überseering), ZIP 2002, 2037 ff. EuGH, Urt. v. 30.9.2003 – C-167/01 (Inspire Art), ZIP 2003, 1885 ff.
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§5
Sitz
ihres Gründungsstaats anzuerkennen.5) Auf dieser Grundlage werden z. B. englische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland – wie etwa die Air Berlin plc – anerkannt.6) Im Zuge des am 1.11.2008 in Kraft getretenen MoMiG7) wurden folgerichtig § 5 Abs. 2 a. F. ebenso wie der gleichlautende § 4a Abs. 2 a. F. GmbHG gestrichen, um eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland auch für deutsche Kapitalgesellschaften zu ermöglichen und diesen ein „level playing field“ zu schaffen.8) Um klarzustellen, dass Satzungs- und Registersitz einer deutschen AG auch weiterhin im Inland belegen sein müssen, wurden in § 5 Abs. 1 sowie in § 4a Abs. 1 GmbHG die Worte „im Inland“ ergänzt. II.
Sitz der Gesellschaft
Aus der Normhistorie wird klar, dass „Sitz der Gesellschaft“ i. S. von § 5 nur den Sat- 3 zungssitz (und somit Registersitz), nicht aber den Verwaltungssitz der AG meint.9) 1.
Satzungssitz
a)
Festlegung
Die Festlegung des Satzungssitzes erfolgt gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 1 durch eine entspre- 4 chende Nennung in der Satzung und wird im Zeitpunkt der Entstehung der AG durch Eintragung in das Handelsregister wirksam, vgl. §§ 41 Abs. 1 Satz 1, 36, 47 Abs. 4 Satz 1. Änderungen bedürfen eines satzungsändernden Beschlusses der Hauptversammlung gemäß §§ 179 ff., wobei § 45 zu beachten ist. Der Satzungssitz muss hinreichend bestimmt sein, um die eindeutige Zuständigkeit eines Registergerichts festlegen zu können.10) Es ist eine bestimmte deutsche Gemeinde anzugeben (z. B. Köln), bei in mehrere Amtsgerichtsbezirke eingeteilten Großgemeinden (z. B. Hamburg) muss zusätzlich der jeweilige Gerichtsbezirk erkennbar sein (z. B. Hamburg Barmbek).11) Seit Streichung des § 5 Abs. 2 a. F. können die Aktionäre den Satzungssitz im Inland wieder frei und unabhängig vom Verwaltungssitz festlegen und so ein vom Verwaltungssitz abweichendes Registergericht frei wählen, z. B. um ein ihnen günstig und liberal erscheinendes Registergericht einem anderen vorzuziehen oder eine deutschlandweit einheitlich Konzernzuständigkeit zu begründen (sog. Handelsregister-Shopping).12) b)
Bedeutung
Neben der Firma dient auch der Satzungssitz der Individualisierung und Identifizierung 5 der AG und bestimmt gleichzeitig deren Hauptniederlassung sowie das ebenfalls für alle Zweigniederlassungen zuständige Registergericht (§ 13 HGB).13) _____________ 5) So der EuGH unter Bezugnahme auf Art. 43, 48 EGV a. F., EuGH, Urt. v. 5.11.2002 – C-208/00 (Überseering), ZIP 2002, 2037 ff. 2. LS: „Macht eine Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedsstaats gegründet worden ist, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, in einem anderen Mitgliedsstaat von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch, so ist dieser andere Mitgliedsstaat nach den Art. 43 und 48 EG verpflichtet, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt.“ 6) Weller, ZGR 2010, 679 ff., 695 f. 7) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 20, 26 ff. 8) BT-Drucks. 16/6140, S. 29. 9) Hüffer, AktG, § 5 Rz. 6; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 1. 10) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 12. 11) Hüffer, AktG, § 5 Rz. 6; K. Schmitt/Lutter-Zimmer, AktG, § 5 Rz. 7. 12) Grigoleit-Wicke, AktG, § 5 Rz. 5; Franz/Laeger, BB 2008, 678, 683, 685; krit. hierzu: Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 5 Rz. 8. 13) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 1 – 3; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 13.
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§5
Sitz
6 Der Satzungssitz hat Bedeutung für das Verfahrensrecht: Er bestimmt den allgemeinen Gerichtsstand der AG gemäß § 17 Abs. 1 ZPO (§ 5 ist eine andere Bestimmung i. S. dieser Vorschrift),14) die örtliche Zuständigkeit in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 377 Abs. 1 FamFG, die Zuständigkeit für Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen gemäß § 246 Abs. 3 Satz 1, für Streitigkeiten über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gemäß § 98 Abs. 1 sowie über das Auskunftsrecht der Aktionäre gegen den Vorstand gemäß § 132 Abs. 1, für Anträge auf Klagezulassungsverfahren gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1, für die Bestellung der Prüfer zur Prüfung der Unternehmensverträge gemäß § 293c Abs. 1 Satz 3 und für die gerichtliche Auflösung gemäß § 396 Abs. 1. 7 Darüber hinaus soll die Hauptversammlung gemäß § 121 Abs. 5 am Sitz der Gesellschaft stattfinden und der Sitz ist ebenfalls steuerrechtlicher Anknüpfungspunkt i. S. des KStG, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG i. V. m. § 11 AO. c)
Verlegung
8 Da seit dem 1.11.2008 aufgrund des Wegfalls von § 5 Abs. 2 a. F. der Satzungs- und somit Registersitz nicht mehr zwingend mit dem Verwaltungssitz übereinstimmen müssen, kann die AG innerhalb Deutschlands unter entsprechender Beachtung der §§ 45, 179 ff. ihren statutarisch bereits festgelegten Sitz auch jederzeit und unabhängig vom Verwaltungssitz verlegen.15) Nur in besonderen Ausnahmefällen können Sitzverlegungsbeschlüsse als rechtsmissbräuchlich und sodann als nichtig gewertet werden.16) Der in § 5 Abs. 1 neu eingeführte Zusatz „im Inland“ stellt klar, dass die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland seitens des deutschen Gesetzgebers nicht erwünscht ist, woran auch eine eventuelle Umsetzung des Referentenentwurfs für ein Gesetz zum internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen (nachfolgend: RefE IntGesR)17) in seiner derzeitigen Fassung nichts ändern würde.18) In der Rechtssache Vale hat der EuGH allerdings entschieden, dass eine grenzüberschreitende Umwandlung und damit einhergehende Satzungssitzverlegung (grenzüberschreitende statutenwechselnde Sitzverlegung) im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit zulässig sein muss, wenn der aufnehmende Mitgliedsstaat für rein innerstaatliche Sachverhalte einen solchen Umwandlungsvorgang zulässt und die betroffene Gesellschaft tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit im Aufnahmestaat ausübt.19) Aus diesem Urteil folgt, dass nicht nur der rechtsformkongruente Formwechsel unter gleichzeitiger Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes einer EU-Auslandsgesellschaft in eine deutsche AG (sog. Hereinformwechsel), sondern umgekehrt auch derjenige einer deutschen AG in eine EU-Auslandsgesellschaft (sog. Herausformwechsel) möglich sein muss.20) Diese Rechtsprechung eröffnet auch über die innerhalb von EU und EWR inzwischen normierte grenzüberschreitende Verschmelzung (§§ 122a ff. UmwG) hinaus die Möglichkeit, eine grenzüberschreitende Gesamtrechtsnachfolge unter Fortführung der deutschen AG in einer Rechtsform des jeweils aufnehmen_____________ 14) BGH, Beschl. v. 13.1.1998 – X ARZ 1298-97, NJW 1998, 1322 f.; Hüffer, AktG, § 5 Rz. 4; Spindler/ Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 2. 15) Franz/Laeger, BB 2008, 678, 683 f. 16) Grigoleit-Wicke, AktG, § 5 Rz. 6 m. w. N. 17) Referentenentwurf IntGesR abrufbar unter: http://www.bmj.de. 18) Ausführlich hierzu Franz/Laeger, BB 2008, 678, 679. 19) EuGH, Urt. v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 (Vale Epitesi kft), ZIP 2012, 1394 = EuZW 2012, 621 ff.; anders noch: OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.2.2012 – 12 W 2361/11, ZIP 2012, 572, mit der Begründung, das UmwG sehe lediglich Regelungen für eine grenzüberschreitende Verschmelzung, nicht jedoch für einen grenzüberschreitenden Formwechsel bzw. eine grenzüberschreitende Vermögensübertragung vor. Zu den mit dem Erfordernis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Aufnahmestaat verbundenen Schwierigkeiten: Drygala, EuZW 2013, 569 ff. 20) Kindler, EuZW 2012, 888, 890; Wicke, DStR 2012, 1756, 1758.
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Sitz
den Mitgliedsstaates umzusetzen und nähert sich somit dem bislang nur für die SE geltenden Art. 8 SE-VO.21) Nicht hieraus ergibt sich hingegen, dass eine deutsche AG ihren Satzungssitz unter Wahrung ihrer Rechtsform als deutsche AG in das europäische Ausland verlegen kann.22) Der Wortlaut von § 5 steht der Rechtsprechung des EuGH somit zwar nicht entgegen, die Norm ist allerdings europarechtskonform auszulegen. d)
Rechtsfolgen bei Verstößen
Da seit Streichung des § 5 Abs. 2 a. F. der Satzungssitz im Inland wieder frei gewählt 9 werden darf, kann ein Verstoß gegen § 5 nur dadurch bedingt sein, dass der Sitz nicht hinreichend bestimmt ist, vollständig fehlt oder unzulässigerweise einen Ort im Ausland benennt.23) Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 hat das Registergericht die Eintragung der AG in einem solchen Fall abzulehnen.24) Wird die Gesellschaft gleichwohl eingetragen, ist sie trotz dieses Mangels wirksam als AG entstanden; das Registergericht hat die AG gemäß § 399 FamG zur Behebung dieses Mangels aufzufordern und bei Unterlassung der Behebung den zur Auflösung der Gesellschaft nach § 262 Abs. 1 Nr. 5 führenden Mangel mittels Beschluss festzustellen.25) Ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss, der nachträglich einen unzulässigen 10 Satzungssitz bestimmt, ist gemäß § 241 Nr. 3 nichtig, seine Eintragung grundsätzlich vom Registergericht abzulehnen und kann auch nach einer aufgrund § 242 Abs. 2 erfolgten Heilung durch Eintragung in das Handelsregister gemäß § 398 Abs. 2 FamG noch gelöscht werden.26) Eine nachträgliche Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland ist nach bisherigem Rechts- 11 verständnis unzulässig und hat ebenfalls die Nichtigkeit des zugrunde liegenden Hauptversammlungsbeschlusses gemäß § 241 Nr. 3 und im ungünstigsten Fall sogar die Umdeutung in einen Auflösungsbeschluss nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 zur Folge.27) Diese Auffassung ist im Lichte der Rechtssache Vale neu zu überdenken und der jeweilige Beschluss ggf. als rechtswirksamer Teilakt eines zulässigen grenzüberschreitenden Rechtsformwechsels zu interpretieren.28) 2.
Verwaltungssitz
Der Begriff Verwaltungssitz wurde in § 5 Abs. 2 a. F. umschrieben und wird definiert als 12 „Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“ (Sandrock’sche Formel).29) _____________ 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27)
28) 29)
Vgl. zur SE: Habersack/Drinhausen-Diekmann, SE-Recht, Art. 8 SE-VO Rz. 4 f. So zutreffend auch Grigoleit-Wicke, AktG, § 5 Rz. 11 a. E. m. w. N. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 5 Rz. 9. BGH, Beschl. v. 2.6.2008 – II ZB 1/06, NJW 2008, 2914 ff. – zur GmbH noch vor MoMiG; Spindler/ Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 11. Hüffer, AktG, § 5 Rz. 9. Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 12. BayObLG, Beschl. v. 7.5.1992 – 3Z BR 14/92, NJW-RR 1993, 43 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 30.4.1997 – 15 W 91-97, NJW-RR 1998, 615; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NJW 2001, 2184, 2185; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 23; Kindler, AG 2007, 721, 723. Zu den einzelnen Voraussetzungen eines solchen Umwandlungsvorgangs vgl. Grigoleit-Wicke, AktG, § 5 Rz. 11 m. w. N; Wicke, DStR 2012, 1756, 1758 f.; Ege/Klett, DStR 2012, 2442, 2444 ff. BGH, Urt. v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, NJW 1986, 2194 f., 2195, im Anschluss an Sandrock in: FS Beitzke, S. 669, 683; OLG Hamm, Beschl. v. 18.8.1994 – 15 W 209/94, NJW-RR 1995, 469, 470; OLG Hamm, Urt. v. 4.10.1996 – 29 U 108/95, RIW 1997, 236, 237.
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§5 a)
Sitz Festlegung
13 Der Verwaltungssitz wird durch tatsächliche Umstände festgelegt und bestimmt sich gemäß der Sandrock’schen Formel regelmäßig nach dem Schwerpunkt der operativen Tätigkeit der AG. Die Aktionäre können den Verwaltungssitz unabhängig vom Satzungssitz i. S. von § 5 auswählen und diesen bei Geltung der Gründungstheorie im Aufnahmestaat auch erstmalig im Ausland begründen.30) Beispiel: Die neu gegründete X-AG hat ihren Satzungssitz in Köln und wird im Handelsregister des AG Köln registriert. Der Sitz der Geschäftsleitung (=Verwaltungssitz) befindet sich hingegen von Anfang an in London. Mangels Mobilitätskomponente (kein Umzug, sondern originäre Begründung des Verwaltungssitzes im Ausland) kann sich die X-AG nicht auf die bereits zitierte EuGH-Rechtsprechung (siehe Rz. 2) berufen.31) Da allerdings das autonome englische Kollisionsrecht der Gründungstheorie folgt, wird die X-AG in London als AG des deutschen Aktienrechts anerkannt. Auch das deutsche Recht stellt sich diesem Fall seit Streichung des § 5 Abs. 2 a. F. nicht mehr entgegen. b)
Bedeutung
14 Gemäß der in Deutschland laut BGH grundsätzlich nach wie vor geltenden Sitztheorie32) ist der Verwaltungssitz entscheidend für die kollisionsrechtliche Bestimmung des auf die AG anwendbaren Gesellschaftsrechts (sog. Gesellschaftsstatut), d. h. bei Sachverhalten mit Auslandsberührung für die Bestimmung der maßgeblichen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.33) Auch die im Zuge des MoMiG erfolgte Streichung des § 5 Abs. 2 a. F. ändert nach umstrittener (aber zutreffender) Ansicht nichts an der grundsätzlichen Fortgeltung der Sitztheorie, da diese gesetzgeberische Maßnahme rein materiell-, nicht aber kollisionsrechtliche Auswirkungen hat.34) Eine endgültige Anerkennung der Gründungstheorie im deutschen Recht bleibt hingegen einer weitergehenden gesetzlichen Änderung, wie bspw. der im RefE IntGesR vorgeschlagenen Neufassung des Art. 10 Abs. 1 EGBGB, vorbehalten.35) Allerdings wird die Sitztheorie zumindest bei Sachverhalten innerhalb Europas durch die Rechtsprechung des EuGH vielfach überlagert (siehe hierzu Rz. 17). 15 Ebenso wie der Satzungssitz ist auch der Verwaltungssitz steuerrechtlicher Anknüpfungspunkt i. S. des KStG, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG i. V. m. § 10 AO. c)
Verlegung
16 Ebenso wie die AG innerhalb Deutschlands jederzeit ihren Sitz i. S. von § 5 unabhängig vom Verwaltungssitz verlegen kann, kann sie umgekehrt ihren Verwaltungssitz innerhalb Deutschlands jederzeit unabhängig vom Satzungssitz verlegen. _____________ 30) S. hierzu Franz/Laeger, BB 2008, 678, 681 ff., 684. 31) A. A. Altmeppen/Ego in: MünchKomm-AktG, Europ. Niederlassungsfreiheit, Rz. 57, 205 m. w. N. 32) BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), ZIP 2008, 2411 ff.; BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06, ZIP 2009, 2385 ff. 33) Ausführlich hierzu Franz/Laeger, BB 2008, 678, 681 ff.; Franz, BB 2009, 1250 ff. 34) BGH, Urt. v. 27.10.2008 – II ZR 158/06 (Trabrennbahn), ZIP 2008, 2411 ff.; BGH, Beschl. v. 8.10.2009 – IX ZR 227/06, ZIP 2009, 2385 ff.; Franz/Laeger, BB 2008, 678, 681 ff. und Franz, BB 2009, 1250, 1251 (jeweils m. w. N. zum Meinungsstand); Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 28; so wohl auch: Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2009, 1, 4; a. A. Grigoleit-Wicke, AktG, § 5 Rz. 12; Altmeppen/ Ego in: MünchKomm-AktG, Europ. Niederlassungsfreiheit, Rz. 199; Fingerhuth/Rumpf, IPRax 2008, 90, 92; Hoffmann, ZIP 2007, 1581, 1585 f. 35) Franz/Laeger, BB 2008, 678, 681 f.
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§5
Sitz
Auch einer nachträglichen Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland steht die re- 17 gisterrechtliche Hürde des § 5 Abs. 2 a. F. seit dessen Streichung nicht mehr im Wege.36) Wird der Verwaltungssitz in einen Mitgliedsstaat der EU oder des EWR verlegt, so hat dieser Staat die Gesellschaft nach den Vorgaben der hierzu ergangenen (und Sitztheorie überlagernden) Rechtsprechung des EuGH als deutsche AG unter Fortgeltung des deutschen Aktienrechts anzuerkennen (siehe hierzu unter Rz. 2). Beispiel: Satzungssitz und Sitz der Geschäftsleitung (Verwaltungssitz) der in das örtliche Handelsregister eingetragenen X-AG befinden sich in Köln. Die Geschäftsleitung verlegt nun ihren Verwaltungssitz von Köln nach London. Die mit diesem Umzug verbundene Mobilitätskomponente rechtfertigt die Anwendung der Niederlassungsfreiheit, so dass England als Aufnahmestaat die X-AG angesichts der bereits zitierten EuGH-Rechtsprechung (siehe Rz. 2) auch unabhängig vom autonomen englischen Kollisionsrecht anzuerkennen hat. § 5 Abs. 2 a. F. steht dem nicht entgegen. Wird der Verwaltungssitz hingegen in einen außereuropäischen Staat verlegt, gilt die 18 Rechtsprechung des EuGH nicht und die Anerkennung der AG in einem solchen Drittstaat hängt davon ab, ob die dortige Rechtsordnung der Sitz- oder der Gründungstheorie folgt.37) Folgt der Aufnahmestaat der Sitztheorie, so endet die Zuständigkeit der deutschen Rechtsordnung an dieser Stelle, eine deutsche AG mit Verwaltungssitz in einem solchen Staat kann nicht existieren, es kommt zu einem sog. Statutenwechsel; bei Geltung der Gründungstheorie im Aufnahmestaat kann grundsätzlich von einer Anerkennung unter Fortgeltung des deutschen Aktienrechts ausgegangen werden.38) Beispiel: Die Geschäftsleitung der X-AG verlegt ihren Verwaltungssitz im Beispiel oben unter Rz. 17 nicht nach London, sondern (i) nach Hongkong und alternativ (ii) nach Istanbul. Die bereits zitierte EuGH-Rechtsprechung (siehe Rz. 2) findet bei einem Umzug in einen außereuropäischen Drittstaat keine Anwendung. Da Hongkong ebenso wie England der Gründungstheorie folgt, wird die X-AG in Alternative (i) in Hongkong anerkannt. Die Türkei folgt der Sitztheorie und erkennt die X-AG in Alternative (ii) hingegen nicht an. d)
Praxishinweis
Die Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Verlegung des Verwaltungssitzes eröffnet 19 der deutschen AG die Möglichkeit, ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich über eine oder mehrere europäische Zweigniederlassungen zu entfalten bzw. ihre (ausschließlich) im europäischen Ausland aktiven Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer deutschen AG oder GmbH (vgl. hierzu die dem § 5 AktG entsprechende Vorschrift des § 4a GmbHG) zu gründen.39) So wird das gesetzgeberisch beabsichtigte „level playing field“ für die deutsche AG, zumindest innerhalb der EU und des EWR, geschaffen. Da der Verwaltungssitz nunmehr i. R. der rechtlich zulässigen Grenzen grundsätzlich frei durch eine entsprechende Entscheidung des Vorstands der AG verlegt werden kann, sollte in der Satzung ggf. zwischen Satzungs- und Verwaltungssitz unterschieden und eine Verlegung des Verwaltungssitzes dem Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats unterstellt werden. In jedem Fall sollte die Anerkennung der zuziehenden AG im _____________ 36) Franz, BB 2009, 1250, 1251. 37) Franz/Laeger, BB 2008, 678 ff., 683, 681; Franz, BB 2009, 1250, 1251. 38) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 10; Franz/Laeger, BB 2008, 678, 683, 684; Franz, BB 2009, 1250, 1251. 39) Grigoleit-Wicke, AktG, § 5 Rz. 12.
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§5
Sitz
betroffenen Aufnahmestaat nach der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung untersucht werden (so ist bspw. ggf. die Registrierung als Zweigniederlassung vor Ort erforderlich). e)
Rechtsfolgen bei Verstößen
20 Eine Abweichung des Verwaltungssitzes vom Sitz i. S. von § 5 hat keine Satzungsänderung und somit auch keinen Wechsel des Registergerichts zur Konsequenz.40) Divergenzen zwischen Satzungs- und Verwaltungssitz werden grundsätzlich hingenommen.41) Nur im Falle der originären Begründung des Verwaltungssitzes einer AG im Gründungsstadium in einem der Sitztheorie folgenden ausländischen Staat (EU, EWR oder Drittstaat), hat dies im Zweifel die Nichtanerkennung im Drittstaat sowie die Auflösung im Inland zur Folge;42) Selbiges gilt für die nachträgliche Verlegung des Verwaltungssitzes in einen der Sitztheorie folgenden außereuropäischen Drittstaat. III.
Inländische Geschäftsanschrift
21 Seit Änderung des AktG durch das MoMiG fordert § 37 Abs. 3 Nr. 1 bei Anmeldung einer AG zur Eintragung in das Handelsregister in jedem Fall und unabhängig von einem ggf. ausschließlichen Verwaltungssitz im Ausland die Angabe einer inländischen Geschäftsanschrift, die sodann bei Eintragung mit eingetragen wird, vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1.43) IV.
Doppelsitz
22 Der Wortlaut in § 5 geht davon aus, dass die AG nur einen einzigen Sitz hat. Ein vom Gesetz abweichender sog. Doppelsitz, d. h. die Begründung von zwei Satzungssitzen kann daher nur die Ausnahme sein und bedarf besonderer Rechtfertigung.44) Eine solche Ausnahme soll vorliegen, wenn die AG ohne Zulassung des Doppelsitzes einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erleiden oder in der Existenz gefährdet würde.45) Unter welchen Voraussetzungen konkret die Verschmelzung von Rechtsträgern durch Aufnahme oder Neugründung den Anforderungen an eine solche Rechtfertigung gerecht werden kann, ist umstritten.46) Ein zulässiger Doppelsitz begründet zwei gleichberechtigt nebeneinander stehende Handelsregisterzuständigkeiten und hat u. a. folgende rechtliche Konsequenzen: Konstitutive Eintragungen sind erst mit Eintragung in beiden Registern wirksam, die AG hat zwei allgemeine Gerichtsstände nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO und in Antragsverfahren nach § 375 FamFG ist gemäß § 2 FamFG dasjenige Gericht zur Entscheidung berufen, welches zuerst in der Sache tätig geworden ist.47) Die Anzahl der AGs mit Doppelsitz ist seit 1985 von 46 auf 16 (Stand Anfang Mai 2010) gesunken.48) _____________ 40) Hüffer, AktG, § 5 Rz. 11; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 9. 41) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 6, die allerdings für eine Restriktion der freien Sitzwahl im Inland und somit gegen ein freies Handelsregister-Shopping plädiert. 42) A. A. Altmeppen/Ego in: MünchKomm-AktG, Europ. Niederlassungsfreiheit, Rz. 57, 205 m. w. N. 43) Vgl. zu der hiermit verknüpften erleichterten Zustellungsmöglichkeit Leistikow, Das neue GmbHRecht, § 4 Rz. 410 ff. 44) BayObLG, Beschl. v. 29.3.1985 – 3 Z 22/85, AG 1986, 48, 49 f., und AG Essen, Beschl. v. 5.1.2001 – 89b AR 1241/00, AG 2001, 434 f. – jeweils zur grundsätzlichen Unzulässigkeit eines Doppelsitzes auch bei Verschmelzung; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 7 f.; K. Schmidt/Lutter-Zimmer, AktG, § 5 Rz. 15 ff. 45) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 7; Heider in: MünchKomm-AktG, § 5 Rz. 47. 46) Vgl. hierzu m. w. N.: Hüffer, AktG, § 5 Rz. 10; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 5 Rz. 7; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 21; Bayer/Hoffmann, AG Report 2010, R 259 ff. 47) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 5 Rz. 22 m. w. N. 48) Bayer/Hoffmann, AG-Report 2010, R 259 ff.
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§6
Grundkapital
§6 Grundkapital Das Grundkapital muss auf einen Nennbetrag in Euro lauten. Literatur: Ihrig/Streit, Aktiengesellschaft und Euro, Handlungsbedarf und Möglichkeiten der Aktiengesellschaften anlässlich der Euro-Einführung, NZG 1998, 201; Seibert, Die Umstellung des Gesellschaftsrechts auf den Euro, ZGR 1998, 1.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Grundkapital ..................................... 2 III. Nennbetrag ........................................ 3 I.
IV. Euro-Umstellung .............................. 4 V. Rechtsfolgen bei Verstößen ............. 8
Bedeutung der Norm
§ 6 setzt die Notwendigkeit eines Grundkapitals voraus, schreibt vor, dass dieses in einem 1 Nennbetrag in Euro ausgedrückt sein muss und wurde aufgrund der Einführung des Euro zum 1.1.1999 durch das Euro-EG1) von DM auf Euro umgestellt.2) II.
Grundkapital
Die Notwendigkeit eines Grundkapitals für jede AG ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 2. 2 Das Grundkapital ist das in einer Geldsumme ausgedrückte verfassungsmäßige Garantiekapital der AG, dessen Aufbringung und Erhalt durch §§ 9 Abs. 1, 27 ff., 63 ff. bzw. §§ 57 – 62, 71 sichergestellt wird.3) Vgl. zur Bedeutung des Grundkapitals auch § 1 Rz. 27 ff., § 7 Rz. 1. III.
Nennbetrag
Da das Grundkapital aufgrund gesetzlicher Anordnung einen Nennbetrag haben muss, 3 kann es lediglich durch Bezifferung ausgedrückt werden, Umschreibungen genügen hingegen nicht.4) Die Höhe des Grundkapitals muss gemäß § 7 mindestens 50.000 € betragen und ist bei Gründung der AG in der Satzung festzusetzen, vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 3. Eine Änderung des festgesetzten Betrages erfordert stets eine Satzungsänderung und kann nur i. R. von Kapitalmaßnahmen i. S. der §§ 182 ff. (Kapitalerhöhung) oder §§ 222 ff. (Kapitalherabsetzung) mit mindestens Dreiviertelmehrheit der Hauptversammlung (§ 179 Abs. 2) erfolgen. IV.
Euro-Umstellung
Für jede AG, die vor dem 1.1.1999 in das Handelsregister eingetragen wurde, bestanden 4 gemäß §§ 1 – 4 EGAktG bis zum 31.12.2001 vier Möglichkeiten, auf die Währungsumstellung von DM auf Euro zu reagieren: –
Die DM-Beträge konnten rechnerisch mit Nennbetragsglättung auf Euro umgestellt werden;
–
die DM-Beträge konnten rechnerisch ohne Nennbetragsglättung auf Euro umgestellt werden;
_____________ 1) 2) 3) 4)
Gesetz zur Einführung des Euro v. 9.6.1998, BGBl. I, 1242. Hüffer, AktG, § 6 Rz. 1 f. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 IV. 1. a), S. 775 f. Hüffer, AktG, § 6 Rz. 1; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 6 Rz. 1.
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§6
Grundkapital
–
die Aktien konnten auf Stückaktien umgestellt werden; oder
–
die DM-Beträge konnten beibehalten werden.5)
5 Sollte im Fall der Umstellung auf Euro-Beträge keine Nennbetragsglättung oder –anpassung durchgeführt worden sein, so muss(te) dies bei der nächsten Kapitalmaßnahme nachgeholt werden, vgl. §§ 1 Abs. 2 Satz 3, 3 Abs. 5 EGAktG. 6 Wurden die DM-Beträge auch nach dem 31.12.2001 statutarisch beibehalten, gilt ab dem 1.1.2002 der Nennbetrag des Grundkapitals mit dem Umrechnungskurs von 1 € für 1,95583 DM automatisch als Euro-Betrag, so dass formelle (= Wortlaut der Satzung) und materielle (= gesetzlich automatische Umstellung auf Euro) Rechtslage auseinander fallen.6) Die Anpassung der formellen Rechtslage auf Euro wird dadurch erleichtert, dass gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EGAktG, in Abweichung von § 179 Abs. 2, eine einfache Mehrheit in der Hauptversammlung hierfür ausreicht und ausnahmsweise der Aufsichtsrat zu einer grundsätzlich vom Vorstand gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 beim Handelsregister anzumeldenden Satzungsänderung ermächtigt ist, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 EGAktG. Im Rahmen der vereinfachten Handelsregisteranmeldung muss weder der vollständige Satzungswortlaut noch eine notarielle Bescheinigung beigefügt oder die Änderung bekannt gemacht werden, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3 EGAktG. 7 Für den Übergangszeitraum vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2001 konnten auch solche Neugründungen und Kapitalmaßnahmen in das Handelsregister eingetragen werden, bei denen der Nennbetrag noch in DM beziffert war, im Fall von Kapitalmaßnahmen gemäß §§ 202 ff. (genehmigtes Kapital) mit späterem Ablauf der Ermächtigungsfrist auch noch nach dem 31.12.2001.7) Seit dem 1.1.2002 dürfen Neugründungen und Kapitalmaßnahmen mit auf DM lautendem Grundkapital nicht mehr eingetragen werden, bei Kapitalmaßnahmen ist das Datum des Hauptversammlungsbeschlusses (§ 183) und nicht dasjenige ihrer Durchführung (§ 188) maßgeblich.8) V.
Rechtsfolgen bei Verstößen
8 Ist in der Satzung kein Grundkapital bestimmt, ist das Grundkapital nicht beziffert, bis 31.12.2001 nicht in Euro oder DM (d. h. in Fremdwährung) oder ab dem 1.1.2002 in Fremdwährung oder noch in DM angegeben, so hat das Registergericht gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 die Eintragung abzulehnen.9) Die Eintragung in das Handelsregister trotz eines solchen Mangels führt dennoch zur wirksamen Entstehung der AG.10) Enthält die Satzung keine Bestimmung zum Grundkapital, kann die Nichtigkeitsklage gemäß § 275 Abs. 1 erhoben und daneben das Amtslöschungsverfahren gemäß § 398 FamFG eingeleitet werden; ist die Höhe des Grundkapitals nicht beziffert oder lautet es nicht auf Euro, so hat das Registergericht die AG gemäß § 399 FamFG zur Behebung dieses Mangels aufzufordern und bei Unterlassung der Behebung den zur Auflösung der Gesellschaft nach § 262 Abs. 1 Nr. 5 führenden Mangel mittels Beschluss festzustellen.11) Ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss, der nachträglich gegen § 6 verstößt, ist _____________ 5) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 6 Rz. 5; ausführlich zum Thema Umstellung des Grundkapitals bei Altgesellschaften: Hüffer, AktG, § 6 Rz. 4 ff.; Heider in: MünchKomm-AktG, § 6 Rz. 44 ff.; Ihrig/ Streit, NZG 1998, 201 ff. 6) Art. 14 der VO des Rates der EU über die Einführung des Euro Nr. 1103/97 v. 17.6.1997, ABl. EG Nr. L 162/1 v. 19.6.1997; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 6 Rz. 10. 7) Hüffer, AktG, § 6 Rz. 5. 8) Hüffer, AktG, § 6 Rz. 6. 9) Hüffer, AktG, § 6 Rz. 9. 10) Hüffer, AktG, § 6 Rz. 9. 11) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 6 Rz. 4.
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§7
Mindestnennbetrag des Grundkapitals
gemäß § 241 Nr. 3 nichtig, seine Eintragung vom Registergericht abzulehnen und kann auch noch nach einer aufgrund § 242 Abs. 2 durch Eintragung in das Handelsregister erfolgten Heilung gemäß § 398 Abs. 2 FamFG gelöscht werden.12) _____________ 12) Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 6 Rz. 4.
§7 Mindestnennbetrag des Grundkapitals Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals ist fünfzigtausend Euro. Literatur: Eidenmüller/Engert, Die angemessene Höhe des Grundkapitals der Aktiengesellschaft, AG 2005, 97; Lutter, Gesetzliches Garantiekapital als Problem europäischer und deutscher Rechtspolitik, AG 1998, 375.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Mindestnennbetrag ........................... 2 I.
III. Spezialgesetzliche Ausnahmen ........ 3 IV. Rechtsfolgen bei Verstößen ............. 5
Bedeutung der Norm
Neben der Gewährleistung eines den Gläubigern als Ausgleich für die fehlende persönliche 1 Haftung der Aktionäre zur Verfügung stehenden Mindesthaftkapitals (Gläubigerschutz) soll die Vorschrift primär eine Sperrfunktion erfüllen, indem sie Unternehmen, deren Geschäftsbetrieb mit weniger als 50.000 € Eigenkapital auskommt, den Zugang zur Rechtsform der AG verwehrt (siehe zu weiteren Funktionen § 1 Rz. 27 ff.).1) Selbst Kleinunternehmer werden heute allerdings eher von der aufwendigen Organisationsstruktur, der Satzungsstrenge, den strikten Vorschriften zur Sachgründung und den strengen Publizitätspflichten bei der AG abgeschreckt als von der Höhe des Mindestnennbetrags.2) II.
Mindestnennbetrag
Die Vorschrift legt die betragsmäßige Untergrenze für das von § 1 Abs. 2 geforderte und 2 gemäß § 6 in Euro zu beziffernde Grundkapital auf 50.000 € fest. Das Mindest-Grundkapital für die deutsche AG liegt somit über dem in Art. 6 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie vorgeschriebenen Betrag von 25.000 € und unterhalb dem gemäß Art. 4 Abs. 2 SE-VO für die europäische Aktiengesellschaft vorgeschriebenen Betrag von 120.000 €. Das Grundkapital liegt in der Praxis allerdings regelmäßig deutlich über 50.000 €.3) Grundsätzlich darf der von § 7 vorgegebene Mindestnennbetrag nur über-, aber nicht unterschritten werden. Einzige (scheinbare) Ausnahme ist eine sanierungsbedingte Kapitalherabsetzung gemäß § 228, bei welcher der Mindestnennbetrag durch eine gleichzeitig beschlossene Kapitalerhöhung alsbald allerdings wieder erreicht wird.4) _____________ 1) 2) 3) 4)
Hüffer, AktG, § 7 Rz. 1; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 7 Rz. 1. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 7 Rz. 4; Heider in: MünchKomm-AktG, § 7 Rz. 10; HöltersSolveen, AktG, § 7 Rz. 1. Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 7 Rz. 1; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 7 Rz. 5; Eidenmüller/ Engert, AG 2005, 97, 99. Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 7 Rz. 2; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 7 Rz. 5. Bsp. bei: BGH, Urt. v. 5.10.1992 – II ZR 172/91 (Klöckner & Co.), AG 1993, 125 ff.
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§8 III.
Form und Mindestbeiträge der Aktien Spezialgesetzliche Ausnahmen
3 Für Gesellschaften, die ein bestimmtes Gewerbe ausüben, legen Spezialgesetze teilweise einen höheren Mindestnennbetrag fest: –
300.000 € bei internen Kapitalverwaltungsgesellschaften (sog. Anfangskapital),5)
–
125.000 € bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften (sog. Anfangskapital),6)
–
1.000.000 € bei Unternehmensbeteiligungsgesellschaften,7)
–
5.000.000 € bei Verwahrstellen,8)
–
15.000.000 € bei REIT-Aktiengesellschaften9) und
–
25.000.000 € bei Pfandbriefbanken.10)
4 Auch bei Versicherungsgesellschaften und Bausparkassen kann die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb vom Erreichen einer bestimmten Eigenkapitalausstattung abhängig gemacht werden.11) Bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Rechtsform einer AG fordert das Gesetz kein höheres Mindestkapital, aber abweichend vom Grundsatz des § 36a Abs. 1 eine höhere Mindesteinzahlung.12) IV.
Rechtsfolgen bei Verstößen
5 Bei fehlender oder zu geringer Festsetzung des Grundkapitals gelten hinsichtlich der Rechtsfolgen die Ausführungen zu § 6 entsprechend (siehe hierzu § 6 Rz. 8). Mit Ausnahme der REIT-AG13) sind die genannten spezialgesetzlichen Regelungen über ein von § 7 abweichendes höheres Mindestkapital nicht gesellschafts-, sondern vielmehr aufsichtsrechtlich veranlasst, so dass eine Unterschreitung keine aktienrechtlichen, sondern lediglich aufsichtsrechtliche Konsequenzen hat.14) _____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13)
§ 25 Abs. 1 Nr. 1 lit. a KAGB. § 25 Abs. 1 Nr. 1 lit. b KAGB. § 2 Abs. 4 UBGG. § 68 Abs. 5 KAGB. § 4 REITG. § 2 Abs. 1 Nr. 1 PfandBG. §§ 5 Abs. 4, 53c VAG bzw. §§ 2 Abs. 1, 8 Abs. 1 BausparG i. V. m. §§ 10, 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG. § 28 Abs. 6 Satz 2 WPO. Bei den REIT-Aktiengesellschaft ist der Mindestnennbetrag von 15.000.000 € gemäß § 4 REITG gesellschaftsrechtlich vorgeschrieben und gemäß § 1 Abs. 3 REITG gelten die aktienrechtlichen Regelungen über die Eintragung entsprechend. 14) Hüffer, AktG, § 7 Rz. 9; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 7 Rz. 2; Hölters-Solveen, AktG, § 7 Rz. 7.
§8 Form und Mindestbeiträge der Aktien (1) Die Aktien können entweder als Nennbetragsaktien oder als Stückaktien begründet werden. (2) 1Nennbetragsaktien müssen auf mindestens einen Euro lauten. 2Aktien über einen geringeren Nennbetrag sind nichtig. 3Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. 4Höhere Aktiennennbeträge müssen auf volle Euro lauten. (3) 1Stückaktien lauten auf keinen Nennbetrag. 2Die Stückaktien einer Gesellschaft sind am Grundkapital in gleichem Umfang beteiligt. 3Der auf die einzelne Aktie ent48
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§8
Form und Mindestbeiträge der Aktien
fallende anteilige Betrag des Grundkapitals darf einen Euro nicht unterschreiten. 4 Absatz 2 Satz 2 und 3 findet entsprechende Anwendung. (4) Der Anteil am Grundkapital bestimmt sich bei Nennbetragsaktien nach dem Verhältnis ihres Nennbetrags zum Grundkapital, bei Stückaktien nach der Zahl der Aktien. (5) Die Aktien sind unteilbar. (6) Diese Vorschriften gelten auch für Anteilscheine, die den Aktionären vor der Ausgabe der Aktien erteilt werden (Zwischenscheine). Literatur: Ekkenga, Vorzüge und Nachteile der nennwertlosen Aktie, WM 1997, 1645; Heider, Einführung der nennwertlosen Aktie in Deutschland anlässlich der Umstellung des Gesellschaftsrechts auf den Euro, AG 1998, 1; Vetter, Verpflichtung zur Schaffung von 1 Euro-Aktien?, AG 2000, 193; Zöllner, Neustückelung des Grundkapitals und Neuverteilung von Einzahlungsquoten bei teileingezahlten Aktien der Versicherungsgesellschaften, AG 1985, 19.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 2, 4) ..................................... 5 1. Begriff ................................................. 5 2. Unterschiedliche Nennbeträge .......... 7 3. Vermeidung von Spitzen .................... 8 4. Kalter Bezugsrechtsausschluss .......... 9 5. Änderung der Nennbeträge ............. 10 a) Neustückelung ........................... 11 b) Kapitalmaßnahmen .................... 12 6. Rechtsfolgen bei Verstößen ............. 13 a) Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 ......................... 14 b) Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 4 ......................... 17 I.
III. Stückaktien (§ 8 Abs. 3, 4) ............. 1. Begriff ............................................... 2. Zulässigkeit von Spitzen .................. 3. Besonderheiten bei Kapitalmaßnahmen .............................................. 4. Rechtsfolgen bei Verstößen ............ IV. Umstellung der Aktienform .......... 1. Grundsatz ......................................... 2. Beschlossene Kapitalmaßnahmen ... V. Unteilbarkeit (§ 8 Abs. 5) ............... 1. Aufspaltungsverbot .......................... 2. Abspaltungsverbot ........................... 3. Rechtsfolgen bei Verstößen ............ VI. Zwischenscheine (§ 8 Abs. 6) .........
18 18 19 20 21 22 22 23 24 24 26 28 29
Bedeutung der Norm
Ursprünglich kannte das Aktiengesetz ausschließlich Nennbetragsaktien. Erst zum 1 1.4.1998 wurde durch das Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stück AG)1) alternativ die Ausgabe von Stückaktien vorgesehen.2) Der Wortlaut des § 8 Abs. 1 sowie derjenige des § 23 Abs. 2 Nr. 4 („entweder…oder“) 2 setzt Nennbetrags- und Stückaktien in ein striktes Alternativverhältnis, so dass die Ausgabe beider Aktienformen nebeneinander unzulässig ist.3) Die Wahl für eine der Aktienformen ist bei Gründung durch entsprechende Festlegung in der Satzung zu treffen, vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 4. Da Inhaber- bzw. Namensaktien i. S. von § 10 Abs. 1 ebenso wie Vorzugs- bzw. Stammaktien i. S. von § 12 Abs. 1 keine Aktienformen im Rechtssinne sind, ist ein gleichzeitiges Nebeneinander diesbezüglich zulässig.4) Praktische Vorteile der Stückaktie sind insbesondere die Zulässigkeit eines nicht auf 3 ganze Euro lautenden anteiligen Betrags am Grundkapital, die Möglichkeit einer Einziehung _____________ 1) 2) 3) 4)
Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (StückAG) v. 25.3.1998, BGBl. I, 590. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 1 f. Hüffer, AktG, § 8 Rz. 4; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 8. Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 8 AktG Rz. 3.
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ohne Kapitalherabsetzung gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 3 (Amortisation) sowie einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch Aufstockung des rechnerischen Anteils gemäß § 207 Abs. 2 Satz 2 und ein im Vergleich zur Nennbetragsaktie geringeres Anfechtungsrisiko.5) Vorteil der Nennbetragsaktie ist die Möglichkeit, dass Aktien mit unterschiedlichen Nennbeträgen ausgegeben werden können.6) 4 Bei der Investmentaktiengesellschaft dürfen gemäß § 109 Abs. 1 KAGB nur noch Stückaktien ausgegeben werden. II.
Nennbetragsaktien (§ 8 Abs. 2, 4)
1.
Begriff
5 Wichtigste Eigenschaft der Nennbetragsaktie ist die Ausweisung eines gemäß § 6 zu beziffernden und statutarisch festzulegenden Nennbetrags von mindestens 1 €, vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 4. Im Zusammenspiel mit dem Gebot der Zerlegung des Grundkapitals in § 1 Abs. 2 folgt hieraus, dass der Gesamtbetrag aller Nennbetragsaktien mit der Summe des Grundkapitals identisch sein muss, dieses also weder unter- noch überschreiten darf.7) Setzt man den Nennbetrag der jeweiligen Aktie ins Verhältnis zum Grundkapital, so kann man den prozentualen Anteil der jeweiligen Aktie am Grundkapital bestimmen (§ 8 Abs. 4 Alt. 1). Ein Nennbetrag von mehr als 1 € muss stets durch 1 € teilbar sein (§ 8 Abs. 2 Satz 4). Beispiel: Bei einem Grundkapital i. H. v. 50.000 € und einer Zerlegung in zwei Nennbetragsaktien zu einem Nennbetrag von 30.000 € bzw. 20.000 € beträgt der Anteil der jeweiligen Aktie am Grundkapital 60 % bzw. 40 %. 6 Umgekehrt folgt hieraus, dass die Höhe des Grundkapitals die zulässige Höchstzahl von Nennbetragsaktien bestimmt. Beispiel: So kann z. B. eine AG mit einem Grundkapital i. H. v. 100.000 € maximal 100.000 Nennbetragsaktien mit einem Nennwert von je 1 € ausgeben (§ 8 Abs. 2 Satz 1). 2.
Unterschiedliche Nennbeträge
7 Das Grundkapital kann in Aktien mit unterschiedlichen Nennbeträgen gestückelt werden, vgl. § 23 Abs. 4 Nr. 4 („…die Zahl der Aktien jeden Nennbetrags…“), so dass nicht nur bei Gründung unterschiedliche Nennbeträge festgelegt, sondern auch bei Kapitalerhöhungen Aktien mit anderen Nennbeträgen als bisher vorhanden ausgegeben werden können.8) Grundsätzlich sind die Aktionäre bei Festlegung der Höhe des Nennbetrags oberhalb des 1 € Mindestnennbetrags frei, vgl. aber § 8 Abs. 2 Satz 4 (siehe hierzu Rz. 8). 3.
Vermeidung von Spitzen
8 Soweit Aktien mit Nennbeträgen i. H. v. über 1 € ausgegeben werden, schreibt § 8 Abs. 2 Satz 4 vor, dass diese ebenfalls auf volle Euro lauten, und somit jeweils durch 1 € teilbar sein müssen. Zu Schwierigkeiten kann dies führen, wenn bei Durchführung bestimmter Strukturmaßnahmen keine glatten Eurobeträge, sondern rechnerische Bruchteile von Aktien (sog. Spitzen) anfallen, wie z. B. bei Kapitalmaßnahmen, Umwandlungen oder _____________ 5) 6) 7) 8)
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K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 5. Grigoleit-Vedder, AktG, § 8 Rz. 3. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 14; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 5. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 16.
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§8
Abfindungen i. R. von Unternehmensverträgen.9) In solchen Fällen greifen zum Teil gesetzliche Regelungen ein (bei Kapitalherabsetzung § 222 Abs. 4 Satz 2, bei Formwechsel einer GmbH in eine AG § 241 Abs. 1 UmwG), zum Teil können Mehrheitsaktionäre kraft ihrer mitgliedschaftlichen Treubindung (§ 53a) gegenüber Minderheitsaktionären ausnahmsweise verpflichtet sein, derartige Spitzen durch Wahl des geringstzulässigen Nennbetrags zu vermeiden, wobei ein abweichender Beschluss ggf. anfechtbar ist.10) Zu der mit Einführung des Euro erforderlichen Umstellung der Nennbetragsaktien von DM auf Euro und der damit verbundenen Problematik krummer Nennbeträge vgl. §§ 3 und 4 EGAktG.11) 4.
Kalter Bezugsrechtsausschluss
Wird der Nennbetrag bei einer Kapitalerhöhung unter formaler Wahrung des Bezugs- 9 rechts so hoch angesetzt, dass es zu einem faktischen Bezugsrechtsausschluss für Altaktionäre kommt (sog. kalter Bezugsrechtsausschluss), besteht das Risiko einer Anfechtbarkeit des jeweiligen Kapitalerhöhungsbeschlusses.12) Vgl. zum kalten Bezugsrechtsausschluss auch § 9 Rz. 19. 5.
Änderung der Nennbeträge
Da die Nennbeträge Teil der Satzung sind, bedarf jede Nennbetragsänderung unter Bea- 10 chtung von § 8 Abs. 2 Satz 1 und 4 eines entsprechenden satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses gemäß §§ 179 ff.13) Folgende Konstellationen einer statutarischen Nennbetragsänderung sind denkbar: a)
Neustückelung
Die Neustückelung ist eine Änderung der Zerlegung des Grundkapitals bei gleichbleiben- 11 der Ziffer des Grundkapitals im Wege der Teilung und/oder Vereinigung.14) Bei einer Teilung werden die jeweiligen Nennbeträge in kleinere Einheiten gegliedert.15) § 8 Abs. 5 ist hiervon nicht betroffen.16) Die Zustimmung des einzelnen Aktionärs zur Teilung ist grundsätzlich nicht erforderlich, da sein Mitgliedschaftsrecht unverändert bleibt und seine Rechtsposition folglich nicht beeinträchtigt wird.17) Etwas anderes kann gelten, wenn bei der Teilung eine Spitze bleibt, für die keine neue Aktie zugeteilt wird.18) Die Vereinigung als Pendant zur Teilung bedeutet Zusammenlegung mehrerer bisher selbständiger Aktien zu einer (oder mehreren) neuen Aktie(n), die nunmehr bei gleichbleibendem Grundkapital einen der Summe der bisherigen Nennbeträge entsprechenden höheren Nennbetrag ausweist/en.19) Im Gegensatz zur Teilung ist bei der Vereinigung nach überwiegender Ansicht die Zustimmung des betroffenen Aktionärs erforderlich, weil hierdurch _____________ 9) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 17 ff.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 10. 10) BGH, Urt. v. 5.7.1999 – II ZR 126-98, NJW 1999, 3197 f.; Hüffer, AktG, § 8 Rz. 6, § 222 Rz. 23; Heider in: MünchKomm-AktG, § 8 Rz. 60; ausführlich hierzu: Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 17 ff.; Vetter, AG 2000, 193 ff. 11) Ausführlich hierzu: Hüffer, AktG, § 8 Rz. 13 ff.; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 64 ff. 12) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 7. 13) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 23. 14) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 26; ausführlich hierzu Zöllner, AG 1985, 19 ff. 15) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 26. 16) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 30. 17) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 27; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 12. 18) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 32; Grigoleit-Vedder, AktG, § 8 Rz. 12. 19) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 28.
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die Mobilität und somit auch die Fungibilität seiner Beteiligungen erschwert werden.20) Teilung und Vereinigung der Nennbeträge können auch kombiniert werden.21) b)
Kapitalmaßnahmen
12 Einfache Kapitalerhöhungen können ebenso wenig wie Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln im Wege der Erhöhung des Nennbetrags der bestehenden Aktien durchgeführt werden, sondern nur durch Ausgabe neuer Aktien, vgl. §§ 182 Abs. 1 Satz 4, 207 Abs. 2 (anders bei Stückaktien, siehe hierzu Rz. 20).22) Es dürfte aber zulässig sein, im Zuge der Kapitalerhöhung das Grundkapital neu zu stückeln und anschließend Aktien mit entsprechend höheren Nennbeträgen auszugeben.23) Um die Identität zwischen der Summe sämtlicher Nennbeträge und dem Grundkapital wahren zu können, ist bei einer Kapitalherabsetzung notwendigerweise eine Absenkung der bisherigen Nennbeträge erforderlich und somit auch zulässig, vgl. § 222 Abs. 4 Satz 1. Hierbei müssen die Nennbeträge soweit herabgesetzt werden, dass Spitzen vermieden werden.24) 6.
Rechtsfolgen bei Verstößen
13 Das Gesetz sanktioniert Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 mit der Nichtigkeit der Aktien (§ 8 Abs. 2 Satz 2). Für Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 4 fehlt eine gesetzliche Regelung. Es wird wie folgt unterschieden: a)
Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 1
14 Für den (theoretischen) Fall, dass die Gründungssatzung einen Nennbetrag von unter 1 € festsetzt, sind sowohl Satzung als auch Übernahmeerklärung vor Handelsregistereintragung gemäß § 134 BGB nichtig, eine Vor-AG entsteht nicht, und das Registergericht hat die Eintragung der AG gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 abzulehnen.25) Trägt das Registergericht die AG trotz Mangels ein, entsteht die AG und somit gleichzeitig die aktienrechtliche Mitgliedschaft rechtswirksam, ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 275 liegt nicht vor, so dass nur ein Amtsauflösungsverfahren gemäß § 399 FamFG i. V. m. § 262 Abs. 1 Nr. 5 AktG in Betracht kommt.26) Verstößt ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss, z. B. ein Kapitalerhöhungsbeschluss, gegen § 8 Abs. 2 Satz 1, so ist er gemäß § 241 Nr. 3 nichtig, das Registergericht darf weder den Beschluss noch dessen Durchführung eintragen; wird ein solcher Beschluss dennoch eingetragen, so ist die Mitgliedschaft zunächst wirksam entstanden, allerdings kann jeder Aktionär oder ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats innerhalb von drei Jahren seit Eintragung Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des entsprechenden Beschlusses gemäß §§ 249, 242 Abs. 2 erheben.27) Darüber hinaus und unabhängig von der Drei-Jahres-Frist kann der Beschluss von Amts wegen gemäß § 398 Abs. 2 FamFG als nichtig gelöscht werden.28) _____________ 20) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 28; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 13; Heider in: MünchKomm-AktG, § 8 Rz. 55; Grigoleit-Vedder, AktG, § 8 Rz. 12; Hölters-Solveen, AktG, § 8 Rz. 14; a. A. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 32. 21) Heider in: MünchKomm-AktG, § 8 Rz. 56. 22) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 24. 23) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 14. 24) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 25. 25) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 7. 26) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 7. 27) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 33; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 21. 28) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 33; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 21.
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Wird trotz eines Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 in das Handelsregister eingetragen, so 15 entfallen bei einer eventuellen Verbriefung der Mitgliedschaft alle wertpapierrechtlichen Anknüpfungen.29) Die Übertragung der mit Eintragung entstandenen Mitgliedschaftsrechte ist nur noch nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen möglich (§§ 413, 398 ff., 1274 BGB), so dass die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs ausscheidet.30) Bereits vor Eintragung der AG bzw. der Kapitalerhöhung ausgegebene Aktienurkunden sind nach §§ 41 Abs. 4 Satz 1, 191 Satz 2, 197 Satz 2, 203 Abs. 1 nichtig, so dass § 8 Abs. 2 Satz 2 in diesem Fall nicht bemüht werden muss.31) § 8 Abs. 2 Satz 3 begründet eine gesamtschuldnerische Schadensersatzpflicht in Form 16 einer §§ 823 ff. BGB unterstehenden deliktsähnlichen Gefährdungshaftung der Ausgeber (regelmäßig: Vorstand) gegenüber den Inhabern (Eigentümer der nichtigen Urkunden).32) Ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 stellt außerdem eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 405 Abs. 1 Nr. 3 dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 € sanktioniert werden kann, vgl. § 405 Abs. 4. b)
Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 4
Verstöße gegen § 8 Abs. 2 Satz 4 sind weniger gravierend als Verstöße gegen § 8 Abs. 2 17 Satz 1.33) Sollten entgegen der gesetzlichen Anordnung die vorgesehenen Nennbeträge der Aktien nicht auf volle Euro lauten, so hat das Registergericht die Eintragung der AG bzw. die entsprechende Kapitalerhöhung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 4 abzulehnen; wird die Handelsregistereintragung dennoch vollzogen, bleibt ein solcher Verstoß weitgehend folgenlos: § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 405 Abs. 1 Nr. 3 sind nicht anwendbar, Amtsauflösung gemäß § 399 FamFG, Amtslöschung gemäß § 398 FamFG oder Nichtigerklärung gemäß § 275 kommen nicht in Betracht, d. h. die Mitgliedschaften sind wirksam entstanden und ggf. wirksam verbrieft.34) Wird der Verstoß i. R. einer Satzungsänderung begangen, so ist der zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss nicht nichtig, sondern nach § 243 Abs. 1 lediglich anfechtbar.35) III.
Stückaktien (§ 8 Abs. 3, 4)
1.
Begriff
Da Stückaktien gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 keinen Nennbetrag ausweisen, ist der Wert einer 18 Stückaktie nicht aus der jeweiligen Aktie selbst heraus erkennbar, sondern muss mittels Division des Grundkapitals durch die gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 4 in der Satzung festzulegenden Anzahl sämtlicher Stückaktien errechnet werden, vgl. auch § 8 Abs. 4 Alt. 2. Diese Art der Wert- bzw. Anteilsbestimmung folgt aus der gesetzlichen Anordnung der Beteiligung sämtlicher Stückaktien am Grundkapital in gleichem Umfang gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2. Auch der Nennwert einer jeden Stückaktie darf den Betrag von 1 € gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 nicht unterschreiten. Ein unterschiedlich hoher Anteil am Grundkapital, wie er bei Nennbetragaktien durch die Ausgabe von Aktien mit voneinander abweichen-
_____________ 29) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 9; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 37; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 23. 30) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 37; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 23. 31) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 37. 32) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 10; Heider in: MünchKomm-AktG, § 8 Rz. 72 ff. 33) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 40. 34) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 12; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 40. 35) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 12; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 40.
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den Nennbeträgen begründet werden kann, ist bei Stückaktien wegen § 8 Abs. 3 Satz 2 nicht denkbar (für Nennbetragsaktien siehe Rz. 7).36) Beispiel: So kann eine AG mit einem Grundkapital i. H. v. 100.000 € maximal 100.000 Stückaktien ausgeben (§ 8 Abs. 3 Satz 3). 2.
Zulässigkeit von Spitzen
19 Ein Nennwert von über 1 € muss, mangels einer dem § 8 Abs. 2 Satz 4 entsprechenden Regelung, im Gegensatz zu Nennbetragsaktien allerdings nicht auf einen vollen Euro-Betrag lauten, so dass bei Stückaktien auch krumme Nennwerte zulässig sind.37) Beispiel: Bei einem Grundkapital i. H. v. 100.000 € und einer Zerlegung in 101 Stückaktien beträgt der Nennwert jeder Aktie 990,09901 € und ihr Anteil am Grundkapital 0,99009901 %. 3.
Besonderheiten bei Kapitalmaßnahmen
20 Da Stückaktien keinen Nennbetrag ausweisen, können Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln auch ohne Ausgabe neuer Aktien durch Erhöhung des Grundkapitals durchgeführt werden, vgl. § 207 Abs. 2 Satz 2. In diesem Fall erhöht sich der jeweilige Wert einer Stückaktie unter Beibehaltung ihres prozentualen Anteils am Grundkapital. Bei Kapitalerhöhungen gegen Einlagen sind jedoch auch bei Stückaktien stets neue Aktien auszugeben, vgl. § 182 Abs. 1 Satz 4 und 5. Bei Kapitalherabsetzungen von Stückaktien ist die bei Nennbetragsaktien gemäß § 222 Abs. 4 Satz 1 erforderliche Herabsetzung des jeweiligen Nennbetrags der einzelnen Aktie entbehrlich, da die Division des angepassten Grundkapitals durch die gleichbleibende Zahl der Stückaktien nunmehr aufgrund gesetzlicher Anordnung automatisch einen geringeren Wert ergibt.38) 4.
Rechtsfolgen bei Verstößen
21 Während ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 1 bei Nennbetragsaktien in der Praxis eher geringe praktische Bedeutung hat, ist die (Neu-)Stückelung des Grundkapitals bei Stückaktien im Hinblick auf die auch hier gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 geltende gesetzliche Anordnung eines Mindestnennwerts von 1 € fehleranfälliger, da bei Stückaktien der Nennwert nicht explizit ausgewiesen ist.39) Die Ausführungen unter Rz. 13 ff. gelten hier entsprechend, vgl. auch § 8 Abs. 3 Satz 4. IV.
Umstellung der Aktienform
1.
Grundsatz
22 Der Wechsel zwischen beiden Aktienformen ist zulässig und bedarf der Satzungsänderung nach den allgemeinen Regelungen der §§ 179 ff.; die Zustimmung sämtlicher Aktionäre ist grundsätzlich nicht erforderlich, da es kein Aktionärsrecht auf Beibehaltung der bisherigen Aktienstrukturen gibt.40) Sollte es sich bei einer Umstellung von Nennbetrags- auf Stückaktien um Aktien mit unterschiedlich hohen Nennbeträgen handeln, _____________ 36) 37) 38) 39) 40)
54
Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 29. Hüffer, AktG, § 8 Rz. 22; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 6. Heider in MünchKomm-AktG, § 8 Rz. 84. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 30. Hüffer, AktG, § 8 Rz. 23; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 9; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 4.
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Form und Mindestbeiträge der Aktien
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muss vor der Umstellung auf Stückaktien zunächst eine entsprechende Umstückelung auf Nennbetragsaktien mit jeweils gleichem Nennbetrag vollzogen werden, damit § 8 Abs. 3 Satz 2 gewahrt bleibt.41) Sollten bei einer Umstellung von Stück- auf Nennbetragsaktien die Stückaktien so gestückelt sein, dass die jeweiligen Nennbetragsaktien bei Umrechnung keine vollen Eurobeträge ergeben und somit einen Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 4 zur Konsequenz haben, sind zunächst ebenfalls entsprechende Kapitalmaßnahmen (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bzw. Kapitalherabsetzung) erforderlich.42) Sofern die einzelnen Maßmahmen hinreichend transparent bleiben, können diese auch in einem Hauptversammlungsbeschluss zusammengefasst und gemeinsam zum Handelsregister angemeldet werden.43) 2.
Beschlossene Kapitalmaßnahmen
Besonderheiten bei der Umstellung von Nennbetrags- auf Stückaktien oder umgekehrt 23 sind zu beachten, wenn bereits beschlossene Kapitalmaßnahmen zum Zeitpunkt des Umstellungsbeschlusses noch nicht vollständig durchgeführt worden sind. Folgende Fälle werden unterschieden: Hat die Hauptversammlung den Nennbetrag des genehmigten Kapitals i. S. von §§ 202 ff. festgelegt, muss die Ermächtigung (§ 202 Abs. 1) durch Satzungsänderung an die neue Form und Stückelung des Grundkapitals angepasst werden.44) Wenn und soweit i. R. einer bedingten Kapitalerhöhung gemäß §§ 192 ff. von den Umtausch- oder Bezugsrechten noch Gebrauch gemacht werden kann, bedürfen Satzung bzw. zugrunde liegender Hauptversammlungsbeschluss ebenfalls einer entsprechenden Anpassung.45) Auch bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist der zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss entsprechend anzupassen und sollte ggf. entscheiden, ob neue Aktien ausgegeben werden sollen oder nicht (§ 207 Abs. 2 Satz 2).46) Bei Wandel- und Optionsanleihen i. S. von § 221 ist im Hinblick auf die Bezugsrechte die Änderung des jeweiligen Hauptversammlungsbeschlusses nicht zwingend erforderlich, eine entsprechende Klarstellung allerdings sinnvoll.47) V.
Unteilbarkeit (§ 8 Abs. 5)
1.
Aufspaltungsverbot
§ 8 Abs. 5 untersagt die Teilung der in den Aktien verkörperten Mitgliedschaften und 24 hat die Nichtigkeit eines hierauf abzielenden Rechtsgeschäfts gemäß § 134 BGB zur Konsequenz.48) Da eine Neustückelung des Grundkapitals durch satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss nicht gegen § 8 Abs. 5 verstößt, kann sich das Verbot der Aktienteilung nur an die Aktionäre richten, wodurch ein Gleichlauf der tatsächlichen Einteilung des Grundkapitals mit der in der Satzung festgelegten erreicht wird.49)
_____________ 41) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 22. 42) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 22. 43) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.3.2001 – 20 W 147/00, NZG 2001, 612 f.; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 10. 44) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 24; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 12. 45) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 25; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 12. 46) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 12; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 41. 47) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 25; Heider in: MünchKomm-AktG, § 6 Rz. 96. 48) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 29. 49) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 24 f.
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§8
Form und Mindestbeiträge der Aktien
25 § 8 Abs. 5 verbietet nicht die Begründung von Rechtsgemeinschaften an einer Aktie, deren Zulässigkeit der auf diese Fälle anwendbare § 69 vielmehr voraussetzt.50) So kann eine Aktie von mehreren in Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 741 ff. BGB gehalten werden, wobei im Fall der Verbriefung Miteigentum an der Aktienurkunde besteht.51) Ebenso können Aktien von der nicht rechtsfähigen Erbengemeinschaft nach § 2032 BGB und der ebenfalls nicht rechtsfähigen Gütergemeinschaft nach §§ 1415 ff. BGB gehalten werden.52) Zulässig ist außerdem die Begründung einer schuldrechtlichen Unterbeteiligung oder eines Treuhandverhältnisses an der Aktie sowie die Überlassung einzelner Aktionärsrechte i. R. der gesetzlich vorgesehenen Fälle von Ermächtigung oder Vollmacht (vgl. §§ 129, 134, 135).53) Einen Sonderfall stellt die sog. Miteigentumslösung für das Sondervermögen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft gemäß § 92 Abs. 1 KAGB dar. 2.
Abspaltungsverbot
26 Unzulässig und nichtig sind die Abspaltung einzelner Verwaltungsrechte von der Mitgliedschaft. So können –
das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 118 Abs. 1,
–
das Auskunftsrecht gemäß §§ 131 f.,
–
das Stimmrecht gemäß §§ 133 ff.,
–
das Recht auf Beteiligung am Bilanzgewinn gemäß 58 Abs. 4 sowie
–
das allgemeine Bezugsrecht gemäß § 186
nicht abgespalten und gesondert übertragen werden.54) 27 Als sog. Gläubigerrechte nicht erfasst vom Abspaltungsverbot sind hingegen der durch den Gewinnverwendungsbeschluss nach § 174 konkretisierte Anspruch auf Auszahlung des anteiligen Bilanzgewinns sowie das durch Kapitalerhöhungsbeschluss entstehende konkrete Bezugsrecht, so dass diese beiden (konkreten) Rechtspositionen als selbständig angesehen und unabhängig vom Mitgliedschaftsrecht abgetreten werden können.55) Ebenfalls als selbständig abtretbare Gläubigerrechte gelten der Anspruch auf anteiligen Liquidationserlös gemäß § 271, der Anspruch auf Gründungsentschädigung oder -lohn gemäß § 26 Abs. 2, der Anspruch auf Ausgleichszahlung beim Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag gemäß § 304, der konkrete Anspruch auf Zahlung der Abfindung nach Annahme des Abfindungsangebots gemäß § 305 sowie konkrete Abfindungs- oder Zuzahlungsansprüche nach dem UmwG.56) 3.
Rechtsfolgen bei Verstößen
28 Rechtsgeschäfte, die gegen § 8 Abs. 5 verstoßen, sind gemäß § 134 BGB nichtig.57)
_____________ 50) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 54; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 47; K. Schmidt/ Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 26. 51) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 55. 52) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 56. 53) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 57 ff. 54) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 50; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 27 ff.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 8 Rz. 45 f. 55) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 8 Rz. 28. 56) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 60. 57) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 8 Rz. 62; Heider in: MünchKomm-AktG, § 8 Rz. 98 m. w. N.
56
Alexander Franz
§9
Ausgabebetrag der Aktien VI.
Zwischenscheine (§ 8 Abs. 6)
Da die Ausgabe von Aktienurkunden bis zur vollständigen Leistung des Ausgabebetrages 29 gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 unzulässig ist, können die Mitgliedschaftsrechte zwischenzeitlich in sog. Zwischenscheinen verbrieft werden (siehe auch § 10 Rz. 7, 10). Gemäß § 8 Abs. 6 sind die Absätze 2 bis 5 anwendbar, weitere Bestimmungen enthalten § 10 Abs. 3 und 4 sowie § 41 Abs. 4. Einen Anspruch auf Ausgabe haben die Aktionäre nur, soweit die Satzung dies vorsieht, ansonsten entscheidet der Vorstand nach seinem Ermessen.58) _____________ 58) Hüffer, AktG, § 8 Rz. 32.
§9 Ausgabebetrag der Aktien (1) Für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag oder den auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals dürfen Aktien nicht ausgegeben werden (geringster Ausgabebetrag). (2) Für einen höheren Betrag ist die Ausgabe zulässig. Literatur: Becker, Aktienrechtliches und handelsrechtliches Agio, NZG 2003, 510; Brehm, Das Venture-Capital-Vertragswerk, Diss. 2011; Haberstock, Rückzahlungen an Gesellschafter aus freier Kapitalrücklage, NZG 2008, 220; Hermanns, Gestaltungsmöglichkeiten bei der Kapitalerhöhung mit Agio, ZIP 2003, 788; Maidl/Kreifels, Beteiligungsverträge und ergänzende Vereinbarungen, NZG 2003, 1091; Mellert, Venture Capital Beteiligungsverträge auf dem Prüfstand, NZG 2003, 1096; Priester, Schuldrechtliche Zusatzleistung bei Kapitalerhöhung im Aktienrecht – Zulässigkeit, Registerprüfung, Bilanzierung, in Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 467.
Übersicht I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
I.
Bedeutung der Norm ........................ 1 Unterpariemission (§ 9 Abs. 1) ........ 2 Begriff ................................................. 2 Ausgabebetrag .................................... 3 Bareinlage ............................................ 5 Sacheinlage .......................................... 6 Verdeckte Unterpariemission ............ 8 Rechtsfolgen bei Verstößen ............. 10 a) Gründung unter pari .................. 10 b) Kapitalerhöhung unter pari ....... 11
c) Verdeckte Unterpariemission ... III. Überpariemission (§ 9 Abs. 2) ....... 1. Begriff ............................................... 2. Höhe ................................................. 3. Grenzen der freien Gestaltung ........ 4. Kapitalbindung ................................. IV. Schuldrechtliche Zuzahlungen ..... 1. Zulässigkeit und Vorteile ................. 2. Praxishinweis ....................................
12 16 16 17 18 20 21 21 23
Bedeutung der Norm
Die Norm verbietet in § 9 Abs. 1 unter gleichzeitiger Legaldefinition des geringstmög- 1 lichen Ausgabebetrags (= Nennwert) sog. Unterpariemissionen und lässt gemäß § 9 Abs. 2 sog. Überpariemissionen zu. Zur Berechnung des Nennwerts einer jeden Aktie siehe § 8 Rz. 5 bzw. Rz. 18. Zweck des Verbots der Unterpariemission ist die Sicherung der Kapitalaufbringung.1) § 9 ist ausschließlich auf die Begründung der aktienrechtlichen Mitgliedschaft durch Ausgabe von Aktien i. R. der Gründung oder späterer Kapitaler_____________ 1)
BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 111/72, NJW 1975, 974, 977; BGH, Urt. v. 14.3.1977 – II ZR 156/75, NJW 1977, 1196 f.; Hüffer, AktG, § 9 Rz. 1; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 2.
Alexander Franz
57
§9
Ausgabebetrag der Aktien
höhungen, nicht hingegen auf Rechtsnachfolgetatbestände anwendbar, so dass die Norm z. B. auf den bei Veräußerung bestehender Aktien zu vereinbarenden Kaufpreis keinen Einfluss hat.2) II.
Unterpariemission (§ 9 Abs. 1)
1.
Begriff
2 Eine Unterpariemission liegt vor, wenn bei einer Bareinlage die Zahlungsverpflichtung oder bei einer Sacheinlage der Sachwert unter dem in § 9 Abs. 1 definierten geringsten Ausgabebetrag liegt.3) Das Verbot des § 9 Abs. 1 greift nicht nur bei Gründung, sondern auch bei Kapitalerhöhung (§ 182 Abs. 3) und erschwert so die Beschaffung neuer Eigenmittel, wenn der Aktienkurs unter dem geringsten Ausgabebetrag liegt.4) 2.
Ausgabebetrag
3 Der geringste Ausgabebetrag und das ggf. geschuldete und nach § 9 Abs. 2 zulässige Aufgeld (Agio) bilden zusammen den Ausgabebetrag, während freiwillige schuldrechtliche Zuzahlungen hiervon nicht erfasst sind (zu diesen siehe Rz. 21 ff.).5) Beispiel: Angesichts eines guten Aktienkurses wird der Ausgabebetrag für die im Wege einer Kapitalerhöhung auszugebenden 100 neuen Nennbetragsaktien mit einem jeweiligen Nennbetrag von 1.000 € auf 2.500 € pro Aktie, d. h. auf insgesamt 250.000 € festgesetzt. Hiervon entfallen 100.000 € auf die Nennbeträge (1.000 € pro Aktie) und 150.000 € (1.500 € pro Aktie) auf das jeweils zusätzlich zu leistende Agio. 4 Der jeweilige Ausgabebetrag für die Aktien wird bei Gründung auf Grundlage der Gründungsurkunde in der Übernahmeerklärung nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 bzw. bei Kapitalerhöhungen auf Grundlage des Hauptversammlungs- und ggf. Vorstandsbeschlusses im Zeichnungsschein nach § 185 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 (bei genehmigtem Kapital i. V. m. § 203 Abs. 1 Satz 1) und bei bedingten Kapitalerhöhungen in der Bezugserklärung nach § 198 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 193 Abs. 2 Nr. 3 festgesetzt.6) Das Verbot in § 9 Abs. 1 erfasst sämtliche dieser Vorstufen bis hin zu und einschließlich der endgültigen Entstehung der Mitgliedschaften durch Eintragung in das Handelsregister.7) 3.
Bareinlage
5 Im Falle einer Bareinlage bestimmt der Ausgabebetrag Inhalt und Umfang der dem jeweiligen Aktionär in Form einer monetären Einlage gemäß § 54 Abs. 2 obliegenden Zahlungspflicht und begrenzt gleichzeitig gemäß § 54 Abs. 1 dessen Einlagepflicht nach oben.8) 4.
Sacheinlage
6 Die Geltung des Verbots in § 9 Abs. 1 für Sacheinlagen wird in § 36a Abs. 2 Satz 3 bestätigt. Bei Sacheinlagen ergeben sich Inhalt und Umfang der Sachleistungspflicht nicht erst aus der Festsetzung eines Ausgabebetrags, sondern bereits aus der Festsetzung des _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 6; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 11. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 2; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 10. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 4; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 13. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 2. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 7 ff.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 9. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 5. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 5.
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§9
Ausgabebetrag der Aktien
an die AG zu übertragenden Sacheinlagegegenstands.9) Der Ausgabebetrag (inklusive Agio) dient allerdings als Maßstab für den Wert des geschuldeten Gegenstands sowie für den Umfang der bei Unterschreitung aufgrund Überbewertung oder bei verdeckter Sacheinlage durch Barzahlung auszugleichenden sog. Differenzhaftung des betroffenen Aktionärs.10) Beispiel: Aktionär A zeichnet 100 neue Aktien zum Nennbetrag von insgesamt 300.000 € und bringt im Gegenzug ein Grundstück ein, dessen tatsächlicher Wert allerdings nur 200.000 € beträgt. Da der Wert des Grundstücks unter dem geringstmöglichen Ausgabebetrag der 100 neuen Aktien liegt, greift vorliegend das Verbot der Unterpariemission des § 9 Abs. 1. Zur Vermeidung einer Überbewertung von Sacheinlagegegenständen sollen insbesondere 7 §§ 27, 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, 34 Abs. 1, 37 Abs. 4 Nr. 2, 38 Abs. 2 Satz 2 dienen.11) 5.
Verdeckte Unterpariemission
Ob eine Unterpariemission i. S. von § 9 Abs. 1 auch dann vorliegt, wenn § 9 Abs. 1 vor- 8 dergründig zwar gewahrt ist, den Aktionären allerdings nicht von § 26 Abs. 2 gedeckte Provisionen, Skonti oder sonstige Nachlässe eingeräumt werden, welche die Zahlungsverpflichtung im Ergebnis entsprechend schmälern, oder im Falle der Sacheinlage eine Überbewertung des Sacheinlagegegenstands bzw. eine verdeckte Sacheinlage (§ 27 Abs. 3) vorliegt (sog. verdeckte Unterpariemission),12) ist umstritten, wird überwiegend aber befürwortet.13) Die Gegenauffassung befürchtet, dass die aufgrund der Nichtigkeitsrechtsfolge eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 vor Handelsregistereintragung gar nicht erst entstehende Einlagepflicht diejenigen Gründer bzw. Zeichner privilegiert, die in besonders krasser Weise „verdeckt“ gegen ihre „Einlagepflicht“ verstoßen und verneint eine Anwendung des § 9 Abs. 1 auf Fälle der verdeckten Unterpariemission.14) Der Gegenauffassung ist zuzustimmen: Die als Hin- und Herzahlen, überbewertete oder 9 verdeckte Sacheinlage zu qualifizierenden Fallgruppen der verdeckten Unterpariemission sind durch die bereits außerhalb von § 8 einschlägigen Rechtsfolgen (im Ergebnis meist: Differenzhaftung, Ausnahme: Hin- und Herzahlen, siehe hierzu ausführlich § 27 Rz. 17, 47, 63) hinreichend sanktioniert.15) Zudem hat diese Lösung den Vorteil, dass die Einlagepflicht mangels Nichtigkeit des jeweils zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts bereits vor Handelsregistereintragung entsteht und es keiner umständlichen Konstruktionen mehr bedarf, um diese anderweitig zu begründen (siehe hierzu Rz. 12 ff.). Eine unterschiedliche Behandlung von offener und verdeckter Unterpariemission rechtfertigt nach hier vertretener Ansicht bereits die Tatsache, dass die offene Unterpariemission für alle Beteiligten erkennbar ist, während die verdeckte Unterpariemission in der Regel einen nicht ohne Weiteres erkennbaren Umgehungstatbestand darstellt, bei dem die Parteien an _____________ 9) 10) 11) 12)
Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 5. Vgl. ausführlich hierzu: Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 5, 18 – 22. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 3. Vgl. zu den von der verdeckten Unterpariemission erfassten Fallgruppen ausführlich: Heider in: MünchKomm-AktG, § 9 Rz. 25. 13) Für eine Erfassung der verdeckten Unterpariemission durch § 8 Abs. 1: Hüffer, AktG, § 9 Rz. 2; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 10; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 17; Heider in: MünchKomm-AktG, § 9 Rz. 11; Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 9 AktG Rz. 6. 14) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 7, 11. 15) So wohl auch: K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 10; a. A.: Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 17, die dem mit der Nichtigkeitsrechtsfolge verbundenen präventiven Kapitalaufbringungsschutz größere Bedeutung zumisst.
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§9
Ausgabebetrag der Aktien
den Inhalt ihres zumindest formal mit § 9 Abs. 1 konform gehenden Leistungsversprechens gebunden bleiben sollten. 6.
Rechtsfolgen bei Verstößen
a)
Gründung unter pari
10 Für den Fall, dass in der Übernahmeerklärung als materiellem Satzungsbestandteil ein Ausgabebetrag unter pari festgesetzt und somit gegen § 9 Abs. 1 verstoßen wird, sind sowohl Übernahmeerklärung als auch das gesamte Errichtungsgeschäft, inklusive Satzung, vor Handelsregistereintragung gemäß §§ 134, 139 BGB nichtig.16) Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 hat das Registergericht die Eintragung der AG in diesem Fall abzulehnen.17) Wird durch Aufnahme des Geschäftsbetriebs schon vor Eintragung eine Vor-AG in Vollzug gesetzt, kommen die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft zur Anwendung und die Gründer können ggf. entsprechend § 277 Abs. 3 zur Leistung der versprochenen Einlagen verpflichtet sein, soweit die Mittel zur Begleichung bereits entstandener Verbindlichkeiten benötigt werden.18) Trägt das Registergericht trotz Mangels ein, entsteht die AG rechtswirksam, ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 275 liegt nicht vor und weder das Amtslöschungsverfahren gemäß § 397 FamFG noch das Amtsauflösungsverfahren gemäß § 399 FamFG kommen in Betracht.19) Der Bargründer ist nunmehr verpflichtet, Zahlungen bis zur Höhe des geringsten und darüber hinaus des vollen Ausgabebetrags zu leisten und den Sachgründer trifft neben der Pflicht zur Einbringung seines nicht werthaltigen Sacheinlagegegenstands die gesetzliche Differenzhaftung.20) b)
Kapitalerhöhung unter pari
11 Wird der Ausgabebetrag bereits im Kapitalerhöhungsbeschluss unter pari festgelegt, so ist der Beschluss gemäß § 241 Nr. 3 Alt. 2 ebenso wie eine entsprechende Zeichnungserklärung nichtig.21) Das Registergericht darf die Kapitalerhöhung nicht eintragen.22) Wird sie gleichwohl eingetragen, so hat die Eintragung vorbehaltlich § 242 Abs. 2 Satz 1 keine heilende Wirkung.23) Jeder Aktionär und jedes Organmitglied kann Nichtigkeitsklage gemäß § 249 Abs. 1 erheben und auch nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist in § 242 Abs. 2 Satz 1 ist das Amtslöschungsverfahren gemäß § 398 FamFG noch möglich.24) Mit Ausnahme der in Analogie zu § 277 Abs. 3 begründeten Pflicht bei bereits entstandenen Verbindlichkeiten, existiert aufgrund der Nichtigkeit keine Einlagepflicht.25) c)
Verdeckte Unterpariemission
12 Obwohl die überwiegende Literatur die Fallgruppen der verdeckten Unterpariemission ebenfalls als Verstoß gegen § 9 Abs. 1 wertet, wird die Konsequenz der Nichtigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts für diese Fälle weitgehend abgelehnt. Nach hier _____________ 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25)
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Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 14. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 5. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 14; Heider in: MünchKomm-AktG, § 9 Rz. 22. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 8. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 6; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 15. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 7; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 16. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 9; Heider in: MünchKomm-AktG, § 9 Rz. 29. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 9. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 9. Hüffer, AktG, § 9 Rz. 7; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 9.
Alexander Franz
§9
Ausgabebetrag der Aktien
vertretener Ansicht ist die verdeckte Unterpariemission bereits tatbestandlich kein Fall von § 9 Abs. 1 (vgl. Rz. 9). So soll bei verdeckter Unterpariemission im Zusammenhang mit einer Bareinlage der 13 Gründer bzw. im Fall einer späteren Kapitalerhöhung der Zeichner von Anfang an zumindest zur vollen Leistung auf den geringsten Ausgabebetrag verpflichtet sein.26) Für den Fall der überbewerteten Sacheinlage ist weitgehend anerkannt, dass der Sach- 14 einleger ab Eintragung der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung in das Handelsregister den Differenzbetrag zwischen dem tatsächlichen Wert der Sacheinlage zum Zeitpunkt der Anmeldung und dem Ausgabebetrag in bar zu leisten hat.27) Für den Zeitraum vor Eintragung in das Handelsregister ist die Rechtsfolge bei überbewerteter Sacheinlage umstritten: Teilweise wird auch hier Nichtigkeit abgelehnt und eine Differenzhaftung befürwortet.28) Die Gegenansicht nimmt i. S. eines effektiven Präventivschutzes der realen Kapitalaufbringung Nichtigkeit an.29) Eine vermittelnde Auffassung hält eine am Einzelfall orientierte Lösung für angemessen.30) Bei der verdeckten Sacheinlage soll sowohl bei Gründung als auch bei Kapitalerhöhung 15 stets die Sonderregelung des § 27 Abs. 3 eingreifen, und zwar unabhängig davon, ob dass Verbot der Unterpariemission berührt ist oder nicht.31) Rechtsfolge ist hier die sog. Anrechnungslösung, d. h. die Bareinlagepflicht besteht weiterhin, der Wert einer bereits geleisteten verdeckten Sacheinlage wird allerdings auf die Zahlungsverpflichtung angerechnet und läuft im Ergebnis somit ebenfalls auf eine Differenzhaftung des Gründers bzw. Zeichners hinaus (siehe hierzu § 27 Rz. 47). III.
Überpariemission (§ 9 Abs. 2)
1.
Begriff
§ 9 Abs. 2 stellt klar, dass die Ausgabe von Aktien zu einem über dem geringsten Ausgabe- 16 betrag liegenden Betrag zulässig ist. Dieses sog. Agio (= Differenz zwischen Mindestausgabebetrag (= Nennwert) und in der Übernahmeerklärung bzw. dem Kapitalerhöhungsbeschluss festgelegten tatsächlichen Ausgabebetrag) ist nicht Teil des auf die Aktie entfallenden Anteils am Grundkapital, aber als Teil des Ausgabebetrags gleichzeitig Bestandteil der korporativen Einlagepflicht des Aktionärs und wird gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB bzw. § 266 Abs. 3 A. II. HGB als gesetzliche Kapitalrücklage in der Bilanz passiviert.32) 2.
Höhe
Die Festsetzung eines Agios ist unverbindlich und eine bestimmte Höhe nicht vorgegeben, 17 sondern grundsätzlich Verhandlungssache im Einzelfall.33) Das von den Organen zu wahrende finanzielle Interesse der AG wird regelmäßig auf einen hohen Ausgabebetrag und somit auf ein entsprechend hohes Agio gerichtet sein.
_____________ 26) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 16a; Heider in: MünchKomm-AktG, § 9 Rz. 26. 27) Hüffer, AktG, § 9 Rz. 6; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 17; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 22; a. A. für Kapitalerhöhung: Heider in: MünchKomm-AktG, § 9 Rz. 30. 28) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 19. 29) Hüffer, AktG, § 9 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Bayer, AktG, § 27 Rz. 21 f. m. w. N. 30) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 17. 31) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 22. 32) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 23; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 23 f. 33) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 26.
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§9 3.
Ausgabebetrag der Aktien Grenzen der freien Gestaltung
18 Bei Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre besteht bei einem unter dem Aktienkurs liegenden Ausgabebetrag die Gefahr der Verwässerung des Werts der bestehenden Aktien, da sich nach Durchführung der Kapitalerhöhung ein Mischkurs bilden wird, der jedenfalls unter dem bisherigen Aktienkurs liegt und sich somit entsprechend negativ auf den Aktienwert der Altaktionäre auswirkt.34) Aus diesem Grund sind die zuständigen Organe verpflichtet, den Ausgabebetrag und somit das Agio in einem solchen Fall so hoch wie möglich festzusetzen, da der zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss ansonsten gemäß § 255 Abs. 2 ggf. angefochten bzw. ein entsprechender Vorstandsbeschluss beim genehmigten Kapital im Wege der vorbeugenden Unterlassungs- oder Feststellungsklage angegriffen werden kann.35) Als ein grundsätzlich angemessener und deshalb zulässiger Abschlag auf den Verkehrs- bzw. Börsenwert wird bei Festsetzung des Ausgabebetrags durch die Hauptversammlung ein Abschlag von 3– 5 % angesehen.36) Insbesondere Venture Capital und Private Equity Investoren verlangen regelmäßig vertraglich zugesicherte Verwässerungsschutzmechanismen, um sich davor zu schützen, dass bei zukünftigen Kapitalerhöhungen eine niedrigere Bewertung zu Grunde gelegt wird als bei der eigenen Beteiligungsrunde (sog. Down-Round-Protection).37) 19 Bei Kapitalerhöhungen unter Wahrung des Bezugsrechts der Altaktionäre kommen entsprechende Rechtsmittel in Betracht, wenn der Ausgabebetrag so hoch festgesetzt wird, dass den Minderheitsaktionären die Bezugsrechtsausübung faktisch unmöglich ist (sog. kalter Bezugsrechtsausschluss) und sich die Mehrheitsverhältnisse zwangsweise zugunsten der Mehrheitsaktionäre verschieben.38) Vgl. zum kalten Bezugsrechtsausschluss auch § 8 Rz. 9. Umgekehrt kann im Einzelfall aus Gründen der Treupflicht die Festsetzung eines Ausgabebetrags geboten sein, der zumindest den Verkehrs- bzw. Börsenwert der bestehenden Aktien erreicht, wenn sich die Altaktionäre ansonsten zur Ausübung des Bezugsrechts gezwungen sehen, um ihre Vermögens- und Beteiligungsinteressen zu wahren.39) 4.
Kapitalbindung
20 Das Agio unterliegt den Kapitalaufbringungsvorschriften in gleicher Weise wie der geringste Ausgabebetrag und zugleich den Kapitalerhaltungsvorschriften in § 150 Abs. 3 und 4.40) IV.
Schuldrechtliche Zuzahlungen
1.
Zulässigkeit und Vorteile
21 Alternativ oder zusätzlich zum Agio werden häufig Zuzahlungen an die AG vereinbart, zu denen sich der Aktionär außerhalb des formal festgesetzten Ausgabebetrags aufgrund einer gesondert abgeschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung mit der AG oder den anderen Aktionären verpflichtet hat (sog. verdecktes Agio).41) Diese Zuzahlungen sind nach überwiegender Meinung nicht Gegenstand einer auf korporativer Grundlage be_____________ 34) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 28. 35) Hüffer, AktG, § 255 Rz. 16; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 26; Dauner-Lieb in: KölnKommAktG, § 9 Rz. 28. 36) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 21 m. w. N. 37) Vgl. hierzu: Weitnauer, Handbuch Venture Capital, Teil F II Rz. 96 ff., S. 317. 38) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 29; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 28. 39) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 30. 40) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 14; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 32. 41) S. hierzu ausführlich Priester in: FS Röhricht, S. 467 ff.
62
Alexander Franz
§9
Ausgabebetrag der Aktien
gründeten Leistungspflicht und unterliegen daher nicht den Regeln über Kapitalaufbringung und -erhaltung, sondern nur dem allgemeinen Schuldrecht.42) Zulässigkeitsgrenzen bestehen nur, wenn die Festsetzung eines korporativen Agios aus aktienrechtlichen Gründen ausnahmsweise geboten ist.43) Die Gegenauffassung will allerdings auch rein schuldrechtliche Zuzahlungen dann einem korporativen Agio mit entsprechender Kapitalbindung des AktG gleichstellen, wenn die Gesellschaft nach der zugrunde liegenden Vereinbarung ein eigenes (schuldrechtliches) Forderungsrecht hat.44) Derartige schuldrechtliche Zuzahlungen werden in der Praxis insbesondere im Zusam- 22 menhang mit Kapitalerhöhungen unter Beteiligung von Venture Capital und Private Equity Investoren vereinbart45) und bieten im Unterschied zum Agio folgende Vorteile: –
sie sind nicht Teil der gesellschaftsrechtlichen Einlagepflicht, so dass die AG je nach vertraglicher Gestaltung nicht zwingend ein eigenes Forderungsrecht gegen den Aktionär hat; die Verpflichtung zur sofortigen Volleinzahlung gemäß §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1 findet keine Anwendung, so dass die Zahlung auch erst später z. B. bei Erfüllung bestimmter aufschiebender Bedingungen (sog. Closing Conditions) oder Meilensteine (sog. Milestones) geleistet werden kann;
–
sie sind in der Bilanz als „andere Zuzahlungen“ gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu passivieren, als solche nicht den Verwendungsbeschränkungen nach § 150 Abs. 3, 4 unterstellt und werden in der Praxis auch häufig zur Ausschüttung an die Altaktionäre verwendet;
–
da sie nicht zwingend Bestandteil der formalen Kapitalerhöhungsdokumente sind, lässt sich die Registerpublizität insofern vermeiden.46)
2.
Praxishinweis
Um den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden, gilt es, das Risiko einer Qualifikation 23 der schuldrechtlichen Zuzahlungen als ein der unter Rz. 20 dargestellten aktienrechtlichen Kapitalbindung unterliegendes korporatives Agio zu minimieren. Es muss also verhindert werden, dass die zugrunde liegende Zahlungsverpflichtung mitgliedschaftlicher Natur ist, d. h. sie darf nicht gegenüber der Gesellschaft begründet werden. Es bietet sich daher an, das Forderungsrecht auf schuldrechtliche Zuzahlung ausschließlich als ein Recht der Aktionäre zur Leistung an die Gesellschaft, nicht jedoch als einen eigenen Anspruch der Gesellschaft selbst, auch nicht als einen solchen i. S. von § 328 BGB, auszugestalten.47) Wenn die Zuzahlungen somit als unechter Vertrag zugunsten Dritter (der AG) ausgestaltet sind, sollte einer Qualifikation nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB und somit der Vermeidung des korporativen Charakters nichts im Wege stehen.
_____________ 42) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 39; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 34 ff.; GrigoleitVedder, AktG, § 9 Rz. 8; Hölters-Solveen, AktG, § 9 Rz. 12. 43) Vgl. hierzu Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 37. 44) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 15 m. w. N. 45) S. hierzu Mellert, NZG 2003, 1096 ff. 46) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 9 Rz. 34 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 9 Rz. 15; DaunerLieb in: KölnKomm-AktG, § 9 Rz. 34 ff. 47) Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091, 1092 f.; Mellert, NZG 2003, 1096, 1096 ff.; Weitnauer, Handbuch Venture Capital, Teil F II Rz. 109 ff., S. 321 f.; s. hierzu auch BayOLG, Beschl. v. 27.2.2002 – 3Z BR 35/02, NZG 2002, 583; Brehm, S. 60 f.; Hüffer, AktG, § 54 Rz. 7.
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§ 10
Aktien und Zwischenscheine
§ 10 Aktien und Zwischenscheine (1) Die Aktien können auf den Inhaber oder auf Namen lauten. (2) 1Sie müssen auf Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden. 2Der Betrag der Teilleistungen ist in der Aktie anzugeben. (3) Zwischenscheine müssen auf Namen lauten. (4) 1Zwischenscheine auf den Inhaber sind nichtig. 2Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. (5) In der Satzung kann der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ausgeschlossen oder beschränkt werden. Literatur: Bayer/Hoffmann, Namensaktien bei Börsen- und Nichtbörsen-Aktiengesellschaften, AG Report 2007, R 528; Bayer/Hoffmann, Aktien in Form von Einzelurkunden, Sammelurkunden und Globalurkunde, AG Report 2007, R 439; Bungert/Wettich, Aktienrechtsnovelle 2012 – der Regierungsentwurf aus Sicht der Praxis, ZIP 2012, 297; Bungert/Wettich, Kleine Aktienrechtsnovelle 2011 – Kritische Würdigung des Referentenentwurfs aus Sicht der Praxis, ZIP 2011, 160; Diekmann/Nolting, Aktienrechtsnovelle 2011, NZG 2011, 6; Drinhausen/ Keinath, Regierungsentwurf zur Aktienrechtsnovelle 2012, BB 2012, 395; Drinhausen/Keinath, Referentenentwurf einer „kleinen Aktienrechtsnovelle”, BB 2011, 11; Drygalla, Nur noch Namensaktien für die nicht börsennotierten Aktiengesellschaften?, ZIP 2011, 798; Franz, Überregionale Effektentransaktionen und anwendbares Recht, Diss. 2005; Götze/Arnold/Carl, Der Regierungsentwurf der Aktienrechtsnovelle 2012 – Anmerkungen aus der Praxis, NZG 2012, 321; Habersack/Meyer, Globalverbriefte Aktien als Gegenstand sachenrechtlicher Verfügungen?, WM 2000, 1678; Iversen, Die außerbörsliche Übertragung von Aktien unter Beachtung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes, AG 2008, 736; Merkner/SchmidtBendun, Die Aktienrechtsnovelle 2012 – Überblick über den Regierungsentwurf, DB 2012, 98; Mirow, Die Übertragung von Aktien im Aktienkauf – Formulierungshilfen für die Praxis, NZG 2008, 52; Müller-Eising, Aktienrechtsnovelle 2012 – Was bringt sie Neues?, GWR 2012, 77; Nikoleyczik, Aktienrechtsnovelle 2011 – Neues zum Beschlussmängelrecht und zur Namensaktie, GWR 2010, 594; Noack, Aktienrechtsnovelle 2011, DB 2010, 2657; Noack, AktienGattungen, Verbriefung, Übertragung, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007; Noack/Zetsche, Die Legitimation der Aktionäre bei Globalaktien und Depotverbuchung, AG 2002, 651; Schwennicke, Der Ausschluss der Verbriefung der Aktien bei der kleinen Aktiengesellschaft, AG 2001, 118; Seibert, Der Ausschluss des Verbriefungsanspruchs des Aktionärs in Gesetzgebung und Praxis, DB 1999, 267; Seibert/Böttcher, Der Regierungsentwurf der Aktienrechtsnovelle 2012, ZIP 2012, 12; Than, Die Übertragung vinkulierter Namensaktion im Effektengiroverkehr, in Festschrift für Gerd Nobbe, 2009, S. 791; Ziemons, Die aktienbezogenen Regelungen des RegE „Aktienrechtsnovelle 2012“, BB 2012, 523; Zöllner, Die Zurückdrängung des Verkörperungselements bei den Wertpapieren, in Festschrift für Ludwig Raiser, 1974, S. 249.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ....................... II. Namensaktien ................................... III. Inhaberaktien .................................... IV. Wahlfreiheit ...................................... V. Schranken der Wahlfreiheit ............ VI. Zwischenscheine ............................... VII. Verbriefung .....................................
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1 2 3 4 5 7 8
1. Bedeutung, Durchführung ................. 8 2. Arten ................................................... 9 3. Ausgabe der Urkunden .................... 10 4. Verwahrung der Urkunden .............. 12 VIII. Anspruch auf Verbriefung .......... 13 IX. Übertragung der Aktien ................. 15 1. Unverbriefte Aktien ......................... 16
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§ 10
Aktien und Zwischenscheine 2. Verbriefte Aktien ............................. 17 a) Namensaktien ............................. 18 b) Inhaberaktien ............................. 19 c) Girosammelverwahrte Aktien ... 20 d) Praxishinweis .............................. 21 X. Aktienrechtsnovelle 2011/2013 ..... 22 I.
1. 2. 3. 4. 5.
Börsennotierte AG ........................... Nicht börsennotierte AG ................ Übergangsvorschriften .................... Rechtsfolgen bei Verstößen ............ Praxishinweis ....................................
25 26 29 30 31
Bedeutung der Norm
§ 10 behandelt die Ausgestaltung der aktienrechtlichen Mitgliedschaften in Form von 1 Inhaber- und/oder Namensaktien (§ 10 Abs. 1) und deren Verbriefung, die Aktienausgabe vor vollständiger Erfüllung der Einlageverpflichtung der Aktionärs (§ 10 Abs. 2), die vorläufige Verbriefung der Mitgliedschaft in Form von Zwischenscheinen (§ 10 Abs. 3 und 4), sowie die Möglichkeit, den Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung auszuschließen oder einzuschränken (§ 10 Abs. 5). Während Inhaberaktien in der Vergangenheit die Regel und Namensaktien die Ausnahme waren, lässt sich in letzter Zeit sowohl bei börsen- als auch bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften eine stärkere Tendenz zur Namensaktie beobachten.1) Zwecks Förderung der Transparenz von Aktionärsstrukturen möchte der Gesetzgeber diese Tendenz nunmehr auch durch eine Änderung von § 10 fördern (vgl. hierzu Rz. 22 ff.). Namens- und Inhaberaktien sind im Hinblick auf den durch sie verkörperten mitgliedschaftlichen Status gleichwertig und begründen keinen Gattungsunterschied i. S. von § 11 (siehe hierzu auch § 11 Rz. 16).2) Allerdings ist nur bei Namensaktien eine Haftung des im Aktienregister verzeichneten Vormanns gemäß § 65, eine Vinkulierung gemäß § 68 Abs. 2, eine Nebenleistungspflicht gemäß § 55 oder ein Entsenderecht in den Aufsichtsrat gemäß § 101 Abs. 2 Satz 2 möglich.3) II.
Namensaktien
Die Namensaktie ist (geborenes) Orderpapier, weist eine bestimmte Person als be- 2 rechtigt aus und ermöglicht auf diese Weise die Eintragung dieser Person in das Aktienregister nach § 67 Abs. 1.4) Gegenüber Dritten legitimiert die verbriefte Namensaktie denjenigen als Inhaber des mitgliedschaftlichen Rechts, der in der Urkunde als Aktionär oder durch eine ununterbrochene Kette von Vollindossamenten (einschließlich Blankoindossamenten) als ausgewiesener Indossatar benannt ist, vgl. § 68 Abs. 1 i. V. m. Art. 16 Abs. 1 WG (zur Übertragung mittels Indossament siehe unten Rz. 18); Lücken in der Indossamentenkette können auch durch anderweitigen Nachweis des Rechtsübergangs, z. B. bei Abtretung oder Gesamtrechtsnachfolge geschlossen werden.5) Gegenüber der AG erfolgt die Legitimation hingegen ausschließlich durch ordnungsgemäße Eintragung in das Aktienregister gemäß § 67 Abs. 2, wodurch die unwiderlegliche Vermutung begründet wird, dass die eingetragene Person Aktionär ist.6) Nur blankoindossierte Namensaktien sind börsen- und girosammelverwahrfähig (zur Girosammelverwahrung siehe Rz. 12).7) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 11; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 28; Bayer/ Hoffmann, AG Report 2007, R 528 ff. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 11 Rz. 7. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 13. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 29 f.; Hüffer, AktG, § 10 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 8. Hüffer, AktG, § 67 Rz. 12 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 9. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 9; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 6; Franz, S. 51 f.
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§ 10 III.
Aktien und Zwischenscheine Inhaberaktien
3 Inhaberaktien sind Inhaberpapiere i. S. von §§ 793 ff. BGB analog und verbriefen Mitgliedschaftsrechte, ohne den Berechtigten namentlich zu nennen.8) Eine Eintragung in das Aktienregister ist nicht vorgesehen, vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1. Gegenüber Dritten und gegenüber der AG legitimiert die verbriefte Inhaberaktie ihren unmittelbaren Besitzer bzw. im Falle des mittelbaren Besitzes ihren mittelbaren Besitzer gemäß § 1006 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB als Inhaber des verbrieften Rechts; diese widerlegliche Vermutung wirkt gemäß § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB auch gegen einen früheren Besitzer, dem die Aktienurkunde gestohlen wurde, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist.9) Inhaberaktien sind stets börsen- und girosammelverwahrfähig (zur Girosammelverwahrung siehe Rz. 12).10) IV.
Wahlfreiheit
4 Grundsätzlich kann frei zwischen Namens- und Inhaberaktien gewählt werden (zu den durch die Aktienrechtsnovelle 2011/2013 geplanten gesetzlichen Änderungen im Hinblick auf das freie Wahlrecht für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften siehe Rz. 22 ff.). Im Gegensatz zum strengen Alternativverhältnis von Nennbetrags- und Stückaktien gemäß § 8 Abs. 1 ist ein Nebeneinander von Namens- und Inhaberaktien zulässig, vgl. auch § 24.11) Die Festlegung auf Namens- oder Inhaberaktien bzw. auf beide Formen nebeneinander muss gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 5 in der Satzung erfolgen, da das Fehlen einer solchen Satzungsbestimmung gemäß § 38 Abs. 3 Nr. 1 ein Eintragungshindernis darstellt; wird dennoch eingetragen, kann das Amtsauflösungsverfahren gemäß § 399 FamFG i. V. m. § 262 Abs. 1 Nr. 5 betrieben werden.12) Durch entsprechende Satzungsänderung gemäß §§ 179 ff. kann die AG ohne Zustimmung der betroffenen Aktionäre von Namens- auf Inhaberaktien bzw. umgekehrt umstellen.13) V.
Schranken der Wahlfreiheit
5 Das Gesetz schränkt die gemäß § 10 Abs. 1 grundsätzlich bestehende Wahlfreiheit in bestimmten Situationen ein: Aufgrund gesetzlicher Anordnung müssen Aktien auf Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden, vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1. Diese Vorschrift bezweckt, dass sich die AG aufgrund der bei Namensaktien erforderlichen Eintragung in das Aktienregister gemäß § 67 Abs. 1 bis zur vollständigen Erfüllung der Einlagepflicht zu jeder Zeit Kenntnis über die Identität ihrer Einlageschuldner verschaffen kann.14) Die Angabe des Betrags der teilweise bereits geleisteten Einlage gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 ist erforderlich, um bei wertpapiermäßiger Übertragung der Aktie den guten Glauben des Erwerbers an die Volleinzahlung der Aktie auszuschließen (zur Übertragung verbriefter Aktien und zur Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs siehe unten Rz. 17 ff.).15) 6 Ebenso sehen einige spezialgesetzliche Sondernormen einen Zwang zur Ausgabe von (meist vinkulierten) Namensaktien vor, deren Nichtbeachtung zwar keine aktienrecht_____________ 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15)
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Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 10 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 5; Heider in: MünchKomm-AktG, § 10 Rz. 35. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 8; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 6. Hüffer, AktG, § 10 Rz. 5; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 8. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 12, 14. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 15. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 1; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 18. Hüffer, AktG, § 10 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 11.
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§ 10
Aktien und Zwischenscheine
lichen, aber regulatorische Konsequenzen hat, aber die Zulassung der Unternehmenstätigkeit gefährdet.16) Dies gilt z. B. für Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- sowie Rechtsanwalts-AG (vgl. § 28 Abs. 5 Satz 1 und 2, § 130 Abs. 2 WPO, § 50 Abs. 1 Satz 1 und 2 StBerG, § 59m Abs. 1 BRAO) und je nach Landesrecht teilweise auch für Architekten- und IngenieurAktiengesellschaften. Ähnliches gilt für inländische, börsennotierte Luftfahrtunternehmen gemäß §§ 1 – 3 LuftNaSiG sowie für private Rundfunkveranstalter gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 und 7, § 29 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien (RStV) vom 31.8.1991 in der Fassung vom 1.4.2010. Bei der Investmentaktiengesellschaft müssen die sog. Unternehmensaktien auf Namen lauten, vgl. § 109 Abs. 2 KAGB. Einen gesetzlichen Zwang zur Inhaberaktie ordnet bislang nur § 1 Abs. 3 des VW-Gesetzes an. VI.
Zwischenscheine
Zwischenscheine i. S. von § 8 Abs. 6 müssen gemäß § 10 Abs. 3 auf den Namen lauten. 7 Da es sich bei diesen ebenso wie bei Namensaktien, wertpapierrechtlich um Orderpapiere handelt, richten sich Legitimations- und Rechtsscheinwirkung nach den für die Namensaktie geltenden Grundsätzen (siehe hierzu Rz. 2).17) Im Gegensatz zu den vor vollständiger Erbringung der Einlageleistung ausgegebenen Namensaktien bedarf es bei den ebenfalls regelmäßig für teileingezahlte Aktien ausgegebenen Zwischenscheinen keiner Angabe der Teilleistung i. S. von § 10 Abs. 2 Satz 2, da ein gutgläubiger Erwerb von Zwischenscheinen generell nicht zugelassen wird.18) Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 sind auf den Inhaber lautende Zwischenscheine nichtig, die betroffenen Mitgliedschaftsrechte nicht wirksam verbrieft und nach wie vor unverkörpert.19) Hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung in § 10 Abs. 4 Satz 2 kann auf die entsprechenden Ausführungen zu § 8 Abs. 2 verwiesen werden (siehe hierzu § 8 Rz. 16). Zur eigenständigen Bedeutung der Zwischenscheine für die Praxis siehe Rz. 10. VII. Verbriefung 1.
Bedeutung, Durchführung
Die Aktie als aktienrechtliches Mitgliedschaftsrecht entsteht konstitutiv mit Eintragung 8 der AG bzw. der entsprechend durchgeführten Kapitalmaßnahme in das Handelsregister, nicht erst im Zeitpunkt ihrer Verbriefung, der somit lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt.20) Diese Unterscheidung ist elementar, um zu verstehen, dass die rechtswirksame Begründung von Inhaber- bzw. Namensaktien unabhängig davon erfolgt, ob diese Mitgliedschaft sodann in einem zweiten Schritt verbrieft wird oder nicht. Die Mitgliedschaft entsteht selbst dann unabhängig von einer Verbriefung, wenn die Verbriefung in der Satzung vorgeschrieben ist.21) Ein Zwang zur Verbriefung besteht nach überwiegender Auffassung nur bei Aktienausgabe im Zusammenhang mit einer bedingten Kapitalerhöhung nach §§ 199 f.22) Neben der Ausstellung einer formgerecht angefertigten und vom Vorstand gemäß § 13 zu unterzeichnenden Aktienurkunde erfordert die Verbriefung zusätzlich den Abschluss eines sog. Begebungsvertrags zwischen der AG _____________ 16) 17) 18) 19) 20)
Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 23 ff. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 14. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 39. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 15. Hüffer, AktG, § 10 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 16; Heider in: MünchKommAktG, § 10 Rz. 7. 21) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 27; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 20. 22) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 28; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 16.
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und dem jeweiligen Aktionär.23) Die ordnungsgemäße Verbriefung hat zur Folge, dass über die Aktie wertpapiermäßig verfügt werden kann, wodurch insbesondere ein gutgläubiger Erwerb möglich wird.24) Im Rahmen der Kapitalmarktentwicklungen nahm der Funktionsverlust der Aktienurkunde insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften immer weiter zu, allerdings bislang ohne dass der Gesetzgeber vollständig auf eine Verbriefung verzichten und zum reinen Wertrecht übergehen wollte.25) 2.
Arten
9 Aktien können in Einzel- oder Sammel- bzw. Globalurkunden verbrieft werden.26) Während im Fall von Einzelurkunden jede einzelne Aktie noch in einer eigenen Urkunde verbrieft wird, werden im Fall von Sammelurkunden, die auch Globalurkunden genannt werden, mehrere gleichartige Aktien (meist hundert oder tausend Aktien) zusammen in einer Urkunde verbrieft, vgl. § 9a Abs. 1 DepotG.27) Die sog. Dauer-Globalurkunde ist eine Sonderform der Sammel- bzw. Globalurkunde, bei der gemäß § 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG der einzelne Aktionär weder die Ausstellung noch die Auslieferung einzelner verbriefter Aktien verlangen kann. Angesichts des mit der Dauer-Globalurkunde erzielten größtmöglichen Rationalisierungseffekts und der damit verbundenen Kosteneinsparung ist diese Form der Verbriefung sehr praxisfreundlich und wird heute von den meisten börsennotierten Aktiengesellschaften genutzt.28) Liegen unterschiedliche Aktiengattungen i. S. von § 11 vor, ist für jede Gattung eine eigene Dauer-Globalurkunde erforderlich.29) 3.
Ausgabe der Urkunden
10 Die Ausgabe von Aktien oder Zwischenscheinen ist erst nach Eintragung der Gründung bzw. Kapitalerhöhung in das Handelsregister zulässig, zuvor ausgegebene Aktien oder Zwischenscheine sind ebenso wie der zugrunde liegende Begebungsvertrag nichtig, vgl. § 41 Abs. 4 Satz 1 und 2 bzw. § 191. Zwischen Handelsregistereintragung und vollständiger Leistung des Ausgabebetrags können unter Beachtung von § 10 Abs. 2 bzw. Abs. 3 lediglich Namensaktien oder auf den Namen lautende Zwischenscheine ausgegeben werden.30) Die Ausgabe von Zwischenscheinen in diesem Zeitraum hat insbesondere für den Fall Bedeutung, dass die Satzung ausschließlich eine Ausgabe von Inhaberaktien vorsieht, welche gemäß eines Umkehrschlusses aus § 10 Abs. 2 erst nach vollständiger Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden dürfen.31) Eine Geltung der Beschränkung in § 10 Abs. 2 bei noch nicht vollständig erbrachten Sacheinlagen ist umstritten.32) _____________ 23) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 17; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 34. 24) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 18; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 29. 25) BT-Drucks. 13/10038, S. 25; Scherer-Scherer, DepotG, Vor § 1 Rz. 9 ff.; Scherer-Scherer/Martin, DepotG, § 9a Rz. 19 f.; Hüffer, AktG, § 10 Rz. 11; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 83; DaunerLieb in: KölnKomm-AktG, AktG, § 10 Rz. 12. 26) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 34 ff.; vgl. zur Ausgestaltung der verschiedenen Urkunden auch die Muster bei Happ-Schäfer, Aktienrecht, S. 535 ff. 27) Scherer-Scherer/Martin, DepotG, § 9a Rz. 3 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 19; Franz, S. 52 ff. 28) Vgl. ausführlich hierzu Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz; Noack/Zetsche, AG 2002, 651, 653; s. hierzu auch Bayer/Hoffmann, AG Report 2007, R 439 ff. 29) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 43; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 11. 30) Heider in: MünchKomm-AktG, § 10 Rz. 48. 31) Heider in: MünchKomm-AktG, § 8 Rz. 100. 32) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 41; Heider in: MünchKomm-AktG, § 10 Rz. 49 jeweils m. w. N.
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Da eine dem § 10 Abs. 4 entsprechende Regelung in § 10 Abs. 2 fehlt, können Verstöße 11 gegen Absatz 2 Satz 1 und 2 nicht zur Nichtigkeit führen, so dass die Mitgliedschaft trotz eines Verstoßes wirksam entstehen kann und sich die Sanktionen auf §§ 93 Abs. 3 Nr. 4, 166, 405 Abs. 1 Nr. 1 beschränken.33) 4.
Verwahrung der Urkunden
Während Aktienurkunden meist nur noch bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften 12 von den einzelnen Aktionären oder der AG aufbewahrt werden, bedienen sich börsennotierte Aktiengesellschaften heute weit überwiegend der zentralen Verwahrung ihrer Aktienurkunden durch eine Wertpapiersammelbank (in Deutschland: Clearstream Banking AG) sog. Girosammelverwahrung.34) Die für die Girosammelverwahrfähigkeit von § 5 Abs. 1 Satz 1 DepotG vorausgesetzte Vertretbarkeit der Aktien i. S. von § 91 BGB ist bei Inhaberaktien stets, bei Namensaktien hingegen nur dann gegeben, wenn diese blankoindossiert sind.35) VIII. Anspruch auf Verbriefung Da das Gesetz in § 10 Abs. 5 einen solchen voraussetzt, ist die grundsätzliche Existenz 13 eines jedem Aktionär zustehenden Anspruchs auf Verbriefung allgemein anerkannt.36) Dieser Anspruch entsteht nach überwiegender Ansicht nicht erst im Zeitpunkt der vollständigen Erbringung der Einlageleistung, sondern bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Mitgliedschaft durch Handelsregistereintragung.37) § 10 Abs. 5 eröffnet die Möglichkeit, den mitgliedschaftlichen Anspruch des Aktionärs 14 auf Verbriefung seines Anteils in der Satzung einzuschränken oder vollständig auszuschließen, wobei der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) zu beachten ist.38) Von dieser Möglichkeit wird insbesondere aus Kostengründen häufig Gebrauch gemacht.39) Umstritten ist, ob trotz § 10 Abs. 5 zumindest ein satzungsfester Anspruch jedes Aktionärs auf Verbriefung sämtlicher Aktien – also auch derjenigen, die nicht ihm gehören – in einer Dauer-Globalurkunde i. S. des § 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG erhalten bleibt. Die h. M. bejaht dies überzeugend.40) Das Ergebnis lässt sich durchaus mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 begründen: Da der Anspruch auf Verbriefung des Aktionärs im Grundsatz anerkannt ist, kann dieser gemäß § 10 Abs. 5 nur insoweit statutarisch ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, als es um die Verbriefung „seines“ Anteils geht, so dass ein Anspruch auf Verbriefung „sämtlicher“ Anteile in Form einer Dauer-Globalurkunde erhalten bleiben muss.41) Nur bei Erhaltung dieses Anspruchs kann ein veräußerungswilliger _____________ 33) Hüffer, AktG, § 10 Rz. 7; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 38. 34) Scherer-Rögner, DepotG, § 5 Rz. 16 ff.; Scherer-Scherer/Martin, DepotG, § 9a Rz. 21 ff.; Spindler/ Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 34 f; Einsele in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft Rz. 50; Franz, S. 50 ff. 35) Scherer-Rögner, DepotG, § 5 Rz. 9 ff.; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 37; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 9; Franz, S. 51 f. 36) Hüffer, AktG, § 10 Rz. 3; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 29. 37) Hüffer, AktG, § 10 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 31; Heider in: MünchKommAktG, § 10 Rz. 13; a. A. RG, Urt. v. 3.4.1912 – I 178/11, RGZ 79, 174, 175 f. 38) Hüffer, AktG, § 10 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 32. 39) S. hierzu Bayer/Hoffmann, AG Report 2007, R 439 ff. 40) OLG München, Urt. v. 4.5.2005 – 23 U 5121/04, ZIP 2005, 1070, 1071; Scherer-Scherer/Martin, DepotG, § 9a Rz. 16; Hüffer, AktG, § 10 Rz. 11; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 12; Heider in: MünchKomm-AktG, § 10 Rz. 58; Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 10 AktG Rz. 9; Hölters-Solveen, AktG, § 10 Rz. 20; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 83, der eine Differenzierung zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Aktie diskutiert; a. A. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 33. 41) So im Ergebnis auch Heider in: MünchKomm-AktG, § 10 Rz. 58.
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Aktien und Zwischenscheine
Aktionär die Voraussetzungen für einen eventuellen gutgläubigen Erwerb schaffen, der insbesondere bei unverbrieften Aktien für potentielle Erwerber wichtig sein kann (vgl. hierzu auch Rz. 21).42) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber einen Übergang zu reinen Wertrechten und den damit verbundenen Ausschluss eines Anspruchs auf jegliche Verbriefung nicht gewollt.43) Ebenfalls umstritten ist, mit welcher Mehrheit der Anspruch auf (Einzel-)Verbriefung nachträglich ausgeschlossen werden kann. Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass ein solcher Ausschluss mit der Mehrheit des § 179 Abs. 2 und somit ohne Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs durchgeführt werden kann.44) Für die REIT-AG ist der Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung bereits aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung in § 5 Abs. 2 REITG ausgeschlossen. IX.
Übertragung der Aktien45)
15 Im deutschen Aktienrecht gilt mit Ausnahme von vinkulierten Namensaktien gemäß § 68 Abs. 2 der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Aktien.46) Aktien können entweder als mitgliedschaftliches Recht oder, im Falle ihrer Verbriefung, als Urkunde und somit als Sache übertragen werden.47) Für den Erwerber ist eine möglichst rechtssichere Gestaltung des jeweiligen Übertragungsvorgangs entscheidend, wobei die Ausnutzung der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs und die Beachtung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes im Vordergrund stehen sollten.48) 1.
Unverbriefte Aktien
16 Die rechtsgeschäftliche Übertragung kann nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen gemäß §§ 413, 398 ff. BGB erfolgen (siehe auch § 68 Rz. 3, 5).49) Das einzige gesetzliche Verfügungsverbot des AktG enthält § 41 Abs. 4 Satz 1 für das Stadium der Vor-AG.50) Die Satzung der AG kann die Übertragung durch Abtretung der unverbrieften Mitgliedschaft weder ausschließen noch einschränken.51) Eine Ausnahme hiervon besteht nur, wenn nach § 23 Abs. 3 Nr. 5 die Ausgabe von Namensaktien vorgesehen ist, gemäß der in § 68 Abs. 2 Satz 1 vorgesehenen Vinkulierungsmöglichkeit die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der AG gebunden ist und die Aktienurkunden noch nicht ausgegeben sind.52) Die Abtretung umfasst das Mitgliedschaftsrecht als solches inklusive sämtlicher unselbständiger Nebenrechte, z. B. des Gewinnbezugsrechts, während bereits beschlossene Dividenden und konkret entstandene Bezugsrechte über §§ 413, 398 ff. BGB gesondert übertragen werden müssen; die Beachtung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes erfordert eine genaue Bezeichnung der abzutretenden Aktien _____________ 42) Vgl. auch Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 20 Rz. 83. 43) BT-Drucks. 13/10038, S. 25; Hüffer, AktG, § 10 Rz. 11; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 83; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 12. 44) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 80; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 34; Seibert, DB 1999, 267, 268; krit.: Hüffer, AktG, § 10 Rz. 12; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 13. 45) Zur Bestellung von beschränkt dinglichen Rechten an Aktien s. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 66 ff. 46) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 49. 47) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 50. 48) Ausführlich zur Übertragung von Aktien in der Praxis: Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 14; Iversen, AG 2008, 736 ff.; Mirow, NZG 2008, 52 ff. 49) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 52; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 23. 50) Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 14 Rz. 2. 51) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rz. 32 m. w. N. 52) OLG Celle, Urt. v. 24.11.2004 – 9 U 119/04, AG 2005, 438 f.; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 14 Rz. 2.
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§ 10
Aktien und Zwischenscheine
im jeweiligen Abtretungsvertrag.53) Ein gutgläubiger Erwerb unverbriefter Aktien ist nicht möglich.54) 2.
Verbriefte Aktien
Ein gewichtiger Grund für die Verbriefung der aktienrechtlichen Mitgliedschaft ist die 17 Ermöglichung einer Übertragung der Urkunde nach sachen- bzw. wertpapierrechtlichen Grundsätzen einschließlich des gutgläubigen Erwerbs.55) Alternativ bleibt auch für verbriefte Aktien die Möglichkeit der zivilrechtlichen Abtretung gemäß §§ 413, 398 ff. i. V. m. § 952 Abs. 2 BGB erhalten, was für Namensaktien durch das Wort „auch“ in § 68 Abs. 1 klargestellt wird (siehe auch § 68 Rz. 4, 6).56) Der Erwerber kann in diesem Fall die Herausgabe der Urkunde nach §§ 402, 952 Abs. 2, 985 BGB verlangen,57) ein gutgläubiger Erwerb scheidet in diesen Fällen allerdings aus.58) a)
Namensaktien
Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 kann die Namensaktie durch sog. Indossament übertragen 18 werden, wofür § 68 Abs. 1 Satz 2 die sinngemäße Anwendung des Wechselrechts, insbesondere der §§ 12, 13 und 16 WG anordnet.59) Der gutgläubige Erwerb richtet sich nach § 16 WG. Die h. M. fordert neben dem Indossament zusätzlich die Übereignung der Urkunde nach den Vorschriften der §§ 929 ff. BGB (Einzelheiten bei § 68).60) Bei vinkulierten Namensaktien ist zusätzlich die Zustimmung der AG erforderlich, vgl. § 68 Abs. 2 Satz 1. Blankoindossierte Namensaktien können in sinngemäßer Anwendung des Art. 14 Abs. 2 Nr. 3 WG durch bloße Übereignung der Aktienurkunde nach §§ 929 ff. BGB übertragen werden.61) b)
Inhaberaktien
Die sachenrechtliche Übertragung bei Inhaberaktien erfolgt durch Übereignung der Ak- 19 tienurkunde nach sachenrechtlichen Grundsätzen gemäß §§ 929 ff. BGB, wozu Einigung und Besitzübergabe bzw. Besitzübergabesurrogat erforderlich sind.62) Der gutgläubige Erwerb richtet sich hier nach §§ 932 ff. BGB.63) c)
Girosammelverwahrte Aktien
Bei girosammelverwahrten Aktien haben die Aktionäre Miteigentum nach Bruchteil an 20 den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Wertpapieren derselben Art, vgl. § 6 Abs. 1 DepotG. Sind die Aktien in Einzel- oder Sammelurkunden verbrieft, bezieht sich die Einigung auf den Übergang des Eigentums am jeweiligen Bruchteil des Sammelbestandes und die Übergabe wird durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs ersetzt, _____________ 53) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 23. 54) BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 195/91, NJW 1993, 1983, 1987; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 52. 55) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 54. 56) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 32; Bayer in: MünchKomm-AktG § 68 Rz. 1. 57) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 53. 58) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 10 Rz. 32. 59) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 56. 60) Hüffer, AktG, § 68 Rz. 4; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 56. 61) Hüffer, AktG, § 68 Rz. 5; Hölters-Solveen, AktG, § 10 Rz. 14. 62) K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 IV. 1. b), S. 277; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 55. 63) Iversen, AG 2008, 736, 739; Mirow, NZG 2008, 52, 53.
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Aktien und Zwischenscheine
vgl. §§ 7, 8 DepotG.64) Da bei Dauer-Globalurkunden der Herausgabeanspruch gemäß § 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG ausgeschlossen ist, wird in diesem Fall die Übergabe durch die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses gemäß Ziffer 8 AGB der Clearstream Banking AG ersetzt.65) Faktisch stellt sich die Übertragung als eine entsprechende Umbuchung bei der jeweiligen Wertpapiersammelbank dar.66) Ob die Umbuchung bei girosammelverwahrten Aktien einen für den Gutglaubensschutz erforderlichen Rechtsschein darstellt und somit ein gutgläubiger Erwerb auch bei girosammelverwahrten Aktien möglich ist, ist umstritten, wird von der h. M. jedoch befürwortet.67) d)
Praxishinweis
21 Der für die Praxis sicherste Weg ist häufig die Übertragung der Urkunde nach sachenbzw. wertpapierrechtlichen Grundsätzen und die hilfsweise Übertragung des mitgliedschaftlichen Rechts nach §§ 413, 398 ff. BGB i. V. m. § 952 Abs. 2 BGB.68) Insbesondere bei fehlenden Nachweisen in der Erwerberkette seit Gründung der AG ist ein potentieller Erwerber unverbriefter Aktien im Hinblick auf die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs gut beraten, vom Veräußerer eine entsprechende Verbriefung rechtzeitig vor Vollzug der dinglichen Übertragung zu verlangen. X.
Aktienrechtsnovelle 2011/2013
22 § 10 Abs. 1 und 2 sollen i. R. der Aktienrechtsnovelle 2011/2013 zukünftig folgenden Wortlaut erhalten: (1) Die Aktien lauten auf den Namen. Sie können auf den Inhaber lauten, wenn 1. die Gesellschaft börsennotiert ist, oder 2. der Anspruch auf Einzelverbriefung gemäß Absatz 5 ausgeschlossen ist. In diesem Fall muss die Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank im Sinne von § 1 Absatz 3 Satz 1 des Depotgesetzes oder bei einem ausländischen Verwahrer, der die Voraussetzungen des § 5 Absatz 4 Satz 1 erfüllt, hinterlegt werden. Solange die Sammelurkunde nicht hinterlegt ist, ist § 67 entsprechend anzuwenden. (2) Sie müssen auf den Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden. Der Betrag der Teilleitungen ist in der Aktie anzugeben. 23 Der am 11.11.2010 veröffentlichte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des AktG (nachfolgend: RefE AktG)69) sah vor, Inhaberaktien nur noch für börsennotierte Aktiengesellschaften zuzulassen und für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften zwingend Namensaktien vorzuschreiben.70) Begründet wurde die geplante Änderung mit mangelnder Transparenz der Gesellschafterstruktur bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien, da die Schwellenwerte für die Meldepflichten in § 20 _____________ 64) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 27; vgl. ausführlich hierzu Einsele in: MünchKommHGB, Depotgeschäft Rz. 95 ff.; Scherer-Rögner, DepotG, § 5 Rz. 72 ff. 65) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 27; vgl. ausführlich hierzu Einsele in: MünchKommHGB, Depotgeschäft Rz. 95 ff. 66) Einsele in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft Rz. 51. 67) Scherer-Scherer/Martin, DepotG, § 9a Rz. 29; Scherer-Rögner, DepotG, § 5 Rz. 70, § 6 Rz. 7; Spindler/ Stilz-Vatter, AktG, § 10 Rz. 65 m. w. N.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 10 Rz. 28; a. A. Einsele in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft Rz. 111 ff. 68) Iversen, AG 2008, 736, 738. 69) Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes v. 2.11.2010 (RefE), abrufbar unter: http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/RefE_ Aktienrechtsnovelle%202011.pdf?__blob=publicationFile. 70) S. die im Art. 1 des RefE geplanten Änderungen von §§ 10 Abs. 1, 23 Abs. 3 und § 24.
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§ 10
Aktien und Zwischenscheine
deutlich höher sind als die in § 21 WpHG.71) Die juristische Literatur kommentierte den apodiktischen Ansatz des RefE AktG zur ausschließlichen Zulassung von Inhaberaktien für börsennotierte Aktiengesellschaften weitgehend kritisch.72) Diese Kritik aufgreifend schlug der Regierungsentwurf für eine Aktienrechtsnovelle (nachfolgend: RegE AktG)73) einen liberaleren Weg ein und möchte Inhaberaktien weiterhin sowohl für börsennotierte als auch für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften zulassen, für erstere vorbehaltslos, für letztere hingegen nur unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen. Gleichzeitig soll mittels Anpassung in § 67 Abs. 1 Satz 1 klargestellt werden, dass die Eintragung der Aktionäre in das Aktienregister für Namensaktien unabhängig von einer Verbriefung der Aktien obligatorisch ist. Mit der hierdurch beabsichtigten Erhöhung der Transparenz von Aktionärsstrukturen 24 wird einer Rüge Deutschlands durch die Financial Action Task Force (FATF) begegnet, deren Ziel eine wirksame Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in den Mitgliedstaaten ist.74) Nach Ansicht der FATF gebe es insbesondere bei deutschen nicht börsennotierten Gesellschaften, die Inhaberaktien ausgeben, keine hinreichende Transparenz hinsichtlich der Gesellschafterstruktur und sei nicht gewährleistet, dass die zuständigen Behörden rechtzeitig hinreichende und aktuelle Informationen über die Aktionäre erhielten.75) 1.
Börsennotierte AG
Für eine börsennotierte AG soll es weiterhin bei der freien Wahl zwischen Namens- und 25 Inhaberaktien bleiben, vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 RegE AktG. Die hier geltenden Regularien des Wertpapierhandelsgesetzes, nach dessen § 21 WpHG Mitteilungspflichten über die Beteiligung an einer AG bereits bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten von 3 % der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft bestehen, werden in Kombination mit den Rechtsfolgen (nachlaufenden Rechtsverlust trotz nachgeholter Mitteilungspflicht gemäß § 28 Satz 3 WpHG bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung) als hinreichende Absicherung der Transparenz angesehen.76) 2.
Nicht börsennotierte AG
Im Gegensatz zu § 21 WpHG sieht § 20 AktG für nicht börsennotierte Gesellschaften 26 Mitteilungspflichten erst ab einer Beteiligungsquote von 25 % sowie weniger einschneidendere Rechtsfolgen vor, vgl. hierzu § 20 Rz. 30 ff. Aktien einer nicht börsennotierten AG sollen zukünftig nur noch dann auf den Inhaber 27 lauten können, wenn der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen und die ausgegebene(n) Sammelurkunde(n) (§ 9a DepotG) bei einer Wertpapiersammelbank (§ 1 Abs. 3 Satz 1 DepotG) oder einem qualifizierten ausländischen Verwahrer (§ 5 Abs. 4 Satz 1 DepotG) hinterlegt werden, vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 RegE AktG (sog. Dauer-Globalurkunde, vgl. Rz. 9). Solange eine Hinterlegung nach diesen Vorgaben _____________ 71) Vgl. S. 10 des RefE. 72) Vgl. nur Bungert/Wettich, ZIP 2011, 160; Diekmann/Nolting, NZG 2011, 6; Drinhausen/Keinath, BB 2011, 11, 17; Drygala, ZIP 2011, 798; Nikoleyczik, GWR 2010, 594; Noack, DB 2010, 2657. 73) Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2011/2013), abrufbar unter (BT-Drucks. 17/8989): http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/ DE/pdfs/RegE_Aktienrechtsnovelle.pdf?__blob=publicationFile. 74) BT-Drucks. 17/8989, S. 11. 75) BT-Drucks. 17/8989, S. 11. 76) BT-Drucks. 17/8989, S. 11 f.; Nikoleyczik, GWR 2010, 594, 596.
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§ 10
Aktien und Zwischenscheine
(noch) nicht erfolgt ist, soll § 67 AktG gelten und hat die AG ein entsprechendes Aktienregister zu führen, vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 RegE AktG. 28 Der Gesetzgeber signalisiert auf diese Weise, dass Namensaktien bei der nicht börsennotierten AG zumindest bevorzugt werden und sieht vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelungen auch für die Alternative der nunmehr eingeschränkt zugänglichen Inhaberaktien die eingeforderte Transparenz gewährleistet.77) Denn die gesetzlich verbindliche Girosammelverwahrung gewährleiste aufgrund der nachvollziehbaren Verwahrkette stets eine hinreichende Ermittlungsspur, um den Aktionär identifizieren zu können und einem Verdacht auf kriminelles Handeln nachgehen zu können.78) Die Literatur äußert sich insbesondere mit Blick auf die weiterhin bestehenden Umgehungsmöglichkeiten (Eintragungen von Legitimationsaktionären und Treuhandverhältnissen) und mangels Öffentlichkeit der Angaben hingegen kritisch zu der Frage, ob das Aktienregister in § 67 AktG bzw. die Neuregelungen in § 10 tatsächlich die gewünschte Erhöhung der Beteiligungstransparenz gewährleisten können.79) 3.
Übergangsvorschriften
29 § 26f Abs. 1 EGAktG RegE AktG soll nicht börsennotierten Gesellschaften, deren Satzung vor dem 21.12.2011 durch notarielle Beurkundung festgestellt wurde, einen umfassenden Bestandsschutz gewähren. Für diese (Vor-)Gesellschaften soll die Regelung in § 10 der gegenwärtigen Fassung weiterhin zeitlich unbeschränkt Anwendung finden, auch bei Kapitalerhöhungen oder im Falle des Delisting.80) Der Bestandsschutz soll dann enden, wenn erstmals Inhaberaktien ausgegeben werden.81) 4.
Rechtsfolgen bei Verstößen
30 Bestimmt die Satzung einer neu gegründeten nicht börsennotierten AG die Ausstellung von Inhaberaktien, ohne dass der Anspruch auf Einzelverbriefung statutarisch ausgeschlossen ist, soll diese Satzungsregelung nichtig sein und das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister gemäß § 38 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 5 ablehnen.82) Wird dennoch eingetragen, kommt das Zwangsauflösungsverfahren gemäß § 399 FamFG in Betracht.83) Beschließt die Hauptversammlung, durch Satzungsänderung die bislang ausgestellten Namensaktien in Inhaberaktien umzuwandeln oder (bei neuen und nicht vom Bestandsschutz erfassten Altgesellschaften)84) das Grundkapital durch Ausgabe junger Inhaberaktien zu erhöhen, ohne dass der Anspruch auf Einzelverbriefung statutarisch ausgeschlossen ist, soll der Beschluss gemäß § 241 Nr. 3 Fall 3 nichtig sein, nicht in das Handelsregister eingetragen und ggf. gemäß § 249 gerichtlich als nichtig festgestellt werden können.85)
_____________ 77) BT-Drucks. 17/8989, S. 11. 78) BT-Drucks. 17/8989, S. 12. 79) Diekmann/Nolting, NZG 2011, 6; Nikoleyczik, GWR 2010, 594, 596 f.; Bungert/Wettich, ZIP 2012, 297, 298. 80) Ziemons, BB 2012, 523, 524; Götze/Arnold/Carl, NZG 2012, 321, 323. 81) Götze/Arnold/Carl, NZG 2012, 321, 323. 82) BT-Drucks. 17/8989, S. 13. 83) BT-Drucks. 17/8989, S. 13. 84) Ziemons, BB 2012, 523, 524. 85) BT-Drucks. 17/8989, S. 13.
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§ 11
Aktien besonderer Gattung 5.
Praxishinweis
In Anbetracht der Neuregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 2 RegE AktG ist unabhängig von 31 etwaigen Börsenplänen jeder im Anschluss an das Inkrafttreten der Neuregelungen neu zu gründenden AG sowie jeder AG, deren Satzung nach dem 21.12.2011 festgestellt wurde, der ggf. im Wege der Satzungsänderung durchzusetzende statutarische Ausschluss des Einzelverbriefungsanspruchs anzuraten. Ansonsten kann es zu Schwierigkeiten kommen, sei es in Folge der lückenhaften Übergangsregelung in § 26f Abs. 1 EGAktG RegE AktG, sei es in Folge eines zukünftigen Delisting einer AG mit Inhaberaktien.86) Ob es in der Praxis bei nicht börsennotierten Gesellschaften zu dem vom Gesetzgeber intendierten87)und angesichts der mit höheren Kosten verbundenen Girosammelverwahrung in der Literatur prognostizierten88) Rückgang der Inhaberaktien kommen wird, bleibt abzuwarten. _____________ 86) Vgl. hierzu Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 20 AktG Rz. 11; Götze/Arnold/Carl, NZG 2012, 321, 323; Ziemons, BB 2012, 523, 524; Merkner/Schmidt-Bendun, DB 2012, 98, 99. 87) BT-Drucks. 17/8989, S. 12. 88) Götze/Arnold/Carl, NZG 2012, 321, 322; Bungert/Wettich, ZIP 2012, 297, 298.
§ 11 Aktien besonderer Gattung 1
Die Aktien können verschiedene Rechte gewähren, namentlich bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens. 2Aktien mit gleichen Rechten bilden eine Gattung. Literatur: Bayer/Hoffmann, Ausgestaltung von Vorzugsaktien mit Stimmrecht in der Praxis, AG Report 2010, R 235; Bayer/Hoffmann, Vorzugsaktien mit Stimmrecht als Aktiengattung, AG Report 2010, R 207; Bayer/Hoffmann, Gemeinnützige Aktiengesellschaften, AG Report 2007, R 347; Brehm, Das Venture-Capital-Vertragswerk, Diss. 2011; Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Cichy/Heins, Tracking Stocks: Ein Gestaltungsmittel für deutsche Unternehmen (nicht nur) bei Börsengängen, AG 2010, 181; Erhart/ Riedel, Disproportionale Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften – gesellschafts- und steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, BB 2008, 2266; Loges/Distler, Gestaltungsmöglichkeiten durch Aktiengattungen, ZIP 2002, 467; Mellert, Venture Capital Beteiligungsverträge auf dem Prüfstand, NZG 2003, 1096; Noack, Aktien-Gattungen, Verbriefung, Übertragung, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, S. 510; Sethe, Aktien ohne Vermögensbeteiligung, ZHR 162 (1998), 474; Sieger/Hasselbach, „Tracking-Stock“ im deutschen Aktienund Kapitalmarktrecht, AG 2001, 391; Zirngibl/Kupsch, Erlöspräferenzen für Venture CapitalInvestoren – ein neuer Gestaltungsvorschlag für Gesellschaftervereinbarungen, BB 2011, 579.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Verhältnis zu § 53a ............................ 4 III. Aktiengattungen ............................... 5 1. Begriff ................................................. 5 2. Mitgliedschaftsrechte ......................... 6 a) Vermögensrechte ......................... 7 b) Verwaltungsrechte ..................... 11
3. Pflichten ............................................ 4. Sonder- und Gläubigerrechte .......... IV. Keine Aktiengattungen .................. V. Entstehung der Gattungen ............ VI. Änderung der Gattungen .............. VII. Rechtsfolgen bei Verstößen .........
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§ 11 I.
Aktien besonderer Gattung Bedeutung der Norm
1 § 11 besagt, dass es trotz des in § 53a normierten Gleichbehandlungsgebots Aktien mit verschiedenen Rechten (und Pflichten) geben kann und Aktien mit gleichen Rechten (bzw. Pflichten) jeweils eine Gattung bilden.1) 2 Die geläufigste eigene Aktiengattung bilden die gesetzlich in §§ 139 ff., 12 Abs. 1 Satz 2 normierten stimmrechtlosen, aber mit Gewinnvorrechten ausgestatteten Vorzugsaktien. Da diese die Möglichkeit bieten, unter Erhaltung der Stimmrechtsmacht bestehender Stammaktien weiteres Eigenkapital aufzunehmen, ist diese Aktiengattung besonders interessant für Familienunternehmen.2) 3 In der Praxis werden darüber hinaus eigene Aktiengattungen für folgende Konstellationen diskutiert: Aktien ohne Vermögensbeteiligung bei der gemeinnützigen AG.3) Aktien, die insbesondere Venture Capital und Private Equity Investoren unter Erhaltung des Stimmrechts besondere Vorrechte einräumen (sog. preferred stock).4) Aktien, bei denen sich die Vermögensbeteiligung auf eine Sparte der AG beschränkt (sog. Spartenaktien oder tracking stocks).5) § 5 Abs. 1 REITG ordnet für die REIT-AG an, dass sämtliche Aktien als stimmberechtigte Aktien gleicher Gattung begründet werden, so dass unterschiedliche Gattungen hier nicht denkbar sind. II.
Verhältnis zu § 53a
4 Während das in § 53a verankerte Gebot, Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleichzubehandeln (Gleichbehandlungsgebot), an jegliches Verhalten der Gesellschaftsorgane unterhalb der Satzungsebene gerichtet ist, stellt § 11 Satz 1 i. V. m. § 23 Abs. 3 Nr. 4 klar, dass mitgliedschaftliche Ansprüche und Befugnisse unterschiedlich ausgeprägt sein können, soweit hierfür eine entsprechende Grundlage in der Satzung geschaffen wurde.6) III.
Aktiengattungen
1.
Begriff
5 Aktien i. S. von § 11 Satz 1 meint Mitgliedschaften und neben den in § 11 Satz 2 explizit genannten gleichen (mitgliedschaftlichen) Rechten sind auch gleiche (mitgliedschaftliche) Pflichten gattungsbegründend.7) Eine eigene Gattung wird auch dann begründet, wenn nur eine einzige Aktie mit abweichenden Rechten und/oder Pflichten ausgestattet ist.8) 2.
Mitgliedschaftsrechte
6 Die in § 11 geregelten Mitgliedschaftsrechte lassen sich in Vermögens- und Verwaltungsrechte unterteilen.9) Diese Rechte unterliegen dem gesellschaftsrechtlichen Abspaltungs_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
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Hüffer, AktG, § 11 Rz. 1, 2, 7. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 2; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 14; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 13 Rz. 7. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 2; Sethe, ZHR 162 (1998), 474 ff. am Bsp. der Fußball-AG. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 2; Loges/Distler, ZIP 2002, 467 ff.; Bayer/Hoffmann, AG Report 2010, R 235 ff. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 2; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 13 Rz. 10 f.; Erhart/ Riedel, BB 2008, 2266 ff.; Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff. Hüffer, AktG, § 11 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 11 Rz. 7; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 3; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 13 Rz. 9. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 9.
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§ 11
Aktien besonderer Gattung
verbot des § 8 Abs. 5 und können im Gegensatz zu den nicht an die Mitgliedschaft gekoppelten, rein schuldrechtlichen Rechten einzelner Aktionäre (sog. Gläubigerrechte; siehe hierzu Rz. 15) nicht unabhängig von der Mitgliedschaft übertragen oder belastet werden.10) Neben den Gläubigerrechten sind die Mitgliedschaftsrechte auch von den Sonderrechten i. S. des § 35 BGB abzugrenzen (siehe hierzu Rz. 15), die jeweils losgelöst von § 11 zu betrachten sind. a)
Vermögensrechte
Zu den mitgliedschaftlichen Vermögensrechten zählen insbesondere jedem Aktionär 7 grundsätzlich anteilig im Verhältnis zu seiner Beteiligung am Grundkapital zustehende Gewinnbeteiligungsrechte gemäß § 58 Abs. 4, Liquidationserlösbeteiligungsrechte gemäß § 271 und Bezugsrechte auf neue Aktien gemäß § 186.11) Sollte die Satzung eine nach § 60 Abs. 3 bzw. § 271 Abs. 2 i. V. m. § 23 Abs. 5 zulässige Abweichung vom Grundsatz der anteiligen Beteiligung am Gewinn bzw. am Liquidationserlös für bestimmte Aktien vorsehen, so begründet diese Abweichung eine eigene Aktiengattung i. S. von § 11.12) Da das mitgliedschaftliche Bezugsrecht durch entsprechende Satzungsregelung für bestimmte Aktien nicht generell, sondern nur im Zusammenhang mit einem konkreten Kapitalerhöhungsbeschluss und unter Beachtung der Anforderungen des § 186 Abs. 3 ganz oder teilweise ausgeschlossen werden kann, ist die Begründung einer Aktiengattung durch Differenzierungen im Bereich des Bezugsrechts nicht möglich.13) Die Schaffung einer insbesondere für die gemeinnützige AG diskutierten Aktiengattung 8 mit Stimmrecht aber ohne Vermögensbeteiligung ist für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bedeutsam und auch aktienrechtlich zulässig.14) Die am anglo-amerikanischen Vorbild des sog. preferred stock orientierten Vorrechte 9 sollen die i. R. einer Kapitalerhöhung neu auszugebenden Aktien im Hinblick auf die Vermögensbeteiligung (insbesondere in Form von Gewinn- bzw. Liquidations- oder Erlöspräferenzen),15) aber z. B. auch bzgl. des Verwässerungsschutzes, der Informationsund Entsenderechte sowie der Einflussnahme auf die Geschäftsleitung gegenüber den bisherigen Aktien privilegieren und werden häufig von Venture Capital und Private Equity Investoren eingefordert.16) Ein klassischer Fall stimmrechtloser Vorzugsaktien liegt grundsätzlich nicht vor, da der Investor in der Regel eine vermögensrechtliche Privilegierung unter Aufrechterhaltung seines Stimmrechts erhält. Insbesondere eine Gewinn- bzw. Liquidationspräferenz neu auszugebender Aktien führt zur Begründung einer eigenen Aktiengattung i. S. von § 11.17) Der Einsatz von sog. Spartenaktien oder tracking stocks, d. h. der Beschränkung von 10 Vermögensrechten auf z. B. bestimmte Geschäftsbereiche oder Tochtergesellschaften einer AG (= „Sparten“) stößt in der Praxis auf Schwierigkeiten im Hinblick auf die Möglichkeit einer korrespondierenden Beschränkung des Stimmrechts, die sich nur bei
_____________ Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 8. Hüffer, AktG, § 11 Rz. 4. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 9. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 10. Sethe, ZHR 162 (1998), 474 ff.; Bayer/Hoffmann, AG-Report 2007, R 347 ff. Vgl. hierzu Zirngibl/Kupsch, BB 2011, 579 ff. S. hierzu Loges/Distler, ZIP 2002, 467 ff; Bayer/Hoffmann, AG-Report 2010, R 207 f. und R 235 ff.; Brehm, S. 86 ff., 98 ff., 120 ff., 128 ff., 178 ff. 17) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 8 f.
10) 11) 12) 13) 14) 15) 16)
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§ 11
Aktien besonderer Gattung
Schaffung stimmrechtsloser Vorzugsaktien vermeiden lassen.18) Die Ausgabe von Spartenaktien, deren Vermögensrechte von denjenigen anderer Aktien abweichen, sei es in Form von Stamm- oder in Form von Vorzugsaktien, stellt die Begründung einer eigenen Aktiengattung i. S. von § 11 dar.19) b)
Verwaltungsrechte
11 Zu den mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechten zählen u. a. –
das Stimmrecht (§§ 12, 133 ff.),
–
das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung (§ 118),
–
das Auskunftsrecht (§ 131),
–
das aktive Wahlrecht zum Aufsichtsrat (§ 101 Abs. 1) sowie
–
die verschiedenen Schutzrechte in Form der Klagerechte (§§ 147 f., 241 ff.) und der Minderheitenrechte (z. B. §§ 93 Abs. 4 Satz 3, 122, 142 Abs. 2, 147 Abs. 2 Satz 2, 148, 258 Abs. 2, 309 Abs. 3 Satz 1).20)
12 Das Gesetz sieht bei den Verwaltungsrechten weit überwiegend keine von § 23 Abs. 5 geforderte Abweichungsmöglichkeit durch Satzungsregelung vor.21) Die einzigen beiden unstreitig zulässigen Ausnahmen hiervon bilden –
die stimmrechtslosen Vorzugsaktien gemäß §§ 139 ff. sowie
–
das Entsenderecht in den Aufsichtsrat gemäß § 101 Abs. 2.22)
13 Bei den stimmrechtslosen Vorzugsaktien wird der Stimmrechtsverlust durch einen Gewinnvorzug ausgeglichen, so dass diese Gattung sowohl durch rechtliche Vor- als auch durch rechtliche Nachteile geprägt ist.23) Mehrstimmrechte, bei denen bestimmte Aktien ihren Inhabern mehr Stimmen gewähren als der jeweiligen Beteiligungsquote am Grundkapital entspricht, sind gemäß § 12 Abs. 2 inzwischen unzulässig (siehe hierzu § 12 Rz. 1, 14). Zuvor geschaffene Mehrstimmaktien können aber über einen Beibehaltungsbeschluss gemäß § 5 Abs. 1 EGAktG auch heute noch fortbestehen und stellen eine eigene Gattung gemäß § 11 dar.24) Nach überwiegender Ansicht sind Höchststimmrechte nur im Fall der nicht börsennotierten AG i. S. von § 134 Abs. 1 Satz 2 nicht gattungsbegründend.25) Das Entsenderecht in den Aufsichtsrat ist aufgrund gesetzlicher Anordnung in § 101 Abs. 2 Satz 3 nicht gattungsbegründend. Während das in § 131 normierte Auskunftsrecht in der Hauptversammlung nach allgemeiner Auffassung nicht beschränkt werden kann, ist die Möglichkeit einer Erweiterung dieses Rechts (außerhalb der Hauptversammlung) umstritten und in der Praxis insbesondere bei Kapitalerhöhungen unter Beteiligung von Venture Capital und Private Equity Investoren als Bestandteil des preferred stock relevant.26) Eine Erweiterung der Berichtspflichten des Vorstands mit einer korrespondie_____________ 18) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 2; eingehend hierzu: Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 13 Rz. 10 f.; Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff. 19) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 5; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 13 Rz. 10. 20) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 11 ff. 21) Hüffer, AktG, § 11 Rz. 3. 22) Hüffer, AktG, § 11 Rz. 3; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 13, 15. 23) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 13. 24) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 13. 25) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 5a. 26) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 14 m. w. N.; Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 469 f.; Bayer/ Hoffmann, AG-Report, 2010, R 235 ff.; Brehm, S. 76 f.
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Aktien besonderer Gattung
renden Erweiterung der Auskunftsrechte der Aktionäre wird mit Blick auf § 23 Abs. 5 Satz 2 überwiegend als zulässig erachtet.27) 3.
Pflichten
Zu den gattungsbegründenden Pflichten zählen insbesondere die Nebenpflichten des 14 § 55, während nach überwiegender Auffassung unterschiedlich hohe Einlagepflichten keine unterschiedlichen Gattungen begründen.28) Ob die statutarische Anordnung einer Zwangseinziehung für bestimmte Aktien i. S. von § 237 gattungsbegründend ist, ist umstritten.29) 4.
Sonder- und Gläubigerrechte
Sonderrechte sind Rechte i. S. des § 35 BGB, die ohne Zustimmung des jeweiligen 15 Betroffenen nicht verändert werden dürfen, während bei § 11 die individuelle Zustimmung zur Erleichterung des Eingriffs durch ein kollektives Schutzrecht der Gattung ersetzt wird. Im Aktienrecht findet § 35 BGB grundsätzlich nur subsidiär zur spezialgesetzlichen Sonderregelung des § 11 Anwendung, z. B. im Hinblick auf das von § 11 explizit ausgenommene Entsenderecht in den Aufsichtsrat nach § 101 Abs. 2 Satz 1.30) Die sog. Gläubigerrechte sind nicht Bestandteil der Mitgliedschaft und können nur unabhängig von der Mitgliedschaft übertragen oder belastet werden.31) Hierzu zählen insbesondere der konkrete Dividenden- und Liquidationsauszahlungsanspruch sowie das konkrete Bezugsrecht, d. h. die durch den jeweiligen Beschluss der Hauptversammlung konkretisierten Vermögensrechte.32) IV.
Keine Aktiengattungen
Nicht gattungsbegründend sind neben den bereits genannten Beispielen nach überwiegen- 16 der Ansicht: Vinkulierung, Aktienart (Namens- oder Inhaberaktien)33), Nennbetrag, Verbriefung34) und unterschiedliche Ausgabebeträge, Aktien mit verschiedenen Einlagepflichten sowie voll- und teileingezahlte Aktien.35) V.
Entstehung der Gattungen
Die Entstehung unterschiedlicher Gattungen setzt sowohl bei Gründung als auch bei spä- 17 teren Kapitalerhöhungen oder sonstigen Satzungsänderungen eine entsprechende Satzungsgrundlage nach § 23 Abs. 3 Nr. 4 voraus.36) Im Gründungsstadium ist die Begründung von Aktiengattungen unproblematisch, da 18 aufgrund der hierzu erforderlichen Zustimmung sämtlicher Gründer keine Bedenken im _____________ 27) Brehm, S. 76 m. w. N. 28) S. hierzu Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 16; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 19 m. w. N. 29) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 17; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 18 jeweils m. w. N. 30) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 4. 31) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 10; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 7. 32) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 10. 33) A. A Bürgers/Körber-Westermann, AktG, § 11 Rz. 10; Brändel in: Großkomm-AktG, § 11 Rz. 17. 34) A. A. Brändel in: Großkomm-AktG, § 11 Rz. 17. 35) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 6 m. w. N.; Grigoleit-Vedder, AktG, § 11 Rz. 7; Heider in: MünchKomm-AktG, § 11 Rz. 30. 36) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 21.
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§ 11
Aktien besonderer Gattung
Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in § 53a bestehen.37) Bei späterer erstmaliger Begründung von Aktiengattungen ist hinsichtlich der Reichweite des Zustimmungserfordernisses der Aktionäre danach zu unterscheiden, ob es sich um die spätere Ausgabe neuer Aktien bei Kapitalerhöhung oder um die Umwidmung bereits bestehender Aktien im Wege einfacher Satzungsänderung handelt sowie danach, ob die Aktien der neuen Gattung ausschließlich geringere oder umfangreichere Rechte gewähren als die Altaktien.38) Selbiges gilt bei späterer wiederholter Begründung neuer Aktiengattungen zusätzlich zu den bereits bestehenden. Für den Fall, dass im Wege einer Kapitalerhöhung neben bereits bestehenden weitere Aktiengattungen begründet werden sollen, bedarf der satzungsändernde Hauptversammlungsbeschluss zusätzlich eines zustimmenden Sonderbeschlusses der Aktionäre sämtlicher bereits bestehender stimmberechtigter Gattungen (vgl. §§ 182 Abs. 2, 193 Abs. 1 Satz 3, 202 Abs. 2 Satz 4, 221 Abs. 1 Satz 4). VI.
Änderung der Gattungen
19 Soll das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert werden, so bedarf der Beschluss der Hauptversammlung zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der benachteiligten Aktionäre, vgl. § 179 Abs. 3 Satz 1. Dies gilt auch dann, wenn die neue Gattung neben Vor- auch Nachteile aufweist.39) Dieser Sonderbeschluss (vgl. § 179 Abs. 3 Satz 2) ist zusätzlich zu dem einfachen satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss sämtlicher Aktionäre erforderlich und bedarf – vorbehaltlich abweichender Satzungsregelung – gemäß § 179 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 179 Abs. 2 einer Kapitalmehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals sowie gemäß §§ 138 Satz 2, 133 Abs. 1 einer einfachen Stimmenmehrheit der jeweiligen Gattung.40) Der Sonderbeschluss ersetzt die ansonsten erforderliche Einzelzustimmung der benachteiligten Aktionäre und neutralisiert somit als Ausnahmeregelung das Gleichbehandlungsgebot in § 53a (kollektives Schutzrecht der Gattung, vgl. auch Rz. 15).41) VII. Rechtsfolgen bei Verstößen 20 Die für eine Entstehung bzw. Änderung von Aktiengattungen nach Gründung der AG erforderlichen Hauptversammlungsbeschlüsse unterliegen den allgemeinen Anfechtungsbzw. Nichtigkeitsrisiken der §§ 241 ff.; dies gilt auch, soweit es um Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 53a aufgrund fehlender Einzelzustimmungen benachteiligter Aktionäre geht.42) Solange über Sonderbeschlüsse nicht abgestimmt ist oder sonst für die Wirksamkeit erforderliche Zustimmungen fehlen, ist der Hauptversammlungsbeschluss zunächst schwebend unwirksam und wird endgültig unwirksam, wenn der Sonderbeschluss abgelehnt, nichtig oder erfolgreich angefochten bzw. die Zustimmung verweigert worden ist.43)
_____________ 37) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 27.; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 22. 38) S. ausführlich hierzu Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 23 ff.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 26 ff. 39) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 34. 40) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 32. 41) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 11 Rz. 33. 42) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 36. 43) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 11 Rz. 36.
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§ 12
Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte
§ 12 Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte (1) 1Jede Aktie gewährt das Stimmrecht. 2Vorzugsaktien können nach den Vorschriften dieses Gesetzes als Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. (2) Mehrstimmrechte sind unzulässig. Literatur: Adams, Höchststimmrechte, Mehrstimmrechte und sonstige wundersame Hindernisse auf dem Markt für Unternehmenskontrolle, AG 1990, 63; Arnold, Das Unsicherheitsproblem bei der Entschädigung von Mehrstimmrechten – eine Replik, DStR 2003, 1671; Arnold, Entschädigung von Mehrstimmrechten nach § 5 EGAktG, DStR 2003, 784; Diekmann/ Nolting, Aktienrechtsnovelle 2011, NZG 2011, 6; Schäfer, Mehrheitserfordernisse bei Stimmrechtskonsortien, ZGR 2009, 768; Wedemann, Das Stimmrecht beim Anteilsnießbrauch im Spiegel der Rechtsvergleichung und Rechtssetzungslehre, NZG 2013, 1281; Wertenbruch, Beschlussfassung und Pflichtverletzung im Stimmrechtskonsortium, NZG 2009, 645; Zöllner/ Noack, One share – one vote? Stimmrecht und Kapitalbeteiligung bei der Aktiengesellschaft, AG 1991, 117.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Stimmrecht (§ 12 Abs. 1) .................. 2 1. Kein Stimmrecht ohne Aktie ............. 3 2. Keine Aktie ohne Stimmrecht ........... 4 3. Gleiches Stimmrecht .......................... 5 4. (Un-)Einheitliche Stimmabgabe ....... 6 III. Schranken des Stimmrechts ............. 7 I.
1. Aktien ohne Stimmrecht ................... 8 2. Höchst- oder Maximalstimmrecht ... 10 3. Gesetzliche Ausübungsverbote ....... 11 4. Schuldrechtliche Beschränkungen .... 12 5. Treupflicht ........................................ 13 IV. Mehrstimmrechte (§ 12 Abs. 2) ..... 14
Bedeutung der Norm
Die Norm enthält drei Aussagen: Es gibt kein Stimmrecht ohne Aktie (§ 12 Abs. 1 1 Satz 1); es gibt grundsätzlich keine Aktie ohne Stimmrecht (§ 12 Abs. 1); grundsätzlich gewährt jede Aktie gleiches Stimmrecht (§ 12 Abs. 2).1) Zu den Aussagen zwei und drei gibt es Ausnahmen: § 12 Abs. 1 Satz 2 lässt die Existenz stimmrechtsloser Vorzugsaktien i. S. von §§ 139 ff. zu; vorbehaltlich einer anderweitigen Satzungsregelung steht dem Anlegeraktionär einer Investmentaktiengesellschaft gemäß § 109 Abs. 3 KAGB grundsätzlich kein Stimmrecht zu; § 134 Abs. 1 Satz 2 sieht für nicht börsennotierte Gesellschaften sog. Höchst- oder Maximalstimmrechte vor.2) Mit den Regelungen in § 12 will das Gesetz Kapitalrisiko und Stimmrechtseinfluss im Grundsatz kongruent halten (Kapitalprinzip).3) Seit der Änderung des § 12 Abs. 2 durch das KonTraG im Jahre 1998 ist die Einführung neuer Mehrstimmrechte seit 1.5.1998 verboten.4) Für bestehende Mehrstimmrechte enthält § 5 EGAktG eine Übergangsregelung zu Fortbestand bzw. Erlöschen derselbigen.
_____________ 1) 2) 3) 4)
Hüffer, AktG, § 12 Rz. 1. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 10, 3, 11; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 12 Rz. 2. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 12 Rz. 3 f. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 16, 19.
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§ 12 II.
Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte Stimmrecht (§ 12 Abs. 1)
2 Das Stimmrecht ist das Recht, an Beschlüssen der Hauptversammlung im Wege der Stimmabgabe mitwirken zu können und zählt zu den mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechten eines jeden Aktionärs (siehe § 11 Rz. 11). 1.
Kein Stimmrecht ohne Aktie
3 Dieser ausnahmslose Grundsatz wird aus Sinn und Zweck der §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 133 ff. abgeleitet und hat zur Folge, dass das Stimmrecht als akzessorischer Bestandteil der Mitgliedschaft von der Existenz der Aktie abhängt bzw. im Zusammenspiel mit dem in § 8 normierten Abspaltungsverbot (siehe. hierzu § 8 Rz. 26) nicht isoliert von der Aktie übertragen werden kann.5) Nicht stimmberechtigt sind daher z. B. Inhaber bloßer Gläubigerrechte sowie Pfandgläubiger, Nießbraucher6), Treugeber bei der Treuhand und Sicherungsgeber beim Sicherungseigentum.7) Unbedenklich ist hingegen die bloße Stimmrechtsausübung durch einen Nichtaktionär auf Basis gesetzlich oder rechtgeschäftlich begründeter Vertretungsmacht (u. a. auch verdeckte Stellvertretung gemäß § 129 Abs. 2), durch einen Verwalter kraft Amtes (Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter) oder durch den in § 129 Abs. 3 behandelten sog. Legitimationsaktionär.8) 2.
Keine Aktie ohne Stimmrecht
4 Echte Ausnahmen von diesem in § 12 Abs. 1 Satz 1 normierten Grundsatz gelten nur, soweit gesetzlich oder aufgrund gesetzlicher Legitimation (§ 23 Abs. 5) statutarisch ein Stimmrechtsausschluss begründet wird (siehe hierzu Rz. 8 – 11). Die weiteren Fälle zulässiger Stimmrechtsbeschränkung stellen keine echte Ausnahme von diesem Grundsatz dar (siehe hierzu Rz. 12, 13). 3.
Gleiches Stimmrecht
5 Das im Verbot der Mehrstimmrechte des § 12 Abs. 2 zum Ausdruck kommende Kapitalprinzip beinhaltet den in § 134 Abs. 1 Satz 1 positiv geregelten Grundsatz der für jede Aktie gleich bemessenen Stimmkraft, die sich bei Nennbetragsaktien nach dem Nennbetrag und bei Stückaktien nach der Zahl der Aktien bemisst.9) 4.
(Un-)Einheitliche Stimmabgabe
6 Das Stimmrecht aus einer einzigen Aktie kann nur einheitlich ausgeübt werden, da Bruchteilsstimmrechte unzulässig sind.10) Die einer Person aus mehreren Aktien zustehenden Stimmrechte können hingegen unterschiedlich ausgeübt werden, da eine uneinheitliche Stimmabgabe niemandem schaden und durchaus auf berechtigten Interessen beruhen kann, so z. B. wenn ein Treuhänder für verschiedene Treugeber Aktien an einer AG hält
_____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10)
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Hüffer, AktG, § 12 Rz. 3; Heider in: MünchKomm-AktG, § 12 Rz. 6. Wedemann, NZG 2013, 1281, 1284 f. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 12 Rz. 6 m. w. N. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 5; Heider in: MünchKomm-AktG, § 12 Rz. 14 ff. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 6. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 12 Rz. 8; Heider in: MünchKomm-AktG, § 12 Rz. 20 m. w. N.; zur vorübergehenden Zulässigkeit eines Bruchteilsstimmrechts bei der Entstehung von Spitzen durch Zusammenlegung von Aktien i. R. einer Kapitalherabsetzung vgl. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 7.
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Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte
§ 12
und deren Stimmrechte aufgrund voneinander abweichenden Weisungen unterschiedlich ausüben soll.11) III.
Schranken des Stimmrechts
Stimmrechtsbeschränkungen können entweder an eine bestimmte Aktiengattung i. S. 7 von § 11 oder an die Person des Aktionärs gekoppelt sein.12) 1.
Aktien ohne Stimmrecht
§ 12 Abs. 1 Satz 2 lässt die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gemäß 8 §§ 139 ff. zu. Bei Vorzugsaktien in diesem Sinne ist der Verlust des Stimmrechts an die Aktiengattung gekoppelt und wird durch einen (ggf. nachzuzahlenden) Vorzug bei der Gewinnverteilung kompensiert, vgl. §§ 139 Abs. 1, 140 Abs. 2. Vgl. zu den mit der Aktienrechtsnovelle 2011/2013 verbundenen gesetzlichen Änderungen §§ 139 f. § 5 Abs. 1 REITG ordnet für die REIT-AG an, dass sämtliche Aktien als stimmberechtigte Aktien gleicher Gattung begründet werden, so dass stimmrechtslose Vorzugsaktien hier nicht denkbar sind. Vorbehaltlich einer anderweitigen Satzungsregelung ist der Anlegeraktionär einer Invest- 9 mentaktiengesellschaft weder zur Teilnahme an der Hauptversammlung berechtigt noch steht ihm ein Stimmrecht zu, vgl. § 109 Abs. 3 KAGB. 2.
Höchst- oder Maximalstimmrecht
Für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften kann eine entsprechende Satzungsregelung 10 das Stimmrecht durch Festlegung eines Höchstbetrags oder von Abstufungen beschränken, vgl. § 134 Abs. 1 Satz 2. Diese Maßnahmen dienen insbesondere dazu, den Einfluss von Großaktionären zu beschränken.13) Die Stimmkraft von Aktionären, denen mehrere Aktien gehören, kann gemäß dieser Vorschrift beschränkt werden, indem die jeweilige Stimmkraft z. B. auf 5 % oder 10 % des Grundkapitals reduziert wird oder indem ab 1.000 Aktien 10 Aktien eine Stimme gewähren, ab 2.000 Aktien 20 Aktien usw.14) Derartige Beschränkungen sind an die Person des Aktionärs gekoppelt und stellen somit keine eigene Aktiengattung i. S. von § 11 dar (siehe auch § 11 Rz. 13).15) 3.
Gesetzliche Ausübungsverbote
Das AktG ordnet für folgende Situationen ein (vorübergehendes) an die Person des 11 jeweiligen Aktionärs gekoppeltes Verbot der Stimmrechtsausübung an: –
§ 71b (eigene Aktien),
–
§ 136 Abs. 1 (persönliche Befangenheit),
–
§ 286 Abs. 5 Satz 3 HGB i. V. m. § 136 Abs. 1 (Offenlegung der Bezüge von Vorstandsaktionären),
–
§ 142 Abs. 1 Satz 2, 3 (Sonderprüfung Rechtsstreit mit Organmitglied),
–
§§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4, § 28 WpHG, § 59 WpÜG (Verstoß gegen Mitteilungspflichten),
_____________ 11) Heider in: MünchKomm-AktG, § 12 Rz. 20; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 12 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 12 Rz. 9. 12) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 3. 13) Grigoleit-Vedder, AktG, § 12 Rz. 4. 14) Heider in: MünchKomm-AktG, § 12 Rz. 36. 15) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 11.
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§ 12
Stimmrecht. Keine Mehrstimmrechte
–
§ 328 (wechselseitige Beteiligung), sowie
–
§ 67 Abs. 2 Satz 2, 3 (Namensaktien, Fremdbesitz).16)
4.
Schuldrechtliche Beschränkungen
12 In den Grenzen der Zulässigkeitsschranken des § 136 Abs. 2 können i. R. sog. Stimmbindungsverträge schuldrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen vereinbart werden, in denen sich Aktionäre verpflichten, ihr Stimmrecht nur nach bestimmten vertraglichen Vorgaben auszuüben (sog. Konsortial-, Schutzgemeinschafts- oder Poolverträge).17) Mangels dinglicher Wirkung sind vertragswidrig ausgeübte Stimmrechte dennoch wirksam und die Vertragspartner auf klagbare Erfüllungs- bzw. Schadensersatzansprüche verwiesen.18) Falls sämtliche Aktionäre an einer Stimmrechtsvereinbarung beteiligt sind, sollen Beschlüsse, die durch vertragswidrig abgegebene Stimmen zustande gekommen sind, anfechtbar sein.19) 5.
Treupflicht
13 Aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht können sich insoweit Stimmrechtsbeschränkungen ergeben, als dass jeder Aktionär sein Stimmrecht unter Berücksichtigung der Interessen der AG sowie der übrigen Aktionäre auszuüben hat.20) Auch hier bestehen ggf. einklagbare Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche.21) IV.
Mehrstimmrechte (§ 12 Abs. 2)
14 Mehrstimmrechtsaktien sind Aktien, denen entgegen § 12 Abs. 1 Satz 1 ein mehrfaches und somit überproportionales Stimmrecht zustehen soll.22) Während diese früher begrenzt zulässig waren, hat der Gesetzgeber die Ausgabe neuer Mehrstimmrechtsaktien mit Einführung des KonTraG 1998 unter Änderung des § 12 Abs. 2 strikt verboten. Abweichungen in der Gründungssatzung sind gemäß § 23 Abs. 5 nicht zulässig und führen ebenso wie entsprechende spätere Änderungsbeschlüsse zur Nichtigkeit, vgl. § 134 BGB, § 241 Nr. 3 Alt. 3.23) Für die vor dem 1.5.1998 begründeten Mehrstimmrechtsaktien gilt die Übergangsregelung in § 5 EGAktG, wonach bis 31.5.2003 die Mehrstimmrechte durch Beschluss beseitigt oder fortgesetzt werden konnten. Mangels eines Beseitigungsbeschlusses und vorbehaltlich eines etwaig gefassten Fortsetzungsbeschlusses sind die Mehrstimmrechte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EGAktG mit Wirkung zum 1.6.2003 automatisch erloschen. In Fällen des Beseitigungsbeschlusses bzw. des automatischen Erlöschens steht den betroffenen Aktionäen ein angemessener Ausgleich gegen die AG zu, dessen Höhe im Spruchverfahren überprüft werden kann, vgl. § 5 Abs. 3 – 6 EGAktG. _____________ 16) Vgl. hierzu Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 14 f.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 11 Rz. 14 ff. 17) BGH, Urt. v. 20.1.1983 – II ZR 243/81, AG 1983, 249 ff.; BGH, Urt. v. 27.10.1986 – II ZR 240/85, ZIP 1987, 293, 295; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 12 Rz. 22; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 12 Rz. 11; ausführlich zum Thema: Semler in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 38 Rz. 41 ff.; Wertenbruch, NZG 2009, 645 ff. 18) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 12 Rz. 23; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 12 Rz. 11. 19) BGH, Urt. v. 20.1.1983 – II ZR 243/81, AG 1983, 249 f.; BGH, Urt. v. 27.10.1986 – II ZR 240/85, ZIP 1987, 293, 295; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 12 Rz. 23. 20) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 12 Rz. 24; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 12 Rz. 12. 21) OLG Stuttgart, Urt. v. 23.7.2003 – 20 U 5/03, NZG 2003, 1025, 1027; Dauner-Lieb in: KölnKommAktG, § 12 Rz. 12. 22) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 17. 23) Hüffer, AktG, § 12 Rz. 10; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 12 Rz. 18.
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§ 13
Unterzeichnung der Aktien
§ 13 Unterzeichnung der Aktien 1 Zur Unterzeichnung von Aktien und Zwischenscheinen genügt eine vervielfältigte Unterschrift. 2Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann von der Beachtung einer besonderen Form abhängig gemacht werden. 3Die Formvorschrift muß in der Urkunde enthalten sein.
Literatur: Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Erfasste Wertpapiere ......................... 2 III. Vereinfachte Form (§ 13 Satz 1) ...... 3 I.
IV. Besondere Form (§ 13 Satz 2, 3) ...... 4 V. Rechtsfolgen bei Verstößen ............. 5
Bedeutung der Norm
Neben weiteren z. B. in §§ 8, 10 und 55 geregelten Entstehungsvoraussetzungen1) ist auch 1 die ordnungsgemäße Unterzeichnung eine wesentliche wertpapierrechtliche Bedingung für die wirksame Verbriefung von Aktien und Zwischenscheinen.2) § 13 Satz 1 erleichtert insbesondere die massenhafte Verbriefung.3) Gemäß § 13 Sätze 2 und 3 kann die Gültigkeit der Unterzeichnung von weiteren erhöhten Anforderungen abhängig gemacht werden. II.
Erfasste Wertpapiere
Der Anwendungsbereich des § 13 erfasst jede Art und Gattung von Aktienurkunden, 2 Nennbetrags- und Stückaktien sowie Namens- und Inhaberaktien und gilt ebenfalls für Zwischenscheine i. S. von §§ 8 Abs. 6, 10 Abs. 3 und 4.4) Nach überwiegender Ansicht fallen auch Globalurkunden i. S. von §§ 2, 9a Abs. 1 DepotG in den Anwendungsbereich des § 13, da der Wortlaut keine diesbezüglichen Einschränkungen erkennen lässt.5) Die praktische Relevanz der Frage, ob Gewinnanteils-, Erneuerungs- und Genussscheine, Wandel-, Options- und Gewinnschuldverschreibungen dem Anwendungsbereich von § 13 oder demjenigen von § 793 Abs. 2 BGB unterstehen, ist angesichts des identischen Regelungsgehalts beider Vorschriften gering.6) III.
Vereinfachte Form (§ 13 Satz 1)
Die Urkunde muss grundsätzlich in Schriftform i. S. des § 126 Abs. 1 BGB abgefasst 3 sein, elektronische Form i. S. des § 126a BGB reicht nicht aus.7) Da die Technik der Ur_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6)
7)
Vgl. hierzu sowie zu den Rechtsfolgen inhaltlicher Mängel ausführlich: K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 7 ff.; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 2. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 1; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 13 Rz. 4; GrigoleitVedder, AktG, § 13 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 13 Rz. 2; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 13 Rz. 2; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 12; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 13 Rz. 6; Heider in: MünchKomm-AktG, § 13 Rz. 6; a. A. Brändel in: GroßKomm-AktG, § 13 Rz. 26. Hüffer, AktG, § 13 Rz. 2; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 13 Rz. 8; Brändel in: GroßKommAktG, § 13 Rz. 26; a. A. im Hinblick auf Coupons, Dividenden-, Gewinnanteils- sowie Erneuerungsscheine K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 11.
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§ 13
Unterzeichnung der Aktien
kundenherstellung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, kommen grundsätzlich alle denkbaren Herstellungsvarianten in Betracht, so z. B. Handschrift, Schreibmaschine, Computerausdruck, Fotokopie, Offset- oder Siebdruck.8) Im Falle der Börsennotierung müssen die Aktien den gemeinsamen Grundsätzen der deutschen Wertpapierbörse für den Druck von Wertpapieren entsprechen.9) Als Aussteller der Urkunden sind für deren Unterzeichnung die Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Anzahl zuständig, eine Stellvertretung bedarf stets ausdrücklicher Bevollmächtigung (auch bei Prokuristen).10) Die gemäß § 126 Abs. 1 BGB erforderliche eigenhändige Unterschrift kann gemäß § 13 Satz 1 durch Vervielfältigung ersetzt werden, wodurch i. S. der Praktikabilität Massenemissionen erleichtert werden.11) Vervielfältigung bedeutet, der handschriftliche Originalnamenszug wird mittels Druck oder Stempel auf der Urkunde angebracht (Faksimile).12) Zur Anbringung des Faksimiles auf der Urkunde bedarf es der Zustimmung des Unterzeichners, da das Recht ansonsten nicht wirksam verbrieft ist.13) Eine über die Regelung in § 13 Satz 1 hinausgehende Erleichterung der gesetzlichen Anforderungen an die Unterzeichnung, etwa durch gleichzeitige Abbedingung eigenhändiger (§ 126 Abs. 1 BGB) und vervielfältigter Unterschrift (§ 13 Satz 1), ist nicht zulässig.14) IV.
Besondere Form (§ 13 Satz 2, 3)
4 Da es sich hierbei nicht um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt, fällt die Begründung zusätzlicher Formvorschriften nach § 13 Satz 2 nicht in die Zuständigkeit des Vorstands, sondern in diejenige der Aktionäre, und erfordert entweder eine Regelung in der Satzung oder einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss.15) So kann z. B. entgegen § 13 Satz 1 wiederum die eigenhändige Unterschrift (i. S. von § 126 Abs. 1 BGB), die zusätzliche Unterzeichnung durch Aufsichtsratsmitglieder oder sonstige Kontrollpersonen, die notarielle Beglaubigung der Unterschriften, die Verwendung eines Siegels oder Stempels, o. Ä., vorgeschrieben werden.16) Derartige besondere Formvorschriften sind gemäß § 13 Satz 3 ebenfalls in der Urkunde selbst anzugeben. V.
Rechtsfolgen bei Verstößen
5 Entsprechen die ausgegebenen Aktien nicht den dargestellten Formerfordernissen nach § 13, so hat dies grundsätzlich die Unwirksamkeit der Verbriefung zur Folge.17) Da die Verbriefung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Entstehung der aktienrechtlichen Mitgliedschaft ist, bleibt diese von einer eventuell unwirksamen Verbriefung unberührt.18) Übrig bleiben allerdings der noch nicht erfüllte Anspruch des Aktionärs auf Verbrie-
_____________ 8) Hüffer, AktG, § 13 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 11; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 12. 9) Hüffer, AktG, § 13 Rz. 5; Druckrichtlinie abrufbar unter: www.deutsche-boerse.com. 10) Hüffer, AktG, § 13 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 12. 11) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 1; Grigoleit-Vedder, AktG, § 13 Rz. 2; Hölters-Solveen, AktG, § 13 Rz. 1. 12) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 12; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 13 Rz. 16. 13) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 9; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 13 Rz. 16. 14) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 10. 15) Hüffer, AktG, § 13 Rz. 7; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 13 Rz. 17. 16) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 13; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 10. 17) Hüffer, AktG, § 13 Rz. 8; Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 27. 18) Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 27.
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§ 14
Zuständigkeit
fung19) sowie die mangelnde Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs bei Übertragung der Mitgliedschaft (siehe hierzu § 10 Rz. 16).20) _____________ 19) Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 13 Rz. 19. 20) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 13 Rz. 15; Bürgers/Körber-Westermann, AktG, Rz. 1.
§ 14 Zuständigkeit Gericht im Sinne dieses Gesetzes ist, wenn nichts anderes bestimmt ist, das Gericht des Sitzes der Gesellschaft. Literatur: Jänig/Leißring, FamFG: Neues Verfahrensrecht für Streitigkeiten in AG und GmbH, ZIP 2010, 110, Ries, Änderung im Registerverfahren nach der Reform des Rechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, RPfleger 2009, 441.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. FamFG-Verfahren ............................ 2 I.
III. Sitz ...................................................... 3 IV. Sonderfälle ......................................... 4
Bedeutung der Norm
Vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelungen bestimmt § 14 die örtliche Zustän- 1 digkeit (nur) für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit aktienrechtlichem Bezug.1) Wird in anderen Vorschriften des AktG ohne nähere Festlegung einer besonderen Zuständigkeit das Tätigwerden des „Gerichts“ vorgesehen, so ergibt sich die örtliche Zuständigkeit für frühere FGG- und heutige FamFG-Verfahren aus § 14.2) Für streitige Verfahren gelten §§ 12 ff. ZPO (insbesondere § 17 ZPO), soweit das AktG keine Sondervorschriften enthält.3) Seit Einführung des FamFG verbleibt kein erkennbarer Anwendungsbereich des subsidiären § 14.4) II.
FamFG-Verfahren
Bei den FamFG-Verfahren wird zwischen „Streitverfahren“ (§§ 98 Abs. 1, 132 Abs. 1, 2 260 Abs. 1, 304 Abs. 3 Satz 3, 320b Abs. 2 Satz 2 AktG, § 5 EGAktG) und „Registerverfahren“ (§§ 374, 375 FamFG) differenziert.5) Registerverfahren lassen sich wiederum in allgemeine Registerverfahren (§§ 374 FamFG i. V. m. §§ 26 Abs. 3 – 5, 36, 38, 51 f., 81) und Verfahren nach § 375 FamFG (§ 375 Nr. 3 FamFG i. V. m. §§ 33 Abs. 3, 35, 73 Abs. 1, 85, 103 Abs. 3, 104, 122 Abs. 3, 142 Abs. 2 – 6, 147 Abs. 2 und 3, 258 Abs. 1, 265 Abs. 3 und 4, 270 Abs. 3, 273 Abs. 2 – 4, 315) aufteilen.6)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Hüffer, AktG, § 14 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 14 Rz. 1. Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 14 Rz. 1. Spindler/Stilz-Vatter, AktG, § 13 Rz. 6; Grigoleit-Vedder, AkG, § 13 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 14 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 14 Rz. 4 f.; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 14 Rz. 3.
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§ 15 III.
Verbundene Unternehmen Sitz
3 Der Satzungssitz der Gesellschaft ist Sitz i. S. von § 14 und legt somit die örtliche Zuständigkeit des Registergerichts fest.7) Das gilt gemäß §§ 33 Abs. 3, 35–38 auch, wenn das Registergericht bereits vor Eintragung der AG in das Handelsregister tätig wird.8) Die sachliche Zuständigkeit wird nicht im AktG, sondern im FamFG geregelt.9) IV.
Sonderfälle
4 Bei Aktiengesellschaften mit Doppelsitz sind grundsätzlich beide Sitzgerichte zuständig, die ihre Tätigkeit dann verfahrensrechtlich untereinander abzustimmen haben.10) Nachdem ein Sitzgericht tätig wird, verliert das andere gemäß § 2 Abs. 1 FamFG die Zuständigkeit.11) Bei Spaltgesellschaften hilft § 5 FamFG analog.12) _____________ 7) 8) 9) 10) 11) 12)
Hüffer, AktG, § 14 Rz. 3. Hüffer, AktG, § 14 Rz. 3; Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 14 Rz. 2. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 14 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 14 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 14 Rz. 12; Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 14 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 14 Rz. 4; Grigoleit-Vedder, AktG, § 13 Rz. 2. Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 14 Rz. 7; s. hierzu ausführlich: Spindler/Stilz-Drescher, AktG, § 14 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Langhein, AktG, § 14 Rz. 15.
§ 15 Verbundene Unternehmen Verbundene Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, die im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16), abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17), Konzernunternehmen (§ 18), wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19) oder Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292) sind. Literatur: Adams, Die Usurpation von Aktionsärsbefugnissen mittels Ringverflechtung in der „Deutschen AG“, AG 1994, 148; Bälz, Verbundene Unternehmen, AG 1992, 277; Beuthien, Konzernbildung und Konzernleitung kraft Satzung, ZIP 1993, 1589; Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Cahn, Die Holding als abhängiges Unternehmen?, AG 2002, 30; Cannive, Der Staat als Aktionär, NZG 2009, 445; Ehricke, Gedanken zu einem allgemeinen Konzernorganisationsrecht, ZGR 1996, 300; Emmerich, Wechselseitige Beteiligung bei AG und GmbH, NZG 1998, 622; Ihrig/Wandt, Die Stiftung im Konzernverbund, in Festschrift für Uwe Hüffer, 2012, S. 387; Küting/Seel, Neukonzeption des MutterTochter-Verhältnisses nach HGB – Auswirkungen des BilMoG auf die handelsrechtliche Bilanzierung, BB 2010, 1459; Koppensteiner, Über Zurechnungskriterien im Gesellschaftsrecht, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 927; Kort, Der Konzernbegriff i. S. v. § 5 MitbestG, NZG 2009, 81; Kropff, Aktiengesetz 1965; Langenbucher, Bankaktienrecht unter Unsicherheit, ZGR 2010, 75; Lüdenbach/Freiberg, Mutter-Tochter-Verhältnisse durch beherrschenden Einfluss nach dem BilMoG, BB 2009, 1280; Lutter, Das unvollendete Konzernrecht, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1065; Petersen/Zwirner, Unternehmensbegriff, Unternehmenseigenschaft und Unternehmensformen, DB 2008, 481; Priester, Unbeschränkte Konzernhaftung des GmbH-Gesellschafters, ZIP 1986, 137; Scheffler, Konzernleitung aus betriebswirtschaftlicher Sicht, BB 1985, 2005; K. Schmidt, Was ist, was will und was kann das Konzernrecht des Aktiengesetztes?, in Festschrift für Jean Nicolas Druey, 2002, S. 551; K. Schmidt, Unternehmensbegriff und Vertragskonzern, in Festschrift für H.-G. Koppensteiner, 2001, S. 191; K. Schmidt, Konzernunternehmen, Unternehmensgruppe und Konzern-Rechts-
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§ 15
Verbundene Unternehmen
verhältnis – Gedanken zum Recht der verbundenen Unternehmen nach §§ 15 ff., 291 ff. AktG, in Festschrift für Marcus Lutter, 2000, S. 1167; Schneider, Compliance im Konzern, NZG 2009, 1321; Schubert/Ravenstein, Beschränkung der Stimmrechtsausübung und Abhängigkeit: Überlegungen zu § 328 AktG, DB 2006, 2219; Wiedemann, Entwicklung im Kapitalgesellschaftsrecht, DB 1993, 141; Wisskirchen/Dannhorn/Bissels, Haftung von Geschäftsführern und Matrixstrukturen von Konzernen, DB 2008, 1139; Zöllner, Zum Unternehmensbegriff der §§ 15 ff. Aktiengesetz, ZGR 1976, 1.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Begriff des Unternehmens ............... 4 1. Herrschendes Unternehmen ............. 5 a) Natürliche Personen .................... 7 b) Handelsgesellschaften, Formkaufleute .............................. 9 c) Weitere Rechtsträger ................. 10 d) Innengesellschaft ........................ 11 I.
e) (Zwischen-)Holding, Treuhand .................................... f) Sonderfälle: Öffentliche Hand/SoFFin ............................. 2. In Mehrheitsbesitz stehendes bzw. abhängiges Unternehmen ................ 3. Gleichgeordnetes bzw. wechselseitig beteiligtes Unternehmen ........
12 14 15 16
Bedeutung der Norm
§ 15 definiert den Begriff des verbundenen Unternehmens als Oberbegriff für die in Be- 1 zug genommenen fünf Unternehmensverbindungen, die ihrerseits in §§ 16 – 19 und 291 f. näher umschrieben sind. Unter verbundenen Unternehmen versteht das AktG Unternehmen, die zwar rechtlich selbständig, aber auf Grundlage bestimmter gesellschaftsrechtlicher Instrumentarien miteinander verbunden sind.1) Da §§ 15 – 19 die maßgeblichen Definitionen für die speziellen Vorschriften zum Recht der verbundenen Unternehmen in §§ 291 – 328 enthalten, können diese zusammen mit §§ 20 – 22 als allgemeiner Teil des Konzernrechts verstanden werden.2) Die wesentlichen Bestimmungen des AktG, die den Oberbegriff des verbundenen Unternehmens i. S. der §§ 15 ff. verwenden, sind: §§ 71 Abs. 1 Nr. 2, 71a Abs. 1 Satz 2, 89 Abs. 4 Satz 2, 90 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1, 115 Abs. 3 Satz 2, 131 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 145 Abs. 6 Satz 2, 192 Abs. 2 Nr. 3, 293a Abs. 2 Satz 1, 313 ff., 400 Abs. 1 Nr. 1 und 2.3) Außerhalb des AktG wird der Begriff in diesem Sinne insbesondere in §§ 5 MitbestG, 51a Abs. 2 Satz 1 GmbHG und 36 Abs. 2 Satz 1 GWB verwendet. Den besonderen Teil des Konzernrechts bilden systematisch die §§ 291 – 328 mit ihren Regelungen zum Vertragskonzern (§§ 291 – 327), zum faktischen Konzern (§§ 311–318), zur Eingliederung (§§ 319 – 327), zum Squeeze-Out (§§ 327a f.) und zur wechselseitigen Beteiligung (§ 328).4) Da die Beteiligung einer AG in §§ 15 – 19 nicht vorausgesetzt ist, gelten deren rechts- 2 formneutrale Definitionen auch außerhalb des Aktienrechts für rechtlich selbständige Unternehmen anderer Rechtsformen.5) Soweit auch andere Gesetze auf die in §§ 15 – 19 definierten Begriffe verweisen, kann nicht immer von einem einheitlichen Verständnis ausgegangen werden, insbesondere § 271 Abs. 2 HGB enthält eine von § 15 abweichende,
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Emmerich/Habersack-Habersack, Einl. Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 7. Zu weiteren Bestimmungen des AktG, die sich auf in §§ 15–19 definierte Begriffe, insbesondere auf den des Unternehmens beziehen vgl. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 4. Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 15 Rz. 3. Hüffer, AktG, § 15 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 2; Henssler/Strohn-Maier-Reimer, GesR, § 15 AktG Rz. 1.
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§ 15
Verbundene Unternehmen
eigene Definition des verbundenen Unternehmens, die für das dritte Buch des HGB und somit für §§ 238 – 342e HGB maßgeblich ist.6) 3 Primärer Regelungszweck des Konzernrechts ist die Abwehr der abstrakten Gefahr, dass die Interessen der Gesellschafter und Gläubiger der untergeordneten (abhängigen) Gesellschaft wegen der Durchsetzung gesellschaftsfremder Interessen der übergeordneten (herrschenden) Gesellschaft zurückgedrängt werden (sog. Konzerngefahrenlage).7) Darüber hinaus weisen die Vorschriften auch einen organisationsrechtlichen Gehalt auf, da sie unterschiedliche Formen der Einbindung der abhängigen Gesellschaft in die Belange des herrschenden Unternehmens zur Verfügung stellen und dabei die für die unverbundene AG geltenden Grundsätze zum Teil erheblich modifizieren.8) II.
Begriff des Unternehmens
4 Der vom Gesetzgeber nicht näher umschriebene Begriff des „Unternehmens“ in § 15 verlangt dem Wortlaut nach lediglich eine „rechtliche Selbständigkeit“, so dass zumindest die (Teil-)Rechtsfähigkeit als charakteristisches Merkmal vorausgesetzt werden kann.9) Da es keinen einheitlichen Unternehmensbegriff gibt und selbst i. R. der Unternehmensverbindungen der §§ 16 – 19 zwischen den jeweiligen Perspektiven der Betroffenen unterschieden wird (herrschende Unternehmen einerseits und abhängige, gleichgeordnete bzw. wechselseitig beteiligte Unternehmen andererseits),10) hat sich ein an Sinn und Zweck der jeweiligen Sondervorschriften für Unternehmen anknüpfender teleologischer Unternehmensbegriff gegen den institutionellen und den funktionalen Unternehmensbegriff durchgesetzt.11) Bei dem vorliegend i. S. des Konzernrechts zu bestimmenden Begriff geht es insbesondere um die Abwehr der sog. Konzerngefahr im Interesse des Minderheiten- und Gläubigerschutzes (siehe auch Rz. 3).12) Abzugrenzen ist der Begriff des Unternehmens von demjenigen des reinen Privatgesellschafters, da der Gesetzgeber allein bei Unternehmensgesellschaftern im Gegensatz zu Privatgesellschaftern die Gefahr sieht, dass dieser die Rechte aus seiner Beteiligung zum Nachteil der Gesellschaft für seine sonstigen unternehmerischen Interessen ausnutzt.13) 1.
Herrschendes Unternehmen
5 Seit der Leitentscheidung des BGH vom 13.10.1977 (Veba/Gelsenberg) versteht die h. M. als „herrschendes Unternehmen“ jeden Anteilsinhaber, der neben seiner Beteiligung an der Gesellschaft noch eine anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung hat, die nach Art und Intensität ernsthafte Sorge begründet, er könne wegen dieser Bindung seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Gesellschaft nachteilig ausüben
_____________ 6) Hüffer, AktG, § 15 Rz. 1; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 7; BGH, Urt. v. 3.6.2004 – X ZR 104/03, GmbHR 2004, 1085 ff. – für § 271 Abs. 2 HGB. 7) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 9, 49; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 16, 94; Hölters-Hirschmann, AktG, § 15 Rz. 3; Emmerich/Habersack-Habersack, Einl. Rz. 1. 8) Emmerich/Habersack-Habersack, Einl. Rz. 1. 9) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 31; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 56. 10) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 15 Rz. 7. 11) Hüffer, AktG, § 15 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 32; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 11; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 10; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 8. 12) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 10, Vor § 15 Rz. 27. 13) Kropff, AktG, S. 41 f.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 6.
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Verbundene Unternehmen
(Ausnahme: Öffentliche Hand und SoFFin, siehe hierzu Rz. 14).14) Dieser Ansicht haben sich ebenfalls das BAG15), das BSG16) sowie der BFH17) angeschlossen. Aus dem Erfordernis der anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung folgt zunächst, dass die Beteiligung an einem einzigen Unternehmen (sog. privilegierter Privataktionär) nicht zur Begründung der Unternehmenseigenschaft genügt.18) Eine anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung hat, wer neben seiner Beteiligung ein 6 Handelsgewerbe bzw. sonstiges Gewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit betreibt.19) Nach h. M. genügt es ebenfalls, dass der Anteilsinhaber nur eine einzige weitere (oder mehrere) maßgebliche Beteiligung(en) an einem (oder mehreren) anderen Unternehmen hält.20) Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit orientiert sich der BGH an dem Kriterium der Mehrheitsbeteiligung gemäß § 16 und lehnt sich im Übrigen eng an die Kriterien einer Beherrschung i. S. von § 17 an.21) So ist bereits eine geringere Beteiligung ausreichend, wenn gleichwohl aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Umstände ein maßgeblicher Einfluss möglich ist (siehe § 17 Rz. 11 ff.).22) Auf Grundlage einer Einzelfallbetrachtung ist im Hinblick auf die Unternehmenseigenschaft in diesem Sinne auch eine Zurechnung der von Dritten verfolgten wirtschaftlichen Interessen in Betracht zu ziehen, so dass die anderweitigen wirtschaftlichen Interessen nicht zwingend unmittelbar selbst verfolgt werden müssen.23) Eine solche Zurechnung lässt sich laut BGH allerdings nicht auf § 16 Abs. 4 stützen, da diese Vorschrift die Eigenschaft des Normadressaten als Unternehmen voraussetzt, diese aber nicht begründen kann.24) a)
Natürliche Personen
Auch im Hinblick auf die Unternehmenseigenschaft natürlicher Personen gelten die all- 7 gemeinen Ausführungen unter Rz. 5 f. Ausreichend ist es, wenn eine natürliche Person neben ihrer Beteiligung aufgrund originärer Tätigkeit (eine) anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung(en) gewerblicher oder freiberuflicher Art hat, z. B. als Einzelkauf_____________ 14) BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76 (Veba/Gelsenberg), AG 1978, 50, 51; BGH, Urt. v. 18.6.2001 – II ZR 212/99 (MLP), AG 2001, 588, 589; Hüffer, AktG, § 15 Rz. 8; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 34; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 68 Rz. 6. 15) BAG, Urt. v. 8.3.1994 – 9 AZR 197/92, ZIP 1994, 1378 = AG 1994, 510; BAG, Urt. v. 30.3.2004 – 1 ABR 61/01, ZIP 2004, 1468, 1473 f.; BAG, Urt. v. 27.10.2010 – 7 ABR 85/09, ZIP 2011, 587 = AG 2011, 382. 16) BSG, Urt. v. 27.9.1994 – 10 RAr 1/92, AG 1995, 279, 282 = ZIP 1994, 1944. 17) BFH, Urt. v. 23.3.2011 – X R 45/09, ZIP 2011, 1468 = AG 2011, 639. 18) Hüffer, AktG, § 15 Rz. 9; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 13; a. A. beim Formkaufmann: K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 33, 53 ff.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 22; Henssler/Strohn-Maier-Reimer, GesR, § 15 AktG Rz. 4 f. 19) BGH, Urt. v. 19.9.1994 – II ZR 237/93, AG 1995, 35, 36; BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 136/94, AG 1995, 326, 327; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 41; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 7. 20) BGH, Beschl. v. 17.3.1997 – II ZB 3/96 (VW), AG 1997, 374, 376; BGH, Urt. v. 18.6.2001 – II ZR 212/99 (MLP), AG 2001, 588, 589; BAG, Urt. v. 27.10.2010 – 7 ABR 85/09, ZIP 2011, 587 = AG 2011, 382; BFH, Urt. v. 23.3.2011 – X R 45/09, ZIP 2011, 1468 = AG 2011, 639; Hüffer, AktG, § 15, Rz. 9; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 25; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 44; a. A. – eine unmittelbare unternehmerische Betätigung fordernd – Zöllner, ZGR 1976, 1, 13 ff.; Priester, ZIP 1986, 137, 141 f.; Wiedemann, DB 1993, 141, 153. 21) BGH, Urt. v. 18.6.2001 – II ZR 212/99 (MLP), AG 2001, 588, 589; zust. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 45; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 22; a. A. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 27 f. 22) BGH, Urt. v. 18.6.2001 – II ZR 212/99 (MLP), AG 2001, 588, 589. 23) Vgl. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 30 ff.; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 39 f.; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 66 ff. 24) BGH, Urt. v. 18.6.2001 – II ZR 212/99 (MLP), AG 2001, 588, 589.
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mann oder als Land- und Forstwirt i. S. von §§ 1, 3 HGB (wobei ein qualifizierter Gewerbebetrieb i. S. des § 1 Abs. 2 HGB nicht zwingend erforderlich ist).25) Nicht unternehmerisch sind dagegen allgemein dem privaten Bereich zuzuordnende, originär gemeinnützige oder karitative Aktivitäten.26) Ebenso genügt auch bei einer natürlichen Person die bloße Beteiligung an einem oder mehreren weiteren Unternehmen, wenn die Schwelle der Maßgeblichkeit erreicht ist.27) Bei Beteiligungen an Personengesellschaften genügt unabhängig von einer Kapitalbeteiligung bereits die Übernahme der persönlichen Haftung.28) 8 Unternehmen ist nach h. M. auch der Kaufmann, der sein (einheitliches) Geschäft in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft aufspaltet, an denen er jeweils selbst maßgeblich beteiligt ist (sog. Betriebsaufspaltung), da bereits die abstrakte Möglichkeit eines Konflikts ausreicht.29) Anders zu entscheiden ist dieser Fall für eine GmbH & Co. KG bei gleichzeitiger maßgeblicher Beteiligung an GmbH sowie KG, wenn die GmbH ausschließlich als Komplementärin der betroffenen KG fungiert.30) b)
Handelsgesellschaften, Formkaufleute
9 Auch für AG und GmbH sowie sonstige Handelsgesellschaften (OHG, KG) und Formkaufleute i. S. von § 6 HGB (KGaA, Genossenschaft) verlangt die überwiegende (aber umstrittene) Ansicht eine anderweitige wirtschaftliche Interessenbindung zur Begründung der Unternehmenseigenschaft, d. h. eine maßgebliche Beteiligung an mindestens einem weiteren Unternehmen, da die Eigenschaft als Formkaufmann allein nicht genügt.31) Es gelten die allgemeinen Ausführungen unter Rz. 5 f. c)
Weitere Rechtsträger
10 Als herrschendes Unternehmen kommen darüber hinaus alle weiteren inländischen teilrechtsfähigen Rechtsträger in Betracht, wie z. B. bürgerlich-rechtlicher Idealverein, wirtschaftlicher Verein, Stiftung, GbR (als Außengesellschaft; siehe zur Innengesellschaft Rz. 11), Erbengemeinschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Gewerkschaften, Vor-AG bzw. Vor-GmbH, Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), Societas Europaea (SE), im Falle ihrer Einführung auch die Societas Privata Europaea (SPE), Hypothekenbanken, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), sowie sämtliche (teil-)rechtsfähigen Rechtsträger ausländischer Rechtsordnungen.32) Voraussetzung ist ebenfalls die Exis_____________ 25) S. hierzu die Nachweise in Fn. 12; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 11a f. 26) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 41; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 11b; Bürgers/ Körber-Fett, AktG, § 15 Rz. 19. 27) S. hierzu die Nachweise in Fn. 13. 28) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 43. 29) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 45; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 48; Spindler/ Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 23; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 11b; Bürgers/ Körber-Fett, AktG, § 15 Rz. 9. 30) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 46 mit weitergehenden Ausführungen zur sog. Einheits-GmbH & Co. KG; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 48; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 23; a. A. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 54; s. zur Anwendung des Konzernrechts auf das Verhältnis zwischen Komplementär-GmbH und KG Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 23. 31) OLG Hamm, Urt. v. 2.11.2000 – 27 U 1/00, AG 2001, 146, 148; Hüffer, AktG, § 15 Rz. 11; Spindler/ Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 19; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 16; Koppensteiner in: KölnKommAktG, § 15 Rz. 60 m. w. N.; Bürgers/Körber-Fett, AktG, § 15 Rz. 9; Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 15 Rz. 19; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 10; a. A. mit teilweise beachtlichen Argumenten: K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 33, 53 ff.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 22; Henssler/Strohn-Maier-Reimer, GesR, § 15 AktG Rz. 4 f. 32) Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 15 Rz. 16 ff.; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 10, 52, 55; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 16; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 10.
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tenz anderweitiger wirtschaftlicher Interessen über die einzelne Beteiligung hinaus. Auch hier gelten die allgemeinen Ausführungen unter Rz. 5 f. Besonderheiten im Hinblick auf die Fähigkeit, herrschendes Unternehmen sein zu können, gelten angesichts des gesetzlich angeordneten Konzernleitungsverbots für die Europäische Wirtschaftliche Interessengemeinschaft (EWIV).33) d)
Innengesellschaft
Reinen Innengesellschaften (wie z. B. Stimmbindungs- und Konsortialgesellschaften)34) 11 fehlt es an der Teilrechtsfähigkeit, so dass diese als Unternehmen i. S. von § 15 ausscheiden.35) Den Gesellschaftern der Innengesellschaft können allerdings die mittels dieser gemeinschaftlich verfolgten wirtschaftlichen Interessen im Einzelfall zuzurechnen sein („kraft des Verbundes gestärkt“) und zur Begründung deren Unternehmenseigenschaft führen.36) e)
(Zwischen-)Holding, Treuhand
Für die (Zwischen-)Holding selbst gelten die Ausführungen unter Rz. 5 f. Nach h. M. ist 12 die dem Anteilsinhaber über eine Zwischenholding vermittelte maßgebliche Beteiligung zuzurechnen und dessen Unternehmenseigenschaft sodann zu bejahen, wenn dieser die zusätzliche(n) (mittelbare[n]) Beteiligung(en) trotz zwischengeschalteter Holding selbst verwaltet und die Zwischenholding quasi nur auf dem Papier besteht.37) Stark umstritten ist dies, wenn sich der Anteilsinhaber auf die reine Verwaltung seiner (unmittelbaren) Beteiligung an der Zwischenholding beschränkt und keinen direkten Einfluss auf die mittelbare(n) Beteiligung(en) nimmt.38) Zustimmung verdient die eine Unternehmenseigenschaft des Anteilsinhabers für diesen Fall ablehnende Ansicht, da die Gegenauffassung die Begründung der Unternehmenseigenschaft entgegen der Rechtsprechung des BGH allein auf § 16 Abs. 4 stützen möchte (siehe hierzu zuvor Rz. 6 a. E.).39) Nach ähnlichen Kriterien wird man die maßgebliche Beteiligung eines Treuhänders im 13 Hinblick auf die Unternehmenseigenschaft des Treugebers zurechnen können.40) f)
Sonderfälle: Öffentliche Hand/SoFFin
Seit dem Beschluss des BGH vom 17.3.1997 (VW) können unstreitig auch Bund, Länder, 14 Gemeinden sowie andere Körperschaften der öffentlichen Hand, allein aufgrund der bloßen Gefahr, öffentliche Interessen zulasten der Beteiligungsgesellschaft zu fördern _____________ 33) S. hierzu Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 52; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 15 Rz. 17 ff. 34) Anders, wenn die betroffenen Stimmbindungs- und Konsortialgesellschaften als echte Außen-GbR zu qualifizieren sind, vgl. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 41. 35) OLG Hamburg, Beschl. v. 3.8.2000 – 11 W 36/95, AG 2001, 479, 481; OLG Hamm, Urt. v. 2.11.2000 – 27 U 1/00, AG 2001, 146, 147; Hüffer, AktG, § 15 Rz. 10; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 42; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 66. 36) OLG Hamm, Urt. v. 2.11.2000 – 27 U 1/00, AG 2001, 146, 147; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 67; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 41 f. 37) Hüffer, AktG, § 15 Rz. 9a; Bayer in: MünchKomm-AktG § 15 Rz. 31; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 8; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 17; so wohl auch K. Schmidt/ Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 49; a. A. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 39; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 15 Rz. 46. 38) Die Unternehmenseigenschaft auch in diesem Fall befürwortend: Bayer in: MünchKomm-AktG, § 15 Rz. 33; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 17; a. A. Hüffer, AktG, § 15 Rz. 9a; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 51; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 39; Krieger in: MünchHdb GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 8. 39) So auch K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 51; Krieger in: MünchHdb GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 8. 40) Hüffer, AktG, § 15 Rz. 9a; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 40.
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In Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen
und daher, als Ausnahme zu allen anderen Rechtsträgern, unabhängig von einer anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung, Unternehmen sein.41) Nach überwiegender Ansicht ist die Unternehmensqualität bereits zu bejahen, wenn die öffentliche Hand ein in privater Rechtsform geführtes Unternehmen beherrscht, so dass es auf die zusätzliche Verfolgung anderweitiger wirtschaftlicher Interessen (siehe hierzu Rz. 5) nicht ankommt.42) Zu Recht wird angeführt, dass dieses Ergebnis für alle weiteren Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie für gemeinnützige Stiftungen, Gewerkschaften und Religionsgemeinschaften gelten muss.43) Gemäß § 7d FMStBG sind zumindest die Vorschriften des AktG über herrschende Unternehmen auf Stabilisierungsmaßnahmen des SoFFin unanwendbar.44) 2.
In Mehrheitsbesitz stehendes bzw. abhängiges Unternehmen
15 Der Begriff des in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens in § 16 Abs. 1 bzw. des abhängigen Unternehmens in § 17 Abs. 1 wird sehr weit verstanden, so dass hier jeder zumindest teilrechtsfähige Rechtsträger als abhängiges Unternehmen in Betracht kommt, ohne dass es eines eigenen Geschäftsbetriebs oder einer anderweitigen wirtschaftlichen Interessenbindung bedarf.45) Auch die Europäische Wirtschaftliche Interessengemeinschaft (EWIV) kann abhängiges Unternehmen im diesem Sinne sein (zu ihrer Eigenschaft als herrschendes Unternehmen siehe zuvor unter Rz. 9 a. E.).46) 3.
Gleichgeordnetes bzw. wechselseitig beteiligtes Unternehmen
16 Ein ähnlich weit gefasstes Begriffsverständnis wie bei einem in Mehrheitsbesitz stehenden bzw. abhängigen Unternehmen soll für gleichgeordnete Unternehmen i. S. von § 18 Abs. 2 gelten.47) Wechselseitig beteiligte Unternehmen können gemäß § 19 Abs. 1 nur Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz sein (siehe zum Begriff „Sitz im Inland“ § 19 Rz. 5).48) _____________ 41) BGH, Beschl. v. 17.3.1997 – II ZB 3/96 (VW), AG 1997, 374 ff., 376; BGH, Urt. v. 3.3.2008 – II ZR 124/06 (UMTS-Versteigerung/Telekom), AG 2008, 375 ff.; Hüffer, AktG, § 15 Rz. 13 f.; Spindler/ Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 44; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 69; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 71 ff.; Bayer in: MünchKomm-AktG § 15 Rz. 38, 41 f.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 11; kritisch: Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 15 Rz. 26. 42) Emmerich/Habersack-Emmerich, § 15 AktG Rz. 9, 29 m. w. N. 43) Bayer in: MünchKomm-AktG § 15 Rz. 43; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 58; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 11. 44) K. Schmidt/Lutter-Langenbucher, AktG, § 291 Rz. 1a; ausführlich: Langenbucher, ZGR 2010, 75, 87 ff. 45) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 73; Bayer in: MünchKomm-AktG § 15 Rz. 47 f.; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 86; a. A. – für natürliche Personen, die kein Unternehmen betreiben – Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 53 f. 46) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 15 Rz. 54; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 15 Rz. 17 f. 47) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 75; eingehend: Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 90. 48) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 15 Rz. 91.
§ 16 In Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (1) Gehört die Mehrheit der Anteile eines rechtlich selbständigen Unternehmens einem anderen Unternehmen oder steht einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte zu (Mehrheitsbeteiligung), so ist das Unternehmen ein in Mehr94
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§ 16
In Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen
heitsbesitz stehendes Unternehmen, das andere Unternehmen ein an ihm mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen. (2) 1Welcher Teil der Anteile einem Unternehmen gehört, bestimmt sich bei Kapitalgesellschaften nach dem Verhältnis des Gesamtnennbetrags der ihm gehörenden Anteile zum Nennkapital, bei Gesellschaften mit Stückaktien nach der Zahl der Aktien. 2Eigene Anteile sind bei Kapitalgesellschaften vom Nennkapital, bei Gesellschaften mit Stückaktien von der Zahl der Aktien abzusetzen. 3Eigenen Anteilen des Unternehmens stehen Anteile gleich, die einem anderen für Rechnung des Unternehmens gehören. (3) 1Welcher Teil der Stimmrechte einem Unternehmen zusteht, bestimmt sich nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte. 2Von der Gesamtzahl aller Stimmrechte sind die Stimmrechte aus eigenen Anteilen sowie aus Anteilen, die nach Absatz 2 Satz 3 eigenen Anteilen gleichstehen, abzusetzen. (4) Als Anteile, die einem Unternehmen gehören, gelten auch die Anteile, die einem von ihm abhängigen Unternehmen oder einem anderen für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens gehören und, wenn der Inhaber des Unternehmens ein Einzelkaufmann ist, auch die Anteile, die sonstiges Vermögen des Inhabers sind. Literatur: Vgl. auch die Literaturangaben zu § 15; Kropff, Aktiengesetz 1965; Müller, Die Zurechnung von Anteilen gemäß § 16 Abs. 4 AktG, AG 1968, 277; Schubert/Ravenstein, Beschränkung der Stimmrechtsausübung und Abhängigkeit, DB 2006, 2219; Widder/Kocher, Die Behandlung eigener Aktien, AG 2007, 13.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Anteilsmehrheit (§ 16 Abs. 1 Alt. 1) ............................. 2 1. Begriff ................................................. 2 2. Bestimmung (§ 16 Abs. 2) ................. 3 III. Stimmenmehrheit (§ 16 Abs. 1 Alt. 2) ............................. 6 I.
1. Begriff ................................................. 6 2. Bestimmung (§ 16 Abs. 3) ............... 10 a) Stimmrechtslose Anteile ............ 11 b) Gesamtzahl aller Stimmrechte .... 12 c) Ausübbare Stimmrechte ............ 14 IV. Zurechnung (§ 16 Abs. 4) ............... 17
Bedeutung der Norm
§ 16 Abs. 1 definiert den Begriff der Mehrheitsbeteiligung sowie die von einer solchen 1 Beteiligung betroffenen Unternehmen als einerseits ein in Mehrheitsbesitz stehendes und andererseits ein an diesem mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen. Die Mehrheitsbeteiligung ist von der Abhängigkeit i. S. von § 17 zu unterscheiden, da eine Korrelation nicht zwingend ist.1) Zur Begründung einer Mehrheitsbeteiligung genügt alternativ (vgl. § 16 Abs. 1: „oder“) die nach § 16 Abs. 2 zu bestimmende Mehrheit der Anteile oder die nach § 16 Abs. 3 zu bestimmende Mehrheit der Stimmrechte (jeweils unter Berücksichtigung einer eventuellen Zurechnung gemäß § 16 Abs. 4). Fallen Anteils- und Stimmenmehrheit ausnahmsweise auseinander, so ist jeder der beiden Rechtsträger als ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen i. S. von § 16 Abs. 1 anzusehen.2) Zum Begriff des Unternehmens i. S. von § 16 siehe die entsprechenden Ausführungen zu § 15 (zum Begriffsverständnis i. S. von § 15 siehe § 15 Rz. 4 und Rz. 15 – „In Mehrheitsbesitz stehendes Unter_____________ 1) 2)
Kropff, AktG, S. 28 ff.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 16 AktG Rz. 1. Hüffer, AktG, § 16 Rz. 2; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 10.
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§ 16
In Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen
nehmen“). Bedeutsam ist § 16 insbesondere für die (widerlegliche) Abhängigkeitsvermutung und der damit verbundenen Beweislastumkehr in § 17 Abs. 2, die ihrerseits wiederum Bedeutung für die (widerlegliche) Konzernvermutung in § 18 Abs. 1 Satz 3 hat.3) Verwendet wird der Begriff Mehrheitsbeteiligung insbesondere in §§ 19 Abs. 2 und 3, 20 Abs. 4, 21 Abs. 2, 56 Abs. 2 und 3, 71a Abs. 2, 71d Satz 2, 160 Abs. 1, 305 Abs. 2, eine Inbezugnahme des § 16 Abs. 2 bzw. 4 enthalten insbesondere §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 21 Abs. 1, 327a und 328 Abs. 1 Satz 3. II.
Anteilsmehrheit (§ 16 Abs. 1 Alt. 1)
1.
Begriff
2 Anteilsmehrheit ist eine Mehrheit der Kapitalanteile, die grundsätzlich nur bei Rechtsträgern mit eigenem von den Gesellschaftern gehaltenen Gesellschaftskapital bestehen kann, insbesondere bei Kapital- und Personengesellschaften, grundsätzlich nicht hingegen bei Einzelkaufmännern,4) Stiftungen, Genossenschaften,5) Idealvereinen,6) Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) oder Anstalten des öffentlichen Rechts.7) Maßgeblich für die Zuordnung der Anteile i. S. von § 16 Abs. 1 ist die dingliche Rechtsinhaberschaft des mit Mehrheit beteiligten Unternehmens, eine etwaige hiervon abweichende Legitimation gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis (vgl. § 67 Abs. 2, § 16 Abs. 1 GmbHG) ist hingegen ohne Bedeutung.8) Der Anteilserwerb muss rechtswirksam sein, d. h. eine bloße tatsächliche Verfügungsmacht über die Anteile genügt nicht.9) Da Treugebern, Pfandgläubigern, Kommittenten, Nießbrauchberechtigten sowie lediglich schuldrechtlich „Beteiligten“ die dingliche Anteilsinhaberschaft nicht zusteht, lässt sich deren Anteilsmehrheit ggf. nur über eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 begründen.10) 2.
Bestimmung (§ 16 Abs. 2)
3 Bei Kapitalgesellschaften bestimmt sich die Anteilsmehrheit gemäß § 16 Abs. 2 nach dem Verhältnis des Gesamtnennbetrags der dem Unternehmen zustehenden Anteile zum Gesamtnennbetrag des vorhandenen Kapitals („Nennkapital“). Für AG mit Stückaktien stellt § 16 Abs. 2 klar, dass das Verhältnis zwischen der dem jeweiligen Unternehmen zustehenden Zahl der Stückaktien gemessen an der Gesamtzahl aller Stückaktien maßgeblich ist. Nennkapital ist bei der AG das Grundkapital, bei der GmbH das Stammkapital, und zwar jeweils unabhängig von der tatsächlichen Erbringung der Einlagen sowie ohne Berücksichtigung etwaiger Rücklagen.11) Kapitalmaßnahmen können nur dann berück_____________ 3) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 1; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 3. 4) Ausnahmsweise für die Möglichkeit einer Mehrheitsbeteiligung i. S. von § 16 bei atypisch stiller Beteiligung an einem einzelkaufmännischen Unternehmen: Hüffer, AktG, § 16 Rz. 4; Bayer in: MünchKommAktG, § 16 Rz. 18; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 16; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 20; a. A. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 6; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 40, mit dem Hinweis, dass eine Mehrheitsbeteiligung allerdings denkbar sei, wenn das einzelkaufmännische Unternehmen von einer Erben- oder Gütergemeinschaft getragen wird. 5) A. A. in Ausnahmefällen Emmerich/Habersack-Emmerich, § 16 AktG Rz. 8. 6) A. A. bei entsprechender Satzungsgestaltung wohl auch für Idealvereine Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 41. 7) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 4; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 40 f. 8) OLG Stuttgart Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 206; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 5; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 17. 9) OLG Stuttgart Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 206. 10) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 5; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 17. 11) Hüffer, AktG, § 16 Rz. 8; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 14.
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§ 16
sichtigt werden, wenn diese bereits wirksam durchgeführt und in das Handelsregister eingetragen worden sind.12) Bei den nicht explizit in § 16 Abs. 2 erwähnten Personengesellschaften entspricht das 4 Nennkapital der auf den gesellschaftsvertraglich festgelegten Kapitalkonten insgesamt einzuzahlenden Kapitaleinlagen (die bei der KG13) nicht zwingend mit den in das Handelsregister eingetragenen Haftsummen der Kommanditisten übereinstimmen müssen).14) Sieht der Gesellschaftsvertrag variable Kapitalkonten vor, ist für die Bestimmung der Anteilsmehrheit auf den Betrag zum letzten Bilanzstichtag abzustellen.15) Vom Nennkapital bzw. bei Stückaktien von der Gesamtzahl der Stückaktien abzuziehen 5 sind eigene Anteile des Unternehmens, an dem die Mehrheitsbeteiligung besteht („Beteiligungsgesellschaft“), ebenso wie die einem anderen für Rechnung der Beteiligungsgesellschaft gehörenden Anteile, vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 (zum Begriff „für Rechnung“ siehe Rz. 18). Umstritten ist, ob im Wege teleologischer Erweiterung des § 16 Abs. 2 Satz 2 auch diejenigen Anteile abzuziehen sind, die einem von der Beteiligungsgesellschaft abhängigen Unternehmen i. S. von § 17 zustehen.16) Zustimmungswürdig ist im Hinblick auf die Regelungen in § 16 Abs. 4 sowie in §§ 71d Satz 2 und 3 i. V. m. § 71b die eine Analogie zu § 17 befürwortende Auffassung.17) III.
Stimmenmehrheit (§ 16 Abs. 1 Alt. 2)
1.
Begriff
Stimmenmehrheit i. S. von § 16 Abs. 1 Alt. 2 kann es nur geben, wenn die betroffene 6 Beteiligungsgesellschaft mitgliedschaftlich organisiert ist, d. h. der Verbandswille in Mitgliederversammlungen nach dem Mehrheitsprinzip gebildet wird.18) Gemäß § 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB fordert das Gesetz bei Personengesell- 7 schaften grundsätzlich einstimmige Beschlüsse, so dass mehrheitsfähige Entscheidungen und somit eine Stimmenmehrheit nur bei abweichender gesellschaftsvertraglicher Gestaltung in Betracht kommen.19) Mangels mitgliedschaftlicher Organisation ist eine Stimmenmehrheit bei Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht möglich.20) Auch bei Genossenschaften kann es keine Stimmenmehrheit geben.21) Denkbar ist _____________ 12) 13) 14) 15) 16)
17)
18) 19) 20) 21)
Hüffer, AktG, § 16 Rz. 8; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 14. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 9. Hüffer, AktG, § 16 Rz. 10; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 27. Hüffer, AktG, § 16 Rz. 2, 10; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 9; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 27. Für eine Erweiterung des § 16 Abs. 2 Satz 2: Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 15; K. Schmidt/ Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 10; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 34; Emmerich/HabersackEmmerich, § 16 AktG Rz. 11; gegen eine Erweiterung: Hüffer, AktG, § 16 Rz. 9; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 25; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 16 Rz. 13; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 25. So bezweifelt auch die Gegenansicht unter Verweis auf die zitierten Normen eine sachliche Rechtfertigung des zu engen Wortlauts von § 16 Abs. 2 Satz 2, vgl. Hüffer, AktG, § 16 Rz. 9; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 25. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.5.2008 – VI-Kart 1/07, AG 2008, 859, 860; Hüffer, AktG, § 16 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 11. Hüffer, AktG, § 16 Rz. 5; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 39; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 12. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.5.2008 – VI-Kart 1/07, AG 2008, 859, 860 – Anstalt des öffentlichen Rechts; Hüffer, AktG, § 16 Rz. 5, § 17 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 11. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 41; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 12; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 15, der eine Ausnahme zulassen will, wenn nach der Satzung Mehrstimmrechte gemäß § 43 Abs. 3 GenG zugelassen sind.
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Stimmenmehrheit (nicht aber Anteilsmehrheit, siehe hierzu Rz. 2) hingegen beim Verein sowie beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG).22) 8 Problematisch erscheint die Zuordnung der Stimmenmehrheit, wenn der Gesellschaftsvertrag für einzelne oder sämtliche Beschlüsse eine qualifizierte Mehrheit (z. B. 75 %) fordert und/oder einzelne Befugnisse der Gesellschafterversammlung auf andere Organe delegiert. Da der Wortlaut des § 16 Abs. 1 und 3 von einer einfachen Mehrheit (d. h. über 50 %) ausgeht, stellt sich die Frage, ob die Stimmenmehrheit i. S. von § 16 Abs. 1 in derartigen Fällen auf Basis einer Einzelfallbetrachtung ggf. abweichend vom Wortlaut (d. h. nicht abstrakt, sondern konkret) festgestellt werden muss.23) Während einige Stimmen den abstrakten Mehrheitsbegriff in Frage stellen,24) erscheint es aus systematischen Gründen sinnvoller, derartige Überlegungen erst im Hinblick auf eine eventuelle Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung für eine Beherrschung gemäß § 17 Abs. 2 zu berücksichtigen und für § 16 stets auf die vom Wortlaut vorgegebene (abstrakte) einfache Stimmenmehrheit abzustellen (zu einer Berücksichtigung dieser Umstände i. R. von § 17 Abs. 2 siehe die Ausführungen bei § 17 Rz. 25 ff.).25) 9 § 16 Abs. 3 stellt explizit klar, dass i. R. der originären Zuordnung nur solche Stimmrechte Berücksichtigung finden, die sich unmittelbar aus der Anteilsinhaberschaft ergeben, so dass sich rein schuldrechtlich vermittelte „Stimmrechte“ (Stimmbindungen, Stimmrechtsverzichte, Stimmrechtsvollmachten, Ermächtigungen i. S. von § 129 Abs. 3, atypisch stille Gesellschaftskonstruktionen) lediglich über die Zurechnungsnorm des § 16 Abs. 4 berücksichtigen lassen.26) Stimmen i. S. von § 16 Abs. 3 stehen somit regelmäßig dem Treuhänder, Pfandschuldner oder Kommissionär zu, eine eventuelle Berücksichtigung zugunsten des Treugebers, Pfandgläubigers oder Kommittenten kann nur über § 16 Abs. 4 erfolgen (siehe hierzu auch Rz. 2).27) 2.
Bestimmung (§ 16 Abs. 3)
10 Die Stimmenmehrheit i. S. von § 16 Abs. 1 Alt. 2 ist gemäß § 16 Abs. 3 dadurch zu ermitteln, dass die „ausübbaren“ Stimmrechte der Anteile der Beteiligungsgesellschaft in das Verhältnis zur Anzahl sämtlicher Stimmrechte („Gesamtzahl aller Stimmrechte“) gesetzt werden. Von der Gesamtzahl abzuziehen sind die Stimmrechte aus eigenen Anteilen der Beteiligungsgesellschaft, aus Anteilen, die für Rechnung der Beteiligungsgesellschaft gehalten werden und, nach umstrittener Ansicht,28) die aus Anteilen einer von der _____________ 22) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 12; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 30; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 17 – nicht beim Idealverein; a. A. – beim VVaG – Spindler/ Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 41; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 17; Windbichler in: GroßKommAktG, § 16 Rz. 46. 23) Hierzu eingehend: Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 18 f.; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 16 AktG Rz. 5 ff. 24) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 18 f.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 30; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 16 AktG Rz. 5 ff. 25) So überzeugend Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 38 f.; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 13; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 11. 26) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 14 f.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 33. 27) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 14; ausführlich zum Meinungsstand im Hinblick auf den Sonderfall des Nießbrauchs: Hüffer, AktG, § 16 Rz. 7; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 28. 28) Dafür: Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 16; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 38; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 16 AktG Rz. 22; dagegen: Hüffer, AktG, § 16 Rz. 11; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 47.
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§ 16
Beteiligungsgesellschaft abhängigen Unternehmens resultierenden Stimmrechte (siehe hierzu auch Rz. 5). a)
Stimmrechtslose Anteile
Stimmrechtslose Anteile, z. B. stimmrechtslose Vorzugsaktien, werden weder bei Be- 11 stimmung der ausübbaren Stimmrechte der Beteiligungsgesellschaft, noch bei Bestimmung der Gesamtzahl aller Stimmrechte mitgezählt (es sei denn, das Stimmrecht lebt gemäß § 140 Abs. 229) wieder auf; siehe hierzu auch § 140 Rz. 3 f.).30) b)
Gesamtzahl aller Stimmrechte
Beschränkte („ruhende“) Stimmrechte einzelner Aktionäre nach
12
–
§ 134 Abs. 1 (Höchststimmrechte),
–
§ 134 Abs. 2 (mangelnde Volleinzahlung auf die Einlage),
–
§ 136 (Befangenheit) und
–
§§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4, § 28 WpHG, § 59 WpÜG (unterlassene Schwellenwertmitteilungen)
werden bei Bestimmung der Gesamtzahl mitgezählt.31) Nicht mitgezählt werden hingegen die im Innenverhältnis (noch) nicht existierenden 13 Stimmrechte eines nicht ordnungsgemäß gegenüber der Beteiligungsgesellschaft legitimierten Anteilsinhabers (§ 67 Abs. 2, § 16 Abs. 1 GmbHG).32) c)
Ausübbare Stimmrechte
Bei Bestimmung der ausübbaren Stimmrechte der Beteiligungsgesellschaft sind Höchst- 14 stimmrechte gemäß § 134 Abs. 1 zu berücksichtigen, so dass diese nur bis zum jeweils vorgegebenen Höchstbetrag mitgezählt werden.33) Umstritten ist, wie Stimmrechtsbeschränkungen aufgrund §§ 134 Abs. 2, 136, 20 Abs. 7, 15 21 Abs. 4, § 28 WpHG und § 59 WpÜG zu behandeln sind. Nach einer Ansicht werden diese „ruhenden“ Stimmrechte auch bei Bestimmung der ausübbaren Stimmrechte der Beteiligungsgesellschaft mitgezählt, da der betroffene Anteilsinhaber es selbst in der Hand hat, die Beschränkung jederzeit zu beenden und die Stimmrechte zu „aktivieren“.34) Die Gegenauffassung hält an einem streng formalen Wortlautverständnis des § 16 Abs. 3 fest, unterscheidet nicht zwischen generellen und konkret-individuellen Stimmrechtsbeschränkungen und zählt die „ruhenden“ Stimmrechte mangels Ausübbarkeit insgesamt nicht mit.35) Die erste Ansicht ist vorzugswürdig. Der Verweis der Gegenauffassung auf eine mögliche Berücksichtigung der Beschränkungen i. R. von § 17 geht an dieser Stelle _____________ 29) Vgl. zu den im Bereich des § 140 Abs. 2 geplanten gesetzlichen Änderungen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2011/2013), abrufbar unter (BT-Drucks. 17/8989): http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/RegE_ Aktienrechtsnovelle.pdf?__blob=publicationFile. 30) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 18; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 32. 31) Hüffer, AktG, § 16 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 19; Bayer in: MünchKommAktG, § 16 Rz. 37. 32) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 21. 33) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 20; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 35. 34) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 20; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 40; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 46; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 33. 35) Hüffer, AktG, § 16 Rz. 11; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 35; Windbichler in: GroßKommAktG, § 16 Rz. 35.
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fehl,36) da die Vermutungsregel des § 17 Abs. 2 ansonsten allzu leicht zum Zwecke einer konzernrechtlichen Privilegierung durch die betroffenen Anteilsinhaber ausgehebelt werden könnte.37) 16 Aus denselben Gründen werden auch die „Stimmrechte“ eines (noch) nicht gemäß § 67 Abs. 2 oder § 16 Abs. 1 GmbHG ordnungsgemäß legitimierten Anteilsinhabers an dieser Stelle mitgezählt (umstritten).38) Überlegenswert ist, angesichts der gesetzlichen Fiktion in § 67 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 GmbHG die Anteile und somit auch die Stimmrechte für Zwecke des § 16 Abs. 3 ebenfalls dem dinglich Nichtberechtigten, aber im Innenverhältnis nach wie vor Legitimierten, zuzuordnen. IV.
Zurechnung (§ 16 Abs. 4)
17 Bei Bestimmung der Anteils- oder Stimmenmehrheit sind nicht nur eigene Anteile bzw. Stimmrechte der Beteiligungsgesellschaft zu berücksichtigen, sondern auch über § 16 Abs. 4 zuzurechnende Anteile Dritter. Auch wenn § 16 Abs. 4 dies nicht explizit vorsieht, ergibt sich die Zurechnung fremder Stimmrechte aus dem systematischen Zusammenspiel zwischen § 16 Abs. 4 und Abs. 3, wonach „ihm gehörende Anteile“ i. S. von § 16 Abs. 3 auch die über § 16 Abs. 4 zugerechneten Anteile sind.39) Ein und dieselben Anteile können durch gleichzeitige Berücksichtigung bei Anteilsinhaber und Zurechnungsempfänger zu einer doppelten Mehrheitsbeteiligung i. S. von § 16 führen, da eine Absorption nicht stattfindet.40) 18 Über § 16 Abs. 4 explizit zugerechnet werden Anteile eines abhängigen Unternehmens i. S. von § 17 sowie die einem Dritten, aber für Rechnung der Beteiligungsgesellschaft oder eines von der Beteiligungsgesellschaft abhängigen Unternehmens, gehörenden Anteile. Für Rechnung bedeutet auf Kosten und wirtschaftliches Risiko (z. B. bei Geschäftsbesorgungs- und Treuhandverhältnissen).41) Zusätzlich stellt § 16 Abs. 4 klar, dass die Zurechnung auch im Privatvermögen eines Einzelkaufmanns gehaltene Anteile erfasst, wobei selbiges auch für Kleingewerbetreibende und Freiberufler, nicht hingegen aber für Personengesellschaften gilt.42) 19 Über eine teleologische Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 16 Abs. 4 wird insbesondere bei Stimmbindungsverträgen entsprechend der Regelung in § 290 Abs. 3 Satz 2 HGB diskutiert.43) Sachgerechter dürfte es sein, eine analoge Anwendung auf Stimmbindungsverträge und andere schuldrechtliche Abreden (z. B. Konsortialvereinbarungen, Gesellschafterverinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten) abzulehnen. Da schuldrechtliche Besonderheiten auf Ebene von § 17 berücksichtigt werden können, ist die eine Analogie voraussetzende Regelungslücke vorliegend nicht erkennbar (siehe auch
_____________ 36) 37) 38) 39) 40)
So aber Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 35. So auch Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 40. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 21; a. A. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 32. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 33; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 22. LG Berlin, Urt. v. 1.12.1997 – 99 O 171/97, AG 1998, 195, 196; Hüffer, AktG, § 16 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 23. 41) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 22; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 26. 42) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 27. 43) Für eine Erweiterung des § 16 Abs. 4: Bayer in: MünchKomm-AktG, § 16 Rz. 41, 48; Emmerich/ Habersack-Emmerich, § 16 AktG Rz. 18a; gegen eine Erweiterung: Hüffer, AktG, § 16 Rz. 13; Spindler/ Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 23, 34; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 29; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 16 Rz. 43; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 33.
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§ 17
Abhängige und herrschende Unternehmen
bei § 17 Rz. 14 f.).44) Selbiges muss auch für andere, nicht auf einer Beteiligung beruhende, gesetzliche Tatbestände der Stimmrechtszurechnung gelten (siehe auch § 17 Rz. 16).45) _____________ 44) Ähnlich Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 16 Rz. 23. 45) Vgl. hierzu K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 16 Rz. 30.
§ 17 Abhängige und herrschende Unternehmen (1) Abhängige Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. (2) Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Literatur: Siehe auch die Literaturangaben zu § 15; Bauer, Zur Abhängigkeit einer AG von einem Konsortium, NZG 2001, 742; Koppensteiner, Konzerne und Abhängigkeitslagen jenseits des Gesellschaftsrechts, in Festschrift für Klaus J. Hopt, Bd. I, 2010, S. 959; K. Schmidt, Entherrschungsverträge, in Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 985; Soudry/Löb, Der Begriff des abhängigen Unternehmens im Sinne des § 17 AktG – Zur Einbeziehung rein wirtschaftlich vermittelter Abhängigkeiten in den Anwendungsbereich des Konzernrechts, GWR 2011, 127; Soudry/Löb, Der Begriff des abhängigen Unternehmens im Sinne des § 17 AktG – Zur Einbeziehung rein wirtschaftlicher Abhängigkeiten in den Anwendungsbereich des Konzernrechts, GWR 2011, 127.
Übersicht I. II. 1. 2.
Bedeutung der Norm ........................ 1 Abhängigkeit (§ 17 Abs. 1) .............. 2 Mögliche Beherrschung ..................... 2 Gesellschaftsrechtliche Vermittlung ........................................ 7 3. Mittelbare, mehrfache Abhängigkeit ...................................... 8 4. Einzelfälle ......................................... 10 I.
a) Minderheitsbeteiligung (kombinierte Beherrschung) ..... b) Keine Beteiligung ....................... c) Optionsrechte ............................ III. Vermutungsregel (§ 17 Abs. 2) ...... 1. Bedeutung ......................................... 2. Widerlegung ..................................... a) Grundsatz ................................... b) Einzelfälle ...................................
11 18 23 24 24 25 25 26
Bedeutung der Norm
§ 17 Abs. 1 definiert den Begriff des abhängigen Unternehmens über denjenigen des beherr- 1 schenden Einflusses. Bedeutsam ist der Begriff der Abhängigkeit insbesondere für die Konzernvermutung und die damit verbundene Beweislastumkehr in § 18 Abs. 1 Satz 3.1) Während die Möglichkeit einer Beherrschung für eine Abhängigkeit i. S. von § 17 ausreicht, verlangt der Konzernbegriff des § 18 zusätzlich die (tatsächliche) einheitliche Leitung durch das herrschende Unternehmen.2) An die zu zentralen Tatbeständen des Konzernrechts avancierten Begriffe der Abhängigkeit bzw. der Beherrschung knüpfen insbesondere die Schutzvorschriften des Konzernrechts zugunsten der abhängigen Gesellschaft (§§ 311 ff.) sowie solche Vorschriften an, die einen Umgehungsschutz bezwecken (z. B. §§ 16 Abs. 4, _____________ 1) 2)
K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 2; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 4. Vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 2 – Abhängigkeit als „potentieller Konzern“.
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Abhängige und herrschende Unternehmen
56 Abs. 2).3) Zum Begriff des Unternehmens i. S. von § 17 siehe die entsprechenden Ausführungen zu § 15 (zum Begriffsverständnis i. S. von § 15 siehe § 15 Rz. 4, 5 ff. – „Herrschendes Unternehmen“ und Rz. 15 – „Abhängiges Unternehmen“ bzw. „In Mehrbesitz stehendes Unternehmen“). II.
Abhängigkeit (§ 17 Abs. 1)
1.
Mögliche Beherrschung
2 Erforderlich, aber auch ausreichend für die Begründung einer Abhängigkeit i. S. von § 17 Abs. 1 ist, dass ein Unternehmen (herrschendes Unternehmen) die Möglichkeit hat, auf ein anderes Unternehmen (abhängiges Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auszuüben (§ 17 Abs. 1: „ausüben kann“).4) 3 Im Hinblick auf den beherrschenden Einfluss lässt die an eine Mehrheitsbeteiligung i. S. von § 16 Abs. 1 anknüpfende Vermutungsregel des § 17 Abs. 2 den Umkehrschluss zu, dass grundsätzlich die Kompetenz, die geschäftsleitenden Organe bestellen bzw. abberufen zu können, entscheidend ist.5) Die aus dieser sog. Personalkompetenz resultierende Einflussmöglichkeit ist nach allgemeiner Auffassung ausreichend, da sich die Geschäftsleitung mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits aus Eigeninteresse (z. B. an Wiederwahl) gegenüber den Anteilsinhabern einflusskonform verhalten wird.6) Während vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung die Gesellschafter einer Personengesellschaft bzw. einer GmbH die Geschäftsführung selbst ausüben bzw. unmittelbar besetzen (vgl. §§ 709 f. BGB, §§ 114 f. HGB, § 46 Abs. 2 Nr. 5 GmbHG), genügt es bei der AG, dass die Hauptversammlung nicht direkt, sondern über die turnusmäßig mit einfacher Mehrheit zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder die personelle Besetzung des geschäftsführenden Vorstands mittelbar beeinflussen kann (vgl. § 101 Abs. 1 i. V. m. §§ 133 Abs 1, 84)7). Ist ein Aufsichtsrat teilweise (zu 1/3 gemäß DrittelbG bzw. paritätisch gemäß MitbestG oder Montanmitbestimmungsgesetz) durch Arbeitnehmervertreter besetzt, so hat dies nach h. M. keinen Einfluss auf die Bestimmung der Abhängigkeit.8) 4 Ausreichend ist unabhängig von der Organbesetzung ggf. aber auch die Möglichkeit, Weisungen an die Geschäftsleitung insgesamt oder zumindest im Hinblick auf die wichtigen Geschäftsbereiche erteilen zu können, wie gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG für die GmbH gesetzlich vorgesehen und bei Personengesellschaften mit gesellschaftsvertraglich verankertem Mehrheitsprinzip ebenfalls möglich (bei der AG ist dies wegen § 76 Abs. 1 hingegen nur bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags denkbar).9)
_____________ 3) 4) 5) 6)
7) 8)
9)
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Hüffer, AktG, § 17 Rz. 1; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 4 ff. m. N. weiterer Vorschriften. Hüffer, AktG, § 17 Rz. 5 f.; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 2, 8. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 6. Hüffer, AktG, § 17 Rz. 5; OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07, AG 2008, 672, 673; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.5.2008 – 19 VI-Kart 1/07, AG 2008, 859, 860 f.; K. Schmidt/LutterVetter, AktG, § 17 Rz. 6, die im Einzelfall auch eine faktische Einflussnahme auf den für die Organbesetzung zuständigen Entscheidungsträger genügen lassen. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 6; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rz. 26 f. BAG, Beschl. v. 18.6.1970 – 1 ABR 3/70, AG 1970, 268, 270; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 11; K. Schmidt/ Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 7; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 54; a. A. für den Grenzfall der Montanmitbestimmung Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 17 Rz. 120. BGH, Urt. v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, AG 1974, 220, 221 f.; OLG Stuttgart Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 206; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 8; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 9 ff.
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Abhängige und herrschende Unternehmen
§ 17
Die bloße Blockademöglichkeit oder „negative“ Beherrschung aufgrund einer Sperr- 5 minorität reicht hingegen grundsätzlich nicht aus.10) Die mögliche beherrschende Einflussnahme muss nach h. M. eine gewisse Beständigkeit 6 i. S. von Verlässlichkeit, nicht notwendigerweise auch i. S. von Dauerhaftigkeit, aufweisen und umfassend sein.11) Beständigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Beherrschungsmöglichkeit unmittelbar auf eigenem Recht oder mittelbar auf gesicherter Mitwirkung Dritter beruht,12) wobei maßgebliche Perspektive diejenige des abhängigen Unternehmens ist.13) 2.
Gesellschaftsrechtliche Vermittlung
Die Möglichkeit der beherrschenden Einflussnahme muss nach h. M.14) stets zumindest 7 auch gesellschaftsrechtlich vermittelt sein, d. h. in die Innenstruktur des Unternehmens eingreifen, und kann nicht allein durch außergesellschaftsrechtliche Umstände (z. B. wirtschaftliche Abhängigkeit aufgrund umfangreicher Liefer-, Leistungs- oder Kreditbeziehungen) begründet, wohl aber im Wege einer Gesamtbetrachtung durch solche Umstände verstärkt werden (sog. kombinierte Beherrschung, siehe hierzu Rz. 11 ff.). Folglich bedarf es zumindest stets auch der Möglichkeit, Stimmrechte ausüben zu können oder einer anderen organisationsrechtlichen Verbindung in Form eines Beherrschungsvertrags oder der Eingliederung (AG) bzw. bestimmter gesellschaftsvertraglich festgelegter Herrschaftsrechte (GmbH, Personengesellschaft).15) 3.
Mittelbare, mehrfache Abhängigkeit
§ 17 Abs. 1 stellt klar, dass die Möglichkeit eines mittelbar beherrschenden Einflusses 8 ausreicht. Beispiel: Es genügt also, wenn A mittelbar über B und B unmittelbar auf C beherrschenden Einfluss ausüben kann (insbesondere in Form der mehrstufigen Abhängigkeit im Konzern zwischen Mutter, Tochter und Enkelin), wobei die mittelbare Abhängigkeit C von A ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen A und B nicht zwingend voraussetzt.16) Da C sowohl von A (mittelbar) als auch von B (unmittelbar) abhängig ist und eine Absorption der Abhängigkeiten nicht stattfindet, liegt im Beispielsfall mehrfache Abhängigkeit vor (zum Thema mehrfache Mehrheitsbeteiligung und Absorption siehe § 16 Rz. 17).17)
_____________ 10) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 10; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 9, 27; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 9 m. N. zu denkbaren Ausnahmen. 11) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.12.2003 – 12 W 11/02, AG 2004, 147, 148; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.3.2009 – I-26 W 5/08, AG 2009, 873, 874; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 6 f.; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 9, 27. 12) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 6; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 19. 13) BGH, Urt. v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, AG 1974, 220, 221; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 4; Spindler/StilzSchall, AktG, § 17 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 13. 14) BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83 (BuM/WestLB), AG 1984, 181, 184; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.12.2003 – 12 W 11/02 AktE, AG 2004, 147, 148; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 15 f.; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rz. 21 ff. 31 f.; abweichend Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 21 f.; Soundry/Löb, GWR 2011, 127 ff. 15) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 15; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 41 ff. 16) Vgl. Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 48 f.; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 17 Rz. 29 f.; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rz. 72 ff. 17) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 18 f.; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 17 Rz. 31.
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§ 17
Abhängige und herrschende Unternehmen
9 Außerhalb von Konzernbeziehungen ist eine mehrfache Abhängigkeit insbesondere denkbar bei –
Gemeinschaftsunternehmen (vor allem beim 50:50 Joint-Venture, siehe hierzu auch Rz. 17),18)
–
Treuhandverträgen (siehe hierzu auch Rz. 21),19)
–
Stimmbindungs- und Konsortialverträgen (siehe hierzu auch Rz. 14 f.),20) sowie
–
Stimmrechtsvollmachten (siehe hierzu noch auch Rz. 14, 21).
4.
Einzelfälle
10 Außerhalb einer Mehrheitsbeteiligung, angesichts der Notwendigkeit einer gesellschaftsrechtlichen Vermittlung (siehe hierzu Rz. 7) meist aber in Kombination mit einer Minderheitsbeteiligung, wird ein beherrschender Einfluss in folgenden Konstellationen diskutiert: a)
Minderheitsbeteiligung (kombinierte Beherrschung)
11 Eine Minderheitsbeteiligung vermittelt dann die Möglichkeit einer beherrschenden Einflussnahme, wenn die Präsenz in Haupt- oder Gesellschafterversammlung erfahrungsgemäß so niedrig ist, dass die betroffene Beteiligung für eine Mehrheit regelmäßig ausreicht und es sich nicht bloß um eine Zufallsmehrheit handelt (insbesondere bei Publikumsgesellschaften mit hohem Streubesitz denkbar).21) 12 Selbiges gilt für zusätzliche personelle Verflechtungen auf Leitungsebene, insbesondere dann, wenn durch diese die Mehrheit in allen maßgeblichen Gremien (Vorstand und Aufsichtsrat bei AG, grundsätzlich nur Geschäftsführung bei GmbH und Personengesellschaften) gesichert ist.22) 13 Die wirtschaftliche Abhängigkeit aufgrund umfangreicher Liefer-, Leistungs- oder Kreditbeziehungen kann die Minderheitsbeteiligung ebenfalls zu einer beherrschenden Einflussmöglichkeit aufwerten (siehe hierzu auch Rz. 7 und die dortigen Nachweise).23) 14 Kontrolliert ein beteiligtes Unternehmen mittels Stimmbindungsvertrag die Mehrheit der Stimmrechte, so ist dieser Umstand als beherrschende Einflussmöglichkeit i. S. von § 17 Abs. 1 anzusehen (siehe hierzu auch § 16 Rz. 19).24) Selbiges gilt für Stimmrechtvollmachten, wenn der Vertreter freie Hand bei Ausübung der Vollmacht hat (siehe hierzu auch § 16 Rz. 19).25) _____________ 18) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 19, 45 ff.; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rz. 76; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 50, 53. 19) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 19; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rz. 74. 20) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 48; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 51, 53. 21) BGH, Urt. v. 13.10.1977 – II ZR 123/76 (Veba/Gelsenberg), AG 1978, 50 ff. – Beteiligung von 43,74 % bei durchschnittlicher Präsenz von ca. 80 %; BGH, Beschl. v. 17.3.1997 – II ZB 3/96 (VW), AG 1997, 374, 376 – Beteiligung von 20 % bei durchschnittlicher Präsenz von unter 40 % im fünften Jahr; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 12, 20; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 30. 22) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 16, 40 f.; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 31; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 47. 23) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 22, und Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 35, jeweils m. w. N. 24) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.12.2003 – 12 W 11/02, AG 2004, 147, 148; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 23; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 26; nach a. A. führen Stimmbindungsverträge bereits i. R. der Mehrheitsbeteiligung zu einer Zurechnung über § 16 Abs. 4, so dass bereits ein Fall des § 17 Abs. 2 vorliegt. 25) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 23; krit. Emmerich/Habersack-Emmerich, § 17 AktG Rz. 17.
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Abhängige und herrschende Unternehmen
§ 17
Ebenso können im Einzelfall auch andere schuldrechtliche Vereinbarungen, wie Kon- 15 sortial- oder Gesellschaftervereinbarungen sowie insbesondere bei GmbH und Personengesellschaften spezielle gesellschaftsvertragliche Regelungen, in Kombination mit einer Minderheitsbeteiligung ausreichen (siehe hierzu auch § 16 Rz. 19).26) Unter (zusätzlicher) Berücksichtigung des faktischen Abstimmungsverhaltens zwischen 16 zwei oder mehr Anteilsinhabern im Hinblick auf ihre Stimmrechtsausübung in der gemeinsamen Beteiligungsgesellschaft (z. B. bei Familienverbindungen) und/oder der auf einem solchen Verhalten basierenden gesetzlichen Tatbestände der Stimmrechtszurechnung in § 30 Abs. 2 WpÜG, § 22 Abs. 2 WpHG (Acting in Concert) kann ggf. eine Beherrschung i. S. von § 17 Abs. 1 entstehen (siehe hierzu auch § 16 Rz. 19).27) Anerkannt ist inzwischen, dass ein Unternehmen auch außerhalb einer mehrstufigen 17 (mehrfachen) Konzernabhängigkeit von zwei oder mehr28) Anteilsinhabern jeweils einzeln (nicht hingegen gemeinsam als GbR in Form einer „Gesamthandsherrschaft“)29) auf gleicher Stufe abhängig sein kann (sog. Mehrmütterherrschaft).30) Häufigstes Beispiel für ein solches Gemeinschaftsunternehmen ist das 50:50 Joint-Venture. In diesen Fällen ist die Mehrmütterherrschaft allerdings auch nicht zwingend.31) b)
Keine Beteiligung
Für die Fälle, in denen nicht einmal eine Minderheitsbeteiligung vorliegt, muss die gesell- 18 schaftsrechtliche Vermittlung der Beherrschungsmöglichkeit jeweils anderweitig begründet werden. Dies kann entweder originär oder derivativ erfolgen. Da die gesellschaftsrechtliche Vermittlung gemäß § 17 Abs. 1 nicht zwingend eine unmittelbare eigene Beteiligung voraussetzt, genügt die Zurechnung fremder Beteiligung.32) Beherrschungsverträge i. S. von § 291 Abs. 1 Satz 1 und Eingliederungen i. S. von 19 §§ 319 ff. begründen angesichts des damit verbundenen umfangreichen Weisungsrechts (vgl. §§ 308 Abs. 1, 323 Abs. 1) stets und unabhängig von jeglicher Beteiligung bzw. deren Vermittlung eine originär gesellschaftsrechtlich vermittelte Beherrschungsmöglichkeit, was bereits im Hinblick auf die gesetzliche Qualifikation der beteiligten Unternehmen als Konzern gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 naheliegt.33) Mangels gesetzlich vorgesehenen Weisungsrechts genügt der Abschluss eines isolierten 20 Gewinnabführungsvertrags i. S. von § 291 Abs. 1 Satz 1 oder eines der übrigen Unternehmensverträge i. S. von. § 292 allein hingegen nicht.34) Wenn und soweit bestimmte Personalkompetenzen oder sonstige Herrschaftsrechte i. R. des rechtlich Zulässigen mittels Gesellschaftsvertrag auf Nichtgesellschafter übertragen werden, so ist eine Be_____________ 26) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 25; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 17 AktG Rz. 20 f. 27) Eingehend K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 26 ff. unter Auflistung einzelner tatbestandlicher Kriterien; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 31 ff. 28) BGH, Urt. v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, AG 1974 220 ff. – gemeinsame Beherrschung durch drei Gesellschafter mit einer Beteiligung von 25 %, 25 % und 5 %. 29) Vgl. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 16 m. w. N. 30) BGH, Urt. v. 4.1974 – II ZR 89/72, AG 1974 220, 221 f.; BGH, Urt. v. 16.2.1981 – II ZR 168/79 (Spindelfabrik Süssen), AG 1981, 225, 226; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 13 ff.; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 45; eingehend Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 15 ff. 31) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.12.2003 –19 U 78/03, AG 2004, 567 f.; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 46. 32) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 20 m. w. N. 33) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 42; Bayer in: MünchKommAktG, § 17 Rz. 64. 34) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 17 Rz. 62 m. w. N.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 45; krit. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 40; a. A. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 44.
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Abhängige und herrschende Unternehmen
herrschung auch außerhalb eines Beherrschungsvertrags denkbar (zumindest bei GmbH und Personengesellschaft, wegen § 76 Abs. 1 nicht bei AG). 21 Bei der Treuhand und bei Stimmrechtvollmachten kann die unmittelbare Beteiligung des Treugebers bzw. des Vollmachtgebers dem Treuhänder bzw. dem Bevollmächtigten als gesellschaftsrechtlich vermittelndes Element zugerechnet werden und so die beherrschende Einflussnahmemöglichkeit des nicht beteiligten Treuhänders bzw. Bevollmächtigten begründen (siehe hierzu auch § 16 Rz. 18 f.).35) 22 Bei Beurteilung einer Zurechnung i. R. von § 17 Abs. 1 ist im Übrigen das Zusammenspiel zwischen § 16 Abs. 4 und Abs. 2 zu berücksichtigen. Da nach hier vertretener Ansicht eine restriktive und am Wortlaut orientierte Interpretation von § 16 Abs. 4 vorzugswürdig ist (siehe hierzu § 16 Rz. 19), sind an eine Zurechnung des gesellschaftsrechtlichen Vermittlungselements bei § 17 Abs. 1 entsprechend geringe Anforderungen zu stellen, um Schutzlücken weitmöglichst zu vermeiden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung bei gesetzlichen Zurechnungstatbeständen v. a. in § 20 Abs. 2, § 22 Abs. 2 WpHG, § 30 Abs. 1 WpÜG.36) c)
Optionsrechte
23 Eine Option zum Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung genügt nach h. M. für die Begründung einer Beherrschungsmöglichkeit nicht.37) III.
Vermutungsregel (§ 17 Abs. 2)
1.
Bedeutung
24 Die Regelung des § 17 Abs. 2 begründet die Vermutung einer Abhängigkeit i. S. von § 17 bei einer Mehrheitsbeteiligung i. S. von § 16 (d. h. alternativ bei Anteils- oder Stimmenmehrheit) und führt unmittelbar zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zulasten desjenigen, der sich im konkreten Einzelfall zu seinen Gunsten darauf beruft, das Tatbestandsmerkmal der Abhängigkeit sei im Hinblick auf die jeweils streitbefangene Norm nicht erfüllt.38) 2.
Widerlegung
a)
Grundsatz
25 Um die Vermutung des § 17 Abs. 2 zu widerlegen, ist der Gegenbeweis zu führen, dass trotz Anteils- und/oder Stimmenmehrheit gemäß § 16 die Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses auf das in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen nicht besteht.39) Da bereits allein die mögliche Beherrschung aufgrund Anteilsmehrheit den Tatbestand des § 17 Abs. 2 erfüllt, ist der Nachweis tatsächlich nicht ausgeübter Einflussnahme und fehlender Stimmenmehrheit allein nicht zur Widerlegung geeignet, sondern muss zusätzlich ggf. weitere substantiiert dargelegte Beherrschungsmittel (insbesondere in Fällen kombinierter Beherrschung, siehe hierzu Rz. 11 ff.) entkräften.40) Bei Stimmenmehrheit kann die _____________ 35) So zumindest für die Treuhand K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 19; Bayer in: MünchKommAktG, § 17 Rz. 74. 36) Vgl. hierzu eingehend K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 36 ff. 37) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.7.1993 – 6 U 84/92, AG 1994, 36, 38 f.; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 9; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 37; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 35; a. A. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rz. 53 ff. m. w. N. 38) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 17 f.; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 50 f. 39) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 52. 40) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 19 f.; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 52 f.
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Abhängige und herrschende Unternehmen
§ 17
Abhängigkeitsvermutung widerlegt werden, indem nachgewiesen wird, dass diese den ihr grundsätzlich zukommenden Einfluss angesichts bestimmter Regelungen im Gesellschaftsvertrag oder sonstigen schuldrechtlichen Abreden (insbesondere Stimmbindungsvertrag) nicht entfalten kann.41) b)
Einzelfälle
Qualifizierte Mehrheitserfordernisse im Gesellschaftsvertrag können eine Widerlegung 26 tragen, wenn sich diese (auch) auf diejenigen Beschlussgegenstände beziehen, welche die Personalkompetenz (Bestellung des Aufsichtsrats bei AG, Bestellung der oder Weisung an die Geschäftsführung bei GmbH und Personengesellschaften ausmachen (siehe hierzu Rz. 3 f.).42) Auch statutarisch zulässigerweise begründete Stimmrechtsauschlüsse oder – beschränkungen (insbesondere bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien gemäß §§ 12 Abs. 1, 139 ff. und Höchststimmrechten gemäß § 134 Abs. 1) können die Vermutung aufgrund Anteilsmehrheit widerlegen,43) nicht hingegen etwaige nur zu einem vorübergehenden „Ruhen“ der Stimmrechte führende Stimmrechtsbeschränkungen (siehe hierzu auch § 16 Rz. 15).44) Ferner sind Stimmbindungsverträge zur Widerlegung geeignet, wenn hiernach die Stim- 27 menmehrheit in den die Personalkompetenz betreffenden Beschlüssen nicht ausgeübt werden darf.45) Das einem Minderheitsgesellschafter zustehende Entsenderecht in den Aufsichtsrat kann 28 zumindest bei paritätisch mitbestimmten Gesellschaften die Vermutung einer Beherrschungsmöglichkeit durch den Mehrheitsgesellschafter widerlegen.46) Ein Beherrschungsvertrag mit einem Dritten ist zur Widerlegung der Vermutung aus- 29 reichend, so dass insbesondere ein solcher zwischen Mutter und Enkelin die Vermutung des § 17 Abs. 2 im Hinblick auf das Verhältnis Tochter und Enkelin widerlegt.47) Bei mehrstufiger Abhängigkeitsvermutung, z. B. in Form mittelbarer Mehrheitsbetei- 30 ligung, genügt es, wenn ein (unteres) Glied in der Vermutungskette widerlegt wird.48) Beispiel: A ist mehrheitlich beteiligt an B und B ist mehrheitlich beteiligt an C. C kann gleichzeitig von B (unmittelbar) und von A (mittelbar) abhängig sein, die Vermutung der Abhängigkeit C von A gilt allerdings automatisch als widerlegt, wenn die Vermutung der Abhängigkeit C von B widerlegt ist.49) Anerkanntes Mittel zur Widerlegung ist nach überwiegender Ansicht auch der in der Pra- 31 xis gebräuchliche sog. Entherrschungsvertrag,50) bei dem im Verhältnis zur Beteiligungsgesellschaft die Stimmrechtsausübung des Mehrheitsgesellschafters in den für die Be_____________ 41) OLG München, Urt. v. 11.5.2004 – 30 UF 303/03, AG 2004, 455 f.; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 21 f. 42) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 54; Bayer in: MünchKommAktG, § 17 Rz. 98. 43) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 21; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 51. 44) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 57; a. A. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 51. 45) Hüffer, AktG, § 17 Rz. 22; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 51; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 63. 46) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 54; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 24. 47) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 58; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 23; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 56. 48) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 58. 49) Vgl. auch Hüffer, AktG, § 17 Rz. 23; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 56. 50) OLG Köln, Urt. v. 24.11.1992 – 22 U 72/92 (Winterthur/Nordstern), AG 1993, 86, 87.
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Konzern und Konzernunternehmen
herrschung maßgeblichen Beschlüssen (Stichwort: Personalkompetenz) ausgeschlossen wird, wobei nach der sog. „Minus-Eins-Regel“ eine Beschränkung auf die Ausübung der Hälfte der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Stimmen abzüglich mindestens einer weiteren Stimme erforderlich ist.51) Ein Entherrschungsvertrag muss schriftlich abgeschlossen sein und eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren unter Ausschluss der ordentlichen Kündigung in dieser Zeit aufweisen.52) _____________ 51) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 17 Rz. 52; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 60 f.; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 22. 52) OLG Köln, Urt. v. 24.11.1992 – 22 U 72/92 (Winterthur/Nordstern), AG 1993, 86, 87; Hüffer, AktG, § 17 Rz. 22; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 61; eingehend K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 17 Rz. 61 ff.
§ 18 Konzern und Konzernunternehmen (1) 1Sind ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. 2Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291) besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§ 319), sind als unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt anzusehen. 3Von einem abhängigen Unternehmen wird vermutet, daß es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet. (2) Sind rechtlich selbständige Unternehmen, ohne daß das eine Unternehmen von dem anderen abhängig ist, unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt, so bilden sie auch einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen. Literatur: Siehe auch die Literaturangaben zu § 15; Amstutz, Konzernorganisationsrecht, 1995; Druey, Die Zukunft des Konzernrechts, in Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 135; K. Schmidt, Das Konzernbild des AktG, in Festschrift für Nikolaos K. Rokas, 2012, S. 893; Wanner, Konzernrechtliche Probleme mehrstufiger Unternehmensverbindungen nach Aktienrecht, 1998.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ....................... 1 II. Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1) ....................................... 2 1. Einheitlich Leitung ............................ 2 2. Mehrstufige, mehrfache Konzernierung ................................... 8 3. Unwiderlegliche Vermutung (§ 18 Abs. 1 Satz 2) ......................... 10 I.
4. Widerlegliche Vermutung (§ 18 Abs. 1 Satz 3) .......................... 11 III. Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2) ..................................... 14 1. Begründung, Bedeutung ................... 14 2. Verhältnis zu § 18 Abs. 1 ................. 15
Bedeutung der Norm
1 § 18 definiert den Begriff Konzern sowie die an diesem beteiligten Unternehmen als Konzernunternehmen und unterscheidet anhand der Abhängigkeit i. S. von § 17 zwischen dem praktisch wichtigeren Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1) und dem Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2).1) Unterfälle von § 18 Abs. 1 sind Vertragskonzern (Beherrschungsvertrag, § 291 Abs. 1 Satz 1), Eingliederungskonzern (§ 319 ff.) und faktischer _____________ 1)
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§ 18
Konzern und Konzernunternehmen
Konzern, Unterfälle von § 18 Abs. 2 sind Vertragskonzern (Gleichordnungsvertrag, § 291 Abs. 2) und faktischer Konzern.2) Das für den Konzern wesentliche Merkmal der einheitlichen Leitung wird bei Existenz eines Beherrschungsvertrags sowie im Fall der Eingliederung unwiderleglich, i. R. einer sonstigen Abhängigkeit gemäß § 17 widerleglich vermutet.3) Begrifflich ist der Konzern im Gesellschaftsrecht weniger bedeutsam als die, dem AktG als zentraler Anknüpfungspunkt dienende, Abhängigkeit i. S. von § 17.4) Verwendung findet der Konzernbegriff insbesondere in §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 134 Abs. 1 Satz 4, 145 Abs. 3, 250 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 293d Abs. 1 Satz 2, § 24 WpHG, § 36 Nr. 3 WpÜG, § 5 MitbestG, § 2 DrittelbG, § 54 Abs. 1 BetrVG, § 36 Abs. 2 Satz 1 GWB. Im Gegensatz zu §§ 16, 17 begründet der Konzern nicht nur ein vertikales Verhältnis zwischen über- und untergeordnetem Unternehmen, sondern gleichzeitig ein horizontales Gleichordnungsverhältnis zwischen den einzelnen untergeordneten Unternehmen (mehrseitige Unternehmensverbindung).5) Zum Begriff des Unternehmens i. S. von § 18 siehe die entsprechenden Ausführungen zu § 15 (siehe hierzu § 15 Rz. 4, 5 ff. – „Herrschendes Unternehmen“, Rz. 15 – „Abhängiges Unternehmen“ und Rz. 16 – „Gleichgeordnetes Unternehmen“). II.
Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1)
1.
Einheitlich Leitung
Wesentliche Voraussetzung für einen Unterordnungskonzern ist die Zusammenfassung 2 einer oder mehrerer abhängiger Unternehmen i. S. von § 17 Abs. 1 unter einheitlicher Leitung des herrschenden Unternehmens i. S. von § 17 Abs. 1. Durch Inbezugnahme des § 17 wird mittelbar (über § 17 Abs. 1) auf den Unternehmensbegriff in § 15 verwiesen.6) Umstritten ist, ob zur Bestimmung der einheitlichen Leitung auf einen engen oder einen 3 weiten Konzernbegriff zurückgegriffen werden soll.7) Die Vertreter des engen Begriffsverständnisses fordern eine am Konzern als wirtschaftlicher Einheit orientierte und auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption sowie deren Durchführung und Kontrolle.8) Nach dem weiten Konzernbegriff genügt die (teilweise) Wahrnehmung zentraler Leitungsfunktionen (Planung, Organisation und Koordinierung, Kontrolle) in mindestens einem der zentralen unternehmerischen Funktionsbereiche (insbesondere Investition, Finanzen, Einkauf, Produktion, Absatz, Personal), solange hiermit entsprechende Auswirkungen für den gesamten Konzern verbunden sind.9) Soweit auch die Vertreter des engen Konzernbegriffs eine konzernweite Finanzplanung und -kontrolle (z. B. durch zentrales Cash Management)10) genügen lassen,11) _____________ 2) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 3; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 2; ausführlich zum sog. qualifiziert faktischen Konzern Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 3, Vor § 15 Rz. 14 f. 3) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 1, 16. 4) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 5, § 15 Rz. 8, § 17 Rz. 3; Spindler/ Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 1, 7, § 17 Rz. 1; zur Bedeutung des Konzernbegriffs bei der Arbeitnehmermitbestimmung vgl. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 11, 14, 17. 5) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 3; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 1. 6) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 6. 7) Vgl. ausführlich zum Meinungsstand: Emmerich/Habersack-Emmerich, § 18 AktG Rz. 9 ff. 8) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 10 f.; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 18 Rz. 15 ff., 20; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 18 Rz. 19 ff., 24 f. 9) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 11; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 14 – anders aber für den Gleichordnungskonzern; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 18 Rz. 33. 10) Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20.2.1989 – II ZR – 167/88, NJW 1989, 1800, 1802. 11) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 18 Rz. 15, 20; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 18 Rz. 19 ff., 25.
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§ 18
Konzern und Konzernunternehmen
relativiert sich der Unterschied beider Begriffe im Ergebnis.12) Insgesamt ist der weite Konzernbegriff vorzugswürdig, da nur dieser dem an seiner Schutzfunktion auszurichtenden Konzernrecht einen möglichst breiten Anwendungsbereich eröffnet13) und gleichzeitig dem in der Gesetzesbegründung angedeuteten Verständnis am nächsten kommt.14) Zudem begünstigt der weite Konzernbegriff die Rechtfertigung, der, auch von Vertretern des engen Konzernbegriffs weitgehend als zulässig anerkannten, mehrfachen Konzernierung bei Gemeinschaftsunternehmen (siehe hierzu Rz. 9).15) 4 Ebenso wie die Abhängigkeit i. S. von § 17 setzt die einheitliche Leitung i. S. von § 18 eine gewisse Beständigkeit (nicht notwendigerweise Dauerhaftigkeit) voraus, so dass eine lediglich gelegentliche einzelfallbezogene Leitung nicht ausreicht (siehe hierzu auch unter § 17 Rz. 6).16) 5 Im Gegensatz zur beherrschenden Einflussmöglichkeit i. S. von § 17 genügt die bloße Möglichkeit der einheitlichen Leitung bei § 18 nicht, vielmehr bedarf es deren tatsächlicher Ausübung (zum Begriff des beherrschenden Einflusses siehe § 17 Rz. 2 ff.).17) Ein Konzern entsteht, wenn das herrschende Unternehmen tatsächlich Einfluss auf die Personalpolitik der abhängigen Gesellschaft nimmt, um die Politik der verbundenen Unternehmen beständig zu koordinieren und eine auf deren Gesamtinteresse ausgerichtete Zielkonzeption entwickelt.18) 6 Die Besetzung des Aufsichtsrats mit Arbeitnehmervertretern nach geltendem Mitbestimmungsrecht hat keinen Einfluss auf die Bestimmung der einheitlichen Leitung und folglich auch nicht auf die Vermutungsregel in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 (siehe zur Behandlung der Arbeitnehmermitbestimmung i. R. der Abhängigkeit unter § 17 Rz. 3).19) 7 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des untergeordneten Unternehmens endet die einheitliche Leitung und die Vermutungsregel in § 18 Abs. 1 Satz 3 ist widerlegt.20) 2. Mehrstufige, mehrfache Konzernierung 8 Einem Konzern können aufgrund einheitlicher Leitung von oben nach unten (vertikal) betrachtet Unternehmen auf verschiedenen Stufen als Konzernunternehmen i. S. von § 18 angehören, vorausgesetzt, die an der Konzernspitze stehende Muttergesellschaft leitet nicht nur die ihr unmittelbar nachgeordnete(n) Tochtergesellschaft(en), sondern ebenfalls die ihr mittelbar nachgeordnete(n) Enkel- bzw. Urenkelgesellschaft(en) usw. (zur mehrstufigen Abhängigkeit siehe unter § 17 Rz. 8).21) _____________ 12) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 9; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 12. 13) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 18 Rz. 33. 14) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 10 f.; im Ergebnis ebenso den weiten Konzernbegriff befürwortend: Emmerich/Habersack-Emmerich, § 18 AktG Rz. 14. 15) Die Vertreter des engen Konzernbegriffs sehen sich hingegen mit größeren Schwierigkeiten im Hinblick auf eine diesbezügliche Rechtfertigung konfrontiert, vgl. nur Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 18 Rz. 20, 34. 16) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 13; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 17; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 18 Rz. 37. 17) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 16. 18) OLG Dresden, Beschl. v. 15.4.2010 – 2 W 1174/09, NZG 2011, 462; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 18 AktG Rz. 14. 19) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 20; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 28. 20) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 19; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 27. 21) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 14; Bayer in: MünchKommAktG, § 18 Rz. 39.
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§ 18
Konzern und Konzernunternehmen
Auf gesellschaftsrechtlicher Ebene wird innerhalb eines mehrstufigen Konzerns die weitere 9 Konzernbildung in Form eines sog. Konzerns im Konzern weitgehend abgelehnt,22) die mehrfache Zugehörigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens zu den Konzernen sämtlicher Mütter hingegen überwiegend anerkannt (zur mehrfachen Abhängigkeit bei Gemeinschaftsunternehmen siehe § 17 Rz. 17).23) 3. Unwiderlegliche Vermutung (§ 18 Abs. 1 Satz 2) Bei Existenz eines Beherrschungsvertrags gemäß § 291 Abs. 1 Satz 1 oder im Fall der Ein- 10 gliederung gemäß §§ 319 ff. wird die einheitliche Leitung angesichts der an diese Tatbestände nach §§ 308 bzw. 323 anknüpfenden gesetzlichen Weisungsrechte gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 unwiderleglich vermutet (rechtlich anerkannte Leitungsmacht).24) 4. Widerlegliche Vermutung (§ 18 Abs. 1 Satz 3) Greift angesichts einer bestehenden Abhängigkeit i. S. von § 17 die Vermutungsregel des 11 § 18 Abs. 1 Satz 3 ein, so verlangt die Widerlegung dieser Vermutung den Gegenbeweis, dass von der zur Begründung einer Abhängigkeit notwendigen (aber auch ausreichenden) Möglichkeit der beherrschenden Einflussnahme kein tatsächlicher Gebrauch i. S. einer einheitlichen Leitung gemacht wurde, wobei die Unterschiede des engen bzw. weiten Konzernbegriffs zu berücksichtigen sind (siehe hierzu Rz. 3; zur Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung siehe § 17 Rz. 25 ff.).25) Als potentielle Gegenbeweise werden u. a. diskutiert:
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– freie Hand des untergeordneten Unternehmens in seiner Finanzpolitik,26) – Beherrschungsvertrag mit einem Dritten (siehe hierzu auch § 17 Rz. 29),27) – entsprechende Gestaltung eines Entherrschungsvertrags (siehe hierzu auch § 17 Rz. 31).28) Da die Widerlegung der Konzernvermutung in der Praxis insbesondere zur Vermeidung 13 der Konzernmitbestimmung (§ 5 Abs. 1 MitbestG) interessant sein kann, aber nur selten gelingen dürfte, erscheint es zielführender, bereits auf Ebene des § 17 anzusetzen und die Abhängigkeit zu beseitigen bzw. den Gegenbeweis der Abhängigkeitsvermutung in § 17 Abs. 2 anzutreten.29) III.
Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2)
1.
Begründung, Bedeutung
Liegt keine Abhängigkeit i. S. von § 17 vor und sind zwei oder mehr Unternehmen den- 14 noch unter einheitlicher Leitung zusammengefasst, so sind die beteiligten Unternehmen gemäß § 18 Abs. 2 ebenfalls Konzernunternehmen und bilden einen Gleichordnungskonzern. Ein solcher Gleichordnungskonzern entsteht meist mittels Abschluss eines sog. _____________ 22) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 14; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 18 Rz. 42; anders hingegen das mitbestimmungsrechtliche Verständnis des Konzernbegriffs, vgl. hierzu Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 19 f. und K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 14, jeweils m. w. N. 23) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 15; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 21. 24) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 1, 16. 25) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 18; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 27. 26) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 19 – unter Zugrundelegung des engen Konzernbegriffs; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 27 weist zu Recht darauf hin, dass dieser Nachweis unter Zugrundelegung des weiten Konzernbegriffs nicht zwingend ausreicht. 27) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 18. 28) Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 18 Rz. 40. 29) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 74.
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§ 19
Wechselseitig beteiligte Unternehmen
Gleichordnungsvertrags i. S. von § 291 Abs. 2, wodurch regelmäßig ein Vertragskonzern in Form einer BGB-Innengesellschaft begründet wird.30) Die §§ 293 ff. finden keine Anwendung.31) Die vertragliche Einräumung eines Rechts zur Erteilung bzw. Befolgung nicht umgehend kompensierter nachteiliger Weisungen ist bei der AG im Gleichordnungskonzern unzulässig.32) Weitgehend anerkannt ist auch der faktische Gleichordnungskonzern, der insbesondere aufgrund personeller Verflechtungen in Familienunternehmen vorkommen kann, bei denen sich keine Beherrschung durch einen oder mehrere Gesellschafter ausmachen lässt.33) Insgesamt ist die praktische Bedeutung des Gleichordnungskonzerns gering und seine Existenz hauptsächlich im Kartellrecht und im Hinblick auf die Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften relevant.34) 2.
Verhältnis zu § 18 Abs. 1
15 Da § 18 Abs. 2 ausschließlich Fälle erfasst, in denen konzernbildendes Mittel nicht der beherrschende Einfluss ist, können zwei Tochtergesellschaften eines herrschenden Unternehmens im Verhältnis zueinander keinen Gleichordnungskonzern bilden.35) Besteht zwischen dem leitenden Unternehmen an der Spitze eines Unterordnungskonzerns und einem anderen, nicht in diesen Unterordnungskonzern einbezogenen Unternehmen ein Gleichordnungskonzern, so überlagert der Gleichordnungskonzern den Unterordnungskonzern und sämtliche Konzernunternehmen des (früheren) Unterordnungskonzerns sind nunmehr solche des (neuen) Gleichordnungskonzerns.36) _____________ 30) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 24; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 31. 31) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 20; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 86. 32) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 27, 31; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 89 f. 33) BGH, Beschl. v. 8.12.1998 – KVR 31/97, NZG 1999, 254, 257; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 25; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 83. 34) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 18 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 26 m. w. N. aus der Rechtsprechung; zu den haftungsrechtlichen Konsequenzen im Gleichordnungskonzern s. ausführlich K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 31 ff. 35) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 22; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 80, 82. 36) Hüffer, AktG, § 18 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 18 Rz. 23; Bayer in: MünchKommAktG, § 18 Rz. 5; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 84.
§ 19 Wechselseitig beteiligte Unternehmen (1) 1Wechselseitig beteiligte Unternehmen sind Unternehmen mit Sitz im Inland in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die dadurch verbunden sind, daß jedem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört. 2 Für die Feststellung, ob einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Anteile des anderen Unternehmens gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4. (2) Gehört einem wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung oder kann das eine auf das andere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben, so ist das eine als herrschendes, das andere als abhängiges Unternehmen anzusehen. (3) Gehört jedem der wechselseitig beteiligten Unternehmen an dem anderen Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung oder kann jedes auf das andere unmittelbar oder
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§ 19
Wechselseitig beteiligte Unternehmen
mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben, so gelten beide Unternehmen als herrschend und als abhängig. (4) § 328 ist auf Unternehmen, die nach Absatz 2 oder 3 herrschende oder abhängige Unternehmen sind, nicht anzuwenden. Literatur: Siehe auch die Literaturangaben zu § 15; Emmerich, Wechselseitige Beteiligungen bei AG und GmbH, NZG 1998, 622; Korch, Ringbeteiligungen von Aktiengesellschaften, 2002; Ramming, Wechselseitige Beteiligungen außerhalb des Aktienrechts, 2005.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Einfache wechselseitige Beteiligung (§ 19 Abs. 1) .................. 5 III. Einseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung (§ 19 Abs. 2, 4) ...... 10 I.
IV. Beiderseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung (§ 19 Abs. 3, 4) ................................. 12
Bedeutung der Norm
§ 19 kennt zwei Arten wechselseitiger Beteiligung, die einfache wechselseitige Beteili- 1 gung mit einer Kapitalbeteiligung von über 25 % (Abs. 1) und die qualifizierte wechselseitige Beteiligung mit einseitiger Mehrheitsbeteiligung bzw. Beherrschung (einseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung, § 19 Abs. 2) oder gegenseitiger Mehrheitsbeteiligung bzw. Beherrschung (beiderseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung, § 19 Abs. 3). § 19 verfolgt gemeinsam mit § 328 den Zweck, die einer wechselseitigen Beteiligung im- 2 manenten Gefahren der Kapitalverwässerung und der sog. Verwaltungsstimmrechte zu entschärfen.1) Kapitalverwässerung entsteht dadurch, dass sich das Vermögen wechselseitig beteiligter Unternehmen zum Teil aus Anteilsrechten zusammensetzt, deren Gegenwert eine mittelbare Beteiligung am eigenen Unternehmen darstellt, d. h. bei wechselseitiger Zeichnung neuer Aktien ein Fall der mittelbaren Übernahme eigener Aktien (vgl. § 56) und bei wechselseitigem Erwerb bestehender Aktien ein Fall des mittelbaren Erwerbs eigener Aktien (vgl. § 71 ff.) vorliegt.2) Verwaltungsstimmrechte entstehen dadurch, dass die Vorstände wechselseitig beteiligter Unternehmen in der Hauptversammlung des jeweils anderen Unternehmens die Beschlussergebnisse je nach Höhe der Beteiligung erheblich und ggf. sogar maßgeblich mitbestimmen (insbesondere bei Wahl der Aufsichtsratsmitglieder) und so entgegen der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung die Einflussnahme der Anteilseigner unterlaufen und durch eine Art wechselseitig bedingte Verwaltungsherrschaft ersetzen können.3) Zum Begriff des Unternehmens i. S. von § 19 siehe die Ausführungen zu § 15 (siehe hierzu § 15 Rz. 4 und Rz. 16 – „wechselseitig beteiligtes Unternehmen“). Da § 328 mit seinen speziellen Rechtsfolgen (Beschränkung der Mitgliedschaftsrechte, 3 Mitteilungspflichten, siehe hierzu im Detail die Kommentierung zu § 328) zur Entschärfung dieser Gefahren nur auf die Fallgruppe der einfachen wechselseitigen Beteiligung in § 19 Abs. 1 Anwendung findet (vgl. § 19 Abs. 4), kommt nur dieser Fallgruppe praktisch eigenständige Bedeutung zu.4) Grundsätzlich nicht von § 19 erfasst sind ringförmige Beteiligungen.
4
_____________ 1) 2) 3) 4)
Hüffer, AktG, § 19 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 1. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 19 Rz. 2, 5; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 1. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 19 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 1. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 4.
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§ 19
Wechselseitig beteiligte Unternehmen
Beispiel: Wenn A an B, B an C und C wiederum an A mit jeweils 26 % beteiligt ist, liegt kein Fall des § 19 vor (anders aber, wenn B im Beispiel von A abhängig ist und A die Anteile von B an C zugerechnet werden, siehe hierzu das Beispiel unter Rz. 8).5) II.
Einfache wechselseitige Beteiligung (§ 19 Abs. 1)
5 Voraussetzung für eine Anwendung des § 19 Abs. 1 ist die wechselseitige Beteiligung von über 25 % zwischen zwei Kapitalgesellschaften (GmbH, Unternehmergesellschaft [haftungsbeschränkt], AG, KGaA) mit Satzungssitz im Inland („Sitz“ i. S. von § 5),6) ohne dass zugleich eine Mehrheitsbeteiligung oder ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt; sonst greift § 19 Abs. 2 bzw. 3.7) Vor-GmbH bzw. Vor-AG8) und Societas Europaea (SE)9) werden ebenfalls erfasst; selbiges muss im Falle ihrer Einführung für die Societas Privata Europaea (SPE) gelten. 6 Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Ausland scheiden hiernach grundsätzlich ebenso aus wie alle Personengesellschaften.10) 7 Die Berechnung der Beteiligung richtet sich gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4. Da § 16 Abs. 3 vom Verweis in § 19 Abs. 1 Satz 2 nicht erfasst ist, bleiben eventuell von der kapitalmäßigen Beteiligung abweichende Stimmrechtsanteile bei der Berechnung nach § 19 Abs. 1 unberücksichtigt.11) Mangels Verweis auf § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 werden bei der Berechnung auch keine eigenen Anteile bzw. diesen gleichstehende Anteile abgezogen.12) 8 Über die Zurechnung in § 16 Abs. 4 können auch i. R. ringförmiger Beteiligungen (mehrfache) wechselseitige Beteiligungen begründet werden: Beispiel: Ist A an B mehrheitlich mit 51 %, B an C und C wiederum an A mit jeweils 26 % beteiligt, dann werden A die Anteile von B an C über § 19 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 16 Abs. 4 zugerechnet, so dass A und C wechselseitig i. S. von § 19 Abs. 1 beteiligt sind (was angesichts des rechtsformneutralen Unternehmensbegriffs in § 16 Abs. 4 auch dann gilt, wenn zwar A und C, nicht aber auch B Kapitalgesellschaft ist.13) Ist C zusätzlich noch mit 26 % an (Kapitalgesellschaft) B beteiligt, liegen mangels Absorption (zum Thema Absorption siehe § 16 Rz. 17) zwei wechselseitige Beteiligungen i. S. von § 19 Abs. 1 vor (mittelbar über B zwischen A und C und unmittelbar zwischen B und C).14) 9 Für Unternehmen i. S. von § 19 Abs. 1 gelten die Vorschriften für verbundene Unternehmen in § 15, die allgemeinen Mitteilungspflichten in §§ 20 ff. (insbesondere § 20 _____________ 5) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 1; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 98. 6) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 5; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 12; a. A. Hüffer, AktG, § 19 Rz. 2; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 19 Rz. 14 – die auf den Verwaltungssitz abstellen; s. zur Ausdehnung der §§ 19, 328 auf ausländische Kapitalgesellschaften eingehend Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 12 f. 7) Hüffer, AktG, § 19 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 5 ff. 8) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 19 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 6. 9) Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 19 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 6. 10) Hüffer, AktG, § 19 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 5 ff. 11) Hüffer, AktG, § 19 Rz. 3; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 9. 12) Hüffer, AktG, § 19 Rz. 3; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 9. 13) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 10. 14) K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 11; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 98 – mit zusätzlichem Bsp. zur durchgängigen Abhängigkeit bei ringförmiger Beteiligung und dadurch bedingter wechselseitiger Beteiligung i. S. § 19 Abs. 3.
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§ 20
Mitteilungspflichten
Abs. 3 und § 21 Abs. 1) bzw. §§ 21 ff. WpHG, § 160 Abs. 1 Nr. 7 (Angabe der wechselseitigen Beteiligung im Anhang des Jahresabschlusses) sowie insbesondere § 328.15) III.
Einseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung (§ 19 Abs. 2, 4)
Eine wechselseitige Beteiligung i. S. von § 19 Abs. 1 stellt gemäß § 19 Abs. 2 dann eine 10 einseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung dar, wenn eine der wechselseitig beteiligten Kapitalgesellschaften mehrheitlich i. S. von § 16 an der anderen beteiligt ist oder unmittelbar bzw. mittelbar einen beherrschenden Einfluss i. S. von § 17 auf diese ausüben kann. Im Gegensatz zu § 19 Abs. 1 Satz 2 bezieht § 19 Abs. 2 den gesamten § 16 ein. § 19 Abs. 2 stellt klar, dass auch solche wechselseitig beteiligten Kapitalgesellschaften in 11 einem Verhältnis i. S. von § 17 Abs. 1 zueinander stehen und begründet eine über § 17 Abs. 2 hinausgehende unwiderlegliche Vermutung der Abhängigkeit bei Mehrheitsbeteiligung i. R. wechselseitiger Beteiligung.16) Nach § 19 Abs. 4 ist § 328 in diesem Fall nicht anwendbar, so dass sich die Rechtsfolgen ausschließlich an denen für herrschende und abhängige Unternehmen orientieren.17) Es gelten insbesondere die §§ 18 Abs. 1 Satz 3, 20 Abs. 4, 21 Abs. 2 – 4, 22, 71b ff., wodurch die Verwaltungsstimmrechte (siehe hierzu Rz. 2) weitgehend ausgeschlossen werden.18) IV.
Beiderseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung (§ 19 Abs. 3, 4)
Steht nicht nur einer, sondern jeder der wechselseitig beteiligten Kapitalgesellschaften 12 eine Mehrheitsbeteiligung oder die Möglichkeit des beherrschenden Einflusses im Hinblick auf die jeweils andere Kapitalgesellschaft zu, so stellt § 19 Abs. 3 klar, dass § 17 für beide Seiten gleichermaßen gilt, d. h. jede der beiden Gesellschaften herrschendes und zugleich beherrschtes Unternehmen i. S. von § 17 Abs. 1 ist. Im Übrigen gelten die Ausführungen zu Rz. 10 f. _____________ 15) 16) 17) 18)
Hüffer, AktG, § 19 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 12. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 15; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 5. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 19 Rz. 15 f.; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 19 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 19 Rz. 10.
§ 20 Mitteilungspflichten (1) 1Sobald einem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland gehört, hat es dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. 2Für die Feststellung, ob dem Unternehmen mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4. (2) Für die Mitteilungspflicht nach Absatz 1 rechnen zu den Aktien, die dem Unternehmen gehören, auch Aktien, 1. deren Übereignung das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verlangen kann; 2. zu deren Abnahme das Unternehmen, ein von ihm abhängiges Unternehmen oder ein anderer für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens verpflichtet ist.
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§ 20
Mitteilungspflichten
(3) Ist das Unternehmen eine Kapitalgesellschaft, so hat es, sobald ihm ohne Hinzurechnung der Aktien nach Absatz 2 mehr als der vierte Teil der Aktien gehört, auch dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) Sobald dem Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung (§ 16 Abs. 1) gehört, hat es auch dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (5) Besteht die Beteiligung in der nach Absatz 1, 3 oder 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr, so ist dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (6) 1Die Gesellschaft hat das Bestehen einer Beteiligung, die ihr nach Absatz 1 oder 4 mitgeteilt worden ist, unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen; dabei ist das Unternehmen anzugeben, dem die Beteiligung gehört. 2Wird der Gesellschaft mitgeteilt, daß die Beteiligung in der nach Absatz 1 oder 4 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr besteht, so ist auch dies unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (7) 1Rechte aus Aktien, die einem nach Absatz 1 oder 4 mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören, bestehen für die Zeit, für die das Unternehmen die Mitteilungspflicht nicht erfüllt, weder für das Unternehmen noch für ein von ihm abhängiges Unternehmen oder für einen anderen, der für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem abhängigen Unternehmens handelt. 2Dies gilt nicht für Ansprüche nach § 58 Abs. 4 und § 271, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist. (8) Die Absätze 1 bis 7 gelten nicht für Aktien eines Emittenten im Sinne des § 21 Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes. Literatur: Burgard, Inzidente Mitteilungen gemäß § 20 AktG?, WM 2012, 1937; Bürgers/ Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Fatemi, Beteiligungstransparenz und der Verlust von Aktionärsrechten – Überblick über die Mitteilungspflichten nach § 20 AktG, DB 2013, 2195; Hägele, Praxisrelevante Probleme der Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG, NZG 2000, 726; Happ, Zur Nachholung aktienrechtlicher Meldepflichten und damit verbundenen prozessualen Fragen, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 545; Holland/Burg, Mitteilungspflicht nach § 21 AktG beim Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile an einer GmbH?, NZG 2006, 601; Hüffer, Konsortialverträge im Rahmen der Mitteilungspflicht nach § 20 AktG, in Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 747; Irriger/Longrée, Aktienrechtliche Mitteilungspflichten gem. § 20 AktG nach Formwechsel in eine AG, NZG 2013, 1289; Klein/Theusinger, Beteiligungstransparenz ohne Beteiligungsrelevanz, NZG 2009, 250; Kropff, Aktiengesetz 1965; Merkner/Sustmann, Record Date und Rechtsverlust, AG 2013, 243; Nodoushani, Die Transparenz von Beteiligungsverhältnissen, WM 2008, 1671; Paudtke, Zum zeitweiligen Verlust der Rechte eines Aktionärs gem. § 20 VII AktG, NZG 2009, 939; Nietsch, Stimmlosigkeit im Recht fehlerhafter Beschlüsse, WM 2007, 917.
Übersicht I. II. 1. 2. 3.
Bedeutung der Norm ....................... 1 Mitteilungspflichten ........................ 9 Adressaten .......................................... 9 Empfänger ........................................ 13 Rechtsnatur und Ausgestaltung der Mitteilung .................................. 14 III. Fallgruppen ..................................... 20 1. 25 % Beteiligung (§ 20 Abs. 1, 2) ... 20 2. 25 % Beteiligung (§ 20 Abs. 3) ....... 23 3. 50 % Beteiligung (§ 20 Abs. 4) ....... 25 116
4. Schwellenunterschreitung (§ 20 Abs. 5) ..................................... 27 IV. Bekanntmachung (§ 20 Abs. 6) ...... 28 V. Rechtsfolgen des § 20 Abs. 7 .......... 29 1. Rechtsverlust (§ 20 Abs. 7 Satz 1) .... 30 2. Ruhen von Rechten (§ 20 Abs. 7 Satz 2) .......................... 35 3. Dividendenrückstellungen ............... 36 VI. Sonstige Sanktionen ....................... 37
Alexander Franz
§ 20
Mitteilungspflichten I.
Bedeutung der Norm
Sinn und Zweck von § 20 ist es, die Aktionäre und Gläubiger sowie die Öffentlichkeit 1 über geplante und bestehende Konzernverbindungen besser zu unterrichten.1) § 20 verpflichtet Unternehmen, denen eine wesentliche Beteiligung in Aktien an einer 2 Gesellschaft mit Satzungssitz im Inland „gehört“ (§ 20 Abs. 1, 3 und 4) bzw. bei denen eine solche Beteiligung „nicht mehr besteht“ (§ 20 Abs. 5), zu einer entsprechenden Mitteilung gegenüber der Gesellschaft, an der die jeweilige Beteiligung (nicht mehr) besteht. Auf die Art des Erreichens der zur Mitteilungspflicht führenden Schwellenwerte (originär oder derivativ) kommt es nicht an.2) Die zu einer wesentlichen Aktienbeteiligung führenden und somit die Mitteilungspflichten auslösenden Schwellenwerte liegen bei 25 % unter eventueller Hinzurechnung nach § 20 Abs. 2 (Schachtelbeteiligung gemäß § 20 Abs. 1 und ggf. Abs. 2), bei 25 % ohne Hinzurechnung nach § 20 Abs. 2 (Schachtelbeteiligung einer Kapitalgesellschaft gemäß § 20 Abs. 3, bedeutsam für die Feststellung einer wechselseitigen Beteiligung i. S. von § 19) und bei 50 % (Mehrheitsbeteiligung nach § 20 Abs. 4). In jedem dieser drei Fälle ist über § 20 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 (bei 25 % Schachtelbeteiligung) bzw. über § 20 Abs. 4 i. V. m. § 16 (bei 50 % Mehrheitsbeteiligung) eine Zurechnung fremder Aktien zu berücksichtigen.3) Der Unternehmensbegriff in § 20 entspricht demjenigen in § 15 (siehe hierzu auch § 15 3 Rz. 4 ff.).4) Publizitätswirkung erlangt die jeweilige Mitteilung erst durch Bekanntmachung in den 4 Gesellschaftsblättern (§ 20 Abs. 6) sowie durch Ausweisung dieser Bekanntmachung im Anhang des Jahresabschlusses (§ 160 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Nach § 20 Abs. 7 stehen dem mitteilungspflichtigen Unternehmen die mitgliedschaft- 5 lichen Aktionärsrechte für die Zeit der Verletzung dieser Pflichten nicht zu. § 20 ist insbesondere im Zusammenhang mit §§ 15 – 19 zu sehen, deren tatbestandliche 6 Prüfung die Vorschrift erleichtert5) und die gemeinsam mit §§ 20 ff. den allgemeinen Teil des Konzernrechts bilden.6) Ist neben § 20 zugleich der Tatbestand des § 21 erfüllt, so hat § 20 als strengere Norm 7 Vorrang.7) Eine Konkurrenz zu den engmaschigeren Mitteilungspflichten börsennotierter Gesellschaften gemäß §§ 21 ff. WpHG (Schwellenwerte bei 3 %, 5 %, 10 %, 25 %, 50 % und 75 %) ist nach § 20 Abs. 8 ausgeschlossen. Bei wechselseitiger Beteiligung erweitert der sowohl für börsennotierte als auch für nicht börsennotierte Gesellschaften geltende § 328 Abs. 4 die §§ 20, 21 (siehe hierzu auch § 328 Rz. 9).8)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
8)
Begr. zum RegE zu §§ 20, 21 AktG, bei Kropff, AktG, S. 38. Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 20 Rz. 13; Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 7. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 20 Rz. 2. Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Vetter, AktG, § 15 Rz. 7. Hüffer, AktG, § 20 Rz. 1; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, Vor § 20 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 2; für ein Nebeneinander von §§ 20, 21 Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 3; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 20 Rz. 7. Spindler/Stilz-Petersen, AktG, Vor § 20 Rz. 9.
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§ 20
Mitteilungspflichten
8 Rechtspolitisch wird eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 20, insbesondere im Hinblick auf die durch den Unternehmensbegriff sowie die Höhe der Schwellenwerte bedingten Beschränkungen diskutiert.9) II.
Mitteilungspflichten
1.
Adressaten
9 Die Mitteilungspflichten nach § 20 Abs. 1 und 4 (ggf. i. V. m. § 20 Abs. 5) obliegen sämtlichen Rechtsträgern, welche als (Gründungs-)Aktionäre die Unternehmenseigenschaft i. S. von § 15 erfüllen, u. a. in- und ausländischen Unternehmen ebenso wie natürlichen Personen und auch dem Alleinaktionär.10) 10 Da der Unternehmensbegriff in den § 20 Abs. 1, 2 und 4 demjenigen in § 15 entspricht, fallen all diejenigen Aktionäre aus dem Adressatenkreis raus, die neben ihrer Beteiligung an der Gesellschaft keine anderweitige konzernrelevante wirtschaftliche Interessenbindung haben und somit als privilegierte Privataktionäre anzusehen sind (siehe hierzu auch § 15 Rz. 5).11) Auf die Art der das Erreichen des jeweiligen Schwellenwertes bedingenden Rechtshandlung kommt es nicht an, so dass die Gründung der Empfängergesellschaft (auch mittels Formwechsels; originärer Erwerb) ebenso wie spätere Kapitalerhöhungen (originärer Erwerb) und Anteilsabtretungen (derivativer Erwerb) die Mitteilungspflichten auslösen können.12) Wird die Unternehmenseigenschaft erst im Anschluss an das Erreichen eines der Schwellenwerte, z. B. durch Beteiligungserwerb an einer weiteren Gesellschaft, begründet (siehe hierzu § 15 Rz. 6), entsteht eine Mitteilungspflicht nach § 20 auch ohne Veränderung der Beteiligungsstruktur.13) 11 In Anlehnung an § 19 gilt § 20 Abs. 3 nur für Unternehmen in Form von Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Inland (siehe zum Begriff „Sitz im Inland“ § 19 Rz. 5).14) 12 Nimmt ein Dritter die Mitteilungspflicht wahr, muss erkennbar sein, dass dieser in Stellvertretung bzw. Auftrag eines bestimmten mitteilungspflichtigen Unternehmens handelt.15) Anderweitige Kenntniserlangung der die Mitteilungspflicht auslösenden Umstände seitens der Gesellschaft befreit nicht von den Mitteilungspflichten des § 20.16)
_____________ 9) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 4 und K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 4 f., jeweils m. w. N. 10) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 14. 11) BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, NJW 1991, 2765, 2766 f.; Hüffer, AktG, § 20 Rz. 2; Spindler/ Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 4, 13. 12) Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 20 Rz. 13; Bürgers/Körber-Becker, AktG § 20 Rz. 7; zum Fall des Formwechsels: Irriger/Longrée, NZG 2013, 1289 ff. 13) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 13. 14) Hüffer, AktG, § 20 Rz. 5; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 26. 15) BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, NJW 1991, 2765, 2768; Hüffer, AktG, § 20 Rz. 8; K. Schmidt/ Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 15; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 23. 16) BGH, Urt. v. 24.4.2006 – II ZR 30/05, ZIP 2006, 1134 = WM 2006, 1151; BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, NJW 1991, 2765, 2767; LG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2009 – 32 O 65/09, ZIP 2010, 1129, 1131; Hüffer, AktG, § 20 Rz. 5, 8; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 15; Emmerich/HabersackEmmerich, § 20 AktG Rz. 30; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 10; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 68 Rz. 128.
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§ 20
Mitteilungspflichten 2.
Empfänger
Korrekte Empfänger der Mitteilung sind AG, Vor-AG17) sowie KGaA18) und Societas 13 Europaea (SE),19) an denen eine entsprechende Aktienbeteiligung besteht und die ihren Satzungssitz im Inland haben, jeweils empfangsvertreten durch Vorstand bzw. Komplementär (bei KGaA).20) Bei einem Formwechsel in eine solche Gesellschaftsform gemäß §§ 190 ff. UmwG entstehen die Mitteilungspflichten erst im Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister.21) 3.
Rechtsnatur und Ausgestaltung der Mitteilung
Mitteilungen i. S. von § 20 sind als rechtsgeschäftsähnliche Handlungen zu qualifizieren, 14 deren Rechtsfolgen nicht durch den Willen des Handelnden, sondern durch das Gesetz bestimmt werden.22) Der Mitteilungspflicht wird nur genügt, wenn die Mitteilung so eindeutig formuliert ist, 15 dass der Empfänger diese ohne korrigierend eingreifen zu müssen bekannt machen und nach Veröffentlichung gemäß § 20 Abs. 6 auch die Öffentlichkeit unzweifelhaft erkennen kann, welche Art der Beteiligung i. S. von § 20 gemeint ist und wem diese zuzuordnen ist.23) Daher muss aus der Mitteilung (mindestens) zweifelsfrei hervorgehen, ob und von wem die Schwelle einer 25 % Beteiligung gemäß § 20 Abs. 1 (ggf. i. V. m. Abs. 2) oder gemäß § 20 Abs. 3 bzw. diejenige einer 50 % Beteiligung gemäß § 20 Abs. 4 überschritten worden ist.24) Hinzuweisen ist auch darauf, dass ggf. mehrere Mitteilungspflichten gleichzeitig erfüllt werden, z. B. diejenigen nach § 20 Abs. 1 und 3 (denkbar, wenn für § 20 Abs. 1 keine Zurechnung über § 20 Abs. 2 notwendig ist; siehe hierzu auch Rz. 24)25) oder nach § 20 Abs. 1 und 4 (wenn eine Stimmenmehrheitsbeteiligung gemäß § 20 Abs. 4 i. V. m. § 16 Abs. 3 vorliegt, die keine kapitalmäßige Mehrheitsbeteiligung von über 50 % i. S. von § 20 Abs. 4 i. V. m. § 16 Abs. 2, wohl aber eine solche von über 25 % i. S. von § 20 Abs. 1 darstellt; siehe hierzu auch Rz. 26).26) Auch bei einer Schwellenunterschreitung nach § 20 Abs. 5 muss aus der Mitteilung (mindestens) zweifelsfrei die jeweils unterschrittene Fallgruppe hervorgehen, wobei auf die vorangegangene(n) Mitteilung(en) nach § 20 Abs. 1 (ggf. i. V. m. Abs. 2), 3 oder 4 verwiesen werden kann.27) _____________ 17) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 20 Rz. 2; a. A. Windbichler in: GroßKommAktG, § 20 Rz. 19. 18) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 17; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 20 Rz. 2. 19) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 17; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 6. 20) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 17; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 20 Rz. 40. 21) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 17; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 20 Rz. 19; LG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2009 – 32 O 85/09, BeckRS 2010, 13983 und hierzu: Irriger/Langrée, NZG 2013, 1289 ff. 22) OLG München, Beschl. v. 12.4.2012 – 7 U 5101/11, BeckRS 2012, 12690; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 8; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 20 AktG Rz. 30; Burgard, WM 2012, 1937, 1940. 23) BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, NJW 1991, 2765, 2767; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 8; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 24 f.; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 68 Rz. 125. 24) Hüffer, AktG, § 20 Rz. 8; Hölters-Hirschmann, AktG, § 20 Rz. 10; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 20 AktG Rz. 33. 25) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 8; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 27 – eingehend zum Verhältnis von § 20 Abs. 1 und 3; a. A. wohl Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 68 Rz. 126. 26) BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, NJW 1991, 2765, 2767; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 68 Rz. 127. 27) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 8; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 20 Rz. 44, 39.
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§ 20
Mitteilungspflichten
16 Hinweise zur genauen Höhe der Beteiligung oder darauf, ob eine Zurechnung nach § 20 Abs. 2 oder § 16 Abs. 4 erfolgt ist, sind grundsätzlich nicht erforderlich.28) Etwas anderes gilt nur, wenn aufgrund eines Zurechnungstatbestands und mangels Absorption mehrere Unternehmen mitteilungspflichtig sind (siehe hierzu auch Rz. 22).29) 17 Umstritten ist, ob und wenn ja, in welcher Detailtiefe, die Mitteilung einen expliziten Verweis auf die jeweilige Rechtsgrundlage in § 20 enthalten muss. Die überwiegende Auffassung hält eine explizite Inbezugnahme zwar für wünschenswert, lehnt eine entsprechende Rechtspflicht aber grundsätzlich ab.30) Gegen eine solche Pflicht spricht der Wortlaut in § 20 Abs. 1 und 3 bis 5, der lediglich eine „unverzügliche schriftliche Mitteilung“ verlangt. Ein Hinweis auf die Rechtsgrundlage soll ausnahmsweise erforderlich sein, wenn nur so eine zweifelsfreie Zuordnung zu einer bzw. mehreren der Fallgruppen möglich ist.31) Zu berücksichtigen ist jedoch, dass mit dem grundsätzlichen Verzicht auf eine eindeutige Inbezugnahme der die Mitteilungspflicht auslösenden Rechtsgrundlage in § 20 eine kaum hinnehmbare Rechtsunsicherheit verbunden ist. So erkennt die Rechtsprechung teilweise selbst Ausführungen über die entsprechenden Schwellenwerte als Mitteilungen i. S. von § 20 an, die inzident oder „en passent“ in einem an die AG gerichteten Schreiben enthalten sind, obwohl das Schreiben inhaltlich ein völlig anderes Anliegen verfolgt, ein Wille des Absenders zur Erfüllung der Mitteilungspflichten gemäß § 20 nicht erkennbar ist und diesem folglich eher zufällig entsprechen wird.32) 18 Eine derartige Aufweichung der inhaltlichen Anforderungen an Mitteilungen i. S. von § 20 vereitelt dessen Zweck, da die Empfänger mangels eindeutiger Erkennbarkeit ihrer Veröffentlichungspflicht nach § 20 Abs. 7 dieser entweder gar nicht nachkommen oder angesichts der Unsicherheit zukünftig auch etliche fehlerhafte Mitteilungen veröffentlichen werden. Auslegungsfragen im Hinblick auf derartige Mitteilungen müssen aber stets zu Lasten des Erklärenden gehen.33) Aus diesen Gründen ist nach hier vertretener Ansicht die explizite Nennung der jeweiligen Rechtsgrundlage (§ 20 Abs. 1, Abs. 3 und/oder 4) i. S. der Rechtssicherheit als inhaltliche Wirksamkeitsvoraussetzung für eine ordnungsgemäße Mitteilung nach § 20 anzuerkennen. Der Gesetzgeber sollte hier für entsprechende Klarheit sorgen. 19 Die jeweilige Mitteilung hat unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern i. S. von § 121 BGB, und schriftlich i. S. von § 126 BGB oder § 126a BGB zu erfolgen (vgl. § 20 Abs. 1, 3, 4 und 5) und ist auch bereits bei Gründung34) der Gesellschaft und nicht erst bei späterer Anteilsveränderung durchzuführen. _____________ 28) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 9. 29) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 34; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 68 Rz. 126. 30) Hüffer, AktG, § 20 Rz. 8 (grds. nur „zweckmäßig“, bei § 20 Abs. 3 hingegen „erforderlich“); Spindler/ Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 25 („nicht zwingend erforderlich“); Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 125 („zweckmäßigerweise“); Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 20 Rz. 44 („hilfreich“); Hölters-Hirschmann, AktG, § 20 Rz. 10 („die einschlägigen Normen müssen dabei nicht zitiert werden“); Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 21 („es bietet sich an“); a. A. wohl K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 8; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 27, 33. 31) Burgard, WM 2012, 1937, 1939. 32) LG Hamburg, Urt. v. 8.6.1995 – 405 O 203/94, WM 1996, 168, 169 f. (Antrag auf Einberufung der Hauptversammlung gemäß § 122); OLG München, Beschl. v. 6.7.2011 – 7 AktG 1/11, ZIP 2011, 2199, 2201 f. (Squeeze-Out Verlangen nach § 327a); OLG München, Beschl. v. 28.7.2010 – 7 AktG 2/10, WM 2010, 1859, 1860 f. = ZIP 2011, 1147 (Eintragungs- und Auskunftsverlangen nach § 67); dem folgend wohl auch Grigoleit-Rachlitz, AktG, § 20 Rz. 17; a. A. Burgard, WM 2012, 1937. 33) So auch Burgard, WM 2012, 1937, 1941. 34) BGH, Urt. v. 24.4.2006 – II ZR 30/05, NZG 2006, 505, 506; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 13, 17; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 2.
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§ 20
Mitteilungspflichten III.
Fallgruppen
1.
25 % Beteiligung (§ 20 Abs. 1, 2)
Die Meldepflicht nach § 20 Abs. 1 entsteht, sobald einem Unternehmen über 25 % („mehr 20 als der vierte Teil“) der Aktien gehört. Angesichts der Beschränkung des Verweises in § 20 Abs. 1 Satz 2 auf § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ist nur die kapitalmäßige Anteilsinhaberschaft entscheidend für die Berechnung der Beteiligung. Eine von dieser abweichende Stimmrechtsverteilung bleibt unberücksichtigt, so dass z. B. auch Unternehmen, deren Beteiligung von über 25 % ausschließlich in Form stimmrechtsloser Vorzugsaktien besteht, nach § 20 Abs. 1 mitteilungspflichtig sind.35) Im Hinblick auf die genaue Berechnung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 (ggf. i. V. m. Abs. 4) kann auf die entsprechenden Ausführungen zu § 16 verwiesen werden (siehe hierzu § 16 Rz. 3 ff., 17 ff.). Ein Abzug nach § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 findet mangels entsprechenden Verweises in § 20 Abs. 1 nicht statt.36) Zwei spezielle Tatbestände der Zurechnung sieht § 20 Abs. 2 für Situationen vor, in 21 denen dem Unternehmen selbst noch nicht über 25 % der Anteile gehören, aber bereits eine anwartschaftsähnliche Rechtsposition existiert, aufgrund derer das Unternehmen selbst, ein von ihm abhängiges Unternehmen, ein anderer für Rechnung des Unternehmens (siehe zum Begriff „für Rechnung“ unter § 16 Rz. 18) oder ein von diesem abhängigen Unternehmen die Übereignung entsprechender Anteile verlangen kann (§ 20 Abs. 2 Nr. 1) oder zu deren Abnahme verpflichtet ist (§ 20 Abs. 2 Nr. 2). Für § 20 Abs. 2 Nr. 1 genügt der Abschluss eines entsprechenden Kausalgeschäfts (z. B. Kaufvertrag), bei einem unwiderruflichen Angebot oder einer Option (z. B. Call Option) ist § 20 Abs. 2 Nr. 1 nach überwiegender Ansicht analog anwendbar.37) Nicht erfasst werden Positionen, die unter einer Bedingung stehen, deren Eintritt nicht allein von der jeweils betroffenen Person (das Unternehmen bzw. der Dritte) herbeigeführt werden kann.38) Beispiel für § 20 Abs. 2 Nr. 2 ist das unechte Pensionsgeschäft in § 340b Abs. 3 HGB.39) § 20 Abs. 2 dient der Vermeidung einer Umgehung der Meldepflichten und findet auch dann Anwendung, wenn dem Zurechnungsempfänger kein einziger Anteil gehört, d. h. sich die Zuordnung der Anteile allein auf § 20 Abs. 2 stützt.40) Sowohl eine Zurechnung nach § 16 Abs. 4 als auch eine solche nach § 20 Abs. 2 können 22 mangels Absorption der zugerechneten Anteile eine Mitteilungspflicht bei mehreren Unternehmen begründen.41) 2.
25 % Beteiligung (§ 20 Abs. 3)
Da sie der Aufdeckung wechselseitiger Beteiligungen i. S. von §§ 19, 328 dient und 23 solche grundsätzlich nur zwischen Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Inland bestehen können, gilt die Mitteilungspflicht in § 20 Abs. 3 ebenfalls nur für Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Inland (siehe zum Begriff „Sitz im Inland“ § 19 Rz. 5).42) Die Berechnung erfolgt nach § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ohne Hinzurechnung nach § 20 Abs. 2, eine Bekanntmachung nach § 20 Abs. 6 erfolgt nicht (siehe hierzu auch Rz. 28), _____________ 35) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 19; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 7. 36) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 20; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 7. 37) Hüffer, AktG, § 20 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 24; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 11. 38) Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 11; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 11. 39) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 25; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 13. 40) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 10, 14; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 121. 41) Hüffer, AktG, § 20 Rz. 4; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 15 Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 121. 42) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 26.
Alexander Franz
121
§ 20
Mitteilungspflichten
da die Aufdeckung wechselseitiger Beteiligungen nur im Interesse der an einer solchen beteiligten Kapitalgesellschaften, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 328, erfolgt.43) Aus § 328 Abs. 4 resultiert sodann eine gegenseitige Mitteilungspflicht für jegliche Veränderung i. R. der wechselseitigen Beteiligung (siehe hierzu ausführlich § 328 Rz. 9). 24 Sollte neben § 20 Abs. 3 zugleich ein Fall des § 20 Abs. 1 vorliegen, so können beide Mitteilungspflichten in einer entsprechend zu gestaltenden einheitlichen Mitteilung erfüllt werden. Liegt hingegen zwischen der tatbestandlichen Erfüllung des § 20 Abs. 1 und derjenigen des § 20 Abs. 3 eine zeitliche Zäsur, so sind beide Mitteilungspflichten getrennt zu erfüllen.44) Wurde die zeitlich früher entstehende Pflicht versäumt, kann diese allerdings gemeinsam mit der später entstehenden nachgeholt werden. 3.
50 % Beteiligung (§ 20 Abs. 4)
25 Sobald eine Mehrheitsbeteiligung nach § 16 Abs. 1 besteht, ist auch diese der von einer solchen Beteiligung betroffenen Gesellschaft mitzuteilen (vgl. § 20 Abs. 4). Da an eine solche Beteiligung über § 17 Abs. 2 regelmäßig die besonderen konzernrechtlichen Folgen der §§ 311 ff. anknüpfen, erfasst der Verweis in § 20 Abs. 4, anders als derjenige in § 20 Abs. 1, den gesamten § 16 (Kapital- oder Stimmenmehrheit von über 50 %), d. h. auch § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie Abs. 3, eine Hinzurechnung nach § 20 Abs. 2 findet hingegen nicht statt (siehe zur genauen Berechnung § 16 Rz. 3 ff.).45) § 16 Abs. 2 – 4 konkretisieren lediglich die Vorschrift des § 16 Abs. 1 und sind daher von dem Verweis auf § 16 Abs. 1 ebenfalls erfasst.46) 26 Auch eine gleichzeitige Erfüllung der Tatbestände des § 20 Abs. 4 und des § 20 Abs. 1 ist denkbar, wenn z. B. (teilweise) stimmrechtslose Vorzugsaktien oder Mehrstimmrechtsaktien (siehe zur zulässigen Existenz von Mehrstimmrechtsaktien trotz des grundsätzlichen Verbots in § 12 Abs. 2 unter § 12 Rz. 14) existieren und dazu führen, dass im Einzelfall eine kapitalmäßige Beteiligung von über 25 % (aber unter 50 %) und gleichzeitig eine Stimmenmehrheit von über 50 % vorliegt.47) Auch in diesem Fall ist eine entsprechend zu gestaltende einheitliche Mitteilung denkbar. Im Falle einer zeitlichen Zäsur gelten die Ausführungen unter Rz. 24 entsprechend. 4.
Schwellenunterschreitung (§ 20 Abs. 5)
27 § 20 Abs. 5 sieht eine weitere Mitteilungspflicht vor, wenn eine der in den § 20 Abs. 1, 3 oder 4 genannten mitteilungspflichtigen Schwellen unterschritten wird. Die Pflicht gilt grundsätzlich, wenn (eine) vorangegangene Mitteilung(en) nach § 20 Abs. 1 (ggf. i. V. m. Abs. 2), 3 oder 4 vorgenommen wurde(n), wobei auf diese Mitteilung(en) verwiesen werden kann. Sie gilt aber nach umstrittener Ansicht auch dann, wenn die früher entstandene Pflicht nach § 20 Abs. 1 (ggf. i. V. m. Abs. 2), 3 oder 4 nicht erfüllt wurde, da die Öffentlichkeit auch in diesem Fall ein Interesse daran hat, die Entwicklung der Machtverhältnisse in der betroffenen Gesellschaft nachvollziehen zu können, und es rechtspolitisch bedenklich ist, ein vorangegangenes pflichtwidriges Unterlassen im Bereich des § 20 _____________ 43) 44) 45) 46) 47)
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Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 16 f.; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 26, 32. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 27; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 29 Rz. 35. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 29; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 18. Hüffer, AktG, § 20 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 29. BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, NJW 1991, 2765, 2767; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 127.
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§ 20
Mitteilungspflichten
Abs. 5 zu privilegieren.48) Eine Unterschreitung der Beteiligungsschwelle in § 20 Abs. 3 ist nicht gemäß § 20 Abs. 6 bekannt zu machen (siehe hierzu auch Rz. 28).49) IV.
Bekanntmachung (§ 20 Abs. 6)
Die jeweilige Gesellschaft hat das Bestehen einer ihr gemäß § 20 Abs. 1 oder 4 (nicht 28 gemäß § 20 Abs. 3 bzw. Abs. 5 i. V. m. Absatz 3, siehe hierzu auch Rz. 24 bzw. Rz. 27)50) mitgeteilten Beteiligung unverzüglich in den Gesellschaftsblättern (mindestens im elektronischen Bundesanzeiger, vgl. § 25)51) bekannt zu machen, vgl. § 20 Abs. 6. Die Pflicht nach § 20 Abs. 6 entsteht nur im Fall einer ordnungsgemäß erfolgten und der Gesellschaft zuvor schriftlich zugegangenen Mitteilung.52) Die Gesellschaft ist grundsätzlich nicht gehindert bei anderweitiger Kenntniserlangung freiwillig eine entsprechende Veröffentlichung vorzunehmen,53) eine solche kann allerdings nicht dazu führen, dass eine ordnungsgemäß erfolgte Mitteilung fingiert und der Rechtsverlust gemäß § 20 Abs. 7 in Folge dessen beendet wird.54) Inhaltlich fordert § 20 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 seinem Wortlaut nach lediglich die Angabe des von der Beteiligung betroffenen Unternehmens, nicht hingegen konkrete Angaben zu Höhe oder Art und Weise einer eventuellen Zurechnung. In der Literatur wird hingegen teilweise gefordert, dass zusätzlich Angaben über eine eventuelle Zurechnung zu machen sind.55) Dem ist nur insofern zu folgen, als dass auch die zugrunde liegende Mitteilungspflicht entsprechende Angaben umfassen muss (nur bei angesichts der Zurechnung entstehender mehrfacher Beteiligung, siehe hierzu Rz. 16), da an die Bekanntmachungspflicht keine höheren Anforderungen als an die Mitteilungspflicht gestellt werden sollten. V.
Rechtsfolgen des § 20 Abs. 7
Gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 führt ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten aus § 20 29 Abs. 1 oder 4 (nicht hingegen ein Vertoß gegen Absatz 3, 5 oder 6)56) zum Verlust der Rechte aus den Aktien, die dem mitteilungspflichtigen Unternehmen gehören bzw. diesem über § 16 Abs. 4 zugerechnet werden (nicht hingegen aus Aktien, die nach § 20 Abs. 2 hinzugerechnet werden).57) § 20 Abs. 7 enthält folgende drei Aussagen: –
Die aktienrechtlichen Mitgliedschaftsrechte bestehen grundsätzlich für den Zeitraum eines (verschuldensabhängigen) Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 oder 4 nicht (zeitweiliger Rechtsverlust);
_____________ 48) LG München II, Urt. v. 14.8.2006 – 9 O 4357/06, BeckRS 2006, 13195; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 31; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 20; a. A. Hüffer, AktG, § 20 Rz. 7. 49) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 32. 50) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 32. 51) Hüffer, AktG, § 20 Rz. 9. 52) BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, NJW 1991, 2765, 2767; OLG Dresden, Urt. v. 11.1.2005 – 2 U 1728/04; 680, 681; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 29; Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 23. 53) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 29; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 130; a. A. Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 24. 54) So zu Recht Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 24; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 29. 55) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 36; Koppensteiner in: KölnKomm, AktG, § 20 Rz. 43; a. A. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 34. 56) OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.12.2012 – 20 AktG 1/12, BeckRS 2013, 00660; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 34. Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 20 Rz. 28; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 41. 57) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 42.
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§ 20
Mitteilungspflichten
–
hiervon ausgenommen sind Gewinnbeteiligungsrechte gemäß § 58 Abs. 4 sowie Liquidationsbeteiligungsrechte gemäß § 271, die lediglich zeitweilig ruhen, nicht aber verloren sind, es sei denn, der (verschuldensabhängige) Verstoß basiert auf Vorsatz; und
–
dem mitteilungspflichtigen Unternehmen stehen die ihm über § 16 Abs. 4 zuzurechnenden Rechtsträger („… weder für das Unternehmen, noch für ein von ihm abhängiges Unternehmen oder für einen anderen, der für Rechnung des Unternehmens oder eines von diesem anhängigen Unternehmens handelt.“) bzgl. der von § 20 Abs. 7 angeordneten Rechtsfolgen gleich.58)
1.
Rechtsverlust (§ 20 Abs. 7 Satz 1)
30 Im Hinblick auf die mitgliedschaftlichen Rechte ordnet § 20 Abs. 7 Satz 1 grundsätzlich sowohl für die Verwaltungs- als auch für die Vermögensrechte einen endgültigen Rechtsverlust für Gegenwart und Vergangenheit an, der erst im Zeitpunkt der Nachholung der jeweiligen Mitteilungspflicht gemäß § 20 Abs. 1 oder 4 ex nunc endet (zeitweiliger Rechtsverlust).59) Über den Wortlaut des § 20 Abs. 7 Satz 1 hinaus wird als zusätzliches Tatbestandsmerkmal überwiegend vermutetes Verschulden auf Seiten des mitteilungspflichtigen Unternehmens gefordert.60) 31 Zu den Verwaltungsrechten zählen u. a. –
das Stimmrecht,
–
das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung,
–
das Auskunftsrecht,
–
das aktive Wahlrecht zum Aufsichtsrat sowie
–
die verschiedenen Schutzrechte in Form der Klagerechte und der Minderheitenrechte (zur Ausgestaltung dieser Rechte im Einzelnen siehe unter § 11 Rz. 11).
32 Zu den Vermögensrechten zählen insbesondere die jedem Aktionär grundsätzlich anteilig im Verhältnis zu seiner Beteiligung am Grundkapital zustehenden –
Gewinnbeteiligungsrechte,
–
Liquidationsbeteiligungsrechte und
–
Bezugsrechte auf neue Aktien (zur Ausgestaltung dieser Rechte im Einzelnen siehe unter § 11 Rz. 7).
33 Vom Rechtsverlust nicht erfasst sind –
die Mitgliedschaft als solche,
–
das Recht zum Bezug von Aktien bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 212) und
–
das Recht auf Entgelt bei Einziehung von Aktien (§ 237).61)
34 Mit Ausnahme der Gewinnbeteiligungsrechte gemäß § 58 Abs. 4 sowie der Liquidationsbeteiligungsrechte gemäß § 271 gilt der normale Verschuldensmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB, so dass einfache Fahrlässigkeit ausreicht, um die Rechtsfolge eines (zeitweiligen) _____________ 58) Hüffer, AktG, § 20 Rz. 10. 59) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 36. 60) K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 43; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 37; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 74; Hüffer, AktG, § 20 Rz. 11 differenziert zwischen den verschiedenen Rechten und verneint das Erfordernis eines Verschuldens bei den versammlungsbezogenen Verwaltungsrechten auf Teilnahme, Stimmabgabe und Auskunft. 61) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 44; Hüffer, AktG, § 20 Rz. 11, 15 f.
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Mitteilungspflichten der Gesellschaft
§ 21
vergangenheitsbezogenen Rechtsverlusts auszulösen. Hinsichtlich der Rechte aus §§ 58 Abs. 4, 271 fordert § 20 Abs. 7 Satz 2 hierfür hingegen einen vorsätzlichen Verstoß. 2.
Ruhen von Rechten (§ 20 Abs. 7 Satz 2)
Liegt kein Vorsatz, sondern lediglich einfache oder grobe Fahrlässigkeit vor, so sind die 35 Rechte aus §§ 58 Abs. 4, 271 anders zu behandeln als die übrigen Mitgliedschaftsrechte, d. h. sie gehen nicht für die Vergangenheit verloren, sondern ruhen lediglich bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Nachholung der bislang unterlassenen Mitteilung.62) 3.
Dividendenrückstellungen
Bis zur Nachholung der Mitteilung ist der Vorstand gehalten, aus den Dividenden zu- 36 nächst eine entsprechende Rückstellung für säumige Aktionäre zu bilden.63) Diese Rückstellung kann erst dann aufgelöst werden, wenn die Mitteilung ordnungsgemäß nachgeholt wurde und feststeht, ob diese vorsätzlich (und die Rückstellung auf die anderen Aktionäre verteilt werden muss) oder nur fahrlässig (und die Rückstellung an den jeweiligen säumigen Aktionär ausgeschüttet werden muss) versäumt worden ist.64) Im Rahmen der Feststellung ist ggf. ein entsprechendes Gutachten in Auftrag zu geben. VI.
Sonstige Sanktionen
Im Falle der unzulässigen Rechtsausübung trotz eines durch § 20 Abs. 7 angeordneten 37 Rechtsverlusts ist ein Hauptversammlungsbeschluss unter zu Unrecht berücksichtigter Stimmabgabe gemäß § 243 Abs. 1 anfechtbar, zu Unrecht gewährte Dividenden oder ausgeübte Bezugsrechte sind gemäß § 62 zu erstatten bzw. zu kompensieren.65) Gegebenenfalls liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 Abs. 3 Nr. 5 vor; diskutiert wird auch die Frage nach einer gegenüber anderen Aktionären oder Dritten bestehenden Schadensersatzpflicht des Mitteilungspflichtigen.66) Im Falle einer unterlassenen Bekanntmachung gemäß § 20 Abs. 6 kommen Schadens- 38 ersatzansprüche der Aktionäre und Dritter gegenüber der Gesellschaft gemäß § 823 Abs. 2 und solche der Gesellschaft gegenüber ihrem Vorstand gemäß § 93 Abs. 2 in Betracht.67) _____________ 62) 63) 64) 65) 66) 67)
K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 41; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 20 Rz. 52. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 42. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 42. Hüffer, AktG, § 20 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 44. S. hierzu Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 85; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 45. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 20 Rz. 85; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 20 Rz. 47.
§ 21 Mitteilungspflichten der Gesellschaft (1) 1Sobald der Gesellschaft mehr als der vierte Teil der Anteile einer anderen Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland gehört, hat sie dies dem Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, unverzüglich schriftlich mitzuteilen. 2Für die Feststellung, ob der Gesellschaft mehr als der vierte Teil der Anteile gehört, gilt § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 sinngemäß.
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§ 21
Mitteilungspflichten der Gesellschaft
(2) Sobald der Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung (§ 16 Abs. 1) an einem anderen Unternehmen gehört, hat sie dies dem Unternehmen, an dem die Mehrheitsbeteiligung besteht, unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (3) Besteht die Beteiligung in der nach Absatz 1 oder 2 mitteilungspflichtigen Höhe nicht mehr, hat die Gesellschaft dies dem anderen Unternehmen unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (4) 1Rechte aus Anteilen, die einer nach Absatz 1 oder 2 mitteilungspflichtigen Gesellschaft gehören, bestehen nicht für die Zeit, für die sie die Mitteilungspflicht nicht erfüllt. 2§ 20 Abs. 7 Satz 2 gilt entsprechend. (5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Aktien eines Emittenten im Sinne des § 21 Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes. Literatur: Siehe auch die Literaturangaben zu § 20; Grimm/Wenzel, Praxisrelevante Probleme der Mitteilungspflichten nach § 21 AktG, AG 2012, 274; Leitzen, Mitteilungspflichten nach § 21 AktG und die notarielle Praxis im Gesellschaftsrecht, MittBayNot 2012, 183.
Übersicht I. II. 1. 2. I.
Bedeutung der Norm ....................... Fallgruppen ....................................... 25 % Beteiligung (§ 21 Abs. 1) ......... 50 % Beteiligung (§ 21 Abs. 2) .........
1 6 6 8
3. Schwellenunterschreitung (§ 21 Abs. 3) ....................................... 9 III. Rechtsfolgen des § 21 Abs. 4 .......... 10
Bedeutung der Norm
1 Die Norm behandelt den umgekehrten Fall des § 20 und regelt somit Mitteilungspflichten einer Gesellschaft bei wesentlicher Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§ 21 Abs. 1) bzw. an einem Unternehmen (§ 21 Abs. 2).1) Auf das Erreichen der die Mitteilungspflicht auslösenden Schwellenwerte kommt es ebenso wie bei § 20 nicht an (siehe § 20 Rz. 2, 10).2) § 21 steht im sachlichen Zusammenhang mit § 20,3) beide Normen sind ähnlich aufgebaut und verfolgen den gleichen Zweck (Transparenz der Beteiligungsverhältnisse).4) § 21 Abs. 1 (Schachtelbeteiligung von über 25 %) bzw. § 21 Abs. 2 (Mehrheitsbeteiligung von über 50 %) entsprechen § 20 Abs. 3 bzw. 4, ein Pendant zu § 20 Abs. 1, 2 fehlt hingegen in § 21, § 21 Abs. 3 (Schwellenunterschreitung) bzw. § 21 Abs. 4 (Rechtsfolgen) sind mit § 20 Abs. 5 bzw. Abs. 7 vergleichbar.5) 2 Praktisch bedeutsam ist das Fehlen einer Pflicht des Empfängers zur Bekanntmachung der jeweiligen Mitteilung in § 21 (vgl. § 20 Abs. 6). Hieraus ergibt sich eine unterschiedliche Behandlung von wesentlichen Beteiligungen an einer AG, KGaA oder Societas Europaea (SE) (Bekanntmachungspflicht des Mitteilungsempfängers gemäß § 20 Abs. 6) und wesentlichen Beteiligungen dieser Rechtsformen an anderen Kapitalgesellschaften bzw. Unternehmen (keine Bekanntmachungspflicht des Mitteilungsempfängers, da § 20 Abs. 6 nicht anwendbar ist und § 21 eine solche nicht vorsieht).
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
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Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 21 Rz. 1. Leitzen, MittBayNot 2012, 183, 184 ff. Hüffer, AktG, § 21 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 21 Rz. 1. Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 21 Rz. 1.
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Mitteilungspflichten der Gesellschaft
§ 21
Mitteilungspflichtige „Gesellschaft“ und somit Adressat der Pflichten in § 21 Abs. 1 3 und 2 sind neben der AG auch KGaA sowie Societas Europaea (SE) mit Satzungssitz im Inland.6) Die Mitteilungen nach den § 21 Abs. 1 – 3 haben jeweils schriftlich und unverzüglich zu 4 erfolgen (siehe hierzu sowie zur inhaltlichen Ausgestaltung der jeweiligen Mitteilung § 20 Rz. 19 und Rz. 15 ff.). Ist neben § 21 zugleich der Tatbestand des § 20 erfüllt, so hat § 20 als strengere Norm 5 Vorrang (siehe hierzu § 20 Rz. 7). Eine Konkurrenz zu §§ 21 ff. WpHG ist nach § 21 Abs. 5 wiederum ausgeschlossen (siehe hierzu auch § 20 Rz. 7). II.
Fallgruppen
1.
25 % Beteiligung (§ 21 Abs. 1)
Die Meldepflicht nach § 21 Abs. 1 entspricht derjenigen in § 20 Abs. 3 und entsteht, 6 sobald einer Gesellschaft über 25 % („mehr als der vierte Teil“) der Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland gehört. Angesichts der Beschränkung des Verweises in § 21 Abs. 1 Satz 2 auf § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ist ebenso wie bei § 20 Abs. 1, 3 nur die kapitalmäßige Anteilsinhaberschaft entscheidend für die Berechnung der Beteiligung (siehe hierzu auch § 20 Rz. 20). Im Hinblick auf die genaue Berechnung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 (ggf. i. V. m. § 16 Abs. 4) kann auf die entsprechenden Ausführungen zu §§ 16, 20 verwiesen werden (siehe hierzu § 16 Rz. 2 ff. 17 ff., § 20 Rz. 20 ff.). Mitteilungsempfänger i. S. § 21 Abs. 1 sind „Kapitalgesellschaften“ mit Satzungssitz im 7 Inland (AG, KGaA, Societas Europaea (SE), GmbH, Unternehmensgesellschaft (haftungsbeschränkt), und im Falle ihrer Einführung auch die Societas Privata Europaea (SPE)).7) 2.
50 % Beteiligung (§ 21 Abs. 2)
Gemäß des der Regelung in § 20 Abs. 4 entsprechenden § 21 Abs. 2 ist auch eine Mehr- 8 heitsbeteiligung i. S. von § 16 Abs. 1 dem von einer solchen Beteiligung betroffenen „Unternehmen“ mitzuteilen. Hinsichtlich des Empfängerkreises der Mitteilung ist § 21 Abs. 2 weiter gefasst als § 21 Abs. 1 und betrifft unabhängig von der jeweiligen Rechtsform nach h. M. sämtliche Unternehmen mit Satzungssitz im Inland (und somit u. a. auch Personengesellschaften).8) Fraglich ist, ob es sich hierbei zwingend um deutsche Beteiligungsunternehmen handeln muss,9) oder ob auch Mehrheitsbeteiligungen an ausländischen Unternehmen mitteilungspflichtig sind.10) Zwar sprechen gewichtige gesetzessystematische und teleologische Argumente für eine Erstreckung von § 21 Abs. 2 auf ausländische Beteiligungen, allerdings endet die gesellschaftsrechtliche Regelungskompetenz des deutschen Gesetzgebers diesbezüglich auf der Rechtsfolgenseite, mit der Konsequenz, dass § 21 Abs. 4 bei fehlenden Meldungen über ausländische Mehrheitsbeteiligungen _____________ 6) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 21 Rz. 2; Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 21 Rz. 1. 7) Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 21 Rz. 3; Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 21 Rz. 1. 8) Hüffer, AktG, § 21 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 21 Rz. 5; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 21 Rz. 3; Grigoleit-Rachlitz, AktG, § 21 Rz. 2; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 21 AktG Rz. 8; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 144; Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 21 Rz. 3; HöltersHirschmann, AktG, § 21 Rz. 4; ausführlich zu entsprechenden Mitteilungspflichten bei Beteiligung an einer GmbH bzw. an Personengesellschaften: Leitzen, MittBayNot 2012, 183 ff. 9) So die in Fn. 8 genannten Autoren. 10) So Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 21 Rz. 4; Windbichler in: GroßKomm-AktG, § 21 Rz. 9; Kindler, in: MünchKomm-BGB, IntGesR Rz. 804; Henssler/Strohn-Maier-Reimer, GesR, § 21 AktG Rz. 4; Grimm/Wenzel, AG 2012, 274, 283 f.
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§ 22
Nachweis mitgeteilter Beteiligungen
keine Anwendung finden würde.11) Mangels entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten des deutschen Gesetzgebers erscheint nach hier vertretener Ansicht eine Einbeziehung ausländischer Beteiligungen in die Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 2 weder de lege lata noch de lege ferenda sinnvoll.12) Diskutiert wird darüber hinaus, ob der 100 % Anteilserwerb an einer GmbH von der Mitteilungspflicht des § 21 Abs. 2 ausgenommen sein soll.13) 3.
Schwellenunterschreitung (§ 21 Abs. 3)
9 § 21 Abs. 3 ist mit § 20 Abs. 5 vergleichbar und sieht eine weitere Mitteilungspflicht vor, wenn eine der in § 21 Abs. 1 oder 2 genannten mitteilungspflichtigen Schwellen unterschritten wird (siehe hierzu § 20 Rz. 27). III.
Rechtsfolgen des § 21 Abs. 4
10 § 21 Abs. 4 unterscheidet ebenso wie die vergleichbare Vorschrift des § 20 Abs. 7 zwischen dem grundsätzlichen zeitweiligen Rechtsverlust der Mitgliedschaftsrechte (§ 21 Abs. 4 Satz 1) und dem ausnahmsweise nur zeitweiligen Ruhen der Gewinnbeteiligungsrechte gemäß § 58 Abs. 4 sowie der Liquidationsbeteiligungsrechte gemäß § 271 (§ 21 Abs. 4 Satz 2) anhand der Schwere des Verschuldensvorwurfs (Vorsatz oder Fahrlässigkeit, siehe hierzu § 20 Rz. 34 f.). Umstritten ist, ob sich die Rechtsfolge des § 21 Abs. 4 ebenso wie diejenige des § 20 Abs. 7 auch auf die der mitteilungspflichtigen Gesellschaft über § 16 Abs. 4 zuzurechnenden Anteile erstreckt, obwohl eine explizite Klarstellung diesbezüglich in § 21 Abs. 4 fehlt. Zuzustimmen ist der überwiegenden Ansicht, die eine Erstreckung auf diese Anteile befürwortet.14) Es macht keinen Sinn, § 20 und § 21 auf der Rechtsfolgenseite unterschiedlich zu behandeln und der im Vergleich zu § 20 Abs. 7 abweichende Wortlaut lässt sich durchaus systematisch mit dem Fehlen einer dem § 20 Abs. 2 entsprechenden Regelung in § 21 Abs. 4 begründen.15) 11 Zu den weiteren Rechtsfolgen gelten die zu § 20 Abs. 7 gemachten Ausführungen entsprechend (siehe hierzu § 20 Rz. 36 ff.). _____________ 11) So im Ergebnis auch Grimm/Wenzel, AG 2012, 274, 275 ff., 278 f. 12) Ähnlich Emmerich/Habersack-Emmerich, § 21 AktG Rz. 8; a. A. Grimm/Wenzel, AG 2012, 274, 283 f. 13) S. hierzu Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 68 Rz. 144 und Bürgers/Körber-Becker, AktG, § 21 Rz. 2, jeweils m. w. N.; Grimm/Wenzel, AG 2012, 274, 280 ff. 14) Hüffer, AktG, § 21 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 21 Rz. 7; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 21 Rz. 6; Bürgers/Körber-Nolte, AktG, § 21 Rz. 5; a. A. Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 21 Rz. 11. 15) So auch Bayer in: MünchKomm-AktG, § 21 Rz. 6.
§ 22 Nachweis mitgeteilter Beteiligungen Ein Unternehmen, dem eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1, 3 oder 4, § 21 Abs. 1 oder 2 gemacht worden ist, kann jederzeit verlangen, daß ihm das Bestehen der Beteiligung nachgewiesen wird. Literatur: Siehe die Literaturangaben zu §§ 20 und 21.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ....................... 1 128
II. Art und Form des Nachweises ......... 2
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§ 22
Nachweis mitgeteilter Beteiligungen I.
Bedeutung der Norm
Um eine gewisse Rechtssicherheit zu schaffen und im Hinblick auf die Veröffent- 1 lichungspflicht des § 20 Abs. 7, gibt § 22 dem Mitteilungsempfänger i. S. von § 20 Abs. 1, 3 und 4 sowie § 21 Abs. 1 und 2 einen Anspruch, vom jeweils Mitteilungspflichtigen einen Nachweis über das Bestehen der mitgeteilten Beteiligung verlangen zu können.1) Ausgeklammert von § 22 sind mangels Verweis auf §§ 20 Abs. 5, 21 Abs. 3 (Schwellenwertunterschreitung) Ansprüche auf Nachweis, dass eine Beteiligung in mitgeteilter Höhe nicht mehr besteht. Allerdings kann das betroffene Unternehmen „jederzeit“ Nachweis darüber verlangen, dass die Beteiligung besteht, und somit auch abfragen, ob eine entsprechende (und nicht gemäß §§ 20 Abs. 5, 21 Abs. 3 unterschrittene) Beteiligung noch fortbesteht.2) II.
Art und Form des Nachweises
Über Art und Form des Nachweises schweigt das Gesetz. Der Mitteilungspflichtige kann 2 daher jeden Nachweis erbringen, der geeignet ist, zu belegen, dass er die mitgeteilte Beteiligung tatsächlich hält, was ggf. den Nachweis einer Beteiligungszurechnung einschließt.3) Hierzu zählen insbesondere Depotbescheinigungen, Abtretungsvereinbarungen und ggf. (für die Zurechnungsnachweise nach §§ 16 Abs. 4, 20 Abs. 2) Treuhandverträge oder Nachweise über Abhängigkeitsverhältnisse.4)
_____________ 1) 2) 3) 4)
K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 22 Rz. 2; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 22 Rz. 1. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 22 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 22 Rz. 2; Spindler/StilzPetersen, AktG, § 22 Rz. 4. Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 22 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Veil, AktG, § 22 Rz. 3; Spindler/Stilz-Petersen, AktG, § 22 Rz. 5.
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Einführung Thomas Wachter
Übersicht I. Begriff ................................................. 1 IV. Geschichte und Zukunft II. Statistik, Arten und des Aktienrechts .............................. 24 Erscheinungsformen ......................... 3 V. Europäische Entwicklungen .......... 37 III. Rechtsquellen .................................... 9 I.
Begriff
Der Gesetzgeber beschreibt das Wesen der AG als Gesellschaft mit eigener Rechtsper- 1 sönlichkeit, für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet (§ 1 Abs. 1). Die AG gehört somit zu den Kapitalgesellschaften. Ihrer Struktur nach ist die AG eine Körperschaft (zum Steuerrecht siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Die AG ist – unabhängig vom Gegenstand ihres Unternehmens – stets eine Handelsgesellschaft (§ 3 Abs. 1 AktG, § 6 HGB). Die AG hat ein in Aktien zerlegtes Grundkapital (§ 1 Abs. 2). Das Grundkapital muss 2 auf einen Nennbetrag in Euro lauten (§ 6) und mindestens 50.000 € betragen (§ 7). II.
Statistik, Arten und Erscheinungsformen
Derzeit bestehen in Deutschland ca. 18.000 AG, wovon mehr als drei Viertel in den 3 letzten 20 Jahren gegründet worden sind.1) Die Anzahl der AG ist damit zwar stark angestiegen, im Vergleich zu anderen Rechtsformen (siehe etwa die Zahl von über einer Million GmbH) aber immer noch vergleichweise gering. Allerdings verfügen diese AG über ein erhebliches Kapital (allein ein kumuliertes Grundkapital von knapp 200 Mrd. €) und eine enorme Wirtschaftsleistung (sie erwirtschaften fast ein Viertel aller steuerpflichtigen Umsätze in Deutschland). Darüber hinaus bestehen derzeit ca. 80 KGaA und über 150 Europäische AG (SE) mit Sitz in Deutschland.2) Das Aktienrecht unterscheidet seit einigen Jahren zunehmend zwischen börsennotierten 4 und nicht börsennotierten AG (siehe etwa §§ 93 Abs. 6, 110 Abs. 3 Satz 2, 123 Abs. 3 Satz 2, 125 Abs. 1 Satz 3, 130 Abs. 1 Satz 3, 134 Abs. 1 Satz 2, 149 Abs. 1, 161, 171 Abs. 2 Satz 2, 248a, 328 Abs. 3, 404 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1).3) Börsennotiert i. S. des AktG sind Gesellschaften, deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich _____________ 1)
2)
3)
Ausführlich zum Ganzen Bayer, AG-Sonderheft 8/2010, S. 5 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 2 Rz. 1 ff.; Kornblum, GmbHR 2013, 693. – Aktuelle Berichte zu rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten der AG finden sich in der Zeitschrift Die Aktiengesellschaft (AG) (www.dieaktiengesellschaft.de) und im Internet unter www.dai.de (Deutsches Aktieninstitut). Zur SE s. (neben den Großkommentaren zum Aktienrecht) u. a. Austmann in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, §§ 82 ff.; Gössl, Die Satzung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) mit Sitz in Deutschland, 2010; Habersack/Drinhausen, SE-Recht, 2013; Hörtig, Gründungs- und Umstrukturierungsmöglichkeiten bei der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), 2011; van Hulle/Maul/Drinhausen, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), 2007; Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008; Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, 2. Aufl. 2010; Nagel/Freis/Kleinsorge, Beteiligung der Arbeitnehmer im Unternehmen auf der Grundlage der europäischen Rechte, 2. Aufl. 2010; Witten, Minderheitenschutz bei Gründung und Sitzverlegung der Europäischen Aktiengesellschaft, 2011. – Ein Überblick über die deutsche Rspr. zur SE geben Bungert/Gotsche, ZIP 2013, 649. Ausführlich dazu Dauner-Lieb in: KölnKomm-AktG, § 3 Rz. 22 ff.; Heider in: MünchKomm-AktG, § 3 Rz. 37 ff. – Zum Rückzug einer AG von der Börse s. BGH, Beschl. v. 8.10.2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254, dazu EWiR 2014, 3 (Bungert/Wettich). – Ausführlich dazu Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150; Bayer/Hoffmann, AG 2014, R 3 und AG 2013, R 371 (zu Reaktionen des Kapitalmarkts); Kocher/ Widder, NJW 2014, 127; Paschos/Klaaßen, AG 2014, 33; Schockenhoff, ZIP 2013, 2429, Stöber, BB 2014, 9; Wasmann/Glock, DB 2014, 105; Wieneke, NZG 2014, 22.
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Einführung
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anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum zugänglich ist (§ 3 Abs. 2). Damit ist vor allem der regulierte Markt des Börsengesetzes (§§ 32 ff. BörsG), nicht aber auch der Freiverkehr (§ 48 BörsG) gemeint. Jüngsten Schätzungen zufolge dürften von den ca. 18.000 deutschen AG rund 1.000 börsennotiert sein.4) Im Kapitalmarktrecht wird der Begriff der Börsennotierung teilweise abweichend definiert (siehe etwa §§ 2 Abs. 5, 21 Abs. 2 WpHG, §§ 2 Abs. 7, 10 Abs. 1 und 2 Nr. 16 WpÜG). Das Handelsrecht kennt darüber hinaus den Begriff der kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft (siehe §§ 264d, 267 Abs. 3 Satz 2 HGB). Von erheblicher Bedeutung ist in der Praxis die Frage, ob eine AG den Regelungen der Arbeitnehmermitbestimmung unterliegt (geregelt vor allem im Drittelbeteiligungsgesetz, im Mitbestimmungsgesetz und im Montanmitbestimmungsgesetz).5) Tatsächlich unterliegen derzeit wohl rund 700 Unternehmen der paritäischen Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz (regelmäßig mehr als 2.000 Arbeitnehmer) und rund 2.500 Unternehmen der Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer).6) Für Familiengesellschaften bestehen dabei gewisse Ausnahmen (siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG). AG können u. a. nach der Anzahl ihrer Gründer unterschieden werden. Eine AG kann heute unstreitig von einer oder mehreren Personen gegründet werden. Besonderheiten für Einpersonengesellschaften bestehen nur noch in Bezug auf die (europarechtlich vorgeschriebene) Mitteilungspflicht gegenüber dem Handelsregister (§ 42). Dagegen bestehen bei der Kapitalaufbringung heute keine Unterschiede mehr zwischen Ein- und Mehrpersonengesellschaften (siehe § 36 Abs. 2 Satz 2 a. F.). Für Publikumsaktiengesellschaften gelten nur dann rechtliche Besonderheiten, wenn sie börsennotiert (§ 3 Abs. 2) sind. AG können zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden (siehe § 1 GmbHG). Die meisten AG verfolgen erwerbswirtschaftliche Zwecke (z. B. als Träger eines Unternehmens, als Holdinggesellschaft, als Komplementär einer KG oder KGaA). Zulässig sind daneben aber u. a. auch vermögensverwaltende, gemeinnützige (siehe §§ 51 ff. AO)7) oder Stiftungs-AG. Darüber hinaus können AG auch nach der Person der Aktionäre (z. B. Familienaktiengesellschaften,8) AG der öffentlichen Gebietskörperschaften), ihrem Unternehmensgegenstand (z. B. Immobilienaktiengesellschaften, Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, Freiberuflergesellschaften) oder der Größe der Gesellschaft (siehe § 267 HGB) unterschieden werden. III.
Rechtsquellen
9 Maßgebende Rechtsquelle für alle deutschen AG sind zunächst die jeweils geltenden Bestimmungen des AktG. Im Einzelfall können ergänzend die Bestimmungen des Vereinsrechts als Grundregeln aller Körperschaften herangezogen werden (siehe etwa §§ 31, 33 Abs. 1 Satz 2, 35 BGB).9) Als Handelsgesellschaft (§ 3 Abs. 1 AktG, § 6 HGB) gelten für die AG zudem auch die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches. _____________ 4) 5) 6) 7) 8)
9)
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S. Bayer, AG-Sonderheft 8/2010, S. 12 ff. Ausführlich dazu u. a. Raiser/Veil, MitbestG/DrittelBG; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2011. Statistische Informationen dazu bei Bayer, AG-Sonderheft 8/2010, S. 28 ff. und im Internet unter www.boeckler.de (Hans-Böckler-Stiftung). Statistische Informationen dazu bei Bayer, AG-Sonderheft 8/2010, S. 20 ff. Zur Gestaltung einer Familien-AG s. Rothärmel, BB 2012, 716; Wälzholz, DStR 2004, 719 und 819. – Zu kapitalmarktrechtlichen Fragen s. Kocher, BB 2012, 721, zur Corporate Governance Woywede/Keese/ Tänzler, ZGR 2012, 386. S. Heider in: MünchKomm-AktG, § 1 Rz. 15 ff.
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Einführung AG unterliegen darüber hinaus den für ihre jeweilige Tätigkeit maßgebenden gesetzlichen 10 Bestimmungen des Gewerbe-, Berufs- und Aufsichtsrechts10) (neben den allgemeinen Regelungen der Gewerbeordnung etwa auch dem KWG, VAG, REITG, UBGG, UrhWahrnhG, BRAO, StbG, WPO, etc.).11) Die Unternehmensleitung ist verpflichtet, die von ihr verantworteten unternehmerischen Tätigkeiten so zu organisieren und zu überwachen, dass sie mit dem geltenden Recht im Einklang steht (§ 130 OWiG;12) vielfach auch als Compliance bezeichnet).13) Im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise14) hat der Gesetzgeber umfangreiche Maß- 11 nahmen ergiffen15) und dabei u. a. auch in bestehende Strukturen des Aktienrechts eingegriffen. Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG) von Bedeutung. Im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung von Sanierungsmaßnahmen wurden insbesondere für Kapitalmaßnahmen (§§ 7 ff.) und den Ausschluss von Minderheitsaktionären (§ 12 Abs. 416) zahlreiche Sonderregelungen (z. B. Verkürzung von Ladungsfristen, Reduzierung von Mehrheitserfordernissen, Beschränkung der Aktionärsrechte, Beschleunigung der Handelregistereintragung, keine Geltung der Grundsätze der verdeckten Sacheinlage) geschaffen. Das Gesetz gilt allerdings nur für Unternehmen des Finanzsektors (i. S. von § 2 FMStFG), denen zum Zwecke der Stabilisierung des Finanzmarktes Stabilisierungsmaßnahmen gewährt worden sind. AG können nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes umgewandelt werden 12 (insbesondere durch Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel). Am 15.7.2011 ist das Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes in Kraft getreten.17) Das Gesetz _____________ 10) Zu Banken und Versicherungen s. u. a. Apfelbacher/Metzner, AG 2013, 773; Hopt, ZIP 2013, 1793; Leyens/Schmidt, AG 2013, 533. 11) S. dazu Habersack in: MünchKomm-AktG, Einl Rz. 174 ff. – AG besonderer Art. 12) Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen und sonstigen Verbänden, Stand: 9/2013, Volltext unter www.justiz.nrw.de, s. Leipold, NJW-Spezial 2013, 696. 13) Ausführlich dazu u. a. Fissenewert, Compliance für den Mittelstand, 2013; Grützner/Jakob, Compliance from A – Z, 2013; Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010; Hauschka, Formularbuch Compliance, 2013; Inderst/Bannenberg/Poppe, Compliance, 2. Aufl. 2013; Moosmayer, Compliance, 2. Aufl. 2012, Moosmayer, NJW 2012, 3013. – Kritisch zum Ganzen u. a. Schött, JZ 2013, 771. – Zur aktuellen Rspr. Krause/Albien, BB 2013, 2883. 14) Ausfühlich u. a. Becker/Mock, FMStG – Finanzmarktstabilisierungsgesetz, 2009; Hauser, Fast-Track Kapitalerhöhungen in der Krise der Aktiengesellschaft, 2010; Jaletzke/Veranneman, Finanzmarktstabilisierungsgesetz: FMStG, 2009; Krüger, Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und seine Auswirkungen auf Aktionärsrechte: Eine Untersuchung der aktien- und europarechtlichen Auswirkungen einer Rekapitalisierung durch den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), 2011. – Sowie im Internet u. a. unter www.fmsa.de (Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung). 15) Zu erwähnen sind u. a. das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz – FMStG) v. 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1982, das Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz – FMStErgG) v. 7.4.2009, BGBl. I 2009, 725, das Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung v. 17.7.2009, BGBl. I 2009, 1980, und das Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900. – Geändert und ergänzt u. a. durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Zweites Finanzmarktstabilisierungsgesetz – 2. FMStG) v. 24.2.2012, BGBl. I 2012, 206 (s. dazu Brandi/Müller-Eising, BB 2012, 466), und das Dritte Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Drittes Finanzmarktstabilisierungsgesetz – 3. FMStG) v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2777 (s. dazu Brandi/Richters, DB 2012, 2917). 16) S. dazu im Zusammenhang mit der Hypo Real Estate (HRE) zuletzt u. a. LG München I, Beschl. v. 21.6.2013 – 5 HK O 19183/09, ZIP 2013, 1664. 17) BGBl. I 2011, 1338. – Ausführlich dazu u. a. Austmann, NZG 2011, 684; Bungert/Wettich, DB 2011, 1500; Erkens/Lakenberg, Der Konzern 2011, 392; Freytag/Müller-Etienne, BB 2011, 1731; Goslar/Mense, GWR 2011, 275; Göthel, NJW 2011, 2390; Hofmeister, NZG 2012, 688; Kiefner/Brügel, AG 2011, 525; Klie/Wind/ Rödter, DStR 2011, 1668; Leitzen, DNotZ 2011, 526; Mayer, NZG 2012, 561; Neye/Kraft, NZG 2011, 681; Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2011, 527; Schröder/Wirsch, ZGR 2012, 660; Stephanblome, AG 2012, 814.
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Einführung hat zwar keine unmittelbaren Änderungen des AktG zur Folge, enthält aber gleichwohl wichtige Neuregelungen für Umwandlungen unter Beteiligung von AG. Hervorzuheben ist insbesondere die neu geschaffene Möglichkeit, Minderheitsaktionäre im Zusammenhang mit der Verschmelzung einer Tochter-AG auf die Mutter-AG zwangsweise auszuschließen (§ 62 Abs. 5 UmwG). Der Vorteil des neuen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out besteht vor allem darin, dass dieser – im Unterschied zu den Ausschlussverfahren nach dem AktG (§§ 327a ff.) und dem Übernahmerecht (§§ 39a ff. WpÜG) – bereits bei einer Beteiligungshöhe von 90 % (und nicht erst ab 95 %) zur Anwendung kommt.18) In der Praxis hat die Neuregelung eine nicht unerhebliche Bedeutung erlangt. Nachdem der verschmelzungsrechtliche Squeeze-out nur AG offensteht, kann dies im Einzelfall auch ein Grund für den Wechsel in die Rechtsform der AG sein. 13 Außerhalb des AktG sind vor allem im Bereich des Insolvenzrechts Gesetzesänderungen mit Auswirkungen auf die AG erfolgt. Am 1.3.2012 ist das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen in Kraft getreten.19) Das Gesetz hat zwar das AktG nicht unmittelbar geändert, greift aber vor allem mit dem neuen Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO) rechtsformübergereifend nicht unerheblich in die Rechte von Aktionären und Gesellschaftern ein. Nach dem Gesetzeswortlaut kann in einem Insolvenzplan jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist (§ 225a Abs. 3 InsO). Hervorzuheben ist insbesondere die Möglichkeit der Sachkapitalerhöhung durch Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital (debt to equity swap) (§ 225a Abs. 2 InsO). Eine Differenzhaftung wegen einer Überbewertung der Forderung soll dabei ausgeschlossen sein (§ 254a Abs. 4 InsO). Zahlreiche Rechtsfragen an den Schnittstellen zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht sind bislang nicht abschließend geklärt. 14 Das Gesellschaftsrecht ist heute in weitem Umfang durch das Europarecht geprägt.20) Bei der Auslegung des deutschen Aktienrechts sind daher stets auch die europäischen Grundfreiheiten sowie die zugrunde liegenden Bestimmungen der EU-Richtlinien mit zu berücksichtigen. Im Bereich des Gesellschaftsrechts sind dies derzeit vor allem die folgenden Richtlinien:21) –
Erste Richtlinie (Publizitätsrichtlinie): Richtlinie 68/151/EWG vom 9.3.1968, jetzt Richtlinie 2003/58/EG vom 15.7.2003 und Richtlinie 2009/101/EG vom 16.9.2009, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2012/17/EU vom 13.6.2012,22)
_____________ 18) Zur (verfassungsrechtlichen) Zulässigkeit des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out OLG Hamburg, Beschl. v. 14.6.2012 – 11 AktG 1/12, ZIP 2012, 1347 = BB 2012, 2073 mit Anm. Drinhausen. 19) BGBl. I 2011, 2582. – S. dazu (neben den Kommentaren zu §§ 217 ff. InsO) u. a. A. Arnold in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 29 ff.; Decher/Voland, ZIP 2013, 103; Eidenmüller, NJW 2014, 7; Hölzle, ZIP 2013, 1846; Kanzler/Mader, GmbHR 2012, 992; Kleindiek in: FS Hommelhoff, 2012, S. 543 ff.; Korff, ZInsO 2013, 2411; Löbbe in: Liber Amicorum Winter, 2011, S. 423 ff.; Maier-Reimer in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011, 2012, S. 107; MeyerLöwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065; Möhlenkamp, BB 2013, 2628; Müller, H.-F., DB 2014, 41; Prütting, ZIP 2013, 203; Römermann, NJW 2012, 645; Rusch/Brocker, ZIP 2012, 2193; Schäfer, ZIP 2013, 2237; K. Schmidt, ZIP 2012, 2085; Seibt/Westphal, ZIP 2013, 2333; Simon/Merkelbach, NZG 2012, 121; Spliedt, GmbHR 2012, 462; Stöber, ZInsO 2013, 2457; Thole, ZIP 2013, 1937; Wertenbruch, ZIP 2013, 1693; Wiedemann in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1387 ff. 20) Ausführlich zum Ganzen u. a. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011; Habersack in: MünchKomm-AktG, Einl Rz. 104 ff.; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2011; Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, 2006; Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2012. 21) Aktuelle Volltexte (in mehreren Sprachen) samt weiteren Informationen (z. B. zum Stand der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten) finden sich im Internet unter www.ec.europa.eu (bei Binnenmarkt, Gesellschaftsrecht). 22) Zu der geplanten Verknüpfung der Handelsregister der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten s. Kilian, FGPrax 2012, 185; Ries, ZIP 2013, 866.
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Einführung –
Zweite Richtlinie (Kapitalrichtlinie): Richtlinie 77/91/EWG vom 13.12.1976, siehe auch Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 und Richtlinie 2009/109/EG vom 16.9.2009, jetzt neugefasst als Richtlinie 2012/30/EU vom 25.10.2012,
–
Dritte Richtlinie (Fusionsrichtlinie): Richtlinie 78/855/EWG vom 9.10.1978, jetzt Richtlinie 2011/35/EU vom 5.4.2011, Richtlinie 2009/109/EG vom 16.9.2009 und Richtlinie 2007/63/EG vom 13.11.2007,
–
Vierte Richtlinie (Jahresabschlussrichtlinie): Richtlinie 78/660/EWG vom 25.7.1978, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2012/6/EU vom 14.3.2012, jetzt Richtlinie 2013/34/EU vom 12.6.2013,23)
–
Fünfte Richtlinie (Vorschlag für eine Strukturrichtlinie),
–
Sechste Richtlinie (Spaltungsrichtlinie): Richtlinie 82/891/EWG vom 17.12.1982, siehe jetzt auch Richtlinie 2009/109/EG vom 16.9.2009 und Richtlinie 2007/63/EG vom 13.11.2007,
–
Siebte Richtlinie (Richtlinie über den konsolidierten Abschluss): Richtlinie 83/349/EWG vom 13.6.1983, jetzt Richtlinie 2013/34/EU vom 12.6.2013,
–
Achte Richtlinie (Prüferbefähigungsrichtlinie): Richtlinie 84/253/EWG vom 10.4.1984,
–
Neunte Richtlinie (Entwurf einer Konzernrechtsrichtlinie),
–
Zehnte Richtlinie (Entwurf einer internationalen Fusionsrichtlinie),
–
Elfte Richtlinie (Zweigniederlassungsrichtlinie): Richtlinie 89/666/EWG vom 21.12.1989,
–
Zwölfte Richtlinie (Einpersonen-Richtlinie): Richtlinie 89/667/EWG vom 21.12.1989, jetzt: Richtlinie 2009/102/EG vom 16.9.2009,
–
Dreizehnte Richtlinie (Richtlinie über Übernahmeangebote): Richtlinie 2004/25/EG vom 21.4.2004,
–
Vierzehnte Richtlinie (Entwurf einer Sitzverlegungsrichtlinie),
–
Verschmelzungsrichtlinie: Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005, siehe jetzt auch Richtlinie 2009/109/EG vom 16.9.2009,
–
Aktionärsrechterichtlinie: Richtlinie 2007/36/EG vom 11.7.2007.
Börsennotierte AG müssen darüber hinaus stets die zahlreichen Sondervorschriften des 15 Kapitalmarktrechts24) beachten (siehe nur §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 5). Das Kapitalmarktrecht hat sich in den letzten Jahren zu einem eigenständigen Rechtsgebiet von erheblicher _____________ 23) Zur neuen EU-Bilanzrichtlinie s. Velte, GmbHR 2013, 1125. 24) Ausführlich dazu u. a. Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010; Bueck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2011; Fandrich/Karper (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht, 2012; Groß, Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2012; Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Auf. 2014; Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013; Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013; Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2011; Hohnel, Kapitalmarktstrafrecht, 2013; Kämmerer/Veil (Hrsg.), Übernahme- und Kapitalmarktrecht in der Reformdiskussion, 2013; Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011; Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2011; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2011; Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014; Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010; Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2013. – Zu aktuellen Enwicklungen siehe die jährlichen Berichte von Weber, NJW 2014, 272, NJW 2013, 275, NJW 2012, 274 und 2011, 273, sowie (rechtsvergleichend) Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaft- und Kapitalmarktrecht 2012, 2013; Parmentier, EuZW 2014, 50 (zum europ. Kapitalmarktrecht). – Zum Kapitalmarktrecht im Corporate Governance Kodex Bachmann, WM 2013, 2009. – S. a. die zahlreichen Informationen im Internet u. a. unter www.bafin.de (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht).
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Einführung wirtschaftlicher Bedeutung entwickelt. Maßgeblich sind dabei vor allem die Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes25) (WpHG)26), des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes27) (WpÜG)28) sowie das Wertpapierprospektgesetz (WpPG).29) 16 Für Investmentaktiengesellschaften gelten zudem die zwingenden Regelungen des Kapitalanlagegesetzbuchs (§§ 1 ff. KAGB).30) 17 Neben dem Gesetzesrecht kommt dem soft law im Aktienrecht heute eine immer größere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem für den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).31) Der Kodex richtet sich in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften, allerdings wird seine Beachtung auch nicht börsennotierten Gesellschaften empfohlen. 18 Im Jahr 2001 hat die Bundesregierung die Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex einberufen, um Vorschläge zur Verbesserung der Unternehmensführung und -überwachung zu erarbeiten. Ein erster Kodex wurde dann im Jahr 2002 veröffentlicht. Seitdem wird der Kodex in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen überarbeitet und ergänzt. In seiner gegenwärtigen Fassung von Juni 201332) enthält der Kodex über 100 Empfehlungen und Anregungen zur Unternehmensführung. Aufgabe des Kodex ist es, die gel_____________ 25) Ausführlich dazu u. a. Assmann/U. H. Schneider, Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 6. Aufl. 2012; Fuchs, Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2009; Hirte/Möllers, Kölner Kommentar zum Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2011. 26) Zuletzt geändert u. a. durch das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz, AnsFuG) v. 5.4.2011, BGBl. I 2011, 538 ff. – Dazu u. a. Anzinger, WM 2011, 391; Cascante/Bingel, NZG 2011, 1086; Hitzer/ Düchting, ZIP 2011, 1084; Krause, AG 2011, 469; Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697. 27) Ausführlich dazu u. a. Baums/Thoma, WpÜG. Kommentar zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Loseblatt (Stand: 2013); Ehricke/Ekkenga/Oechsler, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl. 2013; Geibel/Süßmann, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz: WpÜG, 2. Aufl. 2008; Haarmann/Schüppen, Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl. 2008; Steinmeyer, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 3. Aufl. 2013. – S. a. die Bestandsaufnahmen und Reformüberlegungen anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Cascante/ Tyrolt, AG 2012, 97; Mülbert/Kiem/Wittig (Hrsg.), 10 Jahre Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2011. 28) S. dazu u. a. den Gesetzesentwurf der SPD zur Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BT-Drucks. 17/3481 v. 27.10.2010. 29) Ausführlich dazu u. a. Arndt/Voß, VerkProspG, Verkaufsprospektgesetz, 2008; Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Wertpapierprospektgesetz, Verkaufsprospektgesetz: WpPG, VerkProspkG, 2. Aufl. 2010; Berrar/Meyer/Müller/Schnorbus/Singhof/Wolf, Frankfurter Kommentar zum WpPG und zur EUProspektVO, 2011; Just/Voß/Ritz/Zeising, Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und EU-Prospektverordnung, WpPG, 2009. 30) Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz – AIFM-UmsG) v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981. – Zum Gesellschaftsrecht des KAGB s. Kort, AG 2013, 582; Zetzsche, AG 2013, 613. 31) S. dazu (neben den Kommentaren und Handbüchern zum DCGK) zuletzt u. a. Bachmann, WM 2013, 2009; Bachmann in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 75 ff.; Bachmann, AG 2011, 181; Bayer, NZG 2013, 1; Böcking/Böhme/Gros, AG 2012, 615; Börsig/Löbbe in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 125 ff.; Bredol/ Schäfer, NZG 2013, 568; Bröcker, Der Konzern 2011, 313; Fleischer, ZGR 2012, 160; Fleischer, ZGR 2011, 155; Gehling, ZIP 2011, 1181; Hartig, BB 2012, 2959; Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173; Hopt in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 563 ff.; Hopt, ZHR 175 (2011), 444 (rechtsvergleichend); Kremer, ZIP 2011, 1177; Krieger, ZGR 2012, 202; Möllers/Fekonja, ZGR 2012, 777; Mülbert/Wilhelm, ZHR 176 (2012), 286; Peltzer, NZG 2012, 368; Peltzer, NZG 2011, 281; Richter, ZHR 177 (2013), 577; Schubert/ Jacobsen, WM 2011, 726; Schwintowski, NZG 2013, 1406; Seibert in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1101 ff.; Seibert in: FS Hommelhoff, 2012, S. 1111 ff.; Spindler, NZG 2011, 1007; Sünner, AG 2012, 265; Sünner in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1225 ff.; Weber/Velte, DB 2012, 1814; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845; Weber-Rey/Reps, ZGR 2013, 597; v. Werder in: FS Hommelhoff, 2012, S. 1299 ff.; v. Werder/ Pissarczyk/Böhme, AG 2011, 492; Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001. – Sowie im Internet u. a. unter www.corporate-governance-code.de (Deutscher Corporate Governance Kodex), www.bccg.tu-berlin.de (Berlin Center of Corporate Governance). 32) Bundesanzeiger v. 10.6.2013, B3.
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Einführung tenden Regelungen zur Leitung und Überwachung von börsennotierten Unternehmen für (nationale und internationale) Investoren transparent zu machen. Dies gilt insbesondere auch für das in Deutschland geltende duale System von Vorstand und Aufsichtsrat, das Kollegialprinzip im Vorstand sowie die Regelungen über die Unternehmensmitbestimmung. Darüber hinaus hat der Kodex auch die Aufgabe, Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung zu setzen und fortzuentwickeln. Der Kodex ist für die Unternehmen rechtlich grundsätzlich nicht verbindlich. Allerdings 19 müssen die Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter deutscher Gesellschaften jährlich erklären, ob und inwieweit sie den Empfehlungen und Anregungen entsprechen (Prinzip des comply or explain, siehe § 161 AktG, § 289a HGB). Im Auftrag der Bundesregierung hat die Regierungskommission Deutscher Corporate 20 Governance Kodex im November 2010 erstmals einen Bericht über ihre bisherige Arbeit erstellt.33) Aus dem Bericht ergibt sich, dass die Empfehlungen und Anregungen des DCGK in der Praxis ganz überwiegend auf große Akzeptanz stoßen. Die Befolgungsquote ist in den letzten Jahren kontinierlich gestiegen und erreicht derzeit ein Niveau von rund 90 %.34) Gleichwohl ist in letzter Zeit zunehmend Kritik am DCGK geübt worden.35) Kritisiert 21 wird dabei u. a., dass der Kodex in den letzten Jahren zu häufig und vor allem ohne Beteiligung der betroffenen Unternehmen geändert worden ist. Zudem entfalte der Kodex über die Erklärungs- und Begründungspflicht faktisch eine gesetzesgleiche Bindungswirkung, so dass von einem Instrument der freiwilligen Selbstregulierung nicht mehr die Rede sein kann. Problematisch sei zudem, dass nach der Rechtsprechung des BGH Beschlüsse über die Entlastung des Vorstands und/oder des Aufsichtsrats anfechtbar sind, wenn die Entsprechenserklärungen unvollständig oder unrichtig waren. Schließlich wird immer wieder beanstandet, dass die Regierungskommission nicht demokratisch legitimiert ist und ihre Entscheidungsprozesse nicht nachvollziehbar sind. Die Bundesregierung hat erklärt, an dem Kodex festhalten zu wollen. Eine Abschaffung 22 ist derzeit nicht zu erwarten und wäre auch nicht wünschenswert. Gleichwohl ist die Kritik nicht folgenlos geblieben. So ist im Jahr 2011 erstmals keine Änderung des Kodex erfolgt. Die geplanten Änderungen des Kodex werden seitdem vorab zur Diskussion gestellt. In den Jahren 2012 (v. a. Ziff. 5.4. zur Zusammensetzung und Unabhängigkeit des Aufsichtsrats)36) und 2013 (v. a. Ziff. 4.2. zur Vorstandsvergütung)37) ist der Kodex wiederum geändert worden. Die Anregung, die Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung, die auf falschen Entsprechenserklärungen beruhen, einzuschränken oder auszuschließen (analog § 120 Abs. 4 Satz 3) hat der Gesetzgeber bislang nicht aufgegriffen. _____________ 33) Bericht der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex an die Bundesregierung, November 2010, Volltext unter www.corporate-governance-code.de. – Dazu Peltzer, NZG 2011, 281. 34) S. dazu die jährlichen Corporate Governance Berichte v. Werder/Bartz, DB 2013, 885; v. Werder/ Bartz, DB 2012, 869, v. Werder/Böhme, DB 2011, 1285 und 1345, sowie Gros/Velte, DStR 2012, 2243 (zum Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats) 35) S. etwa Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173; Krieger, ZGR 2012, 202; Peltzer, NZG 2012, 368; Peltzer, NZG 2011, 281. 36) S. dazu Hecker/Peters, BB 2012, 2639; Klein, AG 2012, 805; Nikoleyczik/Schult, GWR 2012, 289; Ringleb/ Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081; de Raet, AG 2013, 488; Roth, WM 2012, 1985; Stephanblome, ZIP 2013, 1411; Wandt, ZIP 2012, 1443; v. Werder/Bartz, DB 2012, 1733; Wilsing/v. d. Linden, DStR 2012, 1391 sowie die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2012, 335. 37) S. dazu Klein, AG 2013, 733; Peter/Hecker, BB 2013, 2887; Rimmelspacher/Kaspar, DB 2013, 2785; Stoll, NZG 2014, 48; v. Werder/Bartz, DB 2013, 1401; Wilsing/v. d. Linden, DStR 2013, 1291, sowie die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2013, 419.
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Einführung 23 Eine nicht zu unterschätzende Rechtsquelle für das Aktienrecht ist heute auch die Rechtsprechung, allen voran des BVerfG (zu Art. 14 Abs. 1 GG)38) und des Zweiten Zivilsenats des BGH.39) Dies liegt nicht nur an der stark gestiegenen Anzahl wichtiger Grundsatzentscheidungen, sondern vor allen auch daran, dass viele Urteile des BGH heute oftmals grundlegende Ausführungen mit lehrbuchartigem Charakter enthalten. IV.
Geschichte und Zukunft des Aktienrechts
24 Das heute geltende Aktiengesetz (AktG) beruht in weiten Teilen auf der grundlegenden Neukonzeption des Aktienrechts im Jahr 1965.40) Seitdem ist keine umfassende Reform des Aktienrechts mehr erfolgt. Gleichwohl ist alles andere als ein Stillstand zu verzeichnen. Vielmehr wurde das AktG seitdem in über 70 Einzelgesetzen immer wieder punktuell geändert; weitere sind bereits in Vorbereitung. Allein seit Anfang 2000 sind von den heute gut 400 Paragraphen des deutschen Aktienrechts weit mehr als zwei Drittel geändert worden (manche davon sogar mehrfach).41) Wolfgang Zöllner hat daher bereits im Jahr 1994 zutreffend von einer Aktienrechtsreform in Permanenz gesprochen.42) 25 Von den seit dem Jahr 2000 erfolgten Änderungen des AktG sind insbesondere folgende Reformgesetze hervorzuheben:43) –
Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) vom 18.1.2001, BGBl. I 2001, 123,
–
Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681,
–
Gesetz zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens (Spruchverfahrensneuordnungsgesetz) vom 12.6.2003, BGBl. I 2003, 838,
–
Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166,
_____________ 38) S. zuletzt etwa zu den Anforderungen bei Rückzug einer AG von der Börse, BVerfG, Urt. v. 11.7.2012 – 1 BvR 3142/07 (Delisting) und 1 BvR 1569/08 (Downgrading), ZIP 2012, 1402, dazu EWiR 2012, 483 (Schatz), und BGH, Beschl. v. 8.10.2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254. – Ausführlich dazu u. a. Bungert/ Wettich, DB 2012, 2265; Drygala/Staake, ZIP 2013, 905; Goetz, BB 2012, 2767; Habersack, ZHR 176 (2012), 463; Heidel/Lochner, AG 2012, 169; Heldt/Royé, AG 2012, 660; Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645; Klöhn, NZG 2012, 1041; Pachos/Klaaßen, ZIP 2013, 154; Reger/Schilha, NJW 2012, 3066; Schnaittacher/ Westerheide/Stindt, WM 2012, 2225; Thomale, ZGR 2013, 686; Wackerbarth, WM 2012, 2077. – Zur Frage der ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Veräußerung eines Unternehmensteils s. BVerfG, Beschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1460/10, ZIP 2011, 2094, dazu EWiR 2012, 3 (Nietsch). 39) S. dazu etwa die regelmäßigen durch den jeweiligen Vorsitzenden des Zweiten Zivilsenats auf der VGRJahrestagung (www.gesellschaftsrechtlichevereinigung.de) sowie von Goette, DStR 2010, 2579, DStR 2009, 2602, DStR 2008, 2483, DStR 2007, 2264, DStR 2006, 2132, DStR 2005, 561 und 603, Drescher, WM 2013, Sonderbeilage Nr. 3; Strohn, DB 2012, 1137, DB 2012, 1193, DB 2010, 37. – Zur Rspr. im OLGBezirk München s. Schwichtenberg/Krenek, BB 2012, 2127, BB 2010, 1227. – Aus Sicht der Wissenschaft s. Hirte, NJW 2013, 204, NJW 2012, 581, NJW 2011, 656, NJW 2010, 2177; Jäger, NZG 2011, 210, NZG 2010, 570, NZG 2009, 570; Veil/Wildhirth, BB 2012, 1871, BB 2011, 1155, BB 2010, 1035. – Aus Sicht der Beratungspraxis Wicke, DNotZ 2013, 812. 40) Instruktiv zur Geschichte und Zukunft des Aktienrechts sind die Beiträge in dem Sammelband von Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel, 2007. – Ein Überblick über die Geschichte des Aktienrechts findet sich u. a. bei Habersack in: MünchKomm-AktG, Einl. Rz. 12 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 1 Rz. 1 ff.; Bürgers/Körber-Körber, Einl. Rz. 1 ff.; K. Schmidt/Lutter-K. Schmidt, Einl. Rz. 3 ff. 41) Kritisch zu den zahlreichen Änderungen des Aktienrechts (und deren mangelhafter Qualität) etwa Hoffmann-Becking/Breyer in: FS Goette, 2011, S. 161 ff. 42) Zöllner, Aktienrechtsreform in Permanenz, AG 1994, 336. 43) Eine detaillierte Übersicht über alle Änderungen seit 1965 findet sich bei Habersack in: MünchKommAktG, Einl. Rz. 33 ff.
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Einführung –
Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004, BGBl. I 2004, 3214,
–
Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz – BilKoG) vom 15.12.2004, BGBl. I 2004, 3408,
–
Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802,
–
Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006, BGBl. I 2006, 2553,
–
Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.4.2007, BGBl. I 2007, 542,
–
Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666,
–
Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026,
–
Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom 17.12.2008, BGBl. I 2008, 2586,
–
Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes – BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102,
–
Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 30.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2479,
–
Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509,
–
Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) vom 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900,44)
–
Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben (Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz – MicoBilG) vom 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2751,45)
–
Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz – AIFM-UmsG) vom 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981.
Weitere Änderungen des Aktienrechts sind bereits geplant. Im November 2010 hat das BMJ 26 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2011) vorgelegt.46) Dieser sah verschiedene punktuelle Änderungen des Aktienrechts vor, ohne dass diese inhaltlich miteinander verbunden waren. _____________ 44) Zu der Verlängerung der Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche von börsennotierten AG gegen Vorstandsmitglieder von fünf auf zehn Jahre (§ 93 Abs. 6) s. u. a. Baums, ZHR 174 (2010), 593; Harbarth/ Jaspers, NZG 2011, 368; Redeke, BB 2010, 910; Wahlers/Wolff, AG 2011, 605. 45) S. dazu Fey/Deubert/Lewe/Roland, BB 2013, 107; Kuntze-Kaufhold, GmbHR 2013, 57; Küting/Eichenlaub, DStR 2012, 2615; Meyer, DStR 2013, 930; Müller/Kreipel, DB 2013, 73; Oser, DB 2012, 2647; Schellhorn, DB 2012, 2296; Schiffers, GmbH-StB 2013, 46; Theile, DB 2013, 469; Zwirner, BB 2012, 2231. 46) RefE des BMJ (Stand: November 2011), Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2011), Volltext unter www.bundesjustizministerium.de.
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Einführung 27 Gegenstand des RefE waren u. a.: Namensaktien für nicht börsennotierte AG: Nicht börsennotierte AG sollten künftig nur noch Namensaktien (und keine Inhaberaktien mehr) ausgeben können. Bereits ausgegebene Inhaberaktien sollten in Namensaktien umgewandelt werden. Inhaberaktien könnten nur noch von börsennotierten Gesellschaften ausgegeben werden. – Vorzugaktien ohne Nachzahlungsanspruch: Bisher stimmrechtslose Vorzugsaktien sollten zwingend mit einem Nachzahlungsanspruch verbunden werden. Ein Nachzahlungsanspruch sollte nur noch dann bestehen, wenn die Satzung dies vorsieht. – Einführung umgekehrter Wandelschuldverschreibungen: AG sollten auch umgekehrte Wandelschuldverschreibungen ausgeben können. Dies sind Schuldverschreibungen, bei denen das Wandlungsrecht der Gesellschaft zusteht. – Relative Befristung von Nichtigkeitsklagen: Als weitere Maßnahme gegen missbräuchliche Aktionärsklagen war eine relative Befristung von Nichtigkeitsklagen vorgesehen. Ist die Erhebung einer Klage gegen einen Beschluss der Hauptversammlung bekannt gemacht, kann ein Aktionär gegen diesen Beschluss nur noch innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung Nichtigkeitsklage erheben. Damit sollte verhindert werden, dass ein Aktionär nach Abschluss eines Freigabeverfahrens noch eine (derzeit unbefristet mögliche) Nichtigkeitsklage nachschiebt und auf diese Weise ein weiteres Freigabeverfahren erzwingt. – Erhöhte Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen bei Beteiligung von Gebietskörperschaften: Nicht börsennotierte AG, an denen eine Gebietskörperschaft beteiligt ist, sollten in der Satzung die Mitglieder des Aufsichtsrats von ihrer Verpflichtung zur Verschwiegenheit befreien und die Öffentlichkeit von Sitzungen vorsehen können. 28 Der RefE ist im Schrifftum ausführlich erörtert worden.47) Die betroffenen Verbände haben zu dem Entwurf umfassend Stellung geommen.48) Im Dezember 2011 hat die Bundesregierung sodann einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des AktG (Aktienrechtsnovelle 2012) vorgelegt.49) Der RegE beruht im Wesentlichen auf dem RefE für das urspünglich noch als Aktienrechsnovelle 2011 bezeichnete Gesetzgebungsvorhaben. Änderungen gab es u. a. bei der Frage, ob nicht börsennotierte AG Inhaberaktien ausgeben können oder (wie dies im RefE vorgesehen war) generell auf Namensaktien festgelegt sind, und der Tätigkeit der Aufsichtsräte von kommunalen Unternehmen. –
29 Das weitere Gesetzgebungsverfahren hat sich dann allerdings (unerwartet) verzögert. Dies lag nicht an den geplanten Änderungen des Aktienrechts. Vielmehr wollten einzelne Mitglieder des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages die Aktienrechtsnovelle 2012 noch um (weitreichende) Änderungen des Umwandlungsgesetzes ergänzen (u. a. Änderung von § 14 Abs. 2 UmwG: bei Bewertungsstreitigkeiten Verweisung von Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers auf das Spruchverfahren und Ausschluss der Anfechtungsklage, Änderung von § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwG: Gewährung von Ausgleichszahlungen bei zu niedriger Bewertung nicht durch bare Zuzahlung, sondern durch Ge_____________ 47) S. etwa Bayer, NJW 2011, Heft 8, Editorial; Bormann, NZG 2011, 926; Bungert/Wettich, ZIP 2011, 160; Dieckmann/Nolting, NZG 2011, 6; Drinhausen/Keinath, BB 2011, 11; Drygala, WM 2011, 1637; Drygala, ZIP 2011, 798; Habersack, BB 2011, Heft 3, I; Merkner/Schmidt-Bendun, Corporate Finance law 1/2011, 4; Müller-Eising, GWR 2010, 591; Nikoleyczik, GWR 2010, 594; Noack, DB 2010, 2657; U. H. Schneider/ Müller-von Pilchau, WM 2011, 16; Seibert, DB 2010, Heft 46, M1; Spindler, ZIP 2011, 689. 48) S. bspw. Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2011, 217. 49) BT-Drucks. 17/8989 v. 14.3.2012, und BR-Drucks. 852/11 v. 30.12.2011. – Ausführlich dazu u. a. Bayer, AG 2012, 141; Bungert/Wettich, ZIP 2012, 297; Götze/M. Arnold/Carl, NZG 2012, 321; Merkner/ Schmidt-Bendun, DB 2012, 98; Müller-Eising, GWR 2012, 77; Schüppen/Tretter, Wpg. 2012, 338; Seibert/ Böttcher, ZIP 2012, 12; Ziemons, BB 2012, 523; Ziemons, NZG 2012, 212, und die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2012, 380.
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Einführung währung von Anteilen, sowie Änderung von §§ 125, 135 UmwG: Beseitigung des Zustimmungserfordernisses der Gesellschafterversammlung bei Bagatell-Ausgliederungen).50) Diese Änderungsvorschläge fanden allerdings keine Mehrheit. In den Mittelpunkt der weiteren Reformdebatte ist sodann aber ein anderes Thema, näm- 30 lich die umstrittene Frage der Vergütung der Mitglieder des Vorstands einer AG gerückt (v. a. Änderung von § 120 Abs. 4 AktG). Nach kontroversen Diskussionen51) hat der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Aktienrechts in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung52) am 27.6.2013 schließlich beschlossen. Die Aktienrechtsnovelle wurde nunmehr als Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften (VorstKoG) bezeichnet.53) Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 20.9.2013 allerdings den Vermittlungsausschuss angerufen.54) Aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Endes der Legislaturperiode tagte dieser jedoch nicht mehr, so dass das Gesetz der Diskontinuität zum Opfer gefallen ist und somit nicht mehr in Kraft treten konnte. Es ist allerdings zu erwarten, dass die geplanten Änderungen des Aktienrechts demnächst erneut aufgegriffen werden.55) Mit einem Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle ist derzeit nicht vor Anfang 2015 zu rechnen. Weitere Änderungen des Aktienrechts sind bereits absehbar. In der aktuellen, (rechts-)poli- 31 tischen Diskussion geht es vor allem um die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung von Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen in Unternehmen.56) Zahlreiche Studien belegen, dass Frauen sowohl im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung als auch im Verhältnis zur Gesamtzahl der Arbeitnehmer in den Führungspositionen deutscher Unternehmen deutlich unterrepräsentiert sind. Jüngsten Schätzungen zufolge beträgt der Anteil der Frauen in den Vorständen unter 10 % und in den Aufsichtsräten unter 20 % (wobei ca. 75 % auf die Vertreter der Arbeitnehmerseite entfallen sollen) – allerdings mit stark steigender Tendenz. Der DCGK hat das Thema bereits aufgegriffen und empfiehlt, sowohl bei der Zusam- 32 mensetzung des Vorstands (Ziff. 5.1.2) als auch des Aufsichtsrats (Ziff. 5.4.1) eine angemessene Berücksichtigung von Frauen anzustreben. _____________ 50) S. dazu Dreier/Riedel, BB 2013, 326. 51) S. nur die Stellungnahmen der Sachverständigen zu der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zur Begrenzung von Managergehältern v. 5.6.2013 (Volltexte unter www.bundestag.de) und die (abgelehnten) Änderungsanträge der Opposition (u. a. zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Gehaltszahlungen), u. a. BT-Drucks. 17/14236 v. 26.6.2013, BT-Drucks. 17/14237 v. 26.6.2013, BT-Drucks. 17/ 14238 v. 26.6.2013, BT-Drucks. 17/13472 v. 14.5.2013 und BT-Drucks. 17/13239 v. 24.4.2013. Angenommen wurde lediglich ein Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen zur Offenlegung des Stimmverhaltens institutioneller Anleger im Hinblick auf das Vergütungssystem, BT-Drucks. 17/14239 v. 26.6.2013. 52) BT-Drucks. 17/14214 v. 25.6.2013. 53) Ausführlich dazu u. a. Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2013, 335; Löbbe/Fischbach, WM 2013, 1625; Seibert, Board 2013, 139; Velte, EuZW 2013, 893; Verse, NZG 2013, 921; Wagner, BB 2013, 1731; Ziemons, GWR 2013, 283, und die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2013, 694. 54) BR-Drucks. 637/13 (Beschl.) v. 20.9.2013, und BT-Drucks. 17/14790 v. 24.9.2013. 55) Zu möglichen Gesetzgebungsprojekten im Gesellschaft- und Unternehmensrecht für die 18. Legislaturperiode s. Hommelhoff, ZIP 2013, 2177. 56) Ausführlich dazu u. a. Bachmann, ZIP 2011, 1131; Bayer, NZG 2013, 1, 7 ff.; Brandt/Thiele AG 2011, 580; Francois-Poncet/Deilmann/Otte, NZG 2011, 450; Henssler/Seidensticker, KSzW 01.2012, 10; Hirte, Der Konzern 2013, 367; Hirte, Der Konzern 2011, 519, Kaminski, NZG 2013, 538; Kempter/Koch, BB 2012, 3009; Kraft/Redenius-Hövermann, AG 2012, 28; Koch, ZIP 2012, 1695; Ossenbühl, NJW 2012, 417; Papier/ Heidebach, ZGR 2011, 305; Reding, ZRP 2011, 127; Schubert/Jacobsen, WM 2011, 726; Spindler/ Brandt, NZG 2011, 401; Velte, Der Konzern 2012, 1; Weber-Rey, ZRP 2011, 127; Weber-Rey/Handt, NZG 2011, 1. – Sowie im Internet u. a. unter www.bmfsfj.de (Bundesfamilienministerium), www.fidar.de (Frauen in die Aufsichtsräte e. V.), www.genderdiversitystatement.de (Gender Diversity Statement).
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Einführung 33 Darüber hinaus liegen zwischenzeitlich sowohl auf nationaler57) als auch auf europäischer58) Ebene mehrere konkrete Gesetzesentwürfe vor, die eine stärkere Berücksichtigung von Frauen bei der Besetzung von Aufsichtsräten (teilweise auch von Vorständen) von börsennotierten (bzw. der Mitbestimmung unterliegenden) Unternehmen vorsehen. Im Falle einer gesetzlichen Regelung wird es neben der Höhe einer etwaigen (festen oder flexiblen) Quote (vorgeschlagen werden 40 % bzw. 30 %) vor allem darauf ankommen, bis wann diese erreicht sein muss (u. U. verbunden mit einer Stufenregelung) und welche Sanktionen bei Verstoß gegen die Quote vorgesehen sind (z. B. Nichtigkeit der Wahlen zum Aufsichtsrat, Pflicht zur Publizität, Vergabesperre). Interessant dürfte auch sein, ob und inwieweit Ausnahmen für einzelne Unternehmen (z. B. Familienunternehmen, Holdinggesellschaften, Unternehmen ausländischer Rechtsform) vorgesehen werden. 34 Neben dem Thema Frauenquote spielen Fragen der Diversity heute allgemein eine erhebliche Rolle.59) Bei der Internationalität der Führungskräfte haben die deutschen Unternehmen in den letzten Jahren erheblich aufgeholt.60) So sind rund 30 % der Vorstandsmitglieder aller DAX Unternehmen Ausländer. Fast zwei Drittel aller DAX Unternehmen haben zumindest einen Ausländer in ihrem Vorstand. Die berufliche Vielfalt (siehe § 100 Abs. 5, wonach ein Mitglied des Aufsichsrats über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen muss) wird in den meisten Fällen ausreichend berücksichtigt. Gesetzliche Regelungen zur Diversity sind (abgesehen von der Frauenquote) derzeit nicht vorgesehen. Das allgemeine Diskrimierungsverbot (u. a. §§ 1 ff. AGG) ist auch bei der Bestellung von Organmitgliedern zu beachten.61) 35 Weitere Änderungen des Aktienrechts werden immer wieder diskutiert,62) ohne dass derzeit konkrete Gesetzgebungsvorhaben absehbar sind. Themen der Reformdiskussion _____________ 57) Gesetzesentwurf der Fraktion der SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen (ChGlFöG), BT-Drucks. 17/8878 v. 6.3.2012; Gesetzesentwurf der Franktion Bündnis 90/Die Grünen, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG), BT-Drucks. 17/11139 v. 23.10.2012; Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Entwurf eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten, BT-Drucks. 17/3296 v. 13.10.2010; Gesetzesentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG), BT-Drucks. 17/11270 v. 31.10.2012; Gesetzesantrag der Freien und Hansestadt Hamburg, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien (GlTeilhG), BR-Drucks. 330/12 v. 29.5.2012; Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen, Entwurf eines Gesetzes zur Föderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen (FöGAbUG), BR-Drucks. 87/11 v. 11.2.2011. – S. a. die verschiedenen parlamentarischen Anträge zu diesem Thema, u. a. BT-Drucks. 17/797 v. 24.2.2010 (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), BT-Drucks. 17/4683 v. 9.2.2011 (Antrag der Fraktion der SPD), BT-Drucks. 17/ 4842 (Antrag der Fraktion Die Linke), BT-Drucks. 17/13094 (Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen). – Der Deutsche Bundestag hat die Gesetzesentwürfe am 18.4.2013 abgelehnt, ebenso bereits zuvor die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/12784 v. 15.3.2013. 58) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/ Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängenden Maßnahmen, KOM (2012) 614 endg. v. 14.11.2012, und BR-Drucks. 722/12 (Beschl.) v 12.12.2012. – Ausführlich dazu Jung, BB 2013, 387; Stöbener, EuZW 2013, 371. 59) Statistische Informationen zum Thema Diversity bei v. Werder/Böhme, DB 2011, 1345, 1349 ff. 60) Zur Internationalisierung des Aufsichtsrats s. Wasse, AG 2011, 685. 61) Zur Anwendung des AGG auf die Bestellung und Anstellung eines GmbH-Geschäftsführers s. BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, ZIP 2012, 1291 mit Anm. Paefgen. Ausführlich dazu Bauer/Arnold, NZG 2012, 921; Hoefs/Rentsch, DB 2012, 2733; Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989; Kort, NZG 2013, 601; Kort, WM 2013, 1049; Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26; Stenslik/ Zahn, DStR 2012, 1865; Wilsing/Meyer, NJW 2012, 3211. 62) S. etwa die Beschlüsse der Abteilung des Wirtschaftsrecht des 69. Deutschen Juristentages in München, ZIP 2012, 1987 auf der Grundlage des Gutachtens von Habersack (Kurzfassung in NJW 2012, Beilage zu Heft 28/2012, 94). Dazu u. a. Bachmann, AG 2012, 565; Bayer, NZG 2013, 1; Hopt, NZG 2012, 619; Möllers/Hailer, JZ 2012, 841; Roth, NZG 2012, 881; Rubner, NJW-Spezial 2012, 655; J. Vetter, JZ 2013, 404; Windbichler, NJW 2012, 2625.
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Einführung sind u. a. die Vergütung des Vorstands,63) die Arbeit des Aufsichtsrats64) (u. a. Wechsel von ehemaligen Mitgliedern des Vorstands in den Aufsichtsrat,65) Größe des Aufsichtsrats, Zahl der zulässigen Aufsichtsratsmandate, persönliche und fachliche Qualifikation von Mitgliedern des Aufsichtsrats sowie deren Fortbildung, Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats,66) Beratungsverträge mit Mitgliedern des Aufsichtsrats,67) Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrats68), Haftung von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats,69) Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung,70) Fragen der Abschlussprüfung71) sowie das gesamte Konzernrecht (auch im Zusammenhang mit steuerrechtlichen Fragen der Organschaft). Diskutiert wird zunehmend auch über Fragen der Corporate
_____________ 63) S. dazu (neben der Diskussion um die Änderung von § 120 Abs. 4 AktG, dazu Rz. 30) die Anträge im Deutschen Bundestag zur Begrenzung von Managergehältern, BT-Drucks. 17/13239 v. 29.4.2013 und BT-Drucks. 17/13472 v. 14.5.2013, sowie im Schrifttum u. a. Bayer, NJW 2013, Heft 18, Editorial; Bayer/ Meier-Wehrsdorfer, AG 2013, 477; Böcking/Wallek/Weßels, Der Konzern 2011, 269; Brandes, ZIP 2013, 1107; Drygala, ZRP 2012, 161; Röttgen/Kluge, NJW 2013, 900. – Zur Rechtslage im Ausland siehe etwa Drenckhan, RIW 2013, 356 (zur Abzockerinitiative in der Schweiz), und Siefer, NZG 2013, 691 (zum Dodd-Frank Act in den USA). 64) Sehr lesenswert zum Ganzen der Erfahrungsbericht von J. Semler, NZG 2013, 771 aus über vierzigjähriger Aufsichtsratstätigkeit. – Zu aktuellen Entwicklungen im Recht des Aufsichtsrats s. die regelmäßigen Darstellungen von Knapp (zuletzt DStR 2013, 865 und DStR 2012, 364) und Werner (zuletzt Der Konzern 2013, 315 und Der Konzern 2012, 153) sowie die Beiträge in den Zeitschriften Der Aufsichtsrat (www.aufsichtsrat.de) und Board (www.adar.info). – Allgemein zur Professionalisierung der Tätigkeit des Aufsichtsrats Ehren/Gros, Der Konzern 2011, 277; Langenbucher, ZGR 2012, 314; Lutter in: Allmendinger/Dorn/Lang/Lumpp/Steffek (Hrsg.), Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, 2011, S. 139 ff.; Merkelbach, Der Konzern 2013, 227; Roth, ZGR 2012, 343; Weber-Rey, NZG 2013, 766. – Grundlegend zum Ganzen Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR. 65) S. dazu die Kommentierung zu § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 sowie Bungert/Wansleben, DB 2012, 2617; Löbbe/Fischbach, AG 2012, 580; Velte, WM 2012, 537. 66) S. dazu insbesondere die Kommentierung zu § 100 Abs. 5 AktG, zu Ziff. 5.4. DCGK sowie Dieckmann/ Fleischmann, AG 2013, 141; Florstedt, ZIP 2013, 337; Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643; Hommelhoff, ZIP 2013, 1645; Hommelhoff, ZIP 2013, 953; Ihrig/Meder, ZIP 2012, 1210; Jung, WM 2013, 2110; Kremer/ v. Werder, AG 2013, 340; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361; Rubner/Fischer, NJW-Spezial 2012, 399; Scholderer, NZG 2012, 168; Stephanblome, NZG 2013, 445; Stephanblome, ZIP 2ß13, 1411; Wilsing/ v. d. Linden, DStR 2012, 1391. 67) S. dazu BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), ZIP 2012, 1807, dazu EWiR 2012, 647 (Hoffmann-Theinert); OLG Köln, Urt. v. 31.1.2013 – 18 U 21/12 (Solarworld), ZIP 2013, 516, dazu EWiR 2013, 163 (Frhr. v. Falkenhausen). Ausführlich zum Ganzen u. a. Cahn, Der Konzern 2012, 501; Ihrig, ZGR 2013, 417; Kanzler, AG 2013, 554; Pietzke, BB 2012, 658; Quinke, DStR 2012, 2020; Spindler, NZG 2012, 1161; Ullrich, GmbHR 2012, 1153. 68) S. dazu u. a. Freidank/Sassen, BB 2013, 1195; Theisen/Probst, DB 2013, 1553. 69) S. dazu insbesondere die Kommentierung zu §§ 93, 116 AktG, sowie aus dem aktuellen Schrifttum u. a. Bachmann, ZHR 177 (2013), 1; Bachmann, ZIP 2013, 1946 (rechtsvergleichend); Bicker, AG 2014, 8; Buck-Heeb, BB 2013, 2247; Cahn, WM 2013, 1293; Eichner/Höller, AG 2011, 885; Freidank/ Dürr/Sassen, BB 2013, 2283; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281; Gärtner, BB 2013, 2241 und BB 2012, 1745 (Rechtsprechungsübersicht); Goette, ZHR 176 (2012), 588; Grunewald, AG 2013, 813 und NZG 2013, 841; Habersack, AG 2014, 1 und ZHR 177 (2013), 782; Hoffmann, NJW 2012, 1393; Hopt, ZIP 2013, 1793; Krieger, ZGR 2012, 496; Loritz/Wagner, DStR 2012, 2189 und 2205; Reichert, ZHR 177 (2013), 756; Spindler, BB 2013, Heft 38, Editorial; Strenger, Der Konzern 2013, 429. – Speziell zu den Folgen der Entscheidung des BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09 (ISION), ZIP 2011, 2097, dazu EWiR 2011, 793 (E. Vetter). Ausführlich dazu Altmeppen in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1 ff.; Binder, ZGR 2012, 757; Junker/Biederbick, AG 2012, 898; Kiefner/Krämer, AG 2012, 498; Klöhn, DB 2013, 1535; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525; H.-F. Müller, NZG 2012, 981; Sander/Schneider, ZGR 2013, 725; Selter, AG 2012, 11; Wagner, BB 2012, 651. 70) Zu einer möglichen Reform des Beschlussmängelrechts s. u. a. Baums/Drinhausen/Keinath, ZIP 2011, 2329; Bayer in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 91 ff.; Bayer/Fiebelkorn, ZIP 2012, 2181; Bayer/ Hoffmann, ZIP 2013, 1193; Bayer/Hoffmann/Sawada, ZIP 2012, 897; Fleischer, ZIP 2014, 149 und AG 2012, 765 (rechtsvergleichend); Keinath, ZIP 2013, 1205. – Zu fehlerhaften Beschlüssen des Aufsichtsrats s. Fleischer, DB 2013, 160 und 217. 71) S. dazu zuletzt u. a. Hommelhoff, DB 2012, 389 und 445; Schüppen, ZIP 2012, 1317; Velte, NZG 2013, 1332.
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Einführung Social Responsability.72) Die Überlegungen für einen entsprechenden Kodex sollten allerdings möglichst nicht in das Aktienrecht hineingetragen werden (etwa analog § 161), da sich schon der zentrale Begriff der Nachhaltigkeit rechtlich kaum fassen lässt. 36 Das Thema der Unternehmensmitbestimmung wird seit Jahren immer wieder kontrovers diskutiert.73) In jüngster Zeit wurde etwa vorgeschlagen, das Mitbestimmungsgesetz (in Anlehnung an das Verhandlungsmodell bei der SE) für eine Vereinbarungslösung zu öffnen.74) Der Gesetzgeber hat diese Idee (bislang) allerdings nicht aufgegriffen. Die Bundestagsfraktion der SPD75) sowie die Fraktion DIE LINKE76) haben demgegenüber jüngst Vorschläge zur Ausweitung der Mitbestimmung, insbesondere auch auf ausländische Unternehmen unterbreitet.77) Eine Gesetzesänderung ist aber auch insoweit nicht zu erwarten. Bei der Unternehmensmitbestimmung dürfte der status quo auf absehbare Zeit unangetastet bleiben. Darauf deutet auch der DCGK hin, der das Thema der Unternehmensmitbestimmung seit Jahren nur kurz erwähnt (v. a. in der Präambel), obwohl es für eine gute Corporate Governance von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. V.
Europäische Entwicklungen
37 Auf europäischer Ebene stehen Fragen des Gesellschaftsrechts seit einiger Zeit wieder verstärkt im Mittelpunkt des Interesses.78) In den letzten Jahren hat die Europäische Kommission allein drei Grünbücher mit Bezug zum Aktienrecht vorgelegt, und zwar das –
Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen, KOM (2011) 164/3, April 2011,79)
–
Grünbuch Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise, KOM (2011) 561, Oktober 2010,
–
Grünbuch Corporate Governance in Finanzinsitutionen und Vergütungspolitik, KOM (2010) 284, Juni 2010.
38 Bei den Grünbüchern handelt es sich lediglich um (meist in Frageform gekleidete) Diskussionspapiere, so dass abzuwarten bleibt, welche konkreten Gesetzgebungsmaßnahmen
_____________ 72) S. dazu etwa die Mitteilung der EU-Kommission „Eine neue EU-Strategie (2011 – 2014) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)“ v. 25.10.2011, KOM (2011) 681; Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Deutschen Bundestag zu Corporate Social Responsability in Deutschland, BTDrucks. 17/10506 v. 21.8.2012. – Bungenberg/Dutzi/Zimmermann/Krebs, Corporate Compliance und Corporate Social Responsability, 2014; Dzida/Reinhard, BB 2012, 2241; Hecker/Peters, NZG 2012, 55; Kort, NZG 2012, 926; Leuering/Stein, NJW-Spezial 2011, 719; Spindler in: FS Hommelhoff, 2012, S. 1133 ff. – Im Internet unter www.csr-in-deutschland.de. 73) Umfassend zum Ganzen zuletzt Gietzen, Unternehmensmitbestimmung, Corporate Governance und der Deutsche Corporate Governance Kodex, 2013. 74) S. etwa Arbeitskreis Unternehmerische Mitbestimmung, ZIP 2009, 885. – Zu Reformvorschlägen für die Mitbestimmung in der SE s. ZIP 2010, 2221 und ZIP 2011, 1841. 75) BT-Drucks. 17/2122 v. 16.6.2010. 76) BT-Drucks. 17/1413 v. 21.4.2010. 77) Kritisch zu den Vorschlägen Merkt, ZIP 2011, 1237; Schockenhoff, AG 2012, 185. – Grundsätzlich zust. dagegen Sick, GmbHR 2011, 1196. – Zur Bedeutung des Europarechts für die Mitbestimmung s. u. a. Forst, AG 2013, 588; Hellwig/Behme, AG 2011, 740; Krause, AG 2012, 485. 78) Ausführlich zur Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts u. a. Bayer/Schmidt, BB 2013, 3; Hellwig, ZGR 2013, 216; Hopt, ZGR 2013, 165; Verse, EuZW 2013, 336. 79) S. dazu etwa die Stellungnahme des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 17/6506 v. 6.7.2011, und des Bundesrates, BR-Drucks. 189/11 v. 8.7.2011. – S. ferner die (krit.) Stellungnahmen der BRAK, NZG 2012, 96, des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2011, 936, und des Instituts für Gesellschaftsrecht der Universität zu Köln, NZG 2011, 975.
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Einführung daraus abgeleitet werden sollen.80) Erstaunlich ist allerdings, dass die Europäische Kommission die Grünbücher offensichtlich nicht untereinander abgestimmt hat. Dies überrascht umso mehr, als gerade Fragen der Corporate Governance bei allen behandelten Themen von zentraler Bedeutung sind.81) Im Dezember 2012 hat die Europäische Kommission sodann einen zweiten Aktionsplan 39 Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance (KOM (2012) 740/2) vorgelegt.82) Darin werden zahlreiche Maßnahmen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts angekündigt. Schwerpunkte sind u. a. die Verbesserung der Transparenz zwischen Unternehmen und Aktionären, die Regulierung institutioneller Stimmrechtsberater (proxy advisors)83) und die Ausgestaltung eines europäischen Konzernrechts.84) Nicht weiterverfolgt wurde bislang dagegen der (für die Praxis bedeutsame) Vorschlag für eine Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Gesellschaften.85)
_____________ 80) Die zahlreichen Stellungnahmen zu den einzelnen Grünbüchern sind auf auf der Internetseite der Europäischen Kommission abrufbar Internet (www.ec.europa.eu, bei Binnenmarkt, Gesellschaftsrecht, Corpoarte Governance). 81) Ausführlich dazu u. a. Bachmann, WM 2011, 1301; Fleischer, ZGR 2011, 155; Hennrichs, GmbHR 2011, R 257; Hopt, ZHR 175 (2011), 444; Hopt, EuZW 2011, 609; Jahn, AG 2011, 454; Jung, BB 2011, 1987; Peltzer, NZG 2011, 961; Teichmann, BB 2011, Heft 33, I; Theisen, DB 2011, Heft 31, M1; Wollmert/ Oser/Orth, DB 2011, 1432. – Sowie im Internet u. a. unter www.ec.europa.eu (bei Binnenmarkt, Gesellschaftsrecht, Corporate Governance), www.ecgi.org (European Corporate Governance Institute) und www.icgn.org (International Corporate Governance Network). 82) S. dazu u. a. Bayer/Schmidt, BB 2013, 3; Hopt, ZGR 2013, 165; Hopt, EuZW 2013, 481; Hupka, GWR 2012, 59; Müller-Graff, ZHR 177 (2013), 563; Roesener, NZG 2013, 241; Verse, EuZW 2013, 336. 83) S. dazu Fleischer, AG 2012, 2; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149; Wilsing, ZGR 2012, 291. 84) Zu den Plänen für ein europäisches Konzernrecht s. u. a. Drygala, AG 2013, 198; Ekkenga, AG 2013, 181; Kalss, EuZW 2013, 361; Teichmann, AG 2013, 184. 85) S. dazu u. a. Behrens, EuZW 2013, 121; Schön, ZGR 2013, 333; Verse, ZEuP 2013, 458; Weller in: FS Blaurock, 2013, S. 497 ff.; Weller/Rentsch, IPrax 2013, 530.
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Dritter Teil Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 53a Gleichbehandlung der Aktionäre Wolfgang Servatius
Aktionäre sind unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln. Literatur: Bachmann, Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Kapitalmarktrecht, ZHR 170 (2006), 144; Burgard, Die Förder- und Treupflicht des Alleingesellschafters einer GmbH – Überlegungen zu einer gläubigerschützenden Corporate Governance bei der GmbH, ZIP 2002, 827; Cahn/Senger, Das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, FB 2002, 277; Dreher, Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung, ZHR 157 (1993), 150; Eidenmüller, Kapitalgesellschaftsrecht im Spiegel der ökonomischen Theorie, JZ 2001, 1041; Fleischer, Vertragsschlussbezogene Aufklärungspflichten zwischen Personengesellschaftern – Zugleich ein Beitrag zur culpa in contrahendo im Gesellschaftsrecht, NZG 2000, 561; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 1999; Henn, Die Gleichbehandlung der Aktionäre in Theorie und Praxis, AG 1985, 240; Hennrichs, Treuepflichten im Aktienrecht, AcP 195 (1995), 221; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958; Hüffer, Der korporationsrechtliche Charakter von Rechtsgeschäften – Eine hilfreiche Kategorie bei der Begrenzung von Stimmrechtsverboten im Recht der GmbH, in: Festschrift für Theodor Heinsius, 1991, S. 337; Hüffer, Zur Darlegungsund Beweislast bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, in: Festschrift für Hans-Joachim Fleck, 1988, S. 151; Hüffer, Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; Kindler, Die Treuepflichtklausel in der Satzung der Aktiengesellschaft, in: Festschrift für Sebastian Spiegelberger, 2009, S. 778; Lutter, Treupflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Lutter, Die Treupflicht des Aktionärs, ZHR 153 (1989), 446; Lutter, Zur inhaltlichen Begründung von Mehrheitsentscheidungen, ZGR 1981, 171; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; Lutter, Zur Treupflicht des Großaktionärs, JZ 1976, 225; Marsch-Barner, Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung, ZHR 157 (1993), 172; Martens, Die Vergleichs- und Abfindungsbefugnis des Vorstands gegenüber opponierenden Aktionären, AG 1988, 118; Martens, Der Ausschluß des Bezugsrechts: BGHZ 33, S. 175, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 437; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt – Die Aktionärsrechte bei Bildung und Umbildung einer Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht, 1995; Paefgen, Die Gleichbehandlung beim Aktienrückerwerb im Schnittfeld von Gesellschafts- und Übernahmerecht, ZIP 2002, 1509; Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991; Rose, Stimmrechtsvertretung und Haftung in der Aktiengesellschaft, 2003; Szalai, Die Treuepflicht als aktienrechtliche Schranke des Anfechtungsrechts, DStR 2008, 358; Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2003 (zit.: Strukturmaßnahmen); Tröger, Treupflicht im Konzern, 2000; Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006; Voges, Zum Grundsatz der Gleichbehandlung im Aktienrecht, AG 1975, 197; Wank, Antidiskriminierungsrecht im Selbständigenrecht und im Gesellschaftsrecht, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 1051; Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; Zöllner, Treupflichtgesteuertes Aktienkonzernrecht, ZHR 162 (1998), 235; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963.
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§ 53a
Gleichbehandlung der Aktionäre Übersicht
I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 II. Gleichbehandlungsgrundsatz ......... 4 1. Dogmatische Grundlegung ............... 4 2. Anwendungsbereich .......................... 7 a) Verhältnis zwischen AG und Aktionären ........................... 8 b) Verhältnis der Aktionäre untereinander ............................. 12 3. Gleichbehandlungsmaßstab ............ 14 a) Vermögensmäßige Beteiligung ................................. 15 b) Gleichbehandlung nach Köpfen ....................................... 17 4. Gebot der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung ............................. 18 a) Belastungen oder Vergünstigungen ............................. 19 b) Zulässige Gruppenbildung ........ 21 5. Sachliche Differenzierung als Rechtfertigung ................................. 22 a) Grundlagen ................................ 22 b) Vorgaben der materiellen Beschlusskontrolle .................... 24 aa) Gesellschaftsinteresse ............... 25 bb) Erforderlichkeit ......................... 26 cc) Verhältnismäßigkeit .................. 27 I.
6. Rechtsfolgen bei Verstößen ............. 28 a) Hauptversammlungsbeschlüsse ................................... 29 b) Verwaltungshandeln ................... 30 c) Beweislast .................................... 32 7. Gestaltungsfreiheit ........................... 33 8. Kasuistik zum Gleichbehandlungsgebot ............................. 34 III. Treuepflicht der Aktionäre ............ 35 1. Allgemeines ....................................... 35 2. Dogmatische Grundlegung .............. 38 3. Funktion ........................................... 39 4. Anwendungsbereich ......................... 42 5. Treuepflicht der Mehrheit ................ 44 a) Allgemeines ................................ 44 b) Treuepflicht gegenüber der AG ........................................ 47 c) Treuepflicht gegenüber der Minderheit ............................ 49 6. Treuepflicht der Minderheit ............ 51 7. Rechtsfolgen bei Verletzung der Treuepflicht ................................ 54 a) Beschlussanfechtung .................. 55 b) Unterlassungsansprüche ............ 56 c) Schadensersatz ............................ 57 8. Gestaltungsfreiheit ........................... 58 IV. Treuepflicht der AG ....................... 59
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Norm regelt für die AG zentral den auch im übrigen Gesellschaftsrecht anerkannten Gleichbehandlungsgrundsatz. Sie beruht auf Art. 42 der Kapitalrichtlinie1), geht jedoch darüber hinaus2) und war bereits vor ihrer Einfügung ins Aktiengesetz im Jahr 1979 gesellschaftsrechtliches Allgemeingut.3) Gleichwohl ist ihr eine wegen der hierüber vermittelten Rechtssicherheit und -klarheit wichtige konstitutive Bedeutung zuzusprechen.4) Die Regelung schützt die Aktionäre vor einer willkürlichen Ungleichbehandlung durch die AG.5) Im Kern muss sich hiernach das gesamte Handeln der Organe am Gleichbehandlungsgebot orientieren, soweit dieses nicht wirksam abbedungen wurde oder sach_____________ 1) 2)
3)
4) 5)
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ABl. EG Nr. L 26/1 v. 31.1.1977. Art. 42 der Kapitalrichtlinie verlangt eine Gleichbehandlung der Aktionäre nur im sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie; tendenziell weiter, jedoch sehr vage, EuGH, Urt. v. 15.10.2009 – Rs. C101/08 (Audiolux), ZIP 2009, 2241 = NZG 2009, 1350. Vgl. zur Gleichbehandlung der Aktionäre i. R. der Hauptversammlung auch Art. 4 der Aktionärsrechterichtlinie; zur Gleichbehandlung der Aktionäre börsennotierter AG auch Art. 17 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie (hierzu § 30a WpHG) und Art. 3 lit. a der Übernahmerichtlinie (hierzu § 3 Abs. 1 WpÜG). Vgl. nur RGZ 41, 97, 99; BGH, Urt. v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245; BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, ZIP 1992, 1728; Hüffer, NJW 1979, 1065, 1068; Voges, AG 1975, 197. Grundlegend zur Gleichbehandlung G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht; Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften. Abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 1: teilweise nur deklaratorische Bedeutung. BGH, Urt. v. 22.10.1992 – IX ZR 159/92, ZIP 1992, 1785 = NJW 1993, 400.
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§ 53a
Gleichbehandlung der Aktionäre
liche Gründe eine Abweichung rechtfertigen. Praktisch ist der Gleichbehandlungsgrundsatz so vor allem ein Instrument des Minderheitenschutzes.6) Spezialgesetzliche Ausprägungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind §§ 12 Abs. 1, 2 60 Abs. 1, 71 Abs. 1 Nr. 8, 131 Abs. 4 Satz 1, 186 Abs. 1, 255 Abs. 2, 271 Abs. 2. Vgl. aber auch § 243 Abs. 2, wonach eine an sich rechtswidrige Ungleichbehandlung bei vermögensmäßiger Kompensation ausdrücklich zulässig ist. Eng mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz verbunden, jedoch in der Reichweite weitergehend, ist die mitgliedschaftliche Treuebindung innerhalb der AG, der sowohl die Aktionäre wie die AG selbst unterliegen (siehe unten Rz. 59). In welchem Verhältnis Treuepflicht und Gleichbehandlungsgebot stehen, ist nach wie vor umstritten, für die praktische Anwendung jedoch letztlich unerheblich, da beide Rechtsinstitute durchaus funktional vergleichbar sind.7) Im Kapitalmarktrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz aufgrund spezieller Regelun- 3 gen gemäß § 30a WpHG8) sowie bei Übernahmen gemäß § 3 Abs. 1 WpÜG.9) Darüber hinaus wird der Gleichbehandlungsgrundsatz auch diskutiert, wenn es um die Platzierung neuer Aktien beim going public geht; dies kann jedoch richtigerweise nicht auf § 53a gestützt werden, soweit es um künftige Aktionäre geht.10) Das allgemeine zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gemäß § 19 AGG kommt wegen des abweichenden Schutzzwecks der Diskriminierungsregeln im Verhältnis der Aktionäre untereinander und im Verhältnis zwischen AG und Aktionären nicht zur Anwendung.11) II.
Gleichbehandlungsgrundsatz
1.
Dogmatische Grundlegung
Für die praktische Anwendung hat der kontrovers geführte Streit über die rechtliche Be- 4 gründung des Gleichbehandlungsgrundsatzes keine unmittelbare Relevanz, zumal regelmäßig unmittelbar auf § 53a abgestellt werden kann.12) Gleichwohl sind die verschiedenen Erklärungsmuster nach wie vor bedeutsam, um Reichweite und praktische Anwendung des Gleichbehandlungsgebots auch in konkreten Einzelfällen überzeugend zu begründen. § 53a ist eine offene Regelung, die auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite einer methodisch nachvollziehbaren und am Schutzzweck orientierten inhaltlichen Präzisierung bedarf.13) Als Geltungsgrund für den Gleichbehandlungsgrundsatz werden vor allem das rechtsge- 5 schäftlich begründete Gesellschaftsverhältnis bzw. die Mitgliedschaft sowie ein überpositives Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit herangezogen.14) Wenngleich allen Ansichten letztlich viel Überzeugungskraft innewohnt, ergeben sich dennoch zumindest in Einzelaspekten Unterschiede, die eine differenzierte Betrachtung erfordern. Für die praktische _____________ 6) So auch K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 5 – „Eckpfeiler des Minderheitenschutzes“. 7) So auch K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 12 m. w. N.; für den Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausfluss der Treuepflicht – OLG Stuttgart, Urt. v. 12.5.1999 – 20 U 62/98, AG 2000, 229, 230; für einen Vorrang der Treuepflichtkontrolle in den Fällen materieller Ungleichbehandlung GrigoleitGrigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 13 f., was jedoch nicht überzeugt (unten Rz. 19 f.). 8) Vgl. hierzu auch Art. 17 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie. 9) Einzelheiten bei Cahn/Senger, FB 2002, 277, 281. 10) Eingehend Bachmann, ZHR 170 (2006), 144. 11) Wank in: FS Hüffer, S. 1051, 1065 ff. 12) Teilw. abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 1 wegen der Einordnung als deklaratorische Norm. 13) Ähnlich K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 14 – konkretisierungsbedürftiges Rechtsprinzip; Lutter/Zöllner in: KölnKomm-AktG, § 53a Rz. 5 – Generalklausel. 14) Einzelheiten m. w. N. bei K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 13.
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§ 53a
Gleichbehandlung der Aktionäre
Anwendung bedeutsam ist hierbei zunächst, dass die vielfach angeführte rechtsgeschäftliche Anknüpfung nicht überinterpretiert werden darf. Das Gleichbehandlungsgebot folgt nicht daraus, dass die (Gründungs-)Aktionäre dies wollten oder gar zur verbindlichen Regel erhoben haben. Insoweit ist es unstreitig, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz auch gilt, wenn eine ursprüngliche Ein-Personen-AG nachträglich den Mitgliederbestand erweitert. 6 Auf der anderen Seite ist die Bindung an die Mitgliedschaft ernst zu nehmen, denn es bedarf wegen Art. 9 GG der Wahlfreiheit, sich der kollektiv zu betrachtenden Gleichbehandlung zu unterwerfen oder nicht. Hieraus folgt zentral, dass sich der Gleichbehandlungsmaßstab und die Möglichkeit zur Ungleichbehandlung stets nur auf die gegenwärtigen Aktionäre beziehen und auch nur Verbands- oder ggf. auch Aktionärsinteressen zur sachlichen Rechtfertigung herangezogen werden dürfen. Es wäre mit Art. 9 GG unvereinbar, den Gleichbehandlungsgrundsatz zur Verfolgung externer Einzelinteressen oder Allgemeininteressen heranzuziehen. Insgesamt betrachtet ist es daher geboten, im Gleichbehandlungsgebot gemäß § 53a ein wesentliches, in Einzelfällen aber abdingbares objektives gesellschaftsrechtliches Strukturprinzip zu sehen, welches sowohl die Einzelinteressen der Verbandsmitglieder als auch die objektive Funktionsfähigkeit des auf Selbstregulierung beruhenden Personenverbands verwirklicht.15) Zur Abgrenzung des Gleichbehandlungsgebots vom Diskriminierungsverbot siehe sogleich Rz. 12. 2.
Anwendungsbereich
7 Das Gleichbehandlungsgebot gilt während des Bestehens einer AG, auch im Stadium der Vorgesellschaft16) und bei der Liquidation (vgl. nur § 271 Abs. 3). a)
Verhältnis zwischen AG und Aktionären
8 Die Regelung betrifft unstreitig das Verhältnis der Aktionäre zur AG, wenn für jene der Vorstand, Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung handeln.17) Soweit der Insolvenzverwalter über § 80 Abs. 1 InsO die entsprechenden Befugnisse bei vermögensbezogenen Angelegenheiten wahrnimmt,18) ist er ebenfalls daran gebunden.19) 9 Dritte werden aus § 53a weder begünstigt noch verpflichtet. Dies gilt auch für künftige Aktionäre, selbst wenn diese bereits (rein schuldrechtlich!) Inhaber einer Wandel- oder Optionsanleihe sind.20) Bei ehemaligen Aktionären ist jedoch eine Ausnahme von der Nichtgeltung zu machen, wenn eine Rechtsbeziehung aus der Zeit der früheren Mitgliedschaft noch nicht beendet ist, z. B. im Spruchverfahren.21) Möglich und geboten ist auch, Dritte, die rechtlich oder wirtschaftlich einem Aktionär zuzurechnen sind (Einzelheiten siehe § 57 Rz. 33 ff.), in den Geltungsbereich von § 53a einzubeziehen, z. B. bei Begünstigungen durch die AG.22) 10 Der Gleichbehandlungsgrundsatz betrifft nur das gesellschaftsbezogene Verhalten der AG gegenüber den Aktionären (causa societatis). Handelt es sich daher um ein sog. _____________ Hierzu ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 183 ff. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 7. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.1973 – 19 W 21/72, AG 1973, 282, 284. Vgl. z. B. bei der Einforderung von Einlagen Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 182 Rz. 69 ff. Dies offenlassend OLG München, Urt. v. 26.5.2010 – 7 U 5707/09, ZIP 2010, 2153 = NZG 2010, 1233. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 17; zu einer auf Gleichbehandlungsaspekte gestützten Analogie von § 304 zugunsten der Genussscheininhaber aber BGH, Urt. v. 28.5.2013 – II ZR 67/12, ZIP 2013, 1570 = WM 2013, 1550. 21) Zu Vor-und Nachwirkungen eingehend Verse, S. 220 ff. 22) Vgl. LG Kassel, Urt. v. 24.11.1988 – 11 O 1063/88, ZIP 1989, 306, 308. 15) 16) 17) 18) 19) 20)
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§ 53a
Gleichbehandlung der Aktionäre
Drittgeschäft, welches zwischen AG und Aktionär geschlossen wird, gilt § 53a grundsätzlich nicht.23) Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das Rechtsgeschäft – (funktional) betrachtet – auch mit Außenstehenden geschlossen werden könnte und würde. Verdeckte Gewinnausschüttungen an einzelne Aktionäre verstoßen daher regelmäßig gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Sofern die Willensbildung des Vorstands durch den Aktionär beeinflusst wurde (faktische Beherrschung, Konzern), handelt es sich ebenfalls um gesellschaftsbezogenes Verhalten, so dass (u. a.) auch § 53a zu beachten ist.24) Im Konzern gilt das Gleichbehandlungsgebot stets nur bezogen auf die hieran jeweils 11 beteiligten Rechtsträger. Hieraus folgt konsequenterweise, dass insbesondere kein konzernweites Bezugsrecht besteht.25) Im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Aktionären (unten Rz. 22 ff.) kommt es im Konzern jedoch regelmäßig nicht auf das Gesellschaftsinteresse der jeweils beteiligten Gesellschaften an, sondern auf das höherrangige Konzerninteresse. b)
Verhältnis der Aktionäre untereinander
Umstritten ist, ob und ggf. inwieweit der Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Verhält- 12 nis der Aktionäre untereinander Geltung beansprucht. Die h. M. lehnt dies zutreffend ab.26) Wollte man einzelne Aktionäre zur Gleichbehandlung ihrer Mitaktionäre verpflichten, müsste ihnen die Rechtsmacht eingeräumt sein, eine Maßnahme mit kollektiver Wirkung herbeizuführen („behandeln“), was anders als bei den Organen der AG nicht der Fall ist. Insofern unterscheidet sich das Gleichbehandlungsgebot vom Diskriminierungsverbot. Letzteres verbietet auch die willkürliche Benachteiligung im Einzelfall, sofern es sich nur um ein Rechtsgeschäft handelt, welches typischerweise, d. h. nicht in concreto, in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Die Geltung des gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt demgegenüber – wie im Arbeitsrecht – voraus, dass es sich um eine rechtliche oder tatsächliche Maßnahme handelt, die aufgrund einer (verbands-)rechtlichen Identifizierung einer Gruppe konkret mehrere (potentielle) Adressaten hat. Ein allgemeines Willkürverbot gegenüber jedermann ist dem deutschen Zivilrecht fremd und trotz der zunehmenden Materialisierung (vgl. AGG und § 242 BGB) die begründungsbedürftige Ausnahme (Art. 2 Abs. 1 GG, Privatautonomie). Überträgt man dies auf die AG, fehlt es gerade an der verbandsrechtlich begründeten 13 Möglichkeit, dass ein Aktionär seine Mitgesellschafter kollektiv adressieren kann und sich dann ggf. rechtswidrig verhält, indem er sachwidrig einige Aktionäre bevorzugt. Dies gilt nicht nur bei der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte (Stimmrecht, Information), sondern auch dann, wenn einem einzelnen Aktionär oder einer Aktionärsgruppe Kompetenzen außerhalb ihrer Mitwirkung in der Hauptversammlung zustehen (vgl. §§ 122, 148) oder er über die Mitgliedschaft als solche verfügt (Anteilsübertragung). Auch der Zusammenschluss zu Aktionärsgruppen (Stimmbindungsverträge, acting in concert)27) ist nicht an das Gleichbehandlungsgebot gebunden. Die hieraus resultierende Nichtgeltung von § 53a bedeutet jedoch nicht, dass im Verhältnis der Aktionäre untereinander keine rechtlichen Schranken zu beachten wären. Hiervon abzugrenzen sind nämlich die auch den _____________ 23) LG Lüneburg, DB 1961, 402; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 18. 24) Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 30/95, ZIP 1997, 858 = AG 1997, 414; zum Ganzen ausführlich – Lutter/Zöllner in: KölnKomm-AktG, § 53a Rz. 21. 25) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 182 Rz. 76, m. N. zur Gegenmeinung. 26) Vgl. OLG Celle, AG 1974, 83, 84; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 16; Verse, S. 172 ff.; abw. aber Reul, S. 270 ff. 27) Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 30/95, ZIP 1997, 858 = AG 1997, 414.
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Gleichbehandlung der Aktionäre
einzelnen Aktionär ggf. treffende Treuepflichtbindung (siehe unten Rz. 35 ff.) und die Zurechnung eines individuellen Aktionärshandelns zu einem Organ, insbesondere bei der Mehrheitsmacht in der Hauptversammlung. Im letztgenannten Fall unterliegt der Aktionär mittelbar ohne weiteres § 53a, indem sich die Beschlussfassung hieran messen muss. 3.
Gleichbehandlungsmaßstab
14 Die AG ist eine Kapitalgesellschaft. Der Maßstab für die Gleichbehandlung ist daher im Regelfall die über die Aktie vermittelte vermögensmäßige Beteiligung des Aktionärs und nicht seine persönliche Stellung.28) Auf der anderen Seite gibt es auch Gestaltungen, bei denen die Gleichbehandlung nach Kapitalanteilen nicht möglich ist bzw. der bezweckte Aktionärsschutz nicht hinreichend verwirklicht werden könnte. In diesen Fällen ist eine Gleichbehandlung nach Köpfen geboten. Hieraus resultiert ein differenziertes System, so dass man keineswegs pauschal sagen kann, es käme auf eine Gleichbehandlung der Aktien an und nicht der Aktionäre.29) Richtigerweise ist bei jeder in Rede stehenden Maßnahme konkret zu fragen, welcher Maßstab das gesetzgeberische Anliegen, die Aktionäre vor willkürlichen Benachteiligungen zu schützen, sachgerecht verwirklicht.30) a)
Vermögensmäßige Beteiligung
15 Ein Gebot der Gleichbehandlung anhand der vermögensmäßigen Beteiligung der Aktionäre besteht vor allem bei: Stimmrecht (§§ 12, 134 Abs. 1 Satz 1); Einlagepflicht (§ 54 Abs. 1); Gewinnverteilung (§ 60 Abs. 1); Bezugsrecht (§ 186 Abs. 1 Satz 1); Anteil am Liquidationserlös (§ 271 Abs. 3); Rückerwerb eigener Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8). Maßgebliche Bezugsgröße ist der Nennbetrag der Aktien bzw. die Zahl der gehaltenen Stückaktien; ein höherer Ausgabebetrag (korporatives oder gar schuldrechtliches Agio, vgl. § 9), ist im gesetzlichen Regelfall unerheblich (zur Satzungsautonomie siehe unten Rz. 33). 16 Auf die tatsächliche Erbringung der Einlagen kommt es grundsätzlich nicht an. Eine wichtige Ausnahme betrifft aber das Stimmrecht (vgl. § 134 Abs. 2), den Gewinnanspruch (vgl. § 60 Abs. 2) und die Verteilung des Liquidationserlöses (vgl. § 271 Abs. 3). Darüber hinaus kann es im Einzelfall aus teleologischen Aspekten auch in anderen Bereichen geboten sein, die noch nicht vollständig erbrachte Einlage als sachliches Differenzierungskriterium für eine Ungleichbehandlung heranzuziehen (siehe unten Rz. 22 ff.). b)
Gleichbehandlung nach Köpfen
17 Viele Individualrechte der Aktionäre (teilweise als Hilfsrechte bezeichnet),31) lassen sich nicht vermögensmäßig quantifizieren, so dass als Maßstab für die Gleichbehandlung allein auf die Person des Aktionärs abzustellen ist, unabhängig davon, wie viele Aktien er hält. Ein Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre ohne Ansehen der vermögensmäßigen Beteiligung besteht daher vor allem bei: –
Teilnahme an der Hauptversammlung (§§ 118 Abs. 1);
_____________ 28) 29) 30) 31)
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BGH, Urt. v. 19.12.1977 – II ZR 136/76 (Mannesmann), BGHZ 70, 117 = NJW 1978, 540. So aber K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 3. Ähnlich Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 14 – Ermittlung im Wege der Auslegung. Vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 26; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 11.
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Gleichbehandlung der Aktionäre –
Rederecht (str.);32)
–
Auskunftsrecht (§ 131);
–
Anfechtungsbefugnis (§ 245 Nr. 1 und 2).
Werden Aktien gemeinschaftlich gehalten, vergrößert dies die Position der Rechtsinhaber nicht. 4.
Gebot der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung
Aus § 53a folgt, dass entsprechend dem vorstehend dargelegten Maßstab Gleiches gleich 18 und Ungleiches ungleich zu behandeln ist, sofern eine Abweichung hiervon nicht sachlich gerechtfertigt ist (siehe dazu unten Rz. 22 ff.) oder im Einzelfall auf die Gleichbehandlung verzichtet wurde (siehe unten Rz. 33). a)
Belastungen oder Vergünstigungen
Als Behandlung i. S. von § 53a kommen sämtliche Belastungen oder Vergünstigungen der 19 Aktionäre in Betracht. Richtigerweise gilt hier eine materielle Betrachtung, d. h. es kommt nicht darauf an, ob Rechtspositionen formal verändert werden (Höchststimmrechte für Einzelne33), unterschiedlich langes Rederecht auf der Hauptversammlung etc.).34) Ausreichend ist vielmehr auch eine rein wirtschaftliche Beeinflussung der Aktionärsinteressen. Letzteres ist insbesondere relevant, wenn einem einzelnen Aktionär – regelmäßig zugleich unter Verletzung von § 57 – besondere Vermögensvorteile zugewendet werden.35) Bei der materiellen bzw. wirtschaftlichen Betrachtung ist entgegen der h. M. auch nicht allein auf die in der Mitgliedschaft selbst verkörperten Interessen abzustellen.36) Die finanzielle Leistungsfähigkeit, an einer Kapitalerhöhung teilzunehmen oder nicht, ist z. B. durchaus ein (privater) Umstand, der eine Ungleichbehandlung i. S. von § 53a nach sich ziehen kann (sog. faktischer Bezugsrechtsausschluss).37) Das Gleiche gilt, wenn die rechtliche Ausgestaltung der Aktien einigen Aktionären in besonderer Weise Vorteile bei der Veräußerung am Kapitalmarkt verschafft38) oder eine gesellschaftsrechtliche Maßnahme nur einen Teil der Gesellschafter steuerrechtlich begünstigt.39) Zuzugeben ist allerdings, dass eine nicht unmittelbar in der Mitgliedschaft beruhende Ungleichbehandlung der Aktionäre leichter zu rechtfertigen ist als ein unmittelbarer Eingriff. Hiermit zusammenhängend ist die Frage, auf welche Weise die am Gleichbehandlungs- 20 gebot zu messenden Maßnahmen die Aktionäre treffen müssen. Auch hier gilt eine weite Auslegung, so dass alle unmittelbaren und mittelbaren Folgen in die Betrachtung miteinzubeziehen sind. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist die Kapitalherabsetzung 10:1, bei _____________ 32) Abw. die h. M., vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 26 m. w. N.; ähnlich Hüffer, AktG, § 53a Rz. 7, der die vermögensmäßige Beteiligung als Sachgrund für eine angemessene Differenzierung ansieht; wie hier aber Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 17; vgl. insofern auch die gesetzgeberische Abkehr von der früher vertretenen Theorie der potentiellen Kausalität für die Ermittlung anfechtungsbegründender Verfahrensmängel in § 243 Abs. 4 Satz 1. 33) Vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1977 – II ZR 136/76, (Mannesmann), BGHZ 70, 117 = NJW 1978, 540. 34) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 28; abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 13 f., die materielle Beeinträchtigungen vorrangig als möglichen Treuepflichtverstoß behandeln. 35) Vgl. Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 53a Rz. 33; Martens, AG 1988, 118, 112. 36) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 30 m. w. N. 37) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 186 Rz. 75 ff. 38) Vgl. für die Möglichkeit zur Erzielung von Paketzuschlägen BGH, Urt. v. 19.12.1977 – II ZR 136/76 (Mannesmann), BGHZ 70, 117 = NJW 1978, 540, 541. 39) A. A. jedoch BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 29/03, ZIP 2005, 1318 = NZG 2005, 722 – für eine formwechselnde Umwandlung.
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§ 53a
Gleichbehandlung der Aktionäre
der es sich vor allem bei den Kleinaktionären um eine Belastung handelt, die den Großen nicht zukommt, nämlich den Verlust der Mitgliedschaft.40) Insofern kann durchaus eine Parallele zu den aus dem Arbeitsrecht bekannten Fällen der mittelbaren Diskriminierung gezogen werden. Würde man in den Fällen der materiellen Belastung demgegenüber mit Teilen der Literatur allein auf die Treuepflicht rekurrieren,41) wäre das der Sache nach in § 53a weit angelegte Schutzanliegen der Gleichbehandlung wegen der höheren und wenig umrissenen Anforderungen an die Bejahung einer (subjektiven) Treuwidrigkeit unterlaufen, was auch ein Umsetzungsdefizit bei Art. 42 der Kapitalrichtlinie begründete. b)
Zulässige Gruppenbildung
21 Es fehlt bereits an einer rechtfertigungsbedürftigen Gleich- oder Ungleichbehandlung, wenn die sich auf § 53a berufenden Aktionäre einer anderen Vergleichsgruppe angehören als der, der die Vergünstigung oder Belastung bestimmungsgemäß (objektiv!) zukommt. Wichtigster Fall sind die Vorzugsaktionäre, die in Bezug auf die rechtliche Ausgestaltung des Vorzugs und der hiermit verbundenen Belastung (§§ 139 ff.) nicht nachträglich auf Gleichbehandlung mit den Stammaktionären pochen können (für die anderen Bereiche und die nachträgliche Ausgestaltung der Vorzugsaktien besteht diese Möglichkeit jedoch ohne weiteres).42) Vgl. zu den Möglichkeiten, verschiedene Aktiengattungen zu bilden, im Übrigen § 11. 5.
Sachliche Differenzierung als Rechtfertigung
a)
Grundlagen
22 Liegt eine Ungleichbehandlung im vorbeschriebenen Sinne vor, kann die betreffende Maßnahme gleichwohl rechtmäßig sein. Wie bei Art. 3 Abs. 1 GG und beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bedarf es hierfür jedoch der sachlichen Rechtfertigung. Wegen der generellen Zweckbindung der Organe gilt hierfür – abweichend vom öffentlichen Recht und Arbeitsrecht – ein strenger Maßstab. Das Gebot der Gleichbehandlung lässt eine Ungleichbehandlung der Aktionäre nur dann zu, wenn sie sachlich berechtigt ist und damit nicht den Charakter der Willkür trägt.43) 23 Eine tatbestandlich präzise Formulierung, was zulässig ist und was nicht, lässt sich jedoch ex ante betrachtet kaum rechtssicher handhabbar finden (zur Kasuistik der bisher entschiedenen Fälle siehe unten Rz. 34). Es bleibt daher vor allem Aufgabe der Rechtsprechung, den Gleichbehandlungsgrundsatz sorgfältig auszuformen. Gleichwohl sollte überlegt werden, dem konturenlosen § 53a in Anlehnung an die bereits bei § 186 ausdifferenzierte materielle Beschlusskontrolle Präzision zu verschaffen. Die hiernach mögliche inhaltliche Kontrolle von Beschlüssen lässt sich funktional betrachtet durchaus mit § 52a vergleichen, wenn es um den Minderheitenschutz geht, so dass eine entsprechende Heranziehung möglich ist.44) Dies betrifft vor allem die hierüber zu verwirklichende Koppelung des Gebots der sachlichen Rechtfertigung i. R. von § 53a an die Zweckbindung der Organe und die bei der materiellen Beschlusskontrolle mittlerweile etablierte strukturierte Argumentation, so
_____________ 40) 41) 42) 43) 44)
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Vgl. hierzu Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 25. So Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 13 f. Vgl. OLG Köln, Urt. v. 20.9.2001 – 18 U 125/01 (Metro), ZIP 2001, 2049 = NZG 2002, 966. BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, ZIP 1992, 1728 = NJW 1993, 400. Ähnlich Hüffer, AktG, § 53a Rz. 10.
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§ 53a
Gleichbehandlung der Aktionäre
dass einer allzu pauschalen Rechtfertigungsprüfung, was erlaubt ist und was nicht, Vorschub geleistet wird.45) b)
Vorgaben der materiellen Beschlusskontrolle
Wendet man die bei der materiellen Beschlusskontrolle nahezu einhellig anerkannte Recht- 24 fertigungslast auch auf § 53a i. R. der sachlichen Rechtfertigung an, ergibt sich Folgendes: In entsprechender Anwendung der insbesondere beim Bezugsrechtsausschluss allgemein anerkannten Formel ist die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, wenn sie im Gesellschaftsinteresse liegt, zur Verwirklichung des Gesellschaftsinteresses geeignet und erforderlich ist und in einem angemessenen Verhältnis zu den Nachteilen der betroffenen Altaktionäre steht.46) Letztlich geht es bei der sachlichen Rechtfertigung somit darum, ob ein am Gesellschaftszweck zu messendes sinnvolles unternehmerisches Konzept die Mitgliedschaft der Altaktionäre in angemessener Weise beeinträchtigt oder nicht. aa)
Gesellschaftsinteresse
Das Ziel der Ungleichbehandlung muss im Gesellschaftsinteresse liegen. Maßstab ist bei 25 der gewinnorientierten AG die aus der Zweckgebundenheit von Organhandeln folgende Steigerung der Eigenkapitalrendite.47) Die Partikularinteressen einzelner Aktionäre sind unbeachtlich, sofern sich diese nicht mit dem Gesellschaftsinteresse decken.48) Erfolgt die Ungleichbehandlung bei einer durch Beherrschungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1 Satz 1 gebundenen AG, richtet sich der Kontrollmaßstab in konsequenter Verwirklichung der §§ 308 ff. nach dem Konzerninteresse (str.).49) Beim faktischen Konzern verbleibt es hingegen bei der Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses als unverbundene AG. Die dem Privileg des § 311 zugrunde liegende Vermögenskompensation zugunsten der Gesellschaft vermag die Nachteile des Bezugsrechtsausschlusses für die Altaktionäre nicht zu verwirklichen. bb)
Erforderlichkeit
Die Ungleichbehandlung muss weiterhin erforderlich sein, um das als Wahrung des Ge- 26 sellschaftsinteresses verstandene unternehmerische Ziel zu verwirklichen. Hierunter sind regelmäßig die Fälle zu fassen, bei denen die bevorzugten Aktionäre zugunsten der AG etwas leisten können, wozu den Übergangenen die Fähigkeiten oder Eigenschaften fehlen. cc)
Verhältnismäßigkeit
Zu fragen ist schließlich, ob die das Gesellschaftsinteresse verwirklichende Ungleich- 27 behandlung als schonendstes Mittel in einem angemessenen Verhältnis zur Beeinträchtigung der benachteiligten Aktionäre steht. Hierbei ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, bei der auch eine Rolle spielt, ob die aktuell unmittelbar benachteiligten Altaktionäre nicht insgesamt, d. h. nach Verwirklichung des unternehmerischen Konzepts, besser _____________ 45) Paradigmatisch für die Konturenlosigkeit der Argumentation OLG München, Urt. v. 26.5.2010 – 7 U 5707/09, ZIP 2010, 2153 = NZG 2010, 1233 – „nicht willkürlich und nicht objektiv verfehlt“. 46) Für den Bezugsrechtsausschluss grundlegend – BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76 (Kali & Salz), NJW 1978, 1316; Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 186 Rz. 40 ff. 47) Hierzu ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 33 ff.; ähnlich Hüffer, § 186 Rz. 26 und Peifer in: MünchKomm-AktG, § 186 Rz. 75 – Förderung des Gesellschaftszwecks i. R. des Unternehmensgegenstands. 48) LG Kiel, Urt. v. 22.5.2008 – 15 O 49/08, BeckRS 2008, 12662. 49) A. A. Hüffer, AktG, § 186 Rz. 26; undeutlich Peifer in: MünchKomm-AktG, § 186 Rz. 75; wie hier bereits Martens in: FS Fischer, S. 437, 449 f.
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§ 53a
Gleichbehandlung der Aktionäre
stehen würden als ohne die betreffende Maßnahme.50) Wie bei jeder Generalklausel hängt die Entscheidung sehr vom Einzelfall ab, so dass präzise Aussagen schwer möglich sind. Einen Ausgangspunkt für die Argumentation bietet aber die Formel: Je schwerer der Eingriff in die Mitgliedschaft der Altaktionäre, desto gewichtiger muss das Interesse der Gesellschaft an der Ungleichbehandlung sein. 6.
Rechtsfolgen bei Verstößen
28 Der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz führt zur Rechtswidrigkeit der betreffenden Maßnahme. Bei den hieraus resultierenden Folgen ist danach zu unterscheiden, welches Organhandeln § 53a verletzt hat. a)
Hauptversammlungsbeschlüsse
29 Handelt es sich um einen Hauptversammlungsbeschluss, ist er gemäß § 243 Abs. 1 anfechtbar;51) ein Nichtigkeitsgrund wird hierdurch nicht begründet.52) Eine Heilung der Anfechtbarkeit ist nicht möglich, wohl aber die Bestätigung gemäß § 244. Vorrangig gilt jedoch § 243 Abs. 2. Hiernach scheidet die Anfechtbarkeit wegen der Gewährung eines Sondervorteils an Aktionäre (und Dritte) aus, wenn der Beschluss den benachteiligten Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. Diese – rechtspolitisch umstrittene – Regelung fokussiert den Aktionärsschutz stark auf die Vermögensinteressen und etabliert letztlich die Möglichkeit eines „dulde und liquidiere“.53) Wird der Ausgleich gewährt,54) entfallen die Rechtswidrigkeit und Anfechtbarkeit des an sich gleichheitswidrigen Beschlusses, was § 53a in Bezug auf nicht vermögensmäßig kompensierbare Folgenachteile erheblich einschränkt. Sind Letztere wesentlich, sollte für die Anwendung von § 243 Abs. 2 kein Raum bestehen. b)
Verwaltungshandeln
30 Bei Maßnahmen der Verwaltung begründet der Verstoß zunächst einmal die Pflichtwidrigkeit, was bei Verschulden eine Schadensersatzpflicht auslöst. Die hierfür maßgeblichen §§ 93, 116 laufen jedoch zumeist leer, weil es an einem Schaden der AG fehlt. Richtigerweise wollte man in § 53a jedoch ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB sehen, so dass auch ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch der zurückgesetzten Aktionäre gegen die Verwaltung in Betracht kommt (str.).55) 31 Ist eine gleichheitswidrige Maßnahme korrigierbar, haben die betreffenden Organe regelmäßig die Pflicht, dies durchzuführen.56) Darüber hinaus ist auch anerkannt, dass ein gleichheitswidriges Verhalten der Verwaltung Individualansprüche der benachteiligten Aktionäre gegen die AG auslöst, nachträglich gleichgestellt zu werden.57) Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Verwaltungshandeln – jenseits des Problems der Gleichbehandlung – _____________ 50) Hierzu im Hinblick auf die Treuepflicht bereits – BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415. 51) RG, Urt. v. 16.9.1927 – II 21/27, DB 1960, 880. 52) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 32. 53) Hierzu grundlegend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt. 54) Vgl. etwa für die nachträgliche Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien OLG Köln, Urt. v. 20.9.2001 – 18 U 125/01 (Metro), ZIP 2001, 2049 = NZG 2002, 966. 55) Abw. die h. M., vgl. Hüffer, AktG, § 53a Rz. 12; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 20; die Frage offenlassend OLG München, Urt. v. 26.5.2010 – 7 U 5707/09, ZIP 2010, 2153 = NZG 2010, 1233. 56) Grigoleit/Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 53a Rz. 20. 57) Vgl. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 34 – für den Fall der Übergehung bei der Aktienausgabe und die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung von Aktien bei Vinkulierung.
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Gleichbehandlung der Aktionäre
rechtmäßig ist bzw. wäre. Im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttungen können daher die übergangenen Aktionäre nicht Gleichbehandlung im Unrecht verlangen.58) Vgl. beim Auskunftsrecht § 131 Abs. 4.59) Bei einer gleichheitswidrigen Heranziehung zu Leistungen steht dem Aktionär ein Leistungsverweigerungsrecht zu.60) c)
Beweislast
Die Aktionäre müssen darlegen und beweisen, dass sie ungleich behandelt wurden; die AG 32 muss dann darlegen und beweisen, dass die betreffende Maßnahme gerechtfertigt ist.61) 7.
Gestaltungsfreiheit
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist als gesellschaftsrechtliches Strukturprinzip satzungs- 33 fest.62) Gleichwohl ist es zulässig, dass die begünstigten Aktionäre auf § 53a ad hoc verzichten, ausdrücklich oder konkludent.63) Es bedarf hierfür jedoch einer eindeutigen und bestimmten Erklärung; ein pauschaler Verzicht ist wirkungslos.64) Möglich ist auch, den Maßstab der Gleichbehandlung zu ändern;65) richtigerweise ist ein derartiger Beschluss jedoch seinerseits an § 53a messen. 8.
Kasuistik zum Gleichbehandlungsgebot
Weiterleitung konkurrierender Angebote zum Erwerb von Aktien;66) nachträgliche Ein- 34 führung von Höchststimmrechten;67) Ausgabe von Genussrechten an einzelne Aktionäre;68) Umwandlung von Stamm- in Vorzugsaktien;69) Rückerwerb eigener Aktien;70) Bevorzugung von Aktionären i. R. einer Kapitalerhöhung;71) Nachschüsse;72) Zahlung zur Abwehr einer Anfechtungsklage;73) unterschiedliche Leistung der Einlagen bei Kapitalerhöhung;74) nachträgliche Einführung eines Entsenderechts für den Aufsichtsrat;75) Information der Aktionäre.76) _____________ 58) BGH, Hinweisbeschl. v. 22.10.2007 – II ZR 184/06, ZIP 2008, 218 = NZG 2008, 149; Einzelheiten bei Verstößen gegen § 57 bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 35. 59) Hierzu Henn, AG 1985, 240, 244. 60) Vgl. für die Einlageleistung Hüffer, AktG, § 53a Rz. 12. 61) Einzelheiten bei Hüffer in: FS Fleck, S. 151, 154 ff. 62) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 39; Henn, AG 1985, 240, 243. 63) Unstreitig, vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 37. 64) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 38. 65) Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 31.3.2008 – 8 U 222/07, NZG 2008, 914, 915 = ZIP 2008, 1530. 66) OLG Celle, Urt. v. 19.7.2006 – 9 U 15/06, ZIP 2006, 1768 = NZG 2006, 791; BGH, Hinweisbeschl. v. 22.10.2007 – II ZR 184/06, ZIP 2008, 218 = NZG 2008, 149. 67) BGH, Urt. v. 19.12.1977 – II ZR 136/76 (Mannesmann), BGHZ 70, 117 = NJW 1978, 540; BGH, Urt. v. 13.3.1978 – II ZR 142/76 (Kali & Salz), NJW 1978, 1316. 68) BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, ZIP 1992, 1728 = NJW 1993, 400. 69) OLG Köln, Urt. v. 20.9.2001 – 18 U 125/01 (Metro), ZIP 2001, 2049 = NZG 2002, 966. 70) Paefgen, ZIP 2002, 1509. 71) BGH, Beschl. v. 14.7.1960 – IV ZB 126/60 (Minimax), BGHZ 51, 354; KG, Beschl. v. 18.5.2010 – 14 AktG/10, ZIP 2010, 1849; vgl. für die Verteilung nicht ausgeübter Bezugsrechte auch Spindler/StilzServatius, AktG, § 186 Rz. 21. 72) RG, Urt. v. 15.10.1902 – I 131/02, RGZ 52, 287. 73) LG Frankfurt/M., Urt. v. 2.10.2007 – 3-5 O 177/07, ZIP 2007, 2034 = NZG 2007, 949; LG Köln, Urt. v. 12.1.1988 – 3 O 703/87, AG 1988, 349, 350. 74) KG, Beschl. v. 18.05.2010 – 14 AktG 1/10, ZIP 2010, 1849. 75) BGH, Beschl. v. 8.6.2009 – II ZR 111/08 (ThyssenKrupp), ZIP 2010, 36 = DStR 2009, 2547. 76) LG Flensburg, Urt. v. 7.4.2004 – 6 O 17/03, NZG 2004, 677.
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III.
Treuepflicht der Aktionäre
1.
Allgemeines
35 Dass über den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht alle Schutzbedürfnisse und Funktionsdefizite innerhalb eines Personenverbands bewältigt werden können, steht heute außer Streit. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist daher allgemein anerkannt als bewegliche Schranke der Mehrheits- und Minderheitsmacht. Dies gilt auch bei der AG, freilich unter besonderer Berücksichtigung des gesetzlichen Leitbilds als kapitalmarktorientierte Publikumsgesellschaft.77) Dies erfordert regelmäßig eine schwächere Treuepflichtbindung der Aktionäre als dies innerhalb der GmbH und insbesondere den Personengesellschaften der Fall ist. Zwingend ist dies wegen der möglicherweise personalistischen Realstruktur einer konkreten AG jedoch nicht. Allgemein gilt: Je personalistischer die Gesellschaft desto stärker sind Art und Umfang der Treuepflichtbindung.78) 36 Die Treuepflicht ist eine Generalklausel, deren tatbestandliche und rechtssichere Konkretisierung Schwierigkeiten bereitet. Einer allzu ausufernden treuepflichtgestützten Aktionärskontrolle ist jedoch Vorschub zu leisten. Vielmehr ist stets zu bedenken, dass es auch im Gesellschaftsrecht keine allgemeine Billigkeitskontrolle für das Gesellschafterverhalten gibt, sondern die rechtliche Missbilligung eines Verhaltens unter Rückgriff auf die Treuepflicht die begründungsbedürftige Ausnahme bleiben muss. Der Praxis obliegt insofern eine große Argumentationslast, eine Treuepflichtbindung zu bejahen, was im konkreten Einzelfall stets nur im Ausgangspunkt auf die bisher ergangenen Gerichtsentscheidungen gestützt werden kann. Einen Verstoß gegen die Kapitalrichtlinie bedeutet die ausdifferenzierte Treuepflichtbindung im deutschen Recht nicht, denn auch das Gemeinschaftsrecht kennt den Rechtsmissbrauch.79) 37 Zu unterscheiden sind letztlich strukturell drei Möglichkeiten der Treuepflichtbindung: Die Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der AG (vertikale Betrachtung, siehe unten Rz. 47 ff.), die Treuepflicht der Aktionäre untereinander (horizontale Betrachtung, siehe unten Rz. 49 f.) und – etwas abweichend begründet – die Treuepflicht der AG gegenüber ihren Aktionären (siehe unten Rz. 59). Ein unmittelbar gläubigerschützender Charakter ist der Treuepflicht richtigerweise nicht zuzubilligen.80) Abzugrenzen ist die hier erörterte gesellschaftsrechtliche Treuepflicht von der – erheblich strengeren – Treue- und Loyalitätspflicht der Organwalter innerhalb des Vorstands und Aufsichtsrats (vgl. hierzu §§ 93, 116).81) 2.
Dogmatische Grundlegung
38 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht lässt sich nicht auf § 242 BGB (Rechtsmissbrauch) stützen.82) Der Ausnahmecharakter von §§ 138, 826 BGB verbietet zudem, hierüber die mittlerweile auf die Treuepflicht gestützten Anwendungsfälle methodenehrlich zu stützen. Dogmatische Grundlagen für die Treuepflicht im Gesellschaftsrecht sind daher vielmehr – ähnlich § 53a (siehe oben Rz. 4) – die Mitgliedschaft im Personenverband
_____________ 77) Überblick zur historischen Entwicklung bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 37. 78) BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), ZIP 1988, 301; grundlegend Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105 ff. 79) Vgl. EuGH, Urt. v. 23.3.2000 – Rs. C-373/97 (Diamantis), AG 2000, 470, 472 = ZIP 2000, 663. 80) Teilw. abw. Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 67 ff. 81) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 113 ff. 82) So aber z. B. Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228; ebenso die Rspr., bei der Missbilligung missbräuchlichen Anfechtungsklagen; vgl. nur BGH, Urt. v. 22.5.1989 – II ZR 206/88 (Kochs/Adler), ZIP 1989, 980.
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Gleichbehandlung der Aktionäre
und die hieraus resultierende Zweckbindung.83) Aus beiden Aspekten resultiert bereits eine Vielzahl spezialgesetzlich ausgestalteter Rechte und Pflichten der Verbandsmitglieder. Diese sind jedoch im Hinblick auf die objektive Funktionsfähigkeit des Verbands und vor allem auch zur Verwirklichung eines sachgerechten (nicht überzogenen!) Minderheitenschutzes zumeist konkretisierungsbedürftig und teilweise auch lückenhaft.84) Insofern ist es notwendig und konsequent, das Konkretisierungsbedürfnis und die Lückenschließung durch eine systemkohärente Generalklausel zu befriedigen und mittels einer – ihrerseits konkretisierungsbedürftigen! – Treuepflichtbindung eine funktionsfähige Binnenorganisation der AG auszugestalten und fortzuentwickeln.85) Man kann insofern durchaus von einem „Treuepflicht-gestützten Aktienrecht“ sprechen.86) Ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist im Ausgangspunkt rein objektiv zu bestimmen; die – ggf. rechtlich zu missbilligenden – Motive der Beteiligten können jedoch bei der Interessenabwägung bedeutsam sein. 3.
Funktion
Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht wird vornehmlich herangezogen, wenn es darum 39 geht, das Verhalten der Aktionäre inhaltlich zu begrenzen, insbesondere bei der Ausübung ihrer Verwaltungsrechte (rechtsbegrenzende Funktion).87) Insofern geht es zumeist darum, Interessenkonflikte dahingehend zu bewältigen, dass man von den Aktionären eine besondere Loyalität zugunsten der AG oder ihrer Mitaktionäre einfordert. In diesem Sinne ist die Treuepflicht vor allem ein Instrument des Minderheitenschutzes. Darüber hinaus besteht jedoch auch die Möglichkeit, über die Treuepflicht konkrete 40 Handlungspflichten der Minderheit bis hin zum einzelnen Aktionär zu begründen.88) Dies zielt vornehmlich darauf ab, ein Blockadepotential bei unternehmerisch sinnvollen Entscheidungen im Gesellschaftsinteresse zu überwinden, wenn die hiermit verbundenen Folgen für die Treuepflichtgebundenen nicht gravierend sind.89) Dies muss jedoch wegen der allgemein im Zivilrecht geltenden Prämisse, dass Nichtstun keine (negativen) Wirkungen nach sich zieht, eine besonders stark begründungsbedürftige Ausnahme bleiben. Vgl. insoweit auch das Belastungsverbot gemäß § 180. Die Intensität der Treuepflichtbindung hängt nach einhelliger Ansicht auch von der Art 41 des ausgeübten Rechts ab, woraus folgendes Stufenverhältnis folgt:90) Die Treuepflichtbindung ist tendenziell strenger bei der Wahrnehmung der einem Gesellschafter aufgrund Gesellschaftsvertrages eingeräumten Verwaltungsbefugnisse innerhalb der Gesellschaftsorganisation, denn hierbei handelt es sich um uneigennützige Rechte. Dies betrifft insbesondere das Stimmrecht in der Hauptversammlung bei Grundlagenentscheidungen und im Bereich von § 119 Abs. 2 sowie das Anfechtungsrecht. Das Gesellschaftsinteresse hat _____________ 83) Zu den verschiedenen weiteren Erklärungsmustern – allgemeiner Grundsatz des Verbandsrechts, Teil der ungeschriebenen Legalordnung, Rechtsprinzip – vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 42, 46; Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 37 m. w. N; Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 52 ff. 84) Ähnlich Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 36 – Bedürfnis nach „situationsgebundenen Verhaltensanforderungen“. 85) Rechtsvergleichender Überblick bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 46. 86) So für Konzernlagen auch Zöllner, ZHR 162 (1998), 235. 87) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 38. 88) Henze/Notz in: GroßKomm-AktG, Anh. § 53a Rz. 82. 89) Grundlegend BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415; im Personengesellschaftsrecht auch BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, ZIP 2009, 2289 = NJW 2010, 65. 90) Einzelheiten bei K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 55, der jedoch zutreffend darauf hinweist, dass diese Kategorisierung oftmals nur einen „ersten Anhalt“ bietet.
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hier einen pflichtenbegründenden Vorrang gegenüber den Individualinteressen der Gesellschafter, was eine starke Treuepflichtbindung ermöglicht.91) Dies darf wegen der anerkennenswerten rationalen Apathie der Publikumsaktionäre jedoch nicht so weit reichen, dass die individuelle Abstimmung einer generellen Pflichtenkontrolle unterliegt.92) Schwächer ausgeprägt ist die Treuepflicht hingegen a priori bei der Wahrnehmung eigennütziger Mitgliedschaftsrechte, z. B. der Geltendmachung von Gewinnansprüchen oder dem Auskunftsrecht gemäß §§ 131, 132.93) Bei diesen Gesellschafterkompetenzen und -rechten besteht kein Vorrang der Zweckbindung, vielmehr ist die Verfolgung von Eigeninteressen grundsätzlich legitim. Die Treuepflicht kann aber auch hier wegen der Gesellschaftsbezogenheit der Rechte eine Schrankenfunktion aufweisen, insbesondere bei rücksichtslosem oder übermäßigem Vorgehen. Schließlich besteht eine aus der Zweckbindung resultierende Einschränkung der Handlungsfreiheit nur ausnahmsweise, wenn es um die Wahrnehmung außergesellschaftsrechtlicher Befugnisse geht. Beispiele hierfür sind Abschluss und Durchführung von Drittgeschäften sowie Wettbewerbsverbote. 4.
Anwendungsbereich
42 Die Treuepflicht gilt bereits bei der Vorgesellschaft94) und im Liquidationsstadium.95) Sie trifft nur die Aktionäre. Außenstehende können wegen der Grundlegung in der Mitgliedschaft (oben Rz. 38) nicht einbezogen werden.96) Die AG ist wie jeder Personenverband nach deutschem Recht kein konturenloses Netzwerk von Verträgen, bei denen aufgrund einer funktionalen Betrachtung die Grenzen zwischen shareholder und stakeholder verschwimmen.97) Über § 242 BGB lässt sich zur Kontrolle Dritter jedoch vielfach ebenso ein sachgerechtes Ergebnis begründen wie über die Treuepflicht, insbesondere beim Stimmrechtsvertreter.98) 43 Vormitgliedschaftliche Bindungen künftiger Aktionäre sind aus dem selben Grund abzulehnen.99) Umgekehrt ist es jedoch durchaus möglich, dass eine Treuepflichtbindung nach Verlust der Aktionärsstellung nachwirkt, insbesondere beim Wettbewerbsverbot. Eine Treuepflichtbindung sog. mittelbarer Gesellschafter, insbesondere Treugeber, kommt ebenfalls nicht in Betracht;100) wohl aber ist es umgekehrt möglich, bei der Treuepflichtbindung des Aktionärs – Treuhänder, Strohmann – die Stellung und die Absichten des Hintermannes miteinzubeziehen. Beim Alleinaktionär scheidet eine Treuepflichtbindung
_____________ 91) Grundlegend RG, Urt. v. 27.1.1940 – II 151/39, RGZ 163, 35 – für die Personengesellschaften, jedoch verallgemeinerungsfähig. 92) So auch Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 53; zum kollektiven Desinteresse und dem hieraus resultierenden Prinzip der Abstimmungsfreiheit allgemein Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 196 ff. 93) Vgl. zu Letzterem LG München I, Beschl. v. 28.5.2010 – 5 HK O 14307/07, ZIP 2010, 2148. 94) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 53. 95) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.2.1994 – 6 U 44/93, NJW-RR 1995, 420. 96) BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415; zur Treuepflicht im Konzern ausführlich Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 59 ff.; Zöllner, ZHR 162 (1998), 235; Tröger, Treupflicht im Konzern. 97) Abw. Ansätze unter Rückgriff auf die US-amerikanische Literatur bei Eidenmüller, JZ 2001, 1041. 98) Abw. für eine Einbeziehung in die Treuepflicht aber Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 184; Rose, Stimmrechtsvertretung und Haftung in der Aktiengesellschaft. 99) Fleischer, NZG 2000, 561, 563; abw. Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen. 100) Abw. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 51.
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nach zutreffender Ansicht aus; die Verwirklichung des Gläubigerschutzes muss anderweitig begründet werden.101) 5.
Treuepflicht der Mehrheit
a)
Allgemeines
Dass der Mehrheitsaktionär einer Treuepflicht gegenüber der AG und der Minderheit 44 unterliegt, ist heute dem Grunde nach allgemein anerkannt.102) Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass es sich um eine bewegliche Schranke der Mehrheitsmacht handelt, deren Reichweite nicht rechtssicher begrenzbar ist und daher nach wie vor viel Raum für die gerichtliche Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit bietet, vor allem auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Der hiermit verbundenen Rechtsunsicherheit kann letztlich nur durch eine überzeugende Argumentation im Einzelfall begegnet werden, die darlegt, dass die Mehrheit die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der Minderheit ohne Treuepflichtbindung nicht mehr gewährleisten würde. Im Kern geht es hierbei nicht zwingend darum, die konkrete Minderheit zu schützen 45 (Individualschutz). Die Treuepflicht der Mehrheit verwirklicht vielmehr auch einen objektiven Funktionenschutz. Damit das Vertrauen der (potentiellen) Anleger insgesamt in die Aktienanlage gestärkt wird, kann unabhängig von der konkreten Schutzbedürftigkeit der aktuell vorhandenen Minderheitsaktionäre nicht jedes rücksichtslose Verhalten innerhalb der AG als kapitalmarktoffenem Verband zugelassen werden.103) Zur hiermit verbundenen Frage der Gestaltungsfreiheit bei der Treuepflicht unten Rz. 58. Umgekehrt betrachtet, ist es i. R. der Treuepflicht der Mehrheit auch nicht notwendig, dem 46 oder den einzelnen, die Beschlussfassung durch ihre Stimmabgabe herbeiführenden Aktionären ein konkretes Fehlverhalten vorzuwerfen. Insbesondere i. R. der materiellen Beschlusskontrolle (unten Rz. 48) kann auch die Zufallsmehrheit einer Treuepflichtbindung unterliegen, mithin das Beschlussergebnis eine rechtliche Missbilligung erfahren, ohne dass die Einzelnen pflichtwidrig oder gar schuldhaft gehandelt hätten.104) In der Praxis dürfte dies jedoch die Ausnahme sein, so dass die Treuepflicht der Mehrheit regelmäßig die rechtliche Missbilligung des konkreten Verhaltens eines wirkungsmächtigen Großaktionärs oder einer entsprechenden Aktionärsgruppe (Stimmbindung, acting in concert) ist. b)
Treuepflicht gegenüber der AG
Die AG hat kein von ihren Aktionären emanzipiertes Eigeninteresse. Wenn es allgemein 47 heißt, dass die Mehrheit sich aufgrund der Treuepflicht nicht rücksichtslos über das im Gesellschaftszweck aggregierte gemeinsame Interesse am Erfolg der AG hinwegsetzen darf,105) werden hierüber letztlich allein die Interessen der Minderheit geschützt.106) Gleich_____________ 101) Vgl. zur GmbH – BGH, Urt. v. 28.9.1992 – II ZR 299/91, ZIP 1992, 1734; K. Schmidt/LutterFleischer, AktG, § 53a Rz. 51; abw. Burgard, ZIP 2002, 827, 833 ff.; ebenso Grigoleit, unter Rückgriff auf das sog. „dezentrale Gewinnziel“, was de lege lata kaum der Konzeption des auf Privatautonomie und Selbstregulierung beruhenden Personenverbandes entspricht – vgl. hierzu Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 15 ff. 102) Zur Treuepflicht gegenüber der AG bereits RG, Urt. v. 22.1.1935 – II 198/34 RGZ 146, 385; BGH, Urt. v. 9.6.1954 – II ZR 70/55, BGHZ 14, 25; zur Treuepflicht gegenüber den Mitaktionären grundlegend BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), ZIP 1988, 301; zuvor bereits Zöllner, S. 335; Lutter, JZ 1976, 225. 103) Hierzu ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 183 ff. 104) Hüffer in: FS Heinsius, S. 337, 350; dies offenlassend BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415. 105) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 53a Rz. 49. 106) Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 183.
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Gleichbehandlung der Aktionäre
wohl erfolgt die dogmatische Konstruktion dieses Schutzes „übers Eck“, indem zu fragen ist, ob das konkret in Rede stehende Verhalten der Gesellschaftermehrheit mit dem im Gesellschaftszweck vereinten gemeinsamen Interesse korrespondiert oder nicht. Insofern ist die Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der AG untrennbar mit der Zweckbindung des Aktionärsverhaltens verbunden. Sofern sich bereits im Verhältnis zwischen Mehrheitsaktionär und AG über die Treuepflicht sachgerechte Ergebnisse erzielen lassen, die reflexiv die Minderheit ausreichend schützen, besteht für die Heranziehung der Treuepflicht gegenüber der Minderheit (horizontale Betrachtung, siehe sogleich Rz. 49 f.) kein Bedarf. Die Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der AG hat somit einen Vorrang gegenüber der Treuepflicht der Aktionäre untereinander. In der bisherigen Rechtsprechung und Literatur wird dies nicht hinreichend deutlich. 48 Der über die Treuepflicht ermöglichte Minderheitenschutz variiert je nachdem, auf welches Recht sich die Mehrheit bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen berufen kann (zur Differenzierung von eigennützigen und uneigennützigen Rechten siehe oben Rz. 41). Die bisher von der Rechtsprechung beurteilten Fälle ergeben folgende Kasuistik für eine Kontrolle der Mehrheitsmacht anhand der Treuepflicht gegenüber der AG: –
Auflösungsbeschluss;107)
–
Kapitalherabsetzung;108)
–
Wettbewerbsverbot des Mehrheitsaktionärs;109)
–
Wahl des Abschlussprüfers;110)
–
Entlastung des Vorstands;111)
–
Festsetzung einer Abfindung.112)
Letztlich auf der Treuepflicht beruhend, jedoch nahezu ein geschlossenes System für die Beurteilung der beweglichen Schranken der Mehrheitsmacht, ist die materielle Beschlusskontrolle. Hiernach werden bestimmte Hauptversammlungsbeschlüsse – insbesondere beim Bezugsrechtsausschluss113) – auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit hin untersucht, um hierüber einen gesetzlich nicht ausreichend bedachten Minderheitenschutz zu gewährleisten (Einzelheiten bei § 243). c)
Treuepflicht gegenüber der Minderheit
49 Lässt sich der gebotene Funktions- und Minderheitenschutz nicht über eine Verletzung der Treuepflicht gegenüber der AG begründen (oben Rz. 47 f.), besteht subsidiär auch die Möglichkeit, die Mehrheitsmacht durch ein Gebot zur Rücksichtnahme unmittelbar gegenüber den Mitaktionären einzuschränken (horizontale Betrachtung).114) Im Kern geht es hierbei darum, die Auswirkungen einer Maßnahme auf die individuellen, gesell_____________ 107) 108) 109) 110) 111) 112) 113) 114)
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BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), ZIP 1988, 301. BGH, Urt. v. 5.7.1999 – II ZR 126/98 (Hilgers), ZIP 1999, 1444. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 56. BGH, Urt. v. 23.9.1991 – II ZR 189/90, AG 1992, 58; BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (HypoVereinsbank) ZIP 2003, 290. BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (Macrotron), ZIP 2003, 387. Vgl. zu § 305 LG Berlin, Urt. v. 13.11.1995 – 99 O 126/95, AG 1996, 230, 232. Vgl. Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 186 Rz. 40 ff. Grundlegend BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), ZIP 1988, 301; zuvor bereits Zöllner, S. 335; Lutter, JZ 1976, 225; aus der Rspr. weiterhin BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415; BGH, Entsch. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (IBH), ZIP 1988, 301; BGH, Urt. v. 5.7.1999 – II ZR 126/98 (Hilgers), ZIP 1999, 1444.
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Gleichbehandlung der Aktionäre
schaftsbezogenen Belange der Mitaktionäre zum Gegenstand einer umfassenden Interessenabwägung zu machen. Der über die Treuepflicht ermöglichte Minderheitenschutz variiert auch hier, je nachdem, 50 auf welches Recht sich die Mehrheit bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen berufen kann (zur Differenzierung von eigennützigen und uneigennützigen Rechten oben Rz. 41). Der praktische Bedarf für die Treuepflicht gegenüber der Minderheit dürfte jedoch wegen des Vorrangs der Treuepflichtkontrolle im Verhältnis zur AG gering sein, zumal bei der horizontalen Betrachtung regelmäßig auch der Gleichbehandlungsgrundsatz adäquate Lösungen bietet. 6.
Treuepflicht der Minderheit
Die Treuepflicht der Minderheit ist auch bei der AG allgemein anerkannt.115) Im Prinzip 51 muss auch hier differenziert werden zwischen der Treuepflicht gegenüber der AG (vertikale Betrachtung) und der Treuepflicht gegenüber den Mitaktionären (horizontale Betrachtung). In Rechtsprechung und Literatur wird jedoch vornehmlich Letztere erörtert und ggf. bejaht, was wegen des bereits bei der Treuepflicht des Mehrheitsaktionärs erörterten Vorrangs der vertikalen Betrachtung nicht überzeugt (oben Rz. 47). Rücksichtsloses Verhalten in Form einer Blockade muss vielmehr auch bei der Minderheit vorrangig anhand der Zweckbindung gegenüber der AG bewertet werden. Letztlich wurde dies in der Girmes-Entscheidung auch anerkannt, freilich vordergründig auf die Treuepflicht gegenüber der Mehrheit gestützt. Die Minderheit unterliegt daher nicht etwa Zustimmungspflichten, um die Interessen der Mehrheit zu wahren. Dies ist vielmehr erforderlich, damit das überindividuelle Gesellschaftsinteresse verwirklicht werden kann. Weiterhin gilt wie bei der Kontrolle der Mehrheitsmacht, dass eine treuepflichtgestützte 52 Korrektur des Verhaltens der Minderheit nicht zwingend einen einzelnen Gesellschafter oder eine durch Stimmbindungsvertrag oder lose Abstimmung (acting in concert) gekennzeichnete Aktionärsgruppe116) mit entsprechender Sperrminorität trifft. Auch die Zufallsblockade, d. h. die weder rechtlich noch tatsächlich konzertierte Ablehnung durch die betreffenden Aktionäre, ermöglicht es, das Beschlussergebnis durch entsprechende Zustimmungspflichten bzw. die Irrelevanz der ablehnenden Stimmen unter dem Aspekt der Treuepflicht zu korrigieren (zu den Rechtsfolgen im Einzelnen unten Rz. 54 ff.).117) Dies rechtfertigt sich durch die Notwendigkeit der Treuepflicht als objektive Funktionsvoraussetzung für eine auch für uninformierte Anleger attraktive Aktienanlage. Immerhin wird hierüber das Risiko von Fehlentscheidungen minimiert, was letztlich allen (potentiellen) Aktionären nützt.118) Hiervon abzugrenzen ist freilich die Frage, ob sich auch diese bloß im Beschlussergebnis vereinten Aktionäre schadensersatzpflichtig machen, was regelmäßig zu verneinen ist. Die Anforderungen, dass eine nach dem Vorgesagten als Minderheit zu charakterisierende 53 Aktionärsgruppe sich treuepflichtwidrig verhält, sind sehr hoch – und wegen des gerade auf die nur kapitalmäßig beteiligten Publikumsaktionäre zugeschnittenen Prinzips der Abstimmungsfreiheit119) auch viel höher als für die Aktionärsmehrheit. Allgemein gilt in Anlehnung an die vom BGH in der Girmes-Entscheidung aufgestellte Formel, dass eine _____________ 115) Grundlegend BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415; zur Entwicklung K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 49. 116) Hierzu BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415. 117) So auch K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 50; abw. wohl Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 158; die Frage offenlassend BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415. 118) Hierzu ausführlich unter Betonung der Vorstandsverantwortung Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 183 ff. 119) Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 219 ff.
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Gleichbehandlung der Aktionäre
Treuepflichtbindung der Minderheit mit den korrespondierenden Rechtsfolgen nur dann angenommen werden kann, wenn dies für den Fortbestand der AG notwendig ist und die negativen Folgen dieser Bindung für die Minderheit in einem angemessenen Verhältnis stehen.120) Der der ökonomischen Theorie entlehnten Vorgabe, die Aktionäre dürften infolge der Treuepflichtbindung nicht schlechter gestellt werden,121) ist nicht zu folgen.122) Im Einzelfall muss es auch Raum geben, eine Schlechterstellung der Minderheitsaktionäre zum Wohl der AG zu rechtfertigen. 7.
Rechtsfolgen bei Verletzung der Treuepflicht
54 Die Rechtsfolgen bei Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sind auf die betreffenden Maßnahmen abzustimmen. a)
Beschlussanfechtung
55 Treuepflichtwidrige Hauptversammlungsbeschlüsse sind gemäß § 243 Abs. 1 anfechtbar.123) Bei der dogmatischen Begründung dieses Ergebnisses ist jedoch zu differenzieren: Beruht der Treuepflichtverstoß auf einem individuell vorwerfbaren Abstimmungsverhalten, ist bereits die einzelne Stimmabgabe treuepflichtwidrig, was eine Nichtberücksichtigung dieser Stimmen für das Beschlussergebnis nach sich zieht.124) Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn eine gefestigte Aktionärsmehrheit oder -minderheit aus rechtlich zu missbilligenden Motiven rücksichtslos handelt. Der Beschluss ist in solchen Fällen regelmäßig nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen. In den Fällen, in denen jedoch bereits der Beschlussinhalt als solches rechtlich zu missbilligen ist, vor allem bei der materiellen Beschlusskontrolle (siehe oben Rz. 48), gelangt man auch ohne Rückgriff auf das individuelle Abstimmungsverhalten Einzelner zur Anfechtbarkeit. Bestehen ausnahmsweise Zustimmungspflichten, kann die Beschlussmängelklage mit einem Antrag auf positive Beschlussfeststellung verbunden werden.125) Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf die Treuepflichtwidrigkeit einer Maßnahme beruft, regelmäßig also den Aktionär. Wegen seiner materiellen Beschlussverantwortung ist jedoch auch der Vorstand verpflichtet, über § 245 Nr. 4 gegen den rechtswidrig gefassten Beschluss vorzugehen.126) b)
Unterlassungsansprüche
56 Bei sonstigem Handeln begründet die Treuepflicht vor allem auch Unterlassungsansprüche, insbesondere bei Verletzung eines Wettbewerbsverbots.127) Diese Ansprüche können im Wege der actio pro socio auch von einzelnen Aktionären durchgesetzt werden.128) Man sollte jedoch überlegen, die §§ 147 f. hierauf entsprechend anzuwenden. Eine missbräuch-
_____________ 120) Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 23.7.2003 – 20 U 5/03, AG 2003, 588, 590 = ZIP 2003, 2024. 121) Kritische Auseinandersetzung mit der rechtlichen Bedeutung von Pareto-Effizienz und Kaldor-/HicksKriterium im deutschen Recht bei Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 265 ff. 122) So aber letztlich BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415. 123) Grundlegend BGH, Urt. v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 (Linotype), ZIP 1988, 301; abw. für Nichtigkeit gläubigerschädigender Beschlüsse Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 75. 124) OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.1999 – 20 U 59/99, AG 2000, 369, 371; BGH, Urt. v. 9.11.1987 – II ZR 100/87, ZIP 1988, 22, 24 – zur GmbH. 125) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 64. 126) Einzelheiten bei Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 330 ff. 127) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 69. 128) Hüffer, AktG, § 53a Rz. 19.
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liche, d. h. treuepflichtwidrig erhobene Anfechtungsklage, ist unbegründet.129) Der betreffende Aktionär macht sich ggf. gegenüber der AG Schadensersatzpflichtig.130) c)
Schadensersatz
Schadensersatzansprüche einzelner Aktionäre gegenüber der AG bzw. den Mitaktionären 57 sind über § 280 BGB grundsätzlich denkbar.131) Insofern ist jedoch heftig umstritten, welcher Verschuldensmaßstab hierfür gilt. Während einige sich für die Geltung der allgemeinen zivilrechtlichen Regeln gemäß § 276 BGB aussprechen,132) wird überwiegend eine Beschränkung der Haftung auf Vorsatz133) bzw. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vertreten.134) Letzterem ist zu folgen. Die Haftung bereits für leichte Fahrlässigkeit würde die Funktionsfähigkeit der AG zu sehr lähmen, weil die Aktionäre stets eine Haftung befürchten müssten (vgl. auch § 708 BGB).135) Die Beschränkung auf eine Vorsatzhaftung überzeugt nicht, weil es anders als gemäß § 117 Abs. 7 Nr. 1 a. F. hierfür keine Stütze im Gesetz gibt und die Hürde für eine effektive, d. h. abschreckende Schadensersatzhaftung wegen der Beweisprobleme zu hoch läge. Die Aktionäre haften daher bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Insofern gilt die Beweislastregel gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB.136) Die Aktionäre müssen sich daher bei erwiesener Pflichtwidrigkeit exkulpieren. Die Beschlussanfechtung hat regelmäßig Vorrang vor der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.137) Auch können Aktionäre nur solche Schäden ersetzt verlangen, die nicht bereits eine Änderung des Gesellschaftervermögens hervorgerufen haben (Reflexschadensproblematik). Vgl. zur Schadensersatzhaftung in diesem Kontext auch auch § 117. 8.
Gestaltungsfreiheit
Sieht man wie hier in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ein objektives Struktur- 58 prinzip der AG, welches ihre Attraktivität für künftige Anleger ausmacht, ist es konsequent, dass gemäß § 23 Abs. 5 eine Abbedingung der Treuepflichtbindung unzulässig ist.138) Dies gilt gleichermaßen für eine Abbedingung im Einzelfall (str.).139) Eine – deklaratorische – Aufnahme der Treuepflichtbindung in die Satzung ist zulässig; etwas anderes gilt aber, wenn die Satzungsregelung geeignet ist, die Treuepflicht bereits dem Anschein nach inhaltlich zu verändern.140)
_____________ 129) BGH, Urt. v. 15.6.1992 – II ZR 173/91, ZIP 1992, 1392; zur Unzulässigkeit einer missbräuchlich erhobenen Nichtigkeitsklage aber OLG Stuttgart, Urt. v. 10.1.2001 – 20 U 91/99, AG 2001, 315, 316 = ZIP 2001, 650; zum Ganzen Szalai, DStR 2008, 358. 130) Vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 20.10.2010 – 11 U 127/09, WM 2011, 409. 131) Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 76. 132) Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 78, unter Hinweis auf eine rollenspezifische Anpassung von § 276 BGB, was letztlich ebenfalls auf eine Beschränkung der Fahrlässigkeitshaftung hinausläuft. 133) Für die Stimmabgabe BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415. 134) Wohl Hüffer AktG, § 53a Rz. 21; Überblick über das Meinungsspektrum bei K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 70 m. w. N. 135) Zur Abstimmungsfreiheit ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 219 ff. 136) Grigoleit-Grigoleit, AktG, § 1 Rz. 76. 137) BGH, Urt. v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 (Girmes), ZIP 1995, 1415. 138) So auch Hüffer, AktG, § 53a Rz. 18. 139) A. A. Hüffer, AktG, § 53a Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 60. 140) Zum Ganzen Kindler in: FS Spiegelberger, S. 778, 784 ff.
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§ 54 IV.
Hauptverpflichtung der Aktionäre Treuepflicht der AG
59 Auch die AG unterliegt einer Treuepflicht gegenüber ihren Aktionären. Diese zielt darauf, die effektive Wahrnehmung der Gesellschafterrechte zu ermöglichen.141) Der praktische Anwendungsbereich dürfte wegen des weitgehend durchorganisierten Binnenrechts jedoch gering sein, insbesondere wenn es um die Informationsgewährung geht. In Extremfällen kann sich jedoch aus der Treuepflicht der AG ein außerordentliches Informationsrecht ergeben, z. B. i. R. einer due diligence im Vorfeld der Aktienveräußerung.142) _____________ 141) Vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1994 – II ZR 248/92 (BMW), ZIP 1994, 1597. 142) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 53a Rz. 170 f.
§ 54 Hauptverpflichtung der Aktionäre (1) Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt. (2) Soweit nicht in der Satzung Sacheinlagen festgesetzt sind, haben die Aktionäre den Ausgabebetrag der Aktien einzuzahlen. (3) 1Der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag kann nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln oder durch Gutschrift auf ein Konto bei einem Kreditinstitut oder einem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Gesetzes über das Kreditwesen tätigen Unternehmen der Gesellschaft oder des Vorstands zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden. 2Forderungen des Vorstands aus diesen Einzahlungen gelten als Forderungen der Gesellschaft. (4) 1Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. 2Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein. Literatur: Siehe auch die Literaturhinweise zu §§ 36–37; Becker, Aktienrechtliches und handelsrechtliches Agio, NZG 2003, 510; Heinsius, Kapitalerhöhung bei der Aktiengesellschaft gegen Geldeinlagen und Gutschrift der Einlagen auf einem Konto der Gesellschaft bei der Emissionsbank, in: Festschrift für Hans-Joachim Fleck, 1988, S. 89; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaftern, 1991; Lüssow, Das Agio in GmbH- und Aktienrecht, 2005; Priester, Schuldrechtliche Zusatzleistungen bei Kapitalerhöhung im Aktienrecht, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 467; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, 2008; Servatius, Die besondere Zweckbindung des Stammkapitals bei Drittgeschäften mit Gesellschaftern, DStR 2004, 1176; Thiessen, Zur Neuregelung der Verjährung im Handels- und Gesellschaftsrecht, ZHR 168 (2004), 503; Voigt, Leistung der Hafteinlage des Kommanditisten in einer Fremdwährung, N2G 2008, 933; Weitnauer, Der Beteiligungsvertrag, NZG 2001, 1065; Wolany, Voreinzahlungen auf Aktien, AG 1966, 79.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ........................................ 1 II. Die Einlagepflicht (§ 54 Abs. 1) ...... 2 1. Schuldner ............................................ 2
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2. Gläubiger ............................................. 3 3. Höhe ................................................... 4 a) Ausgabe zum Nennbetrag ........... 5 b) Überpariemission ......................... 6
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Hauptverpflichtung der Aktionäre c) Schuldrechtliches Agio ................ 7 4. Nachschusspflicht .............................. 9 III. Vorrang der Bareinlage (§ 54 Abs. 2) ..................................... 11 IV. Erfüllung der Einlagepflicht (§ 54 Abs. 3) ..................................... 12 1. Regelungsbereich .............................. 12 2. Leistungsmodalitäten ....................... 14 I.
a) Barzahlung oder Kontogutschrift .................................... b) Zur freien Verfügung des Vorstands ............................. c) Rechtsfolgen bei Verstößen ...... d) Beweislast ................................... V. Verjährung der Einlagepflicht (§ 54 Abs. 4) .....................................
14 17 19 20 21
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Regelung gehört trotz ihrer systematischen Stellung zum Recht der Kapitalaufbrin- 1 gung; sie gilt auch bei einer Kapitalerhöhung. § 54 Abs. 1 begrenzt die Einlagepflicht der Aktionäre bei Übernahme von Aktien auf den Ausgabebetrag. Es besteht daher auch bei der AG keine Nachschusspflicht. § 54 Abs. 2 begründet den Vorrang der Bareinlage, d. h. auf die übernommenen Aktien ist eine entsprechende Geldleistung zu entrichten, soweit nicht zulässig eine Sacheinlage vereinbart wurde. § 54 Abs. 3 nennt Modalitäten für die Erbringung der Bareinlagen und sichert so die reale Kapitalaufbringung. § 54 Abs. 4 regelt die Verjährung von Einlageforderungen. II.
Die Einlagepflicht (§ 54 Abs. 1)
1.
Schuldner
Schuldner der Einlagepflicht i. S. von § 54 sind die Aktionäre gemäß ihrer jeweiligen 2 Aktienübernahme (§ 23 Abs. 2 Nr. 2) bzw. bei der Kapitalerhöhung gemäß der Zeichnung (vgl. § 185). Steht eine Aktie mehreren gemeinschaftlich zu, haften sie gemäß § 69 Abs. 2 als Gesamtschuldner. Die Einlagepflicht ist untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden (Abspaltungsverbot, vgl. § 8 Abs. 5). Wird die Aktie übertragen, schuldet der Erwerber die hierin verkörperte Leistung (vgl. zur Zahlungspflicht früherer Aktieninhaber § 65).1) Eine Ausfallhaftung der Mitaktionäre gibt es abweichend von der GmbH (vgl. § 24 GmbHG) nicht. 2.
Gläubiger
Gläubiger der Mindesteinlagen bei Gründung ist die Vor-AG;2) § 54 Abs. 3 Satz 2 ist 3 wegen der heute anerkannten Rechtsfähigkeit der Vor-AG überholt. Die Resteinlagen bzw. die Leistung für die Übernahme von Aktien i. R. einer Kapitalerhöhung sind an die AG zu leisten. § 188 Abs. 2 Satz 2 stellt dies für die Kapitalerhöhung ausdrücklich klar. Eine Abtretung der Einlageforderung durch die AG ist möglich, nach zutreffender h. M. jedoch nur gegen den Erhalt einer vollwertigen Gegenleistung (Einzelheiten siehe bei § 66 Rz. 9). Zum Verbot der schuldbefreienden Leistung an Dritte gemäß § 54 Abs. 3 siehe unten Rz. 16.
_____________ 1) 2)
Ausführlich zur beschränkten Möglichkeit des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs von Aktien Spindler/ Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 13 ff. Vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, ZIP 2006, 2267.
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§ 54 3.
Hauptverpflichtung der Aktionäre Höhe
4 § 54 Abs. 1 begrenzt die Einlagepflicht der Aktionäre aus der Aktienübernahme (§ 23 Abs. 2 Nr. 2) bzw. Zeichnung (§ 185) auf den Ausgabebetrag. Hierbei sind verschiedene Gestaltungen zu unterscheiden: a)
Ausgabe zum Nennbetrag
5 Im gesetzlichen Regelfall ist der Ausgabebetrag der Nennbetrag bzw. bei Stückaktien der auf die einzelne Stückaktie entfallende anteilige Betrag am Grundkapital (sog. geringster Ausgabebetrag, vgl. § 9 Abs. 1). Die Aktienausgabe zu einem niedrigeren Betrag (Unterpari-Emission) ist unzulässig.3) Als Mindesteinlage ist auf den geringsten Ausgabebetrag – soweit keine Sacheinlagen festgesetzt sind – gemäß §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1 bereits vor der Registereintragung der AG mindestens ein Viertel zu leisten; bei der Kapitalerhöhung gilt dies gleichermaßen.4) Die geleistete Einlage ist gemäß § 266 Abs. 3 A. I. HGB als „gezeichnetes Kapital“ zu passivieren; ausstehende Resteinlagen sind hiervon gemäß § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB offen abzusetzen. Die nicht geleisteten Resteinlagen werden gemäß § 63 Abs. 1 fällig; auf sie kann die AG nicht verzichten (§ 66). b)
Überpariemission
6 Ein höherer Ausgabebetrag (sog. korporatives Agio) kann bei der Gründung einvernehmlich festgesetzt werden bzw. im Kapitalerhöhungsbeschluss (vgl. § 182 Abs. 3). Hierzu besteht regelmäßig beim Bezugsrechtsausschluss ein Bedürfnis (vgl. § 255 Abs. 2). Wurde ein höherer Ausgabebetrag vereinbart, haben die betreffenden Gründer bzw. Zeichner aufgrund ihrer gewollten Beteiligung diesen zwingend zu leisten (§ 66). Für die Mindesteinlagen vor Eintragung gilt jedoch eine gespaltene Lösung: Während der auf den geringsten Ausgabebetrag anfallende Teil gemäß §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1 nur zu einem Viertel einzuzahlen ist, wird das korporative Agio gemäß § 36a Abs. 1 sofort vollständig fällig. Der den geringsten Ausgabebetrag übersteigende Teil der Einlage wird gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB in die Rücklagen eingestellt und unterliegt gemäß § 150 besonderen Ausschüttungssperren. c)
Schuldrechtliches Agio
7 Die Gründer bzw. Zeichner können darüber hinaus auch vereinbaren, dass Zuzahlungen aufgrund einer besonderen Abrede an die Gesellschaft zu leisten sind (sog. schuldrechtliches Agio).5) Eine gesetzliche Pflicht hierzu besteht gemäß § 54 Abs. 1 nicht. Bilanziell handelt es sich hierbei – sofern gewollt – um Leistungen in das Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Es kann sich hierbei jedoch auch um eine Darlehensgewährung handeln (sog. gesplittete Einlagen). Der Eigenkapitalcharakter solcher Leistungen darf nicht unterstellt werden, selbst wenn die Regelung in die Satzung aufgenommen wurde (Gefahr der unzulässigen Fiktion!).6) Derartige Abreden sind gemäß §§ 133, 157 BGB subjektiv auszulegen.7) _____________ 3) 4) 5) 6) 7)
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Vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 29.10.1999 – 11 U 71/99, AG 2000, 326, 327. Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 188 Rz. 42 ff. Eingehend Lüssow, Das Agio in GmbH- und Aktienrecht; vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 54 Rz. 17 f. und 29 ff. Eingehend Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 411 ff.; zur freiwilligen Dotierung der Rücklagen gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB durch solche Leistungen Weitnauer, NZG 2001, 1065, 1067. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 33, möglicherweise abw. jedoch bei Rz. 37; Hüffer AktG, § 54 Rz. 8.
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§ 54
Hauptverpflichtung der Aktionäre
Auch eine (zwingende) gesetzliche Umqualifizierung derartiger Versprechen oder Leis- 8 tungen in gebundenes Eigenkapital findet außerhalb der Insolvenz richtigerweise nicht statt (vgl. insofern auch § 57 Abs. 1 Satz 4). Hieraus folgt, dass die gesetzlichen Kapitalaufbringungsregeln und das Verbot der Einlagenrückgewähr nur (zur Lückenfüllung entsprechend) gelten, wenn die Parteien den hierfür notwendigen Eigenkapitalcharakter auch wollten.8) Lediglich in der Insolvenz der AG kommt es zum Nachrang sämtlicher Gesellschafterleistungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Einzelheiten siehe bei Anhang § 57 Rz. 8 ff. Der Praxis ist wegen der unterschiedlichen Behandlung der Gesellschafterbeiträge dringend zu raten, für die haftungsmäßige Widmung solcher besonderer Gesellschafterleistungen klare Regelungen zu treffen.9) 4.
Nachschusspflicht
§ 54 Abs. 1 schließt wie allgemein im Gesellschaftsrecht Nachschusspflichten aus. Die Ak- 9 tionäre dürfen auch nicht zu „freiwilligen Leistungen“ genötigt werden.10) Das Nachschussverbot gilt auch dann, wenn die Aktionäre aufgrund der Treuepflicht zur Zustimmung zu überlebenswichtigen Strukturmaßnahmen verpflichtet sind (§ 53a Rz. 51 ff.). Zur Beteiligung an einer Kapitalerhöhung durch die Zuführung neuen Kapitals kann daher niemand gezwungen werden. Hiervon unberührt bleibt die – privatautonom getroffene – rechtsgeschäftliche Verein- 10 barung zusätzlicher Leistungen unter Zustimmung der hieraus Verpflichteten (vgl. bei der nachträglichen Einführung auch § 180 Abs. 1). Insofern besteht weitgehend Gestaltungsfreiheit. Es ist wegen § 23 Abs. 5 lediglich unzulässig, eine echte, d. h. formal mit der Einlagepflicht i. S. von § 54 Abs. 1 gleichzustellende Nachschusspflicht zu vereinbaren.11) Möglich und wirtschaftlich weitgehend ähnlich ist es jedoch, auf schuld- oder gesellschaftsrechtlicher Ebene hiervon abzugrenzende Leistungspflichten zu vereinbaren. Diese können aufgrund der entsprechenden Abrede als Eigenkapital gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 oder 4 HGB zu bilanzieren sein oder Fremdkapitalcharakter haben (siehe oben Rz. 7 f.). Zulässig ist auch die Vereinbarung von Nebenverpflichtungen i. S. von § 55 (Einzelheiten dort). III.
Vorrang der Bareinlage (§ 54 Abs. 2)
Nach § 54 Abs. 2 besteht bei der Übernahme bzw. Zeichnung von Aktien grundsätzlich 11 eine Geldzahlungspflicht, soweit nicht wirksam eine Sacheinlage vereinbart wurde. Die Regelung entspricht insoweit § 27 Abs. 1 Satz 1. Die Bedeutung der Vorschrift ist gering, denn der praktisch wichtige Fall der verdeckten Sacheinlage ist nunmehr in § 27 Abs. 3 geregelt. Der Vorrang der Bareinlage ist damit vor allem eine zwingende Auslegungsregel, wenn es – im wohl nur theoretischen Fall – zum Streit kommt, was der Aktionär genau schuldet. Über § 54 Abs. 2 wird insofern eine Lücke geschlossen, so dass für eine Nichtigkeit der Zeichnung wegen fehlender Willensübereinstimmung im Hinblick auf den Leistungsgegenstand kein Raum besteht. Darüber hinaus ist der in § 54 Abs. 2 verankerte Vorrang der Bareinlage bedeutsam, wenn es Schwierigkeiten gibt, die wirksam festgesetzte
_____________ 8) Zutreffend OLG München, Urt. v. 27.9.2006 – 7 U 1857/06, WM 2007, 123, 126; vgl. zum Unterschied zwischen gesetzlicher und rechtsgeschäftlicher Umqualifizierung grundlegend BGH, Urt. v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, ZIP 1999, 1263 = DStR 1999, 1198 – am Beispiel des Finanzplankredits. 9) So auch Hüffer, AktG, § 54 Rz. 7. 10) RG, Urt. v. 15.10.1902 – I 131/02 RGZ 52, 287; RG, Urt. v. 18.9.1912 – I 72/12 RGZ 80, 81. 11) RG, Urt. v. 19.3.1926 – II 412/25 RGZ 113, 152; für den Fall der nachträglichen Einführung auch BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2094.
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§ 54
Hauptverpflichtung der Aktionäre
Sacheinlage zu erfüllen. Im Fall der Nicht- oder Schlechtleistung der Sacheinlage kann die AG hiernach subsidiär Geldzahlung verlangen.12) IV.
Erfüllung der Einlagepflicht (§ 54 Abs. 3)
1.
Regelungsbereich
12 § 54 Abs. 3 konkretisiert die Anforderungen an die Leistung des eingeforderten Betrages i. S. von §§ 36 Abs. 2, 36a Abs. 1. Dieser beinhaltet bei Gründung zwingend die Mindesteinlagen (ein Viertel des Mindestausgabebetrags sowie das korporative Agio), kann jedoch auch höher liegen (Einzelheiten bei §§ 36, 36a). Für die Kapitalerhöhung gilt dies entsprechend. Wird der eingeforderte Betrag – fälschlich! – erst nach Eintragung geleistet, gilt § 54 Abs. 3 gleichermaßen.13) 13 Auf die über §§ 36 Abs. 2, 36a hinausgehenden Resteinlagen (vgl. § 63 Abs. 1) ist die Regelung ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar, was rechtspolitisch zu kritisieren ist. Richtigerweise sollte das hierin angelegte Gebot der realen Kapitalaufbringung zumindest für das Merkmal der freien Verfügbarkeit des Vorstands umfassend gelten (str.).14) Dies dürfte den Kapitalschutz auch nicht über Gebühr erweitern, da es innerhalb des Gebots der realen Kapitalaufbringung mittlerweile erhebliche Liberalisierungen von der buchstabengetreuen Anwendung gibt (Aufgabe des Gebots wertgleicher Deckung, Vorleistungen, Hin- und Herzahlen etc.). Auf die Erbringung von Sacheinlagen ist § 54 Abs. 3 nicht anwendbar; das Merkmal der freien Verfügbarkeit gilt richtigerweise analog § 7 Abs. 3 GmbHG jedoch auch hier (str.).15) Der Zeitpunkt für die Erbringung der Sacheinlagen ergibt sich aus § 36a Abs. 2. Bei schuldrechtlich vereinbarten Mehrleistungen (z. B. schuldrechtliches Agio, vgl. oben Rz. 7) gilt § 54 Abs. 3 ebenfalls nicht.16) Insofern wird der aktienrechtliche Gläubigerschutz nicht bereits durch Absicherung der schuldrechtlichen Verpflichtung verwirklicht, sondern i. R. der Ermittlung ausschüttungsfähiger Beträge nur auf der Grundlage der erfolgten tatsächlichen Leistung.17) 2.
Leistungsmodalitäten
a)
Barzahlung oder Kontogutschrift
14 Die in § 54 Abs. 3 genannten Leistungsmodalitäten sind zwingend.18) Bareinlagen müssen entweder in bar (§ 929 BGB) oder durch Kontogutschrift (Buchgeld) erfüllt werden. Letzteres erfordert bei der Gründung die Zahlung auf ein Konto der rechtsfähigen VorAG19) bzw. bei der Kapitalerhöhung auf ein Konto der AG (§ 188 Abs. 2 Satz 2 stellt dies ausdrücklich klar). Ein Privatkonto des Vorstands oder das Konto eines Gründers bzw. _____________ 12) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 54 Rz. 24 – Überlagerung der Geldzahlungspflicht durch die Sacheinlagenvereinbarung; vgl. zur Kapitalerhöhung auch Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 183 Rz. 32. 13) LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 5699/11, Rz. 5, ZIP 2012, 2152 = BeckRS 2012, 22122. 14) Vgl. zur GmbH bereits Servatius, DStR 2004, 1176; ähnlich Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 54 Rz. 78; abw. die h. M., vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 42 ff.; Hüffer, AktG, § 54 Rz. 11; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 54 Rz. 10. 15) Vgl. Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 188 Rz. 49 m. w. N.; abw. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 54 Rz. 25 – nach den allg. bürgerlich-rechtlichen Regeln; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 54 Rz. 10. 16) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 54 Rz. 10. 17) Vgl. zum Finanzplankredit bereits BGH, Urt. v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, ZIP 1999, 1263 = DStR 1999, 1198. 18) BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 263/91, ZIP 1993, 1387. 19) Zur „Kontofähigkeit“ der Vor-AG als Teil der Rechtsfähigkeit explizit BGH, Urt. v. 2.5.1966 – II ZR 219/63, BGHZ 45, 338, freilich noch auf der Grundlage des heute überholten Verständnisses der Vor-AG als Gesamthandsgemeinschaft.
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§ 54
Hauptverpflichtung der Aktionäre
Aktionärs genügen nicht, selbst wenn diese treuhänderisch für die AG geführt werden.20) Vgl. für die Bestätigung des Geldeingangs durch das Kreditinstitut § 37 Abs. 1 Satz 3. Das Konto muss in allen Fällen bei einem deutschen Kreditinstitut i. S. von §§ 1 Abs. 1, 15 3 Abs. 1 KWG, einer Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts i. S. von § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG oder einem ausländischen Kreditinstitut innerhalb der EU oder des EWR gemäß § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 KWG geführt werden.21) Zumindest innerhalb der EU und des EWR kann die Einlageleistung auch in einer Fremdwährung erfolgen („gesetzliche Zahlungsmittel“).22) Für die Umrechnung in Euro ist der Tag der Einzahlung maßgebend.23) Aus § 54 Abs. 2 folgt zentral, dass eine Leistung an Dritte nicht schuldbefreiend wirkt.24) 16 Dies ist für die Mindesteinlagen bzw. den ggf. freiwillig höheren eingeforderten Betrag i. S. von § 36 Abs. 2 konsequent, denn nur bei einer Zahlung an die AG kann das Registergericht die tatsächliche Einlageleistung ohne großen Aufwand kontrollieren. Für die Resteinlagen gilt § 54 Abs. 3 gemäß seinem Wortlaut nicht. Nach der hier vertretenen Auffassung ist das Gebot der freien Verfügung durch den Vorstand jedoch auch bei den Resteinlagen anzuwenden, so dass ohne vorherige Zustimmung des Vorstands keine Schuldentilgung die Einlagepflicht erlöschen lässt (siehe unten Rz. 18). Für die übrigen Anforderungen an die reale Kapitalaufbringung (Aufrechnungs- und Befreiungsverbot) vgl. § 66. b)
Zur freien Verfügung des Vorstands
Das zentrale Merkmal der Leistungserbringung ist gemäß § 54 Abs. 3, dass die Einlage zur 17 freien Verfügung des Vorstands eingezahlt werden muss. Hierüber wird einerseits (noch einmal) klargestellt, dass eine dingliche Vermögensaussonderung erfolgen muss; zum anderen, dass die Einlage nur erfüllt wird, wenn die AG, vermittelt über den Vorstand als Geschäftsführungsorgan, die Rechtsmacht hat, hierüber gemäß der satzungsmäßigen Zwecksetzung zu verfügen. Das Merkmal deckt sich mit den Anforderungen gemäß § 36 Abs. 2, vgl. daher für Einzelheiten dort. Auf die freie Verfügbarkeit kommt es gemäß dem Wortlaut von § 54 Abs. 3 ebenso wie 18 gemäß § 36 Abs. 2 nur beim eingeforderten Betrag an, mithin regelmäßig allein bei den Mindesteinlagen. Für die darüber hinausgehenden Resteinlagen i. S. von § 63 Abs. 1 soll dies nach h. M. nicht gelten.25) Dies führt insbesondere dazu, dass auch die Bezahlung einer vollwertigen, fälligen und liquide beweisbaren Forderung eines Gesellschaftsgläubigers durch den Aktionär die Einlagepflicht erlöschen lässt.26) Dem ist nicht zuzustimmen. Die Einlageleistung ist zweckgebundenes Betriebskapital, so dass – über die summenoder wertmäßige Deckung hinaus – gewährleistet sein muss, dass der pflichtengebundene und nach Eintragung der AG sogar eigenverantwortlich handelnde Vorstand hierüber zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks verfügen kann.27) Dem würde nicht entsprochen, wenn der Aktionär selbständig entscheiden könnte, wie das Kapital verwendet wird. Inso_____________ 20) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 54 Rz. 33; abw. unter Hinweis auf die Zurechnung dieses Kontos nach Maßgabe des unternehmensbezogenen Geschäfts Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 54 Rz. 12, was dem Deutlichkeitsgebot gemäß § 54 Abs. 3 jedoch nicht gerecht wird. 21) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 59 ff. 22) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 53, 56 f. – auch zur Behandlung von Kursrisiken; abw. Hüffer, AktG, § 54 Rz. 13; Voigt, NZG 2008, 933. 23) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 54 Rz. 13. 24) BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 263/91, ZIP 1993, 1387; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.5.1999 – 7 W 24/99, NZG 2000, 152, 153. 25) Vgl. nur Hüffer, AktG, § 54 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 54 Rz. 25. 26) Vgl. zu den Anforderungen BGH, Urt. v. 25.11.1985 – II ZR 48/85, ZIP 1986, 161 = NJW 1986, 989 – zur GmbH. 27) Zum Ganzen für die GmbH bereits Servatius, DStR 2004, 1176.
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Hauptverpflichtung der Aktionäre
fern ist es konsequent, wenn dieser Aspekt auch bei den Resteinlagen Geltung beansprucht.28) Dies führt insbesondere dazu, dass es unzulässig ist, wenn ein Aktionär unmittelbar einen Gesellschaftsgläubiger befriedigt, um damit seine Einlagepflicht zu erfüllen, sofern der Vorstand dem nicht vorher zugestimmt hat (vgl. insofern § 362 Abs. 2 BGB). c)
Rechtsfolgen bei Verstößen
19 Werden die Anforderungen von § 54 Abs. 3 nicht eingehalten, entfaltet die Leistung des Aktionärs keine Erfüllungswirkung. Die Einlagepflicht besteht fort; der Aktionär hat einen Bereicherungsanspruch gegen die AG gemäß Zweckverfehlungskondiktion. Eine Aufrechnung mit der Einlagepflicht ist wegen § 66 Abs. 1 nicht möglich. d)
Beweislast
20 Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer Einlagepflicht trägt die AG. Die Erfüllung derselben ist vom Aktionär zu beweisen.29) V.
Verjährung der Einlagepflicht (§ 54 Abs. 4)
21 Die Einlageforderung i. S. von § 54 Abs. 1 verjährt gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 in zehn Jahren seit Entstehung der Einlagepflicht. Nach h. M. kommt es für den Beginn jedoch abweichend vom Wortlaut auf die Fälligkeit an.30) Das ist sachgerecht, weil die Fälligkeit der Resteinlagen vielfach aus berechtigten wirtschaftlichen Erwägungen nach hinten verschoben wird. Bei den Mindesteinlagen folgt die Fälligkeit zwingend aus § 271 Abs. 1 BGB, bei den Resteinlagen gilt für die Herbeiführung der Fälligkeit § 63 Abs. 1. Die Verjährungsfrist kann nicht verkürzt, durch Satzungsregelung aber verlängert werden.31) 22 Wird über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet (§ 27 InsO), wird die Verjährung gemäß § 54 Abs. 4 Satz 2 insofern gehemmt, als sie frühestens sechs Monate danach eintritt (Ablaufhemmung). Bei der wirtschaftlichen Neugründung beginnt die Verjährung neu zu laufen.32) 23 Die Verjährung bezieht sich auf den konkret festgesetzten Ausgabebetrag, somit auch auf ein korporatives Agio. Die Regelung gilt bei Sacheinlagen entsprechend.33) Für schuldrechtliche Nebenleistungen (schuldrechtliches Agio, siehe oben Rz. 7 f.) und Nebenleistungspflichten i. S. von § 55 gelten indessen die allgemeinen Regeln gemäß §§ 195 ff. BGB.
_____________ 28) So auch Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 54 Rz. 49. 29) Einzelheiten, auch für die ausreichenden Indizien, bei BGH, Hinweisbeschl. v. 9.7.2007 – II ZR 222/06, ZIP 2007, 1755 = NJW 2007, 3067; für Beweiserleichterungen bei lange zurückliegender Zahlung – BGH, Urt. v. 13.9.2004 – II ZR 137/02, ZIP 2005, 28 = DStR 2004, 2112; OLG Brandenburg, Urt. v. 12.9.2006 – 6 U 29/06, NZG 2006, 948. 30) OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.2006 – 11 U 244/05, AG 2007, 500; Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 54 Rz. 86 m. w. N.; abw. aber Hüffer, AktG, § 54 Rz. 21; den Unterschied zwischen Entstehen und Fälligkeit nicht erkennend – K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 54 Rz. 36; undeutlich auch Spindler/Stilz-Cahn/ v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 84. Einzelheiten zur Neuregelung der Verjährung bei Thiessen, ZHR 168 (2004), 503. 31) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 84, bei Rz. 85 – auch zur Behandlung von Altfällen. 32) LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 5699/11, ZIP 2012, 2152. 33) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 54 Rz. 82.
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Nebenverpflichtungen der Aktionäre
§ 55 Nebenverpflichtungen der Aktionäre (1) 1Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so kann die Satzung Aktionären die Verpflichtung auferlegen, neben den Einlagen auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen. 2 Dabei hat sie zu bestimmen, ob die Leistungen entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind. 3Die Verpflichtung und der Umfang der Leistungen sind in den Aktien und Zwischenscheinen anzugeben. (2) Die Satzung kann Vertragsstrafen für den Fall festsetzen, daß die Verpflichtung nicht oder nicht gehörig erfüllt wird. Literatur: Brixner/Brixner, Bäuerliche Aktiengesellschaften mit genossenschaftlicher Zielsetzung, AG 1965, 262; Luther, Die genossenschaftliche Aktiengesellschaft, 1978; Ganssmüller, Die Nebenleistungsgesellschaft auf mangelhafter Grundlage, GmbHR 1955, 172; Schmidt, K., Nebenleistungsgesellschaften (§ 55 AktG, § 3 Abs. 2 GmbHG) zwischen Gesellschaftsrecht, Schuldrecht und Kartellrecht – Von der Rübenzucker-AG zum Nebenleistungsnetzwerk, in: Festschrift für Ulrich Immenga, 2004, S. 705; Winkler, Materielle und formelle Bestandteile in Gesellschaftsverträgen und Satzungen und ihre verschiedenen Auswirkungen, DNotZ 1969, 394.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Nebenleistungspflicht ...................... 3 1. Begriff ................................................. 3 2. Abgrenzung ........................................ 6 a) Gegenüber der Sacheinlage .......... 7 b) Gegenüber der Sachübernahme ............................................ 8 c) Schuldrechtliche Nebenabreden .......................................... 9 III. Voraussetzungen ............................. 11 I.
1. Satzungsregelung .............................. 2. Aktienurkunde und Zwischenscheine ............................................... 3. Vinkulierung ..................................... 4. Fehlen der genannten Voraussetzungen .......................................... IV. Rechtsfolgen .................................... 1. Mitgliedschaftliche Leistungspflicht ................................................ 2. Leistungsstörungen .......................... 3. Entgelt ...............................................
11 12 13 14 15 15 16 17
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Regelung ermöglicht die satzungsmäßige Einführung von Naturalleistungspflichten 1 der Aktionäre und gestaltet die rechtliche Behandlung rudimentär aus. Man spricht in diesen Fällen auch von einer sog. Nebenleistungs-AG. Die praktische Bedeutung hierfür ist bei der AG als kapitalmarktorientierter Publikumsgesellschaft gering;1) vgl. bei der GmbH den ähnlichen § 3 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG. Wird eine Nebenleistungspflicht satzungsmäßig vereinbart, sind der betreffende Aktieninhaber und sein Rechtsnachfolger mitgliedschaftlich (nicht nur schuldrechtlich) zur Leistungserbringung verpflichtet. § 55 Abs. 1 Satz 1 legt zwingend fest, dass eine Nebenleistungspflicht – i. S. der Vorschrift! – 2 nicht auf Geldleistung gerichtet sein darf und darüber hinaus nur bei vinkulierten Namensaktien i. S. von § 68 Abs. 2 in Betracht kommt. § 55 Abs. 1 Satz 2 stellt es den Aktionären frei, ob die Nebenleistungspflicht entgeltlich oder unentgeltlich übernommen wird, worüber in jedem Fall eine entsprechende Satzungsregelung zu treffen ist. Vgl. insoweit auch § 61. § 55 Abs. 1 Satz 3 verlangt, dass die Nebenleistungspflicht in der Aktienurkunde _____________ 1)
Vgl. zum historischen Hintergrund der Regelung – Bedürfnisse der Zuckerrübenindustrie – Spindler/ Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 4; Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 55 Rz. 3.
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§ 55
Nebenverpflichtungen der Aktionäre
anzugeben ist, was vor allem dem betroffenen Aktionär Rechtssicherheit verschafft und spätere Erwerber warnt. Gemäß § 55 Abs. 2 kann die Satzung für den Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung der Nebenleistungspflicht eine Vertragsstrafe festsetzen. Wurden Nebenleistungspflichten festgesetzt, bilden die betroffenen Aktien eine besondere Gattung i. S. von § 11.2) II.
Nebenleistungspflicht
1.
Begriff
3 Eine Nebenleistung i. S. von § 55 liegt nur vor, wenn sich ein Aktionär bei Gründung i. R. der Aktienübernahme (vgl. § 23 Abs. 2 Nr. 1) oder bei der Zeichnung i. R. einer Kapitalerhöhung (vgl. § 185) verpflichtet, neben (nicht anstelle!) der Einlagen i. S. von § 54 Abs. 1 wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen an die AG zu erbringen. Als Gegenstand der Leistungspflicht kommt alles in Betracht, sofern es sich nicht um eine (zusätzliche) Geldleistung handelt, namentlich Sachleistungen, Gebrauchsüberlassungen, Dienstleistungen oder Unterlassungen. Eine rechtliche Kategorisierung des Leistungsbegriffs anhand des allgemeinen und besonderen Schuldrechts wird vielfach versucht, ist jedoch wegen der Vertragsfreiheit nicht notwendig, allenfalls bei der rechtlichen Behandlung von Leistungsstörungen (siehe unten Rz. 16). §§ 134, 138 BGB schränken die Gestaltungsfreiheit jedoch ein. Einen Vermögenswert muss die Leistung nicht haben,3) wohl aber einen vollstreckbaren Inhalt (Bestimmtheitsgebot). 4 Das Merkmal „wiederkehrend“ ist weit auszulegen, so dass letztlich nur die punktuelle Einmalleistung ausgeschlossen ist, die zeitliche Periode und das Leistungsintervall jedoch der Satzungs- und Privatautonomie unterliegen. Von der wiederkehrenden Leistung abzugrenzen ist aber die dauernde Leistung, so dass hiernach insbesondere kein Wettbewerbsverbot zum Gegenstand von § 55 gemacht werden kann.4) 5 Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 kann die Nebenleistung entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sein. In welchem Verhältnis Leistung und Gegenleistung stehen müssen, wird durch das Gesetz unmittelbar nicht vorgegeben. Zu beachten sind freilich § 53a und § 57 im Hinblick auf das Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen (vgl. hierzu § 61). Mischformen zwischen Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit sind möglich.5) In der Satzung kann die Entgelthöhe verbindlich festgelegt werden, so dass etwaige Änderungen gemäß § 179 erfolgen müssen. Praktikabler und ebenfalls zulässig ist daher, lediglich einen Hinweis auf die Entgeltlichkeit aufzunehmen und die Konkretisierung dem Vorstand zu überlassen.6) 2.
Abgrenzung
6 Für die Abgrenzung der Nebenleistungspflicht i. S. von § 55 gegenüber anderen – gesellschafts- oder schuldrechtlich vereinbarten – Aktionärspflichten gilt Folgendes: a)
Gegenüber der Sacheinlage
7 Die Verpflichtung eines Aktionärs aus der Aktienübernahme bzw. Zeichnung auf Leistung eines Vermögenswertes als Bar- oder Sacheinlage auf den geringsten oder höheren Ausgabebetrag fällt allein unter §§ 54, 27, 36a. Sofern also Entsprechendes gewollt ist – _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
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RG, Urt. v. 25.9.1912 – I 6/12, RGZ 80, 95. Heute h. M., vgl. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 5; abw. noch RG, Urt. v. 25.9.1901 – I 142/01, RGZ 49, 77. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 55 Rz. 13. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 55 Rz. 18. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 61 Rz. 2: nach billigem Ermessen gemäß §§ 315 f. BGB.
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Nebenverpflichtungen der Aktionäre
§ 55
objektive Auslegung! – sind die hierfür maßgeblichen Regelungen anzuwenden. Soweit dies nicht vorliegt, kann durchaus auch bei vergleichbaren Gestaltungen ein Fall des § 55 vorliegen. Die Abgrenzung ist insbesondere im Hinblick auf die bei § 55 nicht vorgesehene Registerprüfung und den hier nicht geltenden strengen Kapitalaufbringungsregeln relevant. Überschneidungen in tatsächlicher Hinsicht zu § 55 kann es insoweit einmal geben, wenn ein Vermögensgegenstand quoad usum, d. h. nutzungsweise, als Sacheinlage eingebracht wird (Einzelheiten siehe bei § 27 Rz. 10). Zum anderen kann die Abgrenzung relevant werden, wenn man bei der dinglich zu erbringenden Sacheinlage (quoad dominium) mit der fragwürdigen h. M. zu § 36a Abs. 2 annimmt, dass der betreffende Gegenstand nicht sogleich zu erbringen ist, sondern erst innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums (Einzelheiten siehe § 36a Rz. 11 f.). b)
Gegenüber der Sachübernahme
Soll der Aktionär einen Gegenstand leisten, ohne dass die hierfür anfallende Gegenleistung 8 der AG auf die Einlagepflicht i. S. von § 54 Abs. 1 (geringster oder höherer Ausgabebetrag) angerechnet wird, handelt es sich um eine Sachübernahme gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2. Insofern besteht zu § 55 in tatsächlicher Hinsicht eine große Ähnlichkeit. Deswegen ist die Abgrenzung wegen der unterschiedlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen erheblich, insbesondere im Hinblick auf die Knüpfung der Nebenleistungspflicht an die Vinkulierung der hiervon betroffenen Aktien und die Nachgründung gemäß § 52, die nur bei der Sachübernahme gilt. Indem es für beide Gestaltungen – Sachübernahme und Nebenleistung – keine gesetzliche Pflicht gibt, kann zwischen beiden Möglichkeiten frei gewählt werden. Es besteht insbesondere bei periodisch zu erbringenden Aktionärsleistungen kein Vorrang der Sachübernahme oder der Nebenleistungspflicht. Maßgeblich für die Abgrenzung ist die objektive Auslegung dahingehend, was genau gewollt ist. c)
Schuldrechtliche Nebenabreden
Bedeutsam ist schließlich die Abgrenzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten i. S. von § 55 9 gegenüber den schuldrechtlichen Rechtsgeschäften der Aktionäre mit der AG. Indem jedoch als Nebenleistungspflichten gerade keine Geldleistung vereinbart werden kann, sind die in der Praxis häufig anzutreffenden Finanzplankredite, gesplitteten Einlagen oder das schuldrechtliche Agio kein Fall des § 55, selbst wenn sie anlässlich der Satzungsfeststellung bzw. Zeichnung vereinbart wurden. Bei diesen schuldrechtlichen, ggf. bloß äußerlich mit der Satzung verbundenen Abreden besteht daher eine größere Gestaltungsfreiheit. Problematisch sind jedoch Drittgeschäfte, bei denen der Aktionär eine wiederkehrende 10 Leistung i. S. von § 55 Abs. 1 Satz 1 schuldet, meist gegen Entgelt. Als Beispiel zu nennen ist insoweit die periodisch durchzuführende Revision7) oder Rechtsberatung. Hier ist es durchaus möglich, das Geschäft als Drittgeschäft außerhalb von § 55 abzuschließen. Eine satzungsmäßige Verfestigung dürfen diese Geschäfte wegen § 23 Abs. 5 jedoch nicht erfahren.8) Letztlich kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob die Parteien eine enge Verbindung mit dem Aktionär herstellen oder auch einen Wechsel des Geschäftspartners nach Aktienübertragung wollen. Ist Ersteres der Fall, handelt es sich um einen Schuldvertrag (höchstpersönliche Leistungserbringung gemäß § 613 BGB); ist Letzteres gewollt, liegt eine Nebenleistungspflicht i. S. von § 55 vor. _____________ 7) 8)
Vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 55 Rz. 13. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 8.
Wolfgang Servatius
317
§ 55
Nebenverpflichtungen der Aktionäre
III.
Voraussetzungen
1.
Satzungsregelung
11 Ist eine Nebenleistungspflicht gewollt (siehe oben Rz. 6 ff.), muss diese zwingend in die Satzung aufgenommen werden. Ausreichend ist, dass die betreffende Pflicht und ggf. das hierfür zu leistende Entgelt nach Inhalt und Umfang im Satzungstext angegeben wird;9) die weitere Einzelheiten können in einer besonderen – entsprechend § 23 Abs. 1 notariell zu beurkundenden – Urkunde geregelt werden. Das Gebot der satzungsmäßigen Verfestigung besteht auch für den Aspekt der Entgeltlichkeit; es bedarf nach § 55 Abs. 1 Satz 2 der ausdrücklichen Regelung, ob ein Entgelt gezahlt wird oder nicht. Die Nebenleistungspflicht ist objektiv auszulegen. Nachträgliche Änderungen bedürfen einer Satzungsänderung; bei Verschärfungen gilt zudem § 180 Abs. 1.10) Die Begründung einer Nebenleistungspflicht mit Nichtaktionären ist nicht möglich.11) 2.
Aktienurkunde und Zwischenscheine
12 Die Nebenleistungspflicht muss gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 nach Inhalt und Umfang auch in den Aktienurkunden und auf den Zwischenscheinen (§ 8 Abs. 6) angegeben werden. Hierdurch werden die künftigen Erwerber über die an die übertragende Mitgliedschaft geknüpften Leistungspflichten informiert.12) 3.
Vinkulierung
13 Die Nebenleistungspflicht ist nur bei vinkulierten Namensaktien i. S. von § 68 Abs. 2 möglich. Hierdurch wird gewährleistet, dass die der Erwartung der AG entsprechende Erfüllung der Leistungspflicht nicht durch eine Anteilsübertragung an unbekannte oder nicht leistungsfähige Dritte umgangen werden kann. 4.
Fehlen der genannten Voraussetzungen
14 Fehlen die genannten Voraussetzungen, ist die Nebenleistungspflicht nach überwiegender Meinung insgesamt nichtig.13) Dem ist zu widersprechen: Richtig ist allein, dass eine verbandsrechtliche Leistungspflicht nicht entsteht. Im Wege der Umdeutung gemäß § 140 BGB kann es sich jedoch gleichwohl ergeben, dass die entsprechende Pflicht – inkl. korrespondierender Entgeltpflicht – als schuldrechtliches Rechtsgeschäft aufrechterhalten bleibt;14) Aktienerwerber sind hierdurch jedoch nicht gebunden. Der Bestand der Mitgliedschaft wird durch die Nichtigkeit der Nebenleistungspflicht nicht berührt; § 139 BGB ist insofern nicht anwendbar. IV.
Rechtsfolgen
1.
Mitgliedschaftliche Leistungspflicht
15 Die Nebenleistungspflicht trifft wegen der satzungsmäßigen Grundlage den jeweiligen Inhaber der hiervon erfassten Aktien und verpflichtet ihn zur entsprechenden Leistung an _____________ 9) RG, Urt. v. 29.10.1915 – II 137/15, RGZ 87, 261 – zur GmbH; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 55 Rz. 8; zur Möglichkeit, die Konkretisierung der Nebenleistungspflicht Dritten zu überlassen – Spindler/ Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 19 sowie Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 55 Rz. 5. 10) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 55 Rz. 9. 11) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 15. 12) Zum gutgläubigen lastenfreien Erwerb der Mitgliedschaft ausführlich – Spindler/Stilz-Cahn/ v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 24 ff. 13) Vgl. nur Hüffer, AktG, § 55 Rz. 9. 14) So auch Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 52.
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Wolfgang Servatius
Nebenverpflichtungen der Aktionäre
§ 55
die AG. Steht eine Aktie mehreren gemeinschaftlich zu, haften sie gemäß § 69 Abs. 2 als Gesamtschuldner. Die gesetzlichen Kapitalaufbringungsregeln finden hierauf keine Anwendung.15) Eine Beendigung ist nur einvernehmlich (auf Seiten der AG mittels Satzungsänderung, vgl. § 179 Abs. 3) oder über § 314 BGB möglich. Letzteres kann sich in Extremfällen auch daraus ergeben, dass die Aktie infolge der Nebenleistungspflicht praktisch unveräußerlich wird (Art. 14 GG).16) Ein Dereliktionsrecht besteht bei Aktien nicht.17) In der Insolvenz des Aktionärs bleibt die Nebenleistungspflicht zunächst einmal bestehen (vgl. im Übrigen § 103 Abs. 1 Satz 2 InsO).18) Die isolierte Abtretung des Anspruchs der AG gemäß § 55 ist nicht möglich.19) Demgegenüber sind fällige, rückständige Ansprüche durchaus verkehrsfähig und damit Gegenstand von Abtretung und (Ver-)Pfändung.20) Wird die Aktie übertragen, kommt ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb unter Ausschluss der Nebenleistungspflicht zwar in Frage. Wegen des Zustimmungserfordernisses der AG i. S. von § 68 ist dies jedoch kaum denkbar.21) 2.
Leistungsstörungen
Die Behandlung von Nicht- und Schlechtleistung richtet sich nach den Regelungen des 16 BGB.22) Wurde ein Entgelt vereinbart, liegt regelmäßig eine synallagmatische Vereinbarung i. S. von §§ 320 ff. BGB vor.23) In welchem Maße Mängel oder Störungen der Nebenleistungspflicht die Aktionärsstellung selbst betreffen, ist nicht abschließend geklärt.24) Richtigerweise ist ein Durchschlagen grundsätzlich zu verneinen, um Missbräuchen im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Aktionäre und den Gläubigerschutz zu begegnen. Gemäß § 55 Abs. 2 wird ausdrücklich vorgesehen, dass durch Satzungsregelung auch eine Vertragsstrafe i. S. von §§ 336 ff. BGB, § 348 HGB vereinbart werden kann. Die Voraussetzungen für die Vertragsstrafe sowie deren Art und Umfang müssen ebenfalls satzungsmäßig geregelt werden.25) Die Kaduzierung wegen nicht gehöriger Leistung ist nicht möglich (str.).26) 3.
Entgelt
Wurde ein Entgelt für die Erbringung der Nebenleistungen satzungsmäßig (vgl. § 55 17 Abs. 1 Satz 2) vereinbart, handelt es sich hierbei nicht um Gewinn, sondern um einen in der GuV auszuweisenden Aufwand der AG. Der Aktionär kann daher auch dann Zahlung verlangen, wenn die AG keinen Bilanzgewinn ausweist.27) Im Rahmen von § 60 Abs. 3 _____________ 15) Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 55 Rz. 20. 16) Vgl. bereits RG, Gutachten v. 7.2.1930 – II 247/29, RGZ 128, 1; BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, ZIP 1992, 237 – bei der GmbH; Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 50. 17) Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 55 Rz. 45. 18) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 55 Rz. 6 19) RG, Urt. v. 27.5.1932 – II 332/31, RGZ 136, 313. 20) In diesem Sinne auch Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 55 Rz. 4. 21) Vgl. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 55 Rz. 3 m. w. N. 22) RG, Urt. v. 29.10.1915 – II 137/15, RGZ 87, 261 – zur GmbH; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 55 Rz. 5. 23) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 37 ff.; zurückhaltender Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 55 Rz. 22. 24) Einschränkend K. Schmidt/Lutter/Fleischer, AktG, § 55 Rz. 24: eher großzügig GrigoleitGrigoleit/Rachlitz, AktG, § 55 Rz. 6. 25) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 40. 26) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 55 Rz. 40; Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 55 Rz. 29; abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 55 Rz. 5. 27) Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 55 Rz. 19.
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§ 56 Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft können die erbrachten Gegenleistungen jedoch bei der Gewinnverteilung berücksichtigt werden. 18 Auch das Kapitalerhaltungsgebot gemäß § 57 gilt für die Gegenleistung der AG im Ausgangspunkt nicht. Gemäß § 61 wird hiervon jedoch eine Ausnahme gemacht, wenn die Gegenleistung einem Drittvergleich nicht standhält (verdeckte Gewinnausschüttung; Einzelheiten dort).
§ 56 Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft oder durch ein abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (1) Die Gesellschaft darf keine eigenen Aktien zeichnen. (2) 1Ein abhängiges Unternehmen darf keine Aktien der herrschenden Gesellschaft, ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen keine Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernehmen. 2 Ein Verstoß gegen diese Vorschrift macht die Übernahme nicht unwirksam. (3) 1Wer als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts eine Aktie für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens übernommen hat, kann sich nicht darauf berufen, daß er die Aktie nicht für eigene Rechnung übernommen hat. 2Er haftet ohne Rücksicht auf Vereinbarungen mit der Gesellschaft oder dem abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen auf die volle Einlage. 3Bevor er die Aktie für eigene Rechnung übernommen hat, stehen ihm keine Rechte aus der Aktie zu. (4) 1Werden bei einer Kapitalerhöhung Aktien unter Verletzung der Absätze 1 oder 2 gezeichnet, so haftet auch jedes Vorstandsmitglied der Gesellschaft auf die volle Einlage. 2 Dies gilt nicht, wenn das Vorstandsmitglied beweist, daß es kein Verschulden trifft. Literatur: Büdenbender, Eigene Aktien und Aktien an der Muttergesellschaft – Zeichnung, Erwerb, Kompetenzen, DZWiR 1998, 1; Habersack, Verdeckte Sacheinlage und Hin- und Herzahlen nach dem ARUG, AG 2009, 557; Hahn, Die Übernahme von Aktien für Rechnung der Gesellschaft, 2005; Herrler/Reymann, Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG (Teil 2), DNotZ 2009, 914; Hettlage, Darf sich eine Kapitalgesellschaft durch die Begründung einer wechselseitigen Beteiligung an der Kapitalaufbringung ihrer eigenen Kapitalgeber beteiligen?, AG 1967, 249; Huber, Zum Aktienerwerb durch ausländische Tochtergesellschaften, in: Festschrift für Konrad Duden, 1977, S. 137; Hüffer, Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; Lutter, Verwertungsaktien, AG 1970, 185; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, 1995; Vedder, Der Begriff „für Rechnung“ im AktG und im WpHG, 1999; Winter, Die wechselseitige Beteiligung von Aktiengesellschaften, 1960; Winter, M., Gesellschaftsrechtliche Schranken für „Wertgarantien“ der AG auf eigene Aktien, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 709.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1
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II. Zeichnungsverbot (§ 56 Abs. 1) ....... 3 1. Voraussetzungen ................................ 3
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Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft 2. Rechtsfolgen bei Verstößen ............... 4 3. Vorratsaktien ...................................... 6 4. Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs .............................. 7 a) Kontroverse Diskussion .............. 7 b) Stellungnahme .............................. 8 III. Konzernsachverhalte (§ 56 Abs. 2) ..................................... 10 1. Umgehungsschutz ............................ 10 a) Zeichnung von Aktien eines abhängigen Unternehmens ........ 11 I.
§ 56
b) Zeichnung von Aktien eines Mehrheitsgesellschafters ............ c) Unternehmensvertrag ................ 2. Rechtsfolgen bei Verstößen ............ IV. Treuhandverhältnisse, mittelbare Stellvertretung (§ 56 Abs. 3) .......... 1. Erfasste Gestaltungen ...................... 2. Rechtsfolgen bei Verstößen ............ a) Aktionärspflichten ..................... b) Aktionärsrechte ......................... V. Vorstandshaftung (§ 56 Abs. 4) .....
12 13 14 15 16 17 18 19 20
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Regelung ergänzt die §§ 71 – 71e und verbietet die Zeichnung eigener Aktien durch 1 die AG. Der Schutzzweck ist ein doppelter: Das Innehaben eigener Aktien lässt zum einen die Kapitalaufbringung leer laufen, indem die AG Gläubiger und Schuldner der Einlagepflicht ist; zudem wird die aktienrechtliche Organisationsstruktur missachtet, indem der Vorstand als Vertretungsorgan über Kompetenzen verfügt, die an sich den Aktionären zustehen (sog. Verwaltungsstimmrecht).1) Die Regelung wurde in Umsetzung von Art. 18, 24a der Kapitalrichtlinie im Jahr 1979 eingeführt. Ihr Regelungsgehalt war jedoch in Deutschland bereits früher anerkannt;2) vgl. auch § 33 GmbHG. Insgesamt ist die Regelung rechtspolitisch betrachtet zu begrüßen, wenngleich – wie beim Erwerb eigener Aktien – in bestimmten Konstellationen beschränkte Ausnahmen vom Zeichnungsverbot zulässig sein müssen (zu den Vorratsaktien siehe unten Rz. 6). § 56 Abs. 1 begründet ein Verbot, dass die AG eigene Aktien bei der Gründung oder 2 Kapitalerhöhung zeichnet; wird hiergegen verstoßen, ist die Zeichnung nichtig. § 56 Abs. 2 erstreckt das Zeichnungsverbot zum Schutz vor Umgehungen auf Konzernsachverhalte, ordnet jedoch an, dass ein Verstoß nicht die Unwirksamkeit der Aktienübernahme nach sich zieht. § 56 Abs. 4 begründet eine Schadensersatzhaftung des Vorstands bei Missachtung der vorgenannten Verbotstatbestände. § 56 Abs. 3 regelt die unter Umgehungsaspekten typischen Treuhandverhältnisse und besagt, dass derjenige, der Aktien für Rechnung der AG oder ein mit ihr verbundenes Unternehmen erwirbt, im Verhältnis zur AG behandelt wird, als wenn er die Aktien auf eigene Rechnung hält. Erwirbt die AG bereits existierende Aktien (derivativer Erwerb), gelten hierfür allein die §§ 71–71e. II.
Zeichnungsverbot (§ 56 Abs. 1)
1.
Voraussetzungen
Aus § 56 Abs. 1 folgt das zwingende Verbot, dass die AG eigene Aktien zeichnet, sei es 3 bei der Gründung (Aktienübernahme gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2) oder einer Kapitalerhöhung (§§ 185, 198). Die Zeichnung eigener Aktien i. R. einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist hingegen gemäß § 215 Abs. 1 zulässig. Dies darf jedoch entgegen der h. M. nicht allein darauf gestützt werden, dass mangels Kapitalzufuhr kein Problem der Kapitalaufbringung bestehe.3) Die ebenfalls durch das Zeichnungsverbot einzudämmenden Gefahren des Verwaltungsstimmrechts bestehen nämlich auch hier. Gleichwohl ist die Ausnahme vom Zeichnungsverbot gerechtfertigt, denn nur hierdurch lässt _____________ 1) 2) 3)
Vgl. auch Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 1 ff. Vgl. BGH, Beschl. v. 9.12.1954 – II ZB 15/54, BGHZ 15, 391 – zur AG; zur Neuregelung aus damaliger Sicht – Hüffer, NJW 1979, 1065, 1068. So aber Hüffer, AktG, § 56 Rz. 3; Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 11.
Wolfgang Servatius
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§ 56 Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft sich gewährleisten, dass das Veräußerungsgebot gemäß § 71c effektiv wahrgenommen werden kann. Würden die Aktien nicht an der Kapitalerhöhung partizipieren, ließen sich die von der AG gehaltenen eigenen Aktien infolge der Verwässerung schwerer veräußern. 2.
Rechtsfolgen bei Verstößen
4 Kommt es zum Verstoß gegen § 56 Abs. 1, ist die Aktienübernahme bzw. Zeichnung gemäß § 134 BGB nichtig.4) Die Durchführung der Kapitalerhöhung darf nicht ins Handelsregister eingetragen werden (§§ 188, 189, 201); die AG wird nicht ihr eigener Aktionär. 5 Kommt es gleichwohl zur Eintragung, wird die Nichtigkeit bei der ordentlichen Kapitalerhöhung und beim genehmigten Kapital gemäß § 185 Abs. 3 analog geheilt.5) Die Regelung kann jedoch nicht unmittelbar herangezogen werden, weil bei eigenen Aktien die Leistung von Einlagen nicht möglich und die Ausübung von Aktionärsrechten gemäß § 71b nicht zulässig ist. § 185 Abs. 3 lässt sich jedoch der verallgemeinerungsfähige Rechtsgedanke entnehmen, dass eine fehlerhafte Zeichnung heilbar ist, sofern hiergegen nicht zwingende Individual- oder Allgemeininteressen sprechen. Dies ist hier nicht gegeben. Indem die Innehabung eigener Aktien durch die §§ 71–71e gesetzlich anerkannt ist, muss dieser Zustand auch durch eine an sich unzulässige Zeichnung ausnahmsweise möglich sein. Das auf die rechtswidrige Zeichnung entsprechend anzuwendende Veräußerungsgebot gemäß § 71c und der Ausschluss von Aktionärsrechten gemäß § 71b bieten genügend Schutz vor Umgehungen. Bei der bedingten Kapitalerhöhung tritt die Heilung nach zutreffender Ansicht ebenfalls erst mit der (deklaratorischen) Eintragung ins Handelsregister ein, damit genügend Zeit bleibt, die Aktien in rechtmäßiger Weise anderweitig zu platzieren.6) Vgl. zur Vorstandshaftung gemäß § 56 Abs. 4 unten Rz. 20. 3.
Vorratsaktien
6 Vergleicht man § 56 Abs. 1 mit den §§ 71–71e, ergibt sich eine Schieflage: Der derivative Erwerb eigener Aktien ist in engen Grenzen auf Zeit zulässig, der originäre Erwerb generell nicht. Insofern stellt sich die Frage, ob § 56 Abs. 1 nicht im Bereich der Kapitalerhöhungen insoweit aufzuweichen ist, als entsprechend § 71 Abs. 1 Nr. 8 eine Ausnahme für maximal 10 % des Grundkapitals aufgrund entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses zulässig ist. Auch die eng auszulegende Regelung gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 1 zum Aktienerwerb, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der AG abzuwenden, sollte für Extremfälle auf die Aktienzeichnung analog angewendet werden. Teleologisch und wertungsmäßig betrachtet spricht nichts dagegen, denn es kann durchaus ein praktisches Bedürfnis dafür bestehen, dass die AG selbst für kurze Zeit die neuen Aktien hält.7) Der pauschale Hinweis auf die vom Wortlaut identischen Regelungen der Kapitalrichtlinie vermag für sich genommen auch keine Sperre für eine behutsame Rechtsfortbildung zu begründen, denn auch im europäischen Recht ist der Wortlaut keine starre Grenze. Insbesondere für die Praxis bei Übernahmekonsortien, bei denen teilweise die AG selbst Mitglied ist,8) würde diese Sichtweise erhebliche Rechtssicherheit bedeuten.
_____________ 4) 5) 6) 7) 8)
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Unstreitig, vgl. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 14. H. M., vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 10 f.; unentschieden Hüffer, AktG, § 56 Rz. 4 ff. Vgl. zum Streitstand Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 16. Vgl. aber zu Missbräuchen die historischen Ausführungen bei K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 20. Vgl. Hahn, S. 85.
Wolfgang Servatius
Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft 4.
Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs
a)
Kontroverse Diskussion
§ 56
Umstritten ist, ob das Verbot der finanziellen Unterstützung beim Aktienerwerb gemäß 7 § 71a auch bei der Gründung bzw. Kapitalerhöhung gilt. § 56 enthält hierüber gemäß seinem Wortlaut keine Regelungen. Ein Teil der Literatur sieht hiervon ausgehend keine entsprechenden Beschränkungen bei der Zeichnung neuer Aktien durch Dritte und begründet dies mittlerweile auch mit dem neu eingeführten § 27 Abs. 4.9) Hiernach ist es also zulässig, dass die AG – mittels Darlehens o. Ä. – dem Zeichner den Aktienerwerb finanziert, sei es in Form des sog. Hin- und Herzahlens oder beim umgekehrten Her- und Hinzahlen. Demgegenüber spricht sich eine zunehmende Zahl von Autoren auf der Grundlage der europarechtlich geforderten effektiven Aufbringung der Mindesteinlagen dafür aus, das Verbot der Finanzierung des Anteilserwerbs bei der Aktienübernahme bzw. Zeichnung zumindest für die Mindesteinlagen gelten zu lassen.10) Im Hinblick auf das Viertel des geringsten Ausgabebetrags und das korporative Agio ist die Kapitalaufbringung mittels Hin- und Herzahlen und umgekehrt damit nicht möglich, so dass es insofern bei der vor dem ARUG geltenden Rechtslage bleibt.11) b)
Stellungnahme
Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Die Änderungen der Kapitalrichtlinie 8 im Jahr 2006 im Bereich der „financial assistance“ brachten mit Art. 23 n. F. zwar eine weitgehende Liberalisierung des bis dahin strikten Verbots (Einzelheiten bei § 71a Rz. 3). Formal betrachtet hat Deutschland von dieser Möglichkeit bislang noch keinen Gebrauch gemacht, was der unveränderte § 71a zeigt. Gleichwohl darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Liberalisierung der rechtlichen Behandlung des Hin- und Herzahlens gemäß § 27 Abs. 4 durch das ARUG funktional der europäischen Liberalisierung des Verbots der finanziellen Unterstützung entspricht. Es ist daher zumindest nicht europarechtswidrig, wenn das in § 71a begründete Verbot der finanziellen Unterstützung bei der erstmaligen Aktienzeichnung nicht gilt. Auf der anderen Seite dürfen die Fälle des Hin- und Herzahlens bzw. umgekehrt nicht 9 allein anhand des – gelockerten – europäischen Verbots der finanziellen Unterstützung beurteilt werden, sondern vor allem auch anhand der Erfordernisse für Mindesteinlagen (vgl. Art. 9 der Kapitalrichtlinie). Insofern ist die Neuregelung gemäß § 27 Abs. 4 europarechtlich fragwürdig, da sie der Sache nach die reale Kapitalerhöhung bei Bareinlagen entwertet. § 27 Abs. 4 ist daher zumindest für den Bereich der Mindesteinlagen eine europarechtswidrige deutsche Regelung.12) Es darf konsequenterweise hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass eine finanzielle Unterstützung der Aktienübernahme durch die AG zulässig sei. Vielmehr gilt richtigerweise insofern auch in den Fällen des § 56 Abs. 1 das strikte Verbot gemäß § 71a (Einzelheiten dort). Diese Frage ist jedoch bislang noch nicht ausreichend durchdrungen worden, so dass insoweit große Rechtsunsicherheit besteht. Es bleibt abzuwarten, wann der EuGH sich hiermit beschäftigt und Klärung bringt. _____________ 9) Ausführlich Schroeder, S. 152 ff. 10) Habersack, AG 2009, 557, 563; für eine weitergehende Anwendung auch Spindler/Stilz-Cahn/ v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 13. 11) Vgl. auch Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 188 Rz. 84. 12) So auch Habersack, AG 2009, 557, 561; Hüffer, AktG, § 27 Rz. 45; Lutter/Drygala in: KölnKomm-AktG, § 71a Rz. 21; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 56 Rz. 19; abw. aber wohl die Gesetzesverfasser, vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 55; ähnlich Herrler/Reymann DNotZ 2009, 914, 928 ff.
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§ 56 Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft III.
Konzernsachverhalte (§ 56 Abs. 2)
1.
Umgehungsschutz
10 § 56 Abs. 2 erweitert das Zeichnungsverbot gemäß § 56 Abs. 1 (zum Umfang siehe oben Rz. 3 ff.) auf Konzernsachverhalte und gewährleistet so – rechtspolitisch nicht unumstritten13) – einen Schutz vor Umgehungen. Im Einzelnen sind drei Fälle zu unterscheiden. a)
Zeichnung von Aktien eines abhängigen Unternehmens
11 Dies betrifft einmal die Zeichnung von Aktien durch ein von der AG abhängiges Unternehmen. Die an Konzernbegriffe anknüpfende Regelung ist rechtstechnisch ungenau. Konkret verboten ist die Zeichnung von Aktien einer AG durch eine Gesellschaft, auf die die AG einen beherrschenden Einfluss i. S. von § 17 ausüben kann. Regelmäßig – aber nicht zwingend – fällt unter dieses Verbot, dass eine Tochtergesellschaft Aktien der Mutter zeichnet. Hierdurch wird vor allem abgesichert, dass die Einlageleistung an die Muttergesellschaft real erfolgt und nicht – wie bei Konzernsachverhalten kennzeichnend – die Muttergesellschaft über die Tochter letztlich die Einlage an sich selbst leistet.14) Der konzernrechtliche Beherrschungstatbestand ist gemäß § 17 Abs. 1 erfüllt, wenn die ihr Kapital erhöhende AG mittelbar oder unmittelbar einen beherrschenden Einfluss auf die Geschäftsführung der in Rede stehenden Zeichner-Gesellschaft ausüben kann. Adressat des Verbotstatbestands ist daher jede Gesellschaft (rechtsformneutral!), auf die die AG rechtlich oder faktisch einen Einfluss hat, der einer Mehrheitsbeteiligung entspricht.15) Zu Einzelheiten vgl. § 17. b)
Zeichnung von Aktien eines Mehrheitsgesellschafters
12 Weiterhin darf ein Unternehmen auch keine Aktien der an ihm mit Mehrheit beteiligten AG zeichnen. Konkret bedeutet dies, dass eine Gesellschaft (rechtsformneutral!) keine Aktien der AG zeichnen darf, wenn diese AG über mindestens 50 % der Stimmrechte oder Geschäftsanteile der Gesellschaft hält (Einzelheiten bei § 16). Die Regelung geht über § 17 Abs. 2 hinaus, wonach die Innehabung einer Mehrheitsbeteiligung durch die AG lediglich die widerlegliche Vermutung für eine beherrschenden Einfluss begründet. Hält die ihr Kapital erhöhende AG weniger als 50 % der Stimmrechte oder Geschäftsanteile und verfügt auch nicht anderweitig über einen beherrschenden Einfluss i. S. von § 17 Abs. 1, greift das Zeichnungsverbot nicht.16) c)
Unternehmensvertrag
13 Darüber hinaus gilt das Verbot auch, wenn die AG mit einem kleinbeteiligten Aktionär oder Dritten einen Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag eingegangen ist.17) Der Partner eines derartigen Unternehmensvertrages darf ebenso keine Aktien der AG zeichnen. 2.
Rechtsfolgen bei Verstößen
14 Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 führen die Verstöße gegen die vorgenannten Zeichnungsverbote nicht zur Nichtigkeit der Aktienübernahme. Auch wird die Wirksamkeit der Kapital_____________ 13) 14) 15) 16) 17)
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Vgl. Hettlage, AG 1967, 249. Vgl. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 20. Statt anderer Bayer in: MünchKomm-AktG, § 17 Rz. 25. H. M. vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 14. Hüffer, AktG, § 12 Rz. 12; BGH, Urt. v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, BGHZ 62, 193.
Wolfgang Servatius
Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft
§ 56
erhöhung als solche hiervon nicht berührt.18) Das Registergericht ist hieran freilich nicht gebunden und hat die Eintragung der Kapitalerhöhung bei Zuwiderhandlung abzulehnen.19) Für die verbotswidrig gezeichneten Aktien besteht gemäß §§ 71d Satz 2, 71b kein Stimmrecht; die Aktien sind gemäß § 71c binnen Jahresfrist zu veräußern.20) Eine schuldrechtliche Verpflichtung, die auf einen verbotenen Erwerb nach § 56 Abs. 2 zielt, ist hingegen gemäß § 134 BGB nichtig.21) § 160 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 begründen eine Berichtspflicht über die verbotswidrig erworbenen Aktien. Zur Vorstandshaftung siehe unten Rz. 20. IV.
Treuhandverhältnisse, mittelbare Stellvertretung (§ 56 Abs. 3)
§ 56 Abs. 3 begründet für bestimmte Treuhandverhältnisse zwar kein Erwerbsverbot, 15 ordnet jedoch – an sich selbstverständlich – zwingend an, dass der formale Aktionär unbeschadet interner Abreden sämtliche Pflichten aus den übernommenen Aktien hat (§ 56 Abs. 3 Satz 2), jedoch aus den Aktien keine Rechte ableiten kann (§ 56 Abs. 3 Satz 3). Die Regelung geht zurück auf Art. 18 Abs. 2 der Kapitalrichtlinie.22) 1.
Erfasste Gestaltungen
Die Regelung knüpft gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 daran an, dass eine Person Aktien als 16 Gründer oder Zeichner bei einer Kapitalerhöhung (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 185) übernimmt (zum Anwendungsbereich von § 56 siehe oben Rz. 3) und aufgrund entsprechender Vereinbarung für Rechnung der AG oder eines von dieser abhängigen oder in deren Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens hält (§§ 16, 17).23) Dies ist ohne weiteres zu bejahen, wenn der Zeichner aufgrund der Vereinbarung verpflichtet ist, die Aktien später an die AG oder das einzubeziehende Unternehmen zu veräußern (Option)24) sowie, wenn der Aktionär zwar dauerhaft Aktionär sein soll, die Abrede das wirtschaftliche Risiko jedoch der AG oder den betreffenden Gesellschaften ganz oder zum Teil zuweist.25) Indem hiernach die Verlagerung des wirtschaftlichen Risikos auf die AG reglementiert wird, fallen konsequenterweise auch Gestaltungen unter § 56 Abs. 3, bei denen die AG i. R. einer Kapitalerhöhung eine Kursgarantie für die betreffenden Aktien abgibt.26) Übernimmt ein Übernahmekonsortium die neuen Aktien, hängt die Anwendung von § 56 Abs. 3 davon ab, wer das Platzierungsrisiko übernimmt; beim „hard underwriting“ ohne überzogene Vergütungsansprüche der Banken gibt es demnach keine Einschränkungen.27) 2.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Wie bei § 56 Abs. 2 ist der Aktienerwerb nicht unwirksam.28) Das Gleiche gilt nach zu- 17 treffender Ansicht auch für die zugrunde liegende Treuhandabrede (str.).29) _____________ 18) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 32. 19) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 56 Rz. 10; abw., lediglich Ablehnungsrecht, Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 33. 20) Zum Problem des Fristlaufs ausführlich Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 35. 21) Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 34; Hüffer, AktG, § 56 Rz. 10. 22) Zu Umsetzungsproblemen ausführlich Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 43. 23) Vgl. zur teilweise schwierigen Abgrenzung des Erwerbstatbestands gegenüber §§ 71–71f; Spindler/ Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 41. 24) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 45. 25) Einzelheiten bei Vedder, S. 58 ff.; Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 45 f. 26) Hierzu eingehend Hahn, S. 64 ff.; M. Winter in: FS Röhricht, S. 709, 713. 27) Zum Ganzen, auch im Hinblick auf die Bedeutung der Vergütungsstruktur, Spindler/Stilz-Cahn/ v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 47 f.; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 23. 28) Unstreitig, vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 24. 29) H. M., vgl. nur Bungeroth in: MünchKomm-AktG, § 56 Rz. 72; abw. mit beachtlichen Argumenten Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 53 ff.
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§ 56 Keine Zeichnung eigener Aktien; Aktienübernahme für Rechnung der Gesellschaft a)
Aktionärspflichten
18 Gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 kann sich der Aktionär in Bezug auf die Pflichten aus den Aktien (vor allem der Einlagepflicht nach § 54) nicht darauf berufen, aufgrund entsprechender Vereinbarung mit der AG oder einem dieser zuzurechnenden Unternehmen nicht zur Erfüllung verpflichtet zu sein. Der Aktionär hat somit keine Möglichkeit, die an sich wirksamen schuldrechtlichen Vereinbarungen in den mitgliedschaftlichen Bereich durchschlagen zu lassen. Im Ergebnis begründet § 56 Abs. 2 damit ein Aufrechnungsverbot im Hinblick auf entsprechende Aufwendungsersatzansprüche aus § 670 BGB, verbietet diesbezüglich die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts aus § 273 BGB und versagt den dolo-agit-Einwand gemäß § 242 BGB. Konsequenterweise muss dies auch nach Erfüllung der Einlagepflichten im Bereich der Kapitalerhaltung fortgelten (§ 57 Abs. 1). Hat die AG oder eines der einzubeziehenden Unternehmen aus dem Innenverhältnis Rechte gegenüber dem Aktionär, stehen ihr diese ohne weiteres zu (vor allem die Erlösherausgabepflicht nach Weiterveräußerung gemäß § 667 BGB; str.).30) b)
Aktionärsrechte
19 Die wohl drastischere Sanktion begründet § 56 Abs. 3 Satz 3, wonach dem Aktionär während der Dauer der treuhänderischen Bindung keine Aktionärsrechte zustehen (Stimmrecht, Gewinn, Liquidationserlös). Hierdurch wird der Aktienerwerb für Rechnung der AG unattraktiv, was vom Gesetzgeber ausdrücklich bezweckt wurde.31) Für die entsprechende Heranziehung des Veräußerungsgebots gemäß §§ 71d Satz 2, 71c besteht daher kein Raum. Wird die interne Abrede über die treuhänderische Bindung nachträglich beendet (Auflösungsvertrag, Kündigung), stehen dem Aktionär die betreffenden Rechte mit ex nunc-Wirkung zu. Der Aktionär muss hierzu die Beendigung der AG gegenüber anzeigen. V.
Vorstandshaftung (§ 56 Abs. 4)
20 § 56 Abs. 4 begründet auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 3 der Kapitalrichtlinie eine gesonderte verschuldensabhängige Vorstandshaftung bei Verstößen gegen die Erwerbsverbote gemäß § 56 Abs. 1 und Abs. 2. Die Regelung ist an sich überflüssig, da die Haftung ohne weiteres auch aus § 93 Abs. 3 Nr. 3 folgen würde.32) Dessen rechtliche Ausgestaltung im Einzelnen (Verjährung, Durchsetzung) beansprucht auch bei § 56 Abs. 4 Geltung. Stets ist erforderlich, dass der AG ein entsprechender Schaden entstanden ist. Hieran wird es in konsequenter Anwendung der Differenzhypothese regelmäßig fehlen. Richtigerweise ist das Schadenserfordernis daher wie bei § 93 Abs. 3 Nr. 2 normativ zu bestimmen, so dass der Vorstand die Einlagepflicht der AG selbst zu erfüllen hat.33) Bei einem Verstoß gegen § 56 Abs. 1 gilt dies nur dann, wenn infolge der Registereintragung Heilung des unwirksamen Aktienerwerbs eingetreten ist (oben Rz. 5).34) Wird die Einlagepflicht durch die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder erfüllt, haben sie gegen die AG einen Anspruch auf Übertragung der betreffenden Aktien.35)
_____________ 30) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 27; Hüffer, AktG, § 56 Rz. 15; abw. für eine Gesamtnichtigkeit der internen Geschäftsbesorgungsabrede Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 56 Rz. 13. 31) Vgl. amtl. Begr. zu § 51 AktG 1937. 32) Vgl. Büdenbender, DZWiR 1998, 55, 57. 33) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 29; zu Folgeschäden Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 56 Rz. 39. 34) Zutreffend Hüffer, AktG, § 56 Rz. 17. 35) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 56 Rz. 30.
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Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
§ 57
§ 57 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen (1) 1Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. 2Als Rückgewähr gilt nicht die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien. 3Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind. 4Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Aktionärsdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Aktionärsdarlehen wirtschaftlich entsprechen. (2) Den Aktionären dürfen Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden. (3) Vor Auflösung der Gesellschaft darf unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden. Literatur: Aha, Vorbereitung des Zusammenschlusses im Wege der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage durch ein „Business Combination Agreement, BB 2001, 2225; Altmeppen, „Upstreamloans“, Cash Pooling und Kapitalerhaltung nach neuem Recht, ZIP 2009, 49; Altmeppen, Die Grenzen der Zulässigkeit des cash pooling, ZIP 2006, 1025; Altmeppen, „Dritte“ als Adressaten der Kapitalerhaltungs- und Kapitalersatzregeln in der GmbH, in: Festschrift für Bruno Kropff, 1997, S. 641; Bayer, Zentrale Konzernfinanzierung, Cash Management und Kapitalerhaltung, in: Festschrift für Marcus Lutter, 2000, S. 1011; BDI/Hengeler/Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, 2006; Bezzenberger, Das Kapital der Aktiengesellschaft, 2005; Brandes, Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern, in: Festschrift für Alfred Kellermann, 1991, S. 25; Brandi, Gewährleistungen durch die Aktiengesellschaft bei Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung, NZG 2004, 600; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998; Canaris, Die Rückgewähr von Gesellschaftereinlagen durch Zuwendungen an Dritte, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 31; Casper, Persönliche Außenhaftung der Organe bei fehlerhafter Information des Kapitalmarktes?, BKR 2005, 83; Ehmann/Walden, Rückforderung von zum Abkauf von Anfechtungsklagen geleisteten Zahlungen, NZG 2013, 806; Eidenmüller/Engert, Insolvenzrechtliche Ausschüttungssperren, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 305; Ekkenga, Einzelabschlüsse nach IFRS – Ende der aktien- und GmbH-rechtlichen Kapitalerhaltung?, AG 2006, 389; Engert, Kreditgewährung an GmbH-Gesellschafter und bilanzorientierter Kapitalschutz, BB 2005, 1951; Fleischer, „Gegriffene Größen“ in der aktienrechtlichen Spruchpraxis, in: Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2007, Bd. II, S. 71 Fleischer, Zweifelsfragen der verdeckten Gewinnausschüttung im Aktienrecht, WM 2007, 909; Fleischer/Schneider/ Thaten, Kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz versus aktienrechtliche Kapitalerhaltung – wie entscheidet der EuGH?, NZG 2012, 801; Habersack, Grundfragen der freiwilligen oder erzwungenen Subordination von Gesellschafterkrediten, ZGR 2000, 384; Handelsrechtsausschusses des DAV, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), NZG 2007, 735; Huber/Habersack, GmbH-Reform: Zwölf Thesen zu einer möglichen Reform des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, BB 2006, 1; Kiefner/Theusinger, Aufsteigende Darlehen und Sicherheitenbegebung im Aktienrecht nach dem MoMiG, NZG 2008, 801; Leuschner, Öffentliche Umplatzierung, Prospekthaftung und Innenregress, NJW 2011, 3275; Maidl/Kreifels, Beteiligungsverträge und ergänzende Vereinbarungen NZG 2003, 1091; Mülbert/Leuschner, Aufsteigende Darlehen im Kapitalerhaltungs- und Konzernrecht – Gesetzgeber und BGH haben gesprochen, NZG 2009, 281; Mylich, Die Einlage des atypisch stillen Gesellschafters und die zur Rückzahlung bestellten Sicherheiten im Insolvenzverfahren der Handelsgesellschaft, WM 2013, 1010; Rosengarten, Die Rechtsfolgen eines „verdeckten“ Verstoßes gegen § 57 AktG: Endgültiger Abschied von der Nichtigkeit, ZHR 168 (2004), 70; Rothley/Weinberger, Die Anforderungen an Vollwertigkeit und
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§ 57
Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
Deckung nach § 30 I 2 GmbHG und § 57 I 3 AktG, NZG 2010, 1001; Rust, Verdeckte Einlagenrückgewähr durch Leistung an Dritte in der Kapitalgesellschaft, 2000; Schäfer, Reform des GmbHR durch das MoMiG – viel Lärm um nichts?, DStR 2006, 2085; Schaefer/Grützediek, Haftung der Gesellschaft für „mangelhafte“ Gesellschaftsanteile bei Kapitalerhöhungen, NZG 2006, 204; Schmidt, K., Gesetzgebung und Rechtsfortbildung im Recht der GmbH und der Personengesellschaften – Zur Aufgabenteilung zwischen Gesetzgebung, Justiz und Wissenschaft, JZ 2009, 10; Schön, Die Zukunft der Kapitalaufbringung/-erhaltung, Der Konzern 2004, 162; Schön, Kreditbesicherung durch abhängige Kapitalgesellschaften, ZHR 159 (1995), 351; Schwark, Prospekthaftung und Kapitalerhaltung in der AG, in: Festschrift für Peter Raisch, 1995, S. 269; Seibert, MoMiG, RWS-Dokumentation 23, 2009; Servatius, Covenants in der Restruktrurierung, CFL 2013, 14; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, 2008; Servatius, Die besondere Zweckbindung des Stammkapitals bei Drittgeschäften mit Gesellschaften, DStR 2004, 1176; Servatius, Über die Beständigkeit des Erstattungsanspruchs wegen Verletzung des Stammkapitals, GmbHR 2000, 1028; Servatius, Nutzungsweise Überlassung von Betriebsmitteln der GmbH an Gesellschafter als Auszahlung i. S. v. §§ 30, 31 GmbHG, GmbHR 1998, 723; Sieger/Hasselbach, Die Übernahme von Gewährleistungen durch die Aktiengesellschaft bei Kapitalerhöhung und Aktientausch, BB 2004, 60; Stimpel, Das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG, in: Festschrift 100 Jahre GmbHG, S. 335; Technau, Rechtsfragen bei der Gestaltung von Übernahmeverträgen („Underwriting Agreements“) im Zusammenhang mit Aktienemissionen, AG 1998, 445; Wilhelm, Die Vermögensbindung bei der Aktiengesellschaft und der GmbH und das Problem der Unterkapitalisierung, in: Festschrift für Werner Flume, Bd. II, 1978, S. 377.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 1. Kapitalbindung .................................. 1 2. Ausnahmen ........................................ 2 3. Reichweite .......................................... 3 4. Schutzzweck ...................................... 4 5. Rechtspolitische Kritik ...................... 6 II. Verbot der Einlagenrückgewähr ..... 8 1. Geschütztes Vermögen ..................... 8 2. Erfasste Auszahlungen ...................... 9 a) Art des Vermögensabflusses ..... 10 b) Vollwertige Gegenleistung ....... 11 c) Maßgeblicher Zeitpunkt ........... 14 d) Bilanzielle Betrachtung (§ 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2) ......... 16 aa) Grundlagen ................................ 17 bb) Vollwertiger Gegenleistungsoder Rückgewähranspruch ........ 21 cc) Fälligkeit, Beobachtungspflicht ......................................... 22 e) Bestellung von Sicherheiten ...... 24
f) Anlegerschutz, Kapitalmarkt ..... 26 3. Leistung causa societatis .................. 29 4. Aktionäre als Leistungsempfänger .... 31 a) Ehemalige und künftige Aktionäre .................................... 32 b) Einbeziehung Dritter ................. 33 aa) Nähebeziehung zwischen Drittem und Aktionär bzw. Aktie ........................................... 34 bb) Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschaft .......... 35 5. Subjektive Komponente ................... 36 6. Besonderheiten beim Rückerwerb eigener Aktien ................................... 37 7. Besonderheiten bei Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen .... 38 8. Rechtsfolgen von Verstößen, Konkurrenzen ................................... 39 9. Beweislast .......................................... 41 III. Zinsverbot (§ 57 Abs. 2) ................. 42 IV. Aktionärsdarlehen .......................... 43
I.
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1.
Kapitalbindung
1 § 57 ist die zentrale Norm für die zwingende Kapitalbindung bei der AG.1) Sie prägt entscheidend das Wesen der AG als Kapitalgesellschaft und ist der Preis für die Haftungs_____________ 1)
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Eingehend Bezzenberger, Kapital der Aktiengesellschaft, § 57.
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Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
§ 57
beschränkung der Aktionäre. Über den Wortlaut der „verbotenen Einlagenrückgewähr“ hinaus sind im Ausgangspunkt sämtliche finanziellen Leistungen der AG an ihre Aktionäre verboten, soweit sie causa societatis erfolgen, mithin ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis haben. Wird hiergegen verstoßen, folgt eine korrespondierende Erstattungspflicht aus § 62. Das Verbot beruht auf Art. 15 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie, der für alle AG innerhalb der EU das bilanzbezogene Gläubigerschutzsystem vorschreibt. Es war jedoch in Deutschland vorher bereits aktienrechtliches Allgemeingut;2) vgl. auch den weitgehend ähnlichen, jedoch allein auf die Stammkapitaldeckung bezogenen § 30 GmbHG. § 57 ist nicht Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gläubiger und Aktionäre, da die Rechtsfolge gemäß § 62 und die Organhaftung gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 1 ausreichen.3) 2.
Ausnahmen
Ausnahmen vom weit zu verstehenden Verbot der Einlagenrückgewähr bestehen zu- 2 nächst gemäß § 57 Abs. 3 für den tatsächlich angefallenen und förmlich ausgewiesenen Bilanzgewinn i. S. von § 174 sowie gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 für den Preis beim zulässigen Rückerwerb eigener Aktien (siehe unten Rz. 37). Darüber hinaus ist anerkannt, dass die Vermögensverteilung bei der Liquidation nach Gläubigerbefriedigung und Ablauf des Sperrjahres (§§ 271, 272) ebenfalls keinen Verstoß gegen § 57 begründet.4) Das Gleiche gilt für die Kapitalherabsetzung, vgl. § 225 Abs. 2. Nach § 57 Abs. 1 Satz 3 gilt seit dem MoMiG aus dem Jahr 2009 auch eine Ausnahme für Leistungen bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (siehe unten Rz. 38) sowie – ähnlich wie bei § 27 Abs. 4 –, wenn mit der Auszahlung ein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch korrespondiert (sog. bilanzielle Betrachtung)5). Dies ist insbesondere bei der Durchführung eines Cash Pools relevant (siehe unten Rz. 17 ff.). Schließlich gilt als bedeutende ungeschriebene Ausnahme vom Zahlungsverbot, dass marktübliche Drittrechtsbeziehungen keinen Verstoß gegen die Kapitalbindung begründen, selbst wenn der AG hierdurch Vermögen entzogen wird. 3.
Reichweite
Die Reichweite des Zahlungsverbots ist in mehrfacher Hinsicht über den Wortlaut der 3 Norm hinausgehend.6) Zum einen spielt es keine Rolle, ob die – ggf. verbotene – Rückzahlung eine Geldleistung oder den Abzug eines sonstigen Vermögenswertes darstellt (siehe Rz. 8 ff.) sowie, ob sie offen oder verdeckt erfolgt (siehe Rz. 10). Die sog. verdeckten Gewinnausschüttungen an einzelne Aktionäre sind daher vielfach nicht nur wegen der Verletzung von § 53a rechtswidrig, sondern können auch gegen das Zahlungsverbot verstoßen und müssen nach § 62 erstattet werden. Zum anderen sind nicht nur unmittelbare Leistungen an die gegenwärtigen Aktionäre erfasst. Zur Verhinderung von Umgehungen ist es geboten und allgemein anerkannt, das Verbot auch auf den Aktionären zurechenbare Dritte zu erstrecken (siehe unten Rz. 33) sowie auf ehemalige und künftige Aktionäre (siehe Rz. 32). Im Insolvenzverfahren wird § 57 durch § 199 Satz 2 InsO überlagert, der bis zur vollständigen Gläubigerbefriedigung eine weitergehende Ausschüttungssperre begründet. Aktionärsdarlehen gemäß §§ 39, 135 InsO sind seit dem MoMiG _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
Zur Entstehungsgeschichte Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rz. 2, 7. Vgl. BGH, Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342 = ZIP 1990, 578; BGH, Urt. v. 25.6.2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148, 167, 171 = NJW 2001, 3123, 3124 = ZIP 2001, 1458. RG, Urt. v. 27.2.1913 – II 534/12, RGZ 81, 414, 412. Vgl. zum gesetzgeberischen Ansatz der Neuregelung Seibert, MoMiG, S. 24 ff., 28 ff. Zur methodischen Erklärung des weiten Anwendungsbereichs Fleischer, WM 2007, 909, 910.
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§ 57
Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
nicht mehr der materiell-rechtlichen Kapitalbindung unterstellt (§ 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1; Einzelheiten im Anhang § 57). Das Recht der Kapitalaufbringung ist vorrangig, so dass insbesondere die Fälle der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens allein nach § 27 Abs. 4 und 5 beurteilt werden.7) Dies ist vor allem i. R. der Darlehensgewährung an Aktionäre wegen der nach den Kapitalaufbringungsregeln verschärften Anforderungen im Hinblick auf die Fälligkeit des Rückgewähranspruchs bedeutsam (siehe unten Rz. 21). 4.
Schutzzweck
4 Die Vermögensbindung gemäß § 57 verwirklicht im Wesentlichen zwei Schutzziele: Am wichtigsten, jedoch rechtspolitisch derzeit auch am stärksten in der Kritik, ist der hierüber vermittelte Gläubigerschutz. Die Aktionäre werden bis Abschluss der Liquidation einer AG über § 57 an ihrem (kollektiven) Einlageversprechen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 185 festgehalten, so dass das Grundkapital seine Eigenkapitalfunktion erfüllt und vorrangig die Verluste abfedert.8) Die über den Schutz des Grundkapitals hinausgehende Bindung verdeutlicht, dass es sich beim Gesellschaftsvermögen im Verhältnis zu den Aktionären insgesamt um zweckgebundenes Betriebskapital handelt, welches dem Zugriff causa societatis entzogen ist.9) 5 Da die Vermögensbindung über die Grundkapitalziffer und die gebundenen Rücklagen (vgl. §§ 150, 300) hinausgeht, verwirklicht § 57 auch den Schutz der Aktionäre.10) Die Erlaubnis gemäß § 57 Abs. 3 zur Auskehrung allein des (angefallenen) Bilanzgewinns ist nämlich an ein weitgehend zwingendes Verfahren unter Beteiligung der Hauptversammlung geknüpft (vgl. § 174). Hierdurch wird zum einen Transparenz verwirklicht, indem verdeckte Vermögenszuwendungen ausgeschlossen sind. Zum anderen wird der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) gewahrt, indem der Gewinnverwendungsbeschluss bei Verstößen hiergegen gemäß § 243 Abs. 1 anfechtbar ist. Aus diesem Schutzzweck folgt, dass eine formal rechtswidrige Gewinnverwendung auch dann gemäß § 62 erstattungspflichtig ist, wenn die ausgezahlte Summe den Aktionären an sich gebühren würde.11) Bei der EinPersonen-AG und dem einvernehmlichen Aktionärshandeln kommt dieser Schutzzweck freilich nicht zum Tragen; vgl. insoweit aber die Ergänzung des Gläubigerschutzes durch die Existenzvernichtungshaftung gemäß § 826 BGB.12) 5.
Rechtspolitische Kritik
6 Die kompetenzrechtliche Schutzrichtung von § 57 ist bei der kapitalmarktorientierten Publikumsgesellschaft wegen der hierdurch vermittelten Rechtssicherheit letztlich kaum zu kritisieren. Demgegenüber mehrt sich in den letzten Jahren der rechtspolitische Druck, den bilanzbezogenen Gläubigerschutz (balance sheet test) zugunsten solvenzbezogener Ausschüttungssperren (solvency test) aufzugeben.13) Im Kern geht es darum, dass feste Kapitalgrößen – Mindestkapital und ggf. höhere Grundkapitalziffer – nach dem Effizienzkriterium nicht geeignet sind, einen adäquaten Gläubigerschutz zu gewährleis_____________ 7) Vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2011 – II ZR 275/99, ZIP 2001, 1997, 1998. 8) Schön, Der Konzern 2004, 162, 166 ff.; Servatius, GmbHR 1998, 723; zur gesellschaftsrechtlichen Gewährleistung der Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 308 ff. 9) Servatius, DStR 2004, 1176, 1179 ff. 10) Einschränkend, bloß „nicht unerwünschte Nebenfolge“, Fleischer, WM 2007, 909, 910. 11) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 36. 12) Einzelheiten bei Michalski-Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 2, Rz. 370 ff. 13) Vgl. aus englischer Perspektive den sog. Rickford-Report, EBLR 2004, 919, 975 ff.; aus deutscher Perspektive statt anderer Ekkenga, AG 2006, 389; zum Rechtsvergleich ausführlich Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa.
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Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
§ 57
ten, der auch die Gesellschafterinteressen hinreichend berücksichtigt. Ihren Ursprung findet diese Sichtweise innerhalb Europas vor allem in Großbritannien14) und findet vor allem bei den Anhängern der Rechtsökonomik großen Widerhall. Die aktuelle Diskussion über die Konzeption der Kapitalbindung bei der geplanten Europäischen Privatgesellschaft (SPE)15) zeigt jedoch, dass über diese kapitalgesellschaftsrechtliche Grundsatzfrage bereits innerhalb der EU kaum Einigkeit zu erzielen ist. Es ist gleichwohl abzusehen, dass die derzeit noch anzutreffende europäische Harmonisierung des Gläubigerschutzes bei der AG gemäß der Kapitalrichtlinie mittelfristig gelockert und daher auch die AG Objekt des Wettbewerbs der Rechtsformen bzw. Gesellschaftsrechte sein wird. Der deutsche Gesetzgeber sieht diese Entwicklung wohl ähnlich und verfolgt derzeit bei 7 den Kapitalgesellschaften ein zweispuriges Konzept: Neben die bilanzbezogene Kapitalbindung gemäß § 30 GmbHG bzw. § 57 tritt seit dem MoMiG die Insolvenzverursachungshaftung der Geschäftsleiter gemäß § 64 Satz 3 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 3. Diese sichert – ähnlich wie die englische wrongful trading rule – die Gläubiger gegen Vermögensabflüsse, die jenseits einer bilanziellen Anknüpfung in die Insolvenz führen und ihre Befriedigung schmälern; vgl. zudem auch die nunmehr auf § 826 BGB gestützte Existenzvernichtungshaftung.16) Die parallele Geltung der bilanz- und liquiditätsbezogenen Ausschüttungssperren ist derzeit sicher eine Überregulierung, die kein schlüssiges Gesamtkonzept erkennen lässt. Sie rechtfertigt sich jedoch als Versuch, für die zu erwartende künftige Liberalisierung der europäischen Vorgaben für den Gläubigerschutz bei der AG gewappnet zu sein. So wird sich in den nächsten Jahren wohl abzeichnen, wie effektiv und aus Sicht der Aktionäre prohibitiv die genannten Ausschüttungssperren tatsächlich sind, so dass vielleicht einmal nur das eine Konzept fortbestehen bzw. Wahlfreiheit bestehen wird. Nichts desto trotz: Die Vermögensbindung gemäß § 57 und ihre europarechtliche Grundlegung sind derzeit geltendes Recht. Es verbietet sich daher eine schleichende Entwertung der Norm, indem der Anwendungsbereich angesichts der rechtspolitischen Kritik contra legem zurückgeschraubt wird. II.
Verbot der Einlagenrückgewähr
1.
Geschütztes Vermögen
Abweichend von der GmbH unterliegt bei der AG nicht nur das Grundkapital und die 8 nach §§ 150, 300 gebundenen Rücklagen der Auszahlungssperre, sondern das gesamte Gesellschaftsvermögen.17) Im Übrigen gelten jedoch dieselben Erwägungen, so dass die für das GmbH-Recht vorhandene Rechtsprechung und Literatur auch bei der AG herangezogen werden können. Es gilt eine funktionale Betrachtung. Die Bilanzierungsfähigkeit18) und ggf. konkrete Bilanzierung eines Vermögenswertes spielen keine Rolle, so dass das Gesellschaftsvermögen nicht durch die handelsbilanziellen Buchwerte begrenzt ist.19) Ebenso ist unerheblich, ob der betreffende Vermögensgegenstand im Wege der Zwangsversteigerung oder im Insolvenzverfahren der konkreten Gläubigerbefriedigungen dienen könnte. Es dürfen daher z. B. auch Gewinnchancen der AG nicht einem Aktionär zuge_____________ 14) 15) 16) 17)
Vgl. zum Kapitalschutzregime für die dortige Ltd. Henssler/Strohn-Servatius, GesR, IntGesR Rz. 99 ff. Vgl. Henssler/Strohn-Servatius, GesR, IntGesR Rz. 358 ff. Einzelheiten bei Michalski-Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 2, Rz. 370 ff. BGH, Urt. v. 21.06.1999 – II ZR 47/98, ZIP 1999, 1352; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 57 Rz. 10 – umfassende Vermögensbindung. 18) Vgl. für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 324, 326. 19) BGH, Urt. v. 1.12.1986 – II ZR 306/85, ZIP 1987, 575; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 13.
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§ 57
Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
wiesen werden.20) Verstöße gegen ein Wettbewerbsverbot können so regelmäßig auch Erstattungsansprüche nach § 62 auslösen. Der Vermögensbindung unterliegen ferner Nutzungswerte der von der AG zu Eigentum oder Besitz gehaltenen Gegenstände. Eine zeitweise Überlassung an den Aktionär ist daher nur gegen marktübliche Kostenerstattung zulässig, was insbesondere die Darlehensgewährung betrifft.21) Befindet sich die AG bereits im Stadium der Überschuldung (§ 19 InsO), gilt § 57 ebenfalls.22) 2.
Erfasste Auszahlungen
9 Auch beim Auszahlungsbegriff gilt eine funktionale Betrachtung. Auf den bereits in § 57 verschieden verwendeten Wortlaut – „Einlagenrückgewähr“, „Zahlung“, „Leistung“ darf nicht (begrenzend) abgestellt werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Sachverhalt das durch die Kapitalbindung geschützte Gesellschaftsvermögen (siehe oben Rz. 8) entgegen der ihm im Verhältnis zu den Aktionären zwingend zukommenden Widmung als zweckgebundenes Betriebskapital schmälert (zum doppelten Schutzzweck siehe Rz. 4 f.). a)
Art des Vermögensabflusses
10 Verboten ist im Ausgangspunkt nicht nur die förmliche „Einlagenrückgewähr“, sondern jede offene oder verdeckte finanzielle Zuwendung der AG an einen Aktionär oder diesem zurechenbaren Dritten (hierzu siehe unten Rz. 33 ff.).23) Zur notwendigen Einschränkung dieses weiten Begriffs durch das Merkmal causa societatis siehe Rz. 29 ff. Die Art des Vermögensabflusses ist unerheblich. Eine Auszahlung liegt daher nicht nur bei der aktiven dinglichen Zuwendung eines Vermögenswertes an den Aktionär vor, sondern auch in der Begründung einer Verbindlichkeit der AG,24) dem Verzicht auf eine Forderung gegen den Aktionär25) oder der Bestellung einer (ggf. nur schuldrechtlichen) Sicherheit.26) Darüber hinaus spielt es auch keine Rolle, ob die AG den Vermögenstransfer veranlasst hat oder der Aktionär eigenmächtig „in die Kasse“ greift. Verursacht das Aktionärsverhalten allerdings allein Ansprüche – nicht einzubeziehender! (siehe unten Rz. 33 ff.) – Dritter gegen die AG, scheidet eine Auszahlung aus.27) b)
Vollwertige Gegenleistung
11 Unproblematisch als Auszahlung anzusehen sind die Fälle, bei denen der Aktionär eine Leistung erhält, ohne dass er diese aufgrund eines Gegenanspruchs der AG – irgendwann – wieder zurückzahlen muss, z. B. überhöhte Dividenden, Schenkungen oder verlorene Zuschüsse. Bei allen anderen Gestaltungen, insbesondere den möglicherweise verdeckten Gewinnausschüttungen i. R. von Drittgeschäften, ist jedoch problematisch und vorrangig zu klären, was genau die Auszahlung darstellt. _____________ 20) In diese Richtung BGH, Urt. v. 1.12.1986 – II ZR 306/85, ZIP 1987, 575 = NJW 1987, 1194; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 18; Einzelheiten bei Servatius, GmbHR 1998, 723. 21) Vgl. Servatius, GmbHR 1998, 723; vgl. noch unten Rz. 19. 22) Vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1990 – II ZR 114/89, ZIP 1990, 451 = NJW 1990, 1730, 1732 – zur GmbH. 23) RG, Urt. v. 19.10.1934 – II 85/34, RGZ 146, 84, 87; BGH, Urt. v. 1.3.1999 – II ZR 312/97, BGHZ 141, 79 = ZIP 1999, 708 = AG 1999, 372. 24) Vgl. für die Übernahme des Prospekthaftungsrisikos BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09, ZIP 2011, 1306 = WM 2011, 1273. 25) Vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1983 – II ZR 14/83, ZIP 1984, 170, 171; Urt. v. 10.5.1993 – II ZR 74/92, BGHZ 122, 333 = ZIP 1993, 917. 26) RG, Urt. v. 22.4.1932 – II 349/31, RGZ 136, 260, 264; vgl. hierzu noch unten Rz. 24 f. 27) Vgl. BGH, Urt. v. 31.1.2000 – II ZR 189/99, ZIP 2000, 493.
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§ 57
Den Ausgangspunkt hierfür bildet die Feststellung, dass es sich bei der Vermögensbindung 12 gemäß § 57 – wie bei § 30 GmbHG – allein um einen wertmäßigen Schutz des Gesellschaftsvermögens handelt und keinen gegenständlichen.28) Ein derartiges Schutzanliegen lässt sich nur bei mehrgliedrigen Gesellschaften über die Treuepflichtbindung verwirklichen. Es geht also im Hinblick auf die Kapitalbindung allein darum, die Gläubiger- und ggf. Aktionärsinteressen summenmäßig zu wahren und nicht etwa das Interesse an bestimmten Gegenständen, wie z. B. Patente oder Maschinen (vgl. insoweit jedoch die Ergänzung des Kapitalschutzes durch die nunmehr auf § 826 BGB gestützte Existenzvernichtungshaftung).29) Zum anderen folgt aus dem zwingenden Charakter der Norm, dass eine objektive Betrachtung des Sachverhalts anzustellen ist. Die an der Transaktion Beteiligten dürfen daher nicht selbst entscheiden, welchen Wert die in Rede stehenden Leistungen und Gegenleistungen haben. Es war bereits früher allgemein anerkannt, dass im komplexen Leistungsaustausch zwischen 13 Aktionär und AG die betreffenden Einzelakte nach der vorgeschilderten objektiven und wertmäßigen Betrachtung zu saldieren sind und dieses Ergebnis dann ggf. die Auszahlung darstellt. Die dogmatische Grundlage hierfür ist das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass nur Leistungen causa societatis verboten sind (zum Drittvergleich siehe unten Rz. 30). Im Zuge des durch das MoMiG neu eingeführten § 57 Abs. 1 Satz 3 findet diese Sichtweise mittlerweile eine ausdrückliche gesetzliche Stütze, welche freilich über das Saldierungsgebot hinaus den Auszahlungsbegriff einschränkt (sog. bilanzielle Betrachtungsweise, Einzelheiten siehe unten Rz. 16 ff.). Erlangt die AG daher eine objektiv vollwertige Gegenleistung, scheidet die Auszahlung regelmäßig aus (vgl. hierzu im Einzelnen unten Rz. 21).30) Dies führt z. B. dazu, dass die Tilgung einer wirksamen und werthaltigen Forderung des Aktionärs gegen die AG keine Auszahlung bedeutet; umgekehrt kann die Zahlung eines überhöhten Preises durch die AG i. R. eines Austauschgeschäfts mit dem Aktionär gleichwohl eine Auszahlung i. H. des Differenzbetrags darstellen. Das Gleiche gilt beim Abschluss eines für die AG objektiv ungünstigen Vergleichs.31) Die Rückerstattungspflicht gemäß § 62 Abs. 1 darf freilich nicht mit einbezogen werden, weil ansonsten das Zahlungsverbot praktisch leer liefe (Zirkelschluss).32) Darüber hinaus muss die Gegenleistung wertmäßig bezifferbar sein.33) Bei der Ermittlung besteht nach zutreffender Ansicht auch kein Ermessensspielraum; es handelt sich vielmehr um eine voll überprüfbare Rechtsfrage.34) c)
Maßgeblicher Zeitpunkt
Bei § 30 GmbHG ist der Zeitpunkt für die Bestimmung einer Auszahlung vor allem rele- 14 vant, um den Angriff auf die Stammkapitaldeckung zu ermitteln. Indem dieses Kriterium bei § 57 irrelevant ist (siehe Rz. 8), kommt es beim maßgeblichen Zeitpunkt allein darauf an, wann ein Rückerstattungsanspruch gemäß § 62 konkret entsteht. Dies ist vor allem für den Beginn der Verjährung nach § 62 Abs. 4 relevant. _____________ 28) RG, Urt. v. 19.10.1934 – II 85/34, RGZ 146, 84, 94. 29) Einzelheiten bei Michalski-Servatius, GmbHG, Syst. Darst. 2, Rz. 370 ff. 30) Zum früheren Recht bereits RG, Urt. v. 23.10.1931 – II 67/31, RGZ 133, 393, 395; RG, Urt. v. 15.12.1941 – II 103/41, RGZ 168, 292, 295; BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258, 276. 31) Vgl. OLG Dresden, Urt. v. 25.7.2002 – 2 U 729/02, GmbHR 2002, 1245. 32) Vgl. hierzu Servatius, GmbHR 2000, 1028; Altmeppen, ZIP 2006, 1025, 1030 f. 33) BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), ZIP 2011, 1306 = NJW 2011, 2719; vgl. hierzu im Kontext des Abkaufs von Anfechtungsklagen Ehmann/Walden, NZG 2013, 806. 34) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 12.
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15 Handelt es sich um einen gegenständlichen Vermögensabfluss, kommt es spätestens auf den Zeitpunkt der dinglichen Vollziehung an (Zahlung einer Dividende, eigenmächtiger Griff in die Kasse). Problematisch ist indessen, ob bereits die zeitlich frühere Einräumung eines Anspruchs zugunsten des Aktionärs auf die betreffende Leistung unter den Auszahlungsbegriff fällt, mithin ggf. sogleich nichtig ist (zur Nichtigkeit wegen Verstößen gegen § 57 siehe unten Rz. 39). Die wohl h. M. stellt auch hier grundsätzlich erst auf die etwaige Erfüllung ab und begründet dies vor allem mit dem dafür bestehenden Leistungsverweigerungsrecht.35) Dem ist nicht zu folgen. Im Rahmen einer funktionalen Betrachtung des Auszahlungsbegriffs ist vielmehr bereits eine konkrete Vermögensgefährdung als verboten anzusehen, denn nur auf diese Weise lässt sich das Verbot präventiv verwirklichen. Hiernach ist daher bereits die gegen § 57 Abs. 1 verstoßende Begründung einer Verbindlichkeit als Auszahlung zu sehen und konsequenterweise nicht erfüllbar (Leistungsverweigerungspflicht); auf die handelsrechtliche Pflicht, diese zu passivieren oder eine Rückstellung zu bilden, kommt es nicht an. Die dort maßgeblichen Kriterien können jedoch als Anhaltspunkte dienen. Bei der Sicherheitenbestellung (upstream security) gilt dies entgegen der h. M. gleichermaßen.36) Vgl. unten Rz. 24 f. d)
Bilanzielle Betrachtung (§ 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2)
16 Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 handelt es sich um keine verbotene Auszahlung, wenn die Leistung an den Aktionär durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt ist. aa)
Grundlagen
17 Diese durch das MoMiG im Jahr 2008 eingeführte Privilegierung war eine gesetzgeberische Reaktion auf das November-Urteil des BGH37) und sollte eine Rückkehr zur sog. bilanziellen Betrachtung bewirken. Im Kern geht es darum, den summen- und wertmäßigen Schutz des Gesellschaftsvermögens konsequent umzusetzen und damit nicht ausufern zu lassen. Dies beinhaltet zwei wesentliche Aspekte: Zum einen wird hierdurch gewährleistet, dass bei komplexen Transaktionen bereits bei der Ermittlung einer möglicherweise verbotenen Auszahlung eine objektive Gesamtbetrachtung maßgeblich ist, mithin eine Saldierung von Leistung und Gegenleistung zu erfolgen hat. Dies entsprach jedoch seit jeher der überwiegenden Meinung und brachte keine wesentliche Abschwächung des Kapitalschutzes (siehe oben Rz. 11). 18 Die aus § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 folgende Neuerung zielt jedoch darüber hinaus darauf ab, dass nunmehr der Aktiventausch von Liquidität (Bar- oder Sachmittel der AG) gegen schuldrechtliche Forderungen gegen den Aktionär zulässig sein kann. Diese Möglichkeit wurde zwar wegen des nach überwiegender Meinung nur wertmäßigen Schutzes des Gesellschaftsvermögens (siehe Rz. 12) zwar immer schon prinzipiell anerkannt. Indem das November-Urteil des BGH jedoch berechtigten Anlass bot, das Gesellschaftsvermögen auch in seiner gegenständlichen Zusammensetzung als geschützt anzusehen,38) sah sich der Gesetzgeber auf Druck der eher gesellschafternahen Praxis veranlasst, für Klarheit zu _____________ 35) Grundlegend RG, Urt. v. 16.4.1926 – II 532/25, RGZ 113, 241, 244; RG, Urt. v. 23.10.1931 – II 67/31, RGZ 133, 393, 395; BGH, Urt. v. 3.1.1953 – I ZR 169/51, BB 1953, 245. 36) Abw. BGH, Urt. v. 18.6.2007 – II ZR 86/06, BGHZ 173, 1, 11 f. = ZIP 2007, 1705 – Auszahlung erst bei der tatsächlichen Inanspruchnahme der Sicherheit; wie hier wohl RG, Urt. v. 22.4.1932 – II 349/31, RGZ 136, 260, 265. 37) BGH, Urt. v. 24.11.2003 – II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 793. 38) Hierzu Servatius, DStR 2004, 1176.
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sorgen.39) Die nunmehr weitgehend zulässige Darlehensgewährung an die Aktionäre ermöglicht zwar eine flexible Konzernfinanzierung, insbesondere i. R. eines cash pools, und ist als wirtschaftsfördernder Anreiz daher grundsätzlich zu billigen (vgl. auch die ähnliche, jedoch strengere Regelung zum Hin- und Herzahlen bei der Gründung gemäß § 27 Abs. 5).40) Zu beachten ist jedoch, dass die Möglichkeit, Liquidität gegen Forderungen zu tau- 19 schen, ein Gefährdungspotential für die Gläubiger und Mitaktionäre auslöst.41) Dieses wird durch das Vollwertigkeitsgebot und die fortlaufende Überwachungspflicht des Vorstands nicht vollständig kompensiert. Es spricht daher nach wie vor Vieles dafür, das gebundene Kapital zwar nicht gegenständlich zu schützen und damit auch die Auskehrung von Liquidität an die Aktionäre bei vollwertigem Gegenanspruch prinzipiell zuzulassen. Auf der anderen Seite ist nach wie vor zu berücksichtigen, dass es sich beim gesamten Gesellschaftsvermögen der AG im Verhältnis zu den Aktionären um ein besonders geschütztes zweckgebundenes Betriebsvermögen handelt, welches nicht ihrer individuellen Bedürfnisbefriedigung dient. Hieraus folgt, dass auch die Privilegierung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 unter dem ungeschriebenen Vorbehalt steht, dass die Aktionäre sie nicht causa societatis ausnützen dürfen, sondern nur i. R. der durch die Satzung der konkreten AG vorgegeben Zweckbindung.42) Eine gewöhnliche AG ist z. B. keine Bank, die ihren Aktionären ggf. sogar zinsgünstige Darlehen vergibt. Hiermit rechnet der Rechtsverkehr typischerweise nicht, sondern geht infolge der Publizierung des Unternehmensgegenstands (§ 39 Abs. 1 Satz 1) davon aus, dass das hierin umschriebene operative Geschäft tatsächlich betrieben wird. Auch i. R. von § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 ist daher in Bezug auf das Ob und Wie der Darlehensgewährung bzw. der vergleichbaren Sachverhalte zu fordern, dass das Rechtsgeschäft im Einklang mit der Satzung bzw. dem höherrangigen Konzerninteresse betrieblich gerechtfertigt ist (str.).43) Dies gilt auch im Hinblick auf die Verzinsung des Darlehens.44) Wird hiergegen verstoßen, liegt trotz wertmäßiger Deckung bzw. bilanzieller Betrachtung eine verbotene Auszahlung vor (str.).45) Weiterhin ist zu bedenken, dass aus der durch § 57 Abs. 1 Satz 3 maßgeblichen bilanziellen 20 Betrachtungsweise nicht der Schluss gezogen werden darf, dass nunmehr das bilanziell ausgewiesene Gesellschaftsvermögen geschützt wäre. Stille Reserven und nicht bilanzierbare Vermögenswerte sind nach wie vor vom Schutz des § 57 umfasst und dürfen an die Aktionäre jenseits von § 57 Abs. 3 nicht causa societatis ausgeschüttet werden (siehe oben Rz. 10). bb)
Vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch
Die Privilegierung setzt allein voraus, dass die Leistung durch einen vollwertigen Gegen- 21 leistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt ist. Dass dieser Anspruch nicht der gemäß § 62 Abs. 1 ist, liegt wegen der ansonsten drohenden Entwertung des Zahlungsverbots auf der Hand. Es bedarf somit eines vertraglich eingeräumten Anspruchs der AG gegen den _____________ 39) Vgl. Schäfer, DStR 2006, 2085, 2088 ff.; BDI/Hengeler/Mueller, Rz. 59. 40) Vgl. die ausdrückliche Aufgabe der „November-Rechtsprechung“ durch BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = NJW 2009, 850. 41) Grundlegend Stimpel in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 335, 347 ff. 42) Hierzu Servatius, DStR 2004, 1176. 43) Krit. Fleischer, WM 2007, 909, 913; abw. auch Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 12. 44) Zu berücksichtigen ist aber, dass günstigere Zinsen auch dadurch gerechtfertigt sein können, dass die AG selbst einmal von ihrem Aktionär günstiger Darlehen erhält, insbesondere i. R. eines cash pools (Einzelheiten bei Altmeppen, ZIP 2009, 49, 52). 45) Abw. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 44.
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empfangenden Aktionär. Die klassischen hiervon erfassten Fälle sind die vertraglich geschuldete Gegenleistung i. R. eines Austauschvertrages, insbesondere die Darlehensrückerstattung gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Anspruch muss sich dem Wortlaut nach gegen den Aktionär richten; denkbar und vom Schutzzweck des § 57 gedeckt ist es jedoch auch, wenn ein Dritter sich zur Rückgewähr verpflichtet. Im Hinblick auf die Bonität darf wegen der gebotenen Vollwertigkeit hieraus jedoch keine Schlechterstellung der AG resultieren. Das Kriterium der Vollwertigkeit deckt sich im Übrigen mit dem gemäß § 27 Abs. 5 Satz 1, so dass für die Einzelheiten hierauf verwiesen wird (siehe dort Rz. 64). Auch hier gilt eine „Alles-oder-nichts-Lösung“, so dass die Anrechnung eines bloßen Teilwerts ausscheidet.46) Auch hier kommt es auf die Vollwertigkeit im Auszahlungszeitpunkt an (siehe oben Rz. 14 f.). Die spätere Verschlechterung der Bonität verpflichtet den Vorstand jedoch zur sofortigen Geltendmachung.47) Aus dem Merkmal der Vollwertigkeit ergibt sich auch das Erfordernis einer marktüblichen Verzinsung. Die Privilegierung kommt daher nur in Betracht, wenn (nicht: und soweit) der Aktionär für die Kapitalüberlassung ein objektiv angemessenes Entgelt zahlt (str.).48) cc)
Fälligkeit, Beobachtungspflicht
22 Der entscheidende Unterschied zu § 27 Abs. 4 folgt jedoch daraus, dass der Rückgewähranspruch i. R. von § 57 nicht jederzeit fällig sein muss oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann. Die gesetzgeberische Schieflage, mithin die Abschwächung des Rechts der Kapitalerhaltung gegenüber den Kapitalaufbringungsregeln, wird verschiedentlich als nicht nachvollziehbar kritisiert.49) Letztlich trägt sie aber der allgemeinen Tendenz Rechnung, dass die Kapitalaufbringung vor allem wegen der präventiven Registerkontrolle strenger ist und auch nur dort das Gebot besteht, die Leistungen zur freien Verfügung des Vorstands zu leisten (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2) – Mindestkapital als „Startkapital“. Die Aussparung der zwingenden Kautelen, wonach der Rückgewähranspruch liquide ausgestaltet sein muss, fügt sich so in die allgemein nach Vollendung der Kapitalaufbringung allein maßgebliche Pflichtenbindung des Vorstands ein, die Kapitalausstattung der AG zu steuern. 23 Erkennt man hiernach an, dass der Rückgewähranspruch aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht vertraglich einer Barreserve angeglichen sein muss, folgt doch aus der allgemeinen Pflichtenbindung gemäß § 93 Abs. 1 und dem nach hier vertretener Ansicht (siehe oben Rz. 19) geltenden Erfordernis, dass die Darlehensgewährung betrieblich gerechtfertigt sein muss, dass eine Flexibilität für die tatsächliche Geltendmachung des Anspruchs durchaus erforderlich ist. Konkret bedeutet dies, dass Befristungen des Darlehens oder eine vertragliche Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten zulasten der AG generell unzulässig sind. Im Übrigen ist der Vorstand gehalten, die Forderung gegen den Aktionär anhand der Kriterien fortbestehende Vollwertigkeit und Liquiditätsbedürfnis der AG fortlaufend zu überwachen und die Rückzahlung ggf. sofort zu verlangen.50) Insofern versteht es sich von selbst, dass die AG sich entsprechende Covenants einräumen lassen
_____________ 46) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 40. 47) Vgl. zur fortlaufenden Beobachtungspflicht BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = NJW 2009, 850. 48) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 50: abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 41: eigenständige ausschüttungsrechtliche Betrachtung der Verzinsung; abw. auch Rothley/Weinberger, NZG 2010, 1001, 1005: keine ausschüttungsrechtliche Relevanz der Verzinsung. 49) Z. B. K. Schmidt, JZ 2009, 10, 18. 50) BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = NJW 2009, 850.
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Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen
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muss, um fortlaufend über die Vermögenslage des Aktionärs informiert zu sein.51) Das MoMiG hat insofern auch eine Änderung der Konzernkultur herausgefordert; die Obergesellschaft muss die entsprechenden Informationen geben, um die Privilegien für die Konzernfinanzierung zu erlangen. Die Organwalter in der Untergesellschaft können insofern durchaus selbstbewusst gegenüber der Obergesellschaft auftreten. e)
Bestellung von Sicherheiten
Dass die Bestellung schuldrechtlicher und dinglicher Sicherheiten durch die AG zugunsten 24 eines Aktionärs unter den Auszahlungsbegriff fällt, ist außer Streit.52) § 57 ist daher besonders bedeutsam beim leveraged buy-out, wenn die Kreditfinanzierung des Aktienkäufers durch die AG besichert wird (vgl. insofern aber auch das Verbot der financial assistance gemäß § 71a). Gleiches gilt für die im Konzern häufig anzutreffenden upstream und sidestream securities.53) Insofern sind verschiedene Problemkreise zu differenzieren: Zum einen ist nach zutreffender Meinung im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt 25 für eine verbotene Auszahlung nicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Sicherheit abzustellen, sondern auf die konkrete Vermögensgefährdung (siehe oben Rz. 14 f.).54) Zum anderen ist problematisch, ob eine Sicherheitenbestellung nicht deswegen zulässig ist, weil der Sicherungsfall unwahrscheinlich und damit eine dem „vollwertigen Rückgewähranspruch“ vergleichbare Lage i. S. der Privilegierung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 vorliegt. Ansatzpunkt hierfür ist der aus der Befriedigung des Sicherungsnehmers regelmäßig resultierende Rückgriffsanspruch gegen den Aktionär (§ 670 BGB oder Vertrag). Soweit dieser – wie regelmäßig – gleichermaßen werthaltig oder wertlos ist wie die durch die AG besicherte Verbindlichkeit des Aktionärs gegenüber dem Dritten, kommt eine Privilegierung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 von vornherein nicht in Betracht. Sollte dies einmal nicht gegeben sein, weil für den Rückgriffsanspruch wiederum Sicherheiten zur Verfügung stehen, auf die der Drittgläubiger nicht zugreifen kann, wäre es durchaus möglich, eine nach § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 zulässige Besicherung anzunehmen. f)
Anlegerschutz, Kapitalmarkt
Im Fall von Aktienemissionen, insbesondere über den öffentlichen Kapitalmarkt, muss 26 vielfach ein sachgerechter Ausgleich zwischen Anleger- und Gläubigerschutz gefunden werden.55) Ist z. B. bei einer Kapitalerhöhung der Ausgabebetrag höher als der tatsächliche Wert der Beteiligung oder kommt es im Vorfeld der Emission zu Informations- oder Prospektmängeln, stellt sich die Frage, ob die Zeichner bzw. Erwerber gegenüber der AG Schadensersatz verlangen können. So kommen insofern vor allem Ansprüche der Aktionäre gegen die AG aus Prospekthaftung gemäß §§ 21 ff. WpPG in Betracht sowie aus §§ 37b, 37c WpHG und Delikt wegen unterbliebener oder unrichtiger Kapitalmarktinformation im Vorfeld der Zeichnung bzw. des Erwerbs. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob eine auf den ersten Blick unbestreitbar causa societatis erfolgende Schadensersatzleistung _____________ 51) Krit. Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 283; Überblick über die Möglichkeiten der vertraglichen Ausgestaltung bei Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 32. 52) Vgl. RG, Urt. v. 22.4.1932 – II 349/31, RGZ 136, 260, 265; BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291 = ZIP 1998, 793. 53) Vgl. Kiefner/Theusinger, NZG 2008, 801, 804. 54) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 44. 55) Vgl. zum Ganzen Henze in: GroßKomm-AktG, § 57 Rz. 55 f.; Casper, BKR 2005, 83, 89; zu § 826 BGB – OLG München, Urt. v. 20.4.2005 – 7 U 5303/04, NZG 2005, 518; auch aus europarechtlicher Sicht Fleischer/Schneider/Thaten, NZG 2012, 801.
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der AG an ihre Aktionäre § 57 unterfällt und damit aus Gründen des Gläubigerschutzes und der Aktionärsgleichbehandlung verboten ist. 27 Das RG ging noch davon aus, dass es einem Aktionär in jedem Fall verwehrt sei, seine Aktienbeteiligung in ein Gläubigerrecht umzuwandeln.56) Die heute h. A. in der Literatur räumt hingegen der Prospekthaftung und damit dem Anlegerschutz zumindest dann einen Vorrang vor § 57 ein, wenn die Anteile derivativ, vor allem von einer Emissionsbank, erworben wurden. Beim unmittelbaren Erwerb der Anteile stünde die Bestandskraft des Zeichnungsvertrages einer Ersatzpflicht entgegen.57) Die jüngere Rechtsprechung geht nunmehr davon aus, dass bei einer kapitalmarktrechtlich begründeten Ersatzpflicht wegen vorsätzlich fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen die Kapitalbindung zurückzutreten habe.58) Dieser kapitalmarktrechtliche Ansatz überzeugt und ist auf die Prospekt- und allgemeine Informationshaftung zu übertragen.59) Die gesetzliche Kapitalbindung und die Bestandskraft des Zeichnungsvertrages finden ihre Grenzen in den vorrangigen gesetzlichen Haftungstatbeständen, weil diese ansonsten praktisch leer liefen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Zeichner die Aktien unmittelbar von der AG oder von einer Emissionsbank erworben hat.60) Konsequenterweise gilt diese Privilegierung auch gegenüber einer Emissionsbank, welche die Platzierung übernimmt und sich von der AG für etwaige, von dieser verursachte Prospektfehler haftungsrechtlich freizeichnen lässt.61) Bei einer Zweitplatzierung von Aktien eines Altaktionärs bedarf eine vermögenswerte Unterstützung durch die AG jedoch wie allgemein bei § 57 einer marktgerechten finanziellen Kompensation; diese kann auch in einem werthaltigen Freistellungsanspruch gegenüber dem begünstigten Aktionär liegen.62) 28 Bei einer Privatplatzierung oder beim Einsatz von Aktien als „Akquisitionswährung“ stellt sich darüber hinaus regelmäßig das Problem, ob die AG selbst gegenüber den Zeichnern eine besondere Gewährleistungsübernahme für die Werthaltigkeit der Anteile übernehmen darf.63) Die liberale, kapitalmarktorientierte Ansicht (siehe oben Rz. 27) gilt hier richtigerweise nur sehr eingeschränkt. Die Korrektur eines zu hohen Ausgabebetrags ist nur in begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Um Umgehungen zu verhindern und die Kapitalbindung gemäß §§ 57, 62 nicht zu unterlaufen, ist eine Ersatzpflicht von vornherein nur für gesetzliche Ansprüche auf Schadensersatz anzuerkennen, vor allem aus Delikt.64) Die Gesellschaft hat nur in diesen Fällen regelmäßig Regressansprüche gegen die Organwalter und sonstige Erfüllungsgehilfen. Der teilweise vertretene Ansatz, die individualvertragliche Vereinbarung einer weitergehenden Gewährleistungsübernahme durch die Gesell_____________ 56) RG, Urt. v. 14.3.1903 – I 371/02, RGZ 54, 128, 132; RG, Urt. v. 8.11.1905 – I 154/05, RGZ 62, 29, 31. 57) Vgl. Henze in: GroßKomm-AktG, § 57 Rz. 14 f.; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 57 Rz. 19; Schwark in: FS Raisch, S. 269, 287 ff. 58) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2005 – 1 U 149/04 (Comroad), ZIP 2005, 710; BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 (EM.TV), ZIP 2005, 1270 = NZG 2005, 672. 59) So auch K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 40; Hüffer, AktG, § 57 Rz. 3; Assmann/SchneiderSethe, WpHG, §§ 37b, 37c Rz. 6; zurückhaltender Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rz. 47. 60) In diese Richtung auch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2005 – 1 U 149/04 (Comroad), ZIP 2005, 710, 713; BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 (EM.TV), ZIP 2005, 1270 = NZG 2005, 672, 674; BGH, Hinweisbeschl. v. 28.11.2005 – II ZR 80/04 (Comroad), ZIP 2007, 681 = NZG 2007, 345. 61) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 6. 62) BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), ZIP 2011, 1306 = WM 2011, 1273; hierzu Leuschner, NJW 2011, 3275. 63) Sieger/Hasselbach, BB 2004, 60, 63 ff.; Brandi, NZG 2004, 600, 603; vgl. insb. im Zusammenhang von Business Combination Agreements Aha, BB 2001, 2225, 2230. 64) In diese Richtung auch BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), ZIP 2011, 1306 = WM 2011, 1273.
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schaft könne einem „Drittvergleich“ standhalten und eine verbotene Einlagenrückgewähr ausschließen,65) erscheint konstruiert.66) 3.
Leistung causa societatis
Die Kapitalbindung schützt nur Auszahlungen, die ihre Grundlage im Gesellschaftsverhält- 29 nis haben, mithin causa societatis erfolgen.67) Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ist ohne weiteres erfüllt, wenn z. B. an die Aktionäre unberechtigt Dividenden, Abschläge oder Gründervorteile gezahlt werden oder die Leistung rechtsgrundlos durch einen eigenmächtigen bzw. vom Vorstand gebilligten „Griff in die Gesellschaftskasse“ erfolgt. Problematisch ist indessen, die prinzipiell zulässigen Drittgeschäfte abzugrenzen. Dies betrifft vornehmlich Veräußerungsgeschäfte, Gebrauchsüberlassungen,68) Vorstandstantiemen,69) Darlehensgewährungen i. R. eines cash pools. Maßgebliches Kriterium ist insofern nach wie vor der Drittvergleich.70) Eine verbotene 30 Auszahlung liegt hiernach vor, wenn die AG den betreffenden Vermögenstransfer hinsichtlich Ob und Wie nicht gleichermaßen mit einem Nicht-Aktionär zukommen lassen würde. Entgegen der h. M. kommt es hierbei nicht allein abstrakt auf die Marktüblichkeit an, sondern auch auf die individuelle Zielsetzung der AG gemäß satzungsmäßigem Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck (str.).71) Insbesondere die Darlehensgewährung an Aktionäre ist daher selbst bei marktüblicher Verzinsung nicht automatisch zulässig (wenn zudem die Voraussetzungen von § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 vorliegen). Vielmehr ist auch hier stets zusätzlich zu fragen, ob das Geschäft betrieblich gerechtfertigt ist.72) In Konzernsachverhalten tritt an die Stelle des Gesellschaftsinteresses das Konzerninteresse, so dass diese nicht allgemein gebilligte Sichtweise bei der Praxis des cash pools wohl keine signifikante Begrenzung der Gestaltungsfreiheit nach sich zieht. Zudem ist stets auf die konkrete Marktsituation abzustellen, so dass nicht stets die gewinnbringende Veräußerung von Gegenständen notwendig ist.73) 4.
Aktionäre als Leistungsempfänger
Unproblematisch aufgrund des Wortlauts erfasst sind Leistungen an die gegenwärtigen 31 Aktionäre der AG. Auf einen Eintrag ins Aktienregister (§ 67) kommt es nicht an. Um den Schutzzweck der Norm effektiv zu verwirklichen, sind jedoch weitere Konstellationen unter das Verbot zu fassen. a)
Ehemalige und künftige Aktionäre
Trifft die Auszahlung im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mit der Aktionärsstellung zu- 32 sammen, scheidet eine verbotene Einlagenrückgewähr nicht aus. Sobald sich die Leistung zeitlich und sachlich auf die ehemalige oder künftige Mitgliedschaft bezieht, ist sie
_____________ 65) 66) 67) 68) 69) 70) 71) 72) 73)
So Schaefer/Grützediek, NZG 2006, 204, 206 ff.; Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091, 1094. Zutreffend Technau, AG 1998, 445, 455 f.; Sieger/Hasselbach, BB 2004, 60, 61. BGH, Urt. v. 24.3.1954 – II ZR 23/53, BGHZ 13, 49, 54. Vgl. Servatius, GmbHR 1998, 723. Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 269/91, ZIP 1992, 1382 = NJW 1992, 2894. BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = NJW 2009, 850. A. A. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 12. So bei § 30 GmbHG auch Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 30 Rz. 29. Vgl. zum Verkauf unter Einstandspreis Servatius, GmbHR 1998, 723; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.9.1998 – 7 U 78/98, GmbHR 1999, 298.
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gleichwohl verboten, um den Schutzzweck des Verbots nicht leerlaufen zu lassen.74) Wird das Leistungsversprechen noch zur Zeit der Aktionärsstellung gegeben, die Leistung aber nachträglich erst gewährt, soll dies nach h. M. der Fall sein;75) richtigerweise ist jedoch bereits auf den Zeitpunkt des Leistungsversprechens abzustellen, so dass derartige Fälle unmittelbar auf § 57 gestützt werden können (siehe oben Rz. 14 f.). b)
Einbeziehung Dritter
33 Die gesetzlich gewährleistete Kapitalerhaltung richtet sich in erster Linie an die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Der tragende Grund, diese Vermögensverschiebungen als unzulässig anzusehen, liegt in der Zweckentfremdung des Gesellschaftsvermögens.76) Gleichwohl besteht Einigkeit, dass auch Leistungen an Dritte unter das Kapitalerhaltungsgebot fallen können und ggf. unzulässig sind. Hierbei ist zu differenzieren, ob der Zurechnungstatbestand im Verhältnis zwischen dem Dritten und einem Aktionär bzw. dessen Aktie angesiedelt ist oder unmittelbar zwischen dem Dritten und der AG. aa)
Nähebeziehung zwischen Drittem und Aktionär bzw. Aktie
34 Maßgeblich für eine Einbeziehung Dritter in das Auszahlungsverbot ist einmal, ob es sich bei der Leistung an einen Dritten um eine mittelbare Leistung an einen Aktionär handelt oder ob zwischen dem Dritten und einem Aktionär eine enge rechtliche oder persönliche Verbundenheit besteht.77) So ist eine verbotene Einlagenrückgewähr dann zu bejahen, wenn die AG an einen Dritten für Rechnung des Aktionärs leistet.78) Das Gleiche gilt, wenn der Dritte mit einem Aktionär in einem engen verwandtschaftlichen Verhältnis steht (vgl. §§ 89 Abs. 5, 115 Abs. 2)79) oder ein mit einem Aktionär verbundenes Unternehmen i. S. von § 15 ist.80) Beim Nießbrauch an einer Aktie gilt das Kapitalerhaltungsverbot auch gegenüber dem Nießbraucher,81) beim Pfandrecht hingegen nur, wenn der Dritte wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft ähnlich wie ein Gesellschafter hat.82) bb)
Nähebeziehung zwischen Drittem und Gesellschaft
35 Die Einbeziehung soll nach überwiegender Meinung auch für einen atypischen stillen Gesellschafter mit entsprechendem Einfluss und vermögensmäßiger Beteiligung gelten83) sowie für den atypischen Pfandgläubiger.84) Werde der stille Gesellschafter in dieser Weise in den mitgliedschaftlichen Verband der Gesellschaft einbezogen, so sei seine Einlage Teil _____________ 74) Allg. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 33; zur Einbeziehung künftiger Aktionäre BGH, Urt. v. 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118 = NZG 2008, 106. 75) Vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2007 – IX ZR 294/07, ZIP 2008, 118 = NZG 2008, 106; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.1995 – 6 U 192/91, AG 1996, 324, 325; OLG Hamburg, Urt. v. 23.5.1980 – 11 U 117/74, AG 1980, 275, 278. 76) Servatius, DStR 2004, 1176, 1179. 77) Zum Ganzen ausführlich Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 30 Rz. 17 ff. 78) BGH, Urt. v. 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118. 79) BGH, Urt. v. 28.9.1981 – II ZR 223/80, BGHZ 81, 365 = ZIP 1982, 1332; BGH, Urt. v. 14.10.1985 – II ZR 276/84, WM 1986, 237, 239 = ZIP 1986, 456; BGH, Urt. v. 13.11.1995 – II ZR 113/94, ZIP 1996, 68 = GmbHR 1996, 111; zum Ganzen ausführlich Canaris in: FS Fischer, S. 31 ff. 80) BGH, Urt. v. 21.0.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311 = ZIP 1981, 1200; BGH, Urt. v. 13.11.1995 – II ZR 113/94, ZIP 1996, 68; Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rz. 77 ff. 81) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 31; Einzelheiten bei Fleischer in: FS Canaris, Bd. II, S. 71. 82) Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191, 195 = ZIP 1992, 1300. 83) BGH, Urt. v. 7.11.1988 – II ZR 46/88, BGHZ 106, 7 = ZIP 1989, 95; BGH, Urt. v. 13.2.2006 – II ZR 62/04, NJW-RR 2006, 760, 761 f. = ZIP 2006, 703; OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.9.1998 – 4 U 635/97, NZG 1999, 155, 156 = ZIP 1999, 2150; vgl. zum Ganzen Mylich, WM 2013, 1010. 84) Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191, 195 = ZIP 1992, 1300.
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der Eigenkapitalgrundlage. Dieser Sichtweise ist nicht zuzustimmen.85) Die Einbeziehung beruht entscheidend darauf, dass der Stille der Gesellschaft nicht als „unabhängiger Dritter“ gegenüberstehe.86) Dies überzeugt wertungsmäßig durchaus für eine Einbeziehung einflussnehmender Dritter in die Vermögensbindung der AG. Im Hinblick auf die Rechtsfolge ist eine Ausweitung von § 57 auf die stille Beteiligung oder noch weiter gehend die Darlehensgewährung jedoch nicht mehr passend. Für die Gesellschafterfremdfinanzierung war die gesetzliche Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital früher durch das Eigenkapitalersatzrecht anerkannt, welches über die sog. „Rechtsprechungsgrundsätze“ auch im Vorfeld der Insolvenz eine materiell-rechtliche Bindung des Finanzierungsbeitrags herstellte. Indem der Gesetzgeber diese Umqualifizierung nunmehr ausdrücklich verneint (§ 57 Abs. 1 Satz 4), würde der Dritte somit schlechter gestellt als ein Aktionär, wenn man die Rückforderung eines als Fremdkapital hingegebenen Finanzierungsbeitrags der Auszahlungssperre unterstellte. Die Einbeziehung des atypischen Stillen oder sonstiger Darlehensgeber in § 57 ist damit gänzlich abzulehnen. Insofern kommt vielmehr eine Einbeziehung in das Recht der Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 InsO in Betracht (siehe unten auch Rz. 13 ff.). 5.
Subjektive Komponente
Es ist zutreffend ganz allgemeine Meinung, dass das Zahlungsverbot objektiv begründet 36 ist und daher keine subjektiven Voraussetzungen auf Seiten des empfangenden Aktionärs voraussetzt (Kenntnis vom Zahlungsverbot, Umgehungsabsicht o. Ä.).87) 6.
Besonderheiten beim Rückerwerb eigener Aktien
Der entgeltliche Rückerwerb eigener Aktien durch die AG ist im Ausgangspunkt ein 37 eindeutiger Verstoß gegen § 57 Abs. 1 Satz 1. Gleichwohl sind die Grenzen im Zuge der §§ 71a ff. mittlerweile recht weit gezogen, so dass es konsequent ist, einen zulässigen Rückerwerb auch im Hinblick auf die Kapitalbindung zu privilegieren (§ 57 Abs. 1 Satz 2). Dies gilt jedoch nur, wenn der Erwerbspreis dem Drittvergleich standhält, mithin marktgerecht und damit nicht zu hoch ist.88) Wird hiergegen verstoßen, ist das Erwerbsgeschäft nach zweifelhafter h. M. gemäß § 134 BGB schuldrechtlich und dinglich nichtig (siehe unten Rz. 39); auf die §§ 71a ff. kann insofern konsequenterweise nicht abgestellt werden. 7.
Besonderheiten bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen
Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 gilt das Auszahlungsverbot nicht bei Leistungen, die bei 38 Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages i. S. von § 291 erfolgen. Diese durch das MoMiG im Jahr 2008 eingeführte Privilegierung brachte bei der AG letztlich nur eine Klarstellung, denn gemäß § 291 Abs. 3 sind entsprechende Leistungen bereits zuvor ohne Verstoß gegen die Kapitalbindung zulässig. Eine Erweiterung der bisher anerkannten Privilegierung erfolgte jedoch durch die weitere Fassung der Erlaubnis. Zulässig ist nunmehr auch, dass die Leistung auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens an Dritte (insbesondere Schwestergesellschaften) erfolgen darf („bei Bestehen“ anstelle des früheren „auf Grund“ in § 291 Abs. 3).89) Die praktische Durchsetzbarkeit der Verlustausgleichspflicht der Obergesellschaft gemäß § 302 ist für die Privilegierung gemäß _____________ 85) 86) 87) 88) 89)
Zum Ganzen ausführlich Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 416 ff. BGH, Urt. v. 24.3.1954 – II ZR 23/53, BGHZ 13, 49, 54. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 19; Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rz. 24 ff. H. M., vgl. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rz. 42. Vgl. den damaligen Vorschlag des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2007, 735, 740.
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§ 57 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 unerheblich (str.).90) Die Neuregelung sollte erklärtermaßen die Funktion eines rechtssicher handhabbaren „sicheren Hafens“ erfüllen, so dass gegenüber einer teleologischen Reduktion Zurückhaltung geboten ist.91) Etwaige Schutzlücken sind daher systemkohärent über § 826 BGB (Existenzvernichtungshaftung) oder § 92 Abs. 2 Satz 3 (Insolvenzverursachungshaftung) zu schließen. Darüber hinaus haben die Organe der beherrschten bzw. zur Gewinnabführung verpflichteten AG zumindest bei Erkennbarkeit der Finanzschwäche der Obergesellschaft die schadensersatzbewehrte Pflicht, den Unternehmensvertrag gemäß § 297 unverzüglich zu kündigen, um so den Vermögensabfluss zu unterbinden. Im Bereich der faktischen Beherrschung wird die Vermögensbindung durch §§ 311 ff. überlagert, so dass an sich verbotene Auszahlungen auf Zeit zulässig sind, mithin nicht sogleich gemäß § 62 zurückgefordert werden müssen (str.).92) Kommt es nicht zum rechtzeitigen Nachteilsausgleich im zeitlichen Rahmen des § 311 Abs. 2, ist der Anspruch endgültig (rückwirkend) entstanden. Die AG kann in diesem Fall auch Schadensersatz gemäß § 317 und § 93 Abs. 3 Nr. 1 verlangen.93) 8.
Rechtsfolgen von Verstößen, Konkurrenzen
39 Verbotene Leistungen sind nach § 62 zurückzuerstatten (Einzelheiten dort). Bei einem Verstoß gegen § 57 sind weder das Verpflichtungs- noch das Erfüllungsgeschäft nichtig.94) Die Regelung ist kein Verbotsgesetz i. S. von § 134 BGB. Mit § 62 steht eine scharfe Sanktionsnorm bereit, die die schuldrechtliche Nichtigkeit vollständig kompensiert, so dass für eine ohnehin schwache Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB kein Bedürfnis besteht. Ein darüber hinausgehender Schutz der AG durch die Nichtigkeit des Vollzugsgeschäfts wäre zwar bei der Insolvenz des Leistungsempfängers eine effektive Sanktion; sie fügt sich jedoch nicht in das bloß summen- bzw. wertmäßige Schutzkonzept von § 57 ein. 40 Die insolvenzrechtliche Anfechtungstatbestände gemäß §§ 129 ff. InsO sind durch § 62 nicht ausgeschlossen.95) Die vorsätzliche Verletzung von § 57 kann eine Untreuestrafbarkeit begründen.96) Der Vorstand haftet bei schuldhaften Verstößen gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 1 und 2 auf Schadensersatz; das Gleiche gilt über § 116 für den Aufsichtsrat. 9.
Beweislast
41 Die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen § 57 sind grundsätzlich von der AG zu beweisen, in der Insolvenz vom Verwalter.97) Die Privilegierungen gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 hat hingegen der Aktionär zu beweisen. Das Gleiche soll nach h. M. für das Vorliegen eines marktüblichen Drittgeschäfts gelten.98) Dem ist nicht zu folgen. Das verbotsbegründende Merkmal der Leistung causa societatis ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, so dass die AG darlegen muss, dass das betreffende Geschäft nicht in derselben Weise auch mit jedem Dritten geschlossen worden wäre. _____________ 90) Abw. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 57 Rz. 37; Altmeppen, ZIP 2009, 49, 55. 91) Abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 4. 92) Vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07 (Zeerg, MPS), BGHZ 179, 71 = ZIP 2009, 70 = NJW 2009, 850; LG München I, Urt. v. 10.12.2009 – 5 HKO 13261/08, ZIP 2010, 283 = AG 2010, 173; GrigoleitGrigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 5; abw. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 57 Rz. 121. 93) So auch Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 5. 94) BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 179/12, ZIP 2013, 819 = NZG 2013, 496; ebenso als Vorinstanz OLG München, Urt. v. 10.5.2012 – 14 U 2175/11, ZIP 2012, 1024 = NZG 2012, 706. 95) Eidenmüller/Engert in: FS K. Schmidt, S. 305 ff. 96) Vgl. BGH, Urt. v. 6.5.2008 – 5 StR 34/08, NStZ 2009, 153. 97) Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2006 – 6 U 2/05, GmbHR 2006, 535, 536 = ZIP 2006, 2100. 98) BGH, Urt. v. 24.11.2003 – II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 = ZIP 2004, 263 = NJW 2004, 1111; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 15.
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Anhang zu § 57
Aktionärsdarlehen III.
Zinsverbot (§ 57 Abs. 2)
Nach § 57 Abs. 2 dürfen Aktionären Zinsen auf ihr Einlage weder zugesagt noch gezahlt 42 werden. Diese Regelung ist überflüssig, denn die erfassten Gestaltungen fallen bereits unter § 57 Abs. 1. IV.
Aktionärsdarlehen
Siehe nachfolgend Anhang § 57.
43
Anhang zu § 57 Aktionärsdarlehen Literatur: Altmeppen, Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen in der Praxis, NJW 2008, 3601; Bartsch/Weber, Doppelbesicherung durch Gesellschafts- und Gesellschaftersicherheit nach dem MoMiG: Hat der Gesellschaftsgläubiger weiterhin ein Wahlrecht?, DStR 2008, 1884; Bitter, Die Nutzungsüberlassung in der Insolvenz nach dem MoMiG (§ 135 Abs. 3 InsO) – Dogmatische Grundlagen und Einzelfragen der Praxis, ZIP 2010, 1; Bork, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts zugunsten des Insolvenzrechts?, ZGR 2007, 250; Burg/Westerheide, Praktische Auswirkungen des MoMiG auf die Finanzierung von Konzernen, BB 2008, 62; Dahl/Schmitz, Eigenkapitalersatz nach dem MoMiG aus insolvenzrechtlicher Sicht, NZG 2009, 325; Eidenmüller, Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, in: Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris, 2007, S. 49; Engert, Drohende Subordination als Schranke einer Unternehmenskontrolle durch Kreditgeber, ZGR 2012, 835; Freitag, Finanzverfassung und Finanzierung von GmbH und AG nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, WM 2007, 1681; Gehrlein, Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG, BB 2008, 846; Haas, Die Passivierung von Gesellschafterdarlehen in der Überschuldungsbilanz nach MoMiG und FMStG, DStR 2009, 326; Haas, Das neue Kapitalersatzrecht nach dem RegE-MoMiG, ZInsO 2007, 617; Haas/Oechsler, Missbrauch, Cash Pool und gutgläubiger Erwerb nach dem MoMiG, NZG 2006, 806; Habersack, Gesellschafterdarlehen nach MoMiG: Anwendungsbereich, Tatbestand und Rechtsfolgen der Neuregelung, ZIP 2007, 2145; Hirte/Knof, Das „neue“ Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, WM 2009, 1961; Huber, Finanzierungsfolgenverantwortung de lege lata und de lege ferenda, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 259; Huber/Habersack, GmbHReform: Zwölf Thesen zu einer möglichen Reform des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, BB 2006, 1; Kahlert/Gehrke, Der Rangrücktritt nach MoMiG im GmbH-Recht: Insolvenz- und steuerrechtliche Aspekte, DStR 2010, 227; Krolop, Zur Anwendung der MoMiGRegelungen zu Gesellschafterdarlehen auf gesellschaftsfremde Dritte, GmbHR 2009, 397; Leithaus/Schaefer, Rangrücktrittsvereinbarungen zur Vermeidung der Überschuldung anno 2010 – Unter welchen Voraussetzungen lässt sich eine Rangrücktrittsvereinbarung aufheben?, NZI 2010, 844; Mock, Stille im MoMiG zur stillen Gesellschaft? – Das neue (Eigen-)Kapitalersatzrecht und seine Auswirkungen auf das Recht der stillen Gesellschaft, DStR 2008, 1645; Mylich, Probleme und Wertungswidersprüche beim Verständnis von § 135 Abs. 1 Alt. 2 Nr. 2 InsO n. F., ZGR 2009, 474; Schäfer, Eigenkapitalersatz nach „MoMiG“ – was bleibt von der Finanzierungsfolgenverantwortung?, ZInsO 2010, 1311; Schmidt, K., Gesellschafterbesicherte Drittkredite nach neuem Recht, BB 2008, 1966; Servatius, Covenants in der Restruktrurierung, CFL 2013, 14; Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, 2008; Spliedt, MoMiG in der Insolvenz – ein Sanierungsversuch, ZIP 2009, 149; Sutter/Fiedler, Rechtliche Einordnung der Rangrücktrittsvereinbarung (Intercreditor Agreement), ZInsO 2011, 552; Thiessen, Eigenkapitalersatz ohne Analogieverbot – eine Alternativlösung zum MoMiG-Entwurf, ZIP 2007, 253; Wittig, Das Sanierungsprivileg für Gesellschafterdarlehen im neuen § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1473.
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Anhang zu § 57
Aktionärsdarlehen Übersicht
I. Allgemeines, Regelungsgehalt ........ 1 II. Grundlagen des Rechts der Gesellschafterdarlehen .................... 3 III. Erfasste Rechtsformen ..................... 7 IV. Tatbestand ......................................... 8 1. Darlehensgewährung oder vergleichbare Rechtshandlung .......... 8 2. Durch einen Aktionär ..................... 10 3. Kleinbeteiligungsprivileg ................. 11 4. Einbeziehung Dritter ...................... 14 a) Aus Gründen des Umgehungsschutzes ................. 15 b) Wegen der Einflussnahme ........ 16 5. Sanierungsprivileg ............................ 18 a) Aktienerwerb ............................. 19 b) Zum Zweck der Sanierung ........ 20 V. Rechtsfolgen ................................... 21 1. Insolvenzrechtliche Subordination .................................. 21 a) Rückerstattungsanspruch ......... 21
b) Zinsen ......................................... 22 c) Darlehensversprechen ................ 23 2. Anfechtbarkeit .................................. 24 a) Wegen Gewährung einer Sicherheit (§ 135 Abs. 2 Nr. 1 InsO) ......... 25 b) Wegen Befriedigung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) ......... 26 3. Passivierung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens ......................... 27 4. Nutzungsüberlassung ....................... 28 VI. Aktionärsbesicherte Drittdarlehen ................................... 30 1. Anfechtbarkeit der Befriedigung (§ 135 Abs. 2 InsO) ......................... 31 2. Vorrangige Inanspruchnahme der Sicherheit (§ 44a InsO) ............. 32 3. Subordination der Erstattungspflicht (§ 143 Abs. 3 InsO) .............. 33
Die maßgeblichen Regelungen: § 19 InsO Überschuldung (1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund. (2) 1Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. 2Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen. (3) 1Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. 2 Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. § 39 InsO Nachrangige Insolvenzgläubiger (1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: 1. die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger; 2. die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;
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3. Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten; 4. Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners; 5. nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (2) Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt. (3) Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger. (4) 1Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. 2Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 4 Satz 1, der mit 10 Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist. § 44a InsO Gesicherte Darlehen In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft kann ein Gläubiger nach Maßgabe des § 39 Abs. 1 Nr. 5 für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt oder für die er sich verbürgt hat, nur anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit oder des Bürgen ausgefallen ist. § 135 InsO Gesellschafterdarlehen (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung 1. Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder 2. Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. (2) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
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(3) 1Wurde dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, so kann der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. 2Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich; bei der Berechnung ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen, bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend. (4) § 39 Abs. und 5 gilt entsprechend. § 143 InsO Rechtsfolgen (1) 1Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. 2Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. (2) 1Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. 2Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt. (3) 1Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. 2Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. 3Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt. § 6 AnfG Gesellschafterdarlehen (1) 1Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung oder für eine gleichgestellte Forderung 1. Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels oder danach vorgenommen worden ist, oder 2. Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels oder danach vorgenommen worden ist. 2
Wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 26 Abs. 1 der Insolvenzordnung abgewiesen, bevor der Gläubiger einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat, so beginnt die Anfechtungsfrist mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
(2) 1Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn nach dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger den vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat, drei Jahre verstrichen sind. 2 Wurde die Handlung später vorgenommen, so ist die Anfechtung drei Jahre nach dem Schluss des Jahres ausgeschlossen, in dem die Handlung vorgenommen worden ist.
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Aktionärsdarlehen § 6a AnfG Gesicherte Darlehen 1
Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen. 2 § 39 Abs. 4 und 5 der Insolvenzordnung und § 6 Abs. 2 gelten entsprechend. § 11 AnfG Rechtsfolgen (1) 1Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. 2Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. (2) 1Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. 2Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt. (3) 1Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. 2Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt. I.
Allgemeines, Regelungsgehalt
Gewährt ein Aktionär seiner AG ein Darlehen, führte das früher zu einer materiell-recht- 1 lichen Verstrickung des Finanzierungsbeitrags nach den sog. Rechtsprechungsregeln des Eigenkapitalersatzrechts sowie zu einer insolvenzrechtlichen Subordination entsprechend §§ 32a, 32b GmbHG. Im Zuge des MoMiG wurde dieses zweispurige Konzept grundlegend umgestaltet und auf eine rein insolvenzrechtliche Grundlage gestellt. Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 4 findet eine Einbeziehung dieser Gesellschafterfremdfinanzierung in die Kapitalbindung der AG nicht mehr statt. Tatbestand und Rechtsfolgen richten sich nunmehr allein nach §§ 39, 135 InsO bzw. § 6 AnfG. Die Regelungen unterfallen Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und sind daher auch auf Auslandsgesellschaften anwendbar.1) Die insolvenzrechtliche Subordination von Gesellschafterdarlehen oder vergleichbarer 2 Finanzierungshilfen folgt aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Hiernach sind Forderungen eines Aktionärs auf Rückzahlung nur nachrangig zu befriedigen, insbesondere im Verhältnis zu den Insolvenzgläubigern gemäß § 38 InsO. Wird ein Gesellschafterdarlehen vor Insolvenzeröffnung zurückgezahlt, ist dies gemäß § 135 Abs. 1 InsO anfechtbar; § 135 Abs. 2 InsO erweitert die Anfechtungsmöglichkeit für den Fall, dass ein Drittdarlehen zurückgezahlt wurde, welches ein Aktionär besichert hatte. Die insolvenzrechtliche Subordination von Gesellschafterdarlehen gilt gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 InsO für alle Gesellschaften, bei denen nicht mindestens eine natürliche Person für die Verbindlichkeiten unbeschränkt haftet. Gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO wird ein Sanierungsprivileg begründet, gemäß § 39 _____________ 1)
OLG Köln, Urt. v. 28.9.2010 – 18 U 3/10, NZI 2010, 100 f.
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Abs. 5 InsO ein Kleinbeteiligungsprivileg. Für die nutzungsweise Überlassung von Gegenständen an eine Gesellschaft schränkt § 135 Abs. 3 InsO die Geltendmachung eines Aussonderungsrechts für einen gewissen Zeitraum ein. Außerhalb des Insolvenzverfahrens sehen §§ 6, 6a AnfG entsprechende Anfechtungsrechte für die Gläubiger vor. II.
Grundlagen des Rechts der Gesellschafterdarlehen
3 Dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung vor allem Rechtssicherheit gegenüber dem früheren komplizierten Eigenkapitalersatzrecht schaffen wollte, steht außer Streit. Insofern ist es im Ausgangspunkt zu begrüßen, dass nunmehr sämtliche Gesellschafterfremdfinanzierungen in der Insolvenz subordiniert werden, ohne dass es auf eine wie auch immer zu kennzeichnende Krisenfinanzierung ankäme.2) Gleichwohl ist die Herausarbeitung der materiellen Legitimation der Neuregelung wichtig, um die verschiedensten Einzelprobleme auf der Grundlage eines schlüssigen und überzeugenden Regelungssystems zusammenzufassen und kohärent zu lösen. 4 Als Grundlage für die Subordination und damit letztlich Umqualifizierung des Fremdkapitals in Eigenkapital3) werden verschiedene Ansätze vorgebracht: –
Ausgleich für das Privileg der beschränkten Haftung,4)
–
Gesellschafterfremdfinanzierung als Missbrauch der Haftungsbeschränkung,5)
–
Gesellschafterdarlehen als Mittel zur Insolvenzverschleppung,6)
–
Schaffung einer Gefahrenlage für den Rechtsverkehr,7)
–
Doppelrolle von Gesellschafter und Kreditgeber.8)
5 Allein Letzteres ist überzeugend. Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen knüpft an eine bereits vom RG begründete Argumentation an, wonach niemand sein eigener Gläubiger sein dürfe.9) Diese an sich überzeugende, die Eigenständigkeit der juristischen Person stark relativierende Prämisse bedarf jedoch einer wichtigen Einschränkung, die auch über das Kleinbeteiligungsprivileg gemäß § 39 Abs. 5 InsO Berücksichtigung fand: Zurückgesetzt werden nur die Forderungen derjenigen, die aufgrund ihrer – kollektiven – Herrschaftsmacht das Insolvenzrisiko steuern konnten.10) Es sind zwei miteinander unvereinbare Verhaltensweisen (gesetzliche Umqualifizierung gemäß der protestatio facto contrariaRegel), wenn die mit Herrschaftsmacht versehenen Gesellschafter sich in der Insolvenz auf die formal durchaus differenzierte Doppelrolle berufen, um auf Kosten der übrigen Gläubiger (Quotenschmälerung) wie ein den gesetzlichen Regeltypen entsprechender außenstehender und vor allem einflussloser Gläubiger behandelt zu werden. 6 Insofern ist die Neuregelung nichts anderes als die konsequente Fortentwicklung der ökonomisch sinnvollen Steuerungsfunktion des Eigenkapitalrisikos: Indem diejenigen, die unternehmerische Verantwortung übernehmen, gezwungen werden, im Umfang des selbst hingegebenen Kapitals vorrangig für die Verluste einstehen zu müssen, werden die _____________ 2) Dem alten Krisenbegriff nach wie vor anhängend jedoch Bork, ZGR 2007, 250, 257, 269; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3605; Thiessen, ZIP 2007, 253, 257; Mock, DStR 2008, 1645, 1647. 3) Freilich vorrangig gegenüber dem Liquidationsüberschuss i. S. von § 199 Satz 2 InsO zurückzuzahlen. 4) So Huber/Habersack, BB 2006, 1, 2 als die „geistigen Väter“ der Reform. 5) So Huber in: FS Priester, S. 259, 277 f. 6) So Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 808. 7) So Schäfer, ZInsO 2010, 1311, 1313. 8) Haas, ZInsO 2007, 617, 626. 9) RG, Urt. v. 16.11.1937 – II 70/337, JW 1938, 862, 864. 10) Zum Ganzen ausführlich Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 426 ff.
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für das unternehmerische Handeln notwendigen einflusslosen Fremdkapitalgeber und sonstigen Gläubiger geschützt und damit die Möglichkeiten für die Unternehmensfinanzierung insgesamt verbessert.11) Dieser Begründungsansatz hat nichts mit der Haftungsbeschränkung zu tun, sondern gilt über § 39 Abs. 4 Satz 1 InsO hinaus auch bei den Gesellschaftsformen, bei denen eine natürliche Person für die Verbindlichkeiten haftet.12) Eine hierauf gestützte allgemeine Finanzierungsregel ermöglicht und bedingt schließlich, auch Nichtgesellschafter in den Adressatenkreis einzubeziehen, wenn sie tatsächlich oder mittels Covenants in die verbandsinterne Willlensbildung integriert sind.13) III.
Erfasste Rechtsformen
Dass das Recht der Gesellschafterdarlehen für die AG gilt, folgt aus § 39 Abs. 4 Satz 1 7 InsO. Wegen der dahinterstehenden allgemeinen Finanzierungsregel (siehe oben Rz. 6) gilt es trotz einer etwaigen Haftung natürlicher Personen auch bei der KGaA und der Vorgesellschaft. Gemäß § 24 UBGG gilt das Recht der Gesellschafterdarlehen nicht bei Unternehmensbeteiligungsgesellschaften. Eine Bereichsausnahme für das Recht der Gesellschafterdarlehen bei Unternehmen des Finanzsektors folgt aus § 18 FMStBG. IV.
Tatbestand
1.
Darlehensgewährung oder vergleichbare Rechtshandlung
Ohne weiteres von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst sind Gelddarlehen i. S. von § 488 BGB, 8 auch im Cash Pool (sog. downstream loan).14) Ein Sachdarlehen i. S. von § 607 BGB fällt ebenfalls darunter, wird aber als Nutzungsüberlassung gemäß § 135 Abs. 3 InsO behandelt (siehe unten Rz. 28 f.). Wird über einen vom Aktionär gewährten Finanzierungsbeitrag keine rechtsgeschäftliche Abrede getroffen bzw. ist diese nicht beweisbar, ändert dies an der Einbeziehung in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nichts, um Missbräuchen vorzubeugen. Wurde ein Darlehensvertrag lediglich geschlossen, die Valuta jedoch noch nicht ausgezahlt, scheidet eine Subordination aus. Insofern kann eine Zahlungspflicht allein aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Bindung begründet werden (Ausschluss des Kündigungsrechts, Finanzplankredit).15) Einbezogen werden auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Darlehen wirt- 9 schaftlich entsprechen. Einer Einbeziehung zugänglich sind daher im Ausgangspunkt alle Forderungen, die entgegen § 271 Abs. 1 BGB – rechtlich oder faktisch – gestundet werden. Die begriffliche Weite dieses Merkmals kann nur über eine teleologische Betrachtung sinnvoll eingegrenzt werden. Richtigerweise fallen nur Forderungen hierunter, die eine Kreditfunktion aufweisen. Dies ist nur dann gegeben, wenn der Aktionär oder einzubeziehende Dritte der AG die Mittel für einen längeren Zeitraum überlässt (im Regelfall mindestens einen Monat).16) Die kurzfristige Nichtgeltendmachung einer Forderung oder die Forderung aus gewöhnlichen Austauschgeschäften begründet damit für sich genommen noch keine Subordination. Dies fügt sich auch in die bisherige Rechtsentwicklung ein, denn kurzfristige Überbrückungsdarlehen waren bereits nach dem früheren Eigenkapitalersatzrecht nach allgemeiner Meinung privilegiert.17) Vgl. im Übrigen auch die _____________ 11) 12) 13) 14) 15) 16)
So auch Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, § 30 Anh. Rz. 6. Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 567 ff. Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 531 ff. Zur Geltung im Cash Pool krit. Burg/Westerheide, BB 2008, 62, 64. Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, ZIP 1999, 1263 = DStR 1999, 1198. Weitergehend Huber/Habersack, BB 2006, 1, 2; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, Anh § 30 Rz. 50; vgl. für stehengelassene Gewinne OLG Koblenz, Urt. v. 15.10.2013 – 3 U 365/13, ZIP 2013, 2325. 17) Vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2006 – II ZR 106/05, ZIP 2006, 2130.
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zeitlichen Grenzen für die Annahme eines Bargeschäfts i. S. von § 142 InsO als anfechtungsrechtliche Privilegierung.18) Eine stille Beteiligung fällt hingegen regelmäßig unter die gesetzliche Subordination. 2.
Durch einen Aktionär
10 Ist jemand bei Darlehensgewährung und im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Aktionär, ist das Darlehen unproblematisch verstrickt. Auf eine Eintragung ins Aktienregister (§ 67) kommt es nicht an. Verliert der Darlehensgeber vor Insolvenzeröffnung seine Aktionärsstellung (z. B. durch Veräußerung der Aktien), bleibt das Darlehen grundsätzlich verstrickt, um Missbräuche zu verhindern.19) Erfolgt der Verlust der Aktionärsstellung hingegen außerhalb der Fristen gemäß § 135 Abs. 1 InsO, scheidet die Subordination aus.20) Wechselt die Gläubigerstellung infolge einer Abtretung, wirkt die Verstrickung gemäß § 404 BGB gegenüber dem Rechtsnachfolger fort, ohne dass es auf dessen Kenntnis hiervon ankäme; § 145 InsO ist insoweit nicht anwendbar.21) Aktionär und Zessionar haften insoweit als Gesamtschuldner.22) Auch hier gilt jedoch, dass eine Abtretung außerhalb der Anfechtungsfrist gemäß § 135 Abs. 1 InsO die Verstrickung entfallen lässt23) (vgl. aber die weitergehende Möglichkeit der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO, § 3 AnfG). Erwirbt umgekehrt ein Aktionär nachträglich von einem Dritten eine entsprechende Kreditforderung, führt dies in jedem Fall zu einer Subordination. 3.
Kleinbeteiligungsprivileg
11 Gemäß § 39 Abs. 5 InsO gilt die Subordination nicht für Darlehen von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern, die mit 10 % oder weniger am Haftkapital beteiligt sind. Auf die AG übertragen ist auf die Beteiligung am Grundkapital abzustellen, bezogen auf den Nennwert der Aktien bzw. die Anzahl der Stückaktien (vgl. § 8 Abs. 4). Auf ein Agio oder sonstige freiwillige Zuzahlungen ist nicht abzustellen. 12 Der Begriff der Geschäftsführung ist untechnisch zu verstehen und weit auszulegen, weil der Subordination nur diejenigen entgehen sollen, die das Insolvenzrisiko nicht steuern konnten (siehe oben Rz. 4 f.). Das Kleinbeteiligungsprivileg greift daher nur, wenn der Aktionär weder rechtlich noch tatsächlich Einfluss auf die Unternehmensleitung nimmt. Die Schwelle ist nicht so hoch anzusetzen wie dies allgemein bei der Figur des faktischen Geschäftsführers erfolgt; vor allem ist kein Auftreten nach außen erforderlich. Die bloße Mitgliedschaft im Aufsichtsrat genügt hingegen nicht; wohl aber das koordinierte Vorgehen von Kleingesellschaftern.24) 13 Im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Privilegierung sind folgende Konstellationen zu unterscheiden: –
Das Kleinbeteiligungsprivileg gilt unproblematisch, wenn die Voraussetzungen sowohl bei der Darlehensgewährung als auch bei Insolvenzeröffnung vorliegen.
–
Verliert der Darlehensgeber die Privilegierung nach Darlehensgewährung, erfolgt eine Subordination.
_____________ 18) 19) 20) 21) 22) 23)
Hierauf abstellend OLG Schleswig, Beschl. v. 29.5.2013 – 9 U 15/13, ZIP 2013, 1485. So die h. M. zum alten Recht, vgl. BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 229/05, ZIP 2005, 2016, 2017. Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 326. Vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 = NZG 2013, 469. BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 = NZG 2013, 469. Vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 = NZG 2013, 469; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3603 f. 24) BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 66/03, NZG 2005, 712, 713 = ZIP 2005, 1316 – zum alten Recht.
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4.
Erlangt ein Aktionär nach Darlehensgewährung die Privilegierung, befreit ihn das von der Subordination nur, wenn der Eintritt der Privilegierung außerhalb der Anfechtungsfristen gemäß § 135 Abs. 1 InsO erfolgte.25) Einbeziehung Dritter
Bereits nach dem früheren Eigenkapitalersatzrecht war die Einbeziehung Dritter möglich; 14 hieran hat sich trotz der fehlenden ausdrücklichen Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Grundsatz nichts geändert.26) Problematisch und wegen der grundlegenden Neuregelung des Rechts der Gesellschafterdarlehen nicht abschließend geklärt sind jedoch die dogmatische Rechtfertigung der Gleichstellung und ihre Reichweite.27) a)
Aus Gründen des Umgehungsschutzes
Im Ergebnis dem früheren Recht ähnlich ist die Einbeziehung Dritter bei Umgehungs- 15 sachverhalten. Ist der Fremdkapitalgeber einem Aktionär wegen wirtschaftlicher oder verwandtschaftlicher Verbundenheit zurechenbar, führt dies gleichermaßen zur Subordination des Finanzierungsbeitrags, als wenn der Aktionär das Darlehen selbst gewährt hätte.28) Die Einziehung erfolgt daher vor allem bei Treuhandgestaltungen.29) Auf § 138 InsO kann jedoch nicht ohne weiteres abgestellt werden.30) Bei Familienangehörigen und verbundenen Unternehmen ist vielmehr im Einzelfall zu fragen, ob die gewährten Mittel dem Darlehensgeber von einem Aktionär wirtschaftlich zur Verfügung gestellt wurden.31) b)
Wegen der Einflussnahme
Problematisch ist auch, ob Dritte allein wegen ihrer Einflussnahme einbezogen werden 16 können, was insbesondere für Kreditinstitute relevant ist, die sich über Covenants umfangreiche Mitwirkungsrechte einräumen lassen. Hierbei ist zunächst zu bedenken, dass die Neuregelung wegen der fehlenden Anknüpfung an die Krisenfinanzierung nicht mehr als Ausprägung des Gebots zur ausreichenden Kapitalausstattung von Gesellschaften durch ihre Gesellschafter verstanden werden kann. Es handelt sich vielmehr um eine allgemeinere Finanzierungsregel, wonach niemand, der das Insolvenzrisiko steuern konnte, beim unternehmerischen Scheitern sein eigener Gläubiger sein darf (siehe oben Rz. 4 ff.). Dies bedingt, dass die Möglichkeit zur Einbeziehung Dritter gegenüber dem früheren Eigenkapitalersatzrecht sogar noch weiter möglich und geboten ist (sehr str).32) Im Kern fällt nunmehr jeder Kapitalgeber hierunter, der rechtlich oder tatsächlich in den verbandsinternen Willensbildungsprozess integriert ist und dadurch unternehmerische Verantwortung _____________ 25) Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3604 f. 26) So auch AG Hamburg, Beschl. v. 19.2.2010 – 67g IN 127/06, NZI 2010, 446; die Frage offenlassend BFH, Urt. v. 29.8.2000 – VIII R 7/99, NZG 2001, 477, 478; zum Ganzen Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 453 ff.; abw. jedoch Habersack, ZIP 2007, 2145, 3148; Freitag, WM 2007, 1681, 1682. 27) Diese Frage bewusst weitegehend offenlassend BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, NZG 2011, 477 = ZIP 2011, 575. 28) Vgl. nur Gehrlein, BB 2008, 846, 850. 29) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, NZG 2011, 477, 479 = ZIP 2011, 575; BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, ZIP 2008, 1230 = NZG 2008, 507 – zum alten Recht. 30) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, NZG 2011, 477 = ZIP 2011, 575. 31) BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, NZG 2011, 477, 479 = ZIP 2011, 575; BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582. 32) Abw Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148 f.; Huber in: FS Priester, S. 259, 280; Freitag, WM 2007, 1681, 1682, alle im Wesentlichen darauf abstellend, dass es den Kreditgebern nur darum ginge, ihr Kreditgeberinteresse zu verwirklichen, was sich von den Gesellschafterinteressen unterscheide und damit eine Gleichstellung ausschließe; zum einflussnehmenden Fremdkapitalgeber als faktischen Unternehmenseigentümer jedoch Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 372 ff.
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unternimmt.33) Maßgeblich ist allein die Einflussnahme; eine anderweitige, d. h. nicht über den Fremdfinanzierungsbeitrag vermittelte vermögensmäßige Beteiligung an der AG ist nicht erforderlich (str.).34) Ein bloßer Informationsvorsprung genügt hingegen nicht.35) Indem die einflussnehmenden Fremdkapitalgeber sich gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Insolvenz nicht auf Kosten der Insolvenzgläubiger i. S. von § 38 InsO (Quotenschmälerung) auf die Rolle eines dem gesetzlichen Regeltyp der Fremdfinanzierung entsprechenden einflusslosen Kreditgebers berufen dürfen, werden die für eine Unternehmensfinanzierung ebenfalls benötigten einflusslosen Kreditgeber (non-adjusting creditors) geschützt und die Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung erleichtert. 17 Einzelfälle: Nach dem Vorgesagten einzubeziehen sind daher nicht nur Covenant-unterlegte Kredite von Kreditinstituten,36) sondern auch atypische stille Gesellschafter,37) atypische Nießbraucher und Pfandgläubiger.38) 5.
Sanierungsprivileg
18 Gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO erfolgt keine Subordination für bestehende oder neu gewährte Kredite, wenn ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 18 InsO) der AG oder Überschuldung (§ 19 InsO) Aktien zum Zweck der Sanierung erwirbt.39) a)
Aktienerwerb
19 Die Regelung setzt nach zutreffender Ansicht voraus, dass der Kapitalgeber bislang nicht Adressat des Rechts der Gesellschafterdarlehen war. Dies folgt aus der zutreffenden Prämisse des neuen Rechts, wonach diejenigen, die die Krise verursacht haben, die Verluste mit ihrem investierten Kapital vorrangig tragen sollen und sich konsequenterweise auch nachträglich nicht davon befreien können (siehe oben Rz. 4 ff.). Insofern scheidet das Sanierungsprivileg aus, wenn ein bereits maßgeblich beteiligter Aktionär ein „Sanierungsdarlehen“ gibt.40) Ein bislang gemäß § 39 Abs. 5 InsO kleinbeteiligter Aktionär (siehe oben Rz. 11 f.) kann beim Hinzuerwerb von Aktien jedoch durchaus in den Genuss des Sanierungsprivilegs gelangen. Bei der Einbeziehung Dritter in das Recht der Gesellschafterdarlehen gilt das Sanierungsprivileg sinngemäß.41) b)
Zum Zweck der Sanierung
20 Die Privilegierung greift nur, wenn der Anteilserwerb (nicht: die Darlehensgewährung!) zum Zweck der Sanierung erfolgt. Dies bedeutet subjektiv Sanierungsabsicht, objektiv jedoch auch die Sanierungsfähigkeit der AG aus der ex ante-Perspektive.42) Die Privile_____________ 33) Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 481 ff. 34) Servatius, CFL 2013, 14, 19 f.; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 52; abw. Engert, ZGR 2012, 835, 854. 35) Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 526 ff.; BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, NZG 2011, 477, 479 = ZIP 2011, 575. 36) Zu den Voraussetzungen im Einzelnen Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 538 ff. 37) BGH, Urt. v. 7.11.1988 – II ZR 46/88, BGHZ 106, 7, 9 ff. = ZIP 1989, 95 – zum alten Recht. 38) BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 251/91, BGHZ 119, 191 = ZIP 1992, 1300 – zum alten Recht. 39) Einzelheiten bei Hirte/Knof, WM 2009, 1961. 40) Abw. Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3605; krit. zum engen Anwendungsbereich der Neuregelung Bork, ZGR 2007, 250, 259. 41) Einzelheiten bei Servatius, Gläubigerschutz durch Covenants, S. 553 ff. 42) Zum alten Recht bereits BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 = NJW 2006, 1283.
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Aktionärsdarlehen
gierung gilt solange, bis die Sanierung nachhaltig erfolgt ist; wird das Darlehen dann nicht abgezogen, droht die Subordination.43) V.
Rechtsfolgen
1.
Insolvenzrechtliche Subordination
a)
Rückerstattungsanspruch
Wird ein Darlehen bzw. eine vergleichbare Rechtshandlung durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO 21 verstrickt, folgt hieraus eine spezielle insolvenzrechtliche Subordination des Rückerstattungsanspruchs; eine materiell-rechtliche Bindung des Finanzierungsbeitrags erfolgt nicht mehr (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 4). Der Aktionär oder gleichgestellte Dritte kann seine Forderung gemäß § 174 Abs. 3 InsO nur nach Aufforderung durch das Insolvenzgericht anmelden. Die Befriedigung erfolgt nachrangig, d. h. erst, nachdem die Insolvenzgläubiger i. S. von § 38 InsO sowie die gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 4 InsO nachrangigen Gläubiger befriedigt wurden (zum generellen Befriedigungsvorrang der Masseverbindlichkeiten vgl. §§ 53 ff. InsO). Im Verhältnis zur Verteilung des – noch vorhandenen! – Grundkapitals gemäß § 199 Satz 2 InsO haben die Forderungen aus Gesellschafterdarlehen jedoch einen Vorrang. Wurden andere Forderungen mit einem Rangrücktritt versehen (vgl. § 39 Abs. 2 InsO), ist es Auslegungsfrage, ob dieser auch die vorrangige Befriedigung der Gesellschafterdarlehen ermöglicht, einen Gleichrang vorsieht oder eine vorrangige Befriedigung der mit einem Rangrücktritt versehenen Forderungen vorsieht.44) Will ein Aktionär die Passivierung beim Überschuldungsstatus verhindern, muss er jedoch einen Rangrücktritt erklären, der über die Rechtsfolgen von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO hinausgeht (siehe unten Rz. 27). b)
Zinsen
Die Zinsen werden nach zutreffender Ansicht ebenfalls verstrickt (vgl. § 39 Abs. 3 InsO).45) 22 Die Begründung hierfür folgt aus der mit der Subordination der Darlehensvaluta einhergehenden Zuweisung einer Eigenkapitalfunktion. Wenngleich es sich zwar nur um eine insolvenzrechtliche Rückstufung handelt und keine materiell-rechtliche Umqualifizierung des Finanzierungsbeitrags mehr erfolgt, handelt es sich funktional betrachtet doch nach wie vor um eine Gleichstellung des Finanzierungsbeitrags mit Eigenkapital, um so dessen Ingangsetzungsfunktion auf alle Arten der mit Herrschaftsmacht versehenen Aktionäre auszudehnen (siehe bereits oben Rz. 4 ff.).46) Insofern sind die Früchte des mit Eigenkapitalfunktion versehenen Kapitals nicht anders zu beurteilen als der Kapitalstock selbst.47) Der Aktionär kann daher in der Insolvenz gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO seine Zinsansprüche ebenfalls nur nachrangig geltend machen. Vor Insolvenzeröffnung geleistete Zinszahlungen sind gemäß § 135 InsO anfechtbar.48) c)
Darlehensversprechen
Wurde ein Darlehensvertrag lediglich geschlossen, jedoch die Valuta noch nicht ausge- 23 zahlt, scheidet eine Subordination aus. Insofern kann eine Zahlungspflicht allein aufgrund _____________ 43) Einzelheiten bei Wittig in: FS K. Schmidt, S. 1473, 1756 ff. 44) Einzelheiten bei Sutter/Fiedler, ZInsO 2011, 552. 45) Zum Ganzen Mylich, ZGR 2009, 474, 483 ff.; abw. zum früheren Recht jedoch BGH, Urt. v. 8.11.2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 84; ebenfalls abl. Bork/Schäfer-Thiessen, GmbHG, Anh § 30 Rz. 10, anders jedoch bei Rz. 61; Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, Anh § 30 Rz. 67. 46) Hierzu ausführlich Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, S. 143 ff., 426 ff. 47) In diese Richtung, jedoch sehr krit. auch Habersack, ZIP 2007, 2145, 2150. 48) Gegen die Einschränkung der Anfechtbarkeit mittels Annahme eines Bargeschäfts i. S. von § 142 Abs. 1 InsO zutreffend Haas, ZInsO 2007, 617, 623 f.
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einer rechtsgeschäftlichen Bindung begründet werden (Ausschluss des Kündigungsrechts, Finanzplankredit).49) 2.
Anfechtbarkeit
24 Kommt es im Vorfeld der Insolvenz binnen Jahresfrist zur Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens, besteht die besondere, nicht an subjektive Merkmale geknüpfte Anfechtungsmöglichkeit gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO; über § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist in einem Zeitraum von zehn Jahren auch die Sicherheitenbestellung anfechtbar. Zur Anfechtung ist der Insolvenzverwalter berechtigt;50) die Rechtsfolgen ergeben sich aus §§ 143 ff. InsO. Im Fall der masselosen Insolvenz steht den Gläubigern gemäß §§ 6, 11 AnfG ein vergleichbares Anfechtungsrecht zu (Normen oben abgedruckt). Die allgemeinen Anfechtungstatbestände gemäß §§ 129 ff. InsO werden hierdurch nicht verdrängt. a)
Wegen Gewährung einer Sicherheit (§ 135 Abs. 2 Nr. 1 InsO)
25 Anfechtbar ist zunächst, wenn die AG für ein Gesellschafterdarlehen innerhalb der letzten zehn Jahre vor Insolvenzantrag oder danach eine Sicherung gewährt hat. Hierunter sind sämtliche dinglichen oder schuldrechtlichen Sicherungsmittel zu fassen. Sicherheiten, die ein Dritter gewährt hat, sind hiernach hingegen nicht anfechtbar. Der Aktionär, der wegen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einen Forderungsausfall erleidet, kann daher Regress nehmen. b)
Wegen Befriedigung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO)
26 Praktisch relevanter ist es, die insolvenznahe Darlehensrückzahlung rückgängig zu machen. Erfasst wird jede Rechtshandlung, die den Rückzahlungsanspruch zum Erlöschen brachte (Erfüllung nach §§ 362 ff. BGB, Aufrechnung nach § 389 BGB, Verwertung einer Sicherheit gemäß §§ 1147, 1247 Satz 1 BGB). Die Anfechtungsmöglichkeit erfasst nach zutreffender Ansicht auch Zinszahlungen (siehe oben Rz. 22). Die Rechtshandlung muss im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sein oder danach vorgenommen worden sein (Berechnung gemäß § 139 InsO; mögliche Verjährung gemäß § 146 InsO). Zum vorinsolvenzlichen Gläubigerwechsel und Verlust der Aktionärsstellung siehe oben Rz. 10. 3.
Passivierung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens
27 Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO (oben abgedruckt) sind die von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfassten Forderungen gegen die AG im Überschuldungsstatus grundsätzlich zu passivieren; etwas anderes gilt nur, wenn der Aktionär oder einzubeziehende Dritte einen darüber hinausgehenden Nachrang gemäß § 39 Abs. 2 InsO vereinbart hat.51) 4.
Nutzungsüberlassung
28 Überlässt ein Aktionär oder gleichgestellter Dritter der AG einen Gegenstand zur Nutzung (d. h. ohne dingliche Rechtsänderung), beurteilt sich dies gemäß § 135 Abs. 3 InsO (oben abgedruckt).52) Gemäß § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO ist die Geltendmachung des Aussonderungsanspruchs (vgl. 47 InsO) während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens für eine Zeit von einem Jahr ab Insolvenzeröffnung, ausgeschlossen, wenn der Gegen_____________ 49) Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, ZIP 1999, 1263 = DStR 1999, 1198. 50) Vgl. BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 187 = ZIP 1988, 1248. 51) Einzelheiten bei Kahlert/Gehrke, DStR 2010, 227, 230 f.; Haas, DStR 2009, 326, 327; Leithaus/ Schaefer, NZI 2010, 844. 52) Einzelheiten bei Bitter, ZIP 2010, 1.
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stand für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Letzteres entspricht § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO und setzt voraus, dass aus der ex ante-Perspektive eine reale Sanierungschance unter Fortbestand des Unternehmens oder Teilen hiervon besteht und die fortdauernde Belassung notwendig ist, diese Chance zu realisieren. Im Zweifel ist dies zu bejahen. Wurde der Gegenstand im Vorfeld der Insolvenz abgezogen, hat die AG keinen Anspruch auf erneute Überlassung.53) Wird der Gegenstand nach dem Vorgesagten verstrickt, hat der Aktionär gemäß § 135 29 Abs. 3 Satz 2 InsO einen Vergütungsanspruch in Anlehnung an die vertragliche Gestaltung.54) Bei fehlender oder unangemessener Gestaltung ist eine marktübliche Vergütung zu zahlen. Es handelt sich hierbei um eine Masseverbindlichkeit i. S. von § 55 InsO.55) Die Regelung hat einen Vorrang gegenüber § 108 InsO (str.).56) VI.
Aktionärsbesicherte Drittdarlehen
Wird das Darlehen eines (nicht bereits in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einzubeziehenden) 30 Dritten (d. h. „echter Dritter“) durch einen Aktionär besichert, folgt eine konsequente Fortentwicklung des Rechts der Gesellschafterdarlehen aus §§ 44a, 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO (vgl. für die masselose Insolvenz §§ 6a, 11 Abs. 3 AnfG). Den Regelungen liegt die wertungsmäßig überzeugende Prämisse zugrunde, dass die über die Subordination herbeigeführte Zuweisung einer Eigenkapitalfunktion für die aus dem Vermögen eines Aktionärs oder einzubeziehenden Dritten geleistete Sicherheit gleichermaßen geboten ist (siehe zum Schutzzweck oben Rz. 3 ff.). 1.
Anfechtbarkeit der Befriedigung (§ 135 Abs. 2 InsO)
Gemäß § 135 Abs. 2 InsO ist die Befriedigung einer derartigen Drittforderung ebenso 31 anfechtbar, wie wenn die AG das Darlehen eines Aktionärs befriedigt hätte (siehe zu § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO oben Rz. 26).57) Als Rechtsfolge führt diese Anfechtung zwar die Rückzahlungspflicht gemäß § 143 InsO herbei; eine Subordination des wiederauflebenden Rückzahlungsanspruchs des Dritten erfolgt jedoch nicht. Dieser kann seine Forderung weiterhin als Insolvenzgläubiger gemäß § 174 InsO anmelden und auf quotale Befriedigung hoffen. 2.
Vorrangige Inanspruchnahme der Sicherheit (§ 44a InsO)
Der Dritte ist gemäß § 44a InsO jedoch gehalten, sich für die Befriedigung vorrangig an 32 den Aktionär zu halten, der die Sicherheit gestellt hat; insofern erfolgt eine Einschränkung gegenüber § 43 InsO.58) 3.
Subordination der Erstattungspflicht (§ 143 Abs. 3 InsO)
Die dem Aktionär aus der vorrangigen Inanspruchnahme resultierenden vertraglichen 33 oder gesetzlichen Erstattungsansprüche gegenüber der AG werden gemäß § 143 Abs. 3 InsO subordiniert.59) Im Ergebnis erfolgt so eine Gleichstellung der Gesellschaftersicherheit mit einem Gesellschafterdarlehen. _____________ 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59)
Huber/Habersack, BB 2006, 1, 5. LG Kiel, Urt. v. 25.3.2011 – 17 O 229/10, DStR 2011, 1283. OLG Schleswig, Urt. v. 13.1.2012 – 4 U 57/11, NZG 2012, 751. LG Kiel, Urt. v. 25.3.2011 – 17 O 229/10, DStR 2011, 1283. OLG Hamm, Urt. v. 7.4.2011 – I – 27 U 94/10, ZIP 2011, 1226. Einzelheiten bei Spliedt, ZIP 2009, 149, 155 f.; K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1970. Einzelheiten bei K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1970.
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§ 58
Verwendung des Jahresüberschusses
§ 58 Verwendung des Jahresüberschusses (1) 1Die Satzung kann nur für den Fall, daß die Hauptversammlung den Jahresabschluß feststellt, bestimmen, daß Beträge aus dem Jahresüberschuß in andere Gewinnrücklagen einzustellen sind. 2Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung kann höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen eingestellt werden. 3Dabei sind Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, und ein Verlustvortrag vorab vom Jahresüberschuß abzuziehen. (2) 1Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß fest, so können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen. 2Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils des Jahresüberschusses ermächtigen. 3Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung dürfen Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nach der Einstellung die Hälfte übersteigen würden. 4Absatz 1 Satz 3 gilt sinngemäß. (2a) 1Unbeschadet der Absätze 1 und 2 können Vorstand und Aufsichtsrat den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens und von bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gebildeten Passivposten, die nicht im Sonderposten mit Rücklageanteil ausgewiesen werden dürfen, in andere Gewinnrücklagen einstellen. 2Der Betrag dieser Rücklagen ist entweder in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. (3) 1Die Hauptversammlung kann im Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns weitere Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. 2 Sie kann ferner, wenn die Satzung sie hierzu ermächtigt, auch eine andere Verwendung als nach Satz 1 oder als die Verteilung unter die Aktionäre beschließen. (4) Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß nach Absatz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. (5) Sofern die Satzung dies vorsieht, kann die Hauptversammlung auch eine Sachausschüttung beschließen. Literatur: Baums, Rücklagenbildung und Gewinnausschüttung im Aktienrecht, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 57; Eckardt, Satzungsänderungen auf Grund des neuen Aktiengesetzes, NJW 1967, 369; v. Gleichenstein, Satzungsmäßige Ermächtigung der Verwaltung einer Aktiengesellschaft zur Bildung freier Rücklagen (§ 58 Abs. 2 AktG 1965), BB 1966, 1047; Harms/Küting/Weber, Die Wertaufholungskonzeption des neuen Bilanzrechts – Eine handelsund steuerrechtliche Analyse, DB 1986, 653; Hasselbach/Wicke, Sachausschüttungen im Aktienrecht, NZG 2001, 599; Hoffmann-Becking, Gesetz zur „kleinen AG“, ZIP 1995, 1; Holzborn/ Bunnemann, Gestaltung einer Sachausschüttung und Gewährleistung im Rahmen der Sachdividende, AG 2003, 671; Klett/Peitsmeier, Gesellschafts- und haftungsrechtliche Konsequenzen der fehlerhaften steuerlichen Behandlung von Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften, BB 2011, 2121; Klühs, Präsenzbonus für die Teilnahme an der Hauptversammlung, ZIP 2006, 107; Leinekugel, Die Sachdividende im deutschen und europäischen Aktienrecht, 2001; Lutter/ Leinekugel/Rödder, Die Sachdividende – Gesellschaftsrecht und Steuerrecht, ZGR 2002, 204; Müller, W., Die Änderungen im HGB und die Neuregelung der Sachdividende durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, NZG 2002, 752; Schüppen, Dividende ohne Hauptversammlungsbeschluß? – Zur Durchsetzung des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruchs in
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§ 58
Verwendung des Jahresüberschusses
Pattsituationen, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 571; Sethe, Aktien ohne Vermögensbeteiligung? – Zur privatautonomen Beschränkung der Vermögensrechte eines Aktionärs, ZHR 162 (1998), 474.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 1 .......................................... 2 III. Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 2 .......................................... 4 1. „Hälfteregelung“ ................................ 5 2. Weitere satzungsmäßige Vorgaben ............................................. 6 3. Zwingende Abzugsposten ................. 7 IV. Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 2a ......................................... 8 I.
V. Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 58 Abs. 3) ....................................... 9 1. Gewinnrücklage ................................ 10 2. Gewinnvortrag .................................. 11 3. Andere Verwendung ........................ 12 VI. Anspruch auf Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4) ..................................... 13 1. Bezugsgröße ..................................... 14 2. Durchsetzung ................................... 15 VII. Sachdividende (§ 58 Abs. 5) ......... 16
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Norm regelt in Ausschnitten die Gewinnverwendung bei der AG. Sie beruht auf den 1 handelsrechtlichen Regelungen zum Jahresabschluss (§§ 264 ff. HGB) und wird ergänzt durch die §§ 150 ff. § 58 Abs. 1 ermöglicht satzungsmäßige Vorgaben zur Dotierung von Rücklagen in den Fällen, in denen der Jahresabschluss – ausnahmsweise – von der Hauptversammlung festgestellt wird (vgl. § 173). § 58 Abs. 2 regelt dies ähnlich für die Fälle, in denen der Jahresabschluss – wie regelmäßig – von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wird (vgl. § 173). Gemäß § 58 Abs. 2a ist jedoch stets möglich, dass Vorstand und Aufsichtsrat gemäß den genannten Vorgaben bei Wertaufholungen und steuerrechtlich gebildeten Gewinnrücklagen besondere Rücklagen bilden. § 58 Abs. 3 stellt klar, dass es der Hauptversammlung beim Gewinnverwendungsbeschluss gemäß § 174 unbenommen ist, aus dem – bereits durch die Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 1 bis 2a reduzierten – Bilanzgewinn weitere Rücklagen zu bilden, ihn als Gewinn vorzutragen oder an die Aktionäre auszuschütten. § 58 Abs. 4 begründet das unentziehbare kollektive Recht der Aktionäre auf den Bilanzgewinn, sofern dessen Verteilung nicht zulässigerweise ausgeschlossen wurde. § 58 Abs. 5 stellt klar, dass es aufgrund entsprechender Satzungsregelung auch Sachdividenden geben kann. II.
Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 1
§ 58 Abs. 1 knüpft an den Ausnahmefall an, dass die Hauptversammlung gemäß § 173 den 2 Jahresabschluss feststellt. An sich wäre sie – i. R. der gesetzlichen Bestimmungen – frei, wie sie die Bilanzwahlrechte ausübt, insbesondere i. R. der Rücklagenbildung und -auflösung. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 kann es insofern jedoch Satzungsvorgaben geben, an die die bei § 173 mit einfacher Mehrheit (§ 133) beschließende Hauptversammlung gebunden ist („einzustellen sind“). Es handelt sich somit um einen Fall der Selbstbindung der (künftigen) Aktionäre. Fehlt umgekehrt eine entsprechende Satzungsregelung, kommt die Dotierung der anderen Gewinnrücklagen nicht in Betracht (§ 173 Abs. 2 Satz 2).1) Hierdurch wird die Minderheit davor geschützt, gleichsam ohne Vorwarnung durch die großzügige Rücklagenbildung der Mehrheit „ausgehungert“ zu werden.2) _____________ 1) 2)
Bayer in: MünchKomm-AktG, § 58 Rz. 35. Hüffer, AktG, § 58 Rz. 6.
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§ 58
Verwendung des Jahresüberschusses
3 Die satzungsmäßige Vorgabe muss eindeutig sein.3) Als Obergrenze sieht § 58 Abs. 1 Satz 2 vor, dass höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses i. S. von § 275 HGB hierdurch gebunden werden darf. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 3 wird zudem zwingend festgelegt, dass der Jahresüberschuss vorrangig um die ggf. noch notwendige Dotierung der gesetzlichen Rücklage (§ 150) zu reduzieren ist und ein etwaiger Verlustvortrag (§ 266 Abs. 3 A. IV HGB, § 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) abzuziehen ist. III.
Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 2
4 § 58 Abs. 2 knüpft an den Regelfall gemäß § 172 an, wonach Vorstand und Aufsichtsrat nicht nur befugt sind, den Jahresabschluss gemäß § 170 aufzustellen, sondern auch festzustellen, mithin Bilanzwahlrechte auszuüben, insbesondere i. R. der Rücklagenbildung und –auflösung. Ist dies der Fall, hat die Hauptversammlung im gesetzlichen Regelfall keine Möglichkeit, hierauf Einfluss zu nehmen, sondern kann allein gemäß § 174 über das Ergebnis dieser Maßnahmen, den etwaigen Bilanzgewinn, beschließen. Zur Stärkung der Aktionärskompetenzen im Spannungsfeld zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsgebot sieht § 58 Abs. 1 jedoch vor, dass die Kompetenz von Vorstand und Aufsichtsrat auch im Bereich von § 172 nicht schrankenlos ist und die Satzung besondere Einschränkungen vorsehen kann. 1.
„Hälfteregelung“
5 Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 können Vorstand und Aufsichtsrat im dispositiven (dazu sogleich) gesetzlichen Regelfall höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses gemäß GuV i. S. von § 275 HGB in andere Gewinnrücklagen i. S. von § 266 Abs. 3 A. III. Nr. 4 HGB einstellen. Diese Regelung ist eine reine Kompetenznorm. Ob die Rücklagenbildung in concreto rechtmäßig ist, bestimmt sich anhand des allgemeinen Pflichtenmaßstabs gemäß §§ 93 Abs. 2, 116; ein konturenloses Ermessen besteht nicht.4) Die Verwaltung hat vielmehr im Streitfall konkret darzulegen, aus welchen Gründen die Thesaurierung gegenüber dem Ausschüttungsinteresse der Aktionäre Vorrang hat. 2.
Weitere satzungsmäßige Vorgaben
6 Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 kann aufgrund Satzungsregelung vorgesehen werden, dass größere oder kleinere Teile des Jahresüberschusses thesauriert werden.5) Möglich ist nur eine Ermächtigung, d. h. die Verwaltung kann hierzu nicht gezwungen werden. Hieraus folgt jedoch umgekehrt, dass die konkrete Ausübung dieser Ermächtigung den Pflichtenmaßstäben gemäß §§ 93 Abs. 2, 116 unterliegt. Eine Obergrenze besteht für die Ermächtigung nicht; es kann daher vorgesehen werden, dass der gesamte Jahresüberschuss thesauriert wird (str.);6) § 254 gilt nicht analog.7) Möglich ist auch eine gespaltene Lösung.8) Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 3 darf von der Ermächtigung nur insoweit Gebrauch gemacht werden, als die hierüber dotierten anderen Gewinnrücklagen (§ 266 Abs. 3 A. III. Nr. 4 HGB) die Hälfte des Grundkapitals übersteigen würden. _____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Bayer in: MünchKomm-AktG, § 58 Rz. 26. Abw. die wohl h. M. vgl. nur Baums in: FS K. Schmidt, S. 57, 68 ff.; Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 58 Rz. 5; einschränkend Hüffer, AktG, § 58 Rz. 8, 10 – Vermutung der Rechtmäßigkeit. Zur Formulierung ausführlich Bayer in: MünchKomm-AktG, § 58 Rz. 46. BGH, Urt. v. 1.3.1971 – II ZR 53/69, BGHZ 55, 359, 360 ff.; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 5. Abw. Eckardt, NJW 1967, 369; v. Gleichenstein, BB 1966, 1047. Vgl. LG Hamburg, Beschl. v. 16.10.1968 – 26/18/68, NJW 1969, 664, 666 – Dotierung des „gesamten Jahresüberschusses abzüglich des für die Ausschüttung einer Dividende i. H. von 4 % erforderlichen Betrags“.
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Verwendung des Jahresüberschusses 3.
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Zwingende Abzugsposten
§ 58 Abs. 2 Satz 3 ordnet auch für die Rücklagenbildung i. R. von § 58 Abs. 2 zwingend 7 an, dass die Dotierung der gesetzlichen Rücklage und die Berücksichtigung eines Verlustvortrags Vorrang haben. IV.
Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 2a
§ 58 Abs. 2a gestattet Vorstand und Aufsichtsrat unbeschadet der konkreten Kompetenz 8 zur Feststellung des Jahresabschlusses gemäß § 58 Abs. 1 oder Abs. 2 eine besondere Rücklagendotierung. Dies gilt einmal für den Kapitalanteil von Wertaufholungen i. S. von § 253 Abs. 3 HGB, wodurch sich stille Reserven in offen ausgewiesene Rücklagen umwandeln lassen.9) Zum anderen ist die Rücklagenbildung möglich von den zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung gebildeten Passivposten.10) Beide Kompetenzen erweitern die Dotierungskompetenz der Verwaltung nach § 58 Abs. 1 und Abs. 2.11) Die nach § 58 Abs. 2a Satz 1 dotierten Rücklagen sind gemäß § 58 Abs. 2a Satz 2 in der Bilanz gesondert auszuweisen („Davon-Vermerk“) oder im Anhang (§§ 284 ff. HGB) anzugeben. Vgl. zum Ausweis in der GuV § 158 Abs. 1 Nr. 4 lit. d. V.
Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 58 Abs. 3)
Der Hauptversammlung obliegt gemäß § 174 die konkrete12) Beschlussfassung (§ 133) über 9 die Verwendung des Bilanzgewinns i. S. von § 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5. § 58 Abs. 3 Satz 1 beruht hierauf und legt fest, welche Beschlussfassungen neben der Ausschüttung i. S. von § 58 Abs. 4 (unten) zulässig sind. 1.
Gewinnrücklage
Gemäß § 58 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 kann die Hauptversammlung in den Grenzen von § 254 den 10 Bilanzgewinn in die Rücklagen gemäß § 266 Abs. 3 A. III. HGB einstellen. Gibt es keine Aktionärsminderheit oder wird der Beschluss nicht gemäß § 254 angefochten, folgt aus § 58 Abs. 3 keine Obergrenze für die Rücklagendotierung. 2.
Gewinnvortrag
Die Hauptversammlung kann gemäß § 58 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 auch beschließen, dass der 11 Bilanzgewinn oder Teile davon als Gewinnvortrag ausgewiesen werden (§ 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1).13) Auch hier gilt zugunsten der (vorhandenen) Minderheit die Grenze gemäß § 254. 3.
Andere Verwendung
Eine andere Verwendung i. S. von § 58 Abs. 3 Satz 2 kann die Hauptversammlung aufgrund 12 (vorheriger) Satzungsregelung beschließen. In Betracht kommen neben der Zwangsthesaurierung insbesondere bei gemeinnützigen AG die Zuwendung des Bilanzgewinns an Dritte.14) Besondere Zuwendungen an einzelne Aktionäre unterliegen den Anforderungen _____________ Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spangenberg, AktG, § 58 Rz. 49 f. Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn/v. Spangenberg, AktG, § 58 Rz. 51 ff. Spindler/Stilz-Cahn/v. Spangenberg, AktG, § 58 Rz. 53 f. Zu den inhaltlichen Anforderungen BGH, Urt. v. 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 32 = ZIP 1993, 1886 = NJW 1994, 232. 13) Einzelheiten bei Bayer in: MünchKomm-AktG, § 58 Rz. 90. 14) Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1982 – II ZR 69/81, BGHZ 84, 303 = ZIP 1982, 959= NJW 1083, 282; Einzelheiten bei Sethe, ZHR 162 (1998), 474, 478 f. 9) 10) 11) 12)
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359
§ 58
Verwendung des Jahresüberschusses
von § 53a.15) Wegen der in § 58 Abs. 4 vorausgesetzten Bindung kann die Satzungsregelung die Hauptversammlung auch zu einer entsprechenden Beschlussfassung verpflichten.16) Das Gleiche gilt umgekehrt für die Vollausschüttung.17) VI.
Anspruch auf Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4)
13 Mit Feststellung des Jahresabschlusses haben die Aktionäre zwingend das kollektive Recht auf den (vorhandenen) Bilanzgewinn.18) Dieses Gewinnbezugsrecht ist wegen des Abspaltungsverbots gemäß § 717 Satz 1 BGB untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden und vom individuellen Zahlungsanspruch zu unterscheiden, der erst als Folge des Gewinnverwendungsbeschlusses i. S. von § 174 Abs. 2 Nr. 2 entsteht.19) 1.
Bezugsgröße
14 § 58 Abs. 4 stellt klar, dass sich das Gewinnbezugsrecht auf den Bilanzgewinn i. S. von § 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bezieht und dementsprechend vom Jahresüberschuss der GuV gemäß § 275 HGB vor allem wegen der zwingenden Rücklagenbildung gemäß § 150 und der weiteren Rücklagendotierung i. R. des § 58 Abs. 1 bis 3 unterscheidet. Auch satzungsmäßige Bindungen gemäß § 58 Abs. 3 schmälern vorrangig das Gewinnbezugsrecht. 2.
Durchsetzung
15 Als kollektives Mitgliedschaftsrecht kann der einzelne Aktionär den Anspruch aus § 58 Abs. 4 nicht durchsetzen. Er kann jedoch auf Herbeiführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses klagen.20) Es obliegt jedoch weiterhin der Hauptversammlung, auf welche Weise genau mit dem Bilanzgewinn verfahren wird (Einzelheiten bei § 174). Der individuelle Zahlungsanspruch nach Beschlussfassung ist als bloßes Vermögensrecht i. S. von § 717 Satz 2 BGB selbständig abtretbar und verpfändbar.21) Vgl. zur Gewinnverteilung im Verhältnis der Aktionäre untereinander auch § 60. VII. Sachdividende (§ 58 Abs. 5) 16 Gemäß § 58 Abs. 5 kann die Satzung auch vorsehen, dass die Hauptversammlung i. R. der Gewinnverwendung gemäß § 174 eine Sachausschüttung beschließt (§ 133).22) Der praktische Anwendungsbereich dieser Norm ist wohl gering.
_____________ 15) Insofern bedenklich die Vorschläge zur Einführung von Präsenzboni bei der Hauptversammlung, vgl. Klühs, ZIP 2006, 107, 112, 118. 16) H. M., vgl. nur Bayer in: MünchKomm-AktG, § 58 Rz. 91. 17) Zum Ganzen Spindler/Stilz-Cahn/v. Spannenberg, AktG, § 58 Rz. 87 ff. 18) Grundlegend BGH, Urt. v. 8.10.1952 – II ZR 313/ 51, BGHZ 7, 263, 264 = NJW 1952, 1370; aus neuerer Zeit BGH, Urt. v. 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 31 = ZIP 1993, 1886= NJW 1994, 323. 19) BGH, Urt. v. 24.1.1957 – II ZR 208/55, BGHZ 23, 150, 157 = NJW 1957, 588; BGH, Urt. v. 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 31 = ZIP 1993, 1886 NJW 1994, 323; vgl. zur steuerrechtlichen Behandlung fehlerhafter Ausschüttungen Klett/Peitsmeier, BB 2011, 2121. 20) Einzelheiten bei Bayer in: MünchKomm-AktG, § 58 Rz. 99. 21) RG, Urt. v. 16.4.1920 – II 398/19, RGZ 98, 318, 319. 22) Einzelheiten bei Holzborn/Bunnemann, AG 2003, 1729.
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§ 59
Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn
§ 59 Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn (1) Die Satzung kann den Vorstand ermächtigen, nach Ablauf des Geschäftsjahrs auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn einen Abschlag an die Aktionäre zu zahlen. (2) 1Der Vorstand darf einen Abschlag nur zahlen, wenn ein vorläufiger Abschluß für das vergangene Geschäftsjahr einen Jahresüberschuß ergibt. 2Als Abschlag darf höchstens die Hälfte des Betrags gezahlt werden, der von dem Jahresüberschuß nach Abzug der Beträge verbleibt, die nach Gesetz oder Satzung in Gewinnrücklagen einzustellen sind. 3Außerdem darf der Abschlag nicht die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns übersteigen. (3) Die Zahlung eines Abschlags bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats. Literatur: Eder, Aktuelle Aspekte der Vorabausschüttung, BB 1994, 1260; Siebel/Gebauer, Interimsdividende, AG 1999, 385.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Voraussetzungen für Abschlagszahlungen ........................................... 2 1. Satzungsmäßige Grundlage (§ 59 Abs. 1) ....................................... 2 I.
2. Vorstandskompetenz, Grenzen (§ 59 Abs. 2) ....................................... 3 3. Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 59 Abs. 3) ....................................... 5 III. Rechtsfolgen ...................................... 6
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Im Ausgangspunkt gibt es bei der AG allein die Jahresdividende (§§ 58, 174). Die Regelung 1 ermöglicht jedoch eine gewisse Flexibilisierung, indem den Aktionären Abschläge auf den Bilanzgewinn gezahlt werden können. Nach § 59 Abs. 1 bedarf es hierfür einer entsprechenden Satzungsregelung. § 59 Abs. 2 legt die Voraussetzungen und betragsmäßigen Grenzen für die konkrete Zahlung fest. § 59 Abs. 3 verlangt hierfür zudem die Zustimmung des Aufsichtsrats. Die praktische Bedeutung dieser Norm ist gering.1) II.
Voraussetzungen für Abschlagszahlungen
1.
Satzungsmäßige Grundlage (§ 59 Abs. 1)
Erforderlich ist zunächst eine entsprechende Satzungsregelung. Inhaltlich muss sich diese 2 auf einen Abschlag auf den Bilanzgewinn beziehen; die Ersetzung der Jahresdividende durch Interims- oder Quartalsdividenden ist unzulässig.2) Es besteht daher stets das Risiko, dass die als Abschlag gewährten Zahlungen nicht durch einen tatsächlichen ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn gedeckt sind. 2.
Vorstandskompetenz, Grenzen (§ 59 Abs. 2)
Die Satzungsregelung begründet lediglich eine Ermächtigung an den Vorstand. Dieser 3 entscheidet pflichtgemäß (§ 93 Abs. 2), ob und in welchem Umfang der hiervon Gebrauch macht oder nicht.3) In Einzelfällen kann es zur Befriedigung von Liquiditätsinteressen _____________ 1) 2) 3)
Siebel/Gebauer, AG 1999, 385, 389. Siebel/Gebauer, AG 1999, 385 – mit Vorschlägen de lege ferenda. Abw. die h. M.: „eigenes Ermessen“, vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 59 Rz. 7.
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§ 60
Gewinnverteilung
der Aktionäre auch einmal eine entsprechende Pflicht zur Gewährung von Abschlagszahlungen geben. Jede Abschlagszahlung bedarf eines zuvor gefassten gesonderten Vorstandsbeschlusses.4) 4 Bedeutsam sind die betragsmäßigen Grenzen gemäß § 59 Abs. 2: Erforderlich ist gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 zunächst die Aufstellung eines vorläufigen Jahresabschlusses durch den Vorstand für das vergangene Geschäftsjahr. Hierfür gelten die allgemeinen Regeln. Entbehrlich sind allein die Feststellung und Prüfung sowie die Erstellung eines Anhangs und Lageberichts.5) Ergibt dieser vorläufige Jahresabschluss einen Jahresüberschuss i. S. von § 275 HGB, kann gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 als Abschlag maximal die Hälfte des Betrags gezahlt werden, der von diesem nach Abzug der Beträge verbleibt, die nach Gesetz oder Satzung in Gewinnrücklagen einzustellen sind (vgl. hierzu § 58 Abs. 1 bis 3). Aus § 59 Abs. 2 Satz 3 ergibt sich zudem, dass maximal die Hälfte des vorjährigen Bilanzgewinns (§ 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) ausgezahlt werden darf. Insgesamt besteht so eine doppelte Obergrenze. 3.
Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 59 Abs. 3)
5 Nach § 59 Abs. 3 bedarf die Abschlagszahlung auch der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats.6) III.
Rechtsfolgen
6 Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, steht den Aktionären nach Maßgabe von § 60 ein individueller Zahlungsanspruch zu. Dieser ist abtretbar und verpfändbar. Unzulässige, vor allem überhöhte Zahlungen sind gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 zurückzuerstatten (vgl. aber die Privilegierung beim gutgläubigen Gewinnbezug gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2).7) Der Vorstand haftet bei Missachtung aus § 93 Abs. 3 Nr. 2; der Aufsichtsrat gemäß § 116 entsprechend. _____________ 4) 5) 6) 7)
Bayer in: MünchKomm-AktG, § 59 Rz. 10. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 59 Rz. 9 f. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 59 Rz. 8. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 59 Rz. 17.
§ 60 Gewinnverteilung (1) Die Anteile der Aktionäre am Gewinn bestimmen sich nach ihren Anteilen am Grundkapital. (2) 1Sind die Einlagen auf das Grundkapital nicht auf alle Aktien in demselben Verhältnis geleistet, so erhalten die Aktionäre aus dem verteilbaren Gewinn vorweg einen Betrag von vier vom Hundert der geleisteten Einlagen. 2Reicht der Gewinn dazu nicht aus, so bestimmt sich der Betrag nach einem entsprechend niedrigeren Satz. 3Einlagen, die im Laufe des Geschäftsjahrs geleistet wurden, werden nach dem Verhältnis der Zeit berücksichtigt, die seit der Leistung verstrichen ist. (3) Die Satzung kann eine andere Art der Gewinnverteilung bestimmen. Literatur: Erhart/Riedel, Disquotale Gewinnausschüttung bei Kapitalgesellschaften – gesellschafts- und steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, BB 2008, 2266; Horbach, Der Gewinnverzicht des Großaktionärs, AG 2001, 78; Klühs, Präsenzbonus für die Teilnahme an der
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§ 60
Gewinnverteilung
Hauptversammlung, ZIP 2006, 107; König, Der Dividendenverzicht des Mehrheitsaktionärs – Dogmatische Einordnung und praktische Durchführung, AG 2001, 399; Lenz, Steigerung der Hauptversammlungsteilnahme durch monetäre Anreize?, NZG 2006, 534; Simon, Rückwirkende Dividendengewährung beim genehmigten Kapital?, AG 1960, 148; Wündisch, Können junge Aktien mit Dividendenberechtigung für ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr ausgestattet werden?, AG 1960, 320.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Gewinnverteilung nach Kapitalanteilen (§ 60 Abs. 1) ........................ 2 III. Besonderheiten bei rückständigen Einlagen (§ 60 Abs. 2 Satz 1, Satz 2) ................ 4 I.
1. Vorwegverteilung ............................... 2. Verteilung des Restbetrags ................ IV. Besonderheiten bei unterjähriger Einlageleistung (§ 60 Abs. 2 Satz 3) ............................ V. Gestaltungsfreiheit (§ 60 Abs. 3) .......................................
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Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Regelung ergänzt die § 58 Abs. 4 und § 174 Abs. 2 Nr. 2. Sie bestimmt, in welchem 1 Verhältnis die Aktionäre zueinander Gewinnansprüche geltend machen können (Gewinnverteilungsschlüssel). Hieran ist der Vorstand bei der Umsetzung des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung gebunden (§§ 83 Abs. 2, 93 Abs. 2). § 60 Abs. 1 konkretisiert den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a) und verlangt im dispositiven gesetzlichen Regelfall eine Verteilung anhand der Beteiligung der Aktionäre am Grundkapital. Über § 60 Abs. 2 wird der Gleichbehandlungsgrundsatz bei unterschiedlicher Einlageleistung konsequent, jedoch etwas generalisierend, verwirklicht: Die Aktionäre erhalten vom Bilanzgewinn vorab einen Anteil von 4 % in Bezug auf die bereits geleisteten Einlagen und wenn es nicht ausreicht, einen geringeren Prozentsatz. Der über die 4 %-Verzinsung hinaus ggf. verbleibende Bilanzgewinn wird dann nach Maßgabe von § 60 Abs. 1 gemäß dem Nennbetrag unter allen Aktionären verteilt, so dass auch die Inhaber der nicht voll eingezahlten Aktien Dividendenansprüche haben und nicht etwa eine automatische Anrechnung auf die ausstehende Resteinlage erfolgt. Gemäß § 60 Abs. 3 sind die vorgenannten Aufteilungsregeln satzungsdispositiv. II.
Gewinnverteilung nach Kapitalanteilen (§ 60 Abs. 1)
Im dispositiven gesetzlichen Regelfall hängt die vermögensmäßige Beteiligung der Ak- 2 tionäre von den Nennbeträgen der übernommenen Aktien ab, bei Stückaktien von der entsprechenden Zahl (vgl. § 8 Abs. 4). Das korporative Agio (§ 9 Abs. 2) oder sonstige Zuzahlungen der Aktionäre bleiben bei der Berechnung außer Betracht.1) Gemäß § 60 Abs. 1 bezieht sich das auch auf die Gewinnverteilung. § 60 Abs. 1 kommt gemäß § 60 Abs. 2 jedoch nur eingeschränkt zur Anwendung, wenn auf die Einlageforderungen unterschiedlich viel geleistet wurde; die gleichmäßige unvollständige Erfüllung der Einlagepflichten fällt demgegenüber unter § 60 Abs. 1.2) Eigene Aktien der AG bleiben gemäß §§ 56 Abs. 3, 71b, 71d Satz 4, 328 unberücksichtigt; 3 der Gewinnanteil der übrigen Aktionäre erhöht sich entsprechend. Wird gegen die Mitteilungspflichten verstoßen, ruhen zwar die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre; gemäß § 20 Abs. 7 Satz 2 und § 21 Abs. 4 Satz 2 leben diese jedoch ggf. rückwirkend wieder auf. _____________ 1) 2)
Allg. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 60 Rz. 7. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 6.
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§ 60 III.
Gewinnverteilung Besonderheiten bei rückständigen Einlagen (§ 60 Abs. 2 Satz 1, Satz 2)
4 Sind die Einlagepflichten unterschiedlich erfüllt, bestimmt sich die Gewinnverteilung nach § 60 Abs. 2. 1.
Vorwegverteilung
5 Den Aktionären gebührt vom Jahresüberschuss gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 zunächst eine 4 %-ige Verzinsung ihrer tatsächlich geleisteten Einlagen als Vorabdividende; Bezugspunkt für die Verteilung sind nicht die Nennbeträge, sondern die tatsächlich geleisteten Einlagen. Reicht der Jahresüberschuss hierfür nicht aus, ist der prozentuale Anteil für alle entsprechend zu kürzen (§ 60 Abs. 2 Satz 2). 2.
Verteilung des Restbetrags
6 Der nach Abzug der 4 %-igen Verzinsung verbleibende Jahresüberschuss wird gemäß § 60 Abs. 2 sodann unter allen Aktionären nach Maßgabe von § 60 Abs. 1, d. h. nach den Nennbeträgen der Aktien, verteilt.3) IV.
Besonderheiten bei unterjähriger Einlageleistung (§ 60 Abs. 2 Satz 3)
7 Wurden die Einlagen innerhalb des vergangenen Geschäftsjahres zu unterschiedlichen Zeitpunkten geleistet, ist dies gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3 zu berücksichtigen. Hierüber wird der Gleichbehandlungsgrundsatz konsequent verwirklicht. Anwendbar ist die Regelung nicht nur auf die Verteilung bei unterschiedlich geleisteten Einlagen, sondern auch i. R. von § 60 Abs. 1. Dies ist insbesondere bei Kapitalerhöhungen im letzten Geschäftsjahr relevant.4) V.
Gestaltungsfreiheit (§ 60 Abs. 3)
8 Aufgrund einer Satzungsregelung kann von den vorgenannten Grundsätzen abgewichen werden.5) Soll die Gewinnverteilung nachträglich geändert werden, bedarf es einer Satzungsänderung sowie der Zustimmung aller betroffenen, d. h. in ihrem Gewinnbezugsrecht zurückgesetzten Aktionäre (str.).6) Praktisch anzutreffende zulässige Abweichungen vom gesetzlichen Regelfall sind insbesondere: –
Schaffung von Vorzugsaktien mit besonderem Gewinnrecht (vgl. §§ 139 ff.);7)
–
Beschränkung des Gewinnrechts einzelner Aktionäre;8)
–
Gewinnverteilung unter Berücksichtigung der Nebenleistungen i. S. von § 55;9) Schaffung einer Umsatzdividende;10)
–
Einführung einer Öffnungsklausel, wonach die Hauptversammlung alljährlich über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschließen darf.11)
_____________ 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11)
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Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 60 Rz. 15. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 11; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 60 Rz. 28. Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1982 – II ZR 69/81, BGHZ 84, 303, 311 = ZIP 1982, 959 = NJW 1983, 282. H. M., vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 60 Rz. 23; wohl auch BayObLG, Beschl. v. 23.8.2001 – 3Z BR 31/01, NJW-RR 2002, 248 – für die GmbH; abw. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 60 Rz. 21 ff. Einzelheiten bei Bayer in: MünchKomm-AktG, § 60 Rz. 20. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 18. RG, Urt. v. 19.5.1922 – II 550/21, RGZ 104, 349, 350. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 18. Vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.8.2001 – 3Z BR 31/01, NJW-RR 2002, 248 – für die GmbH.
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§ 61
Vergütung von Nebenleistungen
Steuerrechtlich finden unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauches nicht alle Abweichungen 9 Anerkennung.12) Wird aufgrund der Satzungsregelung nur teilweise von § 60 abgewichen, gilt die Regelung zur Lückenfüllung weiter.13) Unzulässig ist demgegenüber die Delegation der Gewinnverteilung auf Dritte;14) auch die Einführung von Präsenzboni für die auf der Hauptversammlung erschienenen Aktionäre ist nicht zulässig (str.).15) Beim genehmigten Kapital sieht die h. M. eine Spezialregelung gegenüber § 60 Abs. 3 mit 10 der Folge, dass die Gewinnverteilung bezüglich der neuen Aktien durch die Verwaltung festgelegt werden könne.16) Dem ist nicht zu folgen. Aus § 60 Abs. 3 folgt vielmehr umgekehrt, dass die zentrale Frage der Gewinnverteilung der Aktionärskompetenz obliegt und nicht das von §§ 203 ff. delegierte Ob und Wie der Aktienausgabe. Will ein Aktionär dauerhaft auf den Gewinn verzichten,17) ist dies eingeschränkt möglich: 11 Der Verzicht auf das Gewinnstammrecht ist nach zutreffender Ansicht unzulässig, weil hierüber die Verkehrsfähigkeit der Aktie erheblich eingeschränkt wäre, was dem gesetzlichen Leitbild der AG widerspricht (vgl. zudem das Abspaltungsverbot gemäß § 717 Satz 1 BGB).18) Zulässig ist demgegenüber, dass ein Aktionär (ad personam) auf den jeweils aus dem Gewinnverwendungsbeschluss resultierenden individuellen Gewinnanspruch im Voraus verzichtet (verfügender Erlassvertrag).19) Gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 wird dieser zusätzliche Betrag unter die übrigen Aktionäre verteilt. Der Erlass bindet nur den betreffenden Aktionär; nachfolgende Aktienerwerber sind hieran nicht gebunden, weil dies auf einen Ausschluss des Gewinnstammrechts hinausliefe und damit das Abspaltungsverbot missachtet würde. _____________ 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19)
Vgl. BFH, Urt. v. 28.6.2006 – I R 97/05, DStR 2006, 1938, 1942. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 60 Rz. 14. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 60 Rz. 6. Abw. Klühs, ZIP 2006, 107, 111; Lenz, NZG 2006, 534; für Namensaktien auch Grigoleit-Grigoleit/ Rachlitz, AktG, § 60 Rz. 11. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 60 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 15; GrigoleitGrigoleit/Rachlitz, AktG, § 60 Rz. 12 f. Zu den Motiven Erhart/Riedel, BB 2008, 2266, 2271. Horbach, AG 2001, 78, 82; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 21; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 60 Rz. 38. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 60 Rz. 20.
§ 61 Vergütung von Nebenleistungen Für wiederkehrende Leistungen, zu denen Aktionäre nach der Satzung neben den Einlagen auf das Grundkapital verpflichtet sind, darf eine den Wert der Leistungen nicht übersteigende Vergütung ohne Rücksicht darauf gezahlt werden, ob ein Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Vergütung einer Nebenleistung ...... 2
III. Kein Verstoß gegen die Kapitalbindung .................................. 3
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§ 62 I.
Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Regelung betrifft die Nebenleistungen i. S. von § 55 und besagt, dass hierfür eine angemessene Vergütung ohne Verstoß gegen § 57 Abs. 3 gezahlt werden darf. Die Regelung ist überflüssig, denn der Normzweck, wonach angemessene Gegenleistungen ohne Verstoß gegen § 57 zulässig sind, ließe sich auch über die allgemeinen Lehren verwirklichen.1) Auch das Erfordernis, eine etwaige Gegenleistung in die Satzung aufzunehmen, folgt bereits aus § 55 Abs. 2 Satz 2 (dort Rz. 5). II.
Vergütung einer Nebenleistung
2 Die genannten wiederkehrenden Leistungen beziehen sich auf die Nebenleistungen i. S. von § 55. Diese sind im Ausgangspunkt unentgeltlich zu erbringen; gleichwohl ist die Vereinbarung eines Entgelts zulässig (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2). Ein derartiger Anspruch des Aktionärs gegen die AG ist untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden.2) Indem diese Leistungsbeziehungen zudem zwingend in die Satzung aufzunehmen sind, handelt es sich bei etwaigen Vergütungen stets um Leistungen causa societatis, die der Kapitalbindung gemäß § 57 unterliegen. Sonstige einmalige Leistungen der AG an die Aktionäre sowie schuldrechtliche Drittgeschäfte beurteilen sich allein nach § 57. III.
Kein Verstoß gegen die Kapitalbindung
3 Die Privilegierung ist daran geknüpft, dass eine angemessene Gegenleistung der AG für die Leistungspflicht des Aktionärs vorliegt. Es ist also zu fragen, ob die AG für die Leistung des Aktionärs zu viel entrichtet und damit letztlich eine verbotene verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Maßgeblich hierfür ist eine konkrete objektive Betrachtung anhand des Marktüblichen (Drittvergleich). Satzungsmäßige Festlegungen über die Angemessenheit sind daher unzulässig (str.).3) Würde man dies abweichend beurteilen, könnte über § 61 die Kapitalbindung unterlaufen werden. 4 Handelt es sich hiernach um eine überhöhte Gegenleistung der AG, greift die Privilegierung nicht, und der Leistungsaustausch wird nach den allgemeinen Regeln des § 57 beurteilt. Nach zutreffender Ansicht sind die Rechtsgeschäfte weder schuldrechtlich noch dinglich unwirksam (siehe § 57 Rz. 39). Leistung und überhöhte Gegenleistung sind zu saldieren; der Differenzbetrag ist nach § 62 zu erstatten.4) Der Vorstand haftet ggf. gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 5 auf Schadensersatz. _____________ 1) 2) 3)
So auch Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 61 Rz. 2. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 61 Rz. 4. RG, Urt. v. 10.4.1901 – I 499/00, RGZ 48, 102, 104 f.; abw. aber Bayer in: MünchKomm-AktG, § 61 Rz. 5; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 61 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 61 Rz. 3. RG, Urt. v. 19.5.1922 – II 550/21, RGZ 104, 349, 350 f.
4)
§ 62 Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen (1) 1Die Aktionäre haben der Gesellschaft Leistungen, die sie entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes von ihr empfangen haben, zurückzugewähren. 2Haben sie Beträge als Gewinnanteile bezogen, so besteht die Verpflichtung nur, wenn sie wußten oder infolge von Fahrlässigkeit nicht wußten, daß sie zum Bezuge nicht berechtigt waren.
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Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
§ 62
(2) 1Der Anspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. 2 Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Aktionäre aus. (3) 1Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in zehn Jahren seit dem Empfang der Leistung. 2§ 54 Abs. 4 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Literatur: Altmeppen, „Dritte“ als Adressaten der Kapitalerhaltungs- und Kapitalersatzregeln in der GmbH, in: Festschrift für Bruno Kropff, 1997, S. 641; Canaris, Die Rückgewähr von Gesellschaftereinlagen durch Zuwendungen an Dritte, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 31; Ganske, Das Zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 13. Dezember 1978, DB 1978, 2461; Joost, Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln im Aktienrecht, ZHR 149 (1985), 419; Leuschner, Öffentliche Umplatzierung, Prospekthaftung und Innenregress, NJW 2011, 3275; Mylich, Rückgewähranspruch einer AG nach Ausschüttung oder Abführung von Scheingewinnen, AG 2011, 765; Riedel, Unzulässige Vermögenszuwendungen und ihre Rechtsfolgen im Recht der Aktiengesellschaft, 2004; Rosengarten, Die Rechtsfolgen eines „verdeckten“ Verstoßes gegen § 57 AktG: Endgültiger Abschied von der Nichtigkeit, ZHR 168 (2004), 70; Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, 2004; Servatius, Über die Beständigkeit des Erstattungsanspruchs wegen Verletzung des Stammkapitals, GmbHR 2000, 1028; Servatius, Nutzungsweise Überlassung von Betriebsmitteln der GmbH an Gesellschafter als Auszahlung gemäß §§ 30, 31 GmbHG, GmbHR 1998, 723; Thiessen, Zur Neuregelung der Verjährung im Handels- und Gesellschaftsrecht, ZHR 168 (2004), 503; Wiesner, Übergang des Rückgewähranspruchs nach § 62 Abs. 1 AktG auf den Aktienerwerber, in: Festschrift für Thomas Raiser, 2005, S. 471.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Rückerstattungspflicht (§ 62 Abs. 1) ....................................... 3 1. Gegenstand der Rückerstattung ........ 4 2. Schuldner ............................................ 6 3. Gutgläubiger Gewinnbezug ............... 7 a) Gewinnbezug ................................ 8 b) Gutgläubigkeit .............................. 9 I.
4. Geltendmachung .............................. III. Geltendmachung durch die Gläubiger und in der Insolvenz (§ 62 Abs. 2) ..................................... 1. Verfolgungsrecht der Gläubiger ...... 2. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters .... IV. Verjährung (§ 62 Abs. 3) ................
10
11 11 13 14
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
§ 62 regelt zwingend die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das Auszahlungsverbot gemäß 1 § 57. Wegen des doppelten Schutzzwecks dieser Norm (siehe § 57 Rz. 4 f.) kommt die Erstattung nicht nur in Betracht, wenn auf Kosten der Gläubiger Gesellschaftsvermögen ausgekehrt wurde, sondern auch dann, wenn nur die Formalia für die Gewinnverwendung nicht eingehalten wurden.1) Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 hat der Empfänger einer verbotenen Auszahlung diese an die AG zurückzugewähren; § 62 Abs. 1 Satz 2 schwächt die Rückzahlungspflicht insoweit ab, als der gutgläubige Gewinnbezug Bestandskraft hat. Der Rückerstattungsanspruch kann gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 bei Vermögenslosigkeit der AG auch von den Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden; gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 obliegt die Geltendmachung im Insolvenzverfahren dem Verwalter. Die Rückerstattungspflicht verjährt gemäß § 62 Abs. 3 grundsätzlich in zehn Jahren. _____________ 1)
Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 38.
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§ 62
Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
2 Bei Aktionärsdarlehen findet die Regelung keine Anwendung mehr, seitdem der Gesetzgeber diese gemäß § 57 Abs. 1 Satz 4 im Zuge des MoMiG einer materiell-rechtlichen Verstrickung im Vorfeld der Insolvenz entzogen hat (vgl. für die Darlehensrückzahlung nunmehr §§ 39, 135 InsO, siehe hierzu Anhang § 57). Im Konzern ist die Rückerstattungspflicht bei verbotenen Rückzahlungen gemäß §§ 57 Abs. 1 Satz 3, 291 Abs. 3 von § 302 verdrängt, wenn ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag besteht. Bei faktischen Konzernlagen geht § 311 vor, so dass die Geltendmachung insoweit zeitlich aufgeschoben ist (siehe hierzu § 57 Rz. 38). II.
Rückerstattungspflicht (§ 62 Abs. 1)
3 Die Rückerstattungspflicht ist die spezial-gesetzliche Sanktion für Verstöße gegen § 57.2) Nimmt man – wie mittlerweile vorherrschend (vgl. § 57 Rz. 39) – an, dass das schuldrechtliche und dingliche Geschäft trotz des Verstoßes wirksam bleiben, ist diese Erstattungspflicht die einzige Möglichkeit, den unzulässigen Vermögenstransfer rückgängig zu machen. Es handelt sich insofern um einen gesellschaftsrechtlichen Anspruch eigener Art (ebenso wie § 31 GmbHG);3) die Regelungen des Bereicherungsrechts – insbesondere die Möglichkeit der Entreicherung – finden hierauf keine Anwendung;4) vgl. aber den Schutz beim gutgläubigen Gewinnbezug gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 (siehe unten Rz. 9). Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass eine verbotene Auszahlung zugleich eine unentgeltliche Zuwendung i. S. von § 134 InsO bzw. § 4 AnfG darstellen kann und damit der Insolvenzanfechtung unterliegt.5) Vgl. zur Schadensersatzhaftung des Vorstands im Übrigen § 93 Abs. 3 Nr. 1 und 2. 1.
Gegenstand der Rückerstattung
4 Gegenstand der Rückerstattung ist die verbotene Leistung (actus contrarius). Sofern dies möglich ist, richtet sich der Anspruch auf gegenständliche Rückgewähr (str.).6) Dies betrifft regelmäßig die Fälle, in denen einem Aktionär seitens der AG etwas ohne Gegenleistung zugewendet wurde (z. B. überhöhte Dividende) bzw. der Aktionär sich rechtsgrundlos eigenmächtig bereichert hat (z. B. Entnahme). Die Bedeutung dieses aus dem Wortlaut folgenden Prinzips ist jedoch letztlich gering.7) In vielen Fällen folgt nämlich aus dem begrenzten Schutzzweck der Vermögensbindung lediglich ein Anspruch auf Wertersatz in Geld. Dies gilt einmal, wenn das Empfangene nicht zurückgewährt werden kann;8) zum anderen, wenn die verbotene Auszahlung sich bereits aus einer Saldierung verschiedener Leistungsvorgänge als Geldbetrag ergibt (siehe § 57 Rz. 11). Insbesondere bei verdeckten Gewinnausschüttungen ist vorrangig anhand des Auszahlungsbegriffs zu ermitteln, in welcher Höhe die verbotene Auszahlung wertmäßig erfolgt. Die Rückerstattungspflicht richtet sich dann originär auf diesen Geldbetrag. § 57 schützt das Gesellschaftsvermögen nicht gegenständlich, so dass auch die Rückerstattungspflicht nicht zu einer _____________ 2) 3) 4) 5) 6)
7) 8)
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Zum Sanktionscharakter Servatius, GmbHR 2000, 1028 – für den vergleichbaren § 31 GmbHG. RG, Urt. v. 15.12.1941 – II 103/41, RGZ 168, 301; BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 265. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 7. Vgl. BGH, Urt. v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 349 = ZIP 2006, 243, 244 ff.; Mylich, AG 2011, 765, 766 ff. BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 24/07, ZIP 2008, 922 = NZG 2008, 467; BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), ZIP 2011, 1306 = NJW 2011, 2719; BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 179/12, ZIP 2013, 819 = NZG 2013, 496; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 47; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 62 Rz. 18; abw. Joost, ZHR 149 (1985), 419, 420; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 57 Rz. 23 f. Ähnlich Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 62 Rz. 22. Vgl. für Nutzungsüberlassungen Servatius, GmbHR 1998, 723.
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Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
§ 62
Aufbrechung des Saldierungsgebots führt. Wird daher z. B. eine Sache an einen Aktionär zu einem zu niedrigen Kaufpreis übereignet, kann über § 62 Abs. 1 keine Pflicht zur Rückübereignung begründet werden. Kommt es zwischen der Leistung an den Aktionär und der Geltendmachung des Anspruchs 5 zu Wertverlusten, hat der Zahlungspflichtige diese in Geld auszugleichen.9) Zwischenzeitliche Wertsteigerungen gebühren umgekehrt der AG. Kann eine Leistung nicht gegenständlich erstattet werden, kommen über §§ 280, 281 BGB auch Schadensersatzansprüche gegen den Aktionär in Betracht.10) 2.
Schuldner
Die Erstattungspflicht trifft im Ausgangspunkt den Aktionär als Leistungsempfänger. 6 Die nachfolgende Veräußerung der Aktien ändert hieran nichts; der Erwerber haftet nicht.11) Es gibt keine Ausfallhaftung der Mitaktionäre (vgl. aber bei der GmbH § 31 Abs. 3 GmbHG). Indem das Auszahlungsverbot gemäß § 57 zum Schutz vor Umgehungen jedoch auch bei Leistungen an Dritte gilt, ist im Hinblick auf die Erstattungspflicht zu differenzieren: Erfolgt die Zurechnung des Dritten wegen eines besonderen Näheverhältnisses zu einem Aktionär (siehe § 57 Rz. 34), sind sowohl der Aktionär als auch der Dritte zur Rückerstattung als Gesamtschuldner verpflichtet.12) Der von der Literatur teilweise vorgenommenen Differenzierung danach, wer die Zahlung veranlasst hat, oder ob der Dritte den Verstoß kannte oder kennen musste, ist nicht zuzustimmen.13) Die Vermögensbindung ist objektiv und lässt für derartige Einschränkungen keinen Raum. Werden Dritte aufgrund ihrer Nähe zur AG einbezogen (so die h. M. vor allem beim atypischen Stillen, siehe § 57 Rz. 35), sind diese konsequenterweise zur Rückerstattung verpflichtet.14) Diese Sichtweise findet indessen seit der Neukonzeption des Rechts der Gesellschafterdarlehen keine Stütze mehr und ist daher abzulehnen; eine Einbeziehung Dritter als faktische Aktionäre kommt nunmehr allein i. R. von § 39 InsO in Betracht (siehe Anhang § 57 Rz. 14 ff.). 3.
Gutgläubiger Gewinnbezug
Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 ist die Rückerstattung beim gutgläubigen Gewinnbezug ausge- 7 schlossen (vgl. für die GmbH insoweit § 32 GmbHG).15) a)
Gewinnbezug
Erforderlich ist, dass die verbotene Auszahlung Gegenstand eines Gewinnverwendungs- 8 beschlusses gemäß § 174 oder einer Abschlagszahlung gemäß § 59 war.16) Andere Zuwendungen, insbesondere verdeckte Gewinnausschüttungen, fallen nicht hierunter, denn
_____________ 9) BGH, Urt. v. 10.5.1993 – II ZR 74/92, BGHZ 122, 333, 338 f. = ZIP 1993, 917; BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 24/07, ZIP 2008, 922 = NZG 2008, 467. 10) BGH, Urt. v. 31.5.2011 – II ZR 141/09 (Dritter Börsengang), ZIP 2011, 1306 = NJW 2011, 2719; krit. Leuschner, NJW 2011, 3275, 3276. 11) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 25. 12) Vgl. für den Treugeber BGH, Urt. v. 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118. 13) Gegen eine Heranziehung von Familienangehörigen vor allem Canaris in: FS Fischer, S. 31, 36 ff.; zum Ganzen K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 62 Rz. 15. 14) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 62 Rz. 14. 15) Zum Ganzen Mylich, AG 2011, 765. 16) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 61; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 62 Rz. 26.
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§ 62
Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen
die Regelung schützt mittelbar die förmliche Gewinnverwendung. Praktisch bedeutsam ist daher vor allem, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluss nichtig oder anfechtbar ist.17) b)
Gutgläubigkeit
9 Der Empfänger ist gutgläubig, wenn er im Leistungszeitpunkt weder Kenntnis noch fahrlässige Unkenntnis davon hatte, dass er zum konkreten Gewinnbezug nicht berechtigt war. Der Maßstab für fahrlässiges Handeln hängt davon ab, ob es sich um einen bloßen privaten Anlegeraktionär handelt oder um einen geschäftserfahrenen Großaktionär.18) Von Ersterem kann man kaum eine Nachforschung erwarten, um die Attraktivität der Aktienanlage nicht allzu sehr zu schmälern.19) Die Beweislast für die Bösgläubigkeit trifft die AG.20) 4.
Geltendmachung
10 Der Anspruch ist im Auszahlungszeitpunkt fällig.21) Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs obliegt dem Vorstand (zu den Ausnahmen nach § 62 Abs. 2 siehe unten Rz. 11 ff.). Er ist hierzu unverzüglich nach Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen verpflichtet. Unterlässt er dies schuldhaft, haftet er gemäß § 93 Abs. 3 seinerseits der AG gegenüber auf Schadensersatz.22) Eine Befreiung des Aktionärs von der Erstattungspflicht ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 unzulässig. Die Aufrechnung durch den Aktionär ist entsprechend § 66 Abs. 1 Satz 2 generell unzulässig (§ 134 BGB); die Aufrechnung durch die AG nur, wenn der Gegenanspruch des Aktionärs vollwertig und liquide ist.23) Die Abtretung des Anspruchs an Dritte ist möglich;24) jedoch nur gegen ein dem tatsächlichen Realisationswert entsprechendes Entgelt.25) Verstöße hiergegen lassen jedoch die Wirksamkeit der Abtretung unberührt und wirken sich allenfalls als Schadensersatzpflicht der Vorstandmitglieder aus.26) III.
Geltendmachung durch die Gläubiger und in der Insolvenz (§ 62 Abs. 2)
1.
Verfolgungsrecht der Gläubiger
11 Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 kann der Anspruch auch von Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden, soweit diese für ihre Forderungen gegen die AG von dieser keine Befriedigung erlangen. Voraussetzung ist die fehlende Zahlungsfähigkeit, im Regelfall also die masselose Insolvenz. Die Regelung begründet nach zutreffender Ansicht einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft;27) der Gläubiger kann zwar im eigenen Namen klagen,
_____________ 17) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 62 Rz. 22. 18) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 62 Rz. 24; zum beachtlichen Rechtsirrtum RG, Urt. v. 2.10.1911 – IV 676/10, RGZ 77, 88, 92. 19) Zur gesetzgeberischen Billigung der rationalen Apathie der Publikumsaktionäre Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 1906 ff. 20) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 71; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 62 Rz. 28. 21) BGH, Urt. v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326, 333 f. = ZIP 1980, 361; BGH, Urt. v. 5.2.1990 – II ZR 114/89, ZIP 1990, 451. 22) Vgl. BGH, Urt. v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 349 = ZIP 2006, 243, 244 ff. 23) Servatius, GmbHR 2000, 1028, 1033 f. 24) BGH, Urt. v. 29.5.2000 – II ZR 118/98, BGHZ 144, 336 = ZIP 2000, 1251. 25) Vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1977 – II ZR 157/76, BGHZ 69, 274, 282; BGH, Urt. v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, ZIP 1994, 1934, 1939. 26) Vgl. BGH, Urt. v. 29.3.1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324, 329 f. 27) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 78; Hüffer, AktG, § 62 Rz. 13; abw. für § 93 Abs. 5 die wohl h. M., vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 32; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 62 Rz. 294.
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Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung
§ 63
muss jedoch Leistung in das Gesellschaftsvermögen verlangen.28) Insbesondere der letztgenannte Aspekt fügt sich zwar nahtlos in die Kapitalbindung ein, lässt jedoch möglicherweise das Verfolgungsrecht praktisch leerlaufen. Ein Gläubiger hat hiernach kaum ein Interesse, den Anspruch geltend zu machen, wenn ihm allenfalls eine Quote gebührt. Vorzugwürdig ist daher, die Anspruchsverfolgung zu belohnen, indem der betreffende Gläubiger sich vorrangig befriedigen kann und nur einen darüber hinausgehenden Erlös an das Gesellschaftsvermögen abführen muss.29) Diese Aufweichung des Prinzips der beim Personenverband aggregierten Kapitalbindung rechtfertigt sich damit, dass die Aktionäre noch mehr davon abgeschreckt werden, sich entgegen § 57 zu bedienen und die AG in die masselose Insolvenz fallen lassen (Firmenbestattung). Von der Geltendmachung gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 abzugrenzen ist die ohne weiteres 12 zulässige Möglichkeit, dass ein Gläubiger i. R. der Zwangsvollstreckung für eine Forderung gegen die AG die betreffenden Rückerstattungsansprüche verwertet (Pfändung und Überweisung gemäß §§ 829, 835 ZPO). 2.
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters
Wird über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet, ist allein der Insol- 13 venzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO zur Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs befugt. § 62 Abs. 2 Satz 2 bezieht sich allein auf das Verfolgungsrecht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 und stellt klar, dass dieses in der Insolvenz nicht besteht. Im Fall der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO obliegt die Geltendmachung allein dem Sachwalter.30) IV.
Verjährung (§ 62 Abs. 3)
Die Rückerstattungspflicht i. S. von § 62 Abs. 1 verjährt gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 in zehn 14 Jahren seit Empfang der Leistung. Die Verjährungsfrist kann nicht verkürzt, durch Satzungsregelung aber verlängert werden. Wird über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet, wird die Verjährung gemäß § 62 Abs. 3 Satz 2 insofern gehemmt, als sie frühestens sechs Monate danach eintritt (Ablaufhemmung). _____________ 28) H. M. vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 62 Rz. 83 ff. – m. N. zur Gegenmeinung. 29) In diese Richtung bereits BGH, Urt. v. 29.9.1977 – II ZR 157/76, BGHZ 69, 274; wie hier auch Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 62 Rz. 7. 30) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 62 Rz. 8.
§ 63 Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung (1) 1Die Aktionäre haben die Einlagen nach Aufforderung durch den Vorstand einzuzahlen. 2Die Aufforderung ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. (2) 1Aktionäre, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, haben ihn vom Eintritt der Fälligkeit an mit fünf vom Hundert für das Jahr zu verzinsen. 2Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. (3) Für den Fall nicht rechtzeitiger Einzahlung kann die Satzung Vertragsstrafen festsetzen.
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§ 63
Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung Übersicht
I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... II. Fälligkeit der Resteinlagen (§ 63 Abs. 1) ....................................... 1. Aufforderung durch den Vorstand ............................................. a) Zuständigkeit ............................... b) Inhalt ............................................ I.
1 2 3 3 7
c) Bekanntmachung .......................... 8 3. Pfändung, Abtretung .......................... 9 4. Insolvenz ........................................... 11 III. Fälligkeitszinsen, Schadensersatz (§ 63 Abs. 2) ..................................... 12 1. Fälligkeitszinsen ............................... 12 2. Weitergehender Schaden .................. 13 IV. Vertragsstrafe (§ 63 Abs. 3) ............ 14
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Norm regelt gemeinsam mit §§ 64, 65 die Einforderung der Resteinlagen und die Folgen der Nichtleistung. Gemäß § 63 Abs. 1 werden die Resteinlagen mit Aufforderung durch den Vorstand fällig; diese ist in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen, soweit die Satzung nichts Abweichendes regelt. Die Fälligkeit ist Voraussetzung für den Beginn der Verjährung nach § 54 Abs. 4.1) Die AG darf vorzeitige Zahlungen eines Aktionärs zurückweisen.2) § 63 Abs. 2 sieht vor, dass fällige Einlageforderungen im Fall der Nichtleistung mit 5 % zu verzinsen sind und die Geltendmachung eines weiteren Schadens durch die AG nicht ausgeschlossen ist. Gemäß § 63 Abs. 3 kann die Satzung für die Nichtleistung auch Vertragsstrafen vorsehen. II.
Fälligkeit der Resteinlagen (§ 63 Abs. 1)
2 Der Anwendungsbereich von § 63 Abs. 1 bezieht sich nur auf die Resteinlagen (str.).3) Die Mindesteinlagen sind gemäß § 36a kraft Gesetzes sofort fällig, so dass eine entsprechende Anwendung von § 63 diese Schärfe relativieren würde. Der ggf. darüber hinausgehende eingeforderte Betrag i. S. von § 36 Abs. 2 ist bei der Gründung durch die Gründungssatzung festzulegen bzw. einvernehmlich durch die Gründer außerhalb der Satzung; bei der Kapitalerhöhung obliegt die Festlegung eines die Mindesteinlagen übersteigenden eingeforderten Betrags der Hauptversammlung. Auf Nebenleistungen i. S. von § 55 oder sonstige Ansprüche der AG gegen ihre Aktionäre findet die Regelung keine Anwendung.4) Dies betrifft vor allem auch Ansprüche auf die Erbringung von Sacheinlagen bzw. deren Surrogate, denn hier besteht ebenfalls gemäß § 36a Abs. 2 Satz 1 zwingend sofortige Fälligkeit.5) 1.
Aufforderung durch den Vorstand
a)
Zuständigkeit
3 Zuständig für die Aufforderung ist der Vorstand als Kollegialorgan (Geschäftsführungsmaßnahme i. S. von § 77). Im Außenverhältnis gegenüber den Aktionären wird die Aufforderung durch Verlautbarung durch die Vorstandsmitglieder in vertretungsbefugter Zahl wirksam (§ 78).6) Im Innenverhältnis kann die Aufforderung an die Zustimmung des Aufsichtsrates gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 gebunden werden; die Hauptver_____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6)
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OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.2006 – 11 U 244/05, ZIP 2006, 1677 = AG 2007, 500. Vgl. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 63 Rz. 14. Abw. für die Anwendung bei Mindesteinlagen, BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 195/91, BGHZ 122, 180, 201 = ZIP 1993, 667 = NJW 1993, 1983; OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.2006 – 11 U 244/05, ZIP 2007, 1677 = AG 2007, 500; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 63 Rz. 1. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 4; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 63 Rz. 6. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 63 Rz. 5. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 63 Rz. 10.
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Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung
§ 63
sammlung hat zwingend kein Recht auf Einflussnahme (anders bei der GmbH § 46 Nr. 2 GmbHG).7) Der Vorstand handelt i. R. seiner allgemeinen Pflichtenbindung gemäß § 93 Abs. 3; er 4 hat kein Ermessen (str.).8) Letztlich entscheidet daher der aktuelle oder anstehende Kapitalbedarf darüber, ob die Einforderung der Resteinlagen zu Recht erfolgt oder nicht. Hieraus ließe sich zwar ein individuelles Recht der Aktionäre auf schonende Heranziehung begründen, welches einer Inanspruchnahme entgegengehalten werden könnte. Hiergegen spricht jedoch, dass die Handlungsfähigkeit des Vorstands im Interesse einer adäquaten Kapitalausstattung der AG dann zu sehr eingeschränkt wäre.9) Die Pflichtenbindung hat in Bezug auf die Einforderung der Resteinlagen daher nur insoweit Bedeutung, als der Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 3 personelle Konsequenzen ziehen kann. Im Übrigen ist der Vorstand jedoch bei der Einforderung an den Gleichbehandlungs- 5 grundsatz gemäß § 53a gebunden.10) Er muss daher die Aktionäre gleichbehandeln, indem er die Resteinlagen von allen anteilig einfordert, bezogen auf ihre über den Nennwert der Aktien vermittelten Beteiligung am Grundkapital. Aus sachlichen Gründen ist jedoch eine Abweichung von der gleichmäßigen Heranziehung zulässig. Dies gilt insbesondere, wenn der (akute) Kapitalbedarf nur so effektiv und schnell befriedigt werden kann. Wird gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, hat der in Anspruch genommene Aktionär ein Leistungsverweigerungsrecht.11) Nicht geregelt ist die Möglichkeit, dass die Fälligkeit der Resteinlagen durch Satzungsre- 6 gelung herbeigeführt wird. Bei der GmbH ist dies ohne weiteres zulässig. Sieht die Satzung hier konkrete Zahlungstermine vor, tritt die Fälligkeit automatisch ein; einer besonderen Aufforderung durch den Geschäftsführer bedarf es nicht.12) Bei der AG soll diese Möglichkeit wegen der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands gemäß § 76 nicht zulässig sein (str.).13) Dem ist nicht zuzustimmen. Wenn die Aktionäre in der Satzung die sofortige vollständige Fälligkeit regeln dürfen, muss dies auch für spätere Zahlungstermine gelten.14) b)
Inhalt
Die Aufforderung ist eine geschäftsähnliche Handlung, die die Fälligkeit herbeiführt. 7 Konsequenterweise muss sie hinreichend deutlich sein.15) Dies betrifft: Schuldner (= Inhaber der näher bezeichneten Aktien), Höhe der Forderung, Leistungsmodalitäten (AG als Zahlungsempfänger, Kontoverbindung). Um die Aktionäre nicht sogleich zur Zahlung von Fälligkeitszinsen gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 zu verpflichten (siehe unten Rz. 12), ist es aus Gründen der Treuepflicht der AG gegenüber ihren Aktionären gebo_____________ 7) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 12. 8) Abw. die h. M., vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 13; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 28; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 63 Rz. 12. 9) So im Ergebnis auch die ganz h. M., vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 28 m. w. N. 10) RG, Urt. v. 23.10.1914 – II 148/14, RGZ 85, 366 – zur GmbH. 11) H. M., vgl. nur Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 15. 12) Vgl. zur GmbH OLG Zweibrücken, Urt. v. 11.12.1994 – 8 U 158/93, GmbHR 1996, 122; OLG Celle, Urt. v. 12.05.1997 – 9 U 204/96, GmbHR 1997, 749; OLG Dresden, Urt. v. 17.07.1996 – 12 U 202/96, GmbHR 1997, 947. 13) H. M., vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 27; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 11; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 63 Rz. 1. 14) So auch die h. M. bei der Kapitalerhöhung, vgl. BGH, Urt. v. 11.5.2009 – II ZR 137/08, WM 2009, 1199, 1201; Spindler/Stilz – Servatius, AktG, § 185 Rz. 10. 15) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 63 Rz. 13.
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§ 63
Folgen nicht rechtzeitiger Einzahlung
ten, dass der Vorstand zumindest eine kurze Zeitspanne für die konkrete Zahlung vorsieht (regelmäßig nicht mehr als eine Woche).16) Andererseits ist auch die Angabe eines genauen Zahlungstermins notwendig, damit bei Nichtleistung Schadensersatz ohne vorherige Mahnung geltend gemacht werden kann (siehe unten Rz. 13). c)
Bekanntmachung
8 Die nach § 63 Abs. 1 Satz 2 erforderliche Bekanntmachung ersetzt den individuellen Zugang der Aufforderung bei den Aktionären.17) Im dispositiven gesetzlichen Regelfall bedarf es einer Bekanntmachung im Bundesanzeiger gemäß § 25. Es ist jedoch auch möglich, mittels Satzungsregelung eine andere Bekanntmachungsform vorzuschreiben, z. B. (eingeschriebener) Brief.18) Ein satzungsmäßiger Verzicht auf jegliche Bekanntmachung ist wegen des notwendigen Zugangserfordernisses jedoch unwirksam.19) 3.
Pfändung, Abtretung
9 Wird die Einlageforderung gemäß §§ 829, 835 ZPO gepfändet, kann der Gläubiger nach Überweisung den Betrag auch ohne Aufforderung durch den Vorstand einziehen (str.).20) Dies bedeutet zwar eine Verkürzung des Aktionärsschutzes; es ist jedoch wegen der regelmäßig bei der Pfändung bestehenden finanziellen Krise der AG hinzunehmen, um den Gläubigerschutz nicht zu beeinträchtigen (insofern gilt letztlich das Gleiche wie bei der Insolvenz, siehe unten Rz. 11). Auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich der in Anspruch genommene Aktionär ebenfalls nicht berufen.21) 10 Wird die Einlageforderung lediglich abgetreten, verbleibt das Recht zur Herbeiführung der Fälligkeit zwingend beim Vorstand, damit das Gebot zur schonenden und gleichmäßigen Heranziehung (siehe oben Rz. 4 f.) nicht leer läuft.22) 4.
Insolvenz
11 In der Insolvenz obliegt die Einforderungskompetenz gemäß § 80 Abs. 1 InsO dem Verwalter. Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats erlöschen insoweit.23) Der Verwalter muss die ausstehenden Einlagen gemäß § 271 Abs. 3 einziehen, soweit dies zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist. Insoweit gilt auch für ihn der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 53a.24) III.
Fälligkeitszinsen, Schadensersatz (§ 63 Abs. 2)
1.
Fälligkeitszinsen
12 Wird der in der Aufforderung anzugebende Zahlungstermin überschritten, haben die betreffenden Aktionäre gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 Fälligkeitszinsen i. H. von 5 % p. a. auf den rückständigen Betrag zu zahlen. Der Anspruch ist verschuldensunabhängig und
_____________ 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24)
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Wohl auch K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 21 – Zahlungsfrist. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 18. Vgl. BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR 164/88, BGHZ 110, 47, 76 f. = ZIP 1990, 156 = AG 1990, 298. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 36. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 45; abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 63 Rz. 9. BGH, Urt. v. 29.5.1980 – II ZR 142/79, ZIP 1980, 551 = NJW 1980, 2253 – zur GmbH. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 44; K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 22. RG, Urt. v. 9.12.1899 – I 334/99, RGZ 45, 153, 155. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 63 Rz. 28.
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§ 64
Ausschluß säumiger Aktionäre
zwingend.25) Nur wenn sich die AG in Annahmeverzug befindet, besteht gemäß § 301 BGB keine Zinspflicht.26) Der Zinsanspruch ist wie die Einlageforderung gemäß § 66 analog gesichert, so dass ein Verzicht oder Erlass unwirksam und die Aufrechnung nur in Ausnahmefällen möglich ist (Einzelheiten bei § 66). Werden die Zahlungstermine zulässigerweise bereits in der Satzung oder im Zeichnungsschein angegeben (siehe oben Rz. 6), ist eine erneute Zahlungsaufforderung entbehrlich.27) 2.
Weitergehender Schaden
Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 ist die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausge- 13 schlossen. Dies betrifft vor allem den Verzugsschaden gemäß §§ 280, 286 BGB, der jedoch verschuldensabhängig ist und grundsätzlich eine Mahnung voraussetzt; um Letzteres zu vermeiden, ist der Vorstand zur kalendermäßig bestimmten Zahlungsaufforderung gehalten (siehe oben Rz. 7). Der Verzugsschaden ist vor allem deswegen relevant, weil über § 288 Abs. 4 BGB auch weitergehende Schäden ersatzfähig sind, insbesondere ein entgangener Gewinn (§ 252 BGB). Soweit die AG infolge einer Vertragsstrafe gemäß § 63 Abs. 3 keinen Schaden erlitten hat, ist die Ersatzpflicht entsprechend zu kürzen.28) IV.
Vertragsstrafe (§ 63 Abs. 3)
Gemäß § 63 Abs. 3 kann die Satzung eine Vertragsstrafe für den Fall nicht rechtzeitiger 14 Leistung vorsehen. Im Einzelnen gelten hierfür die §§ 339 ff. BGB, § 348 HGB. Wegen des Vorrangs der §§ 64, 65 darf die Verwirkung der Vertragsstrafe nicht den Verlust der Mitgliedschaft nach sich ziehen.29) Der Ausschluss vom Gewinnbezug ist hingegen zulässig.30) Die Vertragsstrafe kann neben den Ansprüchen gemäß § 63 Abs. 2 geltend gemacht werden.31) _____________ 25) BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 195/91, BGHZ 122, 180, 201 = ZIP 1993, 667; RG, Urt. v. 6.11.1917 – III 279/17, RGZ 91, 60, 64 f. 26) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 23. 27) BGH, Urt. v. 11.5.2009 – II 2R 137/08, WM 2009, 1199, 1201. 28) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 63 Rz. 25. 29) RG, Urt. v. 25.9.1901 – I 142/01, RGZ 49, 77. 30) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 63 Rz. 56. 31) BGH, Urt. v. 25.3.1963 – II ZR 83/62, NJW 1963, 1197.
§ 64 Ausschluß säumiger Aktionäre (1) Aktionären, die den eingeforderten Betrag nicht rechtzeitig einzahlen, kann eine Nachfrist mit der Androhung gesetzt werden, daß sie nach Fristablauf ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen für verlustig erklärt werden. (2) 1Die Nachfrist muß dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden. 2 Die erste Bekanntmachung muß mindestens drei Monate, die letzte mindestens einen Monat vor Fristablauf ergehen. 3Zwischen den einzelnen Bekanntmachungen muß ein Zeitraum von mindestens drei Wochen liegen. 4Ist die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden, so genügt an Stelle der öffentlichen Bekanntmachungen die einmalige Einzelaufforderung an die säumigen Aktionäre; dabei muß eine Nachfrist gewährt werden, die mindestens einen Monat seit dem Empfang der Aufforderung beträgt.
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§ 64
Ausschluß säumiger Aktionäre
(3) 1Aktionäre, die den eingeforderten Betrag trotzdem nicht zahlen, werden durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der Gesellschaft für verlustig erklärt. 2In der Bekanntmachung sind die für verlustig erklärten Aktien mit ihren Unterscheidungsmerkmalen anzugeben. (4) 1An Stelle der alten Urkunden werden neue ausgegeben; diese haben außer den geleisteten Teilzahlungen den rückständigen Betrag anzugeben. 2Für den Ausfall der Gesellschaft an diesem Betrag oder an den später eingeforderten Beträgen haftet ihr der ausgeschlossene Aktionär. Literatur: v. Halem, Die Kaduzierung von Aktien und von Geschäftsanteilen einer GmbH, 1961, S. 41; Hohner, Subjektlose Rechte, 1969; Melber, Die Kaduzierung bei der GmbH, 1993; Michalski/Schulenburg, Pfändung von Kaduzierungsansprüchen und Kaduzierung bei EinmannGesellschaften, NZG 1999, 431; Müller, Zur Pfändung der Einlageforderung der AG, AG 1971, 1; Müller, Zur Abtretung der Einlageforderung der GmbH, GmbHR 1970, 57.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 II. Anwendungsbereich ........................ 2 III. Nachfrist, Androhung der Kaduzierung (§ 64 Abs. 1, Abs. 2) .......................... 3 I.
IV. Kaduzierung (§ 64 Abs. 3) ................ 8 1. Ausschlusserklärung ........................... 8 2. Bekanntmachung ................................ 9 3. Rechtsfolgen ..................................... 10 V. Aktienurkunden (§ 64 Abs. 4 Satz 1) .......................... 12
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Norm ist zwingend1) und ergänzt die §§ 63, 65. Sie regelt die möglichen Folgen, wenn ein Aktionär seine Einlageforderungen nicht leistet. Das Kaduzierungsverfahren verwirklicht mittelbar die effektive Kapitalaufbringung, indem die Aktionäre im Fall der Nichtleistung ihrer Einlagen den Verlust der Aktien befürchten müssen (vgl. darüber hinaus die hiervon abzugrenzende Zwangseinziehung gemäß §§ 237 ff.). Gemäß § 64 Abs. 1 kann den Aktionären bei Nichtleistung ihrer fälligen Einlagen eine Nachfrist gesetzt werden, mit der die Androhung verbunden ist, dass die Aktien nach erfolglosem Firstablauf für verlustig erklärt werden. Diese Erklärung ist gemäß § 64 Abs. 2 dreimal in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. Leistet der betreffende Aktionär hierauf nicht, verliert er gemäß § 64 Abs. 3 seine Mitgliedschaft durch entsprechende Erklärung (Kaduzierung), bleibt jedoch gemäß § 64 Abs. 4 Satz 2 subsidiär zur Leistung der Einlage verpflichtet. Gemäß § 64 Abs. 4 Satz 1 sind für die betreffenden Aktien neue Urkunden auszustellen. II.
Anwendungsbereich
2 Das Kaduzierungsverfahren knüpft gemäß § 64 Abs. 1 an die nicht rechtzeitige Zahlung des eingeforderten Betrags an. Dies betrifft alle Einlageforderungen i. S. von § 54, einschließlich eines korporativen Agios, unabhängig davon, ob es sich um die (ggf. höheren) Mindesteinlagen (vgl. § 36 Abs. 2) oder die Resteinlagen i. S. von § 63 handelt. Kommt es i. R. einer wirtschaftlichen Neugründung zu erneuten Einlagepflichten, gilt die Regelung insoweit ebenfalls.2) Auf Sacheinlagen ist die Regelung wegen des eindeutigen Wortlauts nicht unmittelbar anwendbar. Stellt sich jedoch z. B. nachträglich heraus, dass die an sich sofort fällige Leistung gemäß § 36 a Abs. 2 tatsächlich nicht erbracht wurde oder nicht _____________ 1) 2)
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BGH, Urt. v. 28.1.2002 – II ZR 259/00, ZIP 2002, 478 = WM 2002, 555. LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 5699/11, ZIP 2012, 2152 = BeckRS 2012, 22112.
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§ 64
Ausschluß säumiger Aktionäre
werthaltig ist, schuldet der Aktionär entsprechend § 9 Abs. 1 GmbHG den Differenzbetrag in Geld, so dass wegen der Nichtleistung auf diese Forderung das Kaduzierungsverfahren eingeleitet werden kann.3) Für Ansprüche aus Vorbelastungshaftung nach Eintragung der AG (siehe § 41 Rz. 11) gilt die Regelung wegen der Vergleichbarkeit mit der Einlagepflicht entsprechend; nicht jedoch für Schadensersatzansprüche gegen die Gründer gemäß § 46. Auf Nebenleistungspflichten i. S. von § 55 und Ansprüche aus § 63 Abs. 2 und 3 findet die Regelung ebenfalls keine Anwendung.4) III.
Nachfrist, Androhung der Kaduzierung (§ 64 Abs. 1, Abs. 2)
Nicht rechtzeitige Zahlung bedeutet das Verstreichenlassen des Fälligkeitstermins nach 3 Aufforderung des Vorstands gemäß § 63 Abs. 1; auf ein Verschulden des betreffenden Aktionärs kommt es nicht an. Der Vorstand muss – in vertretungsberechtigter Zahl, vgl. § 78 – gemäß § 64 Abs. 1 eine Nachfrist setzen und hierbei androhen, dass die Aktien nach erfolglosem Fristablauf für verlustig erklärt werden. Ob der Vorstand das Kaduzierungsverfahren einleitet oder nicht, entscheidet er auf der 4 Grundlage seiner allgemeinen Pflichtenbindung gemäß § 93 Abs. 2. Er hat hierbei insbesondere kein Ermessen (str.).5) Gründe, warum bei Nichtleistung ein Kaduzierungsverfahren ausscheidet, dürfte es bei der werbenden AG kaum geben; insbesondere besteht aus Gründen der Schonung der Aktionäre kein Vorrang der Kapitalherabsetzung. Im Liquidationsstadium und in der Insolvenz besteht für die Kaduzierung nur insoweit Raum, als die betreffenden Einlagen nach Maßgabe von § 271 Abs. 3 zur Gläubigerbefriedigung benötigt werden. Beachtlich ist stets § 53a, so dass der Vorstand unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht willkürlich die Anteile einiger Aktionäre kaduzieren darf.6) Die zurückgesetzten Aktionäre können insofern ggf. auf Einstellung des Verfahrens klagen. Bei Ausgestaltung der Länge des Kaduzierungsverfahrens besteht demgegenüber 5 durchaus die Möglichkeit, die Interessen der AG und der betroffenen Aktionäre gegeneinander abzuwägen. So muss die Nachfrist ausreichend lang sein, dass der Aktionär sich erneut um die entsprechenden Mittel bemühen kann; siehe zur Mindestfrist gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 unten Rz. 8. Zeichnet sich von Anfang an ab, dass der Aktionär seine Einlage alsbald leisten wird, ist die Einleitung des Kaduzierungsverfahrens missbräuchlich. Aus der Treuepflicht der AG gegenüber ihren Aktionären folgt zudem, dass das Verfahren zu unterbrechen bzw. gänzlich einzustellen ist, wenn der Aktionär glaubhaft und nachvollziehbar alsbaldige Leistungsbereitschaft angibt.7) Die Nachfrist und Androhung der Kaduzierung müssen gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 dreimal 6 in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden, mithin gemäß § 25 im Bundesanzeiger. Aus den Mindestzeiträumen gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 folgt, dass eine Mindestnachfrist von drei Monaten zu setzen ist. Bei vinkulierten Namensaktien (§ 68) genügt gemäß § 64 Abs. 3 Satz 4 die einmalige 7 Zahlungsaufforderung an die säumigen Aktionäre (diese ist von der Aufforderung i. S. von § 64 Abs. 1 abzugrenzen); die Nachfrist beträgt hier mindestens einen Monat nach Em_____________ 3) 4) 5)
6) 7)
Ähnlich Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 64 Rz. 7. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 64 Rz. 11. Abw. die wohl h. M., vgl. nur Hüffer, AktG, § 64 Rz. 2 – unter Bezugnahme auf RG, Urt. v. 3.4.1912 – I 178/11, RGZ 79, 174, 178 – „pflichtgemäßes Ermessen“; ebenso Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 64 Rz. 19. RG, Urt. v. 23.10.1914 – II 148/14, RGZ 85, 366, 368. RG, Urt. v. 7.6.1902 – I 61/02, RGZ 51, 416, 417 zur GmbH.
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§ 64
Ausschluß säumiger Aktionäre
pfang der Zahlungsaufforderung gemäß § 64 Abs. 1. Aus Beweisgründen ist es ratsam, die Zahlungsaufforderung mittels eingeschriebenen Briefes zuzusenden.8) IV.
Kaduzierung (§ 64 Abs. 3)
1.
Ausschlusserklärung
8 Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 sind die Aktionäre, die den eingeforderten Betrag nach Ablauf der Nachfrist nicht zahlen, vom Vorstand – in vertretungsberechtigter Zahl, vgl. § 78 – ihrer Aktien und der geleisteten Einzahlungen zugunsten der AG für verlustig zu erklären. Aufgrund des Wortlauts ist der Vorstand hierzu verpflichtet (str.).9) die Treuepflicht der AG gegenüber ihren Aktionären kann es jedoch auch hier gebieten, das Verfahren abzubrechen, wenn der Aktionär glaubhaft alsbaldige Zahlungsbereitschaft signalisiert. Die Erklärung muss die betreffenden Aktien gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 genau bezeichnen und in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Fristablauf erfolgen.10) Wird länger als ein Monat gewartet, ist erneut eine Nachfrist mit entsprechender Androhung zu setzen.11) 2.
Bekanntmachung
9 Die Ausschlusserklärung muss in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden, mithin gemäß § 25 im Bundesanzeiger. Eine andere Form der Erklärung ist nicht zulässig.12) 3.
Rechtsfolgen
10 Die wirksame Kaduzierung führt zu einem nicht umkehrbaren Verlust der Mitgliedschaft der betreffenden Aktionäre. Sie haben fortan keine mitgliedschaftlichen Rechte oder Pflichten mehr; die bereits geleisteten Einlagen können sie nicht zurückfordern. Nicht geltend gemachte Gewinnansprüche aus der Vergangenheit können zwar noch geltend gemacht werden; die AG kann hiermit jedoch bis zur Kaduzierung aufrechnen, wozu der Vorstand regelmäßig verpflichtet ist. Gemäß § 64 Abs. 4 Satz 2 bleibt der ausgeschlossene Aktionär Ausfallschuldner für die rückständige Einlage, falls sie i. R. der Verwertung gemäß § 65 nicht aufgebracht wird. Die Ausfallhaftung ist zwingend und durch § 66 abgesichert.13) Die Mitaktionäre haften anders als die Gesellschafter gemäß § 24 GmbHG nicht für den Ausfall. Leistet der Ausfallschuldner den rückständigen Betrag, hat er einen Anspruch auf Wiedereinräumung der Mitgliedschaft ex nunc (str.).14) 11 Die Aktie bzw. die Mitgliedschaft als solche geht nach zutreffender h. M. jedoch nicht unter, sondern wird bis zur Verwertung gemäß § 65 von der AG treuhänderisch gehalten.15) Insofern unterscheidet sich die Kaduzierung von der Zwangseinziehung gemäß § 237 Abs. 1. Es handelt sich um eigene Aktien i. S. von §§ 71 ff., was im Jahresabschluss gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 2 zu erläutern ist. Bis zur Verwertung gemäß § 65 Abs. 3 ruhen gemäß _____________ 8) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 64 Rz. 23. 9) Abw. die h. M., vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 64 Rz. 29 – pflichtgemäßes Ermessen; ebenso GrigoleitGrigoleit/Rachlitz, AktG, § 64 Rz. 5. 10) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 64 Rz. 48. 11) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 64 Rz. 24. 12) BGH, Urt. v. 28.1.2002 – II ZR 259/00, ZIP 2002, 478 = NZG 2002, 333. 13) Vgl. RG, Urt. v. 26.3.1920 – II 413/19, RGZ 98, 277 – zur GmbH. 14) Abw. die h. M. unter Präventionsaspekten, vgl. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 63 Rz. 10. 15) Statt Anderer Bayer in: MünchKomm-AktG, § 64 Rz. 73; abw. noch BGH, Urt. v. 13.7.1964 – II ZR 110/62, BGHZ 42, 89, 92 = NJW 1964, 1954 – subjektlose Rechte.
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§ 65
Zahlungspflicht der Vormänner
§ 71 b die Mitgliedschaftsrechte. Die kaduzierten Aktien sind bei §§ 71 ff. zu berücksichtigen (str.).16) Rechte Dritter an den Aktien (Pfandrecht, Nießbrauch) erlöschen infolge der Kaduzierung, um die Verwertung nach § 65 zu ermöglichen.17) V.
Aktienurkunden (§ 64 Abs. 4 Satz 1)
Mit der Kaduzierung werden alle alten Aktienurkunden nichtig, ohne dass es einer 12 besonderen Kraftloserklärung bedürfte.18) Gemäß § 64 Abs. 4 Satz 1 sind neue Urkunden auszugeben, auf denen außer den vom ausgeschlossenen Aktionär geleisteten Teilzahlungen der rückständige Betrag anzugeben ist. _____________ 16) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 64 Rz. 8. 17) Allg. M., Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 64 Rz. 40. 18) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 64 Rz. 45.
§ 65 Zahlungspflicht der Vormänner (1) 1Jeder im Aktienregister verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs ist der Gesellschaft zur Zahlung des rückständigen Betrags verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. 2Von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär hat die Gesellschaft seinen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. 3Daß die Zahlung nicht zu erlangen ist, wird vermutet, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormanns eingegangen ist. 4Gegen Zahlung des rückständigen Betrags wird die neue Urkunde ausgehändigt. (2) 1Jeder Vormann ist nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die binnen zwei Jahren eingefordert werden. 2Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Übertragung der Aktie zum Aktienregister der Gesellschaft angemeldet wird. (3) 1Ist die Zahlung des rückständigen Betrags von Vormännern nicht zu erlangen, so hat die Gesellschaft die Aktie unverzüglich zum Börsenpreis und beim Fehlen eines Börsenpreises durch öffentliche Versteigerung zu verkaufen. 2Ist von der Versteigerung am Sitz der Gesellschaft kein angemessener Erfolg zu erwarten, so ist die Aktie an einem geeigneten Ort zu verkaufen. 3Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind öffentlich bekanntzumachen. 4Der ausgeschlossene Aktionär und seine Vormänner sind besonders zu benachrichtigen; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. 5Bekanntmachung und Benachrichtigung müssen mindestens zwei Wochen vor der Versteigerung ergehen. Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Zahlungspflicht der Vormänner (§ 65 Abs. 1, Abs. 2) ........................... 2 1. Adressaten .......................................... 3 2. Umfang ............................................... 5
3. Geltendmachung ................................ 6 4. Rechtsfolgen ....................................... 8 a) Erwerb der Mitgliedschaft ........... 8 b) Regress .......................................... 9 III. Verkauf der Aktien (§ 65 Abs. 3) .... 10
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§ 65 I.
Zahlungspflicht der Vormänner Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Norm regelt zwingend den Abschluss des Kaduzierungsverfahrens und sichert die reale Kapitalaufbringung. Leistet ein Aktionär seine Resteinlage nicht nach Aufforderung gemäß § 63, kann seine Mitgliedschaft gemäß § 64 kaduziert werden mit der Folge, dass er aus der AG ausscheidet. Gemäß § 65 Abs. 1 und Abs. 2 haftet jeder im Aktienregister verzeichnete frühere Aktieninhaber für die ausstehende Resteinlage. Ist von diesen keine Zahlung zu erlangen, hat sich die AG gemäß § 65 Abs. 3 um einen Verkauf der Aktien zu bemühen. Der Vorstand ist zur Eintreibung der rückständigen Einlage gemäß dem Vorgesagten verpflichtet.1) Die ausgeschlossenen Aktionäre haften gemäß § 64 Abs. 4 Satz 2 weiterhin subsidiär für die im Verlauf des Kaduzierungsverfahrens nicht aufgebrachten Einlagen. II.
Zahlungspflicht der Vormänner (§ 65 Abs. 1, Abs. 2)
2 Die Zahlungspflicht der Vormänner kommt nur bei Namensaktien in Betracht; bei Inhaberaktien gibt es gemäß § 10 Abs. 2 keine offenen Resteinlagen. Voraussetzung für eine Inanspruchnahme früherer Aktionäre ist die wirksame Durchführung des Kaduzierungsverfahrens gemäß § 64.2) 1.
Adressaten
3 Zur Zahlung rückständiger Einlagen verpflichtet ist gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 jeder im Aktienregister (§ 67) verzeichnete Vormann des gemäß § 64 Abs. 3 ausgeschlossenen Aktionärs. Vgl. zum gemeinschaftlichen Halten von Aktien § 69. Gibt es keinen Vormann, ist sogleich nach § 65 Abs. 3 vorzugehen (siehe unten Rz. 10 ff.). War jemand Aktionär ohne den betreffenden Eintrag ins Aktienregister, trifft ihn die Haftung grundsätzlich nicht.3) Etwas anderes gilt nur dann, wenn die AG unverkörperte Mitgliedschaftsrechte ausgegeben hat oder überhaupt kein Aktienregister angelegt wurde (str.).4) 4 Die Haftung ist keine gesamtschuldnerische; vielmehr erfolgt ein Staffelregress: Die AG hat sich zunächst an den Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Aktionärs zu wenden, um Vollbefriedigung zu erlangen; ist von diesem keine vollständige Befriedigung zu erlangen, haftet der Vormann des Rechtsvorgängers usw.; ein Sprungregress (vgl. Art. 44 WG) ist nicht möglich.5) Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 3 wird die Zahlungsunfähigkeit eines Vormanns widerleglich vermutet, wenn der Betreffende nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und Benachrichtigung geleistet hat. Der unmittelbare Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs haftet ohne weiteres nach der wirksamen Kaduzierung; auf die Zahlungsunfähigkeit des ausgeschlossenen Aktionärs kommt es hier nicht an.6) 2.
Umfang
5 Die Haftung erstreckt sich auf den Betrag der rückständigen Einlage i. S. von § 547); die Sicherung der realen Aufbringung gemäß § 66 gilt entsprechend. Haben der Ausgeschlossene oder ein früherer Vormann bereits einen Teil geleistet, ist dies in Abzug zu bringen. _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
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K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 64 Rz. 24. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 64 Rz. 24. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 65 Rz. 8. H. M., vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 65 Rz. 23; offenlassend BGH, Urt. v. 28.1.2002 – II ZR 259/00, ZIP 2002, 478 = NZG 2002, 333. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 65 Rz. 19. OLG Köln, Urt. v. 23.1.1987 – 20 U 148/86, WM 1987, 537. Zur Anwendung bei der wirtschaftlichen Neugründung LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 5699/11, ZIP 2012, 2152.
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§ 65
Zahlungspflicht der Vormänner
Auf Fälligkeitszinsen oder Verzugsschaden (vgl. § 64 Abs. 2) erstreckt sich die Zahlungspflicht nicht; das Gleiche gilt für die Kosten des Kaduzierungsverfahrens.8) Die Leistung hat gemäß § 65 Abs. 1 Satz 4 nur Zug um Zug gegen Aushändigung einer neuen Urkunde zu erfolgen. 3.
Geltendmachung
Die Zahlungspflicht entsteht nur aufgrund einer entsprechenden Zahlungsaufforderung 6 durch die AG, vertreten durch den Vorstand (§ 65 Abs. 2 Satz 2). Diese entspricht inhaltlich den Anforderungen gemäß § 63 Abs. 1 und muss daher den rückständigen Betrag genau angeben. Gemäß § 65 Abs. 2 ist jeder Vormann jedoch nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet, die innerhalb von zwei Jahren nach der jeweiligen Aktienveräußerung fällig werden i. S. von § 63 Abs. 1. Hierbei handelt es sich um eine von der Verjährung abzugrenzende und von Amts wegen zu berücksichtigende Ausschlussfrist. Konkret bedeutet dies, dass der frühere Inhaber einer teileingezahlten Aktie nicht mehr haftet, wenn der Vorstand länger als zwei Jahre seit der Veräußerung mit der Einforderung zuwartet. War die Fälligstellung gemäß § 63 Abs. 1 hingegen im Veräußerungszeitpunkt bereits erfolgt, haftet der frühere Aktieninhaber bis zur zehnjährigen Verjährung gemäß § 54 Abs. 4 auch über den Zwei-Jahres-Zeitraum hinaus (str.).9) Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 hat der Vorstand mit der Zahlungsaufforderung an den Vor- 7 mann auch dessen unmittelbaren Vormann zu benachrichtigen. Diese Benachrichtigung ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des aktuell Haftenden; sie dient vielmehr bloß der Information des subsidiär haftenden Vormanns, damit dieser den aktuell Haftenden zwecks Vermeidung der eigenen Inanspruchnahme zur Leistung drängt.10) 4.
Rechtsfolgen
a)
Erwerb der Mitgliedschaft
Leistet ein zur Zahlung verpflichteter Vormann die rückständige Einlage, erwirbt er die 8 Mitgliedschaft kraft Gesetzes, einschließlich der bereits geleisteten Einlagen.11) § 68 gilt insofern nicht. Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 4 ist ihm eine neue Aktienurkunde auszuhändigen. Die mit der Kaduzierung erloschenen Rechte Dritter an der Aktie (siehe § 64 Rz. 11) leben mit dem Rechtserwerb des Ausfallschuldners nicht wieder auf. b)
Regress
Derjenige, der nach dem Vorgesagten Inhaber einer volleingezahlten Aktie wird, soll nach 9 h. M. Erstattungsansprüche gegen seine Nachmänner und den ausgeschlossenen Aktionär nach bürgerlichem Recht haben.12) Dies dürfte jedoch regelmäßig nur im Verhältnis zum unmittelbaren Nachmann aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Abrede der Fall sein. Jenseits dieser Konstellation ist es im Staffelregress angelegt, dass letztlich nur derjenige die Aktien erwirbt, der die Einlage vollständig aufbringt. Indem die Vormänner dies – entgegen § 65 – nicht zu leisten vermochten, ist es nicht geboten, ihnen jetzt Regressansprüche gegen den Ausfallschuldner zuzubilligen. _____________ 8) Allg. M., vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 65 Rz. 17. 9) Für die dreijährige Verjährung gemäß §§ 195, 199 BGB die wohl h. M., vgl. nur K. Schmidt/LutterFleischer, AktG, § 65 Rz. 25; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 65 Rz. 5. 10) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 65 Rz. 33. 11) Allg. M., vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 65 Rz. 32; abw. aber Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 65 Rz. 3. 12) Vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 65 Rz. 36 ff.
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§ 66 III.
Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten Verkauf der Aktien (§ 65 Abs. 3)
10 Ist der rückständige Betrag nach den § 65 Abs. 1 und Abs. 2 von keinem der Vormänner vollständig zu erlangen, ist der Vorstand zum bestmöglichen Verkauf nach Maßgabe von § 65 Abs. 3 verpflichtet. Dies erfolgt zuvörderst durch einen Verkauf über die Börse zum Börsenpreis (vgl. § 24 BörsG) oder i. R. einer öffentlichen Versteigerung am satzungsmäßigen Sitz der AG (vgl. § 383 Abs. 3 BGB), falls sich kein marktgerechter Börsenpreis ermitteln lässt. Zeit, Ort und Gegenstand der Versteigerung sind gemäß § 65 Abs. 3 Satz 3 öffentlich bekannt zu machen, gemäß § 65 Abs. 3 Satz 4 sind der ausgeschlossene Aktionär und seine Vormänner im Regelfall ebenfalls zu informieren. Sofern dies nicht erfolgversprechend ist, kann gemäß § 65 Abs. 3 Satz 3 auch eine andere Verwertungsart gewählt werden, regelmäßig der freihändige Verkauf.13) 11 Der Erwerber wird Aktionär. Bleibt der Kaufpreis hinter der rückständigen Einlage zurück, gilt diese als getilgt.14) Die Kaufpreisschuld des Erwerbers aus § 433 Abs. 2 BGB wird wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Einlageforderung entsprechend § 66 abgesichert.15) Die subsidiäre Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs und die Ausfallhaftung der Vormänner sollen selbst dann erlöschen, wenn der Kaufpreis hinter der rückständigen Einlageforderung zurückbleibt.16) Dem ist nur in Bezug auf die Vormänner zuzustimmen. Die Haftung des ausgeschlossenen Aktionärs bleibt wegen des eindeutigen Wortlauts von § 64 Abs. 4 Satz 2 auch über den Abschluss des Kaduzierungsverfahrens hinaus bestehen, um diesen bis zur Verjährung gemäß § 54 Abs. 4 zur Leistung zu verpflichten.17) 12 Sind die betreffenden Aktien unverkäuflich, bleibt die AG Inhaberin;18) der Vorstand hat wegen des Gebots der realen Kapitalaufbringung jedoch bis zur Verjährung gemäß § 54 Abs. 4 ggf. erneut zu versuchen, vom ausgeschlossenen Aktionär oder den Vormännern Zahlung zu verlangen oder die Aktien an Dritte zu veräußern.19) _____________ 13) Vgl. zu Behandlung von Verfahrensmängeln Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 65 Rz. 67 ff. 14) Allg. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 65 Rz. 34. 15) Mit teilw. abw. Begründung auch Bayer in: MünchKomm-AktG, § 65 Rz. 96; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 65 Rz. 64. 16) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 65 Rz. 36. 17) So auch Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 65 Rz. 60. 18) RG, Urt. v. 11.6.1915 – II 105/15, RGZ 86, 421. 19) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 65 Rz. 20, 98; teilw. abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 65 Rz. 3: Erlöschen wegen Konfusion.
§ 66 Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten (1) 1Die Aktionäre und ihre Vormänner können von ihren Leistungspflichten nach den §§ 54 und 65 nicht befreit werden. 2Gegen eine Forderung der Gesellschaft nach den §§ 54 und 65 ist die Aufrechnung nicht zulässig. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Verpflichtung zur Rückgewähr von Leistungen, die entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes empfangen sind, für die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs sowie für die Schadenersatzpflicht des Aktionärs wegen nicht gehöriger Leistung einer Sacheinlage. (3) Durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung oder durch eine Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien können die Aktionäre von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen befreit werden, durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung jedoch höchstens in Höhe des Betrags, um den das Grundkapital herabgesetzt worden ist. 382
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Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten
§ 66
Literatur: Bayer, Abtretung und Pfändung der GmbH-Stammeinlageforderungen, ZIP 1989, 8; Buchetmann, Die teileingezahlte Aktie – insbesondere die Rechtsstellung der Inhaber teileingezahlter Aktien, 1972; v. Burchard, Aufrechnung mit Masseforderungen gegen eine Stammeinlageforderung im Konkurs der GmbH, GmbHR 1955, 136; Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, 1996; Hentzen, Zulässigkeit der Verrechnung des Verlustausgleichsanspruchs aus § 302 Abs. 1 AktG im Cash Pool, AG 2006, 133; Kersting, Verdeckte Sacheinlage in der Aktiengesellschaft: Erleichterungen durch das MoRiG, AG 2008, 883; Möhring, Erbringung von Stammeinlagen bei einer GmbH durch Aufrechnung, in: Festschrift für Reimer Schmidt, 1976, S. 85; Müller, Zur Abtretung der Einlageforderung der GmbH, GmbHR 1970, 57; Müller, Zur Pfändung der Einlageforderung der AG, AG 1971, 1; Stobbe, Die Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche der insolventen GmbH im Gläubigerinteresse, 2000; Wilhelm, Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 152 (1988), 333.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Umfassendes Befreiungsverbot (§ 66 Abs. 1, Abs. 2) ........................... 3 1. Erfasste Verbindlichkeiten ................. 4 2. Unzulässige Befreiung ....................... 7 3. Besonderheiten bei der Aufrechnung ....................................... 8 I.
a) Aufrechnung durch den Aktionär ....................................... 8 b) Aufrechnung durch die AG ....... 10 4. Rechtsfolgen bei Verstößen ............ 14 III. Vorrang der Kapitalherabsetzung (§ 66 Abs. 3) ..................................... 15
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die zwingende Norm sichert – dem Wortlaut nach unvollständig – die reale Kapital- 1 aufbringung, indem die Aktionäre gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 von ihrer Einlagepflicht i. S. von § 54 und der Ausfallhaftung gemäß § 65 nicht befreit werden können.1) § 66 Abs. 1 Satz 2 verbietet zusätzlich die Aufrechnung durch den Aktionär mit den genannten Forderungen der AG. § 66 Abs. 2 dehnt die Absicherung auf die Erstattungspflicht gemäß § 62, die Ausfallhaftung des ausgeschlossenen Aktionärs gemäß § 64 Abs. 4 Satz 2 und die Schadensersatzpflicht wegen nicht gehöriger Erbringung von Sacheinlagen aus. § 66 Abs. 3 stellt klar, dass eine Befreiung von den Einlagepflichten der Aktionäre nur durch eine Kapitalherabsetzung herbeigeführt werden kann. Die Norm fügt sich mittlerweile nicht mehr bruchlos in ein geschlossenes System der 2 realen Kapitalaufbringung ein. Indem gemäß § 27 Abs. 4 nunmehr der Austausch der über § 66 gesicherten Einlageforderung gegen eine ungesicherte schuldrechtliche Forderung möglich ist (sog. Hin- und Herzahlen), ist problematisch, ob der über § 66 vermittelte Schutz nicht insgesamt als überzogen erscheint. Die gesetzgeberische Entscheidung, die Kapitalaufbringung zu liberalisieren, ist ernst zu nehmen und darf konsequenterweise nicht durch die Hintertür konterkariert werden. Insoweit ist es konsequent, § 66 da zurückzunehmen, wo es aufgrund jüngerer Neuregelungen einer gesellschafterfreundlicheren Betrachtung bedarf, insbesondere i. R. von § 27 Abs. 4 und § 57 Abs. 1 Satz 4.2) Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass es hierdurch zu einer Verkürzung des Gläubigerschutzes kommt. Es bleibt daher abzuwarten, welche Folgen die Liberalisierung für _____________ 1) 2)
Nach K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 66 Rz. 1 ist die Norm ein „Eckpfeiler der aktienrechtlichen Finanzverfassung“. So bereits Kersting, AG 2008, 883.
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§ 66
Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten
den Gläubigerschutz und damit die Akzeptanz der Kapitalgesellschaften am Markt letztlich bringt und ob ggf. weitere Korrekturen notwendig sind. II.
Umfassendes Befreiungsverbot (§ 66 Abs. 1, Abs. 2)
3 Der Wortlaut von § 66 Abs. 1 ist nach allgemeiner Meinung zu eng. Die Norm regelt (gemeinsam mit § 66 Abs. 2) ein umfassendes Befreiungsverbot für sämtliche der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung zurechenbaren Leistungspflichten der Aktionäre. 1.
Erfasste Verbindlichkeiten
4 Unter § 66 Abs. 1 Satz 1 fallen nicht nur Bareinlagepflichten i. S. von § 54 Abs. 1 (Nennbetrag und korporatives Agio)3), sondern auch die Pflicht zur Erbringung von Sacheinlagen gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2; nicht aber Forderungen aus Sachübernahmen gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, weil diese nicht auf die Einlagepflicht angerechnet werden sollen (str.)4). Es spielt keine Rolle, ob die entsprechenden Pflichten aus der Gründung stammen oder anlässlich einer Kapitalerhöhung begründet wurden. Die Differenzhaftung für die Nichtleistung oder Überbewertung von Sacheinlagen entsprechend § 9 Abs. 1 GmbHG,5) die Verlustdeckungshaftung und die Vorbelastungshaftung (hierzu § 41 Rz. 14) fallen wegen ihrer funktionalen Nähe zur Einlagepflicht ebenfalls hierunter. 5 Gemäß § 66 Abs. 2 gilt die Regelung entsprechend für die Ersatzpflicht wegen unzulässiger Einlagenrückgewähr gemäß § 62 und die Ausfallhaftung der Vormänner gemäß § 65. Auf Nebenleistungspflichten i. S. von § 55 findet die Regelung indessen keine Anwendung; ebenso wenig die Ansprüche auf Schadensersatz und Vertragsstrafen gemäß § 63 Abs. 3.6) Eine Ausnahme hiervon macht indessen § 66 Abs. 2 für Schadensersatzansprüche wegen nicht gehöriger Leistung von Sacheinlagen, z. B. wegen Unmöglichkeit, Verzug oder Sachmängeln.7) Eine analoge Anwendung kommt auch bei der Haftung des Kreditinstituts gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 in Betracht.8) 6 Auf die konzernrechtliche Verlustübernahmepflicht gemäß § 302 findet die Regelung keine unmittelbare Anwendung; die h. M. lässt die Aufrechnung auch dort jedoch nur zu, wenn der Gegenanspruch des herrschenden Unternehmens vollwertig ist.9) 2.
Unzulässige Befreiung
7 Das Befreiungsverbot ist nach traditionell vorherrschender Ansicht weit auszulegen. Erfasst sind sämtliche Gestaltungen, die darauf hinauslaufen, die Einlagepflicht rechtlich oder faktisch zu entwerten. Hierunter fallen im Einzelnen: –
Der Erlass und ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 BGB) sowie hiermit vergleichbare Rechtsgeschäfte;10)
–
die befreiende Schuldübernahme;11)
_____________ 3) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 72 = ZIP 2012, 73. 4) Abw. BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 176/05, ZIP 2007, 178. 5) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 72 = ZIP 2012, 73; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.7.2010 – 5 U 205/07, AG 2010, 793; Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 183 Rz. 70 ff. 6) Allg. M., vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 66 Rz. 3. 7) Bayer in: MünchKomm-AktG, § 66 Rz. 63; krit. Hüffer, AktG, § 66 Rz. 10; abl. K. Schmidt/LutterFleischer, AktG, § 66 Rz. 20. 8) OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.2006 – 1 U 244/06, DStR 2006, 1713. 9) Vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2006 – II ZR 238/04, ZIP 2006, 1488 = NJW 2006, 3279. 10) OLG Köln, Urt. v. 13.10.1988 – 1 U 37/88, ZIP 1989, 174, 177 – zur GmbH. 11) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 66 Rz. 3.
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Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten
§ 66
–
ein pactum de non petendo;12)
–
die Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) –13) die Leistung erfüllungshalber gemäß § 364 Abs. 2 BGB ist indessen zulässig;
–
die Stundung ist traditionell unzulässig,14) was wegen der Liberalisierung gemäß § 27 Abs. 4 mittlerweile jedoch abweichend zu beurteilen sein dürfte (vgl. oben Rz. 2);
–
die befreiende Schuldübernahme durch einen Dritten ist ebenfalls nach allgemeiner Meinung unzulässig,15) sollte wegen der Liberalisierung gemäß § 27 Abs. 4 mittlerweile jedoch ebenfalls zulässig sein (siehe oben Rz. 2);
–
das Gleiche gilt für die Novation.16)
–
unzulässig sind weiter die Bestellung einer Sicherheit zur Finanzierung der Einlageleistung durch den Aktionär,17)
–
die Beteiligung der AG an einem Insolvenzplan18) und
–
die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Aktionär.19)
–
Ein Vergleich gemäß § 779 BGB kann jedoch ausnahmsweise wirksam geschlossen werden, wenn erhebliche Unsicherheit über Bestand und Umfang der erfassten Verbindlichkeiten des Aktionärs bestehen.20) Ist dies gegeben, bedarf der Vergleich nicht der Zustimmung der Hauptversammlung.21) Auf die Aktionärspflichten aus dem Vergleich ist § 66 ebenfalls entsprechend anwendbar, so dass insbesondere keine Aufrechnung zulässig ist (unten Rz. 8 ff.).22)
–
Der Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien durch die AG selbst ist nur gemäß § 71 Abs. 2 Satz 3 unzulässig (str.).23)
3.
Besonderheiten bei der Aufrechnung
a)
Aufrechnung durch den Aktionär
Die Aufrechnung eines Aktionärs bzw. Vormanns i. S. von § 65 ist gemäß dem Wortlaut 8 von § 66 Abs. 1 Satz 2 generell unzulässig,24) auch im Insolvenzverfahren.25) Der Anrechnungslösung gemäß § 27 Abs. 3 steht dies nicht entgegen;26) der Widerspruch verdeutlicht jedoch besonders die zunehmende Entwertung des Gebots der realen Kapital_____________ 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18) 19) 20)
21) 22) 23) 24) 25) 26)
K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 66 Rz. 5. OLG Köln, Urt. v. 13.10.1988 – 1 U 37/88, ZIP 1989, 174, 177 – zur GmbH. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 66 Rz. 21. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 66 Rz. 8. Abw. die bisher allg. M., vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 66 Rz. 10. Vgl. OLG Köln, Urt. v. 18.11.1983 – 20 U 71/83, ZIP 1984, 176 = WM 1984, 740 – zur GmbH. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 66 Rz. 5; abw. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 66 Rz. 17. RG, Urt. v. 7.11.1913 – II 370/13, RGZ 83, 266, 268 – zur GmbH. BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 72 = ZIP 2012, 73; RG, Urt. v. 23.4.1912 – II 19/12, RGZ 79, 271, 274 – zur GmbH; BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 65/03, ZIP 2004, 1616 – zur GmbH; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.7.2010 – 5 U 205/07, AG 2010, 793. BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 72 = ZIP 2012, 73. BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 74 = ZIP 2012, 73. H. M., vgl. nur Bayer in: MünchKomm-AktG, § 66 Rz. 35; abw. für ein generelles Verbot noch RG, Urt. v. 26.3.1920 – II 413/19, RGZ 98, 276, 278 – zur GmbH. RG, Urt. v. 27.9.1918 – II 55/18, RGZ 93, 330; BGH, Urt. v. 18.11.1969 – II ZR 83/68, BGHZ 53, 72 – jeweils zur GmbH. BGH, Urt. v. 13.10.1954 – II ZR 182/53, BGHZ 15, 56; OLG Köln, Urt. v. 18.11.1983 – 20 U 71/83, ZIP 1984, 176 = WM 1984, 742 – jeweils zur GmbH. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 66 Rz. 8.
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§ 66
Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten
aufbringung (siehe oben Rz. 2). Gleichwohl rechtfertigt sich der generelle Ausschluss der Aufrechnung seitens des Aktionärs nach wie vor. Es soll allenfalls die AG die Dispositionsfreiheit über die Aufrechnung haben, was in engen Grenzen durchaus zulässig ist (siehe sogleich Rz. 10). Das Aufrechnungsverbot gilt selbst dann, wenn der Aktionär vermögenslos ist und die Einlageforderung nicht erfüllen kann; die AG hat sodann das Kaduzierungsverfahren gemäß §§ 64, 65 einzuleiten. 9 Die Abtretung der Einlageforderung an einen Dritten ist zulässig,27) ebenso die Abtretung der Erstattungspflicht gemäß § 62.28) Lässt man beides richtigerweise nur zu, wenn der AG ein vollwertiges Entgelt zufließt, beansprucht das Aufrechnungsverbot gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 gegenüber Dritten konsequenterweise keine Geltung.29) b)
Aufrechnung durch die AG
10 § 66 Abs. 1 Satz 2 verbietet dem Wortlaut nach nicht die Aufrechnung durch die AG. Um die Kapitalaufbringung effektiv zu verwirklichen und Umgehungen vorzubeugen, bestehen insofern jedoch gleichwohl Einschränkungen: Die Aufrechnung ist nach zutreffender h. M. nur zulässig, wenn die Gegenforderung des Aktionärs bzw. Vormanns i. S. von § 65 vollwertig, fällig und liquide ist.30) Maßgeblich ist eine objektive Beurteilung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung;31) die Beweislast trägt der Aktionär bzw. Vormann (str.).32) 11 Das Merkmal der Vollwertigkeit deckt sich zwar mittlerweile mit § 27 Abs. 4 und § 57 Abs. 1 Satz 3, ist hier jedoch umgekehrt anzuwenden: Maßgeblich ist, ob der Anspruch des Aktionärs bzw. Vormanns gegen die AG in voller Höhe realisierbar ist und nicht, ob der Aktionär das entsprechende Vermögen hat, um die Einlageforderung zu begleichen. Die Forderung ist liquide, wenn sie in Grund und Höhe unbestritten ist und der AG keine Einreden zustehen.33) Die Einstellung der Einlageforderungen in ein Kontokorrent gemäß § 355 HGB ist unzulässig.34) 12 Eine weitere Ausnahme unabhängig von den vorgenannten Anforderungen soll nach h. M. dann gelten, wenn der Aktionär vermögenslos ist und die Verwertung gemäß § 65 keinen oder nur wenig Ertrag verspricht.35) Dem ist nicht zuzustimmen, weil das Kaduzierungsverfahren hierdurch gesetzeswidrig umgangen werden könnte (Prognoserisiko!). Bleiben die Verkaufsmöglichkeiten gemäß § 65 zunächst erfolglos, hat die AG die Aktien vielmehr weiter als eigene zu halten und innerhalb der Verjährung nach § 54 Abs. 4 später erneut zu versuchen, die rückständige Einlage gemäß § 65 einzutreiben. _____________ 27) RG, Urt. v. 7.6.1929 – II 592/28, RGZ 124, 380, 382; BGH, Urt. v. 18.11.1969 – II ZR 83/68, BGHZ 53, 71, 72 – jeweils zur GmbH. 28) BGH, Urt. v. 29.9.1977 – II ZR 157/76, BGHZ 69, 274, 283 f. – zur GmbH. 29) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 66 Rz. 37 ff. 30) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 74 = ZIP 2012, 73; RG, Urt. v. 22.10.1918 – II 158/18, RGZ 94, 61, 63; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370, 372 = ZIP 1984, 689 – zur GmbH. 31) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 74 = ZIP 2012, 73; RG, Urt. v. 7.12.1909 – II 101/09, RGZ 72, 266, 268 – zur GmbH. 32) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 74 f. = ZIP 2012, 73; OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.1986 – 2 U 57/86, NJW 1987, 1032 – zur GmbH; abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 66 Rz. 10. 33) RG, Urt. v. 20.10.1914 – II 219/14, RGZ 85, 351, 354 – zur GmbH. 34) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 66 Rz. 35. 35) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 66 Rz. 13 unter Rückgriff auf BGH, Urt. v. 13.10.1954- II ZR 182/53, BGHZ 15, 52, 57 – zur GmbH; ebenso wohl BGH, Urt. v. 6.12.2011 – II ZR 149/10 (Babcock), NZG 2012, 69, 74 = ZIP 2012, 73.
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§ 67
Eintragung im Aktienregister
Die Abtretung der Einlageforderung an einen Dritten ist zulässig,36) ebenso die Abtretung 13 der Erstattungspflicht gemäß § 62.37) Lässt man beides richtigerweise nur zu, wenn der AG ein vollwertiges Entgelt zufließt, ist die Aufrechnung durch die AG auch dann zulässig, wenn die Gegenforderung des Dritten nicht vollwertig, fällig und liquide ist. 4.
Rechtsfolgen bei Verstößen
§ 66 Abs. 1 ist ein Verbotsgesetz i. S. von § 134 BGB. Die entsprechenden Rechtshand- 14 lungen – schuldrechtlich und dinglich – sind hiernach nichtig,38) ein etwaiger Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 241 Nr. 3. Im Rahmen der ggf. notwendigen Rückabwicklung eines Leistungsaustauschs gemäß §§ 812 ff. BGB gilt § 66 in Bezug auf die erfassten Forderungen weiter, so dass eine automatische Saldierung oder sonstige Erfüllungssurrogate oder Entwertungen unzulässig sind.39) III.
Vorrang der Kapitalherabsetzung (§ 66 Abs. 3)
§ 66 Abs. 3 stellt klar, dass die Befreiung von den unter § 66 Abs. 1 und Abs. 2 zu fassen- 15 den Leistungspflichten nur durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Kapitalherabsetzung zulässig ist. Diese Möglichkeit ist indessen in concreto ebenfalls an besondere Voraussetzungen geknüpft: Im Rahmen einer vereinfachten Kapitalherabsetzung gemäß §§ 229 – 236 ist die Befreiung gemäß § 230 generell unzulässig.40) Bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung gemäß §§ 222 – 228 bedarf es zusätzlich eines – gemäß § 66 Abs. 3 – zulässigen Erlassvertrages zwischen der AG und dem betreffenden Aktionär.41) Die Kapitalherabsetzung zur Einziehung von Aktien gemäß §§ 237 – 239 führt demgegenüber ohne weiteres zum Erlöschen der Einlagepflicht.42) _____________ 36) RG, Urt. v. 7.6.1929 – II 592/28, RGZ 124, 380, 382; BGH, Urt. v. 18.11.1969 – II ZR 83/68, BGHZ 53, 71, 72 – jeweils zur GmbH. 37) BGH, Urt. v. 29.9.1977 – II ZR 157/76, BGHZ 69, 274, 283 f. – zur GmbH. 38) RG, Urt. v. 7.6.1929 – II 592/28, RGZ 124, 380, 383; RG, Urt. v. 22.5.1931 – II 299/30, RGZ 133, 81, 83 – zur GmbH. 39) Vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 17.9.1965 – 1 U 110/65, NJW 1966, 840 f. – zur GmbH. 40) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 66 Rz. 21. 41) Einzelheiten bei Bayer in: MünchKomm-AktG, § 66 Rz. 30; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 66 Rz. 47. 42) K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 66 Rz. 23.
§ 67 Eintragung im Aktienregister (1) 1Namensaktien sind unter Angabe des Namens, Geburtsdatums und der Adresse des Inhabers sowie der Stückzahl oder der Aktiennummer und bei Nennbetragsaktien des Betrags in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen. 2Der Inhaber ist verpflichtet, der Gesellschaft die Angaben nach Satz 1 mitzuteilen. 3Die Satzung kann Näheres dazu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Eintragungen im eigenen Namen für Aktien, die einem anderen gehören, zulässig sind. 4Aktien, die zu einem inländischen, EU- oder ausländischen Investmentvermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch gehören, dessen Anteile oder Aktien nicht ausschließlich von professionellen oder semiprofessionellen Anlegern gehalten werden, gelten als Aktien des inländischen, EU- oder ausländischen Investmentvermögens, auch wenn sie im Miteigentum
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Eintragung im Aktienregister
der Anleger stehen; verfügt das Investmentvermögen über keine eigene Rechtspersönlichkeit, gelten sie als Aktien der Verwaltungsgesellschaft des Investmentvermögens. (2) 1Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist. 2Jedoch bestehen Stimmrechte aus Eintragungen nicht, die eine nach Absatz 1 Satz 3 bestimmte satzungsmäßige Höchstgrenze überschreiten oder hinsichtlich derer eine satzungsmäßige Pflicht zur Offenlegung, dass die Aktien einem anderen gehören, nicht erfüllt wird. 3Ferner bestehen Stimmrechte aus Aktien nicht, solange ein Auskunftsverlangen gemäß Absatz 4 Satz 2 oder Satz 3 nach Fristablauf nicht erfüllt ist. (3) Geht die Namensaktie auf einen anderen über, so erfolgen Löschung und Neueintragung im Aktienregister auf Mitteilung und Nachweis. (4) 1Die bei Übertragung oder Verwahrung von Namensaktien mitwirkenden Kreditinstitute sind verpflichtet, der Gesellschaft die für die Führung des Aktienregisters erforderlichen Angaben gegen Erstattung der notwendigen Kosten zu übermitteln. 2 Der Eingetragene hat der Gesellschaft auf ihr Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist mitzuteilen, inwieweit ihm die Aktien, als deren Inhaber er im Aktienregister eingetragen ist, auch gehören; soweit dies nicht der Fall ist, hat er die in Absatz 1 Satz 1 genannten Angaben zu demjenigen zu übermitteln, für den er die Aktien hält. 3 Dies gilt entsprechend für denjenigen, dessen Daten nach Satz 2 oder diesem Satz übermittelt werden. 4Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend; für die Kostentragung gilt Satz 1. 5Wird der Inhaber von Namensaktien nicht in das Aktienregister eingetragen, so ist das depotführende Institut auf Verlangen der Gesellschaft verpflichtet, sich gegen Erstattung der notwendigen Kosten durch die Gesellschaft an dessen Stelle gesondert in das Aktienregister eintragen zu lassen. 6§ 125 Abs. 5 gilt entsprechend. 7 Wird ein Kreditinstitut im Rahmen eines Übertragungsvorgangs von Namensaktien nur vorübergehend gesondert in das Aktienregister eingetragen, so löst diese Eintragung keine Pflichten infolge des Absatzes 2 und nach § 128 aus und führt nicht zur Anwendung von satzungsmäßigen Beschränkungen nach Absatz 1 Satz 3. (5) 1Ist jemand nach Ansicht der Gesellschaft zu Unrecht als Aktionär in das Aktienregister eingetragen worden, so kann die Gesellschaft die Eintragung nur löschen, wenn sie vorher die Beteiligten von der beabsichtigten Löschung benachrichtigt und ihnen eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs gesetzt hat. 2 Widerspricht ein Beteiligter innerhalb der Frist, so hat die Löschung zu unterbleiben. (6) 1Der Aktionär kann von der Gesellschaft Auskunft über die zu seiner Person in das Aktienregister eingetragenen Daten verlangen. 2Bei nichtbörsennotierten Gesellschaften kann die Satzung Weiteres bestimmen. 3Die Gesellschaft darf die Registerdaten sowie die nach Absatz 4 Satz 2 und 3 mitgeteilten Daten für ihre Aufgaben im Verhältnis zu den Aktionären verwenden. 4Zur Werbung für das Unternehmen darf sie die Daten nur verwenden, soweit der Aktionär nicht widerspricht. 5Die Aktionäre sind in angemessener Weise über ihr Widerspruchsrecht zu informieren. (7) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. Literatur: Altmeppen, Abschied von der „unwiderlegbar vermuteten“ Mitgliedschaft des Scheingesellschafters in der Kapitalgesellschaft?, ZIP 2009, 345; Bachmann, Namensaktie und Stimmrechtsvertretung, WM 1999, 2100; Baums, Der Eintragungsstopp bei Namensaktien, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 15; Bayer/Lieder, Umschreibungsstopp bei Namensaktien vor Durchführung der Hauptversammlung, NZG 2009, 1361; Diekmann, Namensaktien bei Publikumsgesellschaften, BB 1999, 1985; Drygala, Nur noch Namensaktien für die nicht börsennotierten Aktiengesellschaften?, ZIP 2011, 798; Drygala, Namensaktien in freiem Meldebestand, NZG
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Eintragung im Aktienregister
2004, 893; Grigoleit/Rachlitz, Beteiligungstransparenz aufgrund des Aktienregisters, ZHR 174 (2010), 12; Grumann/Soehlke, Namensaktie und Hauptversammlung, DB 2001, 576; Happ, Vom Aktienbuch zum elektronischen Aktionärsregister, in: Festschrift für Gerold Bezzenberger, 2000, S. 111; Huep, Die Renaissance der Namensaktie – Möglichkeiten und Probleme im geänderten aktienrechtlichen Umfeld, WM 2000, 1623; Hüther, Namensaktien, Internet und die Zukunft der Stimmrechtsvertretung, AG 2001, 68; Kindler, Der Aktionär in der Informationsgesellschaft, NJW 2001, 1678; Kort, Die Errichtung eines Aktienregisters nach § 67 AktG – Leitungsaufgabe, einfache Geschäftsführungsaufgabe oder Vertretungsmaßnahme?, NZG 2005, 963; Lieder, Der Namensaktionär im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren, NZG 2005, 159; Marsch-Barner, Zur neueren Entwicklung im Recht der Namensaktie, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 627; Müller-von Pilchau, Zur Offenlegungspflicht des Namensaktionärs nach § 67 Abs. 4 AktG – Auskunftsverlangen ohne Sanktionsfolgen?, AG 2011, 775; Noack, Die Namensaktie – Dornröschen erwacht, DB 1999, 1306; Noack, Die Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien, in: Festschrift für Gerold Bezzenberger, 2000, S. 291; Noack, Namensaktie und Aktienregister: Einsatz für Investor Relation und Produktmarketing, DB 2001, 27; Noack, Neues Recht für Namensaktionäre, NZG 2008, 721; v. Nussbaum, Zu Nachweisstichtag (record date) und Eintragungssperre bei Namensaktien, NZG 2009, 456; Quass, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen wegen eines Umschreibestopps im Aktienregister?, AG 2009, 432; Reul, Aktuelle Änderungen des Aktienrechts aus notarieller Sicht – Teil 1, ZNotP 2010, 12; Schneider, Die reformierte Namensaktie, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 1327; Schneider/ Müller-von Pilchau, Vollrechtstreuhänder als Namensaktionäre – die Pflicht zur Offenlegung und deren Auslandswirkung, WM 2011, 721; Seibert, Aktienrechtsnovelle NaStraG tritt in Kraft – Übersicht über das Gesetz und Auszüge aus dem Bericht des Rechtsausschusses, ZIP 2001, 53; Zetzsche, Die Aktionärslegitimation durch Berechtigungsnachweis – von der Verkörperungszur Registertheorie, Der Konzern 2007, 180, 251.
Übersicht I. Bedeutung der Norm ........................ 1 II. Regelungsgehalt ................................ 2 III. Aktienregister (§ 67 Abs. 1) ............. 3 1. Pflichtangaben .................................... 4 2. Freiwillige Angaben ........................... 6 3. Mitteilungspflicht ............................... 7 IV. Wirkung der Eintragung (§ 67 Abs. 2) ....................................... 8 V. Übertragung von Aktien (§ 67 Abs. 3) ..................................... 10 I.
VI. Mitwirkungspflichten der Kreditinstitute, Auskunftsrecht (§ 67 Abs. 4) ..................................... VII. Löschung unrichtiger Daten (§ 67 Abs. 5) ..................................... VIII. Informationsrecht der Aktionäre, Verwendung von Daten (§ 67 Abs. 6) ......................... 1. Auskunftsanspruch .......................... 2. Verwendung der Daten ....................
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Bedeutung der Norm
Die Norm regelt zentral die über das Aktienregister vermittelte Beteiligungstransparenz 1 bei Namensaktien i. S. von § 10. Insgesamt betrachtet ist das gesetzgeberische Anliegen, die AG über die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu informieren, zu begrüßen; gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass § 67 auch Ausdruck der zunehmenden Komplizierung des Aktienrechts ist, was die Herausarbeitung allgemeiner Lehren behindert. Die mittlerweile bei der Binnenorganisation und verbandsinternen Willensbildung einzuhaltenden Formalia sind kaum noch überschaubar und machen die AG als Investitionsform wegen der hieraus resultierenden Rechtsunsicherheit unattraktiv. Man muss sich daher schon fragen, ob die vor allem auf EU-Ebene auftretenden Tendenzen, den Aktionärsschutz und die Kapitalverkehrsfreiheit durch detailreiche, dem öffentlichen Recht entlehnte Regeln zu stärken, nicht letztlich das Gegenteil bewirken.
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§ 67 II.
Eintragung im Aktienregister Regelungsgehalt
2 § 67 Abs. 1 bestimmt, dass Namensaktien und ihre Inhaber in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen sind. Über § 67 Abs. 2 wird dies effektuiert, denn im Verhältnis zur AG ist nur der eingetragene Aktionär zur Geltendmachung von Rechten legitimiert. § 67 Abs. 3 verlangt von den Aktionären den Nachweis der Übertragung von Aktien, damit das Aktienregister berichtigt werden kann. § 67 Abs. 4 regelt die Umsetzung der Eintragungserfordernisse für den praktisch wichtigen Fall, dass die Aktien bei Kreditinstituten verwahrt werden. Nach § 67 Abs. 5 kann die AG unrichtige Eintragungen im Aktienregister löschen. § 67 Abs. 6 regelt das Informationsrecht der Aktionäre über die Eintragungen und die Möglichkeit der Verwendung dieser Daten durch die AG. Nach § 67 Abs. 7 gilt das Vorgesagte entsprechend für Zwischenscheine i. S. von § 10 Abs. 3. III.
Aktienregister (§ 67 Abs. 1)
3 Das Aktienregister ist von der AG zu führen, in der Regel elektronisch (vgl. § 239 Abs. 4 HGB). Dies gilt nach der geplanten Aktienrechtsnovelle auch dann, wenn die Aktienurkunden nicht verbrieft sind.1) Verantwortlich für die ordnungsgemäße Führung ist der Vorstand als Kollegialorgan.2) Siehe zur Löschungspflicht gemäß § 67 Abs. 5 unten Rz. 13 f. Die Aktionäre haben einen einklagbaren Anspruch auf Einrichtung und Führung des Aktienregisters.3) 1.
Pflichtangaben
4 Einzutragen sind gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Name, Geburtsdatum und Adresse des Aktionärs der betreffenden Namensaktie, individualisiert nach Aktiennummer und ggf. Nennbetrag der betreffenden Aktie. Die Angabe einer e-mail-Adresse genügt nicht (str.).4) Bei juristischen Personen und Gesellschaften sind Firma und Sitz (= Ort der Registrierung) anzugeben. Der gemeinsame Vertreter gemäß § 69 Abs. 1 ist nicht einzutragen.5) Bei Investmentvermögen sieht § 67 Abs. 1 Satz 4 vor, dass trotz der dinglichen Mitberechtigung der Anteilsinhaber an den Aktien (vgl. § 69) nur die (ggf. rechtsfähige) Fondsgemeinschaft bzw. die Verwaltungsgesellschaft eingetragen werden muss. Diese sinnvolle Vereinfachung gilt indessen nur, wenn mindestens ein Anleger eine natürliche Person ist.6) 5 Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 kann die Satzung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Dritteintragungen zulässig und verpflichtend sind.7) Dies betrifft vornehmlich die Fälle der Legitimationsübertragung des Stimmrechts gemäß § 135 Abs. 5, bei der ein anderer im eigenen Namen die Aktionärsrechte für Rechnung des Aktionärs ausübt.8) Weitere Fälle siehe sogleich Rz. 6. Die Satzung kann die betreffende Eintragungspflicht auch an bestimmte Schwellenwerte knüpfen.9) _____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
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Derzeit bereits h. M., vgl. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 67 Rz. 4 f.; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 67 Rz. 10, 12. OLG München, Urt. v. 4.5.2005 – 23 U 5121/04, NZG 2005, 756, 757 = ZIP 2005, 1070; OLG Jena, Urt. v. 25.2.2004 – 2 U 635/03, ZIP 2004, 563, 564 f.; vgl. zur Delegation auf Externe – Kindler, NJW 2001, 1678, 1679. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 67 Rz. 10. Abw. die h. M., vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 67 Rz. 25 f. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 67 Rz. 19. Hierzu zutreffend krit. Schneider in: FS Hopt, S. 1327, 1334. Einzelheiten bei Schneider in: FS Hopt, S. 1327, 1339. Einzelheiten bei Grigoleit/Rachlitz, ZHR 174 (2010), 12, 13 ff.; Schneider/Müller-von Pilchau, WM 2011, 721. Hüffer, AktG, § 67 Rz. 8a.
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§ 67
Eintragung im Aktienregister 2.
Freiwillige Angaben
Keine Eintragungspflicht besteht für Nießbrauch, Pfandrecht, Testamentsvollstreckung 6 sowie die Nachlass- und Insolvenzverwaltung. Gleichwohl ist die Eintragung der Gestaltungen zulässig und wegen § 67 Abs. 2 Satz 1 praktisch geboten, damit z. B. der Gewinn an den konkret Berechtigten gezahlt wird.10) Bevollmächtigte und Treugeber können ebenfalls eingetragen werden, was jedoch nicht über § 67 Abs. 2 Satz 1 effektuiert wird.11) 3.
Mitteilungspflicht
Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 ist der Inhaber der Aktie („Aktionär“) verpflichtet, der AG die 7 notwendigen Angaben mitzuteilen. Dies gilt auch, wenn das Stimmrecht auf einen anderen übertragen wurde oder die Aktie dinglich belastet ist.12) Gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 haben die depotführenden Kreditinstitute die betreffenden Mitteilungen zu machen. IV.
Wirkung der Eintragung (§ 67 Abs. 2)
Die wichtigste Effektuierung der durch das Aktienregister vermittelten Beteiligungstrans- 8 parenz folgt aus § 67 Abs. 2 Satz 1. Hiernach gilt im Verhältnis zur AG nur der Eingetragene als Aktionär. Die Regelung entfaltet lediglich eine Legitimationswirkung;13) die Wirksamkeit der dinglichen Übertragung der Aktien richtet sich nach den allgemeinen Regeln (siehe § 68 Rz. 2 ff.). Die Wirkung von § 67 Abs. 2 Satz 1 ist gleichwohl sehr einschneidend: Ist jemand nicht im Aktienregister eingetragen, kann er keine Aktionärsrechte geltend machen; ist jemand zu Unrecht eingetragen, stehen ihm auch die betreffenden Aktionärsrechte zu.14) Dies gilt selbst dann, wenn die Beteiligten Kenntnis von der – formal ordnungsgemäß erfolgten – unrichtigen Eintragung haben.15) Wird jemand zu Unrecht eingetragen, entbindet dies den wahren Aktieninhaber nicht von seinen mitgliedschaftlichen Pflichten.16) § 67 Abs. 2 Satz 2 sanktioniert die Verstöße gegen die satzungsmäßigen Vorgaben für 9 besondere Eintragungen mit einem Stimmverlust. Nach § 67 Abs. 2 Satz 3 gilt das Gleiche, wenn ein Auskunftsverlangen gemäß § 67 Abs. 4 Satz 2 oder Satz 3 nicht erfüllt ist. V.
Übertragung von Aktien (§ 67 Abs. 3)
§ 67 Abs. 3 stellt klar, dass das Aktienregister beim Aktionärswechsel nur auf entsprechende 10 Mitteilung i. S. von § 67 Abs. 1 Satz 2 hin zu korrigieren ist. Der Vorstand ist nur in den Fällen der Ersteintragung bei Gründung und Kapitalerhöhung zur Eintragung gleichsam von Amts wegen verpflichtet.17) Es besteht eine doppelte Mitteilungspflicht: die des Veräußerers zwecks Eintragung seiner Löschung und die des Erwerbers zwecks Neueintragung.18) Der Vorstand hat die Wirksamkeit der Übertragung nur in Hinblick auf evidente _____________ 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) 18)
Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 67 Rz. 23 ff. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 67 Rz. 103. Reul, ZNotP 2010, 12, 14. Vgl. bereits RG, Urt. v. 27.3.1912 – I 349/11, RGZ 79, 162, 164; nach OLG Jena, Urt. v. 25.2.2004 – 2 U 635/03, ZIP 2004, 563, handelt es sich um eine unwiderlegliche Vermutung. Diese Wirkung relativierend, indem die AG bei unrichtiger Eintragung stets einen Löschungsanspruch der Legitimation entgegen halten könne – Altmeppen, ZIP 2009, 345. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 67 Rz. 39 f. Vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 1.9.2003 – 11 W 30/03, ZIP 2003, 2301 = NZG 2004, 45. OLG Jena, Urt. v. 25.2.2004 – 2 U 635/03, ZIP 2004, 563. Einzelheiten bei Bayer in: MünchKomm-AktG, § 67 Rz. 79 ff.
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§ 67
Eintragung im Aktienregister
Übertragungshindernisse hin zu überprüfen.19) Siehe zur nachträglichen Löschung unrichtiger Daten gemäß § 67 Abs. 5 unten Rz. 13 f. Um die Durchführung einer Hauptversammlung nach Maßgabe von § 129 Abs. 1 Satz 2 zu ermöglichen (Konkordanz von Teilnehmerverzeichnis und Aktienregister), kann der Vorstand einen Eintragungsstopp verhängen;20) dieser darf kaum länger als sieben Tage andauern und sollte sich auf den Ablauf des Anmeldetages beziehen.21) Satzungsmäßige Vorgaben hierzu sind dringend anzuraten. VI.
Mitwirkungspflichten der Kreditinstitute, Auskunftsrecht (§ 67 Abs. 4)
11 Gemäß § 67 Abs. 4 sind die depotführenden Kreditinstitute und gemäß § 125 Abs. 5 gleichgestellte Institute zur Übermittlung der betreffenden Daten an die AG gegen Kostenerstattung verpflichtet.22) Es handelt sich um eine zwingende gesetzliche Pflicht, die nicht an die Einwilligung des Aktionärs gebunden ist.23) 12 § 67 Abs. 4 Satz 2 begründet ein gesetzliches Auskunftsrecht, wonach der im Aktienregister eingetragene Aktionär der AG mitzuteilen hat, inwieweit ihm die betreffenden Aktien auch gehören.24) Vgl. insofern die Ordnungswidrigkeit gemäß § 405 Abs. 2a. VII. Löschung unrichtiger Daten (§ 67 Abs. 5) 13 § 67 Abs. 5 begründet bei unrichtigen Eintragungen ins Aktienregister25) eine Löschungsmöglichkeit. Die Regelung gilt, wenn die Eintragung nicht ordnungsgemäß herbeigeführt wurde oder nicht der materiellen Rechtslage entspricht. Der Wortlaut billigt der AG ein Ermessen zu („kann“). Dem ist nicht zu folgen. Im Regelfall ist der Vorstand vielmehr verpflichtet, das Verfahren nach § 67 Abs. 5 einzuleiten und damit eine Klärung der unrichtigen Registerlage herbeizuführen. Jeder, der durch die unrichtige Eintragung in seinen Rechtspositionen beeinträchtigt wird, hat gegen die AG einen klagbaren Anspruch auf Einleitung des Verfahrens.26) 14 Derjenige, dessen Eintragung gelöscht werden soll, und diejenigen, die die Löschung ebenfalls betrifft, sind gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 zuvor anzuhören, und ihnen ist eine angemessene Frist zum Widerspruch zu geben.27) Die Frist beträgt regelmäßig einen Monat.28) Ergeht fristgerecht ein Widerspruch, muss die Löschung zunächst unterbleiben. In diesem Fall hat der Vorstand eine gerichtliche Klärung der Rechtslage herbeizuführen (Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO), wenn keine einvernehmliche Lösung zu erzielen ist.29) Kommt
_____________ 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29)
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Vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, 257 f. = ZIP 2004, 2093. BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08, ZIP 2009, 2051 = NZG 2009, 1270. Vgl. v. Nussbaum, NZG 2009, 456, 457; Bayer/Lieder, NZG 2009, 1361; Müller-von Pilchau, AG 2011, 775. Vgl. zur Höhe der Kosten § 128 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 VO über den Ersatz von Aufwendungen der Kreditinstitute v. 17.6.2003, BGBl. I, 885. Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 67 AktG Rz. 12. Einzelheiten bei Marsch-Barner in: FS Hüffer, S. 672, 642 f.; Schneider/Müller-von Pilchau, WM 2011, 721. Gegen eine analoge Anwendung bei der GmbH BGH, Urt. v. 30.12.2013 – II ZR 21/12, BeckRS 2014, 01756. Vgl. OLG Jena, Urt. v. 25.2.2004 – 2 U 635/03, ZIP 2004, 563, 565; enger, nur Aktionäre, Bayer in: MünchKomm-AktG, § 67 Rz. 105. Vgl. OLG Zweibrücken, Urt. v. 3.12.1996 – 3 W 171/96, AG 1997, 140; K. Schmidt/LutterBezzenberger, AktG, § 67 Rz. 38. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 67 Rz. 95. Ähnlich Bayer in: MünchKomm-AktG, § 67 Rz. 115.
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Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung
§ 68
es zu keinem Widerspruch oder ergibt die gerichtliche Klärung die Unrichtigkeit der Eintragung, hat der Vorstand diese zu löschen. Diese hat i. R. von § 67 Abs. 2 Satz 1 ex nunc-Wirkung.30) Der Vormann tritt ab jetzt wieder an die Stelle des gelöschten Aktionärs. VIII. Informationsrecht der Aktionäre, Verwendung von Daten (§ 67 Abs. 6) 1.
Auskunftsanspruch
Gemäß § 67 Abs. 6 Satz 1 hat jeder – gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 eingetragene – Aktionär 15 einen Anspruch gegen die AG auf Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten.31) Die Satzung kann dieses Auskunftsrecht gemäß § 67 Abs. 6 Satz 2 erweitern, insbesondere im Hinblick auf die Daten anderer Aktionäre.32) Ohne eine derartige satzungsmäßige Erweiterung erstreckt sich das Auskunftsrecht nicht auf die Beteiligungsverhältnisse der AG.33) 2.
Verwendung der Daten
§ 67 Abs. 6 Satz 2 stellt sachgerecht klar, dass die AG die Daten zur effektiven Aus- 16 gestaltung der Binnenorganisation auch verwenden darf.34) § 67 Abs. 6 Satz 4 ermöglicht jedoch in datenschutzrechtlich bedenklicher Weise auch die Verwendung zu Werbezwecken, was nur durch einen Widerspruch abgewendet werden kann.35) _____________ 30) 31) 32) 33) 34) 35)
OLG Jena, Urt. v. 25.2.2004 – 2 U 635/03, ZIP 2004, 563, 566. Einzelheiten zur Übermittlung bei Kindler, NJW 2001, 1678. Vgl. Seibert, ZIP 2001, 53, 54. Vgl. BGH, Urt. v. 21.6.2010 – II ZR 219/09, ZIP 2010, 2397, 2398. Vgl. für Investor Relations-Maßnahmen Noack, DB 2001, 27, 28. Nicht nachvollziehbar ein generelles Aktionärsinteresse an einer derartigen Verwendung unterstellend Noack, DB 2001, 27, 29.
§ 68 Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung (1) 1Namensaktien können auch durch Indossament übertragen werden. 2Für die Form des Indossaments, den Rechtsausweis des Inhabers und seine Verpflichtung zur Herausgabe gelten sinngemäß Artikel 12, 13 und 16 des Wechselgesetzes. (2) 1Die Satzung kann die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft binden. 2 Die Zustimmung erteilt der Vorstand. 3Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung über die Erteilung der Zustimmung beschließt. 4Die Satzung kann die Gründe bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf. (3) Bei Übertragung durch Indossament ist die Gesellschaft verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente, nicht aber die Unterschriften zu prüfen. (4) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für Zwischenscheine. Wechselgesetz (WG) (Auszug) Artikel 12 WG [Bedingungsfeindlichkeit; Teilindossament; Indossament an den Inhaber]
(1) 1Das Indossament muß unbedingt sein. 2Bedingungen, von denen es abhängig gemacht wird, gelten als nicht geschrieben.
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§ 68
Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung
(2) Ein Teilindossament ist nichtig. (3) Ein Indossament an den Inhaber gilt als Blankoindossament. Artikel 13 WG [Form; Blankoindossament] (1) 1Das Indossament muß auf den Wechsel oder auf ein mit dem Wechsel verbundenes Blatt (Anhang) gesetzt werden. 2Es muß von dem Indossanten unterschrieben werden. (2) 1Das Indossament braucht den Indossatar nicht zu bezeichnen und kann selbst in der bloßen Unterschrift des Indossanten bestehen (Blankoindossament). 2In diesem letzteren Fall muß das Indossament, um gültig zu sein, auf die Rückseite des Wechsels oder auf den Anhang gesetzt werden. Artikel 16 WG [Wechselvermutung] 1
(1) Wer den Wechsel in Händen hat, gilt als rechtmäßiger Inhaber, sofern er sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist, und zwar auch dann, wenn das letzte ein Blankoindossament ist. 2Ausgestrichene Indossamente gelten hierbei als nicht geschrieben. 3Folgt auf ein Blankoindossament ein weiteres Indossament, so wird angenommen, daß der Aussteller dieses Indossaments den Wechsel durch das Blankoindossament erworben hat. (2) Ist der Wechsel einem früheren Inhaber irgendwie abhanden gekommen, so ist der neue Inhaber, der sein Recht nach den Vorschriften des vorstehenden Absatzes nachweist, zur Herausgabe des Wechsels nur verpflichtet, wenn er ihn in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Literatur: Asmus, Die vinkulierte Mitgliedschaft, 2001; Barthelmeß/Braun, Zulässigkeit schuldrechtlicher Verfügungsbeschränkungen über Aktien zugunsten der Aktiengesellschaft, AG 2000, 172; Baumann/Reiß, Satzungsändernde Vereinbarungen – Nebenverträge im Gesellschaftsrecht, ZGR 1989, 157; Bayer, Gesetzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien auf einen zukünftigen Mehrheitsaktionär, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2009, S 35; Becker, Der Ausschluß aus der Aktiengesellschaft, ZGR 1986, 383; Berger, Die Klage auf Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien, ZHR 157 (1993), 31; Bork, Vinkulierte Namensaktien in Zwangsvollstreckung und Insolvenz des Aktionärs, in: Festschrift für Wolfram Henckel, 1995, S. 23; Boesebeck, Nochmals: Übertragung vinkulierter Namensaktien durch den Alleinaktionär, NJW 1952, 1116; Heinßel/Kienle, Rechtliche und praktische Aspekte zur Einbeziehung vinkulierter Namensaktien in die Sammelverwahrung, WM 1993, 1909; Heller/Timm, Übertragung vinkulierter Namensaktien in der Aktiengesellschaft, NZG 2006, 257; Immenga, Vertragliche Vinkulierung von Aktien?, AG 1992, 79; Iversen, Außerbörsliche Übertragung von Aktien und sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz, AG 2008, 736; Kossmann, Der Anspruch auf Genehmigung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien, BB 1985, 1364; Lutter, Die Rechte und Pflichten des Vorstands bei der Übertragung vinkulierter Namensaktien, AG 1992, 369; Lutter/Grunewald, Zur Umgehung von Vinkulierungsklauseln in Satzungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mbH, AG 1989, 109; Lutter/Grunewald, Gesellschaften als Inhaber vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, AG 1989, 409; Perwein, Übergabe der Aktienurkunde als Wirksamkeitsvoraussetzung bei der Abtretung von Namensaktien kleiner Publikums-Aktiengesellschaften, AG 2012, 611; Schmidt, K., Aktionärs- und Gesellschafterzuständigkeiten bei der Freigabe vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, in: Festschrift für Karl Beusch, 1993, S. 759; Schroeter, Vinkulierte Namensaktien in der europäischen Aktiengesellschaft, AG 2007, 854; Schrötter, Vinkulierte Namensaktien als Bremse der Unternehmenskonzentration, DB 1977, 2265; Uhlenbruck, Der Schutz von Familien-Aktiengesellschaften gegen das Eindringen unerwünschter Aktionäre, DB 1967, 1927; Wilhelmi, Übertragung
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§ 68
Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung
vinkulierter Namensaktien durch den Alleinaktionär, NJW 1952, 324; Wirth, Vinkulierte Namensaktien: Ermessen des Vorstandes bei der Zustimmung zur Übertragung, DB 1992, 617.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Übertragung von Aktien (§ 68 Abs. 1) ....................................... 2 1. Inhaberaktien ...................................... 3 2. Namensaktien ..................................... 5 3. Prüfungspflicht der AG ..................... 7 4. Besonderheiten bei der Girosammelverwahrung ............................. 8 III. Vinkulierung (§ 68 Abs. 2) ............... 9 I.
1. Erfasste Erwerbsvorgänge ............... 2. Satzungsregelung .............................. 3. Erklärung der Zustimmung bzw. Verweigerung ........................... 4. Verweigerungsgründe ...................... a) Fehlen einer Satzungsregelung ....................... b) Satzungsmäßige Vorgaben ........ 5. Rechtsfolgen ..................................... IV. Zwischenscheine (§ 68 Abs. 4) .......
10 12 13 15 15 16 17 18
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Regelung ordnet die Namensaktie i. S. von § 10 in wertpapierrechtliche Kategorien 1 ein und begründet die Möglichkeit der Vinkulierung. § 68 Abs. 1 regelt die Übertragung von Namensaktien und stellt klar, dass diese neben der Übertragung gemäß §§ 398, 413 BGB auch durch Indossament übertragen werden können. Die AG hat dann gemäß § 68 Abs. 3 die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente zu überprüfen. Nach § 68 Abs. 2 kann die Übertragung von Namensaktien aufgrund Satzungsregelung an die Zustimmung der AG gebunden werden (Vinkulierung). Gemäß § 68 Abs. 4 gilt das Vorgesagte auch für Zwischenscheine i. S. von § 10 Abs. 3. II.
Übertragung von Aktien (§ 68 Abs. 1)
Bei der Übertragung der Aktien ist danach zu unterscheiden, um welche Arten es sich 2 handelt – Inhaber- oder Namensaktien – sowie nach der Art der Verbriefung. 1.
Inhaberaktien
Inhaberaktien i. S. von § 10 Abs. 1 Alt. 1 werden entsprechend §§ 793 ff. BGB be- 3 handelt.1) Sind sie unverbrieft, richtet sich die Übertragung gemäß §§ 413, 398 BGB.2) Ein gutgläubiger (lastenfreier) Aktienerwerb ist nicht möglich.3) Eine Eintragung des Erwerbs ins Aktienregister ist nicht möglich und nötig. Wird die Inhaberaktie einzeln verbrieft (vgl. § 10 Abs. 5), kann die Mitgliedschaft auf 4 unterschiedliche Weise übertragen werden: Zum einen durch Übereignung der Urkunde gemäß §§ 929 ff. BGB, so dass die Mitgliedschaft der Übereignung akzessorisch folgt („Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier“);4) ein gutgläubiger bzw. lastenfreier Erwerb der Mitgliedschaft ist gemäß §§ 932 ff. BGB möglich.5) Zum anderen ist es möglich, die Mitgliedschaft als solches gemäß §§ 413, 398 BGB zu übertragen, so dass das Eigentum an der Urkunde entsprechend § 952 BGB dem Erwerber zufällt („Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier“). Bei dieser Übertragungsart scheidet ein gutgläubiger bzw. lastenfreier Erwerb der Mitgliedschaft aus. _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
OLG Oldenburg, Urt. v. 25.6.1998 – 1 U 34/98, AG 2000, 367. BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 195/91, BGHZ 122, 180, 196 = ZIP 1993, 667; LG Berlin, Urt. v. 27.8.1993 – 85 O 140/93, AG 1994, 378, 379. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 68 Rz. 5. BGH, Urt. v. 5.4.1993 – II ZR 195/91, BGHZ 122, 180, 196 = ZIP 1993, 667. K. Schmidt/Lutter-Fleischer, AktG, § 68 Rz. 6.
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§ 68 2.
Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung Namensaktien
5 Sind die Namensaktien i. S. von § 10 Abs. 1 Alt. 2 unverbrieft, richtet sich die Übertragung ebenfalls nach §§ 413, 398 BGB. Vgl. zur Wirksamkeit der Übertragung im Verhältnis zur AG das Erfordernis der Eintragung ins Aktienregister gemäß § 67. Ein gutgläubiger (lastenfreier) Aktienerwerb ist nicht möglich.6) Das gilt auch bei einer Eintragung ins Aktienregister.7) 6 Sind die Namensaktien einzeln verbrieft (vgl. § 10 Abs. 5), kann die Übertragung ebenfalls auf unterschiedliche Weise erfolgen: –
Möglich ist zum einen die Übertragung der Mitgliedschaft selbst gemäß §§ 413, 398 BGB so dass das Eigentum an der Urkunde entsprechend § 952 BGB dem Erwerber zufällt („Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier“);8) die Übergabe des Papiers ist jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung (str.).9) Insbesondere kann zur Begründung einer anderen Ansicht auch nicht auf das Aktienregister abgestellt werden, weil dieses andere Funktionen als den Gutglaubensschutz bei Erwerb erfüllt. Bei dieser Übertragungsart scheidet ein gutgläubiger bzw. lastenfreier Erwerb der Mitgliedschaft aus.10)
–
Zum anderen ist es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 möglich, die Aktien durch Indossament zu übertragen.11) Dies setzt neben der schriftlichen Übertragungserklärung auf der Urkunde gemäß Art. 12, 13 WG nach zutreffender Ansicht auch die Übereignung der Urkunde gemäß §§ 929 ff. BGB voraus.12) Bei dieser Übertragungsart folgt die Mitgliedschaft der Übereignung akzessorisch („Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier“); ein gutgläubiger bzw. lastenfreier Erwerb der Mitgliedschaft ist gemäß Art. 16 WG möglich. Vgl. auch hier zur Wirksamkeit der Übertragung im Verhältnis zur AG das Erfordernis der Eintragung ins Aktienregister gemäß § 67.
3.
Prüfungspflicht der AG
7 Gemäß § 68 Abs. 3 hat der Vorstand i. R. der Eintragung des Aktionärswechsels ins Aktienregister gemäß § 67 die Ordnungsmäßigkeit der Reihe der Indossamente zu überprüfen, nicht aber die Unterschriften. Es handelt sich im Ausgangspunkt um eine rein formale Prüfung; bei konkreten Anhaltspunkten muss jedoch auch die Wirksamkeit der Übertragung geprüft werden.13) 4.
Besonderheiten bei der Girosammelverwahrung
8 Die Aktienurkunden werden bei Inhaber- und Namensaktien regelmäßig bei einer Wertpapiersammelbank verwahrt (vgl. § 5 Abs. 1 DepotG). Oftmals gibt es sogar lediglich eine Sammel- oder Globalurkunde, ohne dass die individuellen Mitgliedschaften einzeln verbrieft sind (vgl. § 10 Abs. 5). Die Aktionäre werden sodann Miteigentümer an der Sammel- bzw. Globalurkunde bzw. am Sammelbestand (vgl. §§ 6 Abs. 1, 9a Abs. 2 _____________ 6) 7) 8) 9)
10) 11) 12) 13)
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K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 68 Rz. 5. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 2. RG, Urt. v. 8.11.1911 – I 461/10, RGZ 77, 268, 276. RG, Urt. v. 6.6.1916 – II 62/15, RGZ 88, 290, 292; BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 43/57, NJW 1958, 302, 303; Perwein, AG 2012, 611; abw. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rz. 30; Grigoleit-Grigoleit/ Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 68 Rz. 8. Zum fakultativen Charakter der Norm BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, 257 = ZIP 2004, 2093 = NJW 2004, 3561. BGH, Urt. v. 12.12.1957 – II ZR 43/57, NJW 1958, 302, Einzelheiten zur wechselrechtlichen Übertragung bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 9 ff. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 22.
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Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung
§ 68
DepotG). Die dingliche Übertragung der Aktienurkunde ist hiernach eine Übertragung des Bruchteilseigentums an der Urkunde gemäß §§ 929, 934 BGB, ggf. ergänzt durch ein Blankoindossament.14) III.
Vinkulierung (§ 68 Abs. 2)
Aktien sind im Grundsatz frei übertragbar.15) Gleichwohl sieht § 68 Abs. 2 vor, dass die 9 dingliche Wirksamkeit der Übertragung von Namensaktien i. S. von § 10 aufgrund einer entsprechenden Satzungsklausel an die Zustimmung der AG geknüpft werden kann. Gemäß § 55 Abs. 1 ist die Begründung von Nebenleistungspflichten von der Vinkulierung abhängig; das Gleiche gilt gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2, wenn ein Entsendungsrecht für den Aufsichtsrat bestehen soll. Eine Vinkulierungsklausel ist bereits vor der Aktienverbriefung gültig.16) Von der Vinkulierung abzugrenzen sind schuldrechtliche Nebenabreden der Aktionäre untereinander, insbesondere im Hinblick auf ein Vorkaufsrecht oder eine Andienungspflicht.17) Derartige Aktionärsvereinbarungen können nicht Satzungsbestandteil werden; § 68 Abs. 2 ist insofern vorrangig (str.).18) 1.
Erfasste Erwerbsvorgänge
§ 68 Abs. 2 gilt nur bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung. Die Vererbung von 10 Aktien, der gesetzliche Erwerb und die Gesamtrechtsnachfolge i. R. von Umwandlungsvorgängen fallen nicht hierunter.19) Auf schuldrechtliche Vereinbarungen bezieht sich die Vinkulierung i. S. von § 68 Abs. 2 nicht;20) dies kann auch nicht durch Satzungsregelung vereinbart werden. Die Aktionäre können sich jedoch ohne weiteres untereinander oder Dritten gegenüber schuldrechtlich im Hinblick auf die Übertragung der Aktien binden (vgl. aber § 137 Satz 1 BGB).21) Die Vinkulierung kann auch die Bestellung eines Pfandrechts oder Nießbrauchs umfassen.22) 11 Dies muss jedoch in der Satzung hinreichend deutlich gemacht werden. Aus Gründen des Umgehungsschutzes sind ferner die Übertragung der Ausübungsbefugnisse für die Mitverwaltungsrechte hierunter zu fassen, insbesondere die Legitimationsübertragung und Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung.23) Auch hier ist die Vinkulierungsklausel im Hinblick auf ihre Reichweite (objektiv) auszulegen. Beim Alleinaktionär beansprucht die Vinkulierung keine Geltung.24) Eine etwaige Satzungsregelung kann im Hinblick auf spätere Aktionäre gleichwohl bedeutsam sein. _____________ 14) Zum Ganzen m. w. N. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 6; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rz. 5 ff. 15) BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, 256 ff. = ZIP 2004, 2093; BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305 ff. = ZIP 1999, 1436. 16) OLG Celle, Urt. v. 24.11.2004 – 9 U 119/04, NZG 2005, 279. 17) Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 22.1.2013 – II ZR 80/10, ZIP 2013, 263 = NZG 2013, 220; oben § 23 Rz. 64 ff. 18) Wie hier RGZ 49, 77, 79 ff.; abw. Becker, ZGR 1986, 383, 392 ff.; die Frage offenlassend BGH, Urt. v. 22.1.2013 – II ZR 80/10, NZG 2013, 220 Rz. 9, 14 = ZIP 2013, 263. 19) Zum Ganzen Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 32 ff.; vgl. für Treuhandgestaltungen OLG Köln, Beschl. v. 26.3.2008 – 18 U 7/07, NZG 2008, 839 = ZIP 2008, 1683; zu Umgebungssachverhalten vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 22.1.2004 – 7 U 133/03, NZG 2004, 775. 20) RG, Urt. v. 31.3.1931 – II 222/30, RGZ 132, 149, 157; für ein Vorkaufsrecht ebenso LG Offenburg, Urt. v. 8.11.1988 – 2 O 220/88, AG 1989, 134, 137. 21) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 39. 22) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 68 Rz. 21. 23) RG, Urt. v. 31.3.1931 – II 220/30, RGZ 132, 149, 158 f.; Einzelheiten zu möglichen Umgehungen bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 76 ff. 24) So wohl auch OLG München, Urt. v. 4.5.2005 – 23 U 5121/04, ZIP 2005, 1070 = NZG 2005, 756; abw. Wilhelmi, NJW 1952, 324.
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§ 68 2.
Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung Satzungsregelung
12 Einschränkungen der freien Übertragbarkeit bedürfen einer eindeutigen Satzungsregelung; bei der nachträglichen Einführung müssen gemäß § 180 Abs. 2 die betroffenen Aktionäre zustimmen.25) Die Satzung kann die Vinkulierung auf bestimmte Erwerbsvorgänge beschränken.26) Die Vinkulierung ist bei Namensaktien bereits vor ihrer Verbriefung möglich.27) Bestehen bei einer AG bislang nur vinkulierte Namensaktien, erstreckt sich dies auch ohne besondere Festsetzung im Kapitalerhöhungsbeschluss auf die neuen Aktien (str.).28) 3.
Erklärung der Zustimmung bzw. Verweigerung
13 Die Zuständigkeit für die Erteilung oder Versagung der Zustimmung obliegt gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 dem Vorstand (interne Willensbildung gemäß § 77, Willlensäußerung gemäß § 78). Nach § 119 Abs. 2 kann der Vorstand die Zustimmung der Hauptversammlung einholen, um sich vor einer etwaigen Pflichtwidrigkeit zu schützen (str.).29) Eine Vorlagepflicht in Anlehnung an die Holzmüller-Doktrin besteht indessen richtigerweise nicht, da es in diesem Bereich an der Gefahr eines Mediatisierungseffekts fehlt (str.).30) Die Satzung kann die Kompetenz gemäß § 68 Abs. 2 Satz 3 dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung zuweisen. Ein Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs. 4 ist jedoch unzulässig.31) Innerhalb des Aufsichtsrats kann die Entscheidung einem Ausschuss übertragen werden (vgl. § 107 Abs. 3),32) die Hauptversammlung entscheidet mit einfacher Mehrheit (§ 133). Die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf Dritte oder einzelne Aktionäre ist unzulässig. 14 Entscheiden der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung über die Zustimmung, bedarf es gleichwohl stets der (formlosen)33) Erklärung gegenüber dem betreffenden Aktionär durch den Vorstand (§ 78).34) In der Insolvenz obliegt diese Kompetenz bei nicht voll eingezahlten Aktien dem Verwalter.35) Es bedarf einer ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung der Zustimmung, andernfalls ist sie nicht erteilt. Eine Satzungsregelung, wonach das Schweigen nach Fristablauf als Zustimmung gilt, birgt Rechtsunsicherheit und verstößt daher gegen § 23 Abs. 5 (str.).36) Eine konkludente Zustimmung kann jedoch regelmäßig in der Umschreibung des Aktienregisters gesehen werden.37) Die Zustimmung kann im Voraus (Einwilligung) und nachträglich (Genehmigung) erfolgen und ist bis zur Übertragung widerruflich.38) 4.
Verweigerungsgründe
a) Fehlen einer Satzungsregelung 15 Enthält die Satzung keine Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen die Zustimmung zu erteilen bzw. versagen ist, entscheidet das zur Entscheidung berufene Organ nach pflicht_____________ 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38)
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BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2093 = NJW 2004, 3561. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 68 Rz. 19; Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rz. 57 f. OLG Celle, Urt. v. 24.11.2004 – 9 U 119/04, NZG 2005, 279. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rz. 47; abw. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 43. Lutter/Drygala in: KölnKomm-AktG, § 68 Rz. 67; abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 23. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 23; Lutter/Drygala in: KölnKomm-AktG, § 68 Rz. 68. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rz. 65; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 23. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 68 Rz. 27. KG Berlin, Urt. v. 20.12.2002 – 14 U 514/00, AG 2003, 568. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 63. RG, Urt. v. 15.12.1909 – I 252/09, RGZ 72, 290, 292 f. A. A. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 25. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 25. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 26.
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Übertragung von Namensaktien. Vinkulierung
§ 68
gemäßem Ermessen.39) Hierbei hat eine Abwägung zu erfolgen zwischen dem Interesse des Aktionärs an der Verkehrsfähigkeit der Aktie und dem Gesellschaftsinteresse an der Person des gegenwärtigen und künftigen Aktionärs.40) Ein genereller Vorrang des Gesellschaftsinteresses lässt sich wegen Art. 14 GG nicht begründen (str.).41) Vielmehr gilt umgekehrt, dass die AG konkret darlegen muss, warum eine Veräußerung dem Gesellschaftsinteresse zuwider läuft.42) Das Gleichbehandlungsgebot (§ 53a) ist stets zu beachten und kann unter dem Aspekt der Selbstbindung einen Anspruch des Aktionärs auf Zustimmung begründen.43) Der Vorstand hat den betreffenden Aktionären analog § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB die Verweigerungsgründe auf deren Verlangen mitzuteilen (str.).44) b) Satzungsmäßige Vorgaben Gemäß § 68 Abs. 2 Satz 4 möglich und aus Gründen der Rechtssicherheit praktisch 16 geboten, sind satzungsmäßige Vorgaben für die Verweigerung der Zustimmung. Der generelle Ausschluss der Veräußerung ist jedoch unzulässig;45) ebenso die Formulierung, dass die Verweigerung bei bestimmten Gestaltungen zwingend zu erfolgen hat (vgl. „darf“).46) Zulässig ist es aber, z. B. bestimmte (wichtige) Verweigerungsgründe katalogartig aufzunehmen. Auch hier handelt das entscheidende Organ jedoch stets nach pflichtgemäßem Ermessen und hat trotz der satzungsmäßigen Vorgaben im Einzelfall das Interesse des Aktionärs an der Verkehrsfähigkeit der Aktie und das Gesellschaftsinteresse an der Person des gegenwärtigen und künftigen Aktionärs gegeneinander abzuwägen. Auch hier kann das Ermessen trotz eines satzungsmäßigen Versagungsgrundes auf null reduziert und die AG zur Zustimmung verpflichtet sein.47) 5. Rechtsfolgen Erteilt die AG die Zustimmung, können die Aktien ohne weiteres übertragen werden. 17 Verweigert sie die Zustimmung, ist die Übertragung unwirksam.48) Eine nachträglich erteilte Zustimmung wirkt zurück.49) Im Fall einer rechtswidrigen Verweigerung kann der betreffende veräußerungswillige Aktionär die AG auf Zustimmung verklagen.50) Wegen Verletzung der Treuepflicht der AG gegenüber ihren Aktionären sind auch Schadensersatzansprüche möglich.51) IV. Zwischenscheine (§ 68 Abs. 4) Die Regelung gilt sinngemäß für Zwischenscheine i. S. von § 10 Abs. 3.
18
_____________ 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49) 50) 51)
LG Aachen, Urt. v. 19.5.1992 – 41 O 30/92, AG 1992, 410, 411 = ZIP 1992, 924. BGH, Urt. v. 1.12.1986 – II ZR 287/85, NJW 1987, 1019, 1020 = ZIP 1987, 291. Abw. Lutter, AG 1992, 369, 373. Unter dem Aspekt der Beweislast unstreitig, vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 68 Rz. 38. Vgl. LG Aachen, Urt. v. 19.5.1992 – 41 O 30/92, AG 1992, 410, 412 ff. = ZIP 1992, 924; zur gerichtlichen Durchsetzung, LG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.1988 – 31 O 226/87, AG 1989, 332 – zur GmbH. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 68 Rz. 26: abw. Lutter/Drygala in: KölnKomm-AktG, § 68 Rz. 67. H. M., vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 68 Rz. 62. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 53. Vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1986 – II ZR 287/85, NJW 1987, 1019, 1020 = ZIP 1987, 291. BGH, Urt. v. 28.4.1954 – II ZR 8/53, NJW 1954, 1155; BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2093 = NJW 2004, 3561. Vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 68 Rz. 71. Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.1988 – 32 O 226/87, AG 1989, 332 – zur GmbH. Zurückhaltend OLG München, Urt. v. 28.7.2008 – 7 U 3004/08, NZG 2009, 25 – zur Publikums-KG.
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§ 69
Rechtsgemeinschaft an einer Aktie
§ 69 Rechtsgemeinschaft an einer Aktie (1) Steht eine Aktie mehreren Berechtigten zu, so können sie die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. (2) Für die Leistungen auf die Aktie haften sie als Gesamtschuldner. (3) 1Hat die Gesellschaft eine Willenserklärung dem Aktionär gegenüber abzugeben, so genügt, wenn die Berechtigten der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt haben, die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten. 2Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden. Literatur: Apfelbaum, Gütergemeinschaft im Gesellschaftsrecht, MittBayNot 2006, 185; Großfeld/ Spennemann, Die Teilnahmeberechtigung mehrerer gesetzlicher Vertreter von Gesellschaften in Mitgliederversammlungen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, AG 1979, 128; Mentz/Fröhling, Die Formen der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Aktien, NZG 2002, 201; Schwichtenberg, Gemeinschaftliche Berechtigung bei Geschäftsanteilen bzw. Aktien, die zum Gesellschaftsvermögen einer OHG oder KG gehören, DB 1976, 375.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 II. Anwendungsbereich ........................ 2 III. Aktivvertretung (§ 69 Abs. 1) ......... 3 I.
IV. Gesamtschuldnerische Haftung (§ 69 Abs. 2) ....................................... 6 V. Passivvertretung (§ 69 Abs. 3) ......... 7
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Norm gewährleistet die Unteilbarkeit von Aktien und Mitgliedschaftsrechten gemäß § 8 Abs. 5 in den Fällen, in denen die Aktien von mehreren Personen gemeinschaftlich gehalten werden. Gemäß § 69 Abs. 1 können diese Personen die aus der Aktie resultierenden Mitgliedschaftsrechte nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. Diese Regelung bezweckt Rechtssicherheit, steht jedoch auch im Widerspruch zu § 134 Abs. 3 Satz 2, wonach mehrere Vertreter durchaus zulässig sind, und die AG ein Zurückweisungsrecht hat. Gemäß § 69 Abs. 2 haften sie für die Einlageforderungen als Gesamtschuldner. § 69 Abs. 3 ordnet an, dass Erklärungen der AG lediglich gegenüber einem Mitglied der Personengemeinschaft abgegeben werden müssen, sofern hierfür kein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt wurde. II.
Anwendungsbereich
2 Die Regelung gilt nur, wenn die Personengemeinschaft im Verhältnis zur AG keine Rechtsfähigkeit besitzt. Dies sind Bruchteilsgemeinschaften (§§ 741 ff. BGB, insbesondere beim gemeinschaftlichen Halten von Aktien beim Investmentfonds, die eheliche Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB)1) und die Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB). Die Anwendung auf juristische Personen, Personenhandelsgesellschaften und die Außen-GbR scheidet wegen deren Rechtsfähigkeit aus (str.).2) Dies gilt selbst dann, wenn diese Gesellschaften mehrere Vertreter haben (str.).3) Die AG ist in diesem Fall über § 134 Abs. 3 _____________ 1) 2) 3)
400
Vgl. hierzu Apfelbaum, MittBayNot 2006, 185. Für eine Anwendung auf die GbR jedoch Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 69 Rz. 4. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 69 Rz. 4; abw. Lutter/Drygala in: KölnKomm-AktG, § 68 Rz. 11 f.
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§ 69
Rechtsgemeinschaft an einer Aktie
Satz 2 ausreichend vor widersprüchlichen Erklärungen geschützt. Werden die Aktien von rechtsfähigen Personen in Girosammelverwahrung gehalten, ist die Regelung konsequenterweise ebenfalls nicht anwendbar.4) III.
Aktivvertretung (§ 69 Abs. 1)
Die Personen müssen zur wirksamen Ausübung ihrer gemeinschaftlich gehaltenen Mit- 3 gliedschaftsrechte gegenüber der AG zwingend einen gemeinschaftlichen Vertreter bestellen, der für sie handelt. Ihre eigenen Willenserklärungen entfalten insoweit keine Wirkung – weder bei einvernehmlichem Handeln aller noch beim Handeln Einzelner unter dem Aspekt der Notgeschäftsführung (str.).5) Eine Vollversammlung i. S. von § 121 Abs. 6 liegt jedoch auch dann vor, wenn alle betreffenden Personen ohne den von ihnen bestellten Vertreter anwesend sind.6) Der Vertreter kann ins Aktienregister eingetragen werden und ist dann gegenüber der AG gemäß § 67 Abs. 2 besonders legitimiert.7) Die Art und Weise der Vertreterbestellung richtet sich nach dem betreffenden bürgerlichen Recht. Aus dem Erfordernis einer Benennung in § 69 Abs. 2 folgt jedoch, dass es sich zwingend um eine Außenvollmacht handeln muss.8) Über den Umfang der Vertretungsmacht besagt § 69 Abs. 1 nichts.9) Die AG wird insofern über § 174 BGB geschützt. § 69 Abs. 1 ist nach zutreffender Ansicht dispositiv. Die Satzung einer AG kann daher für 4 die betreffenden Personenzusammenschlüsse auch zulassen, dass deren Mitglieder ihren Willen gemeinschaftlich nach den jeweils maßgeblichen Regeln bilden und gegenüber der AG erklären (str.).10) Die dingliche und schuldrechtliche Rechtszuständigkeit wird von § 69 Abs. 1 nicht 5 geregelt. Der Gewinnanspruch steht daher z. B. den beteiligten Personen gemäß ihrer zivilrechtlichen Verbundenheit gemeinschaftlich zu, ohne dass es hierfür eines Vertreters bedürfte. IV.
Gesamtschuldnerische Haftung (§ 69 Abs. 2)
Gemäß § 69 Abs. 2 haften die Mitglieder einer erfassten Rechtsgemeinschaft für die 6 Leistungen auf die Aktie zwingend gesamtschuldnerisch. Dies betrifft die Einlagepflichten i. S. von § 54 sowie sämtliche sonstigen, hiermit mittelbar zusammenhängenden Leistungspflichten (vgl. §§ 63 Abs. 2, 65) und Nebenleistungspflichten i. S. von § 55. Die Rückerstattungspflicht gemäß § 62 trifft hingegen nur den konkreten Leistungsempfänger (str.).11) Die erbrechtlichen Haftungsbeschränkungen haben jedoch Vorrang, so dass sich jeder Erbe über §§ 1975 ff. BGB von einer Inanspruchnahme befreien kann (str.).12)
_____________ 4) Vgl. Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 204; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 69 Rz. 3. 5) H. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 69 Rz. 9; abw. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 69 Rz. 26. 6) KG, Urt. v. 8.11.1972 – 4 U 698/72, AG 1972, 49, 50. 7) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 69 Rz. 7. 8) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 69 Rz. 6. 9) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 69 Rz. 15. 10) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 69 Rz. 18; abw. Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 69 AktG Rz. 2. 11) Wie hier Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 69 Rz. 19; abw. die wohl h. M., vgl. nur K. Schmidt/LutterBezzenberger, AktG, § 69 Rz. 10; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 69 Rz. 8. 12) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 69 Rz. 21; abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 69 Rz. 10, wenn die Erben ins Aktienregister eingetragen sind.
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§ 70 V.
Berechnung der Aktienbesitzzeit Passivvertretung (§ 69 Abs. 3)
7 Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 ist im Fall der Passivvertretung zwingend jedes Mitglied der betreffenden Personengemeinschaften empfangsbefugt, wenn kein gemeinschaftlicher Vertreter bestellt wurde (vgl. z. B. die Nachfrist gemäß § 64 Abs. 2). § 69 Abs. 3 Satz 2 schränkt dies bei Erben jedoch für Willenserklärungen innerhalb des ersten Monats nach dem Erbfall ein.13) _____________ 13) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 69 Rz. 24.
§ 70 Berechnung der Aktienbesitzzeit 1
Ist die Ausübung von Rechten aus der Aktie davon abhängig, daß der Aktionär während eines bestimmten Zeitraums Inhaber der Aktie gewesen ist, so steht dem Eigentum ein Anspruch auf Übereignung gegen ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Gesetzes über das Kreditwesen tätiges Unternehmen gleich. 2Die Eigentumszeit eines Rechtsvorgängers wird dem Aktionär zugerechnet, wenn er die Aktie unentgeltlich, von seinem Treuhänder, als Gesamtrechtsnachfolger, bei Auseinandersetzung einer Gemeinschaft oder bei einer Bestandsübertragung nach § 14 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder § 14 des Gesetzes über Bausparkassen erworben hat. Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 II. Aktienbesitzzeit ................................ 2 I.
III. Hinzurechnung gemäß § 70 Satz 1 ........................................... 3 IV. Hinzurechnung gemäß § 70 Satz 2 ........................................... 5
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Norm betrifft die Regelungen, bei denen es auf eine bestimmte Aktienbesitzzeit ankommt und bezieht insofern zugunsten des im Aktienregister eingetragenen Aktionärs (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 1) gemäß § 70 Satz 1 die Sammelverwahrung durch Kreditinstitute und gemäß § 70 Satz 2 für Treuhandgestaltungen und vergleichbare Rechtsverhältnisse ein. Die beiden Hinzurechnungen können auch gestaffelt hintereinander zur Anwendung kommen.1) II.
Aktienbesitzzeit
2 Folgende Minderheitenrechte setzen einen Aktienbesitz von mindestens drei Monaten voraus: –
§ 142 Abs. 2 Satz 2 (Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen),
–
§ 258 Abs. 2 Satz 4 (Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern im Hinblick auf den Jahresabschluss),
–
§ 265 Abs. 3 Satz 2 (Antrag auf gerichtliche Bestellung oder Abberufung von Abwicklern),
_____________ 1)
402
Vgl. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 70 Rz. 23.
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§ 70
Berechnung der Aktienbesitzzeit –
§ 315 Satz 2 (Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfung beim faktischen Konzern),
–
§ 318 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB (Antrag auf Ersetzung des von der Hauptversammlung gewählten Abschlussprüfers).
III.
Hinzurechnung gemäß § 70 Satz 1
Die Hinzurechnung gemäß § 70 Satz 1 erfasst die Fälle, in denen der Aktionär gegen eine 3 Verwahrstelle Herausgabeansprüche aus seinem Aktieneigentum geltend machen konnte. Dies betrifft vor allem die Ansprüche gemäß §§ 383 ff. HGB und gemäß §§ 18 ff. DepotG. Erfasst sind diese jedoch nur, wenn sie sich gegen die genannten Institute oder Unternehmen richten: –
Kreditinstitute (§§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 KWG),
–
Finanzdienstleistungsinstitute (§§ 1 Abs. 1a, 2 Abs. 6 KWG),
–
Unternehmen i. S. von §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 53b Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 KWG).
–
Erfasst werden zudem ausländische Einlagenkreditinstitute i. S. von § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG und Wertpapierhandelsunternehmen i. S. von § 1 Abs. 3d Satz 2 KWG mit Sitz in einem anderen Staat des EWR und Geschäftstätigkeit oder Zweigstelle im Inland (vgl. § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG).2)
Die gemäß § 2 Abs. 4 KWG nicht der Bankenaufsicht unterstellten Unternehmen werden 4 nicht von der Regelung erfasst.3) IV.
Hinzurechnung gemäß § 70 Satz 2
Gemäß § 70 Satz 2 ist in bestimmten Fällen zugunsten des jetzigen Aktionärs weiterhin 5 die Hinzurechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers möglich. Folgende Gestaltungen werden abschließend4) genannt: –
unentgeltlicher Erwerb (§§ 515 ff. BGB, § 2301, §§ 2147 ff. BGB),
–
Erwerb von seinem Treuhänder (eigennützige und uneigennützige Treuhand),5)
–
Erwerb i. R. einer Gesamtrechtsnachfolge (§§ 1922 ff. BGB, Umwandlungen),
–
Erwerb i. R. der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft, einschließlich der Gesamthandsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB, Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft, Auseinandersetzung von Personengesellschaften),6)
–
Bestandsübertragungen nach § 14 VAG und § 14 BausparkG.
_____________ 2) 3) 4) 5) 6)
Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 70 Rz. 4. H. M., vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 70 Rz. 4; zu Recht zweifelnd Bayer in: MünchKomm-AktG, § 70 Rz. 6. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 70 Rz. 9. Bayer in: MünchKomm-AktG, § 70 Rz. 16. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 70 Rz. 4.
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403
§ 71
Erwerb eigener Aktien
§ 71 Erwerb eigener Aktien (1) 1Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur erwerben, 1. wenn der Erwerb notwendig ist, um einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, 2. wenn die Aktien Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen stehen oder standen, zum Erwerb angeboten werden sollen, 3. wenn der Erwerb geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs. 2, § 320b oder nach § 29 Abs. 1, § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1, § 207 Abs. 1 Satz 1 des Umwandlungsgesetzes abzufinden, 4. wenn der Erwerb unentgeltlich geschieht oder ein Kreditinstitut mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt, 5. durch Gesamtrechtsnachfolge, 6. auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals, 7. wenn sie ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder Finanzunternehmen ist, aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zum Zwecke des Wertpapierhandels. 2Der Beschluß muß bestimmen, daß der Handelsbestand der zu diesem Zweck zu erwerbenden Aktien fünf vom Hundert des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht übersteigen darf; er muß den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegen. 3Die Ermächtigung darf höchstens fünf Jahre gelten; oder 8. aufgrund einer höchstens fünf Jahre geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung, die den niedrigsten und höchsten Gegenwert sowie den Anteil am Grundkapital, der zehn vom Hundert nicht übersteigen darf, festlegt. 4Als Zweck ist der Handel in eigenen Aktien ausgeschlossen. 5§ 53a ist auf Erwerb und Veräußerung anzuwenden. 6Erwerb und Veräußerung über die Börse genügen dem. 7Eine andere Veräußerung kann die Hauptversammlung beschließen; § 186 Abs. 3, 4 und § 193 Abs. 2 Nr. 4 sind in diesem Fall entsprechend anzuwenden. 8Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluß einzuziehen. (2) 1Auf die zu den Zwecken nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3, 7 und 8 erworbenen Aktien dürfen zusammen mit anderen Aktien der Gesellschaft, welche die Gesellschaft bereits erworben hat und noch besitzt, nicht mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals entfallen. 2Dieser Erwerb ist ferner nur zulässig, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Aktionäre verwandt werden darf. 3In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4, 7 und 8 ist der Erwerb nur zulässig, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag voll geleistet ist. (3) 1In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 8 hat der Vorstand die nächste Hauptversammlung über die Gründe und den Zweck des Erwerbs, über die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Betrag des Grundkapitals, über deren Anteil am Grundkapital sowie über den Gegenwert der Aktien zu unterrichten. 2Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 sind die Aktien innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb an die Arbeitnehmer auszugeben.
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§ 71
Erwerb eigener Aktien
(4) 1Ein Verstoß gegen die Absätze 1 oder 2 macht den Erwerb eigener Aktien nicht unwirksam. 2Ein schuldrechtliches Geschäft über den Erwerb eigener Aktien ist jedoch nichtig, soweit der Erwerb gegen die Absätze 1 oder 2 verstößt. Literatur: van Aerssen, Erwerb eigener Aktien und Wertpapierhandelsgesetz: Neues von der Schnittstelle Gesellschaftsrecht/Kapitalmarktrecht, WM 2000, 391; Baums/Stöcker, Rückerwerb eigener Aktien und WpÜG, in: Festschrift für Herbert Wiedemann, 2002, S. 703; Bednarz, Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zum Erwerb eigener Aktien, 2006; Bezzenberger, Der Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002; Berrar/Schnorbus, Rückerwerb eigener Aktien und Übernahmerecht, ZGR 2003, 59; Broichhausen, Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen auf eigene Aktien, NZG 2012, 86; Butzke, Gesetzliche Neuregelungen beim Erwerb eigener Aktien, WM 1995, 1389; Cahn, Die Auswirkungen der Kapitaländerungsrichtlinie auf den Erwerb eigener Aktien, Der Konzern 2007, 385; Fleischer, Statthaftigkeit und Grenzen der Kursstabilisierung, ZIP 2003, 2045; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006; Habersack, Das Andienungs- und Erwerbsrecht bei Erwerb und Veräußerung eigener Anteile, ZIP 2004, 1121; Habersack, Rückerwerbbare Aktien auch für deutsche Gesellschaften!, in: Festschrift für Marcus Lutter, 2000, S. 1329; Huber, Rückkauf eigener Aktien, in: Festschrift für Bruno Kropff, 1997, S. 101; Huber, Zum Aktienerwerb durch ausländische Tochtergesellschaften, in: Festschrift für Konrad Duden, 1977; S. 137; Hüffer, Aktienbezugsrechte als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern – gesellschaftsrechtliche Analyse, ZHR 161 (1994), 214; Hüffer, Harmonisierung des aktienrechtlichen Kapitalschutzes, NJW 1979, 1065; Johannsen-Roth, Der Einsatz von Eigenkapitalderivaten beim Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, ZIP 2011, 407; Kiem, Der Erwerb eigener Aktien bei der kleinen AG, ZIP 2000, 209; Kocher, Sind Ermächtigungen der Hauptversammlung zur Verwendung eigener Aktien analog § 202 I AktG auf 5 Jahre befristet?, NZG 2010, 172; Kort, Pflichten von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern beim Erwerb eigener Aktien zwecks Vorstandsvergütung, NZG 2008, 823; Kraft/Altvater, Die zivilrechtliche, bilanzielle und steuerrechtliche Behandlung des Rückkaufs eigener Aktien, NZG 1998, 448; Kropff, Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen der Ausschüttungssperre in § 268 Abs. 8 HGB, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 539; Kuhn, Arbitragegeschäfte der Aktienbanken in eigenen Aktien, NJW 1973, 833; Leuering, Der Rückerwerb eigener Aktien im Aktionsverfahren, AG 2007, 337; Martens, Erwerb und Veräußerung eigener Aktien im Börsenhandel, AG 1996, 337; Martens, Der Erwerb eigener Aktien zum Umtausch im Verschmelzungsverfahren, in: Festschrift für Karlheinz Boujong, 1996, S. 335; Mick, Aktien- und bilanzsteuerrechtliche Implikationen beim Einsatz von Eigenkapitalderivaten beim Aktienrückkauf, DB 1999, 1201; Möller, Rückerwerb eigener Aktien, 2005; Oechsler, Die Wertpapierleihe im Anwendungsbereich des § 71 AktG, AG 2010, 526; Oechsler, Die Änderung der Kapitalrichtlinie und der Rückerwerb eigener Aktien, ZHR 170 (2006), 72; Paefgen, Die Gleichbehandlung beim Aktienrückerwerb im Schnittfeld von Gesellschafts- und Übernahmerecht, ZIP 2002, 1509; Paefgen, Eigenkapitalderivate bei Aktienrückkäufen und Managementbeteiligungsmodellen, AG 1999, 67; Reichert/Harbarth, Veräußerung und Einbeziehung eigener Aktien, ZIP 2001, 1441; Rieckers, Ermächtigung des Vorstands zu Erwerb und Einziehung eigener Aktien, ZIP 2009, 700; Saria, Schranken beim Erwerb eigener Aktien nach § 71 I Nr. 8 AktG, NZG 2000, 458; Seibt/Brennkamp, Erwerb eigener Aktien und Ad-hoc-Publizitätspflicht, AG 2008, 469; Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung: die Vorstandspflichten bei unternehmerischen Entscheidungen der Hauptversammlung, 2003; Stallknecht/Schulze-Uebbing, Der Rückerwerb eigener Aktien durch nicht börsennotierte Aktiengesellschaften, AG 2010, 657; Tollkühn, Die Schaffung von Mitarbeiteraktien durch kombinierte Nutzung von genehmigtem Kapital und Erwerb eigener Aktien unter Einschaltung eines Kreditinstituts, NZG 2004, 594; Vetter, Gegenleistung beim Erwerb eigener Aktien mittels Call Optionen, AG 2004, 344; Vetter, Die Gegenleistung für den Erwerb eigener Aktien, AG 2003, 478; Wagner, Zur aktienrechtlichen Zulässigkeit von Share-Matching-Plänen, BB 2010, 1739; Ziebe, Die Regelung des Erwerbs eigener Aktien in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, AG 1982, 175; Zöllner, Gerechtigkeit bei der Kapitalerhöhung, AG 2002, 585.
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§ 71
Erwerb eigener Aktien Übersicht
I. Bedeutung der Norm ....................... 1 II. Regelungsgehalt ............................... 3 III. Erwerbsverbot ................................... 4 1. Erfasste Gestaltungen ........................ 5 2. Rechtsfolgen ...................................... 7 IV. Ausnahmetatbestände (§ 71 Abs. 1) ....................................... 9 1. Schadensabwehr (§ 71 Abs. 1 Nr. 1) ........................... 10 2. Belegschaftsaktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 2) ........................... 13 3. Bedienung von Abfindungsansprüchen (§ 71 Abs. 1 Nr. 3) ...... 15 4. Unentgeltlicher Erwerb, Einkaufskommission (§ 71 Abs. 1 Nr. 4) ........................... 17 a) Unentgeltlicher Erwerb ............ 17 b) Einkaufskommission ................. 18 5. Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs. 1 Nr. 5) ........................... 19 6. Erwerb zur Einziehung (§ 71 Abs. 1 Nr. 6) ........................... 20 7. Wertpapierhandel von Kreditinstituten (§ 71 Abs. 1 Nr. 7) ......... 21 8. Ermächtigung der Hauptversammlung (§ 71 Abs. 1 Nr. 8) ... 22 a) Vorstandsermächtigung ............ 23 aa) Festlegung des niedrigsten und höchsten Gegenwertes für den Erwerb ........................... 24 I.
bb) Höchstdauer ............................... 27 cc) Höchstbetrag .............................. 28 dd) Rückerwerbszweck .................... 29 (1) Kompetenz ................................. 29 (2) Beispiele ...................................... 30 (3) Kein Handel mit eigenen Aktien ......................................... 33 b) Erwerb und Veräußerung der eigenen Aktien ..................... 34 aa) Gleichbehandlungsgebot ........... 35 (1) Rückerwerb ................................. 36 (2) Weiterveräußerung ..................... 39 bb) Erwerb und Veräußerung über die Börse ............................. 40 (1) Rückerwerb ................................. 42 (2) Weiterveräußerung ..................... 43 V. Weitere Erwerbsschranken (§ 71 Abs. 2) ..................................... 46 1. Maximaler Erwerb ............................ 47 2. Rücklagenbildung ............................. 48 3. Volleinzahlungsgebot ....................... 50 4. Verdeckte Gewinnausschüttungen .................... 51 a) Erwerbspreis ............................... 52 b) Verkaufserlös .............................. 53 VI. Aktionärsinformation (§ 71 Abs. 3 Satz 1) .......................... 54 VII. Rechtsfolgen des zulässigen Erwerbs (§ 71 Abs. 3 Satz 2) ........... 56
Bedeutung der Norm
1 Die Norm ordnet an, in welchen Fällen die AG ausnahmsweise eigene Aktien erwerben darf. Sie wird ergänzt durch die §§ 71a – e, welche das Erwerbsverbot näher konkretisieren und Umgehungssachverhalte mit einbeziehen sowie durch das Zeichnungsverbot gemäß § 56. Das Verbot, eigene Aktien zu erwerben, und die katalogartigen Ausnahmen hiervon sind zentraler Bestandteil der Kapitalrichtlinie aus dem Jahr 1978 (vgl. Art. 19 – 24a, 39).1) Die hierauf beruhenden §§ 71 – 71e wurden 1978 eingeführt und in der Zwischenzeit mehrfach geändert.2) Der Regelungskomplex war in Deutschland zuvor lediglich rudimentär ausgeprägt; vgl. auch § 33 GmbHG. 2 Das zentrale Schutzanliegen der §§ 71 ff. ist ein Doppeltes: Würde man den Erwerb eigener Aktien zulassen, wäre hierdurch bei nicht voll eingezahlten Anteilen die Kapitalaufbringung obsolet, weil die AG Schuldnerin und Gläubigerin der Einlageforderung wäre; vor allem aber würde der Erwerbspreis eine unzulässige Einlagenrückgewähr gemäß § 57 _____________ 1) 2)
406
Vgl. Hüffer, NJW 1979, 1065, 1069. Überblick über die Entstehungsgeschichte bei K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 10 ff.; zu Umsetzungsdefiziten anlässlich der im Jahr 2006 geänderten Kapitalrichtlinie Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 34.
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§ 71
Erwerb eigener Aktien
bedeuten. Zum anderen verschieben eigene Aktien das Kompetenzgefüge in der AG, indem der Vorstand als ihr Vertreter Befugnisse erlangt, die an sich den Aktionären in der Hauptversammlung zustehen (sog. Verwaltungsstimmrecht). Insofern bestehen rechtspolitisch dem Grunde nach kaum Bedenken gegen das Verbot und seine Ausnahmen, wenngleich andere Rechtsordnungen dies teilweise liberaler handhaben.3) § 71 ist kein Schutzgesetz zugunsten der Aktionäre i. S. von § 823 Abs. 2 BGB und kann auch nicht zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs der Aktionäre gemäß § 1004 BGB gegen die verbotene Aktienausgabe herangezogen werden.4) II.
Regelungsgehalt
§ 71 Abs. 1 begründet ein Erwerbsverbot für eigene Aktien, soweit nicht einer der genann- 3 ten Erlaubnistatbestände eingreift. Liegt eine derartige Erlaubnis nicht vor, ist der Aktienerwerb gemäß § 71 Abs. 4 nicht unwirksam, wohl aber das zugrunde liegende Kausalgeschäft. Aus den verbotenerweise erworbenen eigenen Aktien stehen der AG gemäß § 71b keine Rechte zu; der Vorstand ist gemäß § 71c verpflichtet, die Aktien alsbald zu veräußern, ansonsten kommt es zur Einziehung gemäß § 237. Das Erwerbsverbot erfasst als Umgehungstatbestände auch die Finanzierung des Anteilserwerbs durch die AG (§ 71a) sowie den Aktienerwerb zurechenbarer Dritter (§ 71d); für die Inpfandnahme eigener Aktien gilt § 71e. § 71 Abs. 2 begrenzt die in § 71 Abs. 1 Nr. 1–8 genannten Erlaubnistatbestände im Hinblick auf das Gesamtvolumen der eigenen Aktien, sichert über die Rücklagenpflicht die Kapitalerhaltung und gewährleistet durch das Volleinzahlungsgebot die reale Kapitalaufbringung. § 71 Abs. 3 begründet wesentliche Informationspflichten des Vorstands gegenüber der Hauptversammlung. Bei börsennotierten AG sind im Kontext des Erwerbs eigener Aktien ergänzend die kapitalmarktrechtlichen Regelungen gemäß WpHG (Insiderrecht, Ad hoc-Publizität, Markmanipulation) und Safe Harbor-VO zu beachten.5) Vgl. zu §§ 71 ff. auch die Ordnungswidrigkeit gemäß § 405 Abs. 1 Nr. 4. III.
Erwerbsverbot
Die AG darf keine eigenen Aktien erwerben, soweit dies nicht durch die Ausnahme- 4 tatbestände nach § 71 Abs. 1 und Abs. 2 erlaubt ist. Die Regelung ist zwingend. 1.
Erfasste Gestaltungen
Die Regelung betrifft nur den derivativen Erwerb existenter eigener Aktien; für die 5 Aktienübernahme (§ 23 Abs. 2 Nr. 2) und Zeichnung (§ 185) gilt § 56. Das Verbot erstreckt sich auf alle Aktien, unabhängig von ihrer Art (Gattung i. S. von § 11, Namens- oder Inhaberaktie i. S. von § 10; Zwischenscheine) oder rechtlichen Ausgestaltung, insbesondere der Verbriefung. Der erfasste Erwerb ist zum einen dinglich zu sehen, mithin die Einräumung der Aktionärsstellung durch Übereignung (§ 929 BGB) oder Abtretung (§§ 398, 413 BGB). Es spielt keine Rolle, wie lange die Rechtsübertragung stattfinden soll.6) Auch die schuldrechtliche causa ist unerheblich (Kauf, Tausch, Schenkung, Leihe, Sachdarlehen, Treuhand, Gesamtrechtsnachfolge, Zwangsvollstreckung);7) vgl. aber die hieran unterschiedlich anknüpfenden Erlaubnistatbestände sowie die Unwirksamkeit derartiger Abreden gemäß § 71 Abs. 4 Satz 2 (siehe unten Rz. 56 f.). Es genügt, wenn die AG Mitinhaber _____________ 3) 4) 5) 6) 7)
Rechtsvergleichende Hinweise z. B. bei Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 45 ff.; ausführlich zur ökonomischen Betrachtung Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 1 ff. LG Memmingen, Urt. v. 11.8.2010 – 2 HK O 515/10, GWR 2010, 455. Hierzu ausführlich Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 160 ff. Vgl. zum Sicherungseigentum Oechsler, AG 2010, 526. Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 35 ff.
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§ 71
Erwerb eigener Aktien
der Aktien wird (vgl. § 69);8) für den Aktienerwerb Dritter folgt der Umgehungsschutz aus § 71d; für die Inpfandnahme eigener Aktien gilt § 71e. Die bloße Erlangung von Verfügungsbefugnis über eigene Aktien – z. B. i. R. der Verkaufskommission gemäß § 383 Abs. 1 HGB – fällt nicht unter das Erwerbsverbot.9) 6 Die bloß schuldrechtliche Möglichkeit oder gar Pflicht, eigene Aktien zu erwerben, fällt ebenfalls unter das Verbot, da § 71 Abs. 4 Satz 2 die Unwirksamkeit derartiger Verträge anordnet (str.).10) Dies gilt entgegen der h. M. auch für das Bezugsrecht i. S. von § 18611) und den Erwerb von Options- oder Wandelschuldanleihen.12) Die genannten Rechte können jedoch i. R. eines der Erlaubnistatbestände erworben werden. Dividendenscheine und Genussrechte kann die AG ohne weiteres erwerben.13) 2.
Rechtsfolgen
7 Kommt es zum verbotenen Erwerb, ist der dingliche Rechtserwerb gemäß § 71 Abs. 4 Satz 1 nicht unwirksam. Die AG wird Aktionärin; ihr stehen im Hinblick auf die verbotenerweise erworbenen eigenen Aktien jedoch gemäß § 71b keine Rechte zu. Der Vorstand macht sich nach § 93 Abs. 3 Nr. 3 schadensersatzpflichtig;14) ggf. auch wegen verbotener Einlagenrückgewähr nach § 93 Abs. 3 Nr. 1; vgl. zudem die Ordnungswidrigkeit gemäß § 405 Abs. 1 Nr. 4 lit. a. Der Vorstand ist gemäß § 71c zudem verpflichtet, die Aktien alsbald zu veräußern, ansonsten kommt es zur Einziehung gemäß § 237. 8 Nach § 71 Abs. 4 Satz 2 sind die schuldrechtlichen Geschäfte über den verbotenen Erwerb nichtig (Ausnahmen gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 1, 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG). Die AG hat keine Erfüllungsansprüche.15) Der Aktienerwerb ist gemäß §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln.16) Gegen den Veräußerer besteht zudem ein Anspruch aus §§ 57, 61 auf Erstattung des Erwerbspreises. Nach § 71a Abs. 2 sind auch die Rechtsgeschäfte nichtig, die die AG mit einem auf ihre Rechnung handelnden Dritten schließt, wenn der hierdurch geregelte Aktienerwerb gegen die § 71 Abs. 1 und Abs. 2 verstoßen würde (Einzelheiten dort). IV.
Ausnahmetatbestände (§ 71 Abs. 1)
9 § 71 Abs. 1 und Abs. 2 sehen wie die Vorgaben der Kapitalrichtlinie zwingend einen – komplizierten – abschließenden Katalog der Erlaubnistatbestände vor. Die Beweislast für das Vorliegen obliegt demjenigen, der sich darauf beruft.17)
_____________ 8) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 73. 9) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 42. 10) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 73; abw. etwa Mick, DB 1999, 1201, 1202; vgl. zu Call-Optionen Vetter, AG 2003, 478, 479; vgl. auch LG Göttingen, Urt. v. 6.1.1992 – 8 O 123/91, WM 1992, 1374 – keine Erfüllungsansprüche aus nichtigem Vertrag. 11) Abw. aber Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 42. 12) Abw. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 94; zum Erwerb von Derivaten Johannsen-Roth, ZIP 2011, 407. 13) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 91; Hüffer, AktG, § 71 Rz. 5. 14) Vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15.2.2008 – 10 U 90/07, NZG 2008, 836; OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386 = NZG 2010, 141; Huber in: FS Duden, S. 137, 144 f.; Kort, NZG 2008, 823. 15) LG Göttingen, Urt. v. 6.1.1992 – 8 O 123/91, WM 1992, 1374 f. 16) Einzelheiten bei K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 87. 17) Einzelheiten bei K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 90 ff.
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§ 71
Erwerb eigener Aktien 1.
Schadensabwehr (§ 71 Abs. 1 Nr. 1)
Der Erwerb eigener Aktien ist gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 1 zulässig, wenn er notwendig ist, einen 10 schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der AG abzuwenden. Die Regelung ist eng auszulegen. Erforderlich ist, dass die rechtliche Existenz der AG konkret gefährdet ist und der Erwerb der eigenen Aktien aus der ex ante-Perspektive ein – ggf. neben anderen Maßnahmen – zwingend notwendiges und auch objektiv geeignetes Mittel ist, diese Folge abzuwenden. In diesen engen Grenzen kann es z. B. ausnahmsweise zulässig sein, Stützungskäufe zu 11 tätigen, um die Kreditgefährdung durch einen gezielten Baisseangriff zu vermeiden.18) Die bloße Kurspflege ist demgegenüber kein Erlaubnistatbestand,19) die Gewinnerzielung mit dem Handel eigener Aktien erst recht nicht (vgl. insofern auch § 71 Abs. 2 Satz 2, siehe unten Rz. 48 f.). Die drohende Überfremdung der AG genügt ebenfalls nicht (str.);20) selbst dann nicht, wenn feststeht, dass der künftige Mehrheitsaktionär die AG – legal! – ausplündern oder auflösen möchte (str.).21) Die Ausübung von Aktionärsrechten ist durch Art. 14 GG geschützt, so dass es kein Eigeninteresse der AG gibt, sich vor Auflösung durch ihre Aktionäre zu wehren. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn der künftige Aktionär gesetzeswidrig handeln will und damit die Auflösung gemäß § 397 droht. In der Praxis ist wegen der Rechtsunsicherheit, ob ein Erlaubnistatbestand nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 vorliegt oder nicht, zu einem Vorgehen nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 zu raten, wenn die vorgenannten Maßnahmen sinnvoll erscheinen. Zu den sonstigen Erwerbsgrenzen nach § 71 Abs. 2 siehe unten Rz. 46 ff.; zur Aktionärs- 12 information siehe Rz. 54 f. Ist der Aktienerwerb hiernach ausnahmsweise zulässig, folgt aus dem generellen Verbot des Erwerbs eigener Aktien die Vorstandspflicht, die Aktien wieder zu veräußern, wenn der Schaden von der AG abgewendet wurde. Einzelheiten siehe bei § 71c Rz. 3. 2.
Belegschaftsaktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 2)
Nach § 71 Abs. 1 Nr. 2 ist der Erwerb eigener Aktien zulässig, wenn im Zeitpunkt des 13 Erwerbs die objektiv nachvollziehbare Absicht besteht, die Aktien (ggf. ehemaligen) Arbeitnehmern der AG oder eines mit ihr gemäß § 15 verbundenen Unternehmens zum Erwerb anzubieten.22) Aktien an Organmitglieder (Vorstand, Aufsichtsrat, Geschäftsführer) werden ausweislich der Gesetzesmotive nicht erfasst.23) Insofern kommt jedoch ein Rückerwerb über § 71 Abs. 1 Nr. 8 in Betracht (siehe unten Rz. 22 ff.). Zu den sonstigen Erwerbsgrenzen nach § 71 Abs. 2 siehe unten Rz. 46 ff.; zur Aktionärsinformation siehe Rz. 54 ff. Ist der Aktienerwerb hiernach zulässig, hat der Vorstand diese innerhalb eines Jahres an 14 die Arbeitnehmer auszugeben (§ 71 Abs. 3 Satz 2). Kommt es hierzu nicht (vollständig), folgt aus dem generellen Verbot des Erwerbs eigener Aktien die Vorstandspflicht, die Aktien wieder zu veräußern.24) Einzelheiten siehe § 71c Rz. 3. Als Alternative zum Rückerwerb eigener Aktien für die Belegschaft bietet sich stets auch die (privilegierte) Kapitalerhöhung _____________ 18) Hüffer, AktG, § 71 Rz. 9. 19) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 104; liberaler Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 55. 20) H. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 57; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 57; abw. Kuhn, NJW 1973, 833. 21) Abw. aber Raiser/Veil, § 19 Rz. 18 für den Fall, dass ein Konkurrent Aktien erwerben will. 22) Zur Entwicklung ausführlich Hüffer, ZHR 161 (1994), 214, 220 ff.; zu sog. Share Matching-Plänen Wagner, BB 2010, 1739. 23) Kort, NZG 2008, 823, 824; vgl. zur unzulässigen Umgehung durch Einschaltung Dritter LG Mainz, Urt. v. 27.8.2004 – 11 HKO 16/04, NZG 2005, 325. 24) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 59.
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Erwerb eigener Aktien
unter Bezugsrechtsausschluss gemäß §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 3 Nr. 4, 202 Abs. 4, 205 Abs. 5 an.25) Die Ausgabe von Belegschaftsaktien bedarf der betrieblichen Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG (str.).26) 3.
Bedienung von Abfindungsansprüchen (§ 71 Abs. 1 Nr. 3)
15 Ist die AG nach Konzern- oder Umwandlungsrecht zur Abfindung außenstehender Gesellschafter (rechtsformneutral!) verpflichtet (§§ 305 Abs. 2, 320 b; §§ 29 Abs. 1, 125 Satz 1 i. V. m. § 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG), darf sie hierzu gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 3 eigene Aktien erwerben. Es ist ausreichend, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs die objektiv nachvollziehbare Notwendigkeit besteht, die hieraus resultierenden Abfindungsansprüche zu bedienen. Ex ante betrachtet kommt es auf eine realistische Schätzung an. Die Erlaubnis greift nicht erst dann, wenn die an der Umwandlung bzw. Konzernierung beteiligten Gesellschaften die notwendigen Gesellschafterbeschlüsse bereits gefasst haben (str.).27) Stellt sich nachträglich heraus, dass zu viele Aktien erworben wurden, folgt aus dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien die Vorstandspflicht, die Aktien wieder zu veräußern. Einzelheiten siehe § 71c Rz. 3. Zu den sonstigen Erwerbsgrenzen nach § 71 Abs. 2 siehe unten Rz. 46 ff.; zur Aktionärsinformation siehe Rz. 54 ff. 16 Über den Wortlaut von § 71 Abs. 1 Nr. 3 hinaus greift der Erlaubnistatbestand auch in anderen Fällen:28) Dies betrifft zum einen das Delisting, wenn die AG die Aktien der Austrittswilligen übernimmt.29) Weiterhin erfasst sind auch Abfindungsansprüche i. R. einer Verschmelzung gemäß § 62 UmwG.30) Ist die AG i. R. der Prospekthaftung (§ 45 BörsG) verpflichtet, die Aktien des getäuschten Anlegers zu übernehmen (Naturalrestitution), kann hierauf ebenfalls § 71 Abs. 1 Nr. 3 entsprechend angewendet werden.31) Auch hier gilt, dass der Vorstand verpflichtet ist, die erhaltenen Aktien wieder zu veräußern. Einzelheiten siehe § 71c Rz. 3. 4.
Unentgeltlicher Erwerb, Einkaufskommission (§ 71 Abs. 1 Nr. 4)
a)
Unentgeltlicher Erwerb
17 Nach § 71 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 ist der unentgeltliche Erwerb zulässig. Die praktisch wohl kaum anzutreffenden Fälle sind die Erfüllung eines Schenkungsversprechens (§ 516 BGB) sowie der Erwerb aufgrund Vermächtnisses (§ 1939 BGB).32) Es darf auch nicht mittelbar eine Gegenleistung der AG erfolgen (wirtschaftliche Betrachtung).33) Die ratio legis dieser Ausnahme überzeugt kaum. Zu einer verbotenen Einlagenrückgewähr kann es mangels Gegenleistung zwar nicht kommen; die Gefahr des kompetenzwidrigen Verwaltungsstimmrechts besteht jedoch auch hier. Es ist daher unverständlich, warum der Gesetzgeber in § 71 Abs. 2 nicht weitere Erwerbsgrenzen aufgestellt hat. Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 3 _____________ 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31)
32) 33)
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Zu den Vor- und Nachteilen instruktiv Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 65. H. M. vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 63; abw. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 142. Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 71 AktG Rz. 5; Hüffer, AktG, § 71 Rz. 14. Martens in: FS Boujong, S. 335, 336 ff. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 67; vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 = ZIP 2003, 387. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 72. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 67 unter Hinweis auf OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.2.2006 – 5 U 78/04, AG 2006, 584. Vgl. auch BGH, Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 (EM.TV), ZIP 2005, 1270 = NZG 2005, 672. Vgl. zur Schenkung zu Sanierungszwecken Ziebe, AG 1982, 175, 177. Etwaige Steuerlasten der AG infolge des Erwerbs bleiben hingegen unberücksichtigt; Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 166.
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ist lediglich der Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien unzulässig. Der Vorstand ist jedenfalls i. R. seiner allgemeinen Zweckbindung gehalten, die Aktien alsbald wieder zu verkaufen, um mit dem erzielten Erlös den Unternehmensgegenstand sinnvoll auszuführen (Einzelheiten siehe § 71c Rz. 3). b)
Einkaufskommission
Ist die AG ein Kreditinstitut (vgl. § 1 Abs. 1 KWG), ist mittels des Aktienerwerbs auch 18 die Ausführung einer Einkaufskommission zulässig. Die Ausnahme resultiert daraus, dass die AG in diesen Fällen bestimmungsgemäß nur kurzzeitig eigene Aktionärin ist (Durchgangserwerb). Erforderlich ist aber stets, dass der betreffende Kommissionsvertrag (§ 383 Abs. 1 HGB) mit dem Dritten bereits vor dem Erwerb geschlossen wurde, er mithin nur „ausgeführt wird“.34) Bei der Verkaufskommission gilt § 71 insgesamt nicht, weil die AG nur die Verfügungsbefugnis i. S. von § 185 BGB erlangt und damit nicht Aktionärin wird.35) 5.
Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs. 1 Nr. 5)
Der Aktienerwerb aufgrund Gesamtrechtsnachfolge ist gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 5 grenzenlos 19 zulässig. § 71 Abs. 2 sieht insofern keine Erwerbsgrenzen vor; auch nicht voll eingezahlte Aktien dürfen hierüber erworben werden. Erfasst ist ohne weiteres die Erbschaft gemäß § 1922 BGB, was beim Tod des Alleinaktionärs eine „Kein-Mann-Gesellschaft“ begründet. Weitere Fälle sind die Verschmelzung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG und die Anwachsung gemäß § 140 Abs. 1 Satz 2 HGB.36) Hierbei und bei den darüber hinaus möglichen Fällen nach UmwG (vor allem Spaltung und Ausgliederung) ist eine Einbeziehung zumindest dann abzulehnen, wenn es sich um eine Umgehungskonstellation handelt, die darauf zielt das Erwerbsverbot auszuhöhlen. Die Einzelheiten sind insofern noch nicht abschließend geklärt.37) Der Vorstand ist jedenfalls i. R. seiner allgemeinen Zweckbindung gehalten, die Aktien alsbald wieder zu verkaufen, um mit dem erzielten Erlös den Unternehmensgegenstand sinnvoll auszuführen (Einzelheiten siehe § 71c Rz. 3). 6.
Erwerb zur Einziehung (§ 71 Abs. 1 Nr. 6)
Nach § 71 Abs. 1 Nr. 6 ist der Erwerb – grenzenlos, vgl. § 71 Abs. 2 – auch zulässig auf- 20 grund eines vorherigen Hauptversammlungsbeschlusses zur Einziehung der Aktien infolge Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff., insbesondere § 237 Abs. 1 Satz 1).38) Welche Aktien erworben werden, kann die Hauptversammlung festlegen; § 53a ist zu beachten.39) Kommt es hiernach nicht zur Einziehung, ist der Vorstand gehalten, die erworbenen Aktien alsbald wieder zu verkaufen. Einzelheiten siehe § 71c Rz. 3. 7.
Wertpapierhandel von Kreditinstituten (§ 71 Abs. 1 Nr. 7)
Bei Kreditinstituten (§ 1 Abs. 1 KWG), Finanzdienstleistungsinstituten (§ 1 Abs. 1a KWG) 21 und Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KWG) ist der Erwerb eigener Aktien aufgrund Hauptversammlungsbeschlusses auch möglich, um hierüber Wertpapierhandel zu betreiben. Die Ermächtigung muss sich ausdrücklich auf den Erwerb in den Handelsbestand beziehen und darf höchstens fünf Jahre gelten. Im Beschluss müssen ferner der Mindest- und _____________ 34) 35) 36) 37) 38) 39)
K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 70. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 78. Einhellige Meinung, vgl. Hüffer, AktG, § 71 Rz. 18; Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 152. Vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 80. Zur Durchführung im Einzelnen Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 82; Rieckers, ZIP 2009, 700. Martens, AG 1996, 337.
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Höchsterwerbspreis festgelegt werden sowie, dass der hierüber erzielte Handelsbestand der AG 5 % des Grundkapitals am Ende jeden Tages nicht übersteigen darf.40) Diese Obergrenze liegt unterhalb der in der (geänderten) Kapitalrichtlinie allein maßgeblichen Erwerbshöchstgrenze von 10 % (siehe unten Rz. 28). Spätestens mit Ablauf der Umsetzungsfrist am 15.4.2008 liegt somit in Deutschland in Bezug auf die 5 %-Erwerbsgrenze gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 7 eine europarechtswidrige Regelung vor.41) Die Ermächtigung kann daher auch ein größeres Erwerbsvolumen vorsehen. 8.
Ermächtigung der Hauptversammlung (§ 71 Abs. 1 Nr. 8)
22 Die in der Praxis wichtigste Ausnahme vom Erwerbsverbot begründet § 71 Abs. 1 Nr. 8. Hiernach kann die Hauptversammlung den Vorstand auch ohne gesetzlich vorgeprägte Zielvorgabe zum Erwerb ermächtigen. Der kapitalmarktorientierten AG steht hiermit ein relativ flexibles Instrument bereit, über den gezielten Aktienerwerb und -verkauf Kursschwankungen zum eigenen Vorteil auszunutzen oder auf die Preisbildung an der Börse Einfluss zu nehmen. Der Erwerb muss nicht durch die AG selbst erfolgen, sondern kann gemäß § 71d auch über einen mittelbaren Stellvertreter/Treuhänder oder ein Konzernunternehmen abgewickelt werden. a)
Vorstandsermächtigung
23 Zwingend erforderlich ist ein Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 133, der mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann.42) Der Beschluss muss im Vorfeld des Erwerbs erfolgen; eine nachträgliche Legalisierung des Erwerbs ist nicht möglich. Inhaltlich muss der Beschluss folgende Vorgaben enthalten: aa)
Festlegung des niedrigsten und höchsten Gegenwertes für den Erwerb
24 Erforderlich ist die Festlegung des niedrigsten und höchsten Gegenwerts, zu dem der Vorstand die Aktien erwerben darf. Die Regelung entspricht Art. 19 Abs. 1 lit. a der Kapitalrichtlinie. Es kann hierbei eine betragsmäßige Fixierung erfolgen („mind. 20 €, höchstens 30 €“); zulässig ist auch, die Obergrenze anhand einer relativen Bezugnahme auf einen hypothetischen (späteren) Börsenkurs festzulegen.43) 25 Sieht man in diesem Erfordernis – wie vielfach44) – eine nicht gerechtfertigte Einengung der an sich gewünschten Flexibilität des Rückerwerbs, wird verkannt, dass § 71 Abs. 1 Nr. 8 eine Ausnahme vom Erwerbsverbot darstellt und nicht den Regelfall. Betrachtet man nämlich die Vermögensinteressen der Aktionäre, begründet der Rückerwerb stets die Gefahr, dass ihre Beteiligung verwässert wird – sei es beim Erwerb der eigenen Aktien durch einen zu hohen Preis, sei es bei der nachträglichen Veräußerung durch einen zu niedrigen Preis. Beiden Gefahren wird natürlich durch die Pflichtenbindung des Vorstands einigermaßen begegnet; gleichwohl ist es wie bei der Kapitalerhöhung wichtig, den Aktionären zumindest die Möglichkeit zu bieten, dem Vorstand engere Vorgaben zu machen (Art. 14 GG). Dies gilt vor allem deswegen, weil hierüber die – im Ausgangspunkt durchaus sinnvolle und nicht stets missbräuchlich ausgenutzte! – Möglichkeit der _____________ 40) Einzelheiten bei Butzke, WM 1995, 1389, 1392. 41) Cahn, Der Konzern 2007, 385, 392 f.; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 34, 87; vgl. auch Oechlser, ZHR 170 (2006), 72, 73 ff. 42) Vgl. zur Ad hoc-Mitteilungspflicht Seibt/Brennkamp, AG 2008, 469. 43) Vgl. LG München I, Urt. v. 18.12.2008 – 5 HKO 11182/08, ZIP 2009, 568 = NZG 2009, 388; zum Ganzen Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 109; Vetter, AG 2004, 344. 44) Zur Kritik statt anderer K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 21 – „ziemlich unsinnig“.
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vorherigen Beschlussanfechtung besteht, was die Minderheit schützt.45) Zudem ist zu bedenken, dass es die Aktionäre ja selbst in der Hand haben, eine adäquate Preisspanne festzulegen; lediglich völlig an den gegebenen und vorhersehbaren Kursentwicklungen vorbeigehende Gestaltungen sollten insofern einen Anfechtungsgrund begründen. Schließlich ist eine maximal 10 %-ige Abweichung beim späteren Erwerb durchaus noch als zulässig anzusehen, um die praktische Durchführbarkeit nicht über Gebühr einzuschränken.46) Für die spätere Weiterveräußerung sieht das Gesetz keine Notwendigkeit, den Preis be- 26 reits im Hauptversammlungsbeschluss festzusetzen. Der Vorstand hat diesen auf der Grundlage seiner allgemeinen Pflichtenbindung unter Beachtung des Verbots der Einlagenrückgewähr festzusetzen (siehe unten Rz. 51). Die Hauptversammlung kann jedoch im Ermächtigungsbeschluss Vorgaben für die Weiterveräußerung festlegen.47) bb)
Höchstdauer
Die Ermächtigung darf auf höchstens fünf Jahre erteilt werden (str.); andernfalls sind der 27 Beschluss gemäß § 241 Nr. 3 nichtig48) und der hierauf beruhende Aktienerwerb rechtswidrig (zu den Folgen siehe oben Rz. 7 f.). Die Frist entspricht dem neu gefassten Art. 19 Abs. 1 lit. a der Kapitalrichtlinie; bis zum Jahr 2006 betrug sie 18 Monate, was von der Praxis als unzureichend erachtet wurde. Es ist zulässig, verschiedene Ermächtigungen hintereinander zu beschließen, um so fortlaufend die Möglichkeit zum Aktienrückerwerb zu haben.49) Zu beachten sind insofern jedoch die summenmäßigen Höchstgrenzen von 10 % des Grundkapitals (siehe sogleich Rz. 28 und unten Rz. 47). Die konkret gewollte Frist ist im Hauptversammlungsbeschluss festzulegen.50) cc)
Höchstbetrag
Nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 darf das durch die Ermächtigung gedeckte Erwerbsvolumen 28 maximal 10 % des Grundkapitals betragen (siehe auch die hiervon abzugrenzende Gesamthöchstgrenze für den Rückerwerb gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1, unten Rz. 47). Die Regelung beruht auf der Kapitalrichtlinie, deren Art. 19 Abs. 1 lit. i auch in der geänderten Fassung den Mitgliedsstaaten die Festlegung einer Höchstgrenze von 10 % des Grundkapitals ermöglicht. Maßgeblich ist die Grundkapitalziffer (§ 23 Abs. 3 Nr. 3) im Zeitpunkt der Beschlussfassung; für eine bereits erfolgte bedingte Kapitalerhöhung gilt § 200 (Zahl der bereits ausgegebenen Aktien).51) Fehlt im Hauptversammlungsbeschluss die Angabe eines maximalen Erwerbsvolumens oder ist das gewählte unzulässig, sind der Beschluss gemäß § 241 Nr. 3 nichtig52) und der hierauf beruhende Aktienerwerb rechtswidrig (zu den Folgen siehe oben Rz. 7 f.).
_____________ 45) Ähnlich, Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 6 Rz. 184: Einschaltung der Hauptversammlung soll für Kontrolle des Erwerbspreises sorgen. 46) Vgl. LG Berlin, Urt. v. 15.11.1999 – 99 O 83/99, AG 2000, 328, 329. 47) Vgl. LG München I, Urt. v. 18.12.2008 – 5 HKO 11182/08, ZIP 2009, 568 = NZG 2009, 388 – für die Weiterveräußerung „nur unwesentlich unter dem aktuellen Börsenkurs“ in Anlehnung an § 186 Abs. 3 Satz 4; ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 30.12.2004 – 11 U 98/04, ZIP 2005, 1074 = NZG 2005, 218. 48) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 107; abw. Kocher, NZG 2010, 172. 49) Unstreitig, vgl. nur Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 175. 50) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 19. 51) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 193. 52) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 204; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 103.
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Erwerb eigener Aktien
dd)
Rückerwerbszweck
(1)
Kompetenz
29 Indem das Gesetz keine Vorgaben über die zulässigen Erwerbszwecke macht, kann die Hauptversammlung hierüber weitgehend frei entscheiden. Der Rückerwerbszweck kann entweder im Hauptversammlungsbeschluss festgelegt werden, woran der Vorstand gemäß § 83 Abs. 2 gebunden ist, wenn er von der Ermächtigung Gebrauch macht (zur Entscheidungsfreiheit des Vorstands über das „Ob“ des Rückerwerbs siehe unten Rz. 34). Zulässig ist es auch, den Rückerwerbszweck offenzulassen und ihn der Konkretisierung durch den Vorstand zu überlassen.53) Letzteres erfordert, dass der Vorstand i. R. seiner Pflichtenbindung (kein Ermessen!) entscheidet, ob und wie der Rückerwerb geboten ist, um die Eigenkapitalrendite zu steigern.54) Die Beteiligung des Aufsichtsrats am Rückerwerb kann nach h. M. im Hauptversammlungsbeschluss an die Zustimmung des Aufsichtsrats geknüpft werden.55) Dem ist wegen des Vorrangs von § 111 Abs. 4 aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu folgen.56) (2)
Beispiele
30 Der wohl wichtigste Rückerwerbszweck ist die sog. Kapitalherabsetzung auf Zeit, um hierüber den fallenden Kurs zu stabilisieren oder eine Steigerung des Börsenkurses herbeizuführen (Kurspflege).57) Zu beachten sind insbesondere bei dieser Möglichkeit jedoch das Verbot, mit eigenen Aktien zu handeln (siehe sogleich Rz. 33) und die verbotene Marktpreismanipulation, vgl. aber § 20a Abs. 3 WpHG.58) 31 Möglich ist es auch, dass die rückerworbenen Aktien zur Befriedigung von stock options an Führungskräfte – Vorstand, Arbeitnehmer – verwendet werden, wenn nicht der Weg über die bedingte Kapitalerhöhung gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 4 gegangen werden soll. Abweichend vom Regelfall (siehe oben Rz. 29) bedarf es für die Rückerwerbsermächtigung jedoch eines sich ausdrücklich hierauf beziehenden Hauptversammlungsbeschlusses, der vor allem auch die Eckdaten des Aktienoptionsplans umschreibt.59) Über § 71 Abs. 1 Nr. 8 dürfen jedoch nicht Aktienoptionspläne für Aufsichtsratsmitglieder bedient werden, weil dies nach dem vergleichbaren § 192 Abs. 2 Nr. 3 unzulässig ist.60) 32 Im Rahmen einer feindlichen Übernahme wird der Rückerwerb gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 allgemein als zulässiges und probates Abwehrmittel gesehen;61) hierbei ist jedoch § 33 WpHG zu beachten. Schließlich sieht § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 ausdrücklich vor, dass die
_____________ 53) LG Berlin, Urt. v. 15.11.1999 – 99 O 83/99, AG 2000, 328, 329; K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 17; zweifelnd OLG München, Beschl. v. 28.01.2002 – 7 W 814/01, ZIP 2002, 1353 = AG 2003, 163. 54) Zur Bindung des Vorstands an das Gewinnziel ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 103 ff., 172 ff. 55) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 207; LG München I, Urt. v. 18.12.2008 – 5 HKO 11182/08, ZIP 2009, 568 = NZG 2009, 388; LG München I, Urt. v. 5.4.2012 – 5 HK O 20488/11, NZG 2012, 1152, 1153 = ZIP 2012, 2445. 56) So auch Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 98. 57) Grundlegend Huber in: FS Kropff, S. 101, 109; vgl. auch Habersack in: FS Lutter, S. 1329. 58) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 160 ff. 59) Einzelheiten bei K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 47 f.; vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 15.11.1999 – 99 O 83/99, AG 2000, 328. 60) BGH, Urt. v. 16.2.2004 – II ZR 316/02, BGHZ 158, 122 = ZIP 2004, 613; K. Schmidt/LutterBezzenberger, AktG, § 71 Rz. 49; krit. Hüffer, AktG, § 71 Rz. 19h. 61) Einzelheiten bei Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 100 ff.
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§ 71
Erwerb eigener Aktien
Hauptversammlung den Vorstand auch im Vorfeld ermächtigen kann, die rückerworbenen Aktien ohne weitere Beschlussfassung einzuziehen (§ 237 Abs. 1).62) (3)
Kein Handel mit eigenen Aktien
Nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 ist der Handel mit eigenen Aktien ausdrücklich als Erwerbszweck 33 ausgeschlossen. Die Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals ist heftig umstritten.63) Ein verbotener Handel mit eigenen Aktien liegt nur dann vor, wenn der Erwerbszweck darauf zielt, aus der Preisdifferenz zwischen An- und Verkauf Gewinne zu erzielen; er liegt hingegen nicht vor, wenn es darum geht, bereits durch den Ankauf der Aktien die Eigenkapitalrendite der AG zu steigern bzw. die AG vor Schaden zu bewahren. Ist Letzteres der Fall, ist es unschädlich, wenn der spätere Erwerb einen Kursgewinn realisieren lässt. b)
Erwerb und Veräußerung der eigenen Aktien
Der Beschluss begründet lediglich eine Ermächtigung; es besteht keine Pflicht des 34 Vorstands, die betreffenden Aktien zu erwerben.64) Letztlich entscheidet der Vorstand daher i. R. seiner allgemeinen Pflichtenbindung (kein Ermessen!) eigenverantwortlich, ob der Erwerb erfolgt oder nicht. Bei der konkreten Ausgestaltung ist diese Pflichtenbindung jedoch durch die von der Hauptversammlung festgelegte Preisspanne präzisiert (siehe oben Rz. 25) sowie ggf. durch die im Beschluss festgelegten Ziele des Rückerwerbs (siehe Rz. 29 ff.). Darüber hinaus gilt Folgendes: aa)
Gleichbehandlungsgebot
§ 71 Abs. 1 Nr. 8 besagt ausdrücklich, dass § 53a beim Rückerwerb und der späteren 35 Weiterveräußerung gilt.65) Die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist jedoch darüber hinaus bei allen Erwerbs- und Veräußerungstatbeständen geboten. (1)
Rückerwerb
Über die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beim Rückerwerb werden verschie- 36 dene Schutzzwecke befriedigt: Zum einen sollen nicht einige Aktionäre bevorzugt werden, indem z. B. bei engen Märkten oder fehlender Fungibilität den Begünstigten allein die Möglichkeit geboten wird, sich ihrer Aktienanlage gegen Entschädigung zu entledigen. Darüber hinaus geht es auch darum, dass der Vorstand über § 71 Abs. 1 Nr. 8 nicht in die Lage versetzt wird, Einfluss auf den Aktionärskreis zu nehmen.66) Letztlich ist daher – wie umgekehrt beim Ausschluss des Bezugsrechts – erforderlich, dass 37 der Vorstand allen Aktionären ein anteiliges Rückkaufangebot macht. Nehmen dieses nicht genügend Aktionäre an, ist an die Verbleibenden ein weiteres anteiliges Rückkaufangebot zu machen usw. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften dürfte dieses – durchaus komplizierte, aber dem Ausnahmecharakter des zulässigen Rückerwerbs gerecht werdende Verfahren – möglich sein; bei börsennotierten Gesellschaften kann von vornherein über die Börse zurückerworben werden (siehe Rz. 40). Über § 53a wird ausreichend Chancengleichheit bewirkt; ein darüber hinausgehendes Andienungsrecht der Aktionäre (individu-
_____________ 62) 63) 64) 65) 66)
v. Aerssen, WM 2000, 391, 394. Überblick bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 111. Kiem, ZIP 2000, 209, 211 f. Dies galt bereits vor dessen Einführung, vgl. LG Göttingen, Urt. v. 6.1.1992 – 8 O 123/91, AG 1993, 46. Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 116 ff.
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Erwerb eigener Aktien
eller Verkaufsanspruch) bedarf es richtigerweise nicht (str.).67) Die AG kann den Aktionären unter Beachtung von § 53a jedoch ein derartiges Recht einräumen.68) 38 Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann durchbrochen werden, wenn es einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung gibt (§ 53a Rz. 22 ff.). Beim Aktienrückerwerb dürfte hierfür wenig Raum bestehen. Denkbar ist jedoch z. B., dass nicht alle Aktionäre für einen durch das Gesellschaftsinteresse bedingten raschen Rückerwerb bereit stehen oder wenn von vornherein feststeht, dass manche Aktionäre ihre Aktien nicht hergeben werden. Bei börsennotierten AG dürfte dies jedoch ausgeschlossen sein.69) Im Hinblick auf den zu zahlenden Erwerbspreis scheidet eine Ungleichbehandlung ebenfalls kategorisch aus. (2)
Weiterveräußerung
39 Werden die Aktien wieder veräußert, gilt das Gleichbehandlungsgebot spiegelbildlich und entspricht dem bei der Kapitalerhöhung. Auch hier geht es darum, dass der Vorstand nicht einige Aktionäre bevorzugen darf bzw. eigenmächtig Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nimmt. Richtigerweise haben daher die Aktionäre im Veräußerungszeitpunkt ein gesetzliches Bezugsrecht analog § 186.70) Der Ausschluss desselben nach den Vorgaben der materiellen Beschlusskontrolle71) ist wegen des ausdrücklichen Verweises auf § 186 Abs. 3 möglich.72) Zum angemessenen Veräußerungspreis siehe unten Rz. 53. bb)
Erwerb und Veräußerung über die Börse
40 Bei Publikumsgesellschaften kann die Gleichbehandlung der Aktionäre grosso modo über die Börse gewahrt werden. § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 erkennt dies an und besagt, dass der Rückerwerb und die Weiterveräußerung der Aktien über die Börse das Gleichbehandlungsgebot wahren. Dies ist im Ausgangspunkt zu begrüßen, denn bei einem funktionierenden und vor allem liquiden Aktienmarkt können die Aktionäre durch Ver- und Zukäufe ihre Interessen mindestens ebenso verwirklichen wie über einen individuell begründeten Anspruch auf Gleichbehandlung. Gleichwohl geht der Wortlaut von § 71 Abs. 1 Nr. 8 zu weit.73) Gibt es für die Aktien der AG kaum einen Handel oder ist der Preis verzerrt, kann die über den Kapitalmarkt verwirklichte Gleichbehandlung nicht gewährleistet werden. Insofern ist die apodiktische Gleichstellung in § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 ggf. zu korrigieren. 41 Eine Pflicht, die Aktien über die Börse zu erwerben oder zu veräußern, besteht auch bei börsennotierten AG nicht; möglich und verbreitet sind daher auch hier öffentliche Rückkaufangebote.74) Das WpÜG gilt hierfür nicht.75)
_____________ 67) H. M., vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz.; abw. Paefgen, AG 1999, 67, 68 f.; Habersack, ZIP 2004, 1121, 1127. 68) Zum „tranferable put right“ statt anderer K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 29. 69) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 31. 70) Ganz h. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 145 ff.; teilw. einschränkend Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 130 ff. und 135. 71) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 186 Rz. 40 ff. 72) Vgl. hierzu im Kontext von Wandelschuldverschreibungen auch Broichhausen, NZG 2012, 86. 73) Kritisch auch Huber in: FS Kropff, S. 101, 113 f. 74) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 123 ff.; K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 26 ff. 75) Ganz h. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 28 m. w. N.
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§ 71
Erwerb eigener Aktien (1)
Rückerwerb
Der den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrende Rückerwerb über die Börse bezieht sich 42 auf alle Marktsegmente im In- und Ausland. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allein, wenn die Preisbildung nicht marktgerecht ist und daher eine verdeckte Gewinnausschüttung droht (siehe unten Rz. 51). (2)
Weiterveräußerung
Erhebliche Probleme bereitet demgegenüber die in § 71 Abs. 1 Nr. 8 pauschal als den 43 Gleichbehandlungsgrundsatz wahrend genannte Weiterveräußerung über die Börse. Im Kern reduziert sich die Frage darauf, ob die im Veräußerungszeitpunkt vorhandenen Aktionäre ein Vorerwerbsrecht haben oder ob der Vorstand die Aktien auch vollständig an Dritte veräußern darf (eine willkürliche Zuteilung an einzelne Aktionäre verstößt bereits gegen § 53a). Die hierzu vertretenen und nach wie vor sehr kontroversen Meinungen76) decken sich weitgehend mit der vergleichbaren Problematik, ob die Aktionäre bei der Kapitalerhöhung einer börsennotierten AG überhaupt eines gesetzlichen Bezugsrechts bedürfen oder ob ihnen über die Möglichkeit des Zukaufs über die Börse nicht derselbe Schutz zukommt und § 186 daher de lege ferenda entbehrlich ist.77) Richtigerweise ist ein gesetzliches Vorerwerbsrecht auch bei der Weiterveräußerung 44 eigener Aktien anzuerkennen. Hierfür spricht zum einen der Verweis in § 71 Abs. 1 Nr. 8 auf den Bezugsrechtsausschluss gemäß § 186 Abs. 3, der die Existenz eines solchen Rechts voraussetzt. Zudem ist auch die Gefährdungslage der Altaktionäre bei der Kapitalerhöhung mit der bei der Weiterveräußerung eigener Aktien vergleichbar. In beiden Fällen werden die Mitverwaltungsrechte verwässert (§ 71b gilt fortan nicht mehr); in beiden Fällen besteht die Gefahr, dass der Ausgabebetrag bzw. Verkaufspreis zu niedrig ist und es damit auch zu einer vermögensmäßigen Verwässerung kommt. Solange daher der Gesetzgeber bei der Kapitalerhöhung auch für börsennotierte Gesellschaften am gesetzlichen Bezugsrecht festhält, besteht kein Anlass, bei der Weiterveräußerung eigener Aktien anders zu entscheiden. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass § 186 Abs. 3 Satz 4 einen erleichterten Bezugs- 45 rechtsausschluss vorsieht, wenn die Kapitalerhöhung nicht mehr als 10 % des Grundkapitals beträgt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet.78) Diese Aufweichung des gesetzlichen Bezugsrechts in seiner Form als gesellschaftsrechtlich begründetes Individualrecht der Altaktionäre kann als Versuchsballon verstanden werden, auf das gesetzliche Bezugsrecht bei börsennotierten AG irgendwann einmal zu verzichten. Für die hier interessierende Weiterveräußerung eigener Aktien lässt sich jedoch bereits jetzt eine viel weitreichendere Rechtsfolge ableiten: Indem der Rückerwerb maximal 10 % des Grundkapitals betragen darf (§ 71 Abs. 2 Satz 1; siehe Rz. 47), liegt es nahe, die Weiterveräußerung funktional dem erleichterten Bezugsrechtsausschluss gleichzustellen. Hieraus folgt, dass das Vorerwerbsrecht der Aktionäre bei der Weiterveräußerung unter erleichterten Voraussetzungen ausgeschlossen werden kann, es vor allem keiner sachlichen Rechtfertigung nach Maßgabe der materiellen Beschlusskontrolle bedarf. Zum angemessenen Veräußerungspreis siehe sogleich Rz. 53.
_____________ 76) Überblick bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 130 ff. 77) Vgl. nur Zöllner, AG 2002, 585, 588 ff. 78) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Servatius, AktG, § 186 Rz. 55 ff.
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§ 71 V.
Erwerb eigener Aktien Weitere Erwerbsschranken (§ 71 Abs. 2)
46 § 71 Abs. 2 sieht für die verschiedenen Erlaubnistatbestände unterschiedlich weite Erwerbsschranken vor. Darüber hinaus ist stets auch das Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen zu beachten. 1.
Maximaler Erwerb
47 Nach § 71 Abs. 2 Satz 1 darf die AG für maximal 10 % des Grundkapitals i. S. von § 266 Abs. 3 A. I. HGB eigene Aktien halten; der missverständliche Wortlaut darf nicht so verstanden werden, dass die Erwerbsgrenze nur die genannten Ausnahmetatbestände betrifft.79) Die Vorschrift ist vielmehr so zu verstehen, dass für die nicht genannten Erlaubnistatbestände (§ 71 Abs. 1 Nr. 4 – 6) zwar keine Obergrenze besteht; wenn jedoch noch Aktien aus einem der genannten Erlaubnistatbestände erworben werden, insgesamt maximal 10 % des Grundkapitals an eigenen Aktien gehalten werden dürfen. Hiervon geht auch § 71c Abs. 2 aus. Aktien zurechenbarer Dritter (§ 71d Satz 1 und 2) werden stets hinzugerechnet (vgl. § 71d Satz 4). Maßgeblicher Zeitpunkt ist grundsätzlich der des dinglichen Erwerbs, wegen § 71 Abs. 4 Satz 2 jedoch ggf. der des früheren schuldrechtlichen Erwerbsgeschäfts.80) Die Rechtsfolgen eines unwirksamen Erwerbs beziehen sich nur auf die eigenen Aktien, die unter Verstoß gegen die Erwerbsgrenze erworben werden. Ein nachträgliches Herabsinken führt keine Heilung herbei.81) 2.
Rücklagenbildung
48 Eine weitere wichtige Einschränkung des zulässigen Erwerbs eigener Aktien folgt aus § 71 Abs. 2 Satz 2. Hiernach ist der Erwerb nur zulässig, wenn die AG im Zeitpunkt des Erwerbs eine ausschüttungsfähige Rücklage i. H. des – angemessenen! – Erwerbspreises bilden könnte. Insofern gilt dasselbe wie bei § 272 Abs. 4 HGB. Hierdurch wird zwar gewährleistet, dass der Erwerbspreis keine Einlagenrückgewähr darstellt; hieraus darf indessen entgegen mancher Stimmen nicht der Schluss gezogen werden, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung beim Erwerb eigener Aktien denklogisch ausgeschlossen sei (siehe unten Rz. 51). 49 Ob eine Rücklage ausschüttungsfähig ist, ergibt sich zum einen aus § 150 i. V. m. § 272 HGB. Darüber hinaus schränkt auch § 268 Abs. 8 HGB die Rücklagenauflösung ein.82) Als – angemessene! – Gegenleistung dürfen somit nur Mittel fließen, die dem Jahresüberschuss (§ 158, § 266 Abs. 3 A. V. HGB), dem Gewinnvortrag (§ 266 Abs. 3 A. IV. HGB), den frei verfügbaren Rücklagen (§ 272 Abs. 3, Abs. 4 Satz 3 HGB) oder der Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB entstammen.83) Ist der Rückerwerb hiernach zulässig, folgt der bilanzielle Ausweis der eigenen Aktien gemäß § 272 Abs. 1a und 1b HGB.84) 3.
Volleinzahlungsgebot
50 Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 3 ist bei den Erlaubnistatbeständen gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 7 und 8 der Erwerb nur zulässig, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag (Nennbetrag und _____________ 79) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 217; abw. aber Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 308; K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 77. 80) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 221. 81) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71 Rz. 414. 82) Vgl. hierzu Kropff in: FS Hüffer, S. 539, 545 ff. 83) OLG München, Beschl. v. 8.5.2012 – 31 Wx 155/12, ZIP 2012, 1075 = NZG 2012, 876; Spindler/StilzCahn, AktG, § 71 Rz. 224. 84) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 225.
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Erwerb eigener Aktien
ggf. korporatives Agio, vgl. § 54 Abs. 1) voll geleistet ist.85) Im Umkehrschluss ergibt sich, dass bei den anderen Erlaubnistatbeständen auch ein Erwerb nicht voll eingezahlter Aktien möglich ist. Dies darf indessen nicht zu dem Schluss verleiten, dass in diesen Fällen die Resteinlagepflicht wegen Konfusion erlischt.86) Die Einlagepflicht bleibt vielmehr bestehen, damit der Kapitalschutz nicht erodiert, sondern ein späterer Erwerber die fehlende Einlageleistung erbringen muss. 4.
Verdeckte Gewinnausschüttungen
In § 71 wird nicht geregelt, zu welchem Preis die Aktien zurückerworben werden dürfen 51 und welcher Preis bei der Weiterveräußerung zu erzielen ist. Auch § 57 Abs. 1 Satz 1 enthält lediglich den pauschalen Hinweis, dass die Zahlung des Erwerbspreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien keine verbotene Einlagenrückgewähr darstellt. Welche Höhe dieser Preis haben muss, besagt die Regelung indessen nicht. Für beide Gestaltungen ist daher nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln, welche Preisbildung zulässig ist und welche nicht.87) Über § 57 hinaus ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren, so dass eine unterschiedliche Preisgestaltung ohne sachliche Differenzierungsgründe ausscheidet. a)
Erwerbspreis
Bei allen Erlaubnistatbeständen gemäß § 71 Abs. 1 darf die AG keine überhöhte Gegen- 52 leistung für die erworbenen Aktien zahlen. Dies ist entgegen mancher Stimmen in der Literatur trotz der Erwerbsschranke gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 ein wichtiger Aspekt des Kapitalschutzes bei der AG.88) Gibt es für die betreffenden Aktien keinen Marktpreis (Drittvergleich), muss der Wert i. R. einer Unternehmensbewertung ermittelt werden. Wird hiergegen verstoßen, sind nach zweifelhafter h. M. sowohl der Aktienerwerb als auch das schuldrechtliche Kausalgeschäft gemäß § 57 i. V. m. § 134 BGB nichtig (siehe § 57 Rz. 39); aus § 71 Abs. 4 Satz 1 folgt nichts anderes. Der Rückerwerb kann somit auch wegen einer überhöhten Gegenleistung unrechtmäßig sein, obwohl die sonstigen Voraussetzungen von § 71 vorliegen; zu den Folgen siehe oben Rz. 7 f. b)
Verkaufserlös
Bei der – im Fall von § 71 Abs. 1 Nr. 8 von vornherein geplanten – späteren Weiterveräuße- 53 rung der eigenen Aktien gilt ebenfalls das Verbot der (verdeckten) Einlagenrückgewähr. Die Parameter, die zu einem angemessenen Verkaufspreis führen, dürfen jedoch nicht aus dem Gründungsrecht gefolgert werden; geboten ist vielmehr eine entsprechende Heranziehung der Vorgaben bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss gemäß § 255 Abs. 2 (str.).89) Die Erwerber müssen einen auf den Erwerbstag bezogenen angemessenen Preis zahlen, der sich aus dem allgemeinen Marktpreis der betreffenden Aktien ergibt (Drittvergleich), hilfsweise aus einer konkreten Unternehmensbewertung. Der hiernach maßgebliche Preis kann auch unter dem geringsten Ausgabebetrag liegen.90) _____________ 85) Ausführlich zu Belegschaftsaktien Tollkühn, NZG 2004, 594. 86) Ebenso Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71b Rz. 11 – „ruhendes Forderungsrecht“; Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71b Rz. 16. 87) Zum Ganzen Stallknecht/Schulze-Uebbing, AG 2010, 657. 88) So die h. M., vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 45; abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71 Rz. 8 unter Hinweis darauf, dass das Entgelt gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 ausschüttungsfähig sei, so dass allenfalls eine gesellschaftsinterne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Betracht komme. 89) Abw. die h. M., vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 141 m. w. N. 90) So auch Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 140.
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Umgehungsgeschäfte
Wird gegen das Gebot der angemessenen Weiterveräußerung verstoßen, macht sich der Vorstand gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 1 gegenüber der AG schadensersatzpflichtig. VI.
Aktionärsinformation (§ 71 Abs. 3 Satz 1)
54 Nach § 71 Abs. 3 Satz 1 hat der Vorstand die Aktionäre bei der nächsten turnusmäßigen oder außerordentlichen Hauptversammlung über den Erwerb eigener Aktien zur Schadensabwehr (§ 71 Abs. 1 Nr. 1) und aufgrund einer Ermächtigung (§ 71 Abs. 1 Nr. 8) zu unterrichten. Die Information erstreckt sich auf die Gründe und den Zweck des Erwerbs, auf die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Betrag des Grundkapitals. Die Information kann mündlich erfolgen. Sie muss hinreichend substantiiert sein; formelhafte Wendungen oder gar der bloße Hinweis auf die Norm genügen nicht.91) 55 Nach h. M. soll die Unterrichtungspflicht auch durch die gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 2 notwendigen Angaben im Lagebericht des Jahresabschlusses erfüllt werden, wenn die Hauptversammlung diesen präsentiert bekommt.92) Dem ist nicht zuzustimmen, weil dies der Bedeutung des Erwerbs nicht hinreichend Rechnung tragen würde. Erforderlich ist vielmehr eine gesonderte Information. VII. Rechtsfolgen des zulässigen Erwerbs (§ 71 Abs. 3 Satz 2) 56 § 71 Abs. 3 Satz 2 verlangt, dass die nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 erworbenen Aktien innerhalb eines Jahres an die Arbeitnehmer auszugeben sind. Der Vorstand muss sich hierum i. R. seiner allgemeinen Pflichtenbindung bemühen. Gelingt die Ausgabe nicht, bleibt der Erwerb zwar rechtmäßig, die nicht benötigten Aktien sind jedoch alsbald wieder zu veräußern (Einzelheiten siehe § 71c Rz. 3).93) 57 § 71 Abs. 3 Satz 2 enthält darüber hinaus die für alle Erwerbstatbestände zu verallgemeinernde Pflicht, dass die AG die – zulässig – erworbenen Aktien nicht länger halten darf als nötig. Der Vorstand hat aufgrund seiner allgemeinen Pflichtenbindung stets zu prüfen, ob die Erwerbsvoraussetzungen nach § 71 Abs. 1 und Abs. 2 noch vorliegen.94) Ist dies nicht mehr gegeben, folgt das Veräußerungsgebot aus § 71c. Selbst wenn die Erlaubnistatbestände noch gegeben sind, besteht jedoch eine Veräußerungspflicht, damit mit dem erzielten Erlös die satzungsmäßige Zwecksetzung wieder anderweitig erfüllt werden kann (Ausnahmecharakter des Erwerbs eigener Aktien!). _____________ 91) BGH, Urt. v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1 = ZIP 1987, 1239. 92) Vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 227 – unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, BTDrucks. 8/1678, S. 15. 93) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71 Rz. 229. 94) Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386 = NZG 2010, 141.
§ 71a Umgehungsgeschäfte (1) 1Ein Rechtsgeschäft, das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat, ist nichtig. 2 Dies gilt nicht für Rechtsgeschäfte im Rahmen der laufenden Geschäfte von Kreditinstituten oder Finanzdienstleistungsinstituten sowie für die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder für die Leistung einer Sicherheit zum Zweck des Erwerbs von Aktien durch Arbeitnehmer der Gesellschaft oder eines mit ihr ver420
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Umgehungsgeschäfte
bundenen Unternehmens; auch in diesen Fällen ist das Rechtsgeschäft jedoch nichtig, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine Rücklage in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb nicht bilden könnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Aktionäre verwandt werden darf. 3Satz 1 gilt zudem nicht für Rechtsgeschäfte bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291). (2) Nichtig ist ferner ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und einem anderen, nach dem dieser berechtigt oder verpflichtet sein soll, Aktien der Gesellschaft für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder eines in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu erwerben, soweit der Erwerb durch die Gesellschaft gegen § 71 Abs. 1 oder 2 verstoßen würde. Literatur: Brosius, Die finanzielle Unterstützung des Erwerbs eigener Aktien, 2011; Drygala, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs nach der Reform der Kapitalrichtlinie, Der Konzern 2007, 396; Fleischer, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs und Leveraged Buyout, AG 1996, 494; Freitag, „Financial Assistance“ durch die Aktiengesellschaft nach der Reform der Kapitalrichtlinie – (k)ein Freifahrtschein für LBOs?, AG 2007, 157; Habersack, Verdeckte Sacheinlage und Hin- und Herzahlen nach dem ARUG – gemeinschaftsrechtlich betrachtet, AG 2009, 557; Habersack, Die finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs – Überlegungen zu Zweck und Anwendungsbereich des § 71a Abs. 1 Satz 1 AktG, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 155; Kerber, Die aktienrechtlichen Grenzen der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs im Buy-out-Verfahren, DB 2004, 1027; Ludwig, Verbotene finanzielle Unterstützung im Sinne des § 71a Abs. 1 Satz 1 AktG ohne rechtsgeschäftliche Beteiligung der Zielgesellschaft?, in: Festgabe für Wilhelm Happ, 2006, S. 131; Lutter/Wahlers, Der Buyout: Amerikanische Fälle und die Regeln des deutschen Rechts, AG 1989, 1; Oechsler, Das Finanzierungsverbot des § 71a Abs. 1 Satz 1 AktG bei Erwerb eigener Aktien – Schutzzweck und praktische Anwendung, ZIP 2006, 1661; Oechsler, Die Änderung der Kapitalrichtlinie und der Rückerwerb eigener Aktien, ZHR 170 (2006), 72; Riegger, Kapitalgesellschaftsrechtliche Grenzen der Finanzierung von Unternehmensübernahmen durch Finanzinvestoren, ZGR 2008, 233; Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, 1995; Servatius, Die besondere Zweckbindung des Stammkapitals bei Drittgeschäften mit Gesellschaftern, DStR 2004, 1176; Singhof, Zur finanziellen Unterstützung des Erwerbs eigener Aktien durch Kreditinstitute, NZG 2002, 745; Westermann, Aktienrechtliche Grenzen einer Übernahme von Umwandlungs- und Kurspflegekosten durch die Gesellschaft, in: Festschrift für Martin Peltzer, 2001, S. 613.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Verhältnis zu anderen Vorschriften ....................................... 4 1. Vermögensbindung gemäß § 57 ........ 5 2. Hin- und Herzahlen gemäß § 27 Abs. 4 .......................................... 6 III. Verbotene Anteilsfinanzierung (§ 71a Abs. 1) ...................................... 7 1. Finanzierung des Anteilserwerbs ...... 8 a) Erfasste Finanzierungsgeschäfte ....................................... 9
b) Erfasster Anteilserwerb ............. c) Erfasste Anteilserwerber ........... 2. Sicherheitenbestellung ..................... 3. Bereichsausnahmen .......................... 4. Rechtsfolgen ..................................... IV. Verbotene Treuhandverhältnisse (§ 71a Abs. 2) ................................... 1. Erfasste Rechtsverhältnisse ............. 2. Verbotener Aktienerwerb ................ 3. Rechtsfolgen bei Verstößen ............
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§ 71a I.
Umgehungsgeschäfte Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Norm ergänzt das Verbot des Erwerbs eigener Aktien für Umgehungssachverhalte in Form der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs (sog. Verbot der financial assistance). Sie beruht auf Art. 23 der Kapitalrichtlinie. § 71a Abs. 1 Satz 1 ordnet zwingend an, dass ein Rechtsgeschäft, durch welches die AG einem anderen den Aktienerwerb finanziert oder Sicherheit bietet, nichtig ist. § 71a Abs. 1 Satz 2 macht hierfür bei Kreditinstituten eine Ausnahme, § 71a Abs. 1 Satz 3 für Rechtgeschäfte zwischen unternehmensvertraglich gebundenen Gesellschaften. Nach § 71a Abs. 2 ist auch ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn hieraus jemand berechtigt oder verpflichtet sein soll, für Rechnung der AG oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens Aktien zu erwerben. 2 Der Sache nach geht es weniger um die Fortentwicklung der Schutzzwecke von § 71, sondern um die Schaffung eines besonderen Tatbestands zum Vermögensschutz der AG.1) Dieser ähnelt funktional § 57, geht jedoch darüber hinaus (siehe unten Rz. 5). Konsequenterweise ist er rechtspolitisch derzeit stark umstritten.2) Praktische Relevanz hat das Verbot der Anteilsfinanzierung vor allem beim sog. leveraged buy-out, bei dem der Erwerber eines Unternehmens den Kaufpreis fremdfinanziert und als Sicherheit das Gesellschaftsvermögen benutzt.3) Darüber hinaus steht die europarechtlich vorgeprägte Norm auch in einem Spannungsfeld zum neu eingeführten § 27 Abs. 4, wonach die Mindesteinlagen wieder darlehensweise an den Aktionär zurückfließen dürfen (siehe unten Rz. 6). 3 Die Reform der Kapitalrichtlinie brachte im Jahr 2006 eine Liberalisierung der maßgeblichen europäischen Regelungen.4) Gemäß dem neu gefassten Art. 23 Abs. 1 ist es nunmehr den Mitgliedsstaaten möglich, die Anteilsfinanzierung zu gestatten, wenn das Geschäft zu fairen, marktüblichen Konditionen vorgenommen wird, die Hauptversammlung dies billigt und die finanzielle Unterstützung aus ausschüttungsfähigen Rücklagen geleistet werden könnte. In Deutschland wurde diese Möglichkeit bislang nicht wahrgenommen, so dass es nach wie vor beim strikten Verbot gemäß § 71a Abs. 1 bleibt.5) II.
Verhältnis zu anderen Vorschriften
4 § 71a kollidiert sowohl mit § 57 als auch mit der im Zuge der durch das ARUG im Jahr 2009 eingeführten Liberalisierung des sog. Hin- und Herzahlens gemäß § 27 Abs. 4. 1.
Vermögensbindung gemäß § 57
5 Funktional entspricht § 71a Abs. 1 dem bereits durch § 57 verwirklichten Kapitalschutz bei der AG. Beide Regelungen gelten indessen parallel. Soweit daher eine Vermögensleistung an einen Aktionär oder eine diesem zurechenbare Person vorliegt, richtet sich der Sachverhalt auch nach §§ 57, 62 und führt ggf. zu einer doppelt begründeten Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts sowie in Hinblick auf die Rechtsfolgen zur Anspruchskonkurrenz (siehe zur zweifelhaften h. M. im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 57 dort Rz. 39). Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch darin begründet, dass § 71a Abs. 1 Satz 1 strenger ist als die durch § 57 Abs. 1 Satz 3 mittlerweile gelockerte Vermögensbindung. Während hiernach der Austausch von an sich gebundenem Kapital in eine schuld_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
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Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 9 – eigenständige Kapitalschutzregelung. Überblick bei Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 5 ff. – „Fundamentalkritik am Gerechtigkeitsgehalt der Norm“. Einzelheiten m. w. N. bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG § 71a, Rz. 3. Richtlinie 2006/68/EG v. 6.9.2006, ABl. EU Nr. L 264 v. 25.9.2006, S. 32. Zur Reform Drygala, Der Konzern 2007, 396, 397 ff.; Einzelheiten zu Umsetzungsfragen bei Oechsler, ZHR 170 (2006), 72, 84; Freitag, AG 2007, 157, 160 ff.
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§ 71a
Umgehungsgeschäfte
rechtliche Forderung möglich ist (bilanzielle Betrachtung), ist dies bei der Anteilsfinanzierung gerade ausgeschlossen. Die Finanzierung eines Anteilserwerbs setzt im Paradefall gerade voraus, dass die AG die Leistung irgendwann wieder zurückerhält (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das gleichwohl bestehende Verbot knüpft daher an etwas anderes an als den bloß summen- oder wertmäßigen Schutz des Gesellschaftsvermögens. Richtigerweise sieht man das Anliegen von § 71a Abs. 1 darin, das Gesellschaftskapital als Betriebsvermögen zu schützen, welches i. R. der satzungsmäßigen Zwecksetzung zu nutzen ist und nicht die individuellen Aktionärsinteressen befriedigen darf.6) Die AG ist regelmäßig keine Bank, deren Geschäftszweck es ist, Darlehen (an ihre Gesellschafter) auszureichen. 2.
Hin- und Herzahlen gemäß § 27 Abs. 4
Das strikte Verbot der Anteilsfinanzierung kollidiert auch mit § 27 Abs. 4. Hiernach ist 6 es nunmehr zulässig, dass die AG mittels Darlehensausreichung die Einlageleistung des Gründers bzw. Zeichners finanziert. Bei rein nationaler Betrachtung könnte man unter Anwendung der lex posterior-Regel anführen, die Liberalisierung des Kapitalaufbringungsrechts habe Vorrang gegenüber § 71a Abs. 1. Hierbei darf indessen nicht übersehen werden, dass § 27 Abs. 4 europarechtlich fragwürdig ist, wenn es darum geht, dass die Mindesteinlagen wieder an den Aktionär zurückfließen.7) Solange diese Frage nicht abschließend durch den EuGH geklärt ist, spricht Vieles dafür, dass die Hinwendung des Gesetzgebers zur bilanziellen Betrachtung Einschränkungen bedarf.8) Die Einzelheiten hierzu sind derzeit jedoch noch weitgehend ungeklärt. III.
Verbotene Anteilsfinanzierung (§ 71a Abs. 1)
Verboten sind Rechtsgeschäfte der AG, die darauf abzielen, einem anderen den Erwerb von 7 Aktien der AG durch die Gewährung eines Vorschusses oder Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit zu ermöglichen. Wird hiergegen verstoßen, sind die erfassten Rechtsgeschäfte zwingend nichtig und etwaige Leistungen an die Gesellschaft nach §§ 812 ff. BGB zurückzugewähren. Auf die Frage, ob die AG selbst die betreffenden Aktien gemäß § 71 erwerben dürfte, kommt es bei § 71a nicht an.9) 1.
Finanzierung des Anteilserwerbs
Die genannten Finanzierungsformen – Darlehen, Vorschuss – sind nach ganz h. M. nur 8 Regelbeispiele.10) Wenngleich § 71a Abs. 1 rechtspolitisch zunehmend umstritten ist (siehe oben Rz. 5), ist die Schutzrichtung eindeutig, so dass zur Verwirklichung des Vermögensschutzes eine weite Auslegung geboten ist. Erfasst wird jede rechtsgeschäftliche Gestaltung, aufgrund derer bestimmungsgemäß Gesellschaftsvermögen an den Erwerber oder einen ihm gleichzustellenden Dritten fließt, floss oder fließen soll, damit dieser Aktien der AG oder einer mit ihr verbundenen anderen Gesellschaft erwerben kann. a)
Erfasste Finanzierungsgeschäfte
Die Regelung gilt ohne weiteres, wenn die AG einem künftigen Aktionär ein Darlehen 9 gewährt, welches dieser – wirtschaftlich betrachtet – dafür einsetzt, die Mindest- oder Rest_____________ 6) 7) 8) 9) 10)
Hierzu bereits Servatius, DStR 2004, 1176. Grundlegend Habersack, AG 2009, 557, 560. So auch Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 71a Rz. 20. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 3. Vgl. nur Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 19; nicht nachvollziehbar LG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 518.
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einlagen aufzubringen. Richtigerweise spielt es keine Rolle, ob das Darlehen zeitlich vor oder nach dem Anteilserwerb vereinbart bzw. gewährt wurde (str.).11) Es ist auch nicht erforderlich, dass die Parteien dies beabsichtigen; der Kapitalschutz bei der AG ist rein objektiv (§ 57 Rz. 12), so dass auch hier allein maßgeblich ist, ob zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Aktienerwerb ein objektiver Zusammenhang – zeitlich und sachlich – besteht (str.).12) 10 Ein Liquiditätsabfluss oder eine konkrete Vermögensgefährdung sind nicht erforderlich.13) Das Verbot greift – strenger als nunmehr gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3 – auch dann, wenn der Begünstigte solvent ist und die Leistung zurückerstatten kann. Die Norm sanktioniert so eine abstrakte Vermögensgefährdung14) und geht damit über einen bloß bilanzmäßig verwirklichten Kapitalschutz („bilanzielle Betrachtungsweise“) hinaus. Richtigerweise kommt es auch nicht darauf an, dass das Darlehen entgeltlich gewährleistet wurde (str.).15) Bei der Darlehensgewährung einer AG sind stets Kapital und Zins zu trennen. § 71a bezieht sich wie § 57 auf jeden (drohenden) Vermögensabfluss, ist jedoch mangels Privilegierung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 strenger. Beim zinslos gewährten Darlehen liegt daher ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 vor, im Hinblick auf die nicht verlangten Zinsen zusätzlich noch ein Verstoß gegen § 57 (siehe dort Rz. 29 f.). 11 Andere Finanzierungsformen, die einem Darlehen oder Vorschuss vergleichbar sind, fallen ebenfalls hierunter. Maßgeblich ist stets, ob sie unmittelbar oder mittelbar einen positiven Finanzierungseffekt aufweisen. Dies gilt namentlich für die entgeltliche oder unentgeltliche Stundung einer bestehenden Forderung,16) die Schuldübernahme (str.)17) und die stille Beteiligung.18) Das Verbot kann auch i. R. von Umwandlungsfällen, namentlich der Verschmelzung, relevant werden.19) Eine dauerhafte Kapitalüberlassung (Schenkung, verlorener Zuschuss) ist ebenso erfasst, denn der durch die Norm beabsichtigte Vermögensschutz ist hier noch notwendiger als bei der bloß zeitweisen Finanzierung des Anteilserwerbs (str.).20) Die Übernahme von Kurspflegekosten, insbesondere i. R. eines greenshoe, würde grundsätzlich hierunter fallen, ist jedoch nach zutreffender h. M. wegen der durch andere europäischen Rechtsakte bewirkten Legalisierung dieser Maßnahmen zulässig.21) Eine break fee-Vereinbarung fällt jedoch unter das Verbot, da sie – im Vorfeld des etwaigen Scheiterns der Übernahme – durchaus positive Effekte für den _____________ 11) Fleischer, AG 1996, 494, 500. 12) Abw. Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 71a AktG Rz. 6 – Verwendungsabrede erforderlich; ebenso K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 14 – Kenntnis notwendig; ähnlich Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 34 – Vermutung einer Absprache bei Vorliegen eines engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs; ebenso Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 71a Rz. 17. 13) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 19; abw. LG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 518; Habersack in: FS Röhricht, S. 155, 161. 14) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 19. 15) Abw. die h. M., vgl. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 25 m. w. N. 16) Abw. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 25 – nur entgeltliche Stundung. 17) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 12; abw. LG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.2005 – 39 O 180/04, ZIP 2006, 516, 518; zum Ganzen ausführlich Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 47 f. 18) Merkt in: GroßKomm-AktG, § 71a Rz. 35. 19) Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 44 f.; Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 26 f.; K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 19. 20) Abw. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 38; wohl auch K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 13. 21) Westermann in: FS Peltzer, S. 613, 625 f.; abw. zum früheren Recht OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.1.1992 – 16 U 120/90, WM 1992, 572, 576; vom BGH offengelassen, Urt. v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, AG 1994, 32, 34 = ZIP 1993, 1467.
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Umgehungsgeschäfte
Aktienwerber hat (str.).22) Dasselbe gilt für Kursgarantien und Verkaufsoptionen (str.).23) b)
Erfasster Anteilserwerb
Das betreffende Rechtsgeschäft muss sich ausweislich des Wortlauts auf den Aktien- 12 erwerb beziehen; Zwischenscheine werde ebenfalls erfasst.24) Es kommt daher unproblematisch zum Tragen, wenn der aus dem Vertrag Begünstigte Aktien der AG zeichnet. Entgegen der wohl h. M. kommt hierfür nicht allein der derivative Aktienerwerb in Betracht, sondern auch die Zeichnung i. R. der Gründung oder Kapitalerhöhung.25) Der systematische Zusammenhang mit § 71 spricht zwar vordergründig dagegen. Der vom Erwerbsverbot eigener Aktien emanzipierte Schutzzweck der Regelung (eigenständige Kapitalschutzregelung als Ergänzung zu § 57, siehe oben Rz. 5) zieht es jedoch nach sich, das Finanzierungsverbot umfassend zu verstehen. Darüber hinaus ist es geboten, den Anwendungsbereich entsprechend § 56 Abs. 2 und 13 § 71d Satz 2 dahingehend zu erweitern, dass auch der Erwerb von Aktien oder Anteilen konzernrechtlich mit der AG verbundener Unternehmen erfasst wird (vgl. § 71d Satz 4). Die Finanzierung des Erwerbs von Aktien eines von der AG abhängigen (Tochtergesellschaft) oder eines diese beherrschenden Unternehmens (Muttergesellschaft) ist daher ebenso unzulässig.26) Siehe aber die Bereichsausnahme beim Unternehmensvertrag gemäß § 71a Abs. 1 Satz 3 unten Rz. 19. Geht es indessen um Rechtsgeschäfte, die nicht zumindest mittelbar auf den Erwerb der 14 Mitgliedschaft gerichtet sind, greift das Verbot nicht. Die Finanzierung von Schuldverschreibungen, Genuss- und Dividendenrechten ist daher allenfalls nach § 57 verboten. Bei Options- und Wandelanleihen, die letztlich einen Anspruch auf Einräumung der Mitgliedschaft begründen, ist hingegen eine Einbeziehung geboten.27) c)
Erfasste Anteilserwerber
§ 71a verbietet schlechthin die Finanzierung eines Anteilserwerbs durch einen Dritten, 15 d. h. nicht die AG selbst. Es kommt also – abweichend von § 57 – nicht darauf an, dass einem Aktionär oder zurechenbaren Dritten ein aus dem Gesellschaftsvermögen stammender Vermögensvorteil zukommt. Im Kern geht es jedoch wie bei § 57 darum, dass das von den künftigen Aktionären aufzubringende Kapital nicht wirtschaftlich betrachtet das der AG ist, weil ansonsten der Kapitalschutz nicht verwirklicht werden könnte. Über eine summen- oder wertmäßige Betrachtung allein ließe sich dieses Schutzanliegen jedoch nicht erklären. Geht man nämlich vom Idealfall der Finanzierung aus, steht der AG ein Rückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, was bei einer rein bilanziellen Betrachtung den Kapitalschutz nicht tangieren würde. Indem § 71a jedoch hierüber hinausgeht und gerade diese Gestaltungen explizit verbietet, wird hierdurch anerkannt, dass das Gesellschaftsvermögen durch die satzungsmäßige Zielsetzung gebunden ist und damit nicht zur Verwirklichung individueller Aktionärsinteressen benutzt werden _____________ 22) Wie hier K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 12; abw. die wohl h. M., vgl. nur Spindler/ Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 43; Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 71a Rz. 15. 23) Vgl. LG Göttingen, Urt. v. 6.1.1992 – 8 O 123/91, AG 1993, 46; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.1.1992 – 16 U 120/90, WM 1992, 572; abw. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 40. 24) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 15. 25) Abw. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 15. 26) Wohl ebenso Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 33; vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 18. 27) Zum Ganzen Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 32.
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darf.28) Die AG ist – im Regelfall, vgl. die Ausnahmen gemäß § 71a Abs. 1 Satz 2, – keine Bank, die den Aktionären Darlehen gibt.29) Insofern ist das Verbot entgegen der zunehmenden rechtpolitischen Kritik durchaus legitimiert. Zu den Friktionen mit § 27 Abs. 4 siehe oben Rz. 6. 2.
Sicherheitenbestellung
16 Verboten ist auch, dass die AG den Anteilserwerb durch die Bestellung einer dinglichen oder schuldrechtlichen Sicherheit unterstützt. In Folge der zur Verwirklichung des Schutzzwecks weiten Auslegung kommen somit z. B. Bürgschaften, Sicherungsübereignungen oder Grundpfandrechte in Betracht. Im Übrigen gilt das zur Finanzierung Gesagte entsprechend (siehe Rz. 9 ff.). 3.
Bereichsausnahmen
17 § 71a Abs. 1 Satz 2 und 3 begründen drei Bereichsausnahmen für das Verbot der Anteilsfinanzierung und Sicherheitenbestellung gemäß Satz 1. 18 Nach § 71a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 können Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 2 und 1a KWG) i. R. des laufenden Geschäfts den Aktienerwerb finanzieren oder hierfür Sicherheiten bestellen.30) Eine Privilegierung gilt gemäß § 71a Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 auch für den Erwerb von Belegschaftsaktien für Arbeitnehmer der AG oder eines mit ihr konzernrechtlich verbundenen Unternehmens (§ 15);31) Organmitglieder sind hiervon nicht erfasst.32) Diese Geschäfte sind wirksam, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs eine ausschüttungsfähige Rücklage bilden könnte. Maßgeblich für die Höhe der zu bildenden Rücklage ist wie bei § 71 Abs. 2 Satz 2 der konkrete Erwerbspreis der betreffenden Aktien (str.).33) 19 Schließlich gilt das Verbot gemäß § 71a Abs. 1 Satz 3 auch nicht für Rechtsgeschäfte bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages i. S. von § 291. Diese Regelung wurde im Zuge des MoMiG im Jahr 2008 eingeführt und ähnelt § 57 Abs. 1 Satz 1. Sie privilegiert jedoch nicht nur sämtliche Vermögenstransfers von einer beherrschten bzw. zur Gewinnabführung verpflichteten AG gegenüber dem Vertragspartner. Übertragen auf das Verbot der Finanzierung des Anteilserwerbs bzw. einer diesem dienenden Sicherheitenbestellung bedeutet sie vielmehr, dass eine beherrschte oder zur Gewinnabführung verpflichtete AG nahezu einschränkungslos nicht durch § 71a Abs. 1 Satz 1 gebunden ist.34) Der konzernrechtliche Schutz gemäß §§ 302, 303 wird hiernach vom Gesetzgeber als ausreichend angesehen, was nur überzeugt, wenn der andere Vertragsteil leistungsfähig ist.35) Im faktischen Konzern gilt demgegenüber § 71a Abs. 1 Satz 1 einschränkungslos und wird nicht durch §§ 311, 317 überlagert (str.).36) _____________ 28) 29) 30) 31) 32) 33)
34) 35) 36)
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Hierzu bereits Servatius, DStR 2004, 1176. Vgl. auch BGH, Urt. v. 13.11.2007 – XI ZR 294/07, ZIP 2008, 118. Einzelheiten bei Singhof, NZG 2002, 745, 747. Vgl. hierzu OLG Frankfurt/M., Urt. v. 22.12.2003 – 19 U 78/03, NZG 2004, 419. LG Mainz, Urt. v. 27.8.2004 – 11 HKO 16/04, NZG 2005, 325; Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 38. Hüffer, AktG, § 71a Rz. 6; abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 22: Betrag des durch die AG zu tragenden wirtschaftlichen Risikos, was jedoch kaum zutreffend zu beziffern ist; ebenso GrigoleitGrigoleit/Rachlitz, AktG, § 71 a Rz. 29. Zum Ganzen ausführlich Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 17 ff.; für die Geltung des Verbots auch nach Inkrafttreten der Neuregelung jedoch K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 18. Vgl. hierzu Fleischer, AG 1996, 494, 505 f. H. M., vgl. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 18; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 22 Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 71a Rz. 21; abw. Brosius, S. 230.
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Umgehungsgeschäfte 4.
Rechtsfolgen
Liegt ein Verstoß gegen § 71a Abs. 1 vor, ist das Finanzierungsgeschäft nichtig; auf den 20 dinglichen Aktienerwerb hat dies keine Auswirkungen.37) Die Nichtigkeit des Finanzierungsgeschäfts bezieht sich allein auf den schuldrechtlichen Teil; der Geldfluss wird hiervon nicht erfasst, weil dies wegen § 935 Abs. 2 BGB ohnehin nicht effektiv wäre (str.).38) Die AG hat einen Anspruch gegen den Leistungsempfänger auf Rückerstattung der Finanzierungshilfe gemäß § 62.39) Bei der verbotenen Sicherheitenbestellung bezieht sich die Nichtigkeit nicht nur auf die Sicherungsabrede, sondern auch auf die Sicherheit als solches (str.).40) IV.
Verbotene Treuhandverhältnisse (§ 71a Abs. 2)
Nach § 71a Abs. 2 erstreckt sich die Nichtigkeit auch auf Rechtsgeschäfte zwischen der 21 AG und einem anderen, wenn dieser hiernach berechtigt oder verpflichtet sein soll, verbotenerweise Aktien der AG oder eines von sich abhängigen oder in ihrem Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu erwerben. Die Regelung steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit § 71a Abs. 1, sondern sanktioniert vielmehr ähnlich wie § 57, dass die AG aufgrund eines derartigen Geschäfts dem Dritten zum Aufwendungsersatz verpflichtet wäre, mithin das wirtschaftliche Risiko des Aktienerwerbs trägt. Insofern ähnelt die Regelung § 56 Abs. 3. Gegenüber § 71d ist die Norm richtigerweise dadurch abzugrenzen, dass § 71a Abs. 2 den nach § 71 verbotenen Aktienerwerb regelt, § 71d den erlaubten. 1.
Erfasste Rechtsverhältnisse
Erfasst ist jedes Rechtsgeschäft zwischen der AG und einem anderen, aufgrund dessen 22 dieser die Aktien für Rechnung der AG erwerben darf oder muss. Hierunter fallen somit sämtliche Treuhandverhältnisse bzw. die Fälle der mittelbaren Stellvertretung (Auftrag, Geschäftsbesorgung, Kommission; Einzelheiten siehe § 71d Rz. 4). 2.
Verbotener Aktienerwerb
Die Regelung gilt nur, wenn der – hypothetische – Erwerb der Aktien durch die AG 23 selbst nach Maßgabe von § 71 Abs. 1 und 2 unzulässig wäre; das Gleiche gilt für die verbotene Inpfandnahme gemäß § 71d. In Betracht kommt nur der derivative Erwerb von bereits bestehenden Aktien; für die erstmalige Übernahme und Zeichnung gilt § 56 Abs. 2. 3.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das betreffende schuldrechtliche Rechtsgeschäft 24 zwingend nichtig. Der dingliche Aktienerwerb durch den Dritten wird hierdurch indessen nicht berührt. Im Ergebnis führt die Nichtigkeit damit dazu, dass der Dritte aus dem Rechtsgeschäft keine Ansprüche gegen die AG ableiten kann. Dies muss auch gelten, wenn ein Fall der Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt.41) Der Dritte ist wie bei § 56 Abs. 2 im Verhältnis zur AG so zu behandeln, als wenn er die Aktien auf eigene Rechnung erworben hätte. Für das Veräußerungsgebot gemäß § 71c und den Rechteausschluss gemäß § 71b besteht daher kein Bedürfnis. Es besteht auch keine Pflicht, die Aktien an die AG zu übertragen. _____________ 37) Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 71a Rz. 23. 38) Wie hier die wohl h. M., vgl. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 31; Hüffer, AktG, § 71a Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 16; abw. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71a Rz. 50 m. w. N. 39) OLG München, Urt. v. 24.1.2006 – 5 U 4383/05, Beck RS 2008, 07509. 40) Abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 16 – Nichtigkeit nur des Sicherungsvertrages. 41) H. M., vgl. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71a Rz. 25; Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71a Rz. 48.
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§ 71b
Rechte aus eigenen Aktien
§ 71b Rechte aus eigenen Aktien Aus eigenen Aktien stehen der Gesellschaft keine Rechte zu. Literatur: Berrar/Schnorbus, Rückkauf eigener Aktien und Übernahmerecht, ZGR 2003, 59; Busch, Eigene Aktien in der Kapitalerhöhung, AG 2005, 429; Fleischer/Körber, Der Rückerwerb eigener Aktien und das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BB 2001, 2589.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 II. Keine Rechte aus eigenen Aktien ................................................ 2 I.
III. Anwachsung bei den übrigen Aktionären .......................... 3 IV. Ruhen der Pflichten .......................... 4
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Regelung beruht auf Art. 22 der Kapitalrichtlinie. Der Ausschluss von Rechten der AG aus eigenen Aktien sichert zum einen, dass der Vorstand keine Aktionärskompetenzen ausübt. Die Regelung hat insofern einen insbesondere für das Verwaltungsstimmrecht mittels Legitimationszession verallgemeinerungsfähigen Inhalt (sehr umstr., Einzelheiten siehe § 134). Zum anderen verwirklicht die Norm einen besonderen Vermögensschutz zugunsten der übrigen Aktionäre, indem der AG aus ihren Aktien keine Ansprüche zustehen.1) Über die Pflichten aus den eigenen Aktien besagt die Norm nichts; hier ist jedoch eine spiegelbildliche Betrachtung angezeigt (siehe unten Rz. 4). Die Regelung gilt beim rechtmäßigen und rechtswidrigen Aktienerwerb. Sie gilt gemäß § 71d Abs. 1 Satz 4 bei der AG zurechenbaren Dritten entsprechend. Auf in Pfand genommene Aktien findet die Regelung demgegenüber keine Anwendung (Umkehrschluss aus § 71a Abs. 1 Satz 3).2) II.
Keine Rechte aus eigenen Aktien
2 Der AG stehen während der – stets wirksamen (vgl. § 71 Abs. 4 Satz 1) – Innehabung eigener Aktien keine Verwaltungs- und Vermögensrechte aus den betreffenden Aktien zu. Eine Ausnahme folgt indessen aus § 215, wonach auch eigene Aktien an der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln teilnehmen. Für das Bezugsrecht bei der ordentlichen Kapitalerhöhung gilt dies ebenso.3) Das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte kann auch nicht durch Abtretung, Bevollmächtigung oder vergleichbare Gestaltungen umgangen werden.4) Mit Weiterveräußerung endet das Ruhen der Mitgliedschaftsrechte – soweit noch möglich – mit Wirkung ex nunc.5) III.
Anwachsung bei den übrigen Aktionären
3 Die Grundkapitalziffer wird durch § 71b nicht verändert. Soweit es daher auf die Beteiligung einzelner Aktionäre am Grundkapital ankommt, ändert sich nichts (vgl. z. B. § 62 Abs. 1 UmwG). Im Übrigen kommt es zur Anwachsung der ruhenden Vermögens- und Mitverwaltungsrechte bei den übrigen Aktionären.6) Eine Ausnahme hiervon begründet _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
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Vgl. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71b Rz. 6, freilich im Ergebnis sehr zurückhaltend. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71b Rz. 7. Vgl. Busch, AG 2005, 429, 430 ff. Unstreitig, vgl. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71b Rz. 10; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71b Rz. 8. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71b Rz. 7. Unstreitig, vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71b Rz. 10.
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§ 71c
Veräußerung und Einziehung eigener Aktien
jedoch § 16 Abs. 2 Satz 2 für die konzernrechtlichen Regeln, einschließlich des squeeze out (§ 327a Abs. 2), so dass ein Gesellschafter infolge des von ihm nicht kontrollierbaren Erwerbs eigener Aktien durch die AG nicht unversehens herrschendes Unternehmen wird. Vgl. für die Konzernbilanz § 290 Abs. 4 HGB. Eine weitere Ausnahme sollte zudem im Übernahmerecht gemacht werden, so dass niemand infolge des durch ihn nicht steuerbaren Erwerbs eigener Aktien zur Abgabe eines Pflichtangebots gezwungen wird (str.).7) Etwas anderes gilt nur, wenn der betreffende Aktionär den Erwerb veranlasst hat und er hierdurch faktisch die 30 %-Schwelle überschreitet. IV.
Ruhen der Pflichten
Für die Pflichten, die während der Innehabung der eigenen Aktien entstehen würden, gilt das 4 Vorgesagte ohne weiteres spiegelbildlich. Die Pflichten, die bereits vor dem Rückerwerb bestanden, insbesondere die Pflicht zur Leistung der Resteinlage, ruhen ebenfalls während der Besitzzeit. Ein Erlöschen wegen Konfusion kommt wegen des Gläubiger- und Aktionärsschutzes nicht in Betracht, so dass der Erwerber eigener Aktien zur Nachleistung verpflichtet ist (str.).8) _____________ 7)
8)
So vor allem Berrar/Schnorbus, ZGR 2003, 59, 88; Fleischer/Körber, BB 2001, 2589, 2593 f.; unentschieden K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71b Rz. 6, der sich aber zumindest für eine Befreiung von der Angebotspflicht gemäß § 9 Nr. 5 WpÜG ausspricht. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71b Rz. 11; abw. Grigoleit-Grigoleit/Rachlitz, AktG, § 71b Rz. 9.
§ 71c Veräußerung und Einziehung eigener Aktien (1) Hat die Gesellschaft eigene Aktien unter Verstoß gegen § 71 Abs. 1 oder 2 erworben, so müssen sie innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb veräußert werden. (2) Entfallen auf die Aktien, welche die Gesellschaft nach § 71 Abs. 1 in zulässiger Weise erworben hat und noch besitzt, mehr als zehn vom Hundert des Grundkapitals, so muß der Teil der Aktien, der diesen Satz übersteigt, innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb der Aktien veräußert werden. (3) Sind eigene Aktien innerhalb der in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Fristen nicht veräußert worden, so sind sie nach § 237 einzuziehen. Literatur: Ganske, Das zweite gesellschaftsrechtliche Koordinierungsgesetz vom 13.12.1978, DB 1978, 2461; Lutter, Mindestumfang der Kapitalerhöhung bei der Verschmelzung zur Aufnahme oder Neugründung bei Aktiengesellschaften?, in: Festschrift für Herbert Wiedemann, 2002, S. 1097; Preusche, Altbestand eigener Aktien und Veräußerungspflichten nach §§ 71 ff. AktG, BB 1982, 1638.
Übersicht I. Normzweck, Regelungsgehalt ......... 1 II. Veräußerung wegen rechtswidrigen Erwerbs (§ 71c Abs. 1) ...... 2 1. Voraussetzungen ................................ 2 2. Entsprechende Anwendung ............... 3 3. Rechtsfolge ......................................... 4
III. Veräußerung wegen Überschreitens der Erwerbsobergrenze (§ 71c Abs. 2) ................. 1. Voraussetzungen ................................ 2. Rechtsfolge ......................................... IV. Einziehung nach Fristablauf (§ 71c Abs. 3) .....................................
Wolfgang Servatius
7 7 8 9
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§ 71c I.
Veräußerung und Einziehung eigener Aktien Normzweck, Regelungsgehalt
1 § 71c regelt in differenzierter Weise die weitere Behandlung der durch die AG erworbenen eigenen Aktien. Die Norm wurde 1979 eingeführt und beruht auf Art. 20 Abs. 2 und 3 sowie Art. 21 der Kapitalrichtlinie.1) Die Regelung ist zwingend. Nach § 71c Abs. 1 sind unzulässig erworbene Aktien innerhalb Jahresfrist wieder zu veräußern. § 71c Abs. 2 erweitert dies für den Fall, dass die Erwerbsobergrenze von 10 % des Grundkapitals gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 nachträglich überschritten wird, indem der überschießende Teil innerhalb von spätestens drei Jahren nach dem Erwerb veräußert werden muss. Nach § 71c Abs. 3 sind die rechtswidrig erworbenen oder zu viel gehaltenen Aktien nach Ablauf der Veräußerungsfristen gemäß § 237 einzuziehen. Nach § 71d Satz 4 gilt die Regelung beim Aktienerwerb zurechenbarer Dritter sinngemäß. Die Regelung ist nicht Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB und eröffnet nicht ein Vorgehen nach § 1004 BGB.2) II.
Veräußerung wegen rechtswidrigen Erwerbs (§ 71c Abs. 1)
1.
Voraussetzungen
2 Erforderlich ist, dass Aktien rechtswidrig erworben wurden. Dies ist unproblematisch gegeben, wenn die Voraussetzungen von § 71 Abs. 1 Nr. 1 – 8 beim Erwerb nicht eingehalten wurden. Für Verletzung von § 53a (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3) soll das nicht gelten, weil die Vorgaben der Kapitalrichtlinie das Veräußerungsgebot hieran ebenfalls nicht knüpfen.3) Dem ist nicht zu folgen. Gleichheitswidrig erworbene Aktien sind rechtswidrig erworbene Aktien, so dass es nicht gerechtfertigt ist, von einem minder schweren Mangel zu sprechen (siehe zur Veräußerung unten Rz. 4). Zur problematischen Abgrenzung von § 71c Abs. 1 und Abs. 2 beim Überschreiten der 10 %-Erwerbsgrenze siehe unten Rz. 7). Auf die rechtswidrige Zeichnung i. S. von § 56 ist die Regelung entsprechend anzuwenden.4) 2.
Entsprechende Anwendung
3 Nicht von § 71c Abs. 1 erfasst ist demgegenüber der Fall, dass der Erwerb ursprünglich zulässig war, die Voraussetzungen jedoch in der Zwischenzeit weggefallen sind. Dies betrifft vor allem den Erwerb zur Schadensabwehr (§ 71 Abs. 1 Nr. 1), den Erwerb zur Ausgabe von Belegschaftsaktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 2) und den Erwerb von Aktien zur Bedienung von Abfindungsansprüchen (§ 71 Abs. 1 Nr. 3). Ebenfalls nicht erfasst sind die Fälle, bei denen kein Interesse mehr besteht, die rechtmäßig erworbenen Aktien weiterhin zu halten. Dies betrifft vor allem den Erwerb infolge Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs. 1 Nr. 5). In all diesen Gestaltungen folgt aus dem grundsätzlichen Verbot des Erwerbs eigener Aktien jedoch, dass der rechtmäßige Erwerb kein Freibrief ist, die Aktien dauerhaft zu halten. Der Vorstand ist vielmehr in diesen Fällen aufgrund seiner allgemeinen Pflichtenbindung gehalten, die nicht benötigten eigenen Aktien in entsprechender Anwendung von § 71c Abs. 1 alsbald wieder zu veräußern, um mit dem erzielten Erlös den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand zur Verwirklichung des Gewinnziels auszufüllen (str.).5) Unterlässt er dies pflichtwidrig, macht er sich gegenüber der AG gemäß § 93 Abs. 2 schadensersatzpflichtig (vor allem im Hinblick auf einen entgangenen Gewinn). _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
430
Vgl. Ganske, DB 1978, 2461. LG Memmingen, Urt. v. 11.8.2010 – 2 HK O 515/10, GWR 2010, U55. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71c Rz. 2. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71c Rz. 3. Für das Überschreiten der Frist gemäß § 71 Abs. 3 Satz 2 auch Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71c Rz. 7. Abw. im Übrigen die h. M., vgl. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71b Rz. 7; Lutter in: FS Wiedemann, S. 1097, 1107.
Wolfgang Servatius
Veräußerung und Einziehung eigener Aktien 3.
§ 71c
Rechtsfolge
Die rechtswidrig erworbenen Aktien sind binnen Jahresfrist zu veräußern (die AG ist 4 gemäß § 71 Abs. 4 Satz 1 wirksam Inhaberin der Aktien geworden). Der Vorstand hat sich hierum ernsthaft zu bemühen und macht sich andernfalls gegenüber der AG schadensersatzpflichtig (entgangener Gewinn wegen gebundenen Kapitals).6) Die Frist beginnt mit dem unzulässigen Erwerb. Vgl. die Ordnungswidrigkeit gemäß § 405 Abs. 1 Nr. 4 b, wenn die Aktien nicht angeboten werden. Über die Art und Weise der gebotenen Veräußerung fehlen spezielle Regeln. Da das 5 schuldrechtliche Kausalgeschäft beim rechtswidrigen Erwerb gemäß § 71 Abs. 4 Satz 2 nichtig ist, ist der Erwerb vorrangig rückgängig zu machen.7) Der ursprüngliche Veräußerer ist freilich im gesetzlichen Regelfall nicht verpflichtet, die Aktien wieder zu übernehmen; Ausnahmen hiervon ermöglicht allein die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, was bisher noch nicht ausreichend beleuchtet wurde. Lehnt der ursprüngliche Veräußerer den Rückerwerb ab, sind die Aktien vorrangig den übrigen Aktionären anzubieten (siehe sogleich Rz. 7). Vgl. die Berichtspflicht im Lagebericht des Jahresabschlusses gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2. Nimmt man – wie hier vertreten (siehe oben Rz. 3) – an, dass die Veräußerungspflicht 6 gemäß § 71c Abs. 1 entsprechend gilt, wenn der Erwerb nachträglich unzulässig wird oder die AG kein Interesse mehr an den eigenen Aktien hat, sind die Aktien vorrangig den Aktionären anzubieten (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 Sätze 3 – 5).8) Einzelheiten siehe § 71 Rz. 43. III.
Veräußerung wegen Überschreitens der Erwerbsobergrenze (§ 71c Abs. 2)
1.
Voraussetzungen
§ 71c Abs. 2 verpflichtet den Vorstand auch dann zur Veräußerung, wenn der Erwerb – 7 isoliert betrachtet – zwar rechtmäßig war, er jedoch im Zusammenspiel mit anderen Erwerben dazu führt, dass die AG sowie ggf. die nach § 71d Satz 1 und 2 einzubeziehenden Dritten (vgl. § 71d Satz 3) insgesamt eigene Aktien zu einem Nennbetrag von mehr als 10 % des Grundkapitals halten. Der Wortlaut der Regelung ist indessen sehr missglückt. Richtigerweise ist vorrangig § 71c Abs. 1 anzuwenden, wenn der zulässige Aktienerwerb bereits gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 voraussetzt, dass die 10 %-Grenze nicht überschritten wird.9) Für § 71c Abs. 2 bleibt daher nur Raum, wenn es in der Kombination verschiedener Erwerbstatbestände zu einer Überschreitung kommt. Beispiele hierfür sind das mehrmalige Ausnutzen einer Ermächtigung gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 oder der Hinzuerwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs. 1 Nr. 5), obwohl bereits eigene Aktien zum Zweck der Schadensabwehr (§ 71 Abs. 1 Nr. 1) gehalten werden. Bei der Berechnung kommt es stets darauf an, worauf sich die 10 %-Grenze gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 überhaupt bezieht (siehe zur Kontroverse in der Literatur § 71 Rz. 47). 2.
Rechtsfolge
Innerhalb von drei Jahren zu veräußern ist nur der Teil der Aktien, der für das Über- 8 schreiten der 10 %-Grenze ursächlich ist.10) Die Frist beginnt mit dem jeweiligen Erwerb, der zum Überschreiten der Grenze führt, ggf. gestaffelt.11) Siehe im Übrigen oben Rz. 4. _____________ 6) Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386 = NZG 2010, 141. 7) Unstreitig, vgl. nur Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71c Rz. 16; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71c Rz. 8. 8) Vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 17.3.1994 – 1 U 46/93, AG 1994, 417, 418; Oechsler in: MünchKommAktG, § 71c Rz. 20. 9) So auch Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71c Rz. 10. 10) Unstreitig, vgl. nur Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71c Rz. 12. 11) Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 71c AktG Rz. 5.
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§ 71d IV.
Erwerb eigener Aktien durch Dritte
Einziehung nach Fristablauf (§ 71c Abs. 3)
9 Kommt es innerhalb der Fristen gemäß § 71c Abs. 1 und Abs. 2 nicht zur Weiterveräußerung, sind die Aktien gemäß § 237 einzuziehen (Einzelheiten dort). Der Vorstand hat den entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss unverzüglich nach Fristablauf vorzubereiten;12) vgl. die Ordnungswidrigkeit bei Nichtbeachtung gemäß § 405 Abs. 1 Nr. 4c. Kommt es nicht zur Einziehung, bestehen die Veräußerungsgebote nach § 71c Abs. 1 und 2 ebenso wie in der Vorbereitungsphase des Beschlusses fort.13) _____________ 12) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71c Rz. 14. 13) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71c Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71c Rz. 11.
§ 71d Erwerb eigener Aktien durch Dritte 1
Ein im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Gesellschaft handelnder Dritter darf Aktien der Gesellschaft nur erwerben oder besitzen, soweit dies der Gesellschaft nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, 7 und 8 und Abs. 2 gestattet wäre. 2Gleiches gilt für den Erwerb oder den Besitz von Aktien der Gesellschaft durch ein abhängiges oder ein im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen sowie für den Erwerb oder den Besitz durch einen Dritten, der im eigenen Namen, jedoch für Rechnung eines abhängigen oder eines im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehenden Unternehmens handelt. 3Bei der Berechnung des Anteils am Grundkapital nach § 71 Abs. 2 Satz 1 und § 71c Abs. 2 gelten diese Aktien als Aktien der Gesellschaft. 4Im übrigen gelten § 71 Abs. 3 und 4, §§ 71a bis 71c sinngemäß. 5Der Dritte oder das Unternehmen hat der Gesellschaft auf ihr Verlangen das Eigentum an den Aktien zu verschaffen. 6Die Gesellschaft hat den Gegenwert der Aktien zu erstatten. Literatur: Brass/Tiedemann, Die zentrale Gegenpartei beim unzulässigen Erwerb eigener Aktien, ZBB 2007, 257; Büdenbender, Eigene Aktien und Aktien an der Muttergesellschaft, DZWiR 1998, 1, 55; Cahn, Aktien der herrschenden AG im Fondsvermögen abhängiger Investmentgesellschaften, WM 2001, 1929; Huber, Zum Aktienerwerb durch ausländische Tochtergesellschaften, in: Festschrift für Konrad Duden, 1977, S. 137; Thömmes, Steht dem Tochterunternehmen aus dem Besitz von Aktien der Muttergesellschaft eine Dividende zu?, AG 1987, 34; Zilias/Lanfermann, Die Neuregelung des Erwerbs und Haltens eigener Aktien, WPg 1980, 61.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... II. Einzubeziehende Dritte ................... 1. Treuhandverhältnis, mittelbare Stellvertretung (§ 71d Satz 1) ........... 2. Abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (§ 71d Satz 2) ..................................... III. Erweiterung des Erwerbsverbots ....
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1 3 4
5 6
1. Erlaubnistatbestände gemäß § 71 Abs. 1 .......................................... 7 2. Erwerbsgrenzen gemäß § 71 Abs. 2 .......................................... 8 3. Umgehungsschutz nach § 71a ........... 9 IV. Rechtsfolgen des zulässigen Erwerbs ............................................. 10 V. Rechtsfolgen des unzulässigen Erwerbs oder Besitzes ..................... 11 VI. Herausgabeanspruch ....................... 14
Wolfgang Servatius
Erwerb eigener Aktien durch Dritte I.
§ 71d
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Norm beruht weitgehend auf Art. 24a der Kapitalrichtlinie und schützt das Erwerbs- 1 verbot gemäß § 71 vor Umgehungen. Nach Satz 1 ist der Erwerb eines Dritten, der für Rechnung der AG handelt, nur zulässig, soweit die AG die Aktien selbst erwerben dürfte; für die Inpfandnahme folgt die Gleichstellung aus § 71e Abs. 1 Satz 1. § 71d Satz 2 erweitert dies für Konzernsachverhalte. Nach § 71d Satz 3 werden die einbezogenen Aktien Dritter bei den Erwerbsgrenzen gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 und § 71c Abs. 2 mit berücksichtigt. § 71d Satz 4 besagt, dass die Informationspflichten des Vorstands (§ 71 Abs. 3) und die Rechtsfolgen eines unzulässigen Erwerbs (§ 71 Abs. 4) auch bei Aktien der gemäß § 71d Satz 1 und Satz 2 einzubeziehenden Dritten gelten; das Gleiche gilt für das Verbot der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs (§ 71a), das Ruhen von Rechten und Pflichten aus den betreffenden Aktien (§ 71b) und das Veräußerungsgebot gemäß § 71c. § 71d Satz 5 begründet einen Anspruch der AG, die von den einzubeziehenden Dritten gehaltenen Aktien übertragen zu bekommen; hierfür hat die AG gemäß § 71d Satz 6 den Gegenwert zu erstatten. Die Regelung ist zum einen von § 56 Abs. 2 und 3 abzugrenzen, die die (erstmalige) 2 Aktienübernahme bzw. Zeichnung von Aktien betreffen. Darüber hinaus besteht eine tatbestandliche Nähe zu § 71a Abs. 2. Hiernach ist ein Rechtsgeschäft zwischen der AG und einem Dritten nichtig, wenn hierüber die AG zum Erwerb eigener Aktien berechtigt oder verpflichtet sein soll und ein Verstoß gegen § 71 Abs. 1 oder Abs. 2 vorliegt. Die – nicht leicht nachvollziehbare – Abgrenzung ist im Ausgangspunkt wie folgt: § 71a Abs. 2 erfasst die Fälle eines gemäß § 71 Abs. 1 und 2 unzulässigen Erwerbs, § 71d die Fälle, in denen die AG die Aktien erwerben dürfte.1) Diese Abgrenzung lässt sich jedoch nicht trennscharf durchführen, so dass in jedem Einzelfall beide Normen zu beachten sind.2) II.
Einzubeziehende Dritte
§ 71d Satz 1 erweitert das Erwerbsverbot auf Dritte, die mit der AG über ein Treuhand- 3 verhältnis oder konzernrechtlich verbunden sind. 1.
Treuhandverhältnis, mittelbare Stellvertretung (§ 71d Satz 1)
Voraussetzung für die Einbeziehung ist, dass der Dritte aufgrund einer entsprechenden 4 Abrede die Aktien für Rechnung der AG erwirbt oder besitzt. Der schuldrechtliche Rechtsgrund (Auftrag, Geschäftsbesorgung, Kommission) und die Wirksamkeit der Abrede spielen keine Rolle. Maßgebliches Zurechnungskriterium ist allein, ob der AG aus dem betreffenden Rechtsverhältnis kraft Vereinbarung oder Gesetzes Herausgabe- oder Erstattungsansprüche zustehen und sie damit letztlich das wirtschaftliche Risiko trägt.3) Die Regelung bezweckt Umgehungsschutz, so dass eine weite Auslegung geboten ist. 2.
Abhängiges oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (§ 71d Satz 2)
Ebenso erfasst sind der Erwerb oder das Halten von Aktien durch ein von der AG ab- 5 hängiges (§ 71d Satz 2 Alt. 1) oder in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen (§ 71d Satz 2 Alt. 2). Der Unternehmensbegriff ist rechtstechnisch ungenau. Einbezogen sind Rechtsträger, auf die die betreffende AG rechtlich oder tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (vgl. § 17)4) oder die Mehrheit der Stimmrechte oder Kapitalanteile _____________ 1) 2) 3) 4)
Vgl. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71d Rz. 3 f. Vgl. auch Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71d Rz. 4: Abstimmung ist missglückt. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 2; zur Stellung des zentralen Vertragskontrahenten Brass/Tiedemann, ZBB 2007, 257. Vgl. OLG München, Urt. v. 7.4.1995 – 23 U 6733/94, DStR 1995, 893.
Wolfgang Servatius
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§ 71d
Erwerb eigener Aktien durch Dritte
hält (vgl. § 16).5) Diese Zurechnung wird erweitert, wenn ein Dritter für Rechnung eines dieser Unternehmen die Aktien der AG hält (§ 71d Satz 2 Alt. 3; für die Zurechnung gilt dasselbe wie bei § 71d Satz 1, siehe oben Rz. 4). III.
Erweiterung des Erwerbsverbots
6 Im Grundsatz ordnet § 71d an, dass der Erwerb und Besitz von Aktien der AG durch die nach § 71d Satz 1 und Satz 2 zurechenbaren Dritten nur in dem Umfang zulässig sind, in dem die AG selbst Aktien erwerben dürfte. 1.
Erlaubnistatbestände gemäß § 71 Abs. 1
7 § 71d Satz 1 bezieht sich nur auf die Erlaubnistatbestände gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 1 – 5, sowie Nr. 7 und 8. Der Aktienerwerb durch die einzubeziehenden Dritten ist daher nur rechtmäßig, wenn die betreffenden Voraussetzungen vorliegen, einschließlich der Prüfung, ob die Innehabung durch die Dritten der Privilegierung nicht entgegensteht. Beim Erwerb zur Schadensabwehr (§ 71 Abs. 1 Nr. 1) kommt es auf den Schaden der AG an, nicht des Dritten.6) Es muss zudem ermittelt werden, warum gerade der Dritte die Aktien erwerben soll, um einen Schaden von der AG abzuwenden. Die Ausgabe von Belegschaftsaktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 2) kann jedoch auch damit gerechtfertigt werden, dass diese an eines der in § 71d Satz 2 genannten Konzernunternehmen erfolgen soll; für die Bedienung von Abfindungsansprüchen (§ 71 Abs. 1 Nr. 3) gilt dasselbe.7) Beim Erwerb nach § 71 Abs. 1 Nr. 4 kommt es richtigerweise darauf an, ob der einzubeziehende Dritte die Aktien unentgeltlich erwirbt oder als Kreditinstitut Kommissionsgeschäfte tätigt (str.).8) Die nach § 71 Abs. 1 Nr. 5 zulässige Gesamtrechtsnachfolge muss beim einzubeziehenden Dritten eintreten.9) Die Ermächtigung zur Einziehung (§ 71 Abs. 1 Nr. 6) wird in § 71d Satz 1 nicht genannt, so dass der Dritte hierfür keinesfalls Aktien erwerben darf. Nach § 71 Abs. 1 Nr. 7 darf jedoch auch ein einzubeziehender Dritter, bei dem die betreffenden Voraussetzungen vorliegen, Aktien im Handelsbestand halten. Die praktisch wichtige Vorstandsermächtigung (§ 71 Abs. 1 Nr. 8) kann sich auch darauf erstrecken, dass ein einzubeziehender Dritter die Aktien erwirbt. 2.
Erwerbsgrenzen gemäß § 71 Abs. 2
8 Die Erwerbsobergrenze gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 gilt auch für den Erwerb durch einzubeziehende Dritte. Die von der AG selbst und den Dritten (vgl. Satz 3) gehaltenen Aktien dürfen daher bezogen auf ihren Nennbetrag bzw. rechnerischen Wert 10 % der Grundkapitalziffer der AG nicht übersteigen (Einzelheiten bei § 71 Rz. 47). Darüber hinaus gilt § 71 Abs. 2 Satz 2 entsprechend, so dass der Erwerb und Besitz durch den Dritten nur zulässig sind, soweit die AG (nicht der Dritte!) eine entsprechende auflösungsfähige Rücklage bilden könnte (§ 71 Rz. 48); die tatsächliche Rücklagenbildung ist nicht erforderlich.10) Auch das Verbot, bei bestimmten Erwerbstatbeständen keine nicht voll eingezahlten Aktien zu erwerben, gilt für den Dritten (§ 71 Abs. 2 Satz 3; Einzelheiten siehe § 71 Rz. 50). _____________ 5) Gegen die Erstreckung dieser Erweiterung auf Investmentfonds mit guten Gründen Cahn, WM 2001, 1929; krit. zur Einbeziehung nach § 16 Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71d Rz. 33. 6) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 5. 7) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 5. 8) So Hüffer, AktG, § 71d Rz. 3; abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 5. 9) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 5. 10) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71d Rz. 47; ausführlich zum Erwerb bei mehrstufigen Unternehmensverbindungen – Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71d Rz. 42 ff.
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Wolfgang Servatius
Erwerb eigener Aktien durch Dritte 3.
§ 71d
Umgehungsschutz nach § 71a
Nach § 71d Satz 4 gilt das Verbot der finanziellen Unterstützung des Aktienerwerbs 9 gemäß § 71a Abs. 1 auch beim Erwerb durch Dritte. Dies gilt zum einen für die Fälle, in denen die AG den Aktienerwerb des einzubeziehenden Dritten finanziert; zum anderen auch, wenn ein einzubeziehender Dritter den Aktienerwerb der AG finanziert (Einzelheiten dort). Zur schwierigen Abgrenzung von § 71a Abs. 2 siehe oben Rz. 2. IV.
Rechtsfolgen des zulässigen Erwerbs
Ist der Erwerb nach § 71 Abs. 1 und 2 zulässig, stehen dem einzubeziehenden Dritten 10 gemäß § 71d Satz 4 i. V. m. § 71b keine Rechte und Pflichten an den Aktien zu. Gemäß § 71d Satz 4 i. V. m. § 71 Abs. 3 Satz 1 hat der Vorstand der AG die Hauptversammlung der AG über den Erwerb nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 8 zu informieren (siehe § 71 Rz. 54); vgl. für den Jahresabschluss der AG die notwendigen Angaben im Lagebericht gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2. Wurden Aktien für die Ausgabe von Belegschaftsaktien erworben, sind diese gemäß § 71d Satz 4 i. V. m. § 71 Abs. 3 Satz 2 innerhalb eines Jahres auszugeben; Adressat dieser Pflicht sind richtigerweise wie i. R. von § 71c sowohl die AG wie auch der einzubeziehende Dritte, je nach rechtlicher Einwirkungsmöglichkeit (str.).11) Nur so wird gewährleistet, dass das Anliegen nicht durch ein „Kompetenzgerangel“ leer läuft. Wird der Erwerb nachträglich unzulässig, folgt eine Veräußerungspflicht aus § 71d Satz 4 i. V. m. § 71c Abs. 2 („erwerben und besitzen“). Siehe auch den Herausgabeanspruch nach § 71d Satz 5 und Satz 6, unten Rz. 14. V.
Rechtsfolgen des unzulässigen Erwerbs oder Besitzes
Sind der Erwerb oder Besitz gemäß § 71d Satz 2 i. V. m. § 71 Abs. 1 und 2 unzulässig, hat 11 dies auf die dingliche Berechtigung des Dritten an den Aktien keine Auswirkungen (§ 71 Abs. 4 Satz 1). Dem Dritten stehen jedoch gemäß § 71d Satz 4 i. V. m. § 71b keine Rechte und Pflichten an den Aktien zu. Vgl. für den Jahresabschluss der AG die notwendigen Angaben im Lagebericht gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2. Im Hinblick auf das dem Aktienerwerb zugrunde liegende schuldrechtliche Rechtsge- 12 schäft ist zu differenzieren (dies ist wegen der komplizierten Rechtslage alles sehr umstritten): Das zwischen AG und Drittem geschlossene schuldrechtliche Geschäft (z. B. Auftrag, Geschäftsbesorgung, Kommission) ist nicht gemäß § 71 Abs. 4 Satz 2 unwirksam (str.).12) Vielmehr gilt insofern § 56 Abs. 3 Satz 2 entsprechend, so dass der Dritte im Verhältnis zur AG auf eigene Rechnung handelt, mithin insbesondere keinen Aufwendungsersatzanspruch hat (siehe § 56 Rz. 16). Richtigerweise bezieht sich die durch § 71d Satz 4 i. V. m. § 71 Abs. 1 Satz 4 vermittelte Unwirksamkeit daher nur auf das betreffende Erwerbsgeschäft des Dritten.13) Er ist daher ggf. aus §§ 812 ff. BGB verpflichtet, die Aktien Zug um Zug gegen die erhaltene Gegenleistung herauszugeben. Der Herausgabeanspruch der AG nach § 71d Satz 5 und Satz 6 tritt hierhinter zurück.14) Für Ansprüche aus §§ 57, 62 ist in diesen Konstellationen regelmäßig kein Raum.15) _____________ 11) Abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 14 – Adressat ist nur die AG; Hüffer, AktG, § 71d Rz. 15 – Adressat ist die Tochtergesellschaft. 12) So auch Hüffer, AktG, § 71d Rz. 9; abw. Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 71d AktG Rz. 4; differenzierend, auch die Nichtigkeit dieses Geschäfts bejahend – Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71d Rz. 16 ff., insb. 19 ff. 13) Vgl. LG Göttingen, Urt. v. 6.1.1992 – 8 O 123/91, WM 1992, 1373. 14) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 17. 15) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71d Rz. 55; abw. Hüffer, AktG, § 71d Rz. 16; K. Schmidt/LutterBezzenberger, AktG, § 71d Rz. 17.
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§ 71e
Inpfandnahme eigener Aktien
13 Wird der Erwerb nicht rechtzeitig rückgängig gemacht, ergibt sich aus § 71d Satz 4 i. V. m. § 71c Abs. 2 ein Veräußerungsgebot, aus § 71c Abs. 3 die Pflicht zur Zwangseinziehung (Einzelheiten jeweils dort).16) Adressat der Veräußerungspflicht sind richtigerweise sowohl die AG wie auch der einzubeziehende Dritte, je nach rechtlicher Einwirkungsmöglichkeit (str.).17) Nur so wird gewährleistet, dass das Anliegen nicht durch ein „Kompetenzgerangel“ leer läuft. Wird der Erwerb nachträglich unzulässig, folgt eine Veräußerungspflicht aus § 71d Satz 4 i. V. m. § 71c Abs. 2 („erwerben und besitzen“). Vgl. zum Herausgabeanspruch nach § 71d Satz 5 und Satz 6 sogleich. VI.
Herausgabeanspruch
14 Nach § 71d Satz 5 hat die AG gegen den einzubeziehenden Dritten einen gesetzlichen Anspruch auf Übertragung der eigenen Aktien. Auf die Rechtmäßigkeit des Erwerbs oder Besitzes kommt es nicht an.18) Der Anspruch ist vor allem relevant, wenn der Aktienerwerb zulässig ist und die AG ein Interesse an der Innehabung hat. Zudem kann der Anspruch eingesetzt werden, um beim rechtswidrigen Erwerb der Veräußerungspflicht nach § 71c Abs. 2 nachzukommen. Es handelt sich um einen verhaltenen Anspruch, der ein entsprechendes Verlangen der AG voraussetzt.19) Der Anspruch geht ins Leere, wenn der Veräußerer der Aktien gemäß § 71 Abs. 4 Satz 2 AktG i. V. m. §§ 812 ff. BGB Herausgabe der Aktien verlangen kann.20) Der nach § 71d Satz 6 zu entrichtende Gegenwert der Aktien bemisst sich richtigerweise nach dem aktuellen Wert (str.).21) _____________ 16) K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 17. 17) Wie hier Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71d Rz. 55; abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 17 – Adressat ist nur die AG; Hüffer, AktG, § 71d Rz. 15 – Adressat ist die Tochtergesellschaft. 18) Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71d Rz. 58. 19) Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71d Rz. 61. 20) Zilias/Lanfermann, WPg 1980, 61, 67. 21) H. M. vgl. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71d AktG, Rz. 66; Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71d Rz. 61; abw. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71d Rz. 17 – Anschaffungskosten.
§ 71e Inpfandnahme eigener Aktien (1) 1Dem Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 und 2, § 71d steht es gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. 2Jedoch darf ein Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut im Rahmen der laufenden Geschäfte eigene Aktien bis zu dem in § 71 Abs. 2 Satz 1 bestimmten Anteil am Grundkapital als Pfand nehmen. § 71a gilt sinngemäß. (2) 1Ein Verstoß gegen Absatz 1 macht die Inpfandnahme eigener Aktien unwirksam, wenn auf sie der Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet ist. 2Ein schuldrechtliches Geschäft über die Inpfandnahme eigener Aktien ist nichtig, soweit der Erwerb gegen Absatz 1 verstößt. Literatur: Beeser, Inpfandnahme von Eigenaktien, AcP 159 (1960), 56.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1
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II. Zulässige Inpfandnahme (§ 71e Abs. 1) ...................................... 2
Wolfgang Servatius
§ 71e
Inpfandnahme eigener Aktien 1. Erlaubnistatbestände nach § 71 Abs. 1 .......................................... 3 2. Erwerbsgrenzen nach § 71 Abs. 2 ..... 4 I.
III. Rechtsfolgen der Verpfändung (§ 71e Abs. 2) ..................................... 5 1. Zulässige Inpfandnahme .................... 5 2. Unzulässige Inpfandnahme ............... 6
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Regelung beruht auf Art. 24 der Kapitalrichtlinie und stellt in § 71e Abs. 1 Satz 1 die 1 Inpfandnahme eigener Aktien durch die AG oder einzubeziehender Dritter (§ 71d) dem Erwerb gleich, so dass die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gemäß § 71 Abs. 1 und 2 sinngemäß gelten. § 71e Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass Kreditinstitute abweichend von § 71 Abs. 1 Nr. 7 auch ohne entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss eigene Aktien als Pfand nehmen dürfen. Gemäß § 71e Abs. 1 Satz 3 gelten die Umgehungstatbestände des § 71a sinngemäß, was bei der Verpfändung kaum problematisch wird. § 71e Abs. 2 besagt, dass die gegen § 71e Abs. 1 verstoßende Verpfändung nur unwirksam ist, wenn die Aktien nicht voll eingezahlt sind; das schuldrechtliche Kausalgeschäft ist demgegenüber wie gemäß § 71 Abs. 4 Satz 2 in jedem Fall nichtig. Vgl. insoweit auch die Ordnungswidrigkeit gemäß § 405 Abs. 1 Nr. 4a. II.
Zulässige Inpfandnahme (§ 71e Abs. 1)
Die Inpfandnahme (Verpfändung gemäß §§ 1205 ff. bzw. §§ 1273 ff. BGB) eigener Ak- 2 tien durch die AG oder gemäß § 71d Sätze 1 und 2 einzubeziehender Dritter ist unzulässig, soweit kein Erlaubnistatbestand vorliegt. Es spielt keine Rolle, ob es um die erstmalige Begründung des Pfandrechts geht oder den Zweiterwerb.1) Gesetzliche Pfandrechte (vgl. § 397 HGB) und die Pfändung i. R. der Zwangsvollstreckung (§ 804 ZPO) fallen jedoch nicht hierunter und sind daher zulässig.2) 1.
Erlaubnistatbestände nach § 71 Abs. 1
§ 71e Abs. 1 Satz 1 verweist auf die Erlaubnistatbestände gemäß § 71 Abs. 1 und Abs. 2. 3 Die praktische Relevanz wird allgemein darin gesehen, dass die AG von einem Dritten Aktien als Sicherheit nimmt und damit einem Forderungsausfall vorbeugt, was der Schadensabwehr gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 1 dienen kann.3) Dies dürfte wegen der hohen Anforderungen an den hiernach zulässigen Aktienerwerb jedoch nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Bedeutsam ist die Inpfandnahme daher wohl nur in den Fällen des § 71 Abs. 1 Nr. 8, wo es die Hauptversammlung in der Hand hat, die Erwerbszwecke zu definieren. Ein Beschluss zum Aktienerwerb enthält regelmäßig zugleich die Ermächtigung zur Inpfandnahme. Bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten sieht § 71e Abs. 1 Satz 2 als gesetzlichen Regelfall vor, dass i. R. der laufenden Geschäfte eine Inpfandnahme auch ohne den ansonsten gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 7 erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss zulässig ist. 2.
Erwerbsgrenzen nach § 71 Abs. 2
§ 71 Abs. 2 ist ebenfalls Zulässigkeitsvoraussetzung. Die AG darf – gemeinsam mit 4 anderen verpfändeten oder erworbenen Aktien – keine Aktien als Pfand nehmen, soweit die 10 %-Grenze bezogen auf die Grundkapitalziffer überschritten wird. Die Inpfandnahme ist weiterhin nur zulässig, wenn die AG eine auflösbare Rücklage bilden könnte; _____________ 1) 2) 3)
Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71e Rz. 3. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71e Rz. 6. Vgl. Hüffer, AktG, § 71e Rz. 3.
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§ 72
Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren
hierbei ist im Hinblick auf die Höhe, auf den tatsächlichen Realisierungswert, der dem Pfandrecht zugrunde liegenden Forderung, abzustellen (str.).4) In der Praxis dürfte dies angesichts der durch die hierbei zu berücksichtigende Verpfändung der Aktien kaum praktikabel sein (Zirkelschluss). Nicht voll eingezahlte Aktien dürfen nur in den Fällen des § 71 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 7 und 8 verpfändet werden. III.
Rechtsfolgen der Verpfändung (§ 71e Abs. 2)
1.
Zulässige Inpfandnahme
5 Ist die Verpfändung nach § 71e Abs. 1 zulässig, stehen der AG aus den betreffenden Aktien gemäß § 71b keine Rechte zu. Dies ist insbesondere relevant, wenn der Gewinnanspruch mitverpfändet werden soll;5) § 1298 BGB gilt nicht analog. Die von der AG in Pfand genommenen Aktien sind bei den Erwerbsgrenzen gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 und § 71c Abs. 2 mit zu berücksichtigen.6) Die Berichtspflicht gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 2 gilt auch bei der Inpfandnahme; ebenso die Berichtspflicht gemäß § 71 Abs. 3 Satz 1.7) 2.
Unzulässige Inpfandnahme
6 Erfolgt die Verpfändung unter Verstoß gegen § 71e Abs. 1, ist sie nicht unwirksam; etwas anderes gilt nur, wenn der Ausgabebetrag der Aktien noch nicht voll geleistet wurde (§ 71e Abs. 2 Satz 1). Gemäß § 71e Abs. 2 Satz 2 ist demgegenüber ein schuldrechtliches Geschäft über die Inpfandnahme (Sicherungsabrede) in jedem Fall unwirksam. Dies führt dazu, dass der Verpfänder die Bestellung des Pfandrechts kondizieren, mithin Rückgängigmachung verlangen kann. In entsprechender Anwendung von § 71c Abs. 2 ist die AG verpflichtet, bei nachträglichem Überschreiten der Erwerbsgrenze auf eine Beendigung der Verpfändung hinzuwirken (str.).8) Die Berichtspflicht gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 2 gilt auch bei der Inpfandnahme; ebenso die Berichtspflicht gemäß § 71 Abs. 3 Satz 1.9) _____________ 4)
5) 6) 7) 8) 9)
K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71e Rz. 5; abw. Hüffer, AktG, § 71e Rz. 4 – Verkehrswert der Aktien, höchstens gesicherte Forderung. Zum Ganzen auch instruktiv Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71e Rz. 12. Oechsler in: MünchKomm-AktG, § 71e Rz. 23. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71e Rz. 9. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71e Rz. 15. A. A. die wohl h. M. vgl. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 71e Rz. 7 a. E.; für eine vorrangige Veräußerung der erworbenen eigenen Aktien auch Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71e Rz. 17. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 71e Rz. 15.
§ 72 Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren (1) 1Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann die Urkunde im Aufgebotsverfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für kraftlos erklärt werden. 2§ 799 Abs. 2 und § 800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten sinngemäß. (2) Sind Gewinnanteilscheine auf den Inhaber ausgegeben, so erlischt mit der Kraftloserklärung der Aktie oder des Zwischenscheins auch der Anspruch aus den noch nicht fälligen Gewinnanteilscheinen. (3) Die Kraftloserklärung einer Aktie nach §§ 73 oder 226 steht der Kraftloserklärung der Urkunde nach Absatz 1 nicht entgegen.
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Kraftloserklärung von Aktien im Aufgebotsverfahren
§ 72
Literatur: Weppner/Groß-Bölting, Kraftloserklärung nicht eingereichter Aktienurkunden nach Durchführung eines aktienrechtlichen Squeeze out gem. §§ 327a ff. AktG, BB 2012, 2196.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 II. Aufgebotsverfahren (§ 72 Abs. 1) ....................................... 2 I.
III. Gewinnanteilsscheine (§ 72 Abs. 2) ....................................... 3 IV. Konkurrenzen (§ 72 Abs. 3) ............. 4
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Regelung ermöglicht der AG die Kraftloserklärung von Aktienurkunden und Zwischen- 1 scheinen mittels Aufgebotsverfahrens. Gemäß § 72 Abs. 1 ist dies möglich, wenn eine Urkunde abhanden gekommen ist; das Verfahren richtet sich nach dem FamFG und orientiert sich an §§ 799 Abs. 2, 800 BGB. Gemäß § 72 Abs. 2 erlöschen mit wirksamer Kraftloserklärung auch die noch nicht fälligen Gewinnanteilsscheine. Die Regelung wird ergänzt durch die Kraftloserklärung von Aktien gemäß § 73 und § 226, welche gemäß § 72 Abs. 3 der Kraftloserklärung der Urkunde nicht entgegensteht. II.
Aufgebotsverfahren (§ 72 Abs. 1)
Gegenstand des Aufgebotsverfahrens sind Aktienurkunden und Zwischenscheine (vgl. 2 § 10 Abs. 3). Es kommt bei Inhaber- und Namensaktien in Betracht, insbesondere auch nach einem Squeeze out.1) Voraussetzung ist, dass diese nicht auffindbar sind oder vernichtet wurden.2) Ist ein Urkundenaustausch gemäß § 74 möglich, geht dieser vor. Das Verfahren richtet sich nach §§ 466 ff. FamFG.3) Es gilt gemäß § 26 FamFG der Amtsermittlungsgrundsatz.4) Die AG ist als Ausstellerin gemäß § 799 Abs. 2 BGB zur Unterstützung des Ausstellers verpflichtet. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde nach § 58 FamFG statthaft.5) Die betreffenden Aktien bzw. Zwischenscheine müssen genau bezeichnet werden.6) Ist der Beschluss bestandskräftig, kann der betreffende Aktionär fortan seine Aktionärsrechte ohne die Vorlage der Urkunde geltend machen.7) Er hat gemäß § 800 BGB einen Anspruch auf Ausstellung einer neuen Urkunde. III.
Gewinnanteilsscheine (§ 72 Abs. 2)
Gewinnanteilsscheine fallen nicht unter § 72 Abs. 1; für sie ist die Verlustanzeige gemäß 3 § 804 BGB vorgesehen.8) Gemäß § 72 Abs. 2 erlischt jedoch bei den Gewinnanteilsscheinen mit der Kraftloserklärung gemäß § 72 Abs. 1 auch der Anspruch auf den noch nicht fälligen Gewinn. Für fällige Gewinnanteilsscheine ist das Aufgebotsverfahren nach § 72 Abs. 1 bedeutungslos.9) IV.
Konkurrenzen (§ 72 Abs. 3)
Die Ausgebotsverfahren gemäß § 73 und § 226 bleiben auch nach Kraftloserklärung 4 gemäß § 72 Abs. 1 noch möglich. _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9)
Hierzu Weppner/Groß-Bölting, BB 2012, 2196. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1955 – 3 U 3/54, NJW 1955, 1154, 1155. Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 72 Rz. 6. OLG München, Beschl. v. 5.1.2012 – 34 Wx 369/11, ZIP 2012, 1717 = NZG 2012, 181. OLG München, Beschl. v. 5.1.2012 – 34 Wx 369/11, ZIP 2012, 1717 = NZG 2012, 181. OLG München, Beschl. v. 5.1.2012 – 34 Wx 369/11, ZIP 2012, 1717 = NZG 2012, 181. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 72 Rz. 12. Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 72 AktG Rz. 2. Hüffer, AktG, § 72 Rz. 6.
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§ 73
Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft
§ 73 Kraftloserklärung von Aktien durch die Gesellschaft (1) 1Ist der Inhalt von Aktienurkunden durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden, so kann die Gesellschaft die Aktien, die trotz Aufforderung nicht zur Berichtigung oder zum Umtausch bei ihr eingereicht sind, mit Genehmigung des Gerichts für kraftlos erklären. 2Beruht die Unrichtigkeit auf einer Änderung des Nennbetrags der Aktien, so können sie nur dann für kraftlos erklärt werden, wenn der Nennbetrag zur Herabsetzung des Grundkapitals herabgesetzt ist. 3 Namensaktien können nicht deshalb für kraftlos erklärt werden, weil die Bezeichnung des Aktionärs unrichtig geworden ist. 4Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die Beschwerde zulässig; eine Anfechtung der Entscheidung, durch die die Genehmigung erteilt wird, ist ausgeschlossen. (2) 1Die Aufforderung, die Aktien einzureichen, hat die Kraftloserklärung anzudrohen und auf die Genehmigung des Gerichts hinzuweisen. 2Die Kraftloserklärung kann nur erfolgen, wenn die Aufforderung in der in § 64 Abs. 2 für die Nachfrist vorgeschriebenen Weise bekanntgemacht worden ist. 3Die Kraftloserklärung geschieht durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern. 4In der Bekanntmachung sind die für kraftlos erklärten Aktien so zu bezeichnen, daß sich aus der Bekanntmachung ohne weiteres ergibt, ob eine Aktie für kraftlos erklärt ist. (3) 1An Stelle der für kraftlos erklärten Aktien sind, vorbehaltlich einer Satzungsregelung nach § 10 Abs. 5, neue Aktien auszugeben und dem Berechtigten auszuhändigen oder, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht, zu hinterlegen. 2Die Aushändigung oder Hinterlegung ist dem Gericht anzuzeigen. (4) Soweit zur Herabsetzung des Grundkapitals Aktien zusammengelegt werden, gilt § 226. Literatur: Heider, Einführung der nennwertlosen Aktie in Deutschland anläßlich der Umstellung des Gesellschaftsrechts auf den Euro, AG 1998, 1; Ihrig/Streit, Aktiengesellschaft und Euro, NZG 1998, 201; Seibert, Die Umstellung des Gesellschaftsrechts auf den Euro – Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung, ZGR 1998, 1.
Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 II. Kraftloserklärung (§ 73 Abs. 1, Abs. 2) .......................... 2
III. Anspruch auf neue Urkunden (§ 73 Abs. 3) ....................................... 4
I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt 1 Die Norm ermöglicht in § 73 Abs. 1 die Kraftloserklärung von Aktien, wenn deren Inhalt unrichtig geworden ist. Sie ist abzugrenzen von der Kraftloserklärung wegen Verlust oder Zerstörung der Aktienurkunde gemäß § 72. Nach § 73 Abs. 2 müssen die Aktionäre zur Einreichung ihrer Aktien aufgefordert werden. § 73 Abs. 3 räumt den Aktionären einen Anspruch auf Ausstellung neuer Urkunden ein. Gemäß § 73 Abs. 4 hat das Verfahren nach § 226 bei der Herabsetzung des Grundkapitals Vorrang. II. Kraftloserklärung (§ 73 Abs. 1, Abs. 2) 2 Die Einleitung des Verfahrens obliegt dem Vorstand.1) Es kommt gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 nur in Betracht, wenn der Inhalt der Urkunden infolge einer Veränderung der _____________ 1)
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Heider, AG 1998, 1, 6.
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Neue Urkunden an Stelle beschädigter oder verunstalteter Aktien
§ 74
rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden ist.2) Auf anfänglich unrichtige Urkunden ist die Regelung entsprechend anwendbar.3) Bezieht sich die Unrichtigkeit auf den Nennbetrag der Aktien, kann eine Kraftloserklärung gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 nur im Zuge der Kapitalherabsetzung durch Denomination gemäß §§ 222 Abs. 4 Satz 1, 229 Abs. 3 erfolgen. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 und 2 müssen die betreffenden Aktionäre vor der Kraftloserklä- 3 rung vergeblich zum Umtausch der Aktien aufgefordert worden sein. Die Kraftloserklärung erfolgt gemäß § 73 Abs. 2 Satz 3 und 4 durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger (§ 25); sie ist gerichtlich zu genehmigen.4) Zuständig ist das Registergericht am Satzungssitz (§ 14).5) Es prüft die formalen und materiellen Voraussetzungen von § 73 Abs. 1 und Abs. 2. Mit Kraftloserklärung verlieren die betreffenden Urkunden ihre Eigenschaft als ein die Mitgliedschaft verbriefendes Wertpapier.6) Die Mitgliedschaft als solches bleibt hiervon unberührt.7) III.
Anspruch auf neue Urkunden (§ 73 Abs. 3)
Die betreffenden Aktionäre haben gemäß § 73 Abs. 3 einen Anspruch auf Aushändigung 4 bzw. Hinterlegung neuer richtiger Aktienurkunden. Die Aushändigung ist dem Gericht von der AG anzuzeigen. _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Einzelheiten bei Ihrig/Streit, NZG 1998, 201, 204; Seibert, ZGR 1998, 1, 18. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 73 Rz. 7. Einzelheiten bei Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 73 Rz. 15. Spindler/Stilz-Cahn, AktG, § 73 Rz. 14. K. Schmidt/Lutter-Bezzenberger, AktG, § 73 Rz. 7. BGH, Urt. v. 25.9.1989 – II ZR 53/89, NJW-RR 1989, 166.
§ 74 Neue Urkunden an Stelle beschädigter oder verunstalteter Aktien oder Zwischenscheine 1
Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein so beschädigt oder verunstaltet, daß die Urkunde zum Umlauf nicht mehr geeignet ist, so kann der Berechtigte, wenn der wesentliche Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale der Urkunde noch sicher zu erkennen sind, von der Gesellschaft die Erteilung einer neuen Urkunde gegen Aushändigung der alten verlangen. 2Die Kosten hat er zu tragen und vorzuschießen. Übersicht
I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ................................ 1 I.
II. Umtauschverfahren .......................... 2
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
Die Norm regelt zwingend das Umtauschverfahren für beschädigte oder verunstaltete 1 Aktien oder Zwischenscheine. Es hat Vorrang gegenüber dem Aufgebotsverfahren nach § 72. Für Coupons und Talons gilt allein § 798 BGB. II.
Umtauschverfahren
Ist eine Aktie oder ein Zwischenschein (vgl. § 10 Abs. 3) so beschädigt oder verunstal- 2 tet, dass sie zur Legitimation des Aktionärs nicht mehr geeignet ist, hat dieser gegen die Wolfgang Servatius
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§ 75
Neue Gewinnanteilscheine
AG einen Anspruch auf Ausstellung einer neuen Urkunde. Voraussetzung ist jedoch, dass der Inhalt der Urkunde noch sicher zu erkennen ist; ist dies nicht der Fall, kommt nur ein Aufgebotsverfahren gemäß § 72 in Betracht. Der Anspruch ist Zug um Zug gegen Aushändigung der alten Urkunde zu erfüllen. Die AG hat die alte Urkunde zu vernichten. Die Kosten für die Ausstellung der neuen Urkunde hat gemäß § 74 Satz 2 der Aktionär zu tragen und hierfür Vorschuss zu leisten. Verzichtet die AG auf diese Kostenerstattung, liegt hierin eine verbotene Auszahlung i. S. von § 57 Abs. 1.1) _____________ 1)
Henssler/Strohn-Lange, GesR, § 74 AktG Rz. 3.
§ 75 Neue Gewinnanteilscheine Neue Gewinnanteilscheine dürfen an den Inhaber des Erneuerungsscheins nicht ausgegeben werden, wenn der Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheins der Ausgabe widerspricht; sie sind dem Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheins auszuhändigen, wenn er die Haupturkunde vorlegt. Übersicht I. Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt ............................... 1 II. Ausgabe von Gewinnanteilsscheinen (§ 75 Halbs. 1) ................... 2 I.
III. Herausgabeanspruch (§ 75 Halbs. 2) .................................... 3
Bedeutung der Norm, Regelungsgehalt
1 Die Regelung knüpft die Ausgabe neuer Gewinnanteilsscheine an die Zustimmung des betreffenden Aktieninhabers oder Inhabers des Zwischenscheins (vgl. § 10 Abs. 3). Darüber hinaus begründet sie einen Herausgabeanspruch des Aktionärs und Inhabers eines Zwischenscheins gegen die AG im Hinblick auf die hierauf bezogenen Gewinnanteilsscheine. Die Norm entspricht § 805 BGB. II.
Ausgabe von Gewinnanteilsscheinen (§ 75 Halbs. 1)
2 Der Besitzer eines Erneuerungsscheins für Gewinnanteilsscheine (Talon) muss grundsätzlich nur diesen vorlegen, um neue Gewinnanteilsscheine (Coupons) von der AG zu bekommen.1) Geht der AG jedoch zuvor vom betreffenden Aktionär oder Inhaber des Zwischenscheins ein Widerspruch zu, muss die Ausgabe unterbleiben. Verstößt die AG hiergegen, macht sie sich gegenüber dem Aktionär bzw. Inhaber des Zwischenscheins schadensersatzpflichtig. III.
Herausgabeanspruch (§ 75 Halbs. 2)
3 Die Gewinnanteilsscheine sind gemäß § 75 Halbs. 2 zwingend dem Besitzer der Aktie oder des Zwischenscheins auszuhändigen, wenn diese dies unter Vorlage der betreffenden Haupturkunde verlangen. Die Haupturkunde hat damit einen Vorrang gegenüber dem Gewinnanteilsschein. Wurden sie bereits zuvor an den Inhaber des Gewinnanteilsscheins ausgegeben, gibt es zivilrechtliche Ausgleichsansprüche. Die AG ist nach Maßgabe von § 75 Halbs. 1 befreit. _____________ 1)
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RG, Urt. v. 9.11.1910 – I 151/10, RGZ 74, 339 – Talon als Legitimationspapier.
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Vierter Teil Verfassung der Aktiengesellschaft Erster Abschnitt Vorstand § 76 Leitung der Aktiengesellschaft Jan Eckert
(1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. (2) 1Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. 2Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, daß er aus einer Person besteht. 3Die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors bleiben unberührt. (3) 1Mitglied des Vorstands kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. 2Mitglied des Vorstands kann nicht sein, wer 1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, 2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, 3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung), b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 399 dieses Gesetzes oder § 82 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 dieses Gesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes, e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. 3
Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist.
Literatur: Aschenbeck, Personenidentität bei Vorständen in Konzerngesellschaften (Doppelmandat im Vorstand), NZG 2000, 1015; Austmann, Integration der Zielgesellschaft nach Übernahme, ZGR 2009, 277; Ballerstedt, Das Mitbestimmungsgesetz zwischen Gesellschafts-, Arbeits- und Unternehmensrecht, ZGR 1977, 133; Bohlscheid, Ausländer als Gesellschafter und Geschäftsführer einer deutschen GmbH, RNotZ 2005, 505; Bungert/Wansleben, Vertragliche Verpflichtungen einer Aktiengesellschaft zur Nichtdurchführung von Kapitalerhöhungen, ZIP
Jan Eckert
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§ 76
Leitung der Aktiengesellschaft
2013, 1841; Erdmann, Ausländische Staatsangehörige in Geschäftsführungen und Vorständen deutscher GmbHs und AGs, NZG 2002, 503; Fleischer, Gestaltungsgrenzen für Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, BB 2013, 835; Fleischer, Zur Leitungsaufgabe des Vorstands im Aktienrecht, ZIP 2003, 1; Fleischer, Unternehmensspenden und Leitungsermessen des Vorstands im Aktienrecht, AG 2001, 171; Fonk, Zustimmungsvorbehalte des AG-Aufsichtsrats, ZGR 2006, 841; Gehrlein, Strafbarkeit von Vorständen wegen leichtfertiger Vergabe von Unternehmensspenden, NZG 2002, 463; Götz, Gesamtverantwortung des Vorstands bei vorschriftswidriger Unterbesetzung, ZIP 2002, 1745; Götz, Leitungssorgfalt und Leitungskontrolle der Aktiengesellschaft hinsichtlich abhängiger Unternehmen, ZGR 1998, 524; Häsemeyer, Der interne Rechtsschutz zwischen Organen, Organmitgliedern und Mitgliedern der Kapitalgesellschaft als Problem der Prozeßführungsbefugnis, ZHR 144 (1980), 265, 271; Henze, Leitungsverantwortung des Vorstands – Überwachungspflicht des AR, BB 2009, 209; Hoffmann, Urteilsbildungs- und Verhinderungspflicht des Aufsichtsrats, AG 2012, 478; Hoffmann-Becking, Zur rechtlichen Organisation der Zusammenarbeit im Vorstand der AG, ZGR 1998, 497; Hoffmann-Becking, Vorstands-Doppelmandate im Konzern, ZHR 150 (1986), 570; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht: Zentrale Aspekte eines Konzernverfassungsrechts, 1982; Hommelhoff, Satzungsmäßige Eignungsvoraussetzungen für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, BB 1977, 322; Hüffer, Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand aktienrechtlicher Auskunftsbegehren, ZIP 1996, 401; König, Business Combination Agreements in der Rechtsprechung im Fall W.E.T., NZG 2013, 452; Kort, Gemeinwohlbelange beim Vorstandshandeln, NZG 2012, 926; Kort, Vorstandshandeln im Spannungsverhältnis zwischen Unternehmensinteresse und Aktionärsinteressen, AG 2012, 605; Kort, Interessenkonflikte bei Organmitgliedern der AG, ZIP 2008, 717; Leyendecker-Langner, Rechte und Pflichten des Vorstands bei Kompetenzüberschreitungen des Aufsichtsratsvorsitzenden, NZG 2012, 717; MüllerMichaels/Ringel, Muss sich Ethik lohnen?, AG 2011, 101; Noack, Satzungsergänzende Verträge der Gesellschaft mit ihren Gesellschaftern, NZG 2013, 281; Noack, Haftungsfragen bei Vorstandsdoppelmandaten im Konzern, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 847; Paschos, Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über künftige Leitungsmaßnahmen des Vorstands, NZG 2012, 1142; Petersen/Schulze De la Cruz, Das Stimmverbot nach § 136 I AktG bei der Entlastung von Vorstandsdoppelmandatsträgern, NZG 2012, 453; Ries, Der ausländische Geschäftsführer, NZG 2010, 298; Säcker, Gesetzliche und satzungsmäßige Grenzen für Spenden und Sponsoringmaßnahmen in der Kapitalgesellschaft, BB 2009, 282; Säcker, Zur Problematik von Mehrfachfunktionen im Konzern, ZHR 151 (1987), 59; Säcker, Die Anpassung der Satzung der Aktiengesellschaft an das Mitbestimmungsgesetz, DB 1977, 1791; Säcker/ Rehm, Grenzen der Mitwirkung des Aufsichtsrats an unternehmerischen Entscheidungen in der Aktiengesellschaft, DB 2008, 2814; Schäfer, Beschlußanfechtung bei Beschlußvorschlägen durch einen unterbesetzten Vorstand, ZGR 2003, 147; Schiessl, Gesellschafts- und mitbestimmungsrechtliche Probleme der Spartenorganisation (Divisionalisierung), ZGR 1992, 64; Schneider, Stimmverbote im GmbH-Konzern, ZHR 150 (1986), 609; Schwark, Spartenorganisation in Großunternehmen und Unternehmensrecht, ZHR 142 (1978), 203; Seibt/Wollenschläger, Trennungs-Matrixstrukturen im Konzern, AG 2013, 229; Semler/Wagner, Deutscher Corporate Governance Kodex – Die Entsprechenserklärung und Fragen der gesellschaftsinternen Umsetzung, NZG 2003, 553; Spindler, Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten – wohin führt der Weg?, in: Festschrift für Wulf Goette 2011, S. 513; Stein, Konzernherrschaft durch EDV, ZGR 1988, 163; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und -Geschäftsführer, ZIP 1999, 1577; Westermann, Gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens als Gesellschaftsrechtsproblem, ZIP 1990, 771; Wiedemann, Gesellschaftsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung, ZIP 1986, 1293; Wiersch, Geschäftsleiterpflichten bei Gewährung von Kulanzleistungen, NZG 2013, 1206; Zöllner, Unternehmensinnenrecht: Gibt es das?, AG 2003, 2.
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Leitung der Aktiengesellschaft Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Vorstand als Leitungsorgan (§ 76 Abs. 1) ....................................... 2 1. Vorstand als notwendiges Organ ...... 2 2. Leitung der Gesellschaft .................... 4 a) Gegenstand der Leitungsaufgabe .......................................... 4 b) Keine Delegation von Leitungsaufgaben ........................................ 7 c) Eigenverantwortliche Leitung ..... 8 aa) Weisungsfreiheit ........................... 8 bb) Leitungsermessen ....................... 13 d) Corporate Social Responsibility (CSR) .......................................... 18 e) Konzernrechtliche Fragen ......... 20 aa) Vorstand einer herrschenden AG ............................................... 20 bb) Vorstand einer abhängigen/ eingegliederten AG .................... 21 I.
cc) Vorstandsdoppelmandate .......... III. Zusammensetzung des Vorstands (§ 76 Abs. 2) ..................................... 1. Zahl der Vorstandsmitglieder .......... 2. Arbeitsdirektor ................................. 3. Rechtsfolgen einer vorschriftswidrigen Besetzung .......................... IV. Persönliche Eignungsvoraussetzungen und Bestellungshindernisse (§ 76 Abs. 3) ................ 1. Gesetzliche Eignungsvoraussetzungen .......................................... 2. Statutarische Eignungsvoraussetzungen .......................................... 3. Rechtsfolgen bei Fehlen oder Wegfall von Eignungsvoraussetzungen .......................................... 4. Bestellungshindernisse .....................
24 25 25 27 28
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35 37
Überblick
Die AG verfügt über eine dreigliedrige Organisation, bestehend aus Vorstand, Aufsichts- 1 rat und Hauptversammlung. § 76 Abs. 1 weist dem Vorstand die Aufgabe zu, die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten. Damit nimmt er eine Kompetenzabgrenzung gegenüber den beiden anderen Unternehmensorganen vor und legt die Weisungsunabhängigkeit des Vorstands gegenüber Beschlussfassungen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung (Ausnahme: § 119 Abs. 2) fest.1) § 76 Abs. 2 bestimmt die zahlenmäßige Zusammensetzung des Vorstands. § 76 Abs. 3 normiert persönliche Eignungsvoraussetzungen und Bestellungshindernisse für Vorstandsmitglieder. II.
Vorstand als Leitungsorgan (§ 76 Abs. 1)
1.
Vorstand als notwendiges Organ
Wie sich schon aus den Gründungsvorschriften der §§ 33, 36 Abs. 1, 37 Abs. 4 Nr. 3 und 4 2 sowie insbesondere § 39 Abs. 1 ergibt, ist der Vorstand ein notwendiges Organ der AG.2) Ohne existierenden Vorstand hat der Registerrichter die Eintragung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 abzulehnen.3) Das gleiche gilt, wenn die Anmeldung Abweichungen von der zwingend zu verwendenden Bezeichnung „Vorstand“ enthält.4) Der Wegfall sämtlicher Vorstandsmitglieder führt nicht zum Erlöschen der AG,5) wohl aber 3 zu deren Willens- und Handlungsunfähigkeit.6) Daher hat der Aufsichtsrat in einem sol_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 2; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 76 Rz. 5; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 12; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 78. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 3. Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 4; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 9; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 7. Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rz. 5; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 7.
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chen Fall unverzüglich für eine Neubesetzung zu sorgen (§ 84); anderenfalls kann eine Bestellung über das Gericht erfolgen (§ 85). 2.
Leitung der Gesellschaft
a)
Gegenstand der Leitungsaufgabe
4 Der Vorstand ist das Leitungsorgan der AG.7) Er hat nicht nur das Recht, sondern auch eine organschaftliche Pflicht zur Wahrnehmung der Leitungsaufgabe (sog. Pflichtrecht).8) Nach dem Verständnis der h. A. handelt es sich bei der Leitung um einen herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführung (§ 77).9) Während die Geschäftsführung jede tatsächliche und rechtliche Tätigkeit für die Gesellschaft umfasst, geht es bei der Leitung allein um die Führungsfunktion.10) 5 Das Gesetz selbst enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, welche Aufgaben der Vorstand in Erfüllung seiner Leitungsverantwortung wahrzunehmen hat. Allerdings sind solche gesetzlichen Pflichten, die dem Vorstand als Kollegialorgan zugewiesen sind, unzweifelhaft dazuzurechnen (vgl. §§ 67,11) 83, 90, 91, 92, 110 Abs. 1, 119 Abs. 2,12) 121 Abs. 2, 124 Abs. 3 Satz 1, 161,13) 170, 245 Nr. 4 AktG sowie § 27 Abs. 1 Satz 1 WpÜG,14) § 15a Abs. 1 InsO15)).16) Im Wege einer wertenden Betrachtung dieser Aufzählung lässt sich schließen, dass jedenfalls solche Vorstandspflichten zu den unverzichtbaren Leitungsaufgaben gehören, die der verbandsinternen Funktionsfähigkeit dienen, dem Vorstand im öffentlichen Interesse aufgegeben sind oder vornehmlich Gläubigerinteressen sichern sollen.17) 6 Zur weiteren definitorischen Eingrenzung der Führungsfunktion wird der aktienrechtliche Leitungsbegriff mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse typologisch umschrieben. Demnach gehören zu den Leitungsaufgaben die Unternehmensplanung (Zielsetzung sowie mittel- und langfristige Festlegung der Unternehmenspolitik), die Unternehmensstrukturierung (Organisation und Koordination der mit Führungsaufgaben ausgestatteten Teilbereiche des Unternehmens und Festlegung der Leitlinien der Markt-, Produkt-, Finanz-, Investitions- und Personalpolitik), die Unternehmenskontrolle (laufende und nachträgliche Kontrolle von Durchführung und Erfolg delegierter Geschäftsführungsaufgaben), die Überwachung der Geschäfts- und Ergebnisentwicklung sowie die Besetzung der oberen Führungspositionen.18) Teilweise wird dies ergänzt durch eine stärker fallbezogene Betrachtungsweise, die sich an Maßnahmen und Geschäften orientiert, die für die _____________ 7) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 4; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 42; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, Vor § 19 Rz. 1; Fleischer, ZIP 2003, 1. 8) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 8; Fleischer, ZIP 2003, 1, 2. 9) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 7; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 29; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 13; zum Streitstand Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 14. 10) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 7; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 8. 11) OLG München, Urt. v. 4.5.2005 – 23 U 5121/04, ZIP 2005, 1070, 1071. 12) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 130 = ZIP 1982, 568. 13) Hierzu K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 161 Rz. 19; Semler/Wagner, NZG 2003, 553, 555. 14) Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 9; Schiessl, ZGR 1992, 64, 67 f.; Henze, BB 2000, 209, 210. 15) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 19. 16) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 8; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 35; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 16. 17) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 19; Henze, BB 2000, 209, 210; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 508; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Schiessl, ZGR 1992, 64, 67 f. 18) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 8; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 36; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 17; Henze, BB 2000, 209, 210; Schiessl, ZGR 1992, 64, 68.
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Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind oder mit denen ein außergewöhnlich hohes Risiko verbunden ist.19) Als zentraler Bestandteil der Organisations- und Kontrollverantwortung des Vorstands ist auch die Compliance eine originäre Leitungsaufgabe (vgl. auch Ziff. 4.1.3 DCGK). b)
Keine Delegation von Leitungsaufgaben
Während Geschäftsführungsaufgaben (§ 77) grundsätzlich an einzelne Vorstandsmitglieder 7 („horizontale Geschäftsverteilung“), nachgeordnete Ebenen im Unternehmen („vertikale Geschäftsverteilung“) oder an externe Dritte („Outsourcing“) delegiert werden können, sind die Leitungsaufgaben aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Kernbereich der Vorstandsverantwortung nicht delegationsfähig.20) Das heißt allerdings nicht, dass der Vorstand die ihm i. R. seiner Führungsfunktion obliegenden Pflichten gänzlich selbst zu erfüllen hat. Solange die Entscheidungsverantwortung beim Vorstand verbleibt, ist es vielmehr mit § 76 Abs. 1 vereinbar und angesichts der zahlreichen gesetzlichen Pflichtenzuweisungen auch praktisch notwendig, die Vorbereitung und Durchführung von Leitungsentscheidungen („Hilfsfunktionen“)21) auf Dritte innerhalb oder außerhalb des Unternehmens zu übertragen.22) Soweit der Vorstand von dieser Option Gebrauch macht, hat er dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Maßnahmen auch tatsächlich ergriffen werden.23) Hierfür ist sicherzustellen, dass er seine Steuerungsverantwortung für die übertragenen Aktivitäten und Prozesse durch hinreichende Informations-, Kontroll- und Prüfungsrechte wahrnehmen kann.24) c)
Eigenverantwortliche Leitung
aa)
Weisungsfreiheit
Der Vorstand übt die Leitungsfunktion in eigener Verantwortung aus.25) Folglich können 8 ihm weder andere Gesellschaftsorgane (Aufsichtsrat, Hauptversammlung) noch (Groß-)Aktionäre oder gar außenstehende Dritte (z. B. Fremdkapitalgeber, Ratingagenturen, Stimmrechtsberater) verbindliche Weisungen erteilen.26) Dieser Grundsatz wird gemäß §§ 308 ff. nur für den Vorstand einer beherrschten oder eingegliederten Gesellschaft (§ 323) durchbrochen (siehe Rz. 20 ff.). Vereinbarungen mit Dritten über künftige Leitungsmaßnahmen, wie sie häufig im Vorfeld öffentlicher Übernahmeangebote zwischen dem künftigen Bieter und der Zielgesellschaft getroffen werden („Business Combination Agreements“) stellen allerdings keineswegs zwingend einen Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung dar. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die vom Vorstand einge_____________ 19) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 5; Henze, BB 2000, 209, 210; zu weiteren Ansätzen Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 18. 20) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 7, 9; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 15; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 8; a. A. – kein strenges Delegationsverbot – K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 8; Henze, BB 2000, 209, 210; Stein, ZGR 1988, 163, 168. 21) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 19. 22) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 20; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 19; HöltersWeber, AktG, § 76 Rz. 12 ff.; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 17; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 508. 23) BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, ZIP 2017, 2021 – zur GmbH; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 17; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 217 f. 24) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 8; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 12. 25) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 57 ff.; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 10 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 10. 26) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 10; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 44; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 10.
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gangene Selbstbindung nicht gerade in Umsetzung der zuvor in zulässiger Weise getroffenen autonomen Leitungsentscheidung des Vorstands erfolgt.27) Dabei hat er sachliche und zeitliche Beschränkungen zu beachten.28) 9 Die organschaftlichen Bindungen des Vorstands, einschließlich der Pflicht zur Leitung, bestehen allein der Gesellschaft gegenüber.29) Daher ist das Vorliegen eines Auftrags oder eines auftragsähnlichen Verhältnisses zwischen dem Vorstand und einzelnen Aktionären oder der Hauptversammlung zu verneinen, so dass dieser keiner auf § 666 BGB gestützten besonderen Rechenschafts- oder Auskunftspflicht unterliegt.30) 10 Die durch das AktG institutionalisierte Kompetenzabgrenzung zwischen den Organen ist satzungsfest (§ 23 Abs. 5). Dennoch ist in der Praxis eine zunehmende Tendenz zu verzeichnen, den Verantwortungsbereich des Vorstands insbesondere zugunsten des Aufsichtsrates einzuschränken. Gemäß § 111 Abs. 1 ist der Aufsichtsrat darauf beschränkt, die Geschäftsführung zu überwachen; Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm nach § 111 Abs. 4 Satz 1 nicht übertragen werden. Während diese Kontrollfunktion jedoch traditionell retrospektiv ausgeübt wurde, ist das moderne Bild der Aufsichtsratsarbeit vom Ansatz einer zukunftsorientierten, begleitenden Beratung geprägt.31) Genährt wird dieses neue Selbstverständnis einerseits durch den in den letzten Jahren gesetzlich (z. B. KonTraG, TransPuG) erweiterten Aufgabenkreis des Aufsichtsrats. Zudem macht sich in den Aufsichtsräten ein zunehmender Kontroll- und damit Handlungsdruck bemerkbar, seitdem Aktionäre zunehmend Gebrauch davon machen, Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung auf der Basis (angeblicher) Verstöße des Aufsichtsrats gegen Satzung oder Gesetz anzufechten.32) Während die Transformation zu einem aktiveren Aufsichtsrat im Grundsatz begrüßenswert ist, darf die Grenze zu einer Einmischung ins Tagesgeschäft nicht überschritten werden.33) Auch der dem Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 Satz 2 für bestimmte Geschäfte zustehende Zustimmungsvorbehalt begründet lediglich ein Vetorecht, das er nicht zur Aushöhlung des Leitungsrechts des Vorstands missbrauchen darf. So wäre es etwa unzulässig, alle wichtigen Geschäfte generell für zustimmungspflichtig zu erklären oder den Zustimmungskatalog so zu gestalten, dass er den Großteil der Vorstandsentscheidungen erfassen würde.34) 11 Überdehnt der Aufsichtsrat seine Kompetenzen zulasten des Vorstands, steht es in dessen Ermessen, das sich aus wesentlichen Gründen des Unternehmensinteresses sogar zu einer Handlungspflicht verdichten kann, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.35) _____________ 27) Zu weitgehend LG München I, Urt. v. 5.4.2012 – 5 HK O 20488/11, NZG 2012, 1152, 1153 ff. = ZIP 2012, 2445; OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 7 AktG 2/12, ZIP 2012, 2439, 2442 f.; dagegen mit zutreffenden Argumenten: Paschos, NZG 2012, 1142, 1143 ff.; krit. auch König, NZG 2013, 452, 453 f. 28) Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. 29) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 57; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 35. 30) BGH, Urt. v. 30.3.1967 – II ZR 245/63, NJW 1967, 1462, 1463; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 23; Hüffer, ZIP 1996, 401, 404. 31) Vgl. Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721. 32) Vgl. bspw. BGH, Beschl. v. 6.11.2012 – II ZR 111/12, ZIP 2012, 2438, dazu EWiR 2013, 229 (Heidel/ Schatz). 33) S. zur Grenze der Überwachungspflicht jüngst OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.6.2012 – 20 W 1/12, ZIP 2012, 1965; Fleischer, BB 2013, 835 ff. 34) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 58, Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 112; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 36; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 16; Säcker/Rehm, DB 2008, 2814, 2816; Fonk, ZGR 2006, 841, 846. 35) Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 723 ff.; Fleischer, BB 2013, 835, 843; a. A.: Hüffer, AktG, § 90 Rz. 18; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, Vorb. § 76 Rz. 4 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, Vorb. § 76 Rz. 51; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 271.
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Leitung der Aktiengesellschaft
Die Hauptversammlung kann durch Festlegung von Unternehmensgegenstand und -zielen 12 allenfalls mittelbar auf die Leitungstätigkeit des Vorstands Einfluss nehmen.36) Im Übrigen ergibt sich aus Hauptversammlungsbeschlüssen über Geschäftsführungsmaßnahmen keine Folgeleistungspflicht des Vorstands, wenn er deren Entscheidung nicht nach § 119 Abs. 2 selbst einholt (vgl. auch § 83 Rz. 2).37) Eine Verpflichtung hierzu besteht lediglich in Fällen der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit nach Maßgabe der „Holzmüller-/ Gelatine“-Rechtsprechung.38) Eine Ausdehnung der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz auf Maßnahmen unterhalb der Schwelle einer wesentlichen Beeinträchtigung der Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre hat das BVerfG vor kurzem zu Recht grundsätzlich abgelehnt.39) Auch § 83 stellt keine Ausnahme von dem vorstehend skizzierten Grundsatz der Weisungsfreiheit dar, weil sich die dort geregelte Vorbereitungs- und Ausführungspflicht nur auf Beschlussgegenstände bezieht, in denen – anders als in Geschäfsführungsangelegenheiten – eine Zuständigkeit der Hauptversammlung gegeben ist.40) bb)
Leitungsermessen
Die Leitung des Unternehmens in eigener Verantwortung impliziert auch das Recht des 13 Vorstands, Leitungsentscheidungen nach eigenem Ermessen zu treffen.41) Der sich hieraus ergebende autonome unternehmerische Handlungsspielraum ist aber nicht schrankenlos. Eine pflichtgemäße Ermessensausübung setzt zunächst voraus, dass sich der Vorstand an die ihm durch Gesetz und Satzung auferlegten Vorgaben hält (Legalitätspflicht).42) Innerhalb dieses Rahmens dient ihm das Unternehmensinteresse als Ermessensmaßstab.43) Nach heute ganz h. M. bestimmt sich das Unternehmensinteresse durch einen sachge- 14 rechten Ausgleich der mit dem Unternehmen verbundenen Interessen der unterschiedlichen Stakeholder (z. B. Aktionäre, Arbeitnehmer, Kunden, Öffentlichkeit); der Vorstand hat also mit einer „interessenpluralen Zielkonzeption“ umzugehen.44) Das diesem Ansatz wiedersprechende Shareholder-Value-Konzept in der Form einer ausschließlichen Orientierung am Gesellschafterinteresse hatte seine Blütezeit in den 1980er und 90er Jahren. Dabei handelte es sich, worauf Kort zutreffend hinweist, um ein Intermezzo.45) Schon der historische Gesetzgeber war zuvor bei der Novellierung des Aktienrechts 1965 selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Vorstand bei seinen Maßnahmen die Belange der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu berücksichtigen habe46) und auch heute ist nicht zu erkennen, dass eine alleinige Ausrichtung an Gewinn- und Wertmaximierung gesellschaftlich konsensfähig wäre. Selbst die aktuellen Befürworter einer „Rückkehr zur Gesellschafterorientierung“ betonen die Notwendigkeit, den berechtigten Interes_____________ 36) Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 45. 37) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 44; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 22. 38) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 (Holzmüller), BGHZ 83, 122 = ZIP 1982, 434; BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine I), BGHZ 159, 30 = ZIP 2004, 993; vgl. Spindler in: MünchKommAktG, § 76 Rz. 22; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 37; zum Diskussionsstand um ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten zuletzt Spindler in: FS Goette, S. 513, 517 ff. 39) BVerfG, Beschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1460/10, ZIP 2011, 2094, dazu EWiR 2012, 3 (Nietsch). 40) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 11. 41) BGH, Urt. v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 244 = ZIP 1994, 529; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 59; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 20. 42) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 29; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 36. 43) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 12; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 38; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 20. 44) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 12; Henze, BB 2000, 209, 212. 45) Kort, AG 2012, 605, 608. 46) Begr. RegE in: Kropff, S. 97.
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sen der übrigen Interessengruppen i. R. unserer Rechts- und Werteordnung ausreichend Beachtung zu schenken.47) Im Kern fokussiert sich die Diskussion über das Unternehmensinteresse somit darauf, wie die Interessen der unterschiedlichen Stakeholder im Einzelnen zu gewichten sind.48) Das kann unter Umständen auch dazu führen, dass der Vorstand i. R. seines unternehmerischen Ermessensspielraums gegen die Interessen eines (Haupt-)Aktionärs der Gesellschaft handelt.49) 15 Losgelöst von dieser letztlich gesellschaftspolitischen Diskussion, scheint es sachgerecht, die dauerhafte Rentabilität und damit die Bestandssicherung des Unternehmens als von der Unternehmensleitung vorrangig zu verfolgendes Ziel zu verstehen.50) Dies ergibt sich schon daraus, dass der Vorstand dem Gesellschaftszweck verpflichtet ist, in dem in der Regel das dauerhafte erwerbswirtschaftliche Interesse des in der Form der AG gegründeten Verbandes der Kapitalgeber zum Ausdruck kommt.51) 16 Auch dem Gesetz ist eine solche Zielvorgabe zu entnehmen, wenn § 91 Abs. 2 den Vorstand dazu verpflichtet, ein Früherkennungssystem für bestandsgefährdende Risiken einzurichten und nach § 87 Abs. 1 Satz 2 zumindest in börsennotierten Gesellschaften die Vorstandsvergütung auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. 17 Unterstützung findet dieser Ansatz schließlich ebenfalls in der Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex: „Der Kodex verdeutlicht die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen (Unternehmensinteresse).“ Mit diesem Verständnis mag in der Tendenz eine stärkere Gewichtung der Aktionärsinteressen verbunden sein.52) Eine unangemessene Vernachlässigung der Interessen der sonstigen Stakeholder ist dadurch aber aus mehreren Gründen nicht zu befürchten. Gerade die Ausrichtung an einer nachhaltigen Rentabilität schließt die Kanibalisierung eines Unternehmens z. B. durch kurzsichtige Gewinnmaximierung und unverhältnismäßig hohe Ausschüttungen aus.53) Dies kommt dem Bestandsinteresse und damit allen zugute, deren Interessen mit dem Unternehmen verknüpft sind.54) Zudem tragen zahlreiche Vorschriften außerhalb des Aktienrechts dazu bei, Arbeitnehmer-, Gläubiger-, Verbraucher- und Allgemeininteressen angemessen zu schützen.55) d)
Corporate Social Responsibility (CSR)
18 Die Förderung einer verstärkten Wahrnehmung sozialer Verantwortung durch Unternehmen steht spätestens seit März 2000 auf der europäischen Agenda, als der Europäische Rat in Lissabon an die Unternehmen appellierte, eine Best Practise in den Bereichen lebenslanges Lernen, Arbeitsorganisation, Chancengleichheit, soziale Eingliederung und nachhaltige Entwicklung anzustreben.56) In einem im Juli 2001 veröffentlichten Grünbuch _____________ 47) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 38. 48) Umfassend Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 21 ff.; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 12 ff. 49) OLG Frankfurt, Urt. v. 17.8.2011 – 13 U 100/10, AG 2011, 918, 919 = ZIP 2011, 2008; dazu im Ergebnis zustimmend Kort, AG 2012, 605 ff. 50) OLG Frankfurt, Urt. v. 17.8.2011 – 13 U 100/10, AG 2011, 918, 919 = ZIP 2011, 2008; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 12; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 19 f. 51) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 514; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 21; Semler, Leitung und Überwachung der AG, Rz. 27 ff. 52) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 36 f.; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 22; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 21. 53) Vgl. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 75; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 19. 54) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 13; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 74. 55) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 38; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 12. 56) Vgl. Europäischer Rat, 23. und 24.3.2000, Lissabon, Schlussfolgerungen des Vorsitzes.
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definierte die Europäische Kommission das Konzept von Corporate Social Responsibility (CSR) als einen Ansatz zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen über gesetzliche Anforderungen hinaus.57) Zugleich forderte die Kommission die Unternehmen dazu auf, die mit CSR verbundenen Aufwendungen als Investitionen und nicht als Kosten zu betrachten, die letztlich auch dazu beitrügen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Im Oktober 2011 legte die Kommission schließlich neue Leitlinien zur sozialen Verantwortung der Unternehmen mit dem Ziel der Stärkung und Modernisierung von CSR vor.58) Der darin enthaltene Aktionsplan enthält unter anderem die Absichtserklärung, auf eine verpflichtende nichtwirtschaftliche Berichterstattung von Unternehmen hinzuwirken.59) Neben den Initiativen der Europäischen Kommission gibt es weitere internationale Instrumente, die gemeinsam die Grundlage für das aktuelle Verständnis von CSR bilden. Dazu gehören insbesondere die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (Ausgabe 2011), der Global Compact der Vereinten Nationen und die Dreigliedrige Grundsatzerklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (in der Fassung von 2006). Auch in Deutschland werden die Ziele der CSR von der Politik entschieden unterstützt. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Begriff „CSR – Made in Germany“ zu einem international anerkannten Gütesiegel zu entwickeln; dafür hat sie einen intensiven internationalen Wirtschafts- und Politikdialog initiiert.60) In der aktienrechtlichen Diskussion besteht Einigkeit darüber, dass das Leitungsermes- 19 sen des Vorstands auch die Option einschließt, das Unternehmen mit sozialen Aufwendungen zu belasten.61) Dies kann im richtig verstandenen Unternehmensinteresse liegen, denn das Ziel einer dauerhaften Rentabilität setzt nachhaltiges Wirtschaften voraus. Zudem hängt der Erfolg eines Unternehmens zunehmend maßgeblich davon ab, dass es in der Öffentlichkeit sowie bei Geschäftspartnern und Mitarbeitern als Good Corporate Citizen wahrgenommen wird. Bei der Umsetzung der CSR bietet sich dem Vorstand ein breiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Besonders naheliegend sind solche Maßnahmen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unternehmensgegenstand stehen. Dazu gehören bspw. der Erhalt einer unprofitablen Betriebsstätte in einer strukturschwachen Region; der Verzicht auf die Geltendmachung von Forderungen, wenn deren Durchsetzung gegen das allgemeine Anstands- und Gerechtigkeitsgefühl verstoßen würde62) oder Sozialleistungen an die Belegschaft. Aber auch Aufwendungen, die keinen unmittelbaren Bezug zur Förderung des Unternehmenserfolges aufweisen, wie z. B. die Unterstützung von Kultur, Sport, Politik, Umweltschutz und allgemeinem Sozialwesen sind zulässig, solange sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens stehen und seiner sozialen und gesamtwirtschaftlichen Rolle entsprechen.63) Steht die Leistung im Hinblick auf die Vermögens- und Finanzlage der Gesellschaft jedoch in einem groben Missverhältnis oder lässt sich der Vorstand bei seiner Ver_____________ 57) Kommission, Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, Juli 2001, KOM (2001) 366 endg, Ziff. 2. 58) Kommission, Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR), Oktober 2011, KOM (2011) 681 endg. 59) Kommission, Eine neue EU-Strategie (2011–14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR), Oktober 2011, KOM (2011) 681 endg, Ziff. 4.5. 60) BMAS, CSR – Made in Germany, Juni 2012. 61) Hüffer, AktG, § 76, Rz. 14; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 33 ff.; Hopt in: GroßKommAktG, § 93 Rz. 120; Westermann, ZIP 1990, 771, 775 f. 62) Zu Kulanzleistungen Wiersch, NZG, 2013, 1206. 63) Hüffer, AktG, § 76, Rz. 14; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 33 ff.; Müller-Michaels/Ringel, AG 2011, 101, 109 f.; Kort, NZG 2012, 926, 929 f.
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gabeentscheidung sachwidrig von privaten Präferenzen leiten, kann er sich schadensersatzpflichtig machen, zudem droht eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB.64) Für Leistungen i. R. der CSR sollten daher klare Regelungen geschaffen, Entscheidungen durch den Vorstand als Gesamtgremium getroffen und eine größtmögliche Transparenz nach innen und außen sichergestellt werden.65) e)
Konzernrechtliche Fragen
aa)
Vorstand einer herrschenden AG
20 Nach überwiegender Ansicht besteht für den Vorstand einer herrschenden AG keine der innergesellschaftlichen Leitungspflicht des § 76 Abs. 1 entsprechende Konzernleitungspflicht.66) Im faktischen Beherrschungsverhältnis fehlen nach § 311 bereits die rechtlichen Möglichkeiten, um Leitungsentscheidungen notfalls auch gegen den Willen der Vorstände konzernierter Gesellschaften durchzusetzen. Für den Vertrags- und Eingliederungskonzern (§ 323 Abs. 1) spricht § 308 Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich von einer „Berechtigung“ und nicht von einer „Pflicht“, Weisungen zu erteilen.67) Im Rahmen der gesetzlichen Grenzen hat der Vorstand der herrschenden Gesellschaft demnach einen Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung der konzerninternen Leitungsstrukturen und der Wahrnehmung seiner Leitungsmacht gegenüber abhängigen Unternehmen.68) Ermessensreduzierend zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Beteiligungsbesitz als Bestandteil des Gesellschaftsvermögens eine sachgerechte unternehmerische Betreuung erfordert, in deren Zuge der Vorstand der Obergesellschaft gewisse konzerndimensionale Führungsaufgaben (Planung, Organisation, Finanzen, Information) wahrnehmen muss.69) Besonders augenfällig ist dies im Fall einer reinen Holdinggesellschaft. bb)
Vorstand einer abhängigen/eingegliederten AG
21 Im faktischen Konzern bleibt der Vorstand der abhängigen Gesellschaft berechtigt und verpflichtet, das Unternehmen „unter eigener Verantwortung“ gemäß § 76 Abs. 1 zu leiten. An Weisungen des herrschenden Unternehmens ist er nicht gebunden und darf ihnen auch nur folgen, wenn er von einem Einzelausgleich nach § 311 ausgehen kann.70) 22 Im Vertragskonzern wird § 76 Abs. 1 hingegen durch den Beherrschungsvertrag überlagert.71) Das herrschende Unternehmen kann gemäß § 308 Abs. 1 Weisungen erteilen, die die abhängige AG gemäß § 308 Abs. 2 Satz 1 (§ 323 Abs. 1 Satz 2 i. V. m § 308 Abs. 2 Satz 1 für die eingegliederte Gesellschaft) zu befolgen hat. Selbst ohne Weisungen ist der Vorstand der abhängigen Gesellschaft zu einem konzernfreundlichen Verhalten verpflich_____________ 64) BGH, Urt. v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, NZG 2002, 471, 473. 65) Gehrlein, NZG 2002, 463, 464; Säcker, BB 2009, 282, 284 f. 66) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 86; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 17; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 139; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 65; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 16; Götz, ZGR 1998, 524, 527 ff.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 83; a. A. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 43 ff., 165 ff. – Leitung der konzernierten Gesellschaften bis in alle Einzelheiten; K. Schmidt, GesR, § 31 II 4 c, 947; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 12. 67) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 87; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 308 Rz. 60; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 58. 68) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 88; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 16. 69) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 84, 91; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 17a; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 140; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 16; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 49; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 60. 70) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 102; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 19. 71) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 103; Hüffer, AktG, § 308 Rz. 7.
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tet und muss dem Konzerninteresse im Konfliktfall Vorrang vor dem Unternehmensinteresse einräumen (vgl. auch § 308 Rz. 22).72) In der Praxis ist vermehrt die Einführung sog. Trennungs-Matrixstrukturen im Konzern zu 23 sehen. Dabei erfolgt die Konzernsteuerung nicht primär entlang der gesellschaftsrechtlichen Verantwortungsstränge, sondern konzernübergreifend durch natürliche oder juristische Personen, die eine zentrale Verantwortung für bestimmte ihnen zugewiesene Funktionen haben. Dies führt in der Tendenz zu einer Entmachtung der Geschäftsleitungen, die nur auf Grundlage einer sorgfältigen Balance zwischen der Übertragung von gesellschaftsrechtlich abgeleiteten Weisungsrechten einerseits und der Einführung von Sicherungsrechten (z. B. Informations- und Widerspruchsrechten) andererseits, zu rechtfertigen ist.73) cc)
Vorstandsdoppelmandate
Die gleichzeitige Wahrnehmung von Vorstandsmandaten in verschiedenen Gesellschaften 24 ist aktienrechtlich zulässig, wenn die Zustimmung aller Aufsichtsräte nach § 88 Abs. 1 Satz 2 vorliegt.74) Vor allem im Konzernverbund können in einer solchen Konstellation aber Interessenkonflikte entstehen, da das Vorstandsmitglied unbedingt auf die Interessen aller Gesellschaften verpflichtet ist, in denen es ein Vorstandsamt bekleidet.75) Die Wahrnehmung von Organpflichten in einem Pflichtenkreis kann jedoch in keinem Fall deren Verletzung in einem anderen rechtfertigen.76) Im Vertragskonzern entschärft sich das Problem aufgrund der aus § 308 Abs. 2 resultierenden eingeschränkten Prüfungskompetenz des Vorstands der abhängigen Gesellschaft und des Schutzmechanismus der §§ 302 ff.77) Eine analoge Anwendung dieser vertragskonzernrechtlichen Vorschriften auf den faktischen Konzern scheidet hingegen trotz des durch das Doppelmandat verstärkten Einflusses der Obergesellschaft aus.78) Auch ein umfassendes Stimmverbot analog § 34 BGB bei konzernleitenden Entscheidungen im Vorstand der Obergesellschaft wird von der ganz h. M. abgelehnt.79) Dagegen wird ein tatbestandlich engeres Stimmverbot bei der Beschlussfassung des Vorstands der Obergesellschaft über die Stimmabgabe zur eigenen Entlastung als Vorstandsmitglied in der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft aus dem Rechtsgedanken der § 136 und § 47 Abs. 4 GmbHG bejaht.80) Zusätzlich hat das _____________ 72) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 103; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 141; Koppensteiner in: KölnKomm-AktG, § 308 Rz. 48; ähnlich Hüffer, AktG, § 308 Rz. 20 – „Pflicht zu konzernfreundlichem Verhalten“; a. A. Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 308 Rz. 154; Emmerich/Habersack-Emmerich, § 308 AktG Rz. 54; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 62. 73) Vgl. im Einzelnen Seibt/Wollenschläger, AG 2013, 229 ff. 74) BGH, Urt. v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105, 110 f. = ZIP 2009, 1162; OLG Köln, Urt. v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 114; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 21; Spindler in: MünchKommAktG, § 76 Rz. 56. 75) BGH, Urt. v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105, 111 = ZIP 2009, 1162; Spindler/StilzFleischer, AktG, § 76 Rz. 107; Austmann, ZGR 2009, 277, 286; Kort, ZIP 2008, 717, 720. 76) Altmeppen in: MünchKomm-AktG, § 311 Rz. 100; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 182; HoffmannBecking, ZHR 150 (1986), 570, 576 f.; zu Haftungsfragen s. im Einzelnen Noack in: FS HoffmannBecking, S. 847. 77) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 56; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 65; Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1018; Austmann, ZGR 2009, 277, 287. 78) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 56; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 18; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 10; Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1019; a. A. Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 65 ff.; Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1302. 79) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 108; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 183 f.; Mertens/ Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 72; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 58; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 11; a. A. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 579 ff.; Schneider, ZHR 150 (1986), 609, 623 ff. 80) Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 187; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 41; Petersen/ Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 457.
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betroffene Vorstandsmitglied bei Vorliegen eines konkreten Interessenkonflikts das Recht der Stimmenthaltung, sofern dadurch nicht die Funktionsfähigkeit des Vorstands eingeschränkt wird.81) Lassen sich schwerwiegende Interessenkonflikte dauerhaft nicht vermeiden, muss das Vorstandsmitglied sein Mandat niederlegen bzw. vom Aufsichtsrat (im Zweifel der abhängigen Gesellschaft) abberufen werden.82) III.
Zusammensetzung des Vorstands (§ 76 Abs. 2)
1.
Zahl der Vorstandsmitglieder
25 Das Gesetz macht keine festen Vorgaben für eine bestimmte personelle Größe des Vorstands. Gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 kann der Vorstand aus einer oder mehreren Personen bestehen. Nach § 23 Abs. 3 Nr. 6 muss die Satzung die Zahl oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, bestimmen. Ausreichend ist die Vorgabe einer Mindest- und/ oder Höchstzahl.83) Die Entscheidung über die konkrete Zahl der Vorstandsmitglieder kann dann durch die Satzung dem Aufsichtsrat,84) aber auch der Hauptversammlung übertragen werden.85) Stellvertretende Vorstandsmitglieder (§ 94) sind bei der Festsetzung der Mitgliederzahl mit einzuberechnen.86) Der Aufsichtsrat entscheidet im Gesamtplenum, die Delegation auf einen Aussschuss ist nicht möglich.87) Die einfache Mehrheit ist hierbei auch bei mitbestimmten Gesellschaften ausreichend.88) 26 Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. € müssen gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2 einen mindestens zweiköpfigen Vorstand haben. Die Satzung kann hiervon jedoch abweichen, indem sie die Besetzung mit einem Vorstandsmitglied zulässt oder die Festlegung dem Aufsichtsrat überträgt.89) 2.
Arbeitsdirektor
27 Gesellschaften, die dem MitbestG, MontanMitbestG oder MitbestErgG unterfallen, haben einen Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands zu bestellen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG, § 13 Abs. 1 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG). Diese Vorschriften bleiben gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 von § 76 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 unberührt. Daraus folgt, dass der Vorstand mitbestimmter Gesellschaften aus mindestens zwei Mitgliedern zu bestehen hat.90) Hiervon abweichende Satzungsbestimmungen sind nach § 241 Nr. 3 nichtig oder nach Maßgabe von § 37 Abs. 1 MitbestG außer Kraft gesetzt.91)
_____________ 81) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 110; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 66. 82) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 110; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 18; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 58. 83) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 22; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 195; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 95. 84) Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1678, S. 12; BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 216, 217; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 195. 85) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 111; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 105; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 68. 86) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 95; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 195. 87) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 105 Rz. 33; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 68. 88) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 111; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 196. 89) BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 216, 217; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 112; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 96. 90) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 24; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 108. 91) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 23; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 36.
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Rechtsfolgen einer vorschriftswidrigen Besetzung
Verfügt ein Vorstand über weniger Mitglieder als nach Gesetz oder Satzung vorgesehen, 28 liegt ein Fall der Unterbesetzung vor. In diesem Fall bleibt die Gesellschaft im Außenverhältnis handlungsfähig, solange Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Anzahl verbleiben.92) Etwas anderes gilt jedoch für Leitungsaufgaben, die der Vorstand als Kollegialorgan wahrzunehmen hat. Insoweit gehen die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur von einer Handlungsunfähigkeit des Vorstands aus (z. B. hinsichtlich §§ 121 Abs. 2, 124 Abs. 3 Satz 1, 172).93) Eine starke Auffassung in der Literatur, die sich in der Praxis allerdings bisher nicht durchsetzen konnte, hält dem entgegen, dass das AktG unter dem Begriff „Vorstand“ die Gesamtheit der tatsächlich amtierenden Mandatsträger verstehe, so dass die Handlungsfähigkeit trotz Unterbesetzung bestehen bleibe.94) Zumindest müsse der Rumpfvorstand im Hinblick auf bloße Realakte (z. B. §§ 90, 91), innergesellschaftliche Verfahrenshandlungen ohne rechtsgeschäftlichen Charakter (z. B. §§ 121 Abs. 2, 170 Abs. 1) oder im öffentlichen Interesse liegende Anträge (z. B. §§ 92, 15a InsO) handlungsfähig bleiben.95) Liegt ein Fall der Unterbesetzung vor, muss der Aufsichtsrat unverzüglich tätig werden 29 und die fehlenden Mitglieder nach § 84 bestellen. Bei dessen Untätigkeit kann jeder, der an der sofortigen Bestellung eines fehlenden Vorstandsmitglieds ein schutzwürdiges Interesse hat, die gerichtliche Bestellung gemäß § 85 beantragen. Der theoretisch denkbare Fall einer Überbesetzung stellt Rechtshandlungen der Gesell- 30 schaft gegenüber Dritten nicht in Frage.96) Auch die Organstellung des überzähligen, also des zuletzt bestellten Vorstandsmitglieds, bleibt wirksam.97) Allerdings stellt die Überbesetzung regelmäßig einen wichtigen Grund für dessen Abberufung dar.98) IV.
Persönliche Eignungsvoraussetzungen und Bestellungshindernisse (§ 76 Abs. 3)
1.
Gesetzliche Eignungsvoraussetzungen
Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 kann Mitglied des Vorstands nur eine natürliche, unbeschränkt 31 geschäftsfähige Person sein. Eine beschränkte Geschäftsfähigkeit ist auch dann nicht ausreichend, wenn eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nach §§ 112, 113 BGB vorliegt.99) Für Ausländer entscheidet nach Art. 7 Abs. 1 EGBGB das Heimatstatut. Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 darf ein Vorstandsmitglied zudem nicht unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt i. S. der §§ 1896, 1903 BGB stehen. Die Nationalität des Vorstandsmitglieds ist ebenso wie sein Wohnsitz unerheblich.100) 32 Auch das von der bisher h. M. postulierte Erfordernis, das Organmitglied müsse jederzeit _____________ 92) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 23; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 21; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 37. 93) BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 161 = ZIP 2002, 172; OLG Dresden, Urt. v. 31.8.1999 – 13 U 1215/99, ZIP 1999, 1632, 1634; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 37; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 98 – mit Ausnahme für Insolvenzantragspflicht. 94) Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 199; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 111; Götz, ZIP 2002, 1745, 1748 ff. 95) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 23; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 21 i. E. ebenso Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 117; Schäfer, ZGR 2003, 147, 153 f. 96) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 23; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 109. 97) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 114; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 21. 98) Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 198; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 109; HöltersWeber, AktG, § 76 Rz. 71; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 19 Rz. 38. 99) OLG Hamm, Beschl. v. 13.4.1992 – 15 W 25/92, GmbHR 1992, 671 – zur GmbH; Spindler/StilzFleischer, AktG, § 76 Rz. 119; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 104. 100) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 25; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 76; Erdmann, NZG 2002, 503 f.
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Leitung der Aktiengesellschaft
nach Deutschland einreisen dürfen, um seinen Vorstandspflichten in vollem Umfang nachkommen zu können,101) muss jedenfalls seit der durch das MoMiG geschaffenen Möglichkeit einer Sitzverlegung ins Ausland102) als überholt gelten.103) 33 Das Vorstandsmitglied kann, muss aber selbst nicht Aktionär sein; es gilt das Prinzip der Fremdorganschaft.104) Das Gesetz gibt kein Mindest- oder Höchstalter vor. Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt aber in Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 3 die Festlegung einer Altersgrenze (siehe hierzu auch § 84 Rz. 8). 2.
Statutarische Eignungsvoraussetzungen
34 Nach zutreffender h. M. kann die Satzung zusätzlich zu den gesetzlichen weitere Eignungsvoraussetzungen aufstellen. Diese müssen sachbezogen sein und dürfen das Auswahlermessen des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 1 Satz 1 nicht so weit einschränken, dass praktisch kein eigener Ermessensspielraum mehr verbleibt.105) Die Gegenansicht misst satzungsmäßigen Eignungsvoraussetzungen lediglich die Qualität einer Auswahlrichtlinie bei, über die sich der Aufsichtsrat nach pflichtgemäßem Ermessen hinwegsetzen könne.106) Diese Auffassung vermag allerdings nicht zu erklären, warum der Satzungsgeber zwar die Kompetenz hat, durch Festlegung des Unternehmenszwecks und des Unternehmensgegenstandes die inhaltlichen Richtlinien zur Führung des Unternehmens zu bestimmen, andererseits aber nicht dafür sorgen können soll, durch Vorgabe personeller Anforderungen zur Umsetzung dieser Richtlinien beizutragen.107) Nichts anderes gilt für mitbestimmte Gesellschaften.108) 3.
Rechtsfolgen bei Fehlen oder Wegfall von Eignungsvoraussetzungen
35 Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds, das die gesetzlichen Eignungsvoraussetzungen nach § 76 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht erfüllt, ist nach § 134 BGB nichtig.109) Fällt eine solche Voraussetzung später weg, erlischt die Organstellung; einer gesonderten Abberufung bedarf es nicht.110) Die Eintragung als Vorstandsmitglied im Handelsregister ist von Amts wegen zu löschen.111) _____________ 101) OLG Köln, Beschl. v. 30.9.1998 – 2 Wx 22/98, DB 1999, 38; OLG Celle, Beschl. v. 2.5.2007 – 9 W 26/07, ZIP 2007, 1157 – zur GmbH; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 209; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 24; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 1. 102) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 29. 103) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.4.2009 – I-3 Wx 85/09, ZIP 2009, 1074, dazu EWiR 2009, 573 (Lamsa); OLG München, Beschl. v. 17.12.2009 – 31 Wx 142/09, ZIP 2010, 126, 127 – jeweils zur GmbH; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 122; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 76; Bohlscheid, RNotZ 2005, 505, 524; Erdmann, NZG 2002, 503, 506; Ries, NZG 2010, 298, 299 f.; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1581. 104) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 25; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 104. 105) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 127 f.; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 26; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 222, 225; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 25; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 82; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 5. 106) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 340; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 116; Hommelhoff, BB 1977, 322, 324 ff. 107) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 127; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 25; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 108. 108) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 26; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 109; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 76; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 116; Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 155; Säcker, DB 1977, 1791, 1792 f. 109) BayObLG, Beschl. v. 18.7.1991 – BReg 3 Z 133/90, BB 1991, 1729, 1730; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 121; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 26. 110) BGH, Urt. v. 1.7.1991 – II ZR 292/90, BGHZ 115, 78, 80 = ZIP 1991, 1002; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 221; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 8. 111) OLG Naumburg, Beschl. v. 10.11.1999 – 7 Wx 7/99, GmbHR 2000, 378, 379 – zur GmbH; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 121.
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§ 77
Geschäftsführung
Dagegen führt das Fehlen oder der Wegfall von statutarischen Eignungsvoraussetzungen 36 nicht zur Nichtigkeit der Bestellung.112) Stattdessen besteht nach h. M. in solchen Fällen das Recht und regelmäßig auch die Pflicht des Aufsichtsrats, die Bestellung des Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 zu widerrufen.113) 4.
Bestellungshindernisse
§ 76 Abs. 3 Sätze 2 und 3 enthalten einen in drei Kategorien unterteilten Katalog von 37 gesetzlichen Bestellungshindernissen. Nach § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 darf ein Vorstandsmitglied bei der Besorgung seiner Ver- 38 mögensangelegenheiten nicht unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt i. S. der §§ 1896, 1903 BGB stehen. § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 schließt solche Personen vom Vorstandsamt aus, denen ein Gericht durch rechtskräftiges Urteil (§ 70 StGB) oder eine Behörde durch vollziehbare Entscheidung ein Berufs- oder Gewerbeverbot auferlegt hat. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand des Verbots wenigstens teilweise mit dem Unternehmensgegenstand übereinstimmt. § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 begründet ein Bestellungshindernis für den Fall der rechtskräfti- 39 gen Verurteilung wegen einer dort genannten vorsätzlich begangenen Straftat. Sind die unter § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 lit. e genannten Delikte einschlägig, muss eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorliegen. Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 3 führen auch im Ausland begangene vergleichbare Straftaten zu einem Bestellungshindernis. Der Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit Rechtskraft des Urteils.114) Eine Bestellung trotz Vorliegens eines Bestellungshindernisses ist nach § 134 BGB 40 nichtig.115) Tritt der Ausschlussgrund später ein, erlischt die Organstellung; einer gesonderten Abberufung bedarf es nicht.116) _____________ 112) Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 226; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 23; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 9. 113) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 130; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 86. 114) S. a. BGH, Beschl. v. 7.6.2011 – II ZB 24/10, ZIP 2011, 1305 = DB 2011, 1569 – zur GmbH. 115) BayObLG, Beschl. v. 16.7.1982 – BReg 3 Z 74/82, BB 1982, 1508 – zur GmbH; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 27; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 221. 116) OLG München. Beschl. v. 3.3.2011 – 31 Wx 51/11, GmbH 2011, 430, 431 – zur GmbH; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 140.
§ 77 Geschäftsführung (1) 1Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. 2Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands kann Abweichendes bestimmen; es kann jedoch nicht bestimmt werden, daß ein oder mehrere Vorstandsmitglieder Meinungsverschiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit seiner Mitglieder entscheiden. (2) 1Der Vorstand kann sich eine Geschäftsordnung geben, wenn nicht die Satzung den Erlaß der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erläßt. 2Die Satzung kann Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln. 3Beschlüsse des Vorstands über die Geschäftsordnung müssen einstimmig gefaßt werden.
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Geschäftsführung
Literatur: Bezzenberger, Der Vorstandsvorsitzende der Aktiengesellschaft, ZGR 1996, 661; Bürkle, Der Stichentscheid im zweiköpfigen Vorstand, AG 2012, 232; Fleischer, Vertrauen von Geschäftsleitern und Aufsichtsratsmitgliedern auf Information Dritter, ZIP 2009, 1397; Fleischer, Zur Verantwortlichkeit einzelner Vorstandsmitglieder bei Kollegialentscheidungen im Aktienrecht, BB 2004, 2645; Fleischer, Zum Grundsatz der Gesamtverantwortung im Aktienrecht, NZG 2003, 449; Froesch, Managerhaftung – Risikominimierung durch Delegation?, DB 2009, 722; v. Godin/Wilhelmi, Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 1971; Grunewald, Interne Aufklärungspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat, NZG 2013, 841; von Hein, Vom Vorstandsvorsitzenden zum CEO?, ZHR 166 (2002), 464; Hoffmann-Becking, Vorstandsvorsitzender oder CEO?, NZG 2003, 745; Hoffmann-Becking, Zur rechtlichen Organisation der Zusammenarbeit im Vorstand einer AG, ZGR 1998, 497; Hoffmann-Becking, Vorstands-Doppelmandate im Konzern, ZHR 150 (1986), 570; Immenga, Zuständigkeit des mitbestimmten Aufsichtsrats, ZGR 1977, 249; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981; Kust, Zur Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, WM 1980, 758; Leuering/ Dornhegge, Geschäftsverteilung zwischen GmbH-Geschäftsführern, NZG 2010, 13; Löwisch, Stimmenthaltungen sind keine Nein-Stimmen – Zur Auslegung von § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, BB 1996, 1006; Nietsch, Überwachungspflichten bei Kollegialorganen, ZIP 2013, 1449; Priester, Stichentscheid bei zweiköpfigem Vorstand, AG 1984, 253; Schiessl, Gesellschafts- und mitbestimmungsrechtliche Probleme der Spartenorganisation (Divisionalisierung), ZGR 1992, 64; Schneider, Stimmverbote im GmbH-Konzern, ZHR 150 (1986), 609; Schwark, Spartenorganisation in Großunternehmen und Unternehmensrecht, ZHR 142 (1978), 203; Wicke, Der CEO im Spannungsverhältnis zum Kollegialprinzip – Gestaltungsüberlegungen zur Leitungsstruktur einer Aktiengesellschaft, NJW 2007, 3755; Wolf, Wider eine Misstrauenspflicht im Kollegialorgan „Vorstand“, VersR 2005, 1042.
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung .............................................. 1. Geschäftsführung durch den Vorstand ............................................. 2. Gesamtgeschäftsführung ................... III. Abweichende Regelungen ............... I.
1 2 2 3 4
1. Gestaltungsmöglichkeiten ................. 4 a) Geschäftsverteilung ...................... 5 b) Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip ......................................... 10 2. Gestaltungsgrenzen .......................... 13 IV. Beschlussfassung des Vorstands .... 15 V. Geschäftsordnung (§ 77 Abs. 2) .... 20
Überblick
1 § 77 Abs. 1 statuiert für einen mehrköpfigen Vorstand grundsätzlich das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung. Satzung und Geschäftsordnung können in begrenztem Umfang von diesem Grundsatz abweichende Regelungen vorsehen. § 77 Abs. 2 enthält Vorgaben zum Erlass und Regelungsgegenstand einer Geschäftsordnung. II.
Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung
1.
Geschäftsführung durch den Vorstand
2 § 77 begründet implizit eine ausschließlich Zuständigkeit des Vorstands für die Geschäftsführung.1) Darunter fällt jede tatsächliche und rechtliche Tätigkeit für die Gesellschaft und zwar gleichgültig, ob sie sich auf interne Angelegenheiten beschränkt oder ob sie Außenwirkung entfaltet (z. B. rechtsgeschäftliche Vertretung, § 78).2) Eine begriffliche Abgrenzung der Geschäftsführung von den sog. Grundlagengeschäften ist im Aktien_____________ 1) 2)
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Hüffer, AktG, § 77 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 1. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 77 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 6; Wiesner in: MünchHdb. GesR, § 22 Rz. 1.
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§ 77
Geschäftsführung
recht lediglich im Hinblick auf die ungeschriebenen Vorlagepflichten an die Hauptversammlung („Holzmüller-/Gelatine“-Doktrin, vgl. § 76 Rz. 12) relevant.3) 2.
Gesamtgeschäftsführung
Besteht der Vorstand aus einer Person, ist diese alleine geschäftsführungsberechtigt.4) Bei 3 einem mehrköpfigen Vorstand sind die Vorstandsmitglieder dagegen nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt (§ 77 Abs. 1 Satz 1).5) Somit bedarf jede Geschäftsführungsmaßnahme (mit Ausnahme der Entscheidung über die Einladung zur Hauptversammlung gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1) der Zustimmung sämtlicher Vorstandsmitglieder; es herrscht das Einstimmigkeitsprinzip.6) Die Zustimmung unterliegt keinen Formvorschriften und kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen.7) Zur Verhinderung einer Geschäftsführungsmaßnahme reicht die Verweigerung der Zustimmung aus, anders als nach § 115 Abs. 1 HGB für den OHG-Gesellschafter bedarf es keines Widerspruchs.8) Ausnahmsweise kann bei Gefahr im Verzug auf die Zustimmung nicht erreichbarer Vorstandsmitglieder in entsprechender Anwendung der §§ 115 Abs. 2 HGB, 744 Abs. 2 BGB verzichtet werden.9) Deren Unterrichtung ist jedoch frühestmöglich nachzuholen und einer Opposition – soweit tatsächlich noch möglich – Rechnung zu tragen.10) III.
Abweichende Regelungen
1.
Gestaltungsmöglichkeiten
§ 77 Abs. 1 Satz 2 eröffnet einen weiten Spielraum, vom häufig unpraktikablen Grundsatz 4 der Gesamtgeschäftsführung abzuweichen und eine flexiblere Lösung zu installieren. Notwendig ist dafür die Aufnahme einer entsprechenden förmlichen Regelung in Satzung oder Geschäftsführung.11) Die stillschweigende Duldung eines Mehrheitsvotums durch die Minderheit ist nicht ausreichend, sondern stellt allenfalls eine konkludente Zustimmung zu der jeweiligen Maßnahme dar.12) Auch aus der Vertretungsregelung lassen sich keine Rückschlüsse auf die Gestaltung der Geschäftsführung ziehen, da Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis unterschiedlich ausgestaltet sein können.13) a)
Geschäftsverteilung
Gegenstand der Geschäftsverteilung ist eine Organisation und Delegation von Geschäfts- 5 führungszuständigkeiten innerhalb des Vorstands.14) Dies geschieht in der Regel durch Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand und nicht i. R. der Satzung, da die Ge_____________ 3) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 4; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 7; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 3. 4) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 1. 5) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 5. 6) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 8; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 10. 7) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 33; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 5; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 24. 8) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 8; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 10; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 22 Rz. 6; Priester, AG 1984, 253. 9) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 28; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 5. 10) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 77 Rz. 6; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 22 Rz. 6. 11) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 10; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 7. 12) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 9; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 20. 13) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 7; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 1. 14) Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 27; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 22 Rz. 12; Froesch, DB 2009, 722, 723; Wicke, NJW 2007, 3755.
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Geschäftsführung
schäftsordnung bei Änderungsbedarf wesentlich unkomplizierter anzupassen ist.15) Inhaltlich haben sich in der Praxis verschiedene Modelle herausgebildet. Häufig anzutreffen sind – eine Aufteilung der Geschäftsführung nach fachlichen Schwerpunkten (funktionale Organisation), – eine Gliederung nach Geschäftsbereichen, deren Zuschnitt z. B. nach Produkten, Kundengruppen oder Regionen vorgenommen wird (Spartenorganisation) sowie – Mischformen dieser Modelle (Matrixorganisation).16) 6 Wird einem einzelnen Vorstandsmitglied die Verantwortung für ein bestimmtes Ressort zugewiesen, ist es in diesem Rahmen im Zweifel einzelgeschäftsführungsbefugt (begrenzte Einzelgeschäftsführungsbefugnis).17) Es führt den Bereich selbständig, jedoch mit Wirkung für den Gesamtvorstand.18) 7 Die übrigen Vorstandsmitglieder haben den Verantwortungsbereich zu respektieren und ein ständiges „Hineinregieren“ in das Ressort zu unterlassen.19) Andererseits bleiben die nicht ressortzuständigen Vorstandsmitglieder auch für diesen Geschäftsbereich verantwortlich (Grundsatz der Gesamtverantwortung).20) Allerdings modifiziert die Geschäftsverteilung die von ihnen einzuhaltende Sorgfaltspflicht i. S. von § 93 nach Inhalt und Ausmaß.21) In der Konsequenz entsteht eine Pflicht des Kollegialorgans zur Selbstkontrolle – alle Vorstandsmitglieder haben die Tätigkeit ihrer Vorstandskollegen zu überwachen und kontrollieren.22) Wie weit diese Pflicht für jedes einzelne Vorstandsmitglied geht, ist im Spannungsverhältnis von Vertrauens- und Misstrauensprinzip im Vorstand unter Berücksichtigung der gesellschafts- und personenspezifischen Besonderheiten im Einzelfall zu ermitteln.23) Im Grundsatz gilt, dass jedes Vorstandsmitglied auf eine ordnungsgemäße Geschäftsführung der übrigen Vorstandsmitglieder in ihren jeweiligen Ressorts vertrauen darf.24) Unter besonderen Umständen ist jedoch eine höhere Überwachungsintensität angezeigt, so etwa bei erst kurzer Amtsdauer,25) Vorliegen konkreter Verdachtsmomente auf Fehlentwicklungen26) oder in finanziellen Krisenzeiten.27) _____________ 15) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 40; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 27. 16) Ausführlich Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 36 ff.; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 38 ff.; vgl. auch Hüffer, AktG, § 77 Rz. 10, 14. 17) OLG Hamm, Urt. v. 24.4.1991 – 8 U 188/90, GmbHR 1992, 375, 377; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.7.1992 – 5 W 15/92, GmbHR 1992, 608, 609 mit Anm. Eckert, EWIR 1992, 1003 f. – jeweils zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 19; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 23; Semler/Peltzer-Richter, ArbHdb. Vorstandsmitglieder, § 4 Rz. 121 f. 18) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 58; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 32. 19) Fleischer, NZG 2003, 449, 452; Wolf, VersR 2005, 1042, 1043. 20) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 47 ff.; Wiesner in: Münch-Hdb. GesR, § 22 Rz. 15; Fleischer, NZG 2003, 449 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506 f. 21) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 18. 22) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 37; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 34; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 747; Nietsch, ZIP 2013, 1449, 1452 („Pflicht zur Neugier“); zu Nachforschungspflichten in Bezug auf eigene Fehler: Grunewald, NZG 2013, 841, 842 ff. 23) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 50 ff.; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 13b; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 36; Wolf, VersR 2005, 1042, 1043; vgl. auch Fleischer, ZIP 2009, 1397 ff. 24) BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 378 = ZIP 1996, 2017 – zur GmbH; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 136; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 36; Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 15. 25) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 51. 26) BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 378 f. = ZIP 1996, 2017 – zur GmbH; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 26; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 59; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 3, § 22 Rz. 15. 27) OLG Hamburg, Urt. v. 18.2.2000 – 11 U 213/98, AG 2001, 141, 144; OLG Bremen, Urt. v. 18.5.1999 – 3 U 2/98, ZIP 1999, 1671, 1678; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 59; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 53.
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Geschäftsführung
Um die Erfüllung der Überwachungspflichten zu ermöglichen, hat jedes Vorstandsmit- 8 glied von sich aus den Gesamtvorstand über Angelegenheiten aus seinem jeweiligen Ressort zu unterrichten.28) Korrespondierend mit der Pflicht zur Berichterstattung besteht ein nur durch das Missbrauchsverbot begrenzter Informationsanspruch eines jeden Vorstandsmitglieds gegenüber seinen Vorstandskollegen.29) Um einen effektiven Informationsaustausch zu gewährleisten, haben die Vorstandsmitglieder ein vorstandsinternes Informationssystem zu installieren;30) dafür bieten die Vorstandssitzungen in der Regel einen ausreichenden Rahmen.31) Gegen Einzelgeschäftsführungsmaßnahmen steht jedem Vorstandsmitglied ein unabding- 9 bares, aber im Hinblick auf die jeweiligen Ressortzuständigkeiten und das Kollegialitätsprinzip mit Augenmaß auszuübendes, Interventionsrecht zu.32) Auf dieser Basis kann es die Beschlussfassung des Gesamtvorstandes über die umstrittene Maßnahme verlangen. b)
Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip
Neben der Delegation von Verantwortungsbereichen ist in der Praxis die Einführung des 10 Mehrheitsprinzips, nach dem Vorstandsbeschlüsse mit Stimmenmehrheit gefasst werden können, weit verbreitet.33) In diesem Zusammenhang können zusätzliche Regelungen zu Beschlussquoren (einfache oder qualifizierte Mehrheit, ggfs. differenziert nach Beschlussgegenstand), Mehrheitsreferenz (Mehrheit der Amtsinhaber, der Anwesenden oder der Abstimmenden) und Stimmwert von Enthaltungen getroffen werden.34) Treffen Satzung oder Geschäftsordnung hierzu keine Aussagen, ist im Zweifel die einfache Mehrheit der anwesenden Vorstandsmitglieder ausreichend,35) Enthaltungen werden nicht mitgezählt.36) Zur weiteren Verbesserung der Handlungsfähigkeit kann die Einführung eines Stichent- 11 scheides zugunsten eines Vorstandsmitglieds erwogen werden. Dessen Stimmverhalten gibt im Fall einer Stimmengleichheit (bei Erfordernis einer einfachen Mehrheit) oder einer PattSituation (z. B. Abstimmungsergebnis von 4 : 2 Stimmen bei sechs Vorstandsmitgliedern und dem Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit von mehr als 2/3 sämtlicher Stimmen) den Ausschlag und verhindert so das Scheitern eines Beschlussantrages.37) Ausgeschlossen ist dagegen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG die statutarische Zubilligung 12 eines Alleinentscheidungsrechts, das einzelnen oder mehreren Vorstandsmitgliedern ein Entscheidungsrecht gegen die Mehrheit der Vorstandsmitglieder einräumt. Aus diesem Grund können Satzung oder Geschäftsführung für einen zweiköpfigen Vorstand keinen _____________ 28) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 15; Fleischer, NZG 2003, 449, 451; Schiessl, ZGR 1992, 64, 69; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 216; Wolf, VersR 2005, 1042. 29) Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 35; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512. 30) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 40; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 18. 31) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 15; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 40; Semler/'Peltzer-Richter, ArbHdb. Vorstandsmitglieder, § 4 Rz. 93; Fleischer, NZG 2003, 449, 454. 32) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 38; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 28; HöltersWeber, AktG, § 77 Rz. 37. 33) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 10; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 12; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 518. 34) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 21; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 11; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 10. 35) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 12; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 21; a. A. K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 10 – Mehrheit aller Amtsinhaber; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 518. 36) BGH, Urt. v. 25.1.1982 – II ZR 164/81, ZIP 1982, 693, 694; BGH, Urt. v. 12.1.1987 – II ZR 152/86, ZIP 1987, 635, 636 – jeweils zum Verein; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 10; Löwisch, BB 1996, 1006 f. – zu § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. 37) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 12; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 14; Schiessl, ZGR 1992, 64, 70.
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Stichentscheid vorsehen.38) Wiederum zulässig ist die Einräumung eines Veto-Rechts zugunsten einzelner oder mehrerer Vorstandsmitglieder, mit denen diese von der Mehrheit unterstützte Geschäftsführungsmaßnahmen verhindern können.39) Etwas anderes gilt hingegen für mitbestimmte Gesellschaften, in denen ein Veto-Recht mit der durch § 33 MitbestG geschützten gleichberechtigten Stellung des Arbeitsdirektors kollidiert, wenn kein ausdrücklicher Vorbehalt für dessen Zuständigkeitsbereich formuliert wird.40) 2.
Gestaltungsgrenzen
13 Aus dem Prinzip der Gesamtleitung folgt, dass Leitungsaufgaben, die als herausgehobener Teilbereich der Geschäftsführung zum Kern der Vorstandsverantwortung gehören,41) durch den Gesamtvorstand wahrzunehmen sind und allenfalls Maßnahmen zu deren Vorbereitung oder Ausführung auf einzelne Vorstandsmitglieder delegiert werden können.42) Zu den Leitungsaufgaben zählen u. a. die dem Vorstand durch Gesetz zugewiesenen Einzelaufgaben (siehe näher § 76 Rz. 5 ff.).43) 14 Jede Geschäftsverteilung hat zudem den Grundsatz der Gleichberechtigung aller Vorstandsmitglieder zu beachten.44) Ein unterschiedlicher Zuschnitt von Ressorts und Befugnissen wird dadurch nicht ausgeschlossen, allerdings kann im Vorstand kein ZweiKlassen-System i. S. einer hierarchischen Über-/Unterordnung etabliert werden.45) An diesem Maßstab müssen sich de lege lata auch Bestrebungen in der Praxis messen lassen, die Rolle des Vorstandsvorsitzenden der eines Chief Executive Officer (CEO) nach USamerikanischem Vorbild anzunähern.46) IV.
Beschlussfassung des Vorstands
15 Ein mehrköpfiger Vorstand entscheidet über Geschäftsführungsmaßnahmen durch Beschluss, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 einstimmig zu fassen ist, soweit statutarisch nichts Abweichendes geregelt ist (siehe Rz. 3). Die für den Vorstandsbeschluss eines Vereins geltenden Vorschriften der §§ 28, 32 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2, 34 BGB finden entsprechende Anwendung.47) In der Regel erfolgt die Beschlussfassung in Vorstandssitzungen, zu denen unter Angabe des Beschlussgegenstandes zu laden ist.48) Eine besondere Form ist
_____________ 38) OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.5.2000 – 8 U 233/99, ZIP 2000, 1578, 1580; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 77 Rz. 11; Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 669 f.; a. A. Priester, AG 1984, 253; Bürkle, AG 2012, 232 ff. 39) OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.5.2000 – 8 U 233/99, ZIP 2000, 1578, 1580; Hüffer, AktG, § 77 Rz. 12; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 17; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 518 f.; a. A. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 667. 40) BGH, Urt. v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, ZIP 1984, 55, 58 f. – zur GmbH; Spindler in: MünchKommAktG, § 77 Rz. 19; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 22 Rz. 10. 41) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 7; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 29; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 76 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 76 Rz. 9. 42) Hüffer, AktG, § 76 Rz. 7, 9, § 77 Rz. 17; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 15, § 77 Rz. 63; Hölters-Weber, AktG, § 76 Rz. 8, § 77 Rz. 29. 43) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 19. 44) Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746; Wicke, NJW 2007, 3755, 3757. 45) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 41; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 43 f.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 515; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 218. 46) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 42; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 21; zu den Tendenzen in der Rechtspraxis v. Hein, ZHR 166 (2002), 464. 47) Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 22 Rz. 6. 48) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 21; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 9.
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nicht vorgeschrieben.49) Beschlüsse können somit mündlich, fernmündlich oder per Email in Video- oder Internet-Konferenzen oder auch im Umlaufverfahren gefasst werden.50) Ebenso ist eine konkludente Beschlussfassung anerkannt.51) Eine Protokollierung der Beschlüsse ist nicht vorgeschrieben, aber zur Dokumentation der unternehmerischen Entscheidung und deren Grundlagen im Hinblick auf § 93 Abs. 1 Satz 2 (business judgment rule) praktisch unerlässlich.52) Bei der Stimmabgabe eines Vorstandsmitglieds handelt es sich um eine empfangsbedürf- 16 tige Willenserklärung, die mit Zugang bei den anderen Vorstandsmitgliedern wirksam wird.53) Danach kann sie nur noch aus wichtigem Grund widerrufen werden, z. B. wenn sich die Sach- oder Erkenntnislage grundlegend geändert hat.54) Als Willenserklärung ist die Stimmabgabe nach §§ 119 ff. BGB anfechtbar und führt zur Nichtigkeit des Beschlusses ex tunc.55) Zudem ist sie bedingungsfeindlich.56) Stellvertretung ist bei der Stimmabgabe unzulässig, jedoch kann sich das Vorstandsmitglied eines Stimmboten bedienen.57) Ein allgemeines Stimmverbot bei Interessen- oder Pflichtenkollisionen gibt es nach h. M. 17 für Vorstandsmitglieder nicht, auch nicht bei Vorstandsdoppelmandaten (siehe § 76 Rz. 24).58) Bejaht wird es hingegen analog §§ 28, 34 BGB im Falle von Rechtsgeschäften oder Rechtsstreitigkeiten zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied, wo es praktisch allerdings nicht zum Tragen kommt, weil die Gesellschaft gemäß § 112 durch den Aufsichtsrat vertreten wird.59) Für die Rechtsfolgen eines Beschlussmangels ist zu differenzieren. Leidet die Stimmab- 18 gabe durch ein Vorstandsmitglied an einem Mangel, ist der Beschluss nur dann nichtig, wenn die betroffene Stimme konstitutiv für das Beschlussergebnis war.60) Ist dagegen der Beschluss als Akt der organschaftlichen Willensbildung mangelbehaftet, führt dies stets zur Nichtigkeit.61) Allerdings wird der Beschluss bis zur Geltendmachung des Mangels als wirksam behandelt.62) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften (z. B. Mitwirkungsrecht) kann nur das in seinem Recht betroffene Vorstandsmitglied geltend machen.63)
_____________ 49) BGH, Urt. v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 177 = NJW 1961, 26; Hüffer, AktG, § 77 Rz. 6; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 33. 50) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 9; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 24; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 21. 51) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 22; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 9. 52) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 8. 53) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 7; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 13. 54) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 35; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 24; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 21. 55) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 17; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 21; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 24. 56) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 35. 57) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 24; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 16. 58) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 38; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 8; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 22 Rz. 7; a. A. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 579 ff.; Schneider, ZHR 150 (1986), 609, 623. 59) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 26; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 25; Wiesner in: MünchHdb GesR, Bd. 4, § 22 Rz. 7. 60) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 17; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 21. 61) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 48; Semler/Peltzer-Richter, ArbHdb. Vorstandsmitglieder, § 4 Rz. 135. 62) Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 26. 63) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 28; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 29.
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Unterlässt es dies trotz Kenntnis des Mangels, ist im Zweifel von einer konkludenten Zustimmung zum Beschlussergebnis auszugehen.64) 19 Sogar eine Pflicht zum Tätigwerden besteht für die Vorstandsmitglieder, wenn ein möglicherweise ordnungsgemäß gefasster Beschluss einen Verstoß gegen Gesetz oder Satzung darstellt.65) In diesem Fall ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zunächst gegenüber den Vorstandskollegen auf eine Revision des Beschlusses hinzuwirken.66) Erfolgt diese nicht, ist in der Regel die Einschaltung des Aufsichtsrates angezeigt.67) Unter Umständen kommt sogar eine Verpflichtung des Vorstandsmitglieds in Betracht, als äußerstes Mittel gesellschaftsfremde Dritte einzuschalten oder eine Klage zu erheben.68) V.
Geschäftsordnung (§ 77 Abs. 2)
20 Eine gesetzliche Pflicht zum Erlass einer Geschäftsordnung besteht nicht. § 77 Abs. 2 Satz 1 stellt lediglich klar, dass sich der Vorstand kraft eigener Organisationsautonomie eine Geschäftsordnung geben kann.69) Dies gilt nur dann nicht, wenn der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlässt oder die Satzung dem Aufsichtsrat die Kompetenz für den Erlass einer Geschäftsordung übertragen hat. Der Aufsichtsrat hat demnach zwingend eine primäre Zuständigkeit in allen Fragen der rechtlichen Organisation der Vorstandsarbeit.70) 21 Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 kann auch die Satzung Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln. Aus dem Gesetzeswortlaut „Einzelfragen“ sowie unter Berücksichtigung des Selbstorganisationsrechts von Vorstand und Aufsichtsrat schließt die h. M., dass eine nahezu vollständige Vorwegnahme des Inhalts der Geschäftsordnung durch die Satzung jedoch nicht zulässig ist.71) 22 Beschlüsse des Vorstands über Erlass, Änderung und Aufhebung der Geschäftsordnung müssen gemäß § 77 Abs. 2 Satz 3 zwingend einstimmig sein.72) Nach allgemeiner Auffassung ist die Geschäftsordnung zudem schriftlich oder in Textform (§ 126b BGB) niederzulegen; einer eigenhändigen Unterschrift bedarf es nicht.73) Wird der Aufsichtsrat tätig, entscheidet dieser gemäß §§ 108 Abs. 1, 107 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss, der in _____________ 64) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 47; Semler/Peltzer-Richter, ArbHdb. Vorstandsmitglieder, § 4 Rz. 135; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 26. 65) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1268; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 22; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 11; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 10; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 3, § 22 Rz. 8. 66) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 32; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 48; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 11; Fleischer, BB 2004, 2645, 2650. 67) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 22; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 150; Kust, WM 1980, 758, 761. 68) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 34 f.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 11; HöltersWeber, AktG, § 77 Rz. 11 f. 69) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 25. 70) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 65; Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 65; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 46; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 501. 71) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 67; Hüffer, AktG, § 77 Rz. 20; Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 77 Rz. 61; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 27; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 505; Krieger, Personalentscheidungen des AR, S. 201 f.; a. A. v. Godin/Wilhelmi, AktG, § 77 Rz. 10; Immenga, ZGR 1977, 249, 268. 72) Begr. RegE in: Kropff, S. 99; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 66; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 42. 73) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 28; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 54; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 50.
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eine von dem Vorsitzenden zu unterzeichnende Sitzungsniederschrift aufgenommen wird.74) Die Wirksamkeit des Beschlusses hängt von der Errichtung der Niederschrift als bloßer Beweisurkunde (§ 107 Abs. 2 Satz 3) jedoch nicht ab.75) Regelungsgegenstand einer Geschäftsordnung kann nur die Ausgestaltung von Binnen- 23 organisation und Geschäftsverteilung innerhalb des gesetzlich zwingend festgelegten Kompetenz- und Organisationsrahmens (§§ 76 ff.) sein.76) Der Inhalt soll der Sicherstellung einer zweckmäßigen und effizienten Vorstandsarbeit dienen, unterliegt aber keiner richterlichen Kontrolle.77) Die Vorschriften der Geschäftsordnung sind objektiv auszulegen.78) Auch in mitbestimmten Gesellschaften besteht weder eine Pflicht noch ein Verbot zum 24 Erlass einer Geschäftsordnung.79) § 33 Abs. 2 Satz 2 MitbestG und § 13 Abs. 2 Satz 2 MontanMitbestG gehen von dem Erlass einer Geschäftsordnung als Regelfall aus.80) Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, ist die zwingende Zuständigkeit des Arbeitsdirektors für den Kernbereich Arbeit und Soziales zu beachten.81) _____________ Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 68; Hüffer, AktG, § 77 Rz. 21. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 55; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 51. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 60; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 24. Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 80; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 39. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 61; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 55; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 24. 79) Kort in: GroßKomm-AktG, § 77 Rz. 94; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 77 Rz. 30. 80) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 23; Hölters-Weber, AktG, § 77 Rz. 52. 81) Hüffer, AktG, § 77 Rz. 23; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 77 Rz. 66; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 505 f. 74) 75) 76) 77) 78)
§ 78 Vertretung (1) 1Der Vorstand vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. 2Hat eine Gesellschaft keinen Vorstand (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch den Aufsichtsrat vertreten. (2) 1Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. 2Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied oder im Fall des Absatzes 1 Satz 2 gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied. 3An die Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1 können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. 4Unabhängig hiervon können die Abgabe und die Zustellung auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 39 Abs. 1 Satz 2 erfolgen. (3) 1Die Satzung kann auch bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. 2 Dasselbe kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung ihn hierzu ermächtigt hat. 3Absatz 2 Satz 2 gilt in diesen Fällen sinngemäß. (4) 1Zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermäch-
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Vertretung
tigen. 2Dies gilt sinngemäß, wenn ein einzelnes Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt ist. Literatur: Beuthien/Müller, Gemischte Gesamtvertretung und unechte Gesamtprokura, DB 1995, 461; Fassbender/Neuhaus, Zum aktuellen Stand der Diskussion in der Frage der Wissenszurechnung, WM 2002, 1253; Köhl, Der Prokurist in der unechten Gesamtvertretung, NZG 2005, 197; Schwarz, Die Gesamtvertreterermächtigung – Ein zivil- und gesellschaftsrechtliches Institut, NZG 2001, 529; Schwarz, Rechtsfragen zur Vorstandsermächtigung nach § 78 Abs. 4 AktG, ZGR 2001, 744.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Vorstand als organschaftlicher Vertreter (§ 78 Abs. 1) ..................... 2 1. Organschaftliche Vertretung ............ 2 2. Umfang und Grenzen der Vertretungsmacht ........................ 5 3. Wissenszurechnung ........................... 6 III. Gesamtvertretung (§ 78 Abs. 2) ...... 7 1. Aktivvertretung ................................. 7 2. Passivvertretung ............................... 10 3. Erleichterungen für Zugang und Zustellung ........................................ 11 IV. Abweichende Bestimmungen (§ 78 Abs. 3) ..................................... 12 I.
1. Statutarische Abweichung vom Grundsatz der Gesamtvertretung .... 12 2. Vertretungsmodelle .......................... 13 a) Einzelvertretung ......................... 14 b) Unechte Gesamtvertretung ....... 15 c) Gemeinschaftliche Vertretung durch mehrere Vorstandsmitglieder .......................................... 17 V. Einzelermächtigung (§ 78 Abs. 4) ..................................... 18 1. Allgemeines ....................................... 18 2. Erteilung ........................................... 19 3. Umfang ............................................. 20 4. Widerruf ............................................ 21
Überblick
1 § 78 regelt die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand. § 78 Abs. 1 stattet den Vorstand mit der Vollmacht aus, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich umfassend zu vertreten. § 78 Abs. 2 verankert für den mehrköpfigen Vorstand die Gesamtvertretung als gesetzliches Modell der Vertretungsordnung. § 78 Abs. 3 lässt Abweichungen von diesem Grundsatz für die Aktivvertretung zu. § 78 Abs. 4 eröffnet die Möglichkeit, einzelnen Vorstandsmitgliedern für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften Alleinvertretungsbefugnis einzuräumen. II.
Vorstand als organschaftlicher Vertreter (§ 78 Abs. 1)
1.
Organschaftliche Vertretung
2 Durch den Vorstand wird die AG als juristische Person handlungsfähig. Entsprechend § 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB hat er die Stellung eines gesetzlichen Vertreters, sein Handeln wird der Gesellschaft als eigenes zugerechnet (Organtheorie).1) Mit der Bestellung (auch der fehlerhaften)2) wächst den Vorstandsmitgliedern die gesetzliche Vertretungsmacht zu, die sie für das Organ Vorstand ausüben.3) 3 Die außergerichtliche Vertretung umfasst grundsätzlich den gesamten Privatrechtsverkehr sowie die Vertretung gegenüber Behörden.4) Auch i. R. von körperschaftsrechtlichen Akten _____________ 1) 2) 3) 4)
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Hüffer, AktG, § 78 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 5; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 23 Rz. 1. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 5; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 3. BGH, Urt. v. 6.3.1975 – II ZR 80/73, BGHZ 64, 72, 75 = NJW 1975, 1117 – zur GmbH; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 3. Zu den Ausnahmen: K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 3.
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Vertretung
gegenüber Aktionären (z. B. § 63 Abs. 1 Satz 1, § 68 Abs. 2 Satz 2, § 121 Abs. 1 Satz 1) wird der Vorstand für die Gesellschaft tätig.5) Dem Vorstand obliegt zudem grundsätzlich die gerichtliche Vertretung vor Gerichten aller Gerichtszweige.6) Die Nennung der Vorstandsmitglieder gehört zur Parteibezeichnung der AG (§§ 130 Nr. 1, 253 Abs. 4, 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Als Vertreter der Gesellschaft können Vorstandsmitglieder lediglich als Partei und nicht als Zeugen vernommen werden (§ 455 Abs. 1 Satz 1 ZPO).7) § 78 Abs. 1 Satz 2 benennt ausnahmsweise den Aufsichtsrat als organschaftlichen Emp- 4 fangsvertreter für den Fall, dass die Gesellschaft mangels Vorstand führungslos ist. Damit sollen im Interesse des Gläubigerschutzes die sonst aus § 170 ZPO resultierenden Zustellungsprobleme vermieden werden.8) 2.
Umfang und Grenzen der Vertretungsmacht
Die Vertretungsmacht des Vorstands ist grundsätzlich unbeschränkt und nach § 82 5 Abs. 1 auch unbeschränkbar. Weder die Satzung (z. B. Unternehmensgegenstand, Gesellschaftszweck) noch die Geschäftsordnung (eingeschränkte Geschäftsführungsbefugnis) vermögen im Außenverhältnis beschränkende Wirkung zu entfalten.9) Seine objektive Grenze findet dieses Prinzip in dem Verbot der Mehrvertretung nach § 181 Alt. 2 BGB10) sowie nach den Grundsätzen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht durch §§ 138, 242 BGB.11) Subjektive Beschränkungen ergeben sich, wenn der Vorstand entweder nicht oder nicht alleine vertretungsberechtigt ist. Dies gilt vor allem für Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern, bei denen die Gesellschaft gemäß § 112 vom Aufsichtsrat vertreten wird. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist das Selbstkontrahieren durch Vorstandsmitglieder ausgeschlossen.12) Des Weiteren hat der Vorstand Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats (z. B. §§ 246 Abs. 2 Satz 2, 249 Abs. 1 Satz 1, 250 Abs. 3 Satz 1, 253 Abs. 2, 255 Abs. 3, 256 Abs. 7, 257 Abs. 2 Satz 1, 275 Abs. 4 Satz 1; § 32 MitbestG; § 15 Abs. 1 Satz 1 Montan-MitbestErG) und des Aufsichtsratsvorsitzenden (z. B. §§ 184 Abs. 1 Satz 1, 188 Abs. 1, 195 Abs. 1, 207 Abs. 2, 223, 229 Abs. 3, 237 Abs. 4 Satz 5) sowie Zustimmungsbefugnisse der Hauptversammlung (z. B. §§ 50 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Satz 1, 93 Abs. 4 Satz 3, 116 Satz 1, 117 Abs. 4, 179 a Abs. 1 Satz 1, 293 Abs. 1, 295, 309 Abs. 3 Satz 1, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4) zu beachten.13) 3.
Wissenszurechnung
Bei unterschiedlichen Auffassungen über die dogmatische Begründung,14) besteht im Er- 6 gebnis weitgehende Einigkeit darüber, dass das Wissen oder die fahrlässige Unkenntnis eines einzelnen Organmitglieds unabhängig von dem Bestehen einer Einzel- oder Gesamtvertretung ausreichend ist, um der Gesellschaft zugerechnet werden zu können.15) Ob diese Zurechnung tatsächlich erfolgt, ist nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH _____________ 5) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 6; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 4. 6) Zu den Ausnahmen: K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 4; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 8. 7) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 23 Rz. 5. 8) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 42. 9) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 7; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 26. 10) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 6. 11) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 7. 12) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 71 ff. 13) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 14 ff; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 8 f. 14) Vgl. hierzu Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 53; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 15. 15) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 24 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 10 ff; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 23 Rz. 24 f.
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Vertretung
nicht schematisch, sondern anhand einer wertenden Beurteilung zu entscheiden.16) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt hierfür ist die am Verkehrsschutzgedanken orientierte Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation.17) Auf diese Weise kann die Wissenszurechnung nicht nur über das an einem Rechtsgeschäft mitwirkende Organmitglied, sondern auch über solche vermittelt werden, die nicht selbst beteiligt sind, von dem Rechtsgeschäft nichts wissen oder sogar schon aus dem Amt ausgeschieden sind.18) In der Literatur wird diesem Ansatz verbreitet gefolgt und eine Wissenszurechnung im Falle einer Verletzung der Organisationspflicht bejaht.19) III.
Gesamtvertretung (§ 78 Abs. 2)
1.
Aktivvertretung
7 § 78 Abs. 2 statuiert den Grundsatz, dass bei Bestehen eines mehrköpfigen Vorstands sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. Damit erstreckt die Vorschrift das in § 77 Abs. 1 angelegte Prinzip der Gesamtgeschäftsführung für die Aktivvertretung auf das Außenverhältnis. Zweck dieser Regelung ist der Schutz der Gesellschaft vor übereilten Maßnahmen sowie der Unzulänglichkeit oder Unwahrhaftigkeit einzelner Vorstandsmitglieder.20) 8 Schon die vorübergehende Verhinderung eines einzelnen Vorstandsmitglieds führt dazu, dass die Gesellschaft nicht gesetzlich vertreten werden kann.21) Bei endgültigem Ausfall eines Vorstandsmitglieds durch Tod, Amtsniederlegung oder Abberufung hängt die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft davon ab, ob die in der Satzung festgelegte oder gesetzliche Mindestanzahl von Vorstandsmitgliedern unterschritten wird.22) 9 Spezifische Vorgaben für die Ausübung der Gesamtvertretungsbefugnis ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Die Zulässigkeit möglicher Handlungsoptionen ist daher am Normzweck zu messen. Neben der gemeinsamen Abgabe der Erklärung kommen danach die getrennte Abgabe übereinstimmender Erklärungen sowie die Erklärung einzelner Vorstandsmitglieder mit Genehmigung der übrigen Vorstandsmitglieder nach § 177 BGB in Betracht, die auch intern und formlos erfolgen kann.23) 2.
Passivvertretung
10 Zur Erleichterung des Rechtsverkehrs besteht bei der Passivvertretung gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 zwingend Einzelvertretungsbefugnis.24) Das gilt gemäß § 78 Abs. 3 Satz 3 in gleicher Weise für den Fall der unechten Gesamtvertretung, so dass der Gesellschaft auch eine _____________ 16) BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 331 = DB 1990, 931; BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37 = ZIP 1996, 548; BGH, Urt. v. 15.4.1997 – XI ZR 105/96, BGHZ 135, 202, 205 ff = ZIP 1997, 1023. 17) Vgl. hierzu auch Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 15; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 23 Rz. 24; Fassbender/Neuhaus, WM 2002, 1253, 1254 ff. 18) BGH, Urt. v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 331 = DB 1990, 931; BGH, Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37 = ZIP 1996, 548. 19) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 55; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 26; a. A. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 87. 20) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 27. 21) BGH, Urt. v. 12.12.1960 – II ZR 255/59, BGHZ 34, 27, 29 = WM 1961, 80 – zur GmbH; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 65. 22) Hüffer, AktG, § 78 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 16; Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 78 Rz. 65. 23) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 26; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 58 f.; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 17. 24) Hüffer, AktG, § 78 Rz. 13; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 30.
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Vertretung
Willenserklärung zugeht, die gegenüber einem Prokuristen als rechtsgeschäftlichem Vertreter abgegeben wird.25) Klagen gegen die Gesellschaft können gemäß § 170 Abs. 3 ZPO wirksam einem Gesamtvertreter zugestellt werden. Fungiert der Aufsichtsrat aufgrund einer Führungslosigkeit der Gesellschaft gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 als ersatzweiser Empfangsvertreter (siehe Rz. 4), genügt gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 die Abgabe von Willenserklärungen gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied. 3.
Erleichterungen für Zugang und Zustellung
Gemäß § 37 Abs. 3 Nr. 1 ist bei der Anmeldung einer Gesellschaft deren inländische 11 Geschäftsanschrift anzugeben. Diese nimmt an der Publizität des Handelsregisters teil (§§ 9, 10 HGB). § 78 Abs. 2 Satz 3 begründet eine unwiderlegliche Vermutung, dass unter der eingetragenen Geschäftsadresse ein Vertreter der Gesellschaft erreicht werden kann.26) Solange dort tatsächlich ein Geschäftslokal besteht oder der zurechenbare Rechtsschein eines Geschäftsraums gesetzt worden ist, können der Gesellschaft demnach unter dieser Geschäftsanschrift wirksam Willenserklärungen zugehen und Zustellungen bewirkt werden.27) Ein Scheitern der Zustellung begründet gemäß § 185 Nr. 2 ZPO die Zulässigkeit einer öffentlichen Zustellung.28) Hat die Gesellschaft neben ihrer Geschäftsanschrift gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 einen besonderen Empfangsvertreter ins Handelsregister eintragen lassen, kann unter dessen Adresse gemäß § 78 Abs. 2 Satz 4 ebenfalls zugestellt werden und zwar unabhängig davon, ob die Zustellung unter der Geschäftsadresse möglich ist. IV.
Abweichende Bestimmungen (§ 78 Abs. 3)
1.
Statutarische Abweichung vom Grundsatz der Gesamtvertretung
Bei der gesetzlichen Gestaltung der Aktivvertretung handelt es sich um dispositives 12 Recht. § 78 Abs. 3 Satz 1 lässt weitgehende Möglichkeiten, von dem gesetzlichen Grundkonzept der Gesamtvertretung abzuweichen. Der Gestaltungsspielraum endet erst dann, wenn ein einzelnes Vorstandsmitglied vollkommen von der Vertretung ausgeschlossen29) oder ein anderes Organ/ein Dritter mit der gesetzlichen Vertretung betraut werden soll.30) Entsprechende Regelungen zur Vertretungsbefugnis müssen gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 in der Satzung vorgenommen oder durch Aufsichtsratsbeschluss auf Basis einer Satzungsermächtigung getroffen werden. Der Aufsichtsrat kann die Aufgabe nach § 107 Abs. 3 an einen Ausschuss delegieren. Ein Hauptversammlungsbeschluss ist für eine Abweichung vom gesetzlichen Vertretungsmodell nicht ausreichend.31) 2.
Vertretungsmodelle
§ 78 Abs. 3 Satz 1 nennt lediglich beispielhaft die Vertretung durch einzelne Vorstands- 13 mitglieder (Einzelvertretung) und durch ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem _____________ 25) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 43; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 19; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 83. 26) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 43 (zu § 35 Abs. 2 GmbHG); Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 29; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 32. 27) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 43 (zu § 35 Abs. 2 GmbHG); Hüffer, AktG, § 78 Rz. 13a; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 26. 28) Hüffer, AktG, § 78 Rz. 13a; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 21. 29) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 40; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 14. 30) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 35 ff; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 24. 31) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 34; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 42; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 14.
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Vertretung
Prokuristen (unechte Gesamtvertretung). Möglich ist zusätzlich die gemeinschaftliche Vertretung durch mehrere Vorstandsmitglieder.32) a)
Einzelvertretung
14 Ein Alleinvorstand ist zwingend einzelvertretungsberechtigt. Bei einem mehrköpfigen Vorstand ist es denkbar, wenn auch unüblich, allen oder einzelnen Vorstandsmitgliedern (z. B. dem Vorstandsvorsitzenden) Einzelvertretungsbefugnis einzuräumen. In letzterem Fall bleiben die übrigen Vorstandsmitglieder gesamtvertretungsberechtigt.33) Eine inhaltliche Beschränkung der Einzelvertretungsmacht, z. B. auf bestimmte Geschäfte, verstößt gegen § 82 Abs. 1 und ist unzulässig.34) b)
Unechte Gesamtvertretung
15 Die unechte Gesamtvertretung dient der Erleichterung der Gesamtvertretung und trägt somit dem Bedürfnis der Rechtspraxis nach flexiblen Handlungsmöglichkeiten Rechnung. Die Mitwirkung eines Prokuristen darf nach h. M. aber nicht dazu führen, dass die eigenverantwortliche Stellung des Vorstands als Leitungsorgan untergraben wird.35) Deshalb ist die Einschränkung der Alleinvertretungsbefugnis eines Einzelvorstands durch die unechte Gesamtvertretung ebenso unzulässig wie eine Regelung, nach der sämtliche Vorstandsmitglieder die Gesellschaft nur zusammen mit einem Prokuristen vertreten dürfen.36) Wenn allerdings nach dem Wegfall von Vorstandsmitgliedern nur ein gemeinsam mit einem Prokuristen vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied verbleibt, erweitert sich dessen Vertretungsbefugnis nicht zu einer Alleinvertretungsmacht. Vielmehr kann es die Gesellschaft bis zur Bestellung neuer Vorstandsmitglieder oder der Einräumung einer Einzelvertretungsbefugnis weiter nur zusammen mit einem Prokuristen vertreten.37) 16 Der Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen richtet sich nach der organschaftlichen Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds (§ 82 Abs. 2).38) § 49 Abs. 2 HGB findet keine Anwendung.39) c)
Gemeinschaftliche Vertretung durch mehrere Vorstandsmitglieder
17 Sind mehrere Vorstandsmitglieder gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft befugt, schließt dies eine unterschiedliche Gewichtung der den einzelnen Vorstandsmitgliedern erteilten Vertretungsbefugnisse nicht aus. Möglich ist etwa die Einräumung einer Alleinvertretungsmacht zugunsten eines Vorstandsmitglieds, während andere die Gesellschaft nur unter dessen Mitwirkung vertreten können (sog. halbseitige Gesamtvertretung).40) Auch die _____________ 32) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 39; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 39. 33) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 44; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 35. 34) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 37; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 25. 35) BGH, Urt. v. 31.3.1954 – II ZR 57/53, BGHZ 13, 61, 65 = NJW 1954, 1158; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 38; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 16; a. A. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 45. 36) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 26; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 45. 37) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 38; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 45; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 45; a. A. – keine organschaftliche Vertretung möglich – Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 32. 38) BGH, Beschl. v. 14.2.1974 – II ZB 6/73, BGHZ 62, 166, 170 = WM 1974, 480; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 39; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 26. 39) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 39; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 47; Beuthien/ Müller, DB 1995, 461. 40) Hüffer, AktG, § 78 Rz. 18; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 38; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 27.
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Vertretung
Bildung von Vertretungsgruppen, wonach jeweils zwei oder mehr namentlich benannte Vorstandsmitglieder die Gesellschaft gemeinschaftlich vertreten, ist zulässig.41) V.
Einzelermächtigung (§ 78 Abs. 4)
1.
Allgemeines
Gilt Gesamtvertretung, können gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 einzelne der Gesamtvertreter 18 ermächtigt werden, bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften allein vorzunehmen. Dies gilt nach § 78 Abs. 4 Satz 2 entsprechend für die unechte Gesamtvertretung. Dogmatisch handelt es sich bei der Einzelermächtigung um eine Ausübungsermächtigung.42) Somit wird der Ermächtigte als organschaftlicher Vertreter tätig und zwar entgegen der bisher h. M.43) auch dann, wenn es sich um einen nach § 78 Abs. 4 Satz 2 mit einer Einzelermächtigung ausgestatteten Prokuristen handelt.44) 2.
Erteilung
Die Erteilung der Ermächtigung erfolgt durch Vorstandsmitglieder in vertretungsbe- 19 rechtigter Zahl; hierbei darf der Adressat der Ermächtigung mitwirken.45) Bei unechter Gesamtvertretung kommen Prokuristen gemäß § 78 Abs. 4 Satz 2 sowohl als Ermächtigende als auch als Ermächtigte in Betracht.46) Eine besondere Form ist nicht einzuhalten. Die Ermächtigung kann also auch konkludent geschehen, etwa indem das selbständige Handeln eines Vorstandsmitglieds durch die übrigen bewusst geduldet wird.47) In entsprechender Anwendung der Regelungen zur rechtsgeschäftlichen Vollmacht (§§ 167, 171 BGB) kann die Ermächtigung gegenüber dem Ermächtigungsadressaten, dem Dritten (Geschäftsgegner) oder der Öffentlichkeit vorgenommen werden.48) 3.
Umfang
Der Umfang der Ermächtigung ist auf bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von 20 Geschäften zu beschränken, so dass die Erteilung einer Generalvollmacht nichtig wäre.49) Auch die Ermächtigung zur alleinigen Vertretung des einem Vorstandsmitglied zugewiesenen Ressorts wird von der h. M. unter Verweis auf den Sinn und Zweck der Gesamtvertretung abgelehnt.50) Eine nur betragsmäßige Definition des Ermächtigungsrahmens reicht nicht aus, kann aber mit einer hinreichend präzisen gegenständlichen Beschränkung kombiniert werden.51)
_____________ 41) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 47; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 31. 42) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 42; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 28; Köhl, NZG 2005, 197, 198; Schwarz, NZG 2001, 529, 535 ff. 43) Hüffer, AktG, § 78 Rz. 20; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 61. 44) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 50; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 35. 45) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 63. 46) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 43; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 19; Schwarz, NZG 2001, 529, 537 f. 47) OLG Köln, Urt. v. 16.11.1976 – 15 U 69/76, OLGZ 1977, 343, 345 – zur GmbH; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 29. 48) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 29. 49) BGH, Urt. v. 25.11.1985 – II ZR 115/85, ZIP 1986, 501, 503; OLG Dresden, Urt. v. 20.1.1994 – 7 U 678/93, NJW-RR 1995, 803, 804; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 78 Rz. 57; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 68. 50) BGH, Urt. v. 16.11.1987 – II ZR 92/87, ZIP 1988, 370, 371; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 53; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 46; a. A. Schwarz, ZGR 2001, 744, 761 ff. 51) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 45; Schwarz, ZGR 2001, 744, 761.
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§ 79 4.
Widerruf
21 Der Widerruf der Ermächtigung kann formlos und ohne Begründung bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts erfolgen.52) Die §§ 170 – 173 BGB finden für das Außenverhältnis entsprechende Anwendung.53) Aus dem Rechtsgedanken des § 116 Abs. 3 Satz 2 (Vertrauensverlust auch nur eines Ermächtigenden genügt) folgt, dass jeder einzelne Gesamtvertreter, der an der Erteilung der Ermächtigung mitgewirkt hat, zum Widerruf befugt ist.54) Angesichts der Rechtsnatur der Einzelermächtigung als Ausübungsermächtigung (siehe Rz. 18) kommt dagegen ein Widerruf durch die nicht ermächtigenden Vorstandsmitglieder nicht in Betracht, auch nicht in vertretungsberechtigter Zahl.55) _____________ 52) Hüffer, AktG, § 78 Rz. 22; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 71. 53) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 47; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 38. 54) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 47; Hüffer, AktG, § 78 Rz. 22; Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 78 Rz. 62; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 38; a. A. – Widerruf nur in vertretungsberechtigter Zahl – K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 78 Rz. 31; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 72. 55) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 78 Rz. 47; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 78 Rz. 56; Hölters-Weber, AktG, § 78 Rz. 38; Schwarz, ZGR 2001, 744, 776 ff.; a. A. Hüffer, AktG, § 78 Rz. 22; K. Schmidt/LutterSeibt, AktG, § 78 Rz. 31; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 78 Rz. 73.
§ 79 (aufgehoben)
1)
_____________ 1)
Aufgehoben mit Wirkung zum 1.11.2008 durch Art. 5 des Gesetzes v. 23.10.2008 – MoMiG, BGBl. I, 2026.
§ 80 Angaben auf Geschäftsbriefen (1) 1Auf allen Geschäftsbriefen gleichviel welcher Form, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Vorstandsmitglieder und der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. 2Der Vorsitzende des Vorstands ist als solcher zu bezeichnen. 3Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht, so müssen in jedem Falle das Grundkapital sowie, wenn auf die Aktien der Ausgabebetrag nicht vollständig eingezahlt ist, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. (2) Der Angaben nach Absatz 1 Satz 1 und 2 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. (3) 1Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Absatzes 1. 2Absatz 2 ist auf sie nicht anzuwenden. (4) 1Auf allen Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die von einer Zweigniederlassung einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Ausland verwendet werden, müssen das Register, bei dem die Zweigniederlassung geführt wird, und die Nummer des Registereintrags
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§ 80
Angaben auf Geschäftsbriefen
angegeben werden; im übrigen gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 für die Angaben bezüglich der Haupt- und der Zweigniederlassung, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. 2Befindet sich die ausländische Gesellschaft in Abwicklung, so sind auch diese Tatsache sowie alle Abwickler anzugeben. Literatur: Bärwaldt/Schabacker, Angaben auf Geschäftspapieren inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften, AG 1996, 461; Fleischer, Organpublizität im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, NZG 2006, 561; Hoeren/Pfaff, Pflichtangaben im elektronischen Geschäftsverkehr aus juristischer und technischer Sicht, MMR 2007, 207; Hüttmann, Mindestangaben auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen einer GmbH & Co. ab 1.1.1981, DB 1980, 1884; Schaffland, Angabepflichten auf Geschäftsbriefen für die GmbH & Co. KG, BB 1980, 1501; Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 5. Aufl., 1973 – 1992; Schmittmann/Ahrens, Pflichtangaben in E-Mails – Ist die elektronische Post ein Geschäftsbrief?, DB 2002, 1038.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Geschäftsbriefe .................................. 3 III. Vorgeschriebene Angaben ............... 4 1. Rechtsform und Sitz der Gesellschaft .................................. 4 2. Registergericht und -nummer ............ 5 3. Organmitglieder ................................. 6 4. Angaben zum Gesellschaftskapital .................................................. 7 I.
IV. Ausnahmen (§ 80 Abs. 2) ................. 8 V. Bestellscheine (§ 80 Abs. 3) .............. 9 VI. Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften (§ 80 Abs. 4) ..................................... 10 VII. Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen .......................................... 11
Überblick
§ 80 dient der Publizität wesentlicher Gesellschaftsverhältnisse, über die sich die in- und 1 ausländischen Geschäftspartner einer AG schon im Stadium einer Vertragsanbahnung ohne aufwändige eigene Ermittlungen informieren können sollen. Zusätzlich ist der erleichterte Zugang zu weitergehenden Unternehmensdaten durch Einsichtnahme in das Handelsregister bezweckt.1) § 80 Abs. 1 legt fest, welche Angaben auf Geschäftsbriefen zwingend auszuweisen sind. 2 § 80 Abs. 2 macht eine Ausnahme für formularmäßige Mitteilungen und Berichte i. R. einer bestehenden Geschäftsverbindung. § 80 Abs. 3 erstreckt die für Geschäftsbriefe geltenden Grundsätze in verschärfter Form auf Bestellscheine. § 80 Abs. 4 unterstellt auch Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften dem Anwendungsbereich der Vorschrift. II.
Geschäftsbriefe
Die Publizitätsanforderungen des § 80 Abs. 1 beziehen sich auf Geschäftsbriefe. Nach all- 3 gemeiner Auffassung ist dieser Begriff mit Rücksicht auf den Normzweck weit auszulegen.2) Gemeint sind alle geschäftlichen Mitteilungen der Gesellschaft, die sich an einen bestimmten außenstehenden Empfänger richten.3) Damit grenzt sich der Geschäftsbrief von jeder an einen unbestimmten Empfängerkreis gerichteten Kommunikation wie z. B. öffentlichen Bekanntmachungen, Werberundschreiben und Anzeigen ab. Auf innergesellschaftliche Mitteilungen findet § 80 Abs. 1 keine Anwendung, wohl aber auf Kommuni_____________ 1) 2) 3)
Reg. Begr. in: Kropff, S. 101; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 1; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 80 Rz. 2; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 14. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 15; Hölters-Weber, AktG, § 80 Rz. 1; Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 462.
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§ 80
Angaben auf Geschäftsbriefen
kation zwischen verbundenen Unternehmen (§ 15).4) Auf die äußere Form der Mitteilung kommt es nicht an, so dass z. B. auch Rechnungen, Quittungen, Lieferscheine, Auftragsund Empfangsbestätigungen oder Gesprächsprotokolle die Pflichtangaben zu enthalten haben.5) Mitteilungen in elektronischer Form (z. B. per E-Mail) werden ebenfalls erfasst.6) Eine Ausnahme gilt nur für Kommunikationsmedien, die der Absender selbst nicht gestalten kann (z. B. Telegramme, Telex- und Fernschreiben).7) Zudem wäre die Erstreckung der Publizitätsanforderungen auf per SMS (Short Message Service) versandte geschäftliche Mitteilungen schon wegen des begrenzten Textvolumens von 160 Zeichen pro Nachricht unpraktikabel.8) Bei einer Kommunikation per E-Mail müssen die Pflichtangaben im Mailtext (E-Mail-Body) selbst und nicht in einem Dateianhang oder auf einer über einen Link zugänglichen Internetseite enthalten sein.9) III.
Vorgeschriebene Angaben
1.
Rechtsform und Sitz der Gesellschaft
4 Für die Angabe der Rechtsform ist die Verwendung der Abkürzung „AG“ ausreichend; auch dann, wenn sie nur in der auf dem Geschäftsbrief vollständig geführten Firma enthalten ist.10) Mit dem Ausweis des Gesellschaftssitzes (§ 5) soll dem Geschäftsgegner die Ermittlung des allgemeinen Gerichtsstands (§ 17 Abs. 1 ZPO) erleichtert werden. Die Angabe des Orts einer Betriebsstätte oder Zweigniederlassung reicht folglich nicht.11) 2.
Registergericht und -nummer
5 Registergericht und -nummer dienen einem schnellen Zugang zu den beim Handelsregister verfügbaren Unternehmensdaten. Ausreichend ist eine Angabe in verkürzter Form, z. B. AG München HRB 1234.12) 3.
Organmitglieder
6 Anzugeben sind alle Vorstandsmitglieder sowie der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen. Diese Pflicht schließt die stellvertretenden Vorstandsmitglieder (§ 94) ein, von dem Hinzufügen des Stellvertreterzusatzes ist abzusehen.13) Ein Vorstandsvorsitzender (nicht Vorstandssprecher) ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 als solcher zu bezeichnen. Ebenso ist auf das Amtieren eines Notvorstands (§ 85) hinzuweisen.14)
_____________ 4) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 80 Rz. 13; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 16. 5) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 8. 6) Begr. RegE zum EHUG, BT-Drucks. 16/960, S. 47 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 18; Hölters-Weber, AktG, § 80 Rz. 4. 7) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 8; a. A. Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 80 Rz. 15; Schmittmann/Ahrens, DB 2002, 1038, 1039. 8) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 18; Hoeren/Pfaff, MMR 2007, 207, 208. 9) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 18; Hölters-Weber, AktG, § 80 Rz. 4. 10) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 2; Hüttmann, DB 1980, 1884; Schaffland, BB 1980, 1501, 1502; a. A. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 13; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 7. 11) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 13; Hölters-Weber, AktG, § 80 Rz. 7. 12) Hüffer, AktG, § 80 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 9. 13) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 4; Fleischer, NZG 2006, 561, 563; a. A. – mit Vertreterzusatz – Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 10. 14) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 4; Hölters-Weber, AktG, § 80 Rz. 9.
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§ 80
Angaben auf Geschäftsbriefen 4.
Angaben zum Gesellschaftskapital
Angaben zum Gesellschaftskapital sind nicht erforderlich. Nimmt sie die Gesellschaft 7 dennoch in ihre Geschäftskorrespondenz auf, sind gemäß § 80 Abs. 1 Satz 3 stets das Grundkapital sowie der Gesamtbetrag etwaig ausstehender Bareinlagen zu nennen. Maßgeblich ist der Ausgabebetrag der Aktien.15) Die Angabe ausstehender Sacheinlagen ist gesellschaftsrechtlich nicht vorgeschrieben, unter Umständen jedoch nach §§ 3, 5 UWG angezeigt, um eine Irreführung des Rechtsverkehrs zu vermeiden.16) IV.
Ausnahmen (§ 80 Abs. 2)
Zur Erleichterung des Rechtsverkehrs entbindet § 80 Abs. 2 bei Verwendung von Vor- 8 drucken i. R. einer bestehenden Geschäftsverbindung von der Angabepflicht des § 80 Abs. 1. Als Vordrucke gelten alle Schriftstücke in Vordruckform, in die lediglich die im Einzelfall erforderlichen Angaben eingefügt werden müssen, also z. B. Angebote, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Mahnungen, Kontoauszüge, usw.17) Gemäß § 80 Abs. 3 sind Bestellscheine hingegen ausdrücklich ausgenommen. Die Verwendung des Vordrucks muss üblich sein. Dies ist einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Gepflogenheiten, des Verwendungszwecks und des Inhalts des Vordrucks zu ermitteln.18) Von einer bestehenden Geschäftsverbindung ist bereits dann auszugehen, wenn zuvor auch nur ein Rechtsgeschäft zwischen Verwender und Empfänger zustande gekommen ist, in dessen Zuge die nach § 80 Abs. 1 erforderlichen Pflichtangaben übermittelt wurden.19) V.
Bestellscheine (§ 80 Abs. 3)
Gemäß § 80 Abs. 3 gelten Bestellscheine stets als Geschäftsbriefe i. S. von § 80 Abs. 1. 9 Bestellscheine sind Vordrucke, mit denen der Geschäftspartner der Gesellschaft einen Vertrag über Leistungen der Gesellschaft anbietet oder annimmt.20) Im Gleichklang mit Art. 4 der EU-Publizitätsrichtlinie,21) der keine Ausnahmeregelung für Bestellscheine vorsieht, schließt § 80 Abs. 3 Satz 2 die Anwendbarkeit von § 80 Abs. 2 aus. VI.
Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften (§ 80 Abs. 4)
Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften in Deutschland haben gemäß 10 § 80 Abs. 4 Satz 1 auf Geschäftsbriefen das Register, bei dem die Zweigniederlassung geführt wird (§ 13d Abs. 1 HGB) sowie die Nummer des Registereintrags anzugeben. Mit dem Vorbehalt zwingender abweichender Regelungen nach ausländischem Recht gelten im Übrigen die Vorschriften des § 80 Abs. 1 bis 3 für die ausländische Haupt- wie auch die inländische Zweigniederlassung (doppelte Angabeverpflichtung).22) Die Angaben haben in deutscher Sprache zu erfolgen.23) Die vollständige ausländische Firma samt Rechtsformzusatz ist in Originalsprache anzugeben und durch einen Klammerzusatz zu _____________ Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 15; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 15. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 80 Rz. 7; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 12. Hüffer, AktG, § 80 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 9. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 10; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 21. Hüffer, AktG, § 80 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 9. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 12; Hölters-Weber, AktG, § 80 Rz. 6. Erste RL 68/151/EWG v. 9.3.1968, ABl. EG Nr. L 65, 8 ff., neu gefasst durch RL 2009/101/EG v. 16.9.2009, ABl. EG Nr. L 258, 11 ff. 22) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 6. 23) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 8; Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 462.
15) 16) 17) 18) 19) 20) 21)
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§ 81
Änderung des Vorstands und der Vertretungsbefugnis seiner Mitglieder
erläutern (z. B. AG spanischen Rechts).24) Befindet sich die Gesellschaft in Abwicklung, sind nach § 80 Abs. 4 Satz 2 ebenso wie bei inländischen Gesellschaften (§ 268 Abs. 4) die Tatsache der Abwicklung sowie die Namen aller Abwickler anzugeben. VII. Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen 11 § 80 ist eine reine Ordnungsvorschrift, so dass deren Verletzung ohne Folgen für die Wirksamkeit der durch Geschäftsbrief abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen bleibt.25) Falsche oder fehlende Angaben können jedoch Anlass zur Irrtumsanfechtung (§ 119 Abs. 2 BGB) durch den Geschäftsgegner geben.26) Zudem kommen Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft aus § 823 Abs. 2 BGB sowie aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 311 Abs. 2 BGB in Betracht.27) Von der h. M. wird zudem eine Rechtsscheinhaftung der Vorstandsmitglieder bejaht.28) 12 Das Registergericht hat Vorstandsmitglieder gemäß § 407 Abs. 1 durch Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Einhaltung der Pflichten aus § 80 anzuhalten. _____________ 24) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 16; Hölters-Weber, AktG, § 80 Rz. 11; Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 462. 25) Hüffer, AktG, § 80 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 11. 26) OLG Hamm, Urt. v. 9.1.1990 – 26 U 21/89, NJW-RR 1990, 523; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 80 Rz. 8. 27) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 80 Rz. 18; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 80 Rz. 28; Bärwaldt/ Schabacker, AG 1996, 461, 467. 28) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 80 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 80 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 80 Rz. 11; a. A. Schlegelberger-Schmidt, HGB, § 125a Rz. 4.
§ 81 Änderung des Vorstands und der Vertretungsbefugnis seiner Mitglieder (1) Jede Änderung des Vorstands oder der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds hat der Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Änderung in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. (3) Die neuen Vorstandsmitglieder haben in der Anmeldung zu versichern, daß keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen, und daß sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. § 37 Abs. 2 Satz 2 ist anzuwenden. (4) (aufgehoben) Literatur: Fleischer, Organpublizität im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, NZG 2006, 561; John, Fiktionswirkung oder Schutz typisierten Vertrauens durch das Handelsregister, ZHR 140 (1976), 236; Servatius, Zur Eintragung organschaftlicher Vertretungsmacht ins Handelsregister, NZG 2002, 456.
Übersicht I. Übersicht ........................................... 1 II. Anmeldepflicht (§ 81 Abs. 1) .......... 3 1. Änderung des Vorstands ................... 3
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2. Änderung der Vertretungsbefugnis ............................................... 5 III. Anmeldeverfahren ............................ 6
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Änderung des Vorstands und der Vertretungsbefugnis seiner Mitglieder 1. Zuständigkeit ...................................... 6 2. Inhalt, Form und Verfahren .............. 9 I.
§ 81
IV. Versicherungen (§ 81 Abs. 3) ......... 12 V. Wirkung der Eintragung ................ 13
Übersicht
§ 81 ist ein wichtiger Baustein der Organpublizität im Aktienrecht.1) § 81 Abs. 1 begründet 1 die Pflicht, Änderungen in der Zusammensetzung des Vorstands sowie der Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder zum Handelsregister anzumelden. § 81 Abs. 2 bestimmt, welche Urkunden der Anmeldung beizufügen sind. § 81 Abs. 3 verpflichtet die Vorstandsmitglieder, in der Anmeldung das Fehlen von Bestellungshindernissen zu versichern. § 81 soll sicherstellen, dass das Handelsregister jederzeit zutreffend Auskunft über die Vor- 2 standsmitglieder und ihre Vertretungsbefugnis gibt. Die Publizität dieser Tatsachen liegt vor allem im Interesse des Rechtsverkehrs, aufgrund der Wirkungen des § 15 HGB aber auch der Gesellschaft.2) Zudem dient die strafbewehrte Versicherungspflicht des § 81 Abs. 3 der Durchsetzung von Bestellungshindernissen.3) II.
Anmeldepflicht (§ 81 Abs. 1)
1.
Änderung des Vorstands
Anmeldepflichtig ist gemäß § 81 Abs. 1 Alt. 1 jede Änderung in der personellen Zusam- 3 mensetzung des Vorstands einschließlich der stellvertretenden Vorstandsmitglieder (§ 94).4) Dies gilt nicht für die Ernennung eines stellvertretenden Vorstandsmitglieds zum ordentlichen Vorstandsmitglied (oder umgekehrt), da in das Handelsregister ohnehin kein Stellvertretervermerk eingetragen wird (siehe § 80 Rz. 6).5) Ist ein eintragungspflichtiger Tatbestand bereits überholt (z. B. weil das Vorstandsmitglied nach Ablauf seiner Amtszeit erneut bestellt wurde), besteht nach dem Normzweck (siehe Rz. 2) keine Anmeldepflicht.6) Da sich Dritte nach überwiegender Auffassung7) gemäß § 15 Abs. 1 HGB auf nicht eingetragene aber eintragungspflichtige Tatsachen auch nach deren Wegfall berufen können, besteht in solchen Fällen allerdings ein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaft an einer Publizierung, wenn sie sich zur Anmeldung entschließt.8) Obwohl vom Wortlaut des § 81 Abs. 1 nicht umfasst, lösen Änderungen der persön- 4 lichen Verhältnisse bei zweckorientierter Auslegung der Vorschrift eine Anmeldepflicht aus, wenn anderenfalls eine einwandfreie Indentifizierung der einzelnen Vorstandsmitglieder und damit die Zuverlässigkeit der Registerpublizität gefährdet wäre.9) Relevant sind insofern eine Änderung des Namens sowie von Namensbestandteilen (z. B. Doktorgrad, nicht aber Professorentitel).10) Alle sonstigen in § 43 Nr. 4 HRV aufgeführten Angaben sind lediglich anmelde- und eintragungsfähigfähig, aber nicht anmeldepflichtig.11) Das gilt auch für die Ernennung (oder deren Widerruf) eines Vorstandsvorsitzenden.12) _____________ 1) Vgl. Fleischer, NZG 2006, 561, 562. 2) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 1; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 81 Rz. 1; HöltersWeber, AktG, § 81 Rz. 1. 3) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 81 Rz. 1. 4) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 4; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 4. 5) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 81 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 3. 6) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 81 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 7. 7) BGH, Urt. v. 11.11.1991 – II ZR 287/90, BGHZ 116, 37, 44 = ZIP 1991, 29; John, ZHR 140 (1976), 236, 243. 8) Hüffer, AktG, § 81 Rz. 2; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 5. 9) Hüffer, AktG, § 81 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 5. 10) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 81 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 5. 11) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 6; Henssler/Strohn-Dauner-Lieb, GesR, § 81 AktG Rz. 5. 12) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 4; Hölters-Weber, AktG, § 81 Rz. 5.
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§ 81 2.
Änderung des Vorstands und der Vertretungsbefugnis seiner Mitglieder Änderung der Vertretungsbefugnis
5 Bei Anmeldung der Gesellschaft muss die Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder gemäß §§ 37 Abs. 3 Nr. 2, 39 Abs. 1 Satz 3 angegeben werden. Eine anschließende Änderung der Vertretungsbefugnis ist gemäß § 81 Abs. 1 Alt. 2 anmeldepflichtig. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Modifizierung der Vertretungsordnung durch Satzungsänderung erfolgt, weil dann deren Anmeldung nach § 181 genügt.13) Nur wenn eine satzungsmäßige Vertretungsregelung ersatzlos aufgehoben wird, ist ausnahmsweise doch eine (zusätzliche) Anmeldung nach § 81 Abs. 1 vorzunehmen, weil sich dem Satzungsbeschluss das Wiederaufleben der gesetzlichen Vertretungsbefugnis nach § 78 nicht entnehmen lässt.14) Zu publizieren sind insbesondere Wechsel zwischen Gesamt- und Einzelvertretung sowie Änderungen innerhalb der Gesamtvertretung.15) Auch die Befreiung (oder deren Widerruf) von dem Verbot der Mehrvertretung nach § 181 BGB löst die Anmeldepflicht aus.16) Die Erteilung oder der Widerruf einer Einzelermächtigung (§ 78 Abs. 4) sind dagegen nicht anmeldepflichtig, weil sie die allgemeine Vertretungsordnung nicht berühren.17) III.
Anmeldeverfahren
1.
Zuständigkeit
6 Die der Gesellschaft obliegende Pflicht zur Anmeldung erfüllt gemäß § 81 Abs. 1 der Vorstand. Genügend ist das Handeln durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl.18) Unechte Gesamtvertretung unter Mitwirkung eines Prokuristen ist zulässig.19) Der Vorstand kann sich zudem durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, dessen Vollmacht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der öffentlich beglaubigten Form bedarf.20) Der gesetzliche Umfang von Prokura und Handlungsvollmacht reicht als Bevollmächtigung nicht aus.21) 7 Für die Anmeldung einer Änderung der Vertretungsbefugnis im Wege der Satzungsänderung gilt die Vertretungsordnung nach der alten Satzung, da Satzungsänderungen gemäß § 181 Abs. 3 erst mit Eintragung ins Handelsregister wirksam werden. 8 Ein neu bestelltes Vorstandsmitglied ist selbst anmeldeberechtigt, muss jedoch seine Anmeldebefugnis nachweisen.22) Ein bereits ausgeschiedenes Vorstandsmitglied ist nicht mehr anmeldebefugt, hat aber gegen die Gesellschaft einen einklagbaren Anspruch auf Eintragung seines Ausscheidens. Das rechtskräftige Urteil ersetzt gemäß § 894 ZPO die Anmeldung.23) Zudem kann das Registergericht die Vorstandsmitglieder nach § 407 Abs. 1, § 14 HGB zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Anmeldepflichten durch Ordnungsstrafen anhalten.
_____________ 13) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 81 Rz. 4; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 8. 14) Hüffer, AktG, § 81 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 6; Hölters-Weber, AktG, § 81 Rz. 6. 15) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 7; Heidel-Oltmanns, § 81 AktG Rz. 4. 16) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 6; zur Eintragungspflicht einer Befreiung von § 181 BGB BGH, Urt. v. 28.2.1983 – II ZB 8/82, BGHZ 87, 59, 61 f. = ZIP 1983, 568. 17) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 81 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 6; a. A. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 10; Servatius, NZG 2002, 456, 458. 18) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 81 Rz. 5. 19) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 12. 20) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 8; Hölters-Weber, AktG, § 81 Rz. 7. 21) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2012 – I-3 Wx 296/11, ZIP 2012, 969. 22) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 10. 23) Hüffer, AktG, § 81 Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 81 Rz. 10.
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Änderung des Vorstands und der Vertretungsbefugnis seiner Mitglieder 2.
§ 81
Inhalt, Form und Verfahren
Die Anmeldung hat die geänderte Vertretungsbefugnis in abstrakter Formulierung zu 9 umschreiben (z. B. „Gesellschaft wird durch zwei gemeinsam handelnde Vorstandsmitglieder vertreten“).24) Eine konkrete personenbezogene Angabe der Vertretungsbefugnis ist nur notwendig, wenn von der gesetzlichen Normalvertretung abgewichen wird.25) Zuständig ist das Registergericht des Gesellschaftssitzes (§ 14).26) Die Anmeldung hat 10 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen.27) Nach § 81 Abs. 2 sind die Urkunden über die Änderung in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 HGB genügt die Übermittlung von elektronischen Aufzeichnungen bzw. einem elektronischen Zeugnis (§ 39a BeurkG). Gemeint sind z. B. Beschlussprotokolle des Aufsichtsrats, schriftliche Amtsniederlegung oder Sterbeurkunden.28) Damit soll dem Registergericht die Prüfung der materiellen Eintragungsvoraussetzungen ermöglicht werden.29) Bestehen begründete Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen, kann das Gericht nach § 26 FamFG weitere Urkunden und Nachweise anfordern.30) Die Kosten des Verfahrens trägt alleine die Gesellschaft.31) Sowohl die Gesellschaft als 11 auch die Vorstandsmitglieder können gegen die Ablehnung einer Eintragung im Wege der Erinnerung (§ 11 RPflG) und danach mit der Beschwerde vorgehen.32) IV.
Versicherungen (§ 81 Abs. 3)
Nach § 81 Abs. 3 haben die neuen Vorstandsmitglieder bei der Anmeldung zu versichern, 12 dass ihrer Bestellung keine Hindernisse aus § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Gleichlautende Versicherungen haben die Mitglieder des Gründungsvorstands gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 1 bei der Anmeldung der Gesellschaft abzugeben. In Kombination sollen die beiden Vorschriften eine lückenlose Durchsetzung der Bestellungshindernisse gewährleisten. Das Wort „versichern“ muss nicht Bestandteil der Erklärung sein, vielmehr genügt jede Wendung (z. B. „erklären“, „angeben“), die hinreichend erkennen lässt, dass es sich um eine eigenverantwortliche Bekundung des Betroffenen handelt.33) Die im Hinblick auf § 53 Abs. 2 BZRG durchzuführende Belehrung kann gemäß § 81 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 37 Abs. 2 Satz 2 durch einen in- oder ausländischen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs (insbesondere Rechtsanwälte) oder einen Konsularbeamten erfolgen. Macht ein Vorstandsmitglied in einer der abzugebenden Versicherungen falsche Angaben oder verschweigt es wesentliche Umstände, ist dies nach § 399 Abs. 1 Nr. 6 strafbar. Vor diesem Hintergrund haben die Erklärungen höchstpersönlich zu erfolgen; anders als bei der Anmeldung eines Vorstandsmitglieds ist keine Vertretung möglich (siehe Rz. 6).34) _____________ 24) 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34)
Hüffer, AktG, § 81 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 9. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 12. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 81 Rz. 6. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 11; Heidel-Oltmanns, § 81 AktG Rz. 5. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 19. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 14; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 11. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.12.2000 – 3 Wx 432/00, NZG 2001, 229, 230 – zur GmbH; Hüffer, AktG, § 81 Rz. 7; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 20. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 81 Rz. 19. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 16; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 81 Rz. 16. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2012 – 11 Wx 33/12, ZIP 2012, 1028, 1029 m. w. N. – zur GmbH. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 81 Rz. 12; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 81 Rz. 22.
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§ 82 V.
Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis Wirkung der Eintragung
13 Die Handelsregistereintragung einer Änderung des Vorstands oder seiner Vertretungsbefugnis hat – soweit diese nicht im Wege einer Satzungsänderung vollzogen wird (§ 181 Abs. 3) – keine konstitutive, sondern deklaratorische Wirkung.35) Allerdings kann die Gesellschaft Änderungen gemäß § 15 Abs. 1 HGB Dritten gegenüber erst nach Eintragung und Bekanntmachung entgegenhalten, wenn diese die Änderung nicht kennen. Das gilt auch bei fehlender Voreintragung (siehe schon Rz. 3). Daher hat auch die Gesellschaft ein fundamentales rechtliches Interesse an einer umgehenden Publikation. _____________ 35) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 81 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 81 Rz. 15.
§ 82 Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis (1) Die Vertretungsbefugnis des Vorstands kann nicht beschränkt werden. (2) Im Verhältnis der Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft sind diese verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben. Literatur: Fleischer, Gestaltungsgrenzen für Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, BB 2013, 835; Fleischer, Organpublizität im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, NZG 2005, 529; Götz, Die Sicherung der Rechte der Aktionäre der Konzernobergesellschaft bei Konzernbildung und Konzernleitung, AG 1984, 85; Groß, Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Erwerb und Veräußerung von Umternehmensbeteiligungen, AG 1994, 266; Schneider, Die Vertretung der GmbH bei Rechtsgeschäften mit ihren Konzernunternehmen, BB 1986, 201; Spahn, Rechte der Gesellschafter und Abberufung von Geschäftsführern in mehrstufige GmbH-Konzernen, AG 1988, 337; Thiessen, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats zwischen Pflicht und Kür, AG 2013, 573; Westermann, Organzuständigkeit bei Bildung, Erweiterung und Umorganisation des Konzerns, ZGR 1984, 352; Zacher, Beschränkungen und Missbrauch der Vertretungsmacht des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 1994, 842.
Übersicht I. Übersicht ........................................... II. Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis (§ 82 Abs. 1) ....................................... 1. Grundsatz ........................................... 2. Gesetzliche Grenzen der Vertretungsbefugnis .................... 3. Ausnahmen ........................................ a) Missbrauch der Vertretungsmacht ................. b) Rechtsgeschäfte mit nahestehenden Personen .............
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III. Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis (§ 82 Abs. 2) ...... 10 1. Allgemeines ....................................... 10 2. Beschränkungen durch die Satzung .............................................. 11 3. Beschränkungen durch den Aufsichtsrat ...................................... 13 4. Beschränkungen durch die Hauptversammlung .......................... 14 5. Beschränkungen durch die Geschäftsordnung ............................ 15
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Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis I.
§ 82
Übersicht
§ 82 verkörpert den das deutsche Handels- und Gesellschaftsrecht durchziehenden Grund- 1 satz einer strikten Trennung zwischen Vertretungsbefugnis (Außenverhältnis) einerseits und Geschäftsführungsbefugnis (Innenverhältnis) andererseits.1) Nach § 82 Abs. 1 ist die Vertretungsbefugnis des Vorstands unbeschränkt und unbeschränkbar. § 82 Abs. 2 lässt eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis im Verhältnis zur Gesellschaft hingegen zu. Mit der Unterscheidung zwischen rechtlichem Können im Außenverhältnis und rechtlichem 2 Dürfen im Innenverhältnis dient die Vorschrift dem Verkehrsschutz und der Erleichterung des Handelsverkehrs.2) II.
Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis (§ 82 Abs. 1)
1.
Grundsatz
Vom Vorstand als Organ getätigte Rechtshandlungen gegenüber Dritten sowie korpora- 3 tionsrechtliche Geschäfte, die durch externe Erklärung in Geltung gesetzt werden (z. B. Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien nach § 68 Abs. 2 Satz 2 oder Einforderung ausstehender Einlagen nach § 63 Abs. 1), sind aufgrund der nach § 82 Abs. 1 geltenden Unbeschränkbarkeit der organschaftlichen Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder bindend.3) Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Vorstand i. R. von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand bewegt oder sonstigen Beschränkungen seiner internen Geschäftsführungsbefugnis unterliegt.4) Die rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft aufgrund bürgerlich-rechtlicher oder handelsrechtlicher Vollmachten fällt hingegen nicht in den Anwendungsbereich des § 82 Abs. 1.5) 2.
Gesetzliche Grenzen der Vertretungsbefugnis
Die unbeschränkte Vertretungsbefugnis des Vorstands findet ihre Grenzen in der Kom- 4 petenzordnung der AG. Begründen zwingende gesetzliche Vorgaben die Zuständigkeit anderer Organe oder deren Mitwirkungs- bzw. Zustimmungsbefugnisse (siehe hierzu § 78 Rz. 5), kann der Vorstand die Gesellschaft (allein) nicht wirksam vertreten. Tritt er dennoch so auf, bestimmen sich die Rechtsfolgen nach §§ 177 ff. BGB.6) 3.
Ausnahmen
§ 82 Abs. 1 räumt dem Verkehrsschutz Vorrang gegenüber dem Schutz der Gesellschaft 5 vor einem pflichtwidrigen Vorstandsverhalten ein, weil es einem Dritten nicht zugemutet werden soll, sich im Einzelfall über die Vertretungsbefugnis des für die Gesellschaft handelnden Vorstandsmitglieds vergewissern zu müssen. Ausnahmsweise kann es aber an dieser Schutzwürdigkeit fehlen, so dass der Grundsatz der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsbefugnis zu durchbrechen ist.7)
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 1. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 2. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 82 Rz. 3. Vgl. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 27; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 23 Rz. 2. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 6; Hölters-Weber, AktG, § 82 Rz. 3. Hüffer, AktG, § 82 Rz. 5; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 25. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 7; Hölters-Weber, AktG, § 82 Rz. 8.
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§ 82 a)
Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis Missbrauch der Vertretungsmacht
6 Überschreitet der Vorstand die Grenzen seiner Vertretungsmacht und ist dies dem Geschäftsgegner bekannt oder trotz Evidenz aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, steht der Gesellschaft die Arglisteinrede nach § 242 BGB zu.8) Von einem evidenten Missbrauch der Vollmacht ist auszugehen, wenn der Pflichtenverstoß aufgrund massiver Verdachtsmomente für jedermann klar und sofort, also ohne Nachforschungen, erkennbar war.9) Auf Seiten des Vorstandsmitglieds kommt es subjektiv auf ein Missbrauchs- oder Schädigungsbewusstsein nicht an.10) Auch muss der Gesellschaft durch die Pflichtwidrigkeit des Vorstands letztlich kein Schaden entstanden sein.11) 7 Wirken Vorstand und Geschäftsgegner arglistig (kollusiv) zum Nachteil der Gesellschaft zusammen, ist das abgeschlossene Rechtsgeschäft nach h. M. gemäß § 138 BGB nichtig.12) Vorstand und Geschäftsgegner haften der Gesellschaft nach §§ 826, 840 BGB.13) b)
Rechtsgeschäfte mit nahestehenden Personen
8 Dritte, die aufgrund ihrer Stellung typischerweise Einblick in die Innenverhältnisse der Gesellschaft haben, genießen ebenfalls kein schutzwürdiges Vertrauen in die unbeschränkte Vertretungsmacht des Vorstandes.14) Insoweit bedarf es einer teleologischen Reduktion des § 82 Abs. 1.15) Dies gilt stets für Organpersonen (Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder) der Gesellschaft und zwar unabhängig davon, ob sie in dieser Funktion, als Vertreter eines Dritten oder als Privatperson handeln.16) Aktionäre sowie Unternehmensangehörige (Arbeiter und Angestellte) sind dagegen in der Regel mit etwaigen Beschränkungen der Vertretungsbefugnis des Vorstands nicht vertraut, so dass sich Vertreter dieser Personengruppen auf den Schutz des § 82 Abs. 1 berufen können, soweit kein Missbrauchsfall vorliegt (vgl. Rz. 6 f.). 9 Im Konzern ist darauf abzustellen, ob der Geschäftsgegner eine rechtlich abgesicherte Möglichkeit hat, Einsicht in die Gesellschaftsverhältnisse zu nehmen.17) Davon ist bei der Vertretung einer Tochtergesellschaft gegenüber ihrer Muttergesellschaft jedenfalls dann _____________ 8) BGH, Urt. v. 31.1.1991 – VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315, 320 = NJW 1991, 1812; BGH, Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, BGHZ 127, 239, 240 = ZIP 1994, 1843; Hüffer, AktG, § 82 Rz. 7; Mertens/ Cahn in: KölnKomm-AktG, § 82 Rz. 49; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 65; a. A. – analoge Anwendung der §§ 177 ff. BGB – OLG Zweibrücken, Urt. v. 13.3.2001 – 8 U 91/00, NZG 2001, 763 – zur GmbH; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 14; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 7. 9) BGH, Urt. v. 5.11.2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139, 140; BGH, Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, BGHZ 127, 239, 241 f. = ZIP 1994, 1843; Hüffer, AktG, § 82 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 6. 10) BGH, Beschl. v. 19.6.2006 – II ZR 337/05, ZIP 2006, 1391 – zur GmbH; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 6; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 14; a. A. – bewusste Benachteiligung erforderlich – Hüffer, AktG, § 82 Rz. 7 m. w. N. 11) BGH, Beschl. v. 19.6.2006 – II ZR 337/05, ZIP 2006, 1391; BGH, Urt. v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, ZIP 1984, 310; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 12; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 14; a. A. Spahn, AG 1988, 337, 340; Zacher, GmbHR 1994, 842 m. w. N. 12) BGH, Urt. v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1988, 26, 27; BGH, Urt. v. 5.11.2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139, 140; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 59; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 23 Rz. 19. 13) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 6. 14) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 50; Hölters-Weber, AktG, § 82 Rz. 11. 15) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 17; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 82 Rz. 13; Fleischer, NZG 2005, 529, 535. 16) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 8; Hölters-Weber, AktG, § 82 Rz. 12. 17) OLG Celle, Urt. v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, ZIP 2001, 613, 616; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 9; Schneider, BB 1986, 201, 204.
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Beschränkungen der Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis
§ 82
auszugehen, wenn letztere eine Beteiligung von (nahezu) 100 % hält.18) Bei Mehrheitsbeteiligungen mit einem geringeren Anteilsbesitz, im Verhältnis zur Schwestergesellschaft sowie erst recht bei der Vertretung der Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft sind die gesellschaftsrechtlichen Mittel zur Informationserlangung dagegen nicht durchgehend so ausgestaltet, dass eine kategorische Verweigerung des Vertrauensschutzes aus § 82 Abs. 1 gerechtfertigt wäre.19) In diesen Fällen bleibt es daher bei der individuell zu begründenden Missbrauchsschranke. III.
Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis (§ 82 Abs. 2)
1.
Allgemeines
Gemäß § 82 Abs. 2 sind die Vorstandsmitglieder verpflichtet, bestehende Schranken ihrer 10 Geschäftsführungsbefugnis zu beachten. Im Innenverhältnis sind die Vorstandsmitglieder also an einen Handlungsrahmen gebunden, dessen Überschreitung die Gesellschaft unter den weiteren Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 zu Schadensersatz berechtigt. Bestimmt wird die Geschäftsführungsbefugnis durch die Satzung, den Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnung, die dabei ihrerseits die durch die aktienrechtliche Kompetenzverteilung und den Grundsatz der Leitungssouveränität gezogenen Grenzen (siehe § 76 Rz. 1, 8 f.) beachten müssen.20) 2.
Beschränkungen durch die Satzung
Der Vorstand ist zunächst an den Gesellschaftszweck gebunden. Enthält die Satzung 11 keine abweichende Bestimmung, besteht dieser in der Erzielung einer dauerhaften Rentabilität (siehe § 76 Rz. 15).21) Darüber hinaus darf der Vorstand den Unternehmensgegenstand (§ 23 Abs. 3 Nr. 2) 12 weder über- noch unterschreiten.22) Dabei gilt der Grundsatz der Unternehmensidentität in der Unternehmensgruppe, so dass auch der mittelbare Betrieb gegenstandswidriger Geschäfte über Tochtergesellschaften unzulässig ist.23) Andererseits setzen die Verlagerung unternehmerischer Tätigkeiten auf Tochtergesellschaften sowie der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen eine entsprechende Satzungsermächtigung oder eine Satzungsänderung voraus.24) 3.
Beschränkungen durch den Aufsichtsrat
Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 haben Satzung oder Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte 13 Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Überwachungsfunktion stehen.25) Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, hat gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 auf Verlangen des Vorstands die Hauptversammlung zu entscheiden. Verhält sich der Aufsichtsrat in obstruktiver und unterneh_____________ 18) 19) 20) 21) 22) 23)
Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 23. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 21 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 55. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 26; Hüffer, AktG, § 82 Rz. 8. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 22; Hüffer, AktG, § 82 Rz. 9. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 28 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 82 Rz. 13. OLG Hamburg, Urt. v. 5.9.1980 – 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1006; Groß, AG 1994, 266, 268; Westermann, ZGR 1984, 352, 360 ff. 24) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 82 Rz. 25; Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 5; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 82 Rz. 39, Hölters-Weber, AktG, § 82 Rz. 18; a. A. – für den Fall der Ausgliederung – OLG Hamburg, Urt. v. 5.9.1980 – 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1006; Götz, AG 1984, 85, 89. 25) Fleischer, BB 2013, 835, 841; a. A. Thiessen, AG 2013, 573, 579.
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§ 83
Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen
mensschädigender Weise, kommt ausnahmsweise eine Notbefugnis des Vorstands zur Wahrnehmung des Unternehmensinteresses in Betracht, wenn die Ersatzzustimmung der Hauptversammlung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.26) 4.
Beschränkungen durch die Hauptversammlung
14 Weder die Hauptversammlung noch einzelne Aktionäre sind gegenüber dem Vorstand weisungsbefugt (siehe § 76 Rz. 8). Daher besteht in Geschäftsführungsangelegenheiten eine Pflicht zur Ausführung von durch die Hauptversammlung beschlossenen Maßnahmen nur dann, wenn der Vorstand nach § 119 Abs. 2 deren Entscheidung verlangt hat (siehe § 83 Rz. 2, 8). 5.
Beschränkungen durch die Geschäftsordnung
15 Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis können sich auch aus der durch den Vorstand selbst oder den Aufsichtsrat erlassenen Geschäftsordnung für den Vorstand ergeben (siehe § 77 Rz. 20 ff.); in aller Regel jedoch nicht aus der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats.27) Typischerweise enthält die Geschäftsordnung Regelungen zur Geschäfts- und Ressortverteilung (siehe § 77 Rz. 23). _____________ 26) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 82 Rz. 34; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 82 Rz. 41. 27) Habersack in: GroßKomm AktG, § 82 Rz. 29; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 82 Rz. 42.
§ 83 Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen (1) 1Der Vorstand ist auf Verlangen der Hauptversammlung verpflichtet, Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, vorzubereiten. 2Das gleiche gilt für die Vorbereitung und den Abschluß von Verträgen, die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden. 3Der Beschluß der Hauptversammlung bedarf der Mehrheiten, die für die Maßnahmen oder für die Zustimmung zu dem Vertrag erforderlich sind. (2) Der Vorstand ist verpflichtet, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. Literatur: Haertlein, Vorstandshaftung wegen (Nicht-)Ausführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses mit Dividendenausschüttung, ZHR 168 (2004), 437; Hommelhoff, Der aktienrechtliche Organstreit, ZHR 143 (1979), 288; Stodolkowitz, Gerichtliche Durchsetzung von Organpflichten in der Aktiengesellschaft, ZHR 154 (1990), 1; Werner, Ausgewählte Fragen zum Aktienrecht, AG 1972, 93.
Übersicht I. Übersicht ........................................... II. Vorbereitungspflicht (§ 83 Abs. 1) ....................................... 1. Maßnahmen der Hauptversammlung ...................................... 2. Zustimmungsbedürftige Verträge ....
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3. Verlangen der Hauptversammlung ....................................... 8 III. Ausführungspflicht (§ 83 Abs. 2) ....................................... 9 IV. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung ......................................... 11
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Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen I.
§ 83
Übersicht
Aufgrund ihrer strukturellen Organisationsschwäche ist die Hauptversammlung nicht in 1 der Lage, die praktischen Maßnahmen zur Vorbereitung und Ausführung von Beschlüssen, die sie in Wahrnehmung ihrer Kompetenzen fasst, zu ergreifen. Daher zieht § 83 hierfür den Vorstand heran. § 83 Abs. 1 verpflichtet den Vorstand, bestimmte Maßnahmen und Verträge vorzubereiten. § 83 Abs. 2 hält den Vorstand an, die von der Hauptversammlung i. R. ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. II.
Vorbereitungspflicht (§ 83 Abs. 1)
1.
Maßnahmen der Hauptversammlung
Der Vorstand ist zur Vorbereitung solcher Maßnahmen verpflichtet, die in den Zuständig- 2 keitsbereich der Hauptversammlung fallen. Dazu zählen –
die in § 119 Abs. 1 aufgeführten Beschlussgegenstände,
–
sonstige der Hauptversammlung gesetzlich zugewiesene Entscheidungen (vgl. §§ 103, 147, 173, 234 Abs. 2, 270 Abs. 2, 274, 319, 320 AktG, §§ 13, 65, 73 UmwG),
–
Maßnahmen, die der Hauptversammlung kraft ausdrücklicher Satzungsbestimmung übertragen werden sowie
–
Strukturmaßnahmen, für die nach der Holzmüller-/Gelatine-Rechtsprechung1) eine ungeschriebene Kompetenz der Hauptversammlung besteht.2)
In Geschäftsführungsangelegenheiten wird die Hauptversammlung nur auf Verlangen 3 des Vorstands zuständig (§ 119 Abs. 2). Keine Hauptversammlungszuständigkeit i. S. des § 83 Abs. 1 Satz 1 besteht für Maßnah- 4 men, für die die Zustimmung der Hauptversammlung nur geschäftsinterne Bedeutung hat, aber keine Voraussetzung für deren Wirksamkeit im Außenverhältnis darstellt (z. B. §§ 68 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 111 Abs. 4 Satz 3, 221 Abs. 1 bis 3).3) Eine Ausweitung der Vorbereitungspflicht auf Initiativrechte von Minderheiten (z. B. 5 Bestellung eines Sonderprüfers (§§ 142 Abs. 2 und 4, 258 Abs. 2 Satz 3) oder Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§§ 147, 309 Abs. 4 Satz 1)) wird von der h. M. abgelehnt, weil die Norm die effektive Wahrnehmung von Hauptversammlungskompetenzen bezwecke und nicht die Durchsetzung von Minderheitsverlangen gegen die Hauptversammlungsmehrheit.4) 2.
Zustimmungsbedürftige Verträge
Gemäß § 83 Abs. 1 Satz 2 ist der Vorstand auf Verlangen der Hauptversammlung zudem 6 zur Vorbereitung und zum Abschluss von Verträgen verpflichtet, die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden. Die Norm begründet also ein Initiativrecht der Hauptversammlung, dem der Vorstand selbst dann folgen muss, wenn er eine abweichende Auffassung vertritt.5) _____________ 1) 2) 3)
4) 5)
BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 (Holzmüller), BGHZ 83, 122 = ZIP 1982, 434; BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine I), BGHZ 159, 30 = ZIP 2004, 993. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 83 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 4. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 83 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 83 Rz. 2; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 83 Rz. 8; Werner, AG 1972, 93, 98; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 83 Rz. 4; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 5. Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 83 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 9; HöltersWeber, AktG, § 83 Rz. 7; a. A. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 83 Rz. 12. Hüffer, AktG, § 83 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 83 Rz. 9; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 78.
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§ 83
Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen
7 Die Vorbereitungspflicht umfasst Unternehmens- und Verschmelzungsverträge (§ 293 Abs. 1, §§ 13, 65, 73 UmwG), Nachgründungsverträge (§ 52), Gesamtvermögensgeschäfte (§ 179 a) sowie Verträge, durch die ein Verzicht auf oder ein Vergleich über Ersatzansprüche der Gesellschaft vereinbart wird (§§ 50, 53 Satz 1, 93 Abs. 4 Satz 3, 116, 117 Abs. 4, 309 Abs. 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4, 323 Abs. 1 Satz 2).6) 3.
Verlangen der Hauptversammlung
8 Die Vorbereitungspflicht des Vorstands setzt einen Weisungsbeschluss (Verlangen) der Hauptversammlung voraus, der gemäß § 83 Abs. 1 Satz 3 der für die jeweilige Maßnahme oder Vertragszustimmung erforderlichen Mehrheit bedarf. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass der Vorstand tätig werden muss, obwohl sich bereits abzeichnet, dass die erforderlichen Hauptversammlungsmehrheiten nicht zu erreichen sind.7) III.
Ausführungspflicht (§ 83 Abs. 2)
9 Der Vorstand ist gemäß § 83 Abs. 2 verpflichtet, die Maßnahmen auszuführen, die die Hauptversammlung i. R. ihrer Zuständigkeit beschlossen hat. Wie sich aus § 93 Abs. 4 Satz 1 sowie der Legalitätspflicht des Vorstands (siehe § 93 Rz. 8) ergibt, muss es sich um einen gesetzmäßigen Beschluss handeln.8) Dies hat der Vorstand zu prüfen und bei Feststellung einer Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit Anfechtungsklage zu erheben (§§ 243, 245 Nr. 4, 5), wenn der Gesellschaft durch die Beschlussausführung ein Schaden droht.9) Mit Heilung eines ursprünglich nichtigen Beschlusses (§ 242) oder Ablauf der Anfechtungsfrist (§ 246 Abs. 1) gilt der Beschluss als gesetzmäßig, so dass eine Ausführungspflicht besteht.10) Nur ausnahmsweise kann der Vorstand auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit die Ausführung verweigern, wenn er mit überzeugenden Gründen davon ausgehen muss, dass er anderenfalls nach § 93 Abs. 4 bzw. 5 wegen einer vorherigen pflichtwidrigen Unterlassung der Beschlussanfechtung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.11) Zudem hat er sich selbstverständlich an eine untersagende Gerichtsentscheidung zu halten.12) 10 Die Ausführung eines Beschlusses kann z. B. in dem Abschluss eines Vertrages oder der Eintragung einer Maßnahme ins Handelsregister bestehen.13) IV.
Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung
11 Verletzen Vorstandsmitglieder ihre Vorbereitungs- und Ausführungspflichten, kann die Gesellschaft Schadensersatz nach § 93 Abs. 2 verlangen. Zugleich wird regelmäßig ein wichtiger Grund zur Abberufung gemäß § 84 Abs. 3 und zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages vorliegen.14)
_____________ 6) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 83 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 6. 7) Reg. Begr in: Kropff, S. 104; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 83 Rz. 11. 8) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 83 Rz. 12; Heidel-Oltmanns, § 83 AktG Rz. 5; Haertlein, ZHR 168 (2004), 437, 445 ff. 9) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 12; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 83 Rz. 22. 10) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 83 Rz. 14, 16; Hölters-Weber, AktG, § 83 Rz. 8. 11) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 83 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 12. 12) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.2.2004 – 26 W 1/04, NZG 2004, 526 f.; Hüffer, AktG, § 83 Rz. 5. 13) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 83 Rz. 14; Hölters-Weber, AktG, § 83 Rz. 10. 14) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 83 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 13.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
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Die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112), kann darüber hinaus die Er- 12 füllung der Pflichten auf dem Klagewege durchsetzen.15) Zusätzlich zu oder anstatt eines Erfüllungsanspruchs der Gesellschaft wird ein Individualanspruch eines jeden Aktionärs aus seinen Mitgliedschaftsrechten gegen die Gesellschaft bejaht.16) _____________ 15) Heidel-Oltmanns, § 83 AktG Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 13; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 83 Rz. 25; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 81; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 309 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 9 f.; a. A. Bürgers/Körber-Bürgers/ Israel, AktG, § 83 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 83 Rz. 6; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 83 Rz. 12; mit Vorbehalten Habersack in: GroßKomm-AktG, § 83 Rz. 15. 16) Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 83 Rz. 6; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 83 Rz. 16; Hüffer, AktG, § 83 Rz. 6; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 83 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 83 Rz. 14.
§ 84 Bestellung und Abberufung des Vorstands (1) 1Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. 2Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. 3Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. 4Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluß vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. 5Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann jedoch vorsehen, daß er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt. (2) Werden mehrere Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellt, so kann der Aufsichtsrat ein Mitglied zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen. (3) 1Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. 2Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. 3 Dies gilt auch für den vom ersten Aufsichtsrat bestellten Vorstand. 4Der Widerruf ist wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. 5Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften. (4) Die Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. Mai 1951 (Bundesgesetzblatt I S. 347) – MontanMitbestimmungsgesetz – über die besonderen Mehrheitserfordernisse für einen Aufsichtsratsbeschluß über die Bestellung eines Arbeitsdirektors oder den Widerruf seiner Bestellung bleiben unberührt. Literatur: Arnold/Schansker, Die Zweiwochenfrist des § 626 II BGB bei der außerordentlichen Kündigung vertretungsberechtigter Organmitglieder, NZG 2013, 1172; Bauer, Rechtliche und taktische Probleme bei der Beendigung von Vorstandsverhältnissen, DB 1992, 1413; Bauer/ Arnold, Altersdiskriminierung von Organmitgliedern, ZIP 2012, 597; Bauer/Arnold, Vorstandsverträge im Kreuzfeuer der Kritik, DB 2006, 260; Bauer/Krets, Gesellschaftsrechtliche Sonderregeln bei der Beendigung von Vorstands- und Geschäftsführerverträgen, DB 2003, 811; Bauer/Göpfert/Krieger, Diskriminierungsrisiken bei Organmitgliedern, DB 2005, 595; Bauer/
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Krets, Gesellschaftsrechtliche Sonderregeln bei der Beendigung von Vorstands- und Geschäftsführerverträgen, DB 2003, 811; Bauer/Krieger, Formale Fehler bei Abberufung und Kündigung vertretungsberechtigter Organmitglieder, ZIP 2004, 1247; Baums, Geschäftsleitervertrag, 1987; Bezzenberger, Der Vorstandsvorsitzende der Aktiengesellschaft, ZGR 1996, 661; Bosse/Hinderer, Vorzeitige Wiederbestellung des Vorstands auf dem Prüfstand, NZG 2011, 605; Bürgers/ Theusinger, Die Zulässigkeit einvernehmlicher Aufhebung der Bestellung eines Vorstandsmitglieds bei gleichzeitiger Neubestellung, NZG 2012, 1218; Densch/Kahlo, Zur Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei fristloser Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung, DB 1983, 811; Fleck, Das Dienstverhältnis der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer in der Rechtsprechung des BGH, WM 1985, 677; Fleischer, Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern: Zulässige Gestaltungsmöglichkeit oder unzulässige Umgehung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG?, DB 2011, 861; Fleischer, Zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern auf Druck Dritter, DStR 2006, 1507; Fleischer, Zur Leitungsaufgabe des Vorstands im Aktienrecht, ZIP 2003, 1; Fonk, Rechtsfragen nach der Abberufung von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern, NZG 1998, 408; Forst, Rechtfertigen wertpapieraufsichtsrechtliche Maßnahmen zu Lasten von Vorstandsmitgliedern deren Abberufung oder die Kündigung des Anstellungsvertrags?, AG 2013, 277; Geßler/Hefermehl, Aktiengesetz, 1973 – 1994; Götz, Die vorzeitige Wiederwahl von Vorständen, AG 2002, 305; Grobys/Littger, Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied einer AG, BB 2002, 2292; Grunmann/Gillmann, Abberufung und Kündigung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, DB 2003, 770; Heidel, Ist die beabsichtigte Verkleinerung des Vorstands ein wichtiger Grund zur Abberufung seiner Mitglieder?, AG 2013, R 341; Hinderer, Vorzeitige Wiederbestellung des Vorstands auf dem Prüfstand, NZG 2011, 605; Hoffmann-Becking, Abfindungsleistungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder, ZIP 2007, 2101; Hoffmann-Becking, Zur rechtlichen Organisation der Zusammenarbeit im Vorstand der AG, ZGR 1998, 497; Hoffmann-Becking/Krieger, Leitfaden zur Anwendung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG Beil. Heft 26/2009, S. 1; Hohenstatt/Naber, Diskriminierungsschutz für Organmitglieder, Konsequenzen für die Vertragsgestaltung, ZIP 2012, 1989; Hohenstatt/Seibt/Wagner, Einbeziehung von Vorstandsmitgliedern in ergebnisabhängige Vergütungssysteme von Konzernobergesellschaften, ZIP 2008, 2289; Hölters/Weber, Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern, AG 2005, 629; Hübner, Interessenkollision und Vertretungsmacht, 1977; Hüffer, Aktienbezugsrechte als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern – gesellschaftsrechtliche Analyse, ZHR 161(1997), 214; Jaeger, Die Auswirkungen des VorstAG auf die Praxis von Aufhebungsvereinbarungen, NZA 2010, 128; Janzen, Vorzeitige Beendigung von Vorstandsamt und -vertrag, NZG 2003, 468; Jooß, Die Drittanstellung des Vorstandsmitglieds einer AG, NZG 2011, 1130; Junker, Auswirkungen der neueren EuGH-Rechtsprechung auf das deutsche Arbeitsrecht, NZA 2011, 950; Klöckner, Die Aktiengesellschaft in der Insolvenz – Bestellung und Abberufung des Vorstands, AG 2010, 780; Koch, Das Abmahnungserfordernis bei der außerordentlichen Kündigung von Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft, ZIP 2005, 1621; Kort, Sind GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder diskriminierungsrechtlich Arbeitnehmer?, NZG 2013, 601; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981; Lingemann/Weingarth, Zur Anwendung des AGG auf Organmitglieder, DB 2012, 2325; Lunk/Rodenbusch, Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff und seine Auswirkungen auf das deutsche Recht, GmbHR 2012, 188; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989; Mertens, Verfahrensfragen bei Personalentscheidungen des mitbestimmten Aufsichtsrats, ZGR 1983, 189; Mayer-Uellner, Zur Zulässigkeit finanzieller Leistungen Dritter an die Mitglieder des Vorstands, AG 2011, 193; Moll, Zur Insolvenzsicherung der Betriebsrenten von Gesellschafter-Geschäftsführern, ZIP 1980, 422; Mutter/Frick, Neues zur Drittanstellung von Vorständen, AG 2006, R 32; Paschos/von der Linden, Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern, AG, 2012, 736; Peltzer, Rechtsprobleme beim unfreiwilligen vorzeitigen Ausscheiden von Vorstandsmitgliedern von AG’s und Geschäftsführern von GmbH’s, BB 1976, 1249; Rehbinder, Rechtliche Schranken der Erstattung von Bußgeldern an Organmitglieder und Angestellte, ZHR 148 (1984), 555; Priester, Neufestsetzung der Amts-
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zeit von Vorstandsmitgliedern, ZIP 2012, 1781; Reiserer/Peters, Die anwaltliche Vertretung von Geschäftsführern und Vorständen bei Abberufung und Kündigung, DB 2008, 167; Säcker, Kompetenzstrukturen bei Bestellung und Anstellung von Mitgliedern des unternehmerischen Leitungsorgans, DB 1979, 1321; Scheffler, Beachtenswerte BGH- und OLG-Entscheidungen zur Aufsichtsratspraxis, AG 2012, R 324; Schick, Übernahme und Erstattung von Rechtsverteidigungs- und Verfahrenskosten durch eine Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Organmitglieder, ZWH 2012, 433; Schockenhoff/Topf, Formelle Wirksamkeitsanforderungen an die Abberufung eines Vorstandsmitglieds und die Kündigung seines Anstellungsvertrages, DB 2005, 539; Schumacher-Mohr, Fristprobleme bei der außerordentlichen Kündigung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, ZIP 2002, 2245; Schürnbrand, Zur fehlerhaften Berufung von Aufsichtsratsmitgliedern und zur fehlerhaften Abberufung von Vorstandsmitgliedern, NZG 2008, 609; Seibt, Deutscher Corporate Governance Kodex – Antwort auf Zweifelsfragen in der Praxis, AG 2003, 465; Selter, Neufestsetzung der Amtszeit von Vorstandsmitgliedern, NZG 2011, 897; Semler/v. Schenk (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl. 2009 (zit. ArbHdb. AR); Stein, Die neue Dogmatik der Wissensverantwortung bei der außerordentlichen Kündigung von Organmitgliedern der Kapitalgesellschaften – Besprechung der Entscheidung BGH ZIP 1998, S. 1269, ZGR 1999, 264; Strohn, Faktische Organe – Rechte, Pflichten, Haftung, DB 2011, 158; Thüsing, Geltung und Abdingbarkeit des BetrAVG für Vorstandsmitglieder einer AG, AG 2003, 484; Thüsing/ Stiebert, Altersgrenzen bei Organmitgliedern, NZG 2011, 641; Tschöpe/Wortmann, Der wichtige Grund bei Abberufungen und außerordentlichen Kündigungen von geschäftsführenden Organvertretern, NZG 2009, 161; Tschöpe/Wortmann, Abberufung und außerordentliche Kündigung von geschäftsführenden Organvertretern – Grundlagen und Verfahrensfragen, NZG 2009, 85; Ulmer, Stimmrechtsschranken für Aufsichtsratsmitglieder bei eigener Kandidatur zum Vorstand, NJW 1982, 2288; Weber/Dahlbender, Die Verlängerung von Anstellungsverträgen mit Vorständen, DB 1996, 2373; Werner, Ausgewählte Fragen zum Aktienrecht, AG 1990, 1; Wicke, Der CEO im Spannungsverhältnis zum Kollegialprinzip – Gestaltungsüberlegungen zur Leitungsstruktur einer Aktiengesellschaft, NJW 2007, 3755; Wiesner, Zum Beginn der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei Kenntniserlangung durch Organmitglieder, BB 1981, 1533; Wilhelm, Selbstwahl eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand, NJW 1983, 912; Willemer, Die Neubestellung von Vorstandsmitgliedern vor Ablauf der Amtsperiode, AG 1977, 130; Zimmermann, Aktienrechtliche Grenzen der Freistellung des Vorstands von kartellrechtlichen Bußgeldern, DB 2008, 687.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Bestellung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 Abs. 1) .................. 3 1. Allgemeines ........................................ 3 2. Zuständigkeit ...................................... 6 3. Verfahren ............................................ 7 4. Beschlussermessen ............................. 8 5. Amtszeit ............................................ 10 a) Dauer der Bestellung .................. 10 b) Wiederbestellung ........................ 11 6. Fehlerhafte Organstellung ............... 16 III. Anstellungsvertrag .......................... 17 1. Allgemeines ...................................... 17 2. Diskriminierungsschutz nach AGG .................................................. 18 3. Konzernanstellungsverträge ............ 19 4. Zuständigkeit .................................... 21 5. Dauer des Anstellungsvertrages ...... 22
6. Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsvertrag ........................... a) Bezüge ........................................ b) Sonstige Ansprüche ................... c) Pflichten der Vorstandsmitglieder .................................... IV. Vorsitzender des Vorstands (§ 84 Abs. 2) ..................................... 1. Ernennung und Widerruf ................ 2. Rechtsstellung .................................. V. Widerruf der Bestellung (§ 84 Abs. 3) ..................................... 1. Zuständigkeit und Verfahren ........... 2. Vorliegen eines wichtigen Grundes ............................................ a) Allgemeine Anforderungen an einen wichtigen Grund .............. b) Gesetzliche Beispielsfälle ...........
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23 24 28 31 33 33 34 37 38 40 41 44
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3. 4. 5.
6. I.
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aa) Grobe Pflichtverletzung ........... bb) Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung ...... cc) Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung ................... dd) Sonstige Gründe ........................ Widerrufswirkungen ........................ Rechtsschutz des Vorstandsmitglieds ........................................... Sonstige Beendigungsgründe .......... a) Amtsniederlegung ..................... b) Einvernehmliches Ausscheiden ...................................... Suspendierung ..................................
45 46 47 49 50 53 54 54 56 57
VI. Kündigung des Anstellungsvertrags ............................................. 58 1. Allgemeines ....................................... 58 2. Zuständigkeit und Verfahren ........... 59 3. Außerordentliche Kündigung durch die Gesellschaft ...................... 61 a) Zwingendes Recht ...................... 61 b) Vorliegen eines wichtigen Grundes ...................................... 62 c) Kündigungsfrist .......................... 64 d) Rechtsschutz .............................. 67 e) Nachschieben von Gründen ...... 68 VII. Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors in der Montanmitbestimmung (§ 84 Abs. 4) ......... 69
Überblick
1 § 84 weist dem Aufsichtsrat die alleinige Personalkompetenz in Vorstandsangelegenheiten zu. Eine davon abweichende Kompetenzregelung durch die Satzung ist gemäß § 23 Abs. 5 unzulässig.1) Nach § 84 Abs. 1 bestellt der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren, eine erneute Berufung ist allerdings zulässig. § 84 Abs. 2 räumt dem Aufsichtsrat die Möglichkeit ein, ein Vorstandsmitglied zum Vorsitzenden des Vorstands zu ernennen. Ein Widerruf der Bestellung ist nach § 84 Abs. 3 nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. § 84 Abs. 4 stellt klar, dass die Bestimmungen zu Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors in der Montan-Mitbestimmung unberührt bleiben. 2 Die Bestellung und deren Widerruf regeln die organschaftliche Beziehung des Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft. Daneben begründet der mit dem Vorstandsmitglied abzuschließende Anstellungsvertrag ein schuldrechtliches Verhältnis. Beide Ebenen sind streng voneinander zu unterscheiden (sog. Trennungstheorie).2) Das unterschiedliche rechtliche Schicksal von Anstellungsvertrag und Organstellung bringt das Gesetz in § 84 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5, Abs. 3 Satz 1 und Satz 5 zum Ausdruck. II.
Bestellung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 Abs. 1)
1.
Allgemeines
3 Die Bestellung ist ein mehraktiger Prozess, durch den Vorstandsmitglieder in ihr Amt eingesetzt werden und so die Rechtsstellung eines Organmitglieds mit allen Rechten und Pflichten erlangen.3) Erforderlich hierfür sind – – –
der durch den Aufsichtsrat gemäß § 108 zu fassende Bestellungsbeschluss, die Erklärung der Bestellung gegenüber dem künftigen Vorstandsmitglied und dessen Annahmeerklärung.4)
_____________ 1) 2)
3) 4)
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Hüffer, AktG, § 84 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 1. Ganz h. M.: BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190; BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, ZIP 2003, 28 – zur GmbH; RegE Begr.in: Kropff, S. 106; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 2; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 5; a. A. – i. S. der Einheitstheorie – Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 3 ff.; Bauer, DB 1992, 1413 f. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 9; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 13. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 6 – mit Übersicht zum Meinungsstand.
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Bestellungs- und Annahmeerklärung haben nach überwiegender Auffassung rechtsge- 4 schäftlichen Charakter5) und bedürfen daher gemäß § 130 BGB des Zugangs. Da sie nicht formbedürftig sind, können sie auch konkludent, etwa durch Aufnahme der Tätigkeit als Vorstandsmitglied, erfolgen.6) In der Praxis liegt die Einverständniserklärung des zukünftigen Vorstandsmitglieds zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat regelmäßig schon vor, so dass das Organverhältnis durch die Bestellungserklärung begründet wird. Auch die Bestellung für einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft oder eine aufschiebend bedingte Bestellung sind möglich.7) Von Letzterer wird häufig Gebrauch gemacht, wenn das Vorstandsmitglied einer anderen Gesellschaft verpflichtet werden soll, dieses aber vor dem Eintritt in Gespräche über eine Beendigung seiner aktuellen Tätigkeit Rechtssicherheit im Hinblick auf die neue Beschäftigung verlangt. Nach dem Rechtsgedanken des § 84 Abs. 1 Satz 3 darf der Zeitraum bis zum Eintritt der Bedingung bzw. dem vorbestimmten Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Bestellung nicht länger als ein Jahr betragen.8) Die Bestellung erfordert keine Zuweisung eines bestimmten Geschäftsbereichs. Eine Aus- 5 nahme gilt nur für mitbestimmte Gesellschaften bei der Bestellung des Arbeitsdirektors, der zwingend für den Kernbereich Arbeit und Soziales zuständig ist (§ 33 MitbestG, § 13 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG).9) 2.
Zuständigkeit
Der Aufsichtsrat beschließt über die Bestellung als Gesamtorgan; die Delegation an 6 einen Ausschuss ist gemäß § 107 Abs. 3 Satz 3 unzulässig.10) Allerdings kann dieser vorbereitend tätig werden.11) Eine Abweichung von der ausschließlichen Bestellungszuständigkeit des Aufsichtsrats ist weder durch Satzung noch Hauptversammlungsbeschluss möglich.12) Auch nach Insolvenzeröffnung bleibt der Aufsichtsrat zuständig.13) 3.
Verfahren
Die Beschlussfassung über die Bestellung hat gemäß § 108 zu erfolgen. Eine konkludente 7 Beschlussfassung, etwa indem der Aufsichtsrat die Vorstandstätigkeit duldet, ist nicht ausreichend.14) Der Beschlussgegenstand ist in der Einladung zur Aufsichtsratssitzung möglichst konkret unter Nennung der zu bestellenden Person zu beschreiben. Der bloße Verweis auf „Vorstandsangelegenheiten“ ist in der Regel nicht ausreichend.15) Der Beschluss _____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10)
11) 12) 13) 14) 15)
Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 22. Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 37; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 6. Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 17. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 3, Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 4. BGH, Urt. v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38, 42 = ZIP 1981, 45; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 7; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 8. Hierzu Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 6. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 12. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 5; Schmidt, AG 2011, 1 ff.; a. A. – Hauptversammlungszuständigkeit – Klöckner, AG 2010, 780. BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286 = NJW 1964, 1367; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 9; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 18. BGH, Urt. v. 29.5.2000 – II ZR 47/99, WM 2000, 1543, 1544; OLG Stuttgart, Urt. v. 15.4.1985 – 2 U 57/85, ZIP 1985, 539, 541; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 23; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 34; a. A. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 41; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 19; Marsch-Barner/Schäfer-Vetter, Hdb. börsennotierte AG, § 27 Rz. 35.
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§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
bedarf der einfachen Mehrheit;16) für mitbestimmte Gesellschaften ergeben sich besondere Anforderungen aus § 31 Abs. 2 bis 4 MitbestG. Die Festlegung qualifizierter Mehrheitserfordernisse per Satzung oder Aufsichtsratsbeschluss ist nichtig.17) Dagegen können Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrats eine besondere Form (z. B. notarielle Beurkundung) für das Beschlussverfahren vorschreiben, deren Einhaltung allerdings keine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt.18) Ein Aufsichtsratsmitglied, das zum Vorstandsmitglied bestellt werden soll, unterliegt nach inzwischen wohl h. M. einem aus dem Rechtsgedanken der §§ 34, 181 BGB hergeleiteten Stimmenthaltungsgebot (vgl. auch § 108 Rz. 11).19) 4.
Beschlussermessen
8 Der Aufsichtsrat ist bei seiner Entscheidung über die Bestellung eines Vorstandsmitglieds i. R. seines unternehmerischen Ermessens nach § 93 Abs. 1 Satz 2 frei.20) Dies schließt es aus, dass sich Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft oder Dritten verpflichten, eine bestimmte Person zum Vorstandsmitglied zu bestellen. Entsprechende Vereinbarungen sind – auch i. R. von Anstellungsverträgen mit Vorständen oder sonstigen Führungskräften – gemäß § 134 BGB nichtig.21) 9 Zu berücksichtigen haben die Aufsichtsratsmitglieder aber gesetzliche Eignungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe. Auch die Satzung kann persönliche und sachliche Voraussetzungen für eine Bestellung zum Vorstandsmitglied bestimmen, solange diese im Gesellschaftsinteresse liegen und das Auswahlermessen des Aufsichtsrats nach ihrer Art oder durch Kumulation von Kriterien nicht unverhältnismäßig einschränken (siehe § 76 Rz. 34).22) 5.
Amtszeit
a)
Dauer der Bestellung
10 Der Aufsichtsrat bestellt Vorstandsmitglieder gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 für höchstens fünf Jahre. Nach der Anregung in Ziff. 5.1.2 Abs. 2 DCGK sollte diese maximal mögliche Amtsdauer bei Erstbestellungen allerdings nicht die Regel sein.23) Eine Mindestdauer schreibt das Gesetz nicht vor. Um aber die notwendige Unabhängigkeit des Vorstands vom Aufsichtsrat zu gewährleisten, wird eine Bestellung für einen Zeitraum von weniger _____________ 16) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 33; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 19; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 19. 17) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 11; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 10. 18) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 19; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 23. 19) Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 84 Rz. 5; Henssler/Strohn-Dauner-Lieb, GesR, § 84 AktG Rz. 7; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 10; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 18; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 22; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 13; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 20; Ulmer, NJW 1982, 2288 ff.; wohl auch Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 11; a. A. mit Verweis auf fehlende gesetzl. Regelung: Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 288 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 343; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 230 ff.; Mertens, ZGR 1983, 189, 203 ff.; Wilhelm, NJW 1983, 912, 915. 20) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 5; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 7. 21) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 14. 22) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 126; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 26; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 108; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 7; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 5. 23) Hierzu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Ziff. 5.1.2 Rz. 947 ff.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
als einem Jahr allgemein als nicht sachgerecht angesehen.24) Etwas anderes kann gelten, wenn eine kurzfristige Vakanz im Vorstand überbrückt werden soll oder es um die Übertragung einer bestimmten, zeitlich befristeten Aufgabe geht.25) Ergibt sich aus dem Bestellungsbeschluss keine bestimmte Amtszeit, ist diese im Wege der Auslegung nach §§ 137, 155 BGB zu ermitteln; im Zweifel ist von einer Bestellung für fünf Jahre auszugehen.26) In der Satzung können keine bindenden Vorgaben für die Bestelldauer gemacht werden.27) b)
Wiederbestellung
Eine Wiederbestellung oder eine Verlängerung der Amtszeit ist nach § 84 Abs. 1 Satz 2 11 möglich, allerdings ebenfalls höchstens für jeweils fünf Jahre. Hierfür notwendig ist wiederum ein ausdrücklicher Aufsichtsratsbeschluss,28) der gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 frühestens ein Jahr vor Ablauf der Amtszeit gefasst werden kann. Ein vorheriger Beschluss ist nichtig.29) Nach wie vor umstritten ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine vor- 12 zeitige Wiederbestellung möglich ist. Dabei wird die Organstellung schon früher als ein Jahr vor ihrem Ablauf zunächst einvernehmlich aufgehoben, um anschließend eine Neubestellung für bis zu fünf Jahre vorzunehmen. Mit Urteil vom 17.7.2012 hat der BGH die Zulässigkeit dieser in der Praxis häufig anzutreffenden Vorgehensweise nunmehr im Grundsatz bestätigt.30) Er wandte sich damit nicht nur gegen das vorinstanzliche Urteil des OLG Zweibrücken31), sondern auch gegen die bisher h. L. Diese erkennt in der vorzeitigen Wiederbestellung eine Umgehung von § 84 Abs. 1 Satz 332) sowie vereinzelt auch eine unzulässige Möglichkeit des Aufsichtsrats, einen künftigen Aufsichtsrat für fünf Jahre an den Vorstand zu binden.33) Dem hält der BGH im Einklang mit der auch hier schon in der Vorauflage vertretenen Auffassung entgegen, dass die Neubestellung auf fünf Jahre nach einvernehmlicher Amtsniederlegung weder eine unzulässige Gesetzesumgehung darstelle, noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes widerspreche.34) Mit § 84 Abs. 1 Satz 3 solle lediglich sichergestellt werden, dass der Aufsichtsrat zumindest alle fünf Jahre einen Beschluss über die wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit der Vorstandsmitglieder fasst. Zugleich müsse verhindert werden, dass sich die Gesellschaft länger als fünf Jahre an ein Vorstandsmitglied bindet und so wirtschaftlich untragbare Belastungen _____________ 24) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.7.1972 – 8 U 74/73, AG 1973, 310, 311; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 37. 25) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 76 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 37. 26) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 13; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 63; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 14; Spindler in: MünchKommAktG, § 84 Rz. 38; Grunmann/Gillmann, DB 2003, 770. 27) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 64; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 17; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 38. 28) BGH, Urt. v. 13.6.1960 – II ZR 73/58, WM 1960, 803, 805; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 15; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 41; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 21. 29) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 16; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 42; Bauer/Arnold, DB 2006, 260. 30) BGH, Urt. v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, ZIP 2012, 1750. 31) OLG Zweibrücken, Urt. v. 3.2.2011 – 4 U 76/10, AG 2011, 304, 305 f. 32) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 114; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 18 ff.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 44; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 43; Götz, AG 2002, 305, 306. 33) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 23. 34) Ebenso Bosse/Hinderer, NZG 2011, 605, 607; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 16; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 26; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 32; Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 261; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 817; Hölters/Weber, AG 2005, 629, 631 ff.; Seibt, AG 2003, 465, 474; Werner, AG 1990, 1, 19; Willemer, AG 1977, 130, 132 f.
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§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
entstehen können.35) Beide Prämissen werden auch bei der vorzeitigen Wiederbestellung gewahrt. Darüber hinaus sei auch kein unzulässiger Eingriff in die Personalhoheit eines späteren Aufsichtsrats zu befürchten. Dieser habe den Vorstand nach geltendem Recht so zu akzeptieren, wie ihn der alte Aufsichtsrat bestellt hat.36) 13 Dem BGH ist auch darin beizupflichten, dass es für die vorzeitige Wiederbestellung keiner besonderen Gründe bedarf.37) Angesichts der höchstrichterlichen Klarstellung, dass es sich hierbei um eine der ratio legis in jeder Hinsicht entsprechende Gestaltungsmöglichkeit handelt, wäre dies eine überzogene Anforderung.38) Ungeachtet dessen wird angesichts der Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex in Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 2 eine vorzeitige Wiederbestellung nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ vorzunehmen, die Frage relevant bleiben, wann eine solche im Kodex vorausgesetzte Ausnahmesituation vorliegt.39) Richtigerweise ist auch insoweit die Hürde nicht zu hoch anzusetzen. Ausreichend ist das Vorliegen wichtiger Gründe des Gesellschaftswohls wie z. B. die Änderung der Geschäftsverteilung im Vorstand, die Ernennung eines Vorstandsmitglieds zum Vorstandsvorsitzenden oder die drohende Abwerbung durch einen Dritten.40) 14 Trotz der vom BGH im Grundsatz bejahten Zulässigkeit einer vorzeitigen Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern kann die Nutzung dieser Option im Einzelfall missbräuchlich sein, so dass der gefasste Beschluss nichtig ist.41) An die Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen, um den nunmehr höchstrichterlich bekräftigten Handlungsspielraum nicht wieder durch die Hintertür einzuschränken. In Betracht kommen vor allem Fälle des kollusiven Zusammenwirkens von Vorstand und Aufsichtsrat zum Schaden der Gesellschaft, etwa wenn die vorzeitige Wiederbestellung allein dazu dient, spätere Abfindungsansprüche des Vorstandsmitglieds bei seinem Ausscheiden sicherzustellen.42) 15 Eine automatische Verlängerung der Amtszeit ist nur zulässig, wenn diese nicht zu einer Überschreitung des Fünf-Jahres-Zeitraums führt.43) Denkbar ist demnach z. B. eine Regelung, nach der die zunächst auf zwei Jahre angelegte Amtszeit ohne erneuten Beschluss als um weitere drei Jahre verlängert gilt, wenn der Aufsichtsrat nicht vor Ablauf der ersten Frist widerspricht.44) Auch die Zusage des Aufsichtsrats an ein Vorstandsmitglied, dieses erneut zu bestellen, ist nur i. R. der Fünf-Jahres-Frist zulässig.45) Die Duldung der nach Ablauf der Bestellung fortgesetzten Tätigkeit des Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft führt nicht zu einer Verlängerung der Amtszeit.46) Eine analoge Anwendung des § 625 _____________ 35) 36) 37) 38)
39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46)
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BGH, Urt. v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, ZIP 2012, 1750, 1752 f. BGH, Urt. v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, ZIP 2012, 1750, 1753. BGH, Urt. v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, ZIP 2012, 1750, 1752. Vgl. auch Geßler/Hefermehl-Hefermehl, AktG, § 84 Rz. 28; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 16; Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 261; Bürgers/Theusinger, NZG 2012, 1218, 1221; a. A. Henssler/StrohnDauner/Lieb, GesR, § 84 AktG Rz. 11; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 7; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 358; Priester, ZIP 2012, 1781, 1784 f. Hierzu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Ziff. 5.1.2 Rz. 950 ff. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 44; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 19; Paschos/ von der Linden, AG 2012, 736, 740. BGH, Urt. v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, ZIP 2012, 1750, 1753; Fleischer, DB 2011, 861, 864. Fleischer, DB 2011, 861, 864; Hölters/Weber, AG 2005, 629, 631; Paschos/von der Linden, AG 2012, 736, 739; enger wohl Selter, NZG 2011, 897, 898. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 17; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 39. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 6; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 33. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 17; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 45; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 33. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 41.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
BGB kommt nicht in Betracht, da sie im Widerspruch zum Erfordernis einer ausdrücklichen Neubestellung stünde.47) 6.
Fehlerhafte Organstellung
Leidet die Bestellung an einem Wirksamkeitsmangel (z. B. bei Beschlussfassung durch einen 16 Ausschuss und nicht durch den Gesamtaufsichtsrat,48) Beschlussfehler,49) Fehlen der gesetzlichen Eignungsvoraussetzungen50)) und wird das so fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied trotzdem für die Gesellschaft tätig oder setzt seine Tätigkeit nach Ablauf der Amtszeit mit Billigung des Aufsichtsrats fort,51) ist das Organverhältnis bis zur Geltendmachung des Mangels als wirksam anzusehen.52) Nach dieser „Lehre von der fehlerhaften Organstellung“ hat das fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied die gleichen Rechte und Pflichten wie die eines fehlerfrei bestellten;53) auch seine Handlungen sind im Innen- und Außenverhältnis in gleicher Weise zu beurteilen.54) Eine Ausnahme gilt nur für die kraft Gesetzes nicht vorstandsfähigen Personen (vgl. § 76 Rz. 31 ff.).55) Die Beendigung der fehlerhaften Organstellung muss durch einen formalen Beendigungstatbestand (z. B. Widerruf der Bestellung, Amtsniederlegung) erfolgen.56) Der Widerruf bedarf eines Beschlusses des Gesamtaufsichtsrats.57) Allerdings ist die Befolgung des für mitbestimmte Gesellschaften in § 31 MitbestG vorgesehenen Verfahrens nicht notwendig.58) III.
Anstellungsvertrag
1.
Allgemeines
Der Anstellungsvertrag regelt die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Vorstands- 17 mitglied und Gesellschaft. Dabei handelt es sich um einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, so dass die §§ 611 ff., 675 BGB Anwendung finden.59) Wird das Vorstandmitglied unentgeltlich tätig, liegt ein Auftragsverhältnis nach §§ 662 ff. BGB vor.60) Das Vertragsverhältnis kommt nach allgemeinen Grundsätzen _____________ 47) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 69; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 22; offen Spindler/StilzFleischer, AktG, § 84 Rz. 15; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 42. 48) BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285 = NJW 1964, 1367. 49) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 80; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 29; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 34; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 46. 50) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 20; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 34. 51) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 10; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 81, 84; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 33. 52) BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286 ff. = NJW 1964, 1367; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 10; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 30; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 35; Strohn, DB 2011, 158 ff. 53) BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 287 = NJW 1964, 1367; BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 343 = NJW 1967, 739; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 93; HöltersWeber, AktG, § 84 Rz. 30. 54) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 93; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 35. 55) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 20; Mertens/Cahn in: KölnKomm AktG, § 84 Rz. 31; FleischerThüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 47; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 36. 56) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 97; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 31; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 36. 57) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 21; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 233; FleischerThüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 48. 58) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 21; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 32; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 233. 59) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 50; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 34. 60) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 24; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 53; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 1.
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§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
zustande, so dass gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB insbesondere auch der Zugang der Annahmeerklärung des Vorstandsmitglieds beim Aufsichtsrat erforderlich ist.61) Die Schriftform ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (anders bei Banken und Versicherungen, vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 InstitutsVergV und § 3 Abs. 3 Satz 2 VersVergV), aus Beweisgründen aber gängige Praxis.62) 2.
Diskriminierungsschutz nach AGG
18 Durch den Anstellungsvertrag werden die Vorstandsmitglieder weder Arbeitnehmer noch Handlungsbevollmächtigte (§ 59 HGB).63) Vielmehr üben sie aufgrund ihrer Organstellung die Arbeitgeberfunktion aus.64) Allerdings gelten nach § 6 Abs. 3 AGG die Benachteiligungsverbote des AGG für Vorstandsmitglieder entsprechend, soweit der „Zugang zur Erwerbstätigkeit“ sowie der „berufliche Aufstieg“ betroffen sind. Der BGH hat das AGG nun mit seiner Entscheidung vom 23.4.2012 erstmals auf Organmitglieder (hier einen Geschäftsführer) angewandt.65) Die Entscheidung erging auf die Klage eines 62 Jahre alten Geschäftsführers, dessen Angebot zur Verlängerung seines befristeten Dienstvertrages vom Aufsichtsrat unter Thematisierung der angestrebten Einhaltung einer Altersbegrenzung von 65 Jahren in städtischen Betrieben abgelehnt worden war. Nach Auffassung des Gerichts ging es auch bei der begehrten Folgeanstellung des Organmitglieds um den „Zugang“ zu einer Erwerbstätigkeit, so dass der Diskriminierungsschutz des AGG zu berücksichtigen war.66) Nicht beantwortet hat der BGH die Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des AGG, das die europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien67) umsetzt, zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 AGG auf den GmbH-Geschäftsführer führt. Davon ist aufgrund des durch den EuGH in seiner Danosa-Entscheidung68) geprägten weiten unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs zumindest für Fremdgeschäftsführer auszugehen.69) Etwas anderes gilt – unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung an der Gesellschaft – für Vorstandsmitglieder, da diese die AG weisungsfrei unter eigener Verantwortung leiten (§ 76 Abs. 1) und nur aus wichtigem Grund abberufen werden können (§ 84 Abs. 3).70) 3.
Konzernanstellungsverträge
19 In Konzernen ist die Begründung von Organ- und Anstellungsverhältnis (sog. KonzernAnstellungsvertrag) mit unterschiedlichen juristischen Personen („Drittanstellung“) eine nicht selten anzutreffende Praxis.71) In diesem Fall wird der Anstellungsvertrag nicht mit der Bestellungsgesellschaft, sondern mit der konzernverbundenen Gesellschaft abgeschlossen. Eine starke Minderansicht lehnt eine solche Gestaltung ab, weil die schuldrechtliche Verpflichtung aus der Drittanstellung nicht mit der Pflicht zur eigenverantwortlichen
_____________ 61) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 23; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 50. 62) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 38; weitergehend – „Ausdruck pflichtgemäßen Aufsichtsratshandelns i. S. von § 116“ – K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 27. 63) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 25; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 11. 64) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 51; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 35. 65) BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, ZIP 2012, 1291. 66) BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, ZIP 2012, 1291, 1292. 67) 2006/54/EG; 200/43/EG; 2000/78/EG. 68) EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, ZIP 2010, 2414 = NZA 2011, 143. 69) So auch Junker, NZA 2011, 950, 951; Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 f.; Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188, 192 f.; einschränkend Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597 f. 70) Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597, 599; Kort, NZG 2013, 601, 605 ff. 71) Hierzu ausführlich Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 2 ff.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
Leitung als Vorstand aus § 76 Abs. 1 zu vereinbaren sei.72) Die wohl h. L. hält eine Drittanstellung dagegen im Grundsatz zumindest dann für zulässig, wenn die Drittgesellschaft anerkennt, dass der Anstellungsvertrag gegenüber der Leitungsverantwortung als Vorstandsmitglied zurücktritt und der Aufsichtsrat der Bestellungsgesellschaft dem Drittanstellungsvertrag zustimmt.73) Der letztgenannten Auffassung ist beizupflichten. Das gilt umso mehr, wenn zwischen 20 den Gesellschaften ein Beherrschungsvertrag besteht oder eine Eingliederung vorliegt, weil dann die Unternehmensleitungspflicht aus § 76 Abs. 1 durch die §§ 308 Abs. 2, 323 Abs. 1 überlagert wird.74) Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex setzt die Existenz solcher Konstellationen in Ziff. 4.2.3 Abs. 1 DCGK („Leistungen von Dritten, die im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit zugesagt … wurden.“) und Ziff. 4.2.2 Abs. 2 („unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen“) voraus.75) Ist die Zulässigkeit einer Drittanstellung demnach grundsätzlich zu bejahen, kann diese Konstellation in der Praxis dennoch zu erheblichen Schwierigkeiten führen, wenn z. B. die Bestellungsgesellschaft aus dem Konzernverbund ausscheidet oder der Anstellungsvertrag gekündigt, die Bestellung aber nicht widerrufen wird. Vor diesem Hintergrund ist ein zurückhaltender Umgang mit Drittanstellungen anzuraten.76) Das Bedürfnis der Praxis, Mitarbeiter bei Übernahme von Tätigkeiten in abhängigen Konzerngesellschaften abzusichern, kann auch anders, etwa durch Ausspruch einer Arbeitsplatzgarantie, einem konzernweiten Ruhegeld oder einer Garantie hinsichtlich der von der Tochtergesellschaft zu erbringenden Leistungen erreicht werden.77) 4.
Zuständigkeit
Die Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Anstellungsvertrages einschließlich 21 etwaiger Nebenabreden (z. B. Gewährung von Stock Options)78) liegt gemäß § 84 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 ausschließlich beim Aufsichtsrat.79) Der Aufsichtsrat entscheidet gemäß § 108 durch Beschluss.80) Die Delegation an einen Ausschuss kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, da § 107 Abs. 3 Satz 3 für die Festsetzung der Vergütung einen Entscheidungsvorbehalt des Plenums vorsieht und Vergütungsfragen in der Regel nicht sinnvoll vom restlichen Inhalt des Vertrages zu trennen sind.81) Der Ausschuss kann aber – soweit er die Bestellung durch den Gesamtaufsichtsrat nicht präjudiziert- über den Anstellungsvertrag vorbehaltlich der Vergütungsentscheidungen nach § 87 Abs. 1 und _____________ 72) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 56; Raiser/Veil, § 14 Rz. 47; Spindler in: MünchKommAktG, § 84 Rz. 66; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 41; wohl auch Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 265. 73) Krieger, Personalentscheidungen des AR, S. 186 f.; Marsch-Barner/Schäfer-Mutter, Hdb. börsennotierte AG, § 19 Rz. 79; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 26; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 3; Hohenstatt/Seibt/Wagner, ZIP 2008, 2289, 2293; Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 84 Rz. 20; wohl auch Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 39. 74) So auch K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 26; die Zulässigkeit nur für diese Konstellation bejahend Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 329. 75) Vgl. auch Mutter/Frick, AG 2006, R 32 mit Hinweis auf § 285 Satz 1 Nr. 9a Satz 8 HGB („Leistungen, die … von einem Dritten … zugesagt … worden sind“); Mayer-Uellner, AG 2011, 193, 195 mit zutreffendem Einwand, dass auch unzulässig gewährte Leistungen offenzulegen sind. 76) So auch Hüffer, AktG, § 84 Rz. 14; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 4; weitergehend Grigoleit-Vedder, AktG, § 84 Rz. 21 („abzuraten“). 77) Vgl. Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 3. 78) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 63; Hüffer, ZHR 161(1997), 214, 232 ff. 79) BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285 = NJW 1964, 1367; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 32; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 48; Spindler in: MünchKomm AktG, § 84 Rz. 59. 80) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 25. 81) Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 34; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 25.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
Abs. 2 Sätze 2 und 3 entschließen.82) Die rechtsgeschäftliche Umsetzung des Beschlusses kann von einem hierzu bevollmächtigten Aufsichtsratsmitglied (in der Praxis häufig dem Vorsitzenden) vorgenommen werden.83) 5.
Dauer des Anstellungsvertrages
22 Die Dauer von Bestellung und Anstellungsvertrag müssen nicht zwingend gleich bemessen sein.84) Wie die Bestellung ist aber auch der Anstellungsvertrag auf eine Höchstdauer von fünf Jahren begrenzt (§ 84 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 1). Wird eine längere Laufzeit vorgesehen oder eine Geltung auf unbestimmte Zeit vereinbart, endet der Vertrag mit Ablauf der gesetzlichen Fünf-Jahres-Frist.85) Zulässig ist aber eine Verlängerungsklausel, durch die sich der Anstellungsvertrag jeweils um die Dauer einer Wiederbestellung verlängert.86) Das gleiche gilt für eine sog. Koppelungs- oder Gleichlaufklausel, nach der der Anstellungsvertrag mit der Bestellung wirksam und/oder mit dem Widerruf der Bestellung enden soll.87) Da die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 aber an strengere Voraussetzungen geknüpft ist als eine Abberufung aus wichtigem Grund nach § 84 Abs 3 Satz 1, tritt die Beendigung des Vertrages in diesem Fall erst mit Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist des § 622 Abs. 1 und 2 BGB ein.88) Eine Fortsetzungsklausel, nach der sich der Vertrag automatisch verlängert, wenn er nicht mit einer bestimmten Frist gekündigt wird, ist jedenfalls dann unwirksam, wenn das Vorstandsmitglied seine Bezüge über die gesetzliche Fünf-Jahres-Frist hinaus behalten soll, ohne dass der Aufsichtsrat hierüber einen erneuten ausdrücklichen Beschluss fasst.89) Fehlt eine wirksame Klausel, aus der sich die Fortführung des Anstellungsvertrages ergibt, ist für dessen Fortbestand ein Aufsichtsratsbeschluss erforderlich, der gemäß § 84 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 frühestens ein Jahr vor Ablauf des Vertrages gefasst werden darf. In dem Beschluss über eine Wiederbestellung liegt nur bei Vorliegen besonderer Umstände zugleich eine stillschweigende Verlängerung des Anstellungsvertrages.90) Die Anwendbarkeit des § 625 BGB ist durch die Sonderregelung des § 84 Abs. 1 ausgeschlossen.91) Enthält der Anstellungsvertrag keine Regelung zur Laufzeit, ist diese durch Auslegung zu ermitteln. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass ein Gleichlauf von Bestellung und Anstellungsvertrag gewollt ist.92) _____________ 82) Hierzu Hüffer, AktG, § 84 Rz. 12. 83) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 25; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 62; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 39. 84) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 67; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 20. 85) BAG, Urt. v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, ZIP 2009, 2073, 2074; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 15; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 20. 86) BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 194; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 15; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 53; Weber/Dahlbender, DB 1996, 2373 f. 87) BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, ZIP 1999, 1669, 1670 f. – zur GmbH; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 53; Spindler in: MünchKommAktG, § 84 Rz. 69; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 23; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 772. 88) BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1192; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 183; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 23. 89) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 42; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 23; weitergehend – grundsätzlich unwirksam – Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 43. 90) Vgl. BGH, Urt. v. 12.5.1997 – II ZR 50/96, ZIP 1997, 1106, 1108; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 20. 91) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 17; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 53; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 28; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 42; a. A. – Anwendbarkeit des § 625 BGB für die Dauer der Wiederbestellung – Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 20. 92) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 40; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 332; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 68; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 43.
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Jan Eckert
Bestellung und Abberufung des Vorstands 6.
§ 84
Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsvertrag
Ein Teil der bereits durch die Bestellung für die Vorstandsmitglieder begründeten organ- 23 schaftlichen Rechte und Pflichten wird durch Abschluss des Anstellungsvertrags zugleich zum Gegenstand einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft. Der Anstellungsvertrag kann zudem Ergänzungen und Konkretisierungen vorsehen. a)
Bezüge
Zum Kernbereich des Anstellungsvertrages gehört die Regelung der Gesamt- und Ver- 24 sorgungsbezüge der Vorstandsmitglieder. Der auch für diesen Bereich geltende Grundsatz der Vertragsfreiheit wird durch § 87 Abs. 1 durchbrochen, der zur Etablierung einer Obergrenze bestimmt, dass die Bezüge angemessen sein müssen, die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen dürfen und bei börsennotierten Gesellschaften strukturell auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten sind. Zwar sind auch darüber hinaus gehende Ansprüche bis zur Grenze des § 138 BGB wirksam. Jedoch macht sich der Aufsichtsrat insoweit schadensersatzpflichtig nach § 116 Satz 3. Gibt es ausnahmsweise keine ausdrückliche Vereinbarung über die Bezüge, so ist regel- 25 mäßig von einem Anspruch des Vorstandsmitglieds auf eine übliche Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB auszugehen.93) Etwas anderes gilt für Versorgungsansprüche (Ruhegeld, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art). Diese müssen ausdrücklich vereinbart werden; eine formlose Einigung ist ausreichend.94) Dagegen ergibt sich grundsätzlich kein Anspruch auf Versorgungsbezüge aus der allgemeinen Fürsorge- und Treuepflicht der Gesellschaft, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die nach Treu und Glauben zu einer Anspruchsbegründung führen.95) Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG finden die §§ 1 bis 16 BetrVAG nach h. M. Anwendung auf Ruhegeldvereinbarungen mit Vorstandsmitgliedern, wenn diese alleine oder zusammen über keine anteilsmäßig bedingte oder sonstwie institutionell verfestigte Mehrheitsmacht verfügen, also keine unternehmerähnlichen Personen sind.96) Im Falle von Leistungsstörungen sind die für gegenseitige Verträge geltenden Regeln nur 26 eingeschränkt anwendbar.97) So verliert ein Vorstandsmitglied zwar gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich seinen Gehaltsanspruch, wenn ihm die Erfüllung seiner Tätigkeitspflicht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich wird. Dies gilt aber gemäß § 615 Satz 3 BGB i. V. m. § 615 Satz 1 BGB nicht, wenn die Unmöglichkeit auf Gründen beruht, die in das Betriebsrisiko der Gesellschaft fallen.98) Realisiert sich dagegen ein in der Sphäre des Vorstandsmitglieds liegendes Risiko, behält es seinen Vergü_____________ 93) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 29; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 1; verneinend für Hauptgesellschafter: OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 213, Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 76. 94) BGH, Urt. v. 20.12.1993 – II ZR 217/92, ZIP 1994, 206, 207 – zur GmbH; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 31; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 198 f.; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 46. 95) BGH, Urt. v. 23.9.1968 – II ZR 94/67, BGHZ 50, 378, 380 = WM 1968, 1226; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 50; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 31; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 198; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 46. 96) BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 381/98, ZIP 2000, 1452, 1454, dazu EWIR 2001, 559 (Zimmermann); BGH, Urt. v. 15.7.2002 – II ZR 192/00, ZIP 2002, 1701, 1702; BGH, Urt. v. 25.7.2005 – II ZR 237/03, WM 2005, 1754, 1756; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 68 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 31; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 47; Moll, ZIP 1980, 422, 423 ff.; krit. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 206 f.; Thüsing, AG 2003, 484 ff. 97) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 79. 98) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 46; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 417; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 30; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 47.
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§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
tungsanspruch gemäß § 616 BGB nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach EFZG haben Vorstandsmitglieder nicht.99) Eine entsprechende Regelung im Anstellungsvertrag ist daher dringend zu empfehlen. Kann das (angehende) Vorstandsmitglied seine Tätigkeit aus von der Gesellschaft zu vertretenden Gründen nicht ausüben, behält es gemäß §§ 615 Satz 1, 326 Abs. 2 Satz 1 BGB seinen Vergütungsanspruch.100) Es muss sich nach §§ 615 Satz 2, 326 Abs. 2 Satz 2 BGB allerdings den Wert desjenigen anrechnen lassen, was es infolge der nicht erbrachten Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.101) Um die Gesellschaft bei einer unberechtigten Kündigung oder Freistellung in Verzug zu setzen, reicht ein deutlicher Widerspruch des Vorstandsmitglieds; eines ausdrücklichen Angebotes der Dienste nach §§ 294, 295 BGB bedarf es nicht.102) 27 Vorstandsmitgliedern steht ein Lohnpfändungsschutz nach §§ 850 ff. ZPO zu.103) Die Verjährung der Vergütungsansprüche tritt nach §§ 195, 199 BGB drei Jahre nach Kenntnis bzw. Kennenmüssen der anspruchsbegründenden Umstände ein.104) b)
Sonstige Ansprüche
28 Urlaubsansprüche der Vorstandsmitglieder richten sich nach dem Anstellungsvertrag. Das BUrlG findet keine Anwendung.105) Gibt es im Anstellungsvertrag keine einschlägigen Regelungen, ergibt sich der Anspruch auf Gewährung von Urlaub unter Fortzahlung der Bezüge aus der dienstvertraglichen Fürsorgepflicht der Gesellschaft.106) 29 Nach den allgemeinen Regeln aus §§ 675 Abs. 1, 670, 669 BGB können Vorstandsmitglieder Auslagenersatz verlangen.107) Zu den ersatzpflichtigen Kosten gehören auch die Kosten eines Rechtsstreits, soweit dieser im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit steht und das streitgegenständliche Verhalten des Vorstandsmitglieds nicht zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft darstellt.108) Gemäß § 669 BGB kann das betroffene Vorstandsmitglied im laufenden Verfahren auch einen Kostenvorschuss beanspruchen.109) Allerdings muss die Vorschussleistung unter Rückforderungsvorbehalt für den Fall gestellt werden, dass die Ermittlung eine Pflichtenverletzung des Organmitglieds _____________ 99) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 30; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 47; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 78; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 47. 100) BGH, Urt. v. 28.10.1996 – II ZR 14/96, NJW-RR 1997, 537, 538; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 46; Fonk, NZG 1998, 408. 101) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 46; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 38; Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2102. 102) BGH, Urt. v. 8.12.1977 – II ZR 219/75, AG 1978, 162, 164; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 80; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 38; a. A. wohl OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.4.1984 – 8 U 102/83, ZIP 1984, 705, 706 – wörtliches Angebot nach § 295 BGB erforderlich. 103) BGH, Urt. v. 8.12.1977 – II ZR 219/75, AG 1978, 162, 164; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 18; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 38; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 32. 104) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 83; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 36. 105) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 62; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 85; FleischerThüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 76. 106) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 421; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 33; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 49. 107) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 64; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 34; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 50 . 108) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 70; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 63; Schick, ZWH 2012, 433, 434 ff. 109) BGH, Urt. v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, BGHSt 37, 226, 227 = NJW 1991, 990, 991; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 89 ff.; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 63.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
ergibt.110) Bei Verhängung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage ist das Vorstandsmitglied grundsätzlich selbst einstandspflichtig, weil die Gesetzesverletzung zugleich eine Verletzung der organschaftlichen Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft darstellt.111) Eine freiwillige Erstattung der Gesellschaft kommt somit nur in den Grenzen des § 93 Abs. 2 und 4 in Betracht.112) Entgegenstehende Freistellungszusagen sind nichtig.113) Der Anspruch der Vorstandsmitglieder auf Erteilung eines Zeugnisses durch den Auf- 30 sichtsrat (§ 112) ergibt sich aus § 630 BGB.114) c)
Pflichten der Vorstandsmitglieder
Der von den Vorstandsmitgliedern zu erfüllende Pflichtenkanon ergibt sich weitgehend 31 aus dem Gesetz und entsteht mit Begründung der organschaftlichen Stellung.115) Hierzu gehört in erster Linie die Pflicht zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft aus § 76. Dazu kommen die Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 sowie als Ausprägung der organschaftlichen Treuepflicht das Wettbewerbsverbot aus § 88 und die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3. Diese Pflichten bekommen mit Abschluss des Anstellungsvertrages zugleich einen vertraglichen Charakter.116) Ergänzend werden regelmäßig weitere Pflichten statuiert, so z. B. ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, eine Residenzpflicht, Nebentätigkeitsverbote, die Pflicht zur Übernahme bestimmter Aufgaben oder Ämter neben der Vorstandstätigkeit, das Verbot zur Vornahme von Börsen- oder Spekulationsgeschäften u. Ä.117) Auch die Pflicht zur Einhaltung von Gesetz, Satzung, Geschäftsordnung und ggf. unternehmensinterner Corporate Governance- und Compliancekodizes sowie die Umsetzung der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in seiner jeweils geltenden Fassung werden den Vorstandsmitgliedern häufig ausdrücklich auferlegt.118) Bei der Erfüllung ihrer Pflichten haben sich die Vorstandsmitglieder am Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1) messen zu lassen. Bei Ausscheiden aus der Gesellschaft trifft die Vorstandsmitglieder eine umfassende 32 Rechenschafts- und Auskunftspflicht; des Weiteren sind sie zur Herausgabe dessen
_____________ 110) Schick, ZWH 2012, 433, 438 f. 111) Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 67 f.; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 89 ff.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 34; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 51; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 63. 112) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 34; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 86 f.; Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555, 570 ff. 113) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 16a – arg. § 93 Abs. 4 Satz 3; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 72 (nichtig nach §§ 134, 138); Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 87; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 51; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 63; Zimmermann, DB 2008, 687, 690. 114) BGH, Urt. v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, BGHZ 49, 30 = NJW 1968, 396 – zum GmbH-Geschäftsführer; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 17; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 34; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 91; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 65; Peltzer, BB 1976, 1249, 1252. 115) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 75; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 35; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 53; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 66. 116) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 93; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 53; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 66. 117) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 36; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 94; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 66. 118) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 75; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 36; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 53.
Jan Eckert
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§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
verpflichtet, was sie aus ihrer Tätigkeit erlangt haben (§§ 675, 666, 667 BGB).119) Ein Zurückbehaltungsrecht steht ihnen insoweit nicht zu.120) IV.
Vorsitzender des Vorstands (§ 84 Abs. 2)
1.
Ernennung und Widerruf
33 § 84 Abs. 2 eröffnet dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, ein Mitglied eines mehrköpfigen Vorstands zu dessen Vorsitzenden zu ernennen. Möglich ist auch eine Doppelbesetzung.121) Nach § 107 Abs. 3 Satz 2 ist der Gesamtaufsichtsrat ausschließlich zuständig. Dieser entscheidet auch bei mitbestimmten Gesellschaften mit einfacher Mehrheit, wie sich aus § 29 MitbestG ergibt.122) Eine Verpflichtung zur Ernennung besteht nicht, wohl aber eine entsprechende Empfehlung in Ziff. 4.2.1 DCGK für börsennotierte Gesellschaften. Der Vorstandsvorsitzende ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 auf Geschäftsbriefen und gemäß § 285 Nr. 10 Satz 2 HGB im Anhang zu bezeichnen. Eine Pflicht zur Anmeldung beim Handelsregister besteht nicht,123) allerdings ist die Eintragung nach § 43 Nr. 4 HRV registerrechtlich zulässig.124) Obwohl gesetzlich nicht vorgesehen, kann der Aufsichtsrat auch einen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden berufen.125) Die Bestellung zum Vorsitzenden des Vorstands steht als rechtlich selbständiger Akt neben der Bestellung zum Vorstandsmitglied126) und unterliegt den gleichen formellen und materiellen Anforderungen; insbesondere bedarf sie des Einverständnisses des Kandidaten.127) Die Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden kann auch isoliert widerrufen werden;128) hierfür muss gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 ein wichtiger Grund vorliegen. 2.
Rechtsstellung
34 In Ermangelung gesetzlicher Regelungen orientieren sich die Rechte und Pflichten des Vorstandsvorsitzenden an den allgemeinen Prinzipien der Binnenorganisation von Gremien.129) Als Vorsitzendem des Kollegialorgans obliegt ihm die Repräsentation des Vorstandes. Er verfügt zudem über alle sitzungsvorbereitenden und -leitenden Befugnisse. Seine hervorgehobene Stellung manifestiert sich aber vor allem in der besonderen Amtspflicht, die Vorstandsarbeit zu koordinieren und zu kontrollieren.130) Satzung und Geschäftsordnung können nähere Regelungen vorsehen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 _____________ 119) BGH, Urt. v. 3.12.1962 – II ZR 63/60, WM 1963, 161; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 81 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 98. 120) BGH, Urt. v. 11.7.1968 – II ZR 108/67, WM 1968, 1325, 1328; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 36; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 54. 121) Semler/v. Schenck-Fonk, ArbHdb. AR, § 9 Rz. 54, 121; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 87; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 2. 122) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 20; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 101; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 2. 123) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 88; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 39; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 1. 124) Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 662. 125) Semler/v. Schenck-Fonk, ArbHdb. AR, § 9 Rz. 60; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 87; HöltersWeber, AktG, § 84 Rz. 57. 126) Semler/v. Schenck-Fonk, ArbHdb. AR, § 9 Rz. 59; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 88; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 2. 127) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 20; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 101. 128) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 88; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 458. 129) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 41; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 59; Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 662. 130) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 41; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 3.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
Satz 2).131) Denkbar ist z. B. die Zubilligung eines Stichentscheides und nach h. M. in nicht mitbestimmten Gesellschaften auch die Einräumung eines Vetorechts.132) Nach § 77 Abs. 1 Satz 2 ist es hingegen nicht möglich, dem Vorsitzenden ein Entscheidungsrecht gegen den Willen der Mehrheit der Vorstandsmitglieder einzuräumen. Einer Entwicklung der Rolle des Vorstandsvorsitzenden in Richtung der Funktion eines 35 CEO (Chief Executive Officer) nach anglo-amerikanischem Vorbild sind durch die kollegiale Organisation des Vorstands rechtliche Grenzen gesetzt.133) So kann es etwa keine Weisungsbefugnis des Vorsitzenden gegenüber seinen Vorstandskollegen geben.134) Auch eine Informationsmonopolisierung zwischen den Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat ist ausgeschlossen.135) Solange der Aufsichtsrat keinen Vorstandsvorsitzenden ernennt, kann der Vorstand i. R. 36 seiner Geschäftsordnungskompetenzen einen Vorstandssprecher bestimmen.136) Dieser übernimmt ledigliche sitzungsleitende sowie repräsentative Aufgaben.137) Im Unterschied zum Vorstandsvorsitzenden verrichtet er dagegen keine sachliche Führungsarbeit.138) V.
Widerruf der Bestellung (§ 84 Abs. 3)
Gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied 37 und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen. Der Widerruf führt zur Beendigung der korporationsrechtlichen Organstellung,139) im Einklang mit der Trennungstheorie (siehe Rz. 2) aber nicht automatisch auch zur Beendigung des Anstellungsvertrages. Nimmt der Aufsichtsrat keine ausdrückliche Kündigung des Anstellungsvertrages vor, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob diese konkludent in der Widerrufserklärung enthalten war, was regelmäßig der Fall sein wird.140) Umgekehrt kann auch die Kündigung des Anstellungsvertrages zugleich einen Bestellungswiderruf darstellen.141) 1.
Zuständigkeit und Verfahren
Wie die Bestellung selbst, erfolgt ihr Widerruf durch Beschluss (§ 108) des Aufsichtsrats 38 und Erklärung (§ 130 BGB) gegenüber dem abzuberufenden Vorstandsmitglied.142) Zuständig ist zwingend der Gesamtaufsichtsrat. Die Delegation auf einen Ausschuss ist _____________ 131) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 21; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 102; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 3. 132) Hierzu ausführlich mit Darstellung des Streitstandes: Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 77 Rz. 16 ff. und Spindler in: MünchKomm-AktG, § 77 Rz. 19. 133) Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 3; Wicke, NJW 2007, 3755, 3757. 134) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 21; Fleischer, ZIP 2003, 1, 8; Wicke, NJW 2007, 3755, 3757. 135) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 90. 136) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 43; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 103. 137) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 22; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 60; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 3. 138) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 91; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 4; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 517. 139) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 45. 140) BGH, Urt. v. 24.2.1954 – II ZR 88/53, BGHZ 12, 337, 340; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, ZIP 1999, 1669 ff.; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 24; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 92; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 106. 141) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 92; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 106; FleischerThüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 1; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 64. 142) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 95 f.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 47; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 105 ff.
Jan Eckert
503
§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 ausgeschlossen. In mitbestimmten Gesellschaften ist das Verfahren nach § 31 MitbestG einzuhalten. Ein fehlerhafter oder fehlender Beschluss führt zur Nichtigkeit des Widerrufs.143) § 84 Abs. 3 Satz 4 findet auf diesen Fall keine Anwendung.144) Analog § 244 kann der Mangel allerdings durch einen Bestätigungsbeschluss geheilt werden.145) Für die Erklärung des Widerrufs kann der Aufsichtsrat eines seiner Mitglieder bevollmächtigen oder einen Dritten als Erklärungsboten einsetzen.146) Um eine Zurückweisung der Widerrufserklärung nach § 174 BGB auszuschließen, sollte die Ermächtigung z. B. durch eine von allen Aufsichtsratsmitgliedern unterzeichnete Urkunde oder das originale Aufsichtsratsprotokoll (nicht jedoch eine Abschrift oder einen Auszug) nachgewiesen werden.147) Erfolgt der Widerruf hingegen durch den Aufsichtsratsvorsitzenden, ist eine Zurückweisung gemäß § 174 Satz 2 BGB nicht möglich, wenn dieser – wie in der Regel – durch Geschäftsordnung zur Abgabe von Erklärungen für den Aufsichtsrat ermächtigt ist. Soweit sich aus der Satzung nichts Gegenteiliges ergibt, bedarf der Widerruf keiner besonderen Form.148) Nach allgemeiner Meinung muss der Abberufungsbeschluss auch nicht mit Gründen versehen werden.149) Allerdings sind dem abberufenen Vorstandsmitglied in entsprechender Anwendung von § 626 Abs. 2 Satz 3 die Gründe auf dessen Verlangen unverzüglich schriftlich mitzuteilen.150) Eine gesetzliche Frist für den Widerruf der Bestellung gibt es nicht, das Recht kann jedoch verwirkt werden.151) 39 Die vorherige Anhörung des abzuberufenen Vorstandsmitglieds ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.152) Allerdings kann im Einzelfall eine Anhörung i. R. der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats nach § 116 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 2 zur ausreichenden Aufklärung des Sachverhalts notwendig sein.153) 2.
Vorliegen eines wichtigen Grundes
40 Der Widerruf einer Bestellung ist nicht unbeschränkt möglich, sondern bedarf eines wichtigen Grundes. Damit soll der Vorstand in seiner Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit bei der Unternehmensleitung (§ 76 Abs. 1) institutionell abgesichert werden.154) Weder die Satzung noch der Anstellungsvertrag können diese gesetzliche Schwelle für einen Widerruf ausschließen oder auch nur modifizieren, etwa indem bestimmte Umstände als wichtige, _____________ 143) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 96; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 47. 144) OLG Köln, Urt. v. 28.2.2008 – 18 U 3/08, ZIP 2008, 1767; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 47; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 108; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 66; a. A. Schürnbrand, NZG 2008, 609, 611. 145) OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 130; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 47; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 108. 146) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 25; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 47; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 111; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 67. 147) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, ZIP 2004, 1850, 1853; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 97; Schockenhoff/Topf, DB 2005, 539, 544. 148) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 125; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 68. 149) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 106; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 77; Semler/ v. Schenck-Fonk, ArbHdb. AR, § 9 Rz. 311. 150) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 125. 151) Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 68; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 39; Janzen, NZG 2003, 468, 469. 152) Vgl. Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 131; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 112; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 110; Janzen, NZG 2003, 468, 469. 153) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 126; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 110; HöltersWeber, AktG, § 84 Rz. 78. 154) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 99; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 48; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 113.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
gerichtlich nicht nachprüfbare, Gründe für einen Widerruf definiert werden.155) Umgekehrt ist aber auch die weitergehende Beschränkung der Widerrufsmöglichkeit nicht statthaft.156) a)
Allgemeine Anforderungen an einen wichtigen Grund
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Gesellschaft die Fortsetzung des Organverhält- 41 nisses mit dem Vorstandsmitglied bis zum Ende der Amtszeit unzumutbar ist.157) Ob dies der Fall ist, muss anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.158) Die bislang h. A. in Rechtsprechung und Lehre verlangt dabei eine Abwägung der Gesellschaftsinteressen mit denen des Vorstandsmitglieds.159) Nur so könne die Unabhängigkeit des Vorstands wirksam geschützt werden. Zudem verlange die Treuebindung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied, auch dessen persönliche Interessen zu berücksichtigen.160) Zutreffend geht dagegen eine im Vordringen befindliche Meinung davon aus, dass allein die Belange der Gesellschaft maßgeblich und die Interessen der Vorstandsmitglieder i. R. des Kündigungsschutzes zu beachten sind.161) Hierfür spricht insbesondere, dass auf der körperschaftlichen Ebene das Interesse der Gesellschaft an einer funktionierenden organschaftlichen Vertretung Vorrang haben muss.162) Der wichtige Grund muss nicht in der Person des Vorstandsmitglieds liegen; auch eine 42 Pflichtverletzung oder ein Verschulden sind für dessen Bestehen nicht zwingend erforderlich.163) Ausreichend ist z. B. eine Veränderung der Unternehmens- oder Vorstandsstruktur.164) Bei einer nur noch kurzen verbleibenden Amtszeit ist bei der Prüfung der Unzumutbarkeit für die Gesellschaft ein besonders hoher Maßstab anzulegen.165) Der Aufsichtsrat hat bei der Entscheidung, ob ein wichtiger Grund zur Abberufung vor- 43 liegt, keinen eigenen Beurteilungsspielraum. Diese Frage unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung.166) _____________ 155) BGH, Urt. v. 28.1.1953 – II ZR 265/51, BGHZ 8, 348, 360 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.7.1973 – 8 U 74/73, BB 1973, 1088 – keine Umgehung des Erfordernisses eines wichtigen Grundes durch Kündigungsklauseln im Anstellungsvertrag; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 48; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 43. 156) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 114; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 69. 157) BGH, Beschl. v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, ZIP 2007, 119; BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 97/87, ZIP 1988, 47, 48 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 99; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 49; Fleck, WM 1985, 677, 680. 158) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 116; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 28; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 70. 159) BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 97/87, ZIP 1988, 47, 48 – zur GmbH; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.2002 – 20 U 60/01, NZG 2002, 971, 972; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 121; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 71; einschr. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 26 – überwiegende Berücksichtigung der Interessen der AG; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 771; Janzen, NZG 2003, 468, 470. 160) Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 71; Janzen, NZG 2003, 468, 470 f.; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 162. 161) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 102; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 364; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 49; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 44; FleischerThüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 9. 162) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 117; ausführlich: Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 102. 163) BGH, Urt. v. 24.2.1992 – II ZR 79/91, ZIP 760, 761 – zum GmbH-Geschäftsführer; BGH, Urt. v. 3.7.1975 – II ZR 35/73, AG 1975, 242, 244; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 27; Spindler in: MünchKommAktG, § 84 Rz. 118; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 45. 164) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 121; kritisch dagegen Heidel, AG 2013, R 341 f. 165) BGH, Urt. v. 7.6.1962 – II ZR 131/61, WM 1962, 811, 812; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 100; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 116; Janzen, NZG 2003, 468, 470. 166) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 49.
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§ 84 b)
Bestellung und Abberufung des Vorstands Gesetzliche Beispielsfälle
44 § 84 Abs. 3 Satz 2 nennt Beispielsfälle für einen den Widerruf der Bestellung tragenden wichtigen Grund, ohne dadurch jedoch von der in jedem Fall notwendigen Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu entbinden.167) aa)
Grobe Pflichtverletzung
45 Als grobe Pflichtverletzung gelten erhebliche Verfehlungen und grobe Nachlässigkeiten des Vorstandsmitglieds.168) Hierzu gehören –
die Verletzung grundlegender Gesetzes- und Organpflichten (z. B. Beteiligung an strafbaren Handlungen, wobei ein starker Verdacht ausreichen kann;169) Unterlassung der Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems;170) bewusste Nichtbedienung einer fälligen Darlehensrate;171) unberechtigte Scheckentnahmen;172) Annahme von Schmiergeldern in Form von „Kick-Backs“173)) sowie
–
Pflichtverletzungen gegenüber anderen Gesellschaftsorganen oder Organmitgliedern (z. B. Täuschung anderer Vorstandsmitglieder;174) Abschluss von Rechtsgeschäften unter Missachtung der Beteiligungsrechte von Aufsichtsrat und Vorstandskollegen;175) mangelnde Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat und Missachtung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4176)).
bb)
Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung
46 Die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung kann auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruhen.177) Ein Verschulden ist nicht erforderlich.178) In der gerichtlichen Praxis ist eine auf diesen Grund gestützte Abberufung bestätigt worden z. B. bei Fehlen notwendiger Kenntnisse zur Ausübung des Amtes;179) unheilbarem Zerwürfnis zwischen den Organmitgliedern180) und der persönlichen Unzuverlässigkeit im gewerberechtlichen Sinne, die für die Gesellschaft zur Versagung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen führen kann.181) Auch der Druck Dritter gegen ein Vorstandsmitglied kann dessen Abberufung unter dem Gesichtspunkt der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung rechtfertigen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten ist, etwa weil nur so ein schwerer, unmittelbar bevorstehender Schaden von der Gesellschaft abgewehrt werden
_____________ 167) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 28; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 49a; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 73. 168) RegE Begr. in: Kropff, S. 106; ausführlich: Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 104 f. 169) BGH, Urt. v. 9.1.1967 – II ZR 226/64, WM 1967, 251; einschränkend Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 104; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 156, die einen Bezug zur beruflichen Tätigkeit verlangen. 170) LG Berlin, Urt. v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683. 171) OLG Stuttgart, Urt. v. 28.5.2013 – 20 U 5/12, ZIP 2013, 1576 = AG 2013, 599. 172) OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 213. 173) OLG München, Urt. v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06, AG 2007, 361, 363. 174) OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.5.1982 – 8 U 11/81, DB 1983, 1036. 175) OLG München, Urt. v. 14.7.2005 – 6 U 5444/04, AG 2005, 776, 777. 176) BGH, Urt. v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, AG 1998, 519 f. 177) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 106. 178) Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 22. 179) OLG Stuttgart, Urt. v. 9.10.1956 – 2 W 69/56, GmbHR 1957, 59, 60 – zur GmbH. 180) BGH, Urt. v. 24.2.1992 – II ZR 79/91, ZIP 1992, 760, 761 f. – zur GmbH. 181) OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212 f.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
kann182) (z. B. kreditgebende Bank macht Verlängerung des zur Abwendung der Insolvenz notwendigen Kredits von der Abberufung eines Vorstandsmitglieds abhängig183)). cc)
Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung
§ 84 Abs. 3 Satz 2 führt als weiteren wichtigen Grund den Vertrauensentzug durch die 47 Hauptversammlung an. Ein persönlich vorwerfbares Verhalten ist für den Vertrauensentzug nicht erforderlich; das Vorstandsmitglied mag sogar objektiv im Recht gewesen sein.184) Allerdings darf der Vertrauensentzug nicht aus offenbar unsachlichen Gründen vorgenommen werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Entscheidung der Hauptversammlung nach Abwägung aller Umstände willkürlich oder haltlos ist; lediglich einem Vorwand dient; eine offenbare Treuewidrigkeit darstellt; als Reaktion auf die Weigerung des Vorstands, einer rechtswidrigen Weisung der Hauptversammlung oder des Hauptaktionärs Folge zu leisten, ergeht oder wegen der damit verfolgten Zwecke als rechtswidrig anzusehen ist.185) In der Folge darf der Aufsichtsrat in diesen Fällen keine Abberufung vornehmen.186) Der Vertrauensentzug erfolgt durch einen Hauptversammlungsbeschluss, der dem Wi- 48 derruf vorangehen muss.187) Eine besondere Begründung für den zu fassenden Beschluss ist nicht erforderlich.188) Für Vorstandsmitglieder, die zugleich Aktionär sind, greift das Stimmverbot des § 136 AktG nicht ein.189) Verweigert die Hauptversammlung dem Vorstand die Entlastung oder missbilligt sie einzelne Maßnahmen, liegt darin in der Regel noch kein Vertrauensentzug i. S. des § 84 Abs. 3 Satz 2.190) dd)
Sonstige Gründe
Da die gesetzlichen Beispielsfälle keine abschließende Aufzählung darstellen („nament- 49 lich“), können auch sonstige Gründe zur Abberufung eines Vorstandsmitglieds führen, wenn sie ebenfalls so gewichtig sind, dass sie zu einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Organverhältnisses mit dem Vorstandsmitglied führen191) (z. B. Einschreiten der BaFin gegen ein Vorstandsmitglied mittels einer Verwarnung oder eines Beschäftigungsverbots gemäß § 34d WpHG192), Zugehörigkeit zu einer verbotenen Partei193) oder einer kriminellen/ terroristischen Vereinigung194)). _____________ 182) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 114 ff.; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 75; Fleischer, DStR 2006, 1507; Krüger/Achsnick, EWiR 2007, 161, 162. 183) OLG München, Urt. v. 13.10.2005 – 23 U 1949/05, NZG 2006, 313, 314; best. durch BGH, Beschl. v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, ZIP 2007, 119. 184) BGH, Urt. v. 3.7.1975 – II ZR 35/73, AG 1975, 242, 244; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 109; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 50; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 126. 185) BGH, Urt. v. 28.4.1954 – II ZR 211/53, BGHZ 13, 188; KG, Beschl. v. 3.12.2002 – 1 W 363/02, ZIP 2003, 1042, 1046 f.; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 110; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 29. 186) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 50. 187) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 111; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 30. 188) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 29; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 126; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 166. 189) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 127; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 50. 190) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 111; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 30; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 51; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 127. 191) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 113. 192) Hierzu ausführlich Forst, AG 2013, 277 ff. 193) BGH, Urt. v. 24.2.1954 – II ZR 63/53, BGHZ 12, 337, 342 ff. 194) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 123.
Jan Eckert
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§ 84 3.
Bestellung und Abberufung des Vorstands Widerrufswirkungen
50 Nach § 84 Abs. 3 Satz 4 ist der Widerruf wirksam bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Selbst wenn es keinen wichtigen Grund für die Abberufung gegeben haben sollte, wird diese also zunächst als wirksam behandelt.195) Die Organstellung des Betroffenen endet.196) Damit soll im Unternehmensinteresse Rechtssicherheit geschaffen werden.197) Fehlt hingegen ein Beschluss über den Widerruf oder ist dieser unwirksam, ist die Vorschrift nicht anwendbar.198) Teilweise wird dies auch angenommen, wenn der Beschluss offensichtlich willkürlich ist.199) Analoge Anwendung findet § 84 Abs. 3 Satz 4 auf den Fall der automatischen Beendigung des Vorstandsamts, z. B. bei einer Befristung.200) 51 Erst nach der rechtskräftigen Feststellung, dass der Widerruf wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksam war, lebt das Organverhältnis wieder auf,201) wenn nicht – was häufig der Fall sein wird – die Amtszeit zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen ist. Nach richtiger Ansicht ist ein Endurteil im Verfahren der Hauptsache erforderlich.202) Eine Entscheidung nach summarischer Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren hat keine vergleichbare Autorität.203) Ein Verfügungsantrag, der nur das Fehlen eines wichtigen Grundes geltend macht, ist als unzulässig abzuweisen.204) 52 Die Rückkehr in das Vorstandsamt führt nicht zu einem Erlöschen der Bestellung des Vorstandsmitglieds, das inzwischen an die Stelle des Abberufenen getreten ist.205) Sie kann aber einen wichtigen Grund zum Widerruf der Bestellung darstellen.206) 4.
Rechtsschutz des Vorstandsmitglieds
53 Das betroffene Vorstandsmitglied kann gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112),207) klagen. Wird die Klage darauf gestützt, dass kein wichtiger Grund für die Abberufung vorlag, handelt es sich um eine Gestaltungsklage. Der Kläger wird im Falle des Obsiegens lediglich ex nunc wieder Vorstandsmitglied. Im Wege der Feststellungsklage ist hingegen vorzugehen, wenn die Abberufung wegen Verfahrensfehlern oder sonstigen Beschlussmängeln von vornherein unwirksam war. In diesem Fall hat das Organverhältnis nie geendet.208) Der Aufsichtsrat kann der Klage in diesem Fall durch _____________ 195) 196) 197) 198)
199) 200) 201) 202) 203) 204) 205) 206)
207) 208)
508
Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 129; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 52. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 52. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 128; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 52. OLG Köln, Urt. v. 18.2.2008 – 18 U 3/08, ZIP 2008, 1767; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 129; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 31; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 52; a. A. Schürnbrand, NZG 2008, 609, 611. Vgl. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 119; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 52; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 79. LG Berlin, Beschl. v. 30.10.1990 – 98 T 39/90, ZIP 1991, 228, 229; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 129; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 131. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 52. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 115; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 52. Hierzu ausführlich Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 129; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 130. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 32; krit. Wiesner, EWiR 1985, 241. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 55; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 85. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 135; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 133; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 85; a. A. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 55; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 140. BGH, Urt. v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, ZIP 1981, 858, 859; BGH, Urt. v. 13.2.1984 – II ZR 2/83, WM 1984, 532. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 131 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 132; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 53.
Jan Eckert
Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
Fassung eines Bestätigungsbeschlusses analog § 244 den Boden entziehen.209) Eine Klagefrist gibt es nicht.210) Die Klage hat keinen Suspensiveffekt211) und unterbricht auch nicht die Bestellungsdauer.212) Den Antrag eines Vorstandsmitglieds, einem Aufsichtsratsmitglied im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, für den Widerruf der Bestellung zu stimmen, hat das OLG München zurückgewiesen.213) 5.
Sonstige Beendigungsgründe
a)
Amtsniederlegung
Die Befugnis eines Vorstandsmitglieds, sein Amt durch eine einseitige, empfangsbedürftige 54 und formlose Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 112) niederzulegen, ist allgemein anerkannt.214) Der Zugang bei einem Aufsichtsratsmitglied ist ausreichend.215) Ob die Erklärung einem Empfänger mit Sitz im Ausland zugegangen ist, beurteilt sich nach dem Ortsrecht des Abgabeorts.216) Einer gleichzeitigen Kündigung des Anstellungsvertrages bedarf es nicht.217) Nach der h. M. kommt es nicht darauf an, ob ein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung 55 vorliegt.218) Im Interesse der Rechtssicherheit wird die Erklärung analog § 84 Abs. 3 Satz 4 sofort wirksam.219) Das Fehlen eines wichtigen Grundes kann allerdings Bedeutung für etwaige Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen das ehemalige Vorstandsmitglied haben.220) Zudem kann die Amtsniederlegung unwirksam sein, wenn sie rechtsmissbräuchlich erfolgt, z. B. zur Unzeit, zur Durchsetzung eines modifizierten Anstellungsvertrags oder einer vorzeitigen Neubestellung.221) Angesichts der Möglichkeit zur Bestellung eines Notvorstands sind an das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs hohe Anforderungen zu stellen.222) b)
Einvernehmliches Ausscheiden
Ein Ausscheiden aus dem Organverhältnis ist im gegenseitigen Einvernehmen jederzeit 56 möglich.223) Der für die Gesellschaft handelnde Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluss _____________ 209) 210) 211) 212) 213) 214)
215) 216) 217) 218)
219) 220) 221) 222) 223)
Hüffer, AktG, § 84 Rz. 34; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 53. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 131; Reiserer/Peters, DB 2008, 167. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 132; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 81. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 132; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 137; Peltzer, BB 1976, 1249, 1250. OLG München, Urt. v. 16.10.2013 – 7 U 3018/13, ZIP 2013, 2200. BGH, Urt. v. 14.7.1980 – II ZR 161/79, BGHZ 78, 82, 84 = ZIP 1980, 334; BGH, Urt. v. 8.2.1993 – II ZR 58/92, BGHZ 121, 257, 260 = ZIP 1993, 430 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 141; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 36; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 56; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 56. BGH, Urt. v. 17.9.2001 – II ZR 378/99, BGHZ 149, 28, 29 = ZIP 2001, 2227; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 36. BGH, Beschl. v. 21.6.2011 – II ZB 15/10, ZIP 2011, 1562, 1563. Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 35; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 56; Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2102. BGH, Urt. v. 26.6.1995 – II ZR 109/94, ZIP 1995, 1334, 1335 – zur GmbH; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 36; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 199; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 56; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 146; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 56; Grobys/ Littger, BB 2002, 2292; a. A. Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 224; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 35. Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 142; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 36. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 56. Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 37; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 56; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 146. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 143; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 36; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 146. Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 230; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 39; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 57.
Jan Eckert
509
§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
(§ 108); die Delegation auf einen Ausschuss ist nach dem Rechtsgedanken aus § 107 Abs. 3 Satz 2 nicht möglich.224) Bei mitbestimmten Gesellschaften ist nach § 31 Abs. 5 MitbestG analog das Verfahren nach § 31 Abs. 2 bis 4 MitbestG einzuhalten.225) 6.
Suspendierung
57 Bei der Suspendierung handelt es sich um eine kurzzeitige vorläufige Amtsenthebung, deren Zulässigkeit, Voraussetzungen und Wirkung im Einzelnen sehr umstritten sind.226) Für die Praxis ist im Umgang mit diesem Mittel daher Zurückhaltung anzuraten.227) Als Minus zum Bestellungswiderruf sind an die Voraussetzungen für eine Suspendierung vergleichsweise geringere Anforderungen zu stellen. Notwendig ist lediglich ein hinreichender Verdacht auf Vorliegen eines wichtigen Grundes, der auch eine Abberufung rechtfertigen würde.228) Über die Suspendierung hat zwingend der Gesamtaufsichtsrat zu beschließen; bei mitbestimmten Gesellschaften ist § 31 MitbestG einzuhalten.229) In Folge der Suspendierung bleibt das Vorstandsmitglied formal im Amt, darf aber seine gesetzliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nicht mehr ausüben.230) Gegenüber Dritten entfaltet diese Beschränkung gemäß § 82 Abs. 1 allerdings keine Wirkung.231) Gegen die Suspendierung kann das betroffene Vorstandsmitglied im Wege der einstweiligen Verfügung vorgehen.232) VI.
Kündigung des Anstellungsvertrags
1.
Allgemeines
58 Gemäß § 84 Abs. 3 Satz 5 gelten für Ansprüche des Vorstandsmitglieds aus dem Anstellungsvertrag die allgemeinen Vorschriften. Demnach bleibt der Anstellungsvertrag im Einklang mit dem Trennungsprinzip (siehe Rz. 2) von einem Widerruf der Bestellung unberührt.233) Zur Beendigung des Anstellungsvertrages bedarf es einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB oder einer ordentlichen Kündigung nach § 620 BGB.234) 2.
Zuständigkeit und Verfahren
59 Zuständig für die Kündigung des Anstellungsvertrages ist der Aufsichtsrat (§ 112). Da § 107 Abs. 3 Satz 2 nicht auf § 84 Abs. 3 Satz 5 Bezug nimmt, kann der Vorgang auf einen mindestens dreiköpfigen Ausschuss delegiert werden.235) Dieser darf allerdings mit der Kündigung nicht der Entscheidung des Aufsichtsratsplenums über den Widerruf der _____________ 224) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 36; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 147; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 57. 225) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 144; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 57. 226) Ausführliche Darstellung bei Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 136. 227) So auch Hüffer, AktG, § 84 Rz. 35; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 89 f. 228) So i. E. auch Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 137; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 380; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 189; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 59; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 61, der einen „billigenswerten“ Grund verlangt. 229) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 138; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 194. 230) OLG München, Urt. v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 139; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 192. 231) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 59; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 90. 232) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 138; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 195. 233) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 38; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 60; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 73. 234) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 145; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 51. 235) BGH, Urt. v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190, 192 f. = WM 1975, 1237; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 61; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 151.
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Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
Organstellung vorgreifen, etwa indem er kündigt, bevor der Widerruf beschlossen ist.236) Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluss (§ 108), der auch bei mitbestimmten Gesellschaften lediglich der einfachen Mehrheit bedarf, da § 31 MitbestG nur für den Widerruf gilt.237) Die Entscheidung über die Kündigung kann in dem Beschluss über den Bestellungswiderruf konkludent enthalten sein.238) Fehlt es an einem Beschluss oder ist dieser nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, ist die Kündigung unwirksam.239) Das Vorgenannte gilt grundsätzlich auch für den Fall eines einvernehmlichen Ausscheidens von Vorstandsmitgliedern.240) Kommt es in diesem Zuge allerdings zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung, nach der eine Abfindung zu zahlen ist, ist die Delegation auf einen Ausschuss nicht möglich, da es sich insofern um eine „Festsetzung“ von Bezügen nach § 87 Abs. 1 handelt, die nach der Erweiterung des Katalogs in § 107 Abs. 3 Satz 3 durch das VorstAG dem Plenum zugewiesen ist.241) Für die Abgabe der erforderlichen Kündigungserklärung kann sich der Aufsichtsrat 60 eines Bevollmächtigten oder Boten bedienen.242) Wie auch bei der Erklärung über den Widerruf der Bestellung (siehe Rz. 38) ist es grundsätzlich anzuraten, eine Urkunde über die Ermächtigung zu erstellen, um eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB auszuschließen.243) Das ist hingegen dann nicht notwendig, wenn sich die Bevollmächtigung – in der Regel des Aufsichtsratsvorsitzenden – bereits aus der Satzung oder der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat ergibt.244) Die Erklärung bedarf, soweit keine abweichende Vereinbarung getroffen ist, nicht der Schriftform; § 623 findet keine Anwendung.245) Auch muss die Kündigung keine Gründe enthalten.246) Auf Verlangen müssen diese dem Vorstandsmitglied allerdings gemäß § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB schriftlich mitgeteilt werden. Erfolgt die Kündigung außerordentlich ohne Rücksicht auf gesetzliche und vertragliche Fristen, ist dies zudem hinreichend deutlich zu machen.247) Außer in Fällen der Verdachtskündigung ist eine vorherige Anhörung des Vorstandsmitglieds kein Wirksamkeitserfordernis für die außerordentliche Kündigung.248) _____________ 236) BGH, Urt. v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 56 = ZIP 1984, 55 – zur GmbH; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 146; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 38; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 53; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 75. 237) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 151; Oetker in: GroßKomm-AktG, Bd. 5, § 31 MitbestG, Rz. 23. 238) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 148; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 73. 239) BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, 894, 895; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.2004 – 7 U 62/03, ZIP 2004, 2377, 2378 f.; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 38; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 151. 240) BGH, Urt. v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38, 43 = ZIP 1981, 45 – zur GmbH; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 38a; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 61; Säcker, DB 1979, 1321, 1322. 241) Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 93; vgl. auch Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26, S. 1, 9; zu den Auswirkungen des VorstAG auf Aufhebungsvereinbarungen s. Jaeger, NZA 2010, 128. 242) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 141; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 61; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 151. 243) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 97, 149; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 67, 94. 244) OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.2.2012 – I-16 U 177/10, AG 2012, 511; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, ZIP 2004, 1850, 1852; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 38, 25; weiter Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247, 1249 („übertriebene Förmelei“). 245) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 162; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 94; Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247, 1250. 246) BGH, Urt. v. 18.6.1984 – II ZR 221/83, ZIP 1984, 947, 948 (für Genossenschaft); Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 163; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 162. 247) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 163; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 162; HöltersWeber, AktG, § 84 Rz. 94. 248) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 164; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 65; FleischerThüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 57; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 163.
Jan Eckert
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§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
3.
Außerordentliche Kündigung durch die Gesellschaft
a)
Zwingendes Recht
61 Das Recht der Gesellschaft, den Anstellungsvertrag gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund zu kündigen, kann nicht beschränkt oder gar ausgeschlossen werden. Dies gilt sowohl auf Ebene der Satzung wie auch für Vereinbarungen, die rechtlich oder auch nur tatsächlich auf eine Einschränkung des Kündigungsrechts hinauslaufen, wie z. B. durch Zusage einer Abfindung.249) Solche Regelungen sind nach § 134 BGB nichtig.250) b)
Vorliegen eines wichtigen Grundes
62 Der nach § 626 BGB vorausgesetzte wichtige Grund liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der relevanten Interessen beider Seiten die Fortsetzung des Anstellungsvertrags bis zu seiner ordentlichen Beendigung für die Gesellschaft nicht zumutbar ist.251) Die Anforderungen an einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung sind strenger als die für einen den Bestellungswiderruf rechtfertigenden wichtigen Grund.252) Diese Differenzierung ist angesichts der gravierenden sozialen Konsequenzen (Verlust der Vergütungs- und Versorgungsansprüche) einer fristlosen Vertragsbeendigung angezeigt.253) Im Rahmen der nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung sind daher neben der Schwere und Vorwerfbarkeit der Verfehlungen, deren Konsequenzen für die Gesellschaft und einer etwaigen Wiederholungsgefahr auch die persönlichen Folgen für das betroffene Vorstandsmitglied unter Berücksichtigung seines Lebensalters, der Dauer seiner Zugehörigkeit zum Vorstand, der Restlaufzeit seines Anstellungsvertrages und seiner Verdienste um die Gesellschaft mit einzubeziehen.254) Praktisch wichtigster Grund für eine außerordentliche Kündigung ist die grobe Pflichtverletzung.255) Hierzu gehört etwa auch der Fall einer unberechtigten Amtsniederlegung.256) Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung stellt per se keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, weil dieser kein vorwerfbares Verhalten voraussetzt (siehe Rz. 47). Daher kommt es für die Prüfung nach § 626 BGB darauf an, welche Umstände zum Vertrauensentzug geführt haben.257) Unter Umständen kommt auch eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung in Betracht, wenn etwa nach einem wirtschaftlichen Niedergang der Gesellschaft nicht nur die bishe-
_____________ 249) BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, ZIP 2000, 1442, 1444 (zum GmbH-Geschäftsführer); K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 62; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 154. 250) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 150; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 95. 251) BGH, Urt. v. 23.10.1995 – II ZR 130/94, NJW-RR 1996, 156; OLG Celle, Beschl. v. 25.5.2011 – 3 U 65/11, AG 2011, 916, 917; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 152; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 39; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 66; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 166. 252) BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683, 2684 = ZIP 1989, 1190; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 152; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 77. 253) Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 484; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 166. 254) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 153; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 78; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 97. 255) S. z. B. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, NZG 2000, 738, 739; BGH, Urt. v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, AG 1998, 519; LG Berlin, Urt. v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 213; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 39; K. Schmidt/ Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 66. 256) BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435, 1437; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – II ZR 161/79, BGHZ 78, 82, 85 = ZIP 1980, 768 – zum GmbH-Geschäftsführer; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 39. 257) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 156; Kort in: GroßKomm-AktG, § 84 Rz. 497; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 49.
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Jan Eckert
Bestellung und Abberufung des Vorstands
§ 84
rige Tätigkeit des Vorstandsmitglieds, sondern auch andere angemessene Beschäftigungsfelder weggefallen sind.258) Eine vorherige Abmahnung ist nach der Rechtsprechung für die Wirksamkeit der Kün- 63 digung des Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund nicht erforderlich.259) Dem steht § 314 Abs. 2 BGB nicht entgegen, da die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen ein besonderer Umstand i. S. von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist, auf den § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB verweist.260) c)
Kündigungsfrist
Gemäß § 626 Abs. 2 BGB muss die außerordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen 64 erfolgen, nachdem der Aufsichtsrat von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Wird die Kündigung nicht innerhalb dieser Frist vorgenommen, ist sie unwirksam.261) Für die Fristauslösung ist nicht ausreichend, dass der Aufsichtsratsvorsitzende oder einzelne Aufsichtsratsmitglieder Kenntnis erlangt haben.262) Auch außerhalb der Organstellung erworbenes Wissen ist nicht relevant.263) Notwendig ist vielmehr die Kenntnis der Organmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Willensbildung.264) Daher ist jedes Aufsichtsratsmitglied, das von einer die Kündigung rechtfertigenden Tatsache erfährt, dazu verpflichtet, unverzüglich die Einberufung einer Aufsichtsratssitzung zu veranlassen.265) Geschieht dies ohne unangemessene Verzögerung, beginnt die Zwei-Wochen-Frist mit dem Tag der Aufsichtsratssitzung,266) anderenfalls mit dem Tag, zu dem die Sitzung in zumutbarer Weise unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit der Sache hätte einberufen werden können.267) Nehmen einzelne Aufsichtsratsmitglieder an der Sitzung nicht teil und erlangen deshalb keine Kenntnis von dem Kündigungssachverhalt, ist dies unschädlich.268) Eine unangemessene Verzögerung tritt nicht _____________ 258) BGH, Urt. v. 21.4.1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.9.1981 – 2 U 27/81, ZIP 1981, 1336, 1337 – jeweils zum GmbH-Geschäftsführer; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 157; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 153; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 62; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 165; krit. Janzen, NZG 2003, 468, 473. 259) BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957, 1958 – zum GmbH-Geschäftsführer; BGH, Beschl. v. 2.7.2007 – II ZR 71/06, NZG 2007, 674; OLG Düsseldorf, Urt.v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 39; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 66. 260) BGH, Beschl. v. 2.7.2007 – II ZR 71/06, NZG 2007, 674; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 66; Koch, ZIP 2005, 1621, 1625 ff.; a. A. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 164 – § 626 BGB lex specialis zu § 314 Abs. 2 BGB. 261) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 41; Spindler in: MünchKomm AktG, § 84 Rz. 160. 262) BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957; 1958 – zur GmbH; OLG München, Urt. v. 14.7.2005 – 6 U 5444/04, ZIP 2005, 1781, 1784; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 159; Densch/ Kahlo, DB 1983, 811; Wiesner, BB 1981, 1533, 1536. 263) BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 90 = ZIP 1998, 1269; Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 64. 264) BGH, Urt. v. 10.1.2000 – II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 510; BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957; 1958; BGH, Urt. v. 9.4.2013 – II ZR 273/11, ZIP 2013, 971 („Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft“) – jeweils zum GmbH-Geschäftsführer; OLG Jena, Urt. v. 1.12.1998 – 5 U 1501/97, NZG 1999, 1069, 1070; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 159; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 42. 265) BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 = ZIP 1998, 1269 – zur GmbH; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 64; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 42. 266) BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 90 = ZIP 1998, 1269; BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957; 1958 – jeweils zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 159; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 42. 267) BGH, Urt. v. 5.4.1990 – IX ZR 16/89, WM 1990, 1028, 1030; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 64; Goette, DStR 1998, 1103, 1104 (Urteilsanm.); Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 774; Stein, ZGR 1999, 264, 275 ff. 268) BGH, Urt. v. 19.5.1980 – II ZR 169/79, ZIP 1980, 896, 897.
Jan Eckert
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§ 84
Bestellung und Abberufung des Vorstands
dadurch ein, dass ein komplexer Sachverhalt zunächst aufgeklärt werden muss und das betroffene Vorstandsmitglied in diesem Zusammenhang angehört wird.269) Verbreitet wird für solche Maßnahmen ein Zeitrahmen von bis zu zwei Wochen für vertretbar gehalten, so dass sich für die Kündigung insgesamt ein Zeitrahmen von etwa vier Wochen ergibt.270) In der Praxis ergeben sich im Einzelfall erhebliche Unsicherheiten.271) 65 Kenntnis i. S. des § 626 BGB heißt positive Kenntnis des die Kündigung begründenden Sachverhaltes. Kennenmüssen oder grob fahrlässige Unkenntnis genügen nicht.272) 66 Bei mitbestimmten Gesellschaften kann es zu einem Konflikt zwischen der für einen Bestellungswiderruf gemäß § 51 Abs. 5 MitbestG relevanten Monatsfrist des § 31 Abs. 3 Satz 1 MitbestG und der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB kommen. Nach überwiegender Ansicht ist dieser Konflikt so zu lösen, dass die Zwei-Wochen-Frist erst mit Beendigung des mehrstufigen Abberufungsverfahrens beginnt.273) d)
Rechtsschutz
67 Das gekündigte Vorstandsmitglied kann gegen die Kündigung Feststellungsklage erheben und diese mit der Klage gegen den Widerruf der Bestellung verbinden.274) Zusätzlich kann es im Wege der Leistungsklage die Weiterzahlung der Bezüge verlangen. Zweckmäßigerweise wird letzterer Anspruch regelmäßig im Urkundenprozess (§§ 592 f. ZPO) verfolgt.275) Die Klagen richten sich gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112).276) e)
Nachschieben von Gründen
68 Wie oben dargestellt (Rz. 60) setzt eine wirksame Kündigung nicht die Angabe der für die Entscheidung maßgeblichen Gründe voraus. Vielmehr ist es nach der gefestigten Rechtsprechung möglich, diese und auch weitere Gründe zur Rechtfertigung ohne weitere Beschlussfassung nachzuschieben, soweit sie bei Ausspruch der Kündigung objektiv vorlagen und dem kündigenden Gesellschaftsorgan nicht länger als zwei Wochen zuvor bekannt geworden waren.277) Dabei ist es unerheblich, ob die neu vorgebrachten Tatsachen die ursprünglich vorhandenen Gründe nur ergänzen oder einen vollkommen neuen Sachverhalt darstellen und zwar auch dann, wenn sich die für die Beschlussfassung ursprünglich relevanten Gründe nachträglich als nicht tragbar erweisen.278) _____________ 269) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 160; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 175; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 82. 270) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 64; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 160; HöltersWeber, AktG, § 84 Rz. 104; Schumacher-Mohr, ZIP 2002, 2245, 2247; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 85, 90. 271) Arnold/Schansker, NZG 2013, 1172, 1175 f. 272) BGH, Urt. v. 26.2.1996 – II ZR 114/95, ZIP 1996, 636 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 161; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 66; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 105; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 81 273) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 25; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 404; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 41; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 84 Rz. 174. 274) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 168; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 5 Rz. 68; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 185. 275) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 71; Hölters-Weber, AktG, § 84 Rz. 113. 276) BGH, Urt. v. 9.10.1986 – II ZR 284/85, ZIP 1986, 1381, 1382; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 84 Rz. 168; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 430. 277) BGH, Urt. v. 11.7.1978 – II ZR 266/77, WM 1978, 1123; BGH, Urt. v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, NJW-RR 1998, 1409, dazu EWIR 1998, 813 (E. Schneider); BGH, Urt. v. 1.12.2003 – II ZR 161/02, ZIP 2004, 92, 93; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.02.2012 – I-16 U 177/10, AG 2012, 511, 512 f. 278) BGH, Urt. v. 14.10.1991 – II ZR 239/90, ZIP 1992, 32, 35 (zur Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers); Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247, 1251.
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Jan Eckert
§ 85
Bestellung durch das Gericht
VII. Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors in der Montanmitbestimmung (§ 84 Abs. 4) § 84 Abs. 4 bezieht sich auf § 13 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MontanMitbestG und stellt klar, 69 dass die dortige Regelung, nach der ein Arbeitsdirektor gegen die Stimmen der Mehrheit der an der Abstimmung beteiligten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat weder bestellt noch abberufen werden kann, unberührt bleibt. Die Bestimmungen des MontanMitbestG sind insoweit lex specialis.279) Eine Abberufung unter Verletzung von § 13 Abs. 1 Satz 3 MontanMitbestG ist nichtig; § 84 Abs. 3 Satz 2 findet keine Anwendung.280) _____________ 279) Hüffer, AktG, § 84 Rz. 43; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 76. 280) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 84 Rz. 76; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 84 Rz. 197.
§ 85 Bestellung durch das Gericht (1) 1Fehlt ein erforderliches Vorstandsmitglied, so hat in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten das Mitglied zu bestellen. 2Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (2) Das Amt des gerichtlich bestellten Vorstandsmitglieds erlischt in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist. (3) 1Das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied hat Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und auf Vergütung für seine Tätigkeit. 2Einigen sich das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied und die Gesellschaft nicht, so setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. 3Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. 4Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Voraussetzungen einer gerichtlichen Bestellung ............................... 3 1. Fehlen eines erforderlichen Vorstandsmitglieds ............................. 3 2. Dringlichkeit ....................................... 5 I.
III. Bestellungsverfahren ........................ 7 IV. Rechtsstellung gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder ........ 9 1. Allgemeines ........................................ 9 2. Amtsdauer ........................................ 11 3. Auslagenersatz und Vergütung ....... 12
Überblick
§ 85 begründet eine subsidiäre Zuständigkeit des Gerichts für die Bestellung von Vor- 1 standsmitgliedern, wenn der Aufsichtsrat seine aus § 84 Abs. 1 resultierende Personalkompetenz zur Beseitigung einer Unterbesetzung des Vorstands nicht wahrnimmt. Nach § 85 Abs. 1 muss das Gericht in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten ein Vorstandsmitglied bestellen. § 85 Abs. 2 bestimmt die Dauer der Bestellung; § 85 Abs. 3 regelt die Vergütung des gerichtlich bestellten Vorstandsmitglieds. Die Vorschrift dient dem Erhalt der Handlungs- und Prozessfähigkeit der Gesellschaft 2 und geht § 29 BGB als lex specialis vor.1) _____________ 1)
K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 2.
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§ 85
Bestellung durch das Gericht
II.
Voraussetzungen einer gerichtlichen Bestellung
1.
Fehlen eines erforderlichen Vorstandsmitglieds
3 Von dem Fehlen eines Vorstandsmitglieds ist nur auszugehen, wenn es sein Amt aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dauerhaft nicht mehr ausüben kann. Dass eine vorübergehende Verhinderung nicht ausreicht, ergibt sich aus dem Gegenschluss zu § 105 Abs. 2, der zwischen „fehlenden“ und „verhinderten“ Vorstandsmitgliedern unterscheidet.2) Ein „Fehlen“ liegt danach vor bei Widerruf der Bestellung, Ausscheiden aus dem Vorstand durch Zeitablauf, Niederlegung des Amtes oder Tod aber auch, wenn es überwiegend wahrscheinlich ist, dass das Vorstandsmitglied sein Amt z. B. wegen schwerer Krankheit oder permanenter Abwesenheit von mindestens einem Jahr dauerhaft nicht mehr ausüben kann oder will.3) 4 Kann eine Vertretungs- oder Geschäftsführungsmaßnahme aufgrund des Fehlens eines Vorstandsmitglieds nicht wirksam durchgeführt werden, handelt es sich i. S. der Vorschrift um ein erforderliches Vorstandsmitglied.4) Dies wird vor allem bei der Wahrnehmung von Leitungsaufgaben der Fall sein, die nur vom Gesamtvorstand ausgeübt werden können (siehe § 76 Rz. 5 ff.). Gleiches gilt bei mitbestimmten Gesellschaften für Entscheidungen im Bereich Arbeit und Soziales aufgrund des § 33 MitbestG für den Arbeitsdirektor – und zwar auch dann, wenn dieser nicht zur Vertretung der Gesellschaft benötigt wird.5) 2.
Dringlichkeit
5 Ein für die gerichtliche Bestellung notwendiger dringender Fall ist gegeben, wenn der Aufsichtsrat die Neubestellung nicht oder nicht schnell genug vornimmt und der Gesellschaft, den Aktionären, Arbeitnehmern, Gläubigern oder sonstigen Dritten dadurch erhebliche Nachteile drohen.6) Der Wegfall des Arbeitsdirektors in mitbestimmten Gesellschaften begründet nach h. M. stets die Dringlichkeit.7) 6 Der Antragsteller muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass nach § 104 ein InterimsAufsichtsrat bestellt werden könne, der dann die Bestellung der Vorstandsmitglieder vornimmt. Dieser Weg ist gegenüber § 85 ebenso subsidiär wie die gerichtliche Ermächtigung einer Aktionärsminderheit zur Einberufung einer Hauptversammlung nach § 122 Abs. 3.8) Auch die bloße Möglichkeit einer Prozesspflegschaft nach § 57 ZPO bei einem Rechtsstreit lässt die Dringlichkeit nicht entfallen.9) III.
Bestellungsverfahren
7 Zuständig für die Bestellung ist das AG am Sitz der Gesellschaft (§ 377 FamFG i. V. m. § 14). Der Antrag muss durch einen Beteiligten schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 25 Abs. 1 FamFG) gestellt werden. Beteiligt ist jeder, der ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Bestellung eines Vorstandsmitglieds glaubhaft machen kann _____________ 2) 3) 4) 5) 6) 7)
8) 9)
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Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 85 Rz. 2. Kort in: GroßKomm-AktG, § 85 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 2. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 5. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 6; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 25. Hüffer, AktG, § 85 Rz. 3; Hölters-Weber, AktG, § 85 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 25. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 7; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 26; a. A. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 3; Hölters-Weber, AktG, § 85 Rz. 4; Spindler in: MünchKommAktG, § 85 Rz. 6 – „im Regelfall“. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 85 Rz. 5; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 7. Hüffer, AktG, § 85 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 3.
Jan Eckert
§ 85
Bestellung durch das Gericht
(z. B. Organmitglieder, Gläubiger).10) Auch Betriebsverfassungsorgane können antragsberechtigt sein, wenn sie ein spezifisches Interesse an der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft haben.11) In der Regel ist es sinnvoll, den Antrag mit einem Personalvorschlag zu verbinden, an den das Gericht allerdings nicht gebunden ist.12) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, der gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG zu be- 8 gründen ist. Gesetzliche Ausschlussgründe nach § 76 Abs. 3 sowie statutarische Eignungsvoraussetzungen hat das Gericht zu beachten.13) Liegen die Voraussetzungen für eine Ersatzbestellung vor, muss es dem Antrag stattgeben.14) Nach § 85 Abs. 1 Satz 2 ist gegen die Entscheidung die Beschwerde zulässig. Beschwerdebefugt ist im Falle der Zurückweisung des Antrags nach § 59 Abs. 2 FamFG der Antragsteller, bei Stattgabe nach § 59 Abs. 1 FamFG jeder Beeinträchtigte (AG, übrige Vorstandsmitglieder, Aufsichtsrat, mangels unmittelbarem Eingriff in eigene Rechte jedoch nicht die Aktionäre).15) Das bestellte Vorstandsmitglied ist nach § 81 Abs. 1 zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. IV.
Rechtsstellung gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder
1.
Allgemeines
Die gerichtliche Bestellung begründet keinen Anstellungsvertrag zwischen Vorstands- 9 mitglied und Gesellschaft, sondern ein isoliertes Organschaftsverhältnis, das nach § 40 FamFG mit Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem Bestellten wirksam wird.16) Das gilt selbst dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung statutarische Eignungsvoraussetzungen missachtet haben sollte.17) Damit wird der gerichtlich Bestellte ein vollwertiges Vorstandsmitglied mit allen Rechten 10 und Pflichten.18) Seine Vertretungsmacht (Allein- oder Gesamtvertretungsmacht (§ 78)) bestimmt sich nach der des fehlenden Vorstandsmitglieds.19) Sachlich ist die Vertretungsmacht gemäß § 82 Abs. 1 unbeschränkt und unbeschränkbar. Die Geschäftsführungsbefugnis kann dagegen durch das Gericht eingeschränkt oder sogar auf einzelne Rechtshandlungen im Zusammenhang mit einem bestimmten Zweck (z. B. Erklärung einer Kündigung, Einladung der Hauptversammlung, Aufstellen einer Bilanz) begrenzt werden.20) 2.
Amtsdauer
Nach § 85 Abs. 2 erlischt das Amt des gerichtlich bestellten Vorstandsmitglieds, sobald 11 der Mangel behoben ist. Die wirksame Bestellung des fehlenden Vorstandsmitglieds führt also zur Beendigung der Organstellung von Rechts wegen, ohne dass es einer geson_____________ 10) Hüffer, AktG, § 85 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 27. 11) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 9; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 27; a. A. Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 31. 12) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 8 Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 15. 13) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 14; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 85 Rz. 14. 14) Kort in: GroßKomm-AktG, § 85 Rz. 48; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 85 Rz. 11. 15) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.10.1995 – W 210/55, NJW 1955, 1929; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 85 Rz. 4. 16) Hüffer, AktG, § 85 Rz. 4; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 85 Rz. 10; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 27. 17) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 15. 18) Hüffer, AktG, § 85 Rz. 5; Hölters-Weber, AktG, § 85 Rz. 9. 19) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 85 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 9. 20) BayObLG, Beschl. v. 3.2.1987 – BReg 3 Z 162/86, AG 1987, 210, 211; Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 85 Rz. 15; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 17.
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§ 86 derten Abberufung bedarf.21) Die Erfüllung eines mit der gerichtlichen Bestellung verfolgten Zwecks oder der Wegfall der Dringlichkeit ziehen hingegen kein automatisches Erlöschen des Vorstandsamtes nach sich.22) Eine Abberufung des Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund kann nur durch das Gericht erfolgen, dem Aufsichtsrat ist ein Vorgehen nach § 84 Abs. 3 Satz 1 verwehrt.23) Allerdings kann der Aufsichtsrat bei Gericht einen Abberufungsantrag stellen.24) 3.
Auslagenersatz und Vergütung
12 Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 hat das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen sowie eine Vergütung für seine Tätigkeit. Erzielen die gemäß § 112 durch den Aufsichtsrat vertretene Gesellschaft und das Vorstandsmitglied keine Einigung, setzt gemäß § 85 Abs. 3 Satz 2 das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85 Abs. 3 Satz 3 die Beschwerde zulässig. Die Rechtsbeschwerde ist dagegen ausgeschlossen, weil nach Auffassung des Gesetzgebers eine höchstrichterliche Klärung von Fragen über die angemessene Vergütung und den Ersatz barer Auslagen nicht geboten sei.25) Aus der rechtskräftigen Festsetzung von Auslagen und Vergütung findet gemäß § 85 Abs. 3 Satz 4 die Zwangsvollstreckung nach der ZPO statt. Das bestellte Vorstandsmitglied kann die Amtsübernahme von der Leistung eines Vorschusses abhängig machen.26) _____________ 21) Hüffer, AktG, § 85 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 10; Hölters-Weber, AktG, § 85 Rz. 10. 22) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 85 Rz. 17; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 15. 23) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 85 Rz. 23; Hölters-Weber, AktG, § 85 Rz. 10; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 28. 24) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 85 Rz. 16; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 85 Rz. 18. 25) Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, BT-Drucks. 16/6308, S. 353. 26) Hüffer, AktG, § 85 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 85 Rz. 11.
§ 86 (aufgehoben)
1)
_____________ 1)
Aufgehoben durch Art. 1 des Gesetzes v. 19.7.2002 – TrPublG, BGBl. I, 2681.
§ 87 Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder (1) 1Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen, anreizorientierte Vergütungszusagen wie zum Beispiel Aktienbezugsrechte und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. 2Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. 3Variable Vergütungsbestandteile sollen daher eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben; für außerordentliche Entwicklungen soll der Aufsichtsrat eine Begrenzungsmöglichkeit 518
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Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
§ 87
vereinbaren. 4Satz 1 gilt sinngemäß für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art. (2) 1Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so, dass die Weitergewährung der Bezüge nach Absatz 1 unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat oder im Falle des § 85 Absatz 3 das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen. 2Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art können nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Satz 1 herabgesetzt werden. 3Durch eine Herabsetzung wird der Anstellungsvertrag im übrigen nicht berührt. 4Das Vorstandsmitglied kann jedoch seinen Anstellungsvertrag für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahrs mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen kündigen. (3) Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und kündigt der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds, so kann es Ersatz für den Schaden, der ihm durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entsteht, nur für zwei Jahre seit dem Ablauf des Dienstverhältnisses verlangen. Literatur: Annuß/Theusinger, Das VorstAG – Praktische Hinweise zum Umgang mit dem neuen Recht, BB 2009, 2434; Bauer/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Vorstandsvergütung nach dem VorstAG, AG 2009, 717; Baums, Die Unabhängigkeit des Vergütungsberaters, AG 2010, 53; Bayer/Meier-Wehrsdorfer, Abfindungsleistungen an Manager, AG 2013, 477; Bosse, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) – Überblick und Handlungsbedarf, BB 2009, 1650; Brandes, Rückzahlung überhöhter Vorstandsgehälter, ZIP 2013, 1107; Diller, Nachträgliche Herabsetzung von Vorstandsvergütungen und -ruhegeldern nach dem VorstAG, NZG 2009, 1006; Fleischer, Aufsichtsratsverantwortlichkeit für die Vorstandsvergütung und Unabhängigkeit der Vergütungsberater, BB 2010, 67; Fleischer, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG 2009, 801; Fleischer, Zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung im Aktienrecht, DStR 2005, 1279; Gaul/Janz, Wahlkampfgetöse im Aktienrecht: Gesetzliche Begrenzung der Vorstandsvergütung und Änderungen der Aufsichtsratstätigkeit, NZA 2009, 809; Hoffmann-Becking, Vorstandsvergütung nach Mannesmann, NZG 2006, 127; Hoffmann-Becking, Rechtliche Anmerkungen zur Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung, ZHR 169 (2005), 155; Hoffmann-Becking, Gestaltungsmöglichkeiten bei Anreizsystemen, NZG 1999, 797; Hoffmann-Becking/Krieger, Leitfaden zur Anwendung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG Beil. Heft 26/2009, S. 1; Hohaus/Weber, Die Angemessenheit der Vorstandsvergütung gem. § 87 AktG nach dem VorstAG, DB 2009, 1515; Hohenstatt, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, ZIP, 2009, 1349; Hohenstatt/ Kuhnke, Vergütungsstruktur und variable Vergütungsmodelle für Vorstandsmitglieder, ZIP 2009, 1981; Hohenstatt/Seibt/Wagner, Einbeziehung von Vorstandsmitgliedern in ergebnisabhängige Vergütungssysteme von Konzernobergesellschaften, ZIP 2008, 2289; Hüffer, Unangemessenheit der Vorstandsvergütung als Haftungsrisiko von Aufsichtsratsmitgliedern, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 589; Ihrig/Wandt/Wittgens, Die angemessene Vorstandsvergütung drei Jahre nach Inkrafttreten des VorstAG, ZIP Beil. zu Heft 40/2012, S. 1; Kling, Die Angemessenheit der Vorstandsvergütung gemäß § 87 AktG n. F., DZWIR 2010, 221; Koch, Die Herabsetzung der Vorstandsbezüge gemäß § 87 Abs. 2 AktG nach dem VorstAG, WM 2010, 49; Körner, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen in § 87 AktG, NJW 2004, 2697; Korts, Die Vereinbarung von Kontrollwechselklauseln in Vorstandsverträgen, BB 2009, 1876; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981; Liebers/Hoefs, Anerkennungsund Abfindungszahlungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder, ZIP 2004, 97; Lingemann, Angemessenheit der Vorstandsvergütung – Das VorstAG ist in Kraft, BB 2009, 1918; MayerUellner, Zur Zulässigkeit finanzieller Leistungen Dritter an die Mitglieder des Vorstands, AG 2011, 193; Mertens, Vorstandsvergütung in börsennotierten Aktiengesellschaften, AG 2011, 57; Mertens, Die Vorstandsvergütung auf dem Prüfstand, ZHR 169 (2005), 124; Overlack, Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung in der mitbestimmten GmbH, ZHR 141
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(1977), 125; Poguntke, Anerkennungsprämien, Antrittsprämien und Untreuestrafbarkeit im Recht der Vorstandsvergütung, ZIP 2011, 893; Seibert, Das VorstAG – Regelungen zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung und zum Aufsichtsrat, WM 2009, 1489; Siefer, Zwei Jahre nach DoddFrank – Erfahrungen mit dem Aktionärsvotum über die Vorstandsvergütung in den USA, NZG 2013, 691; Spindler, Rechtsfolgen einer unangemessenen Vorstandsvergütung, AG 2011, 725; Stoll, Die neuen Empfehlungen zur Vorstandsvergütung in der Kodexnovelle 2013 – Anwendung auf laufende Vorstandsverträge?, NZG 2014, 48; Thüsing, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, AG 2009, 517; Thüsing, Auf der Suche nach dem iustum pretium – zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen i.S. des § 87 AktG, ZGR 2003, 457; Tröger, Anreizorientierte Vorstandsvergütung im faktischen Konzern, ZGR 2009, 447; Otto, Obergrenzen bei Vorstandsvergütungen?, AG 2012, R155; Verse, Regulierung der Vorstandsvergütung – mehr Macht für die Aktionäre?, NZG 2013, 921; Wagner, Das neue Mitspracherecht der Hauptversammlung bei der Vorstandsvergütung, BB 2013, 1731; Wagner, Nachhaltige Unternehmensentwicklung als Ziel der Vorstandsvergütung, AG 2010, 774; Wettich, Vorstandsvergütung: Bonus-Malus-System mit Rückforderungsmöglichkeit (claw back) und Reichweite des Zuständigkeitsvorbehalts zugunsten des Aufsichtsratsplenums, AG 2013, 374; Wollburg, Unternehmensinteresse bei Vergütungsentscheidungen, ZIP 2004, 646; Ziemons, Als Aktienrechtsnovelle 2012 gestartet und als VorstKoG gelandet: Neues „Say on Pay“ und andere punktuelle Weiterentwicklungen des Aktienrechts, GWR 2013, 283.
Übersicht I. Überblick ........................................... 1 II. Festsetzung der Vorstandsbezüge durch den Aufsichtsrat .................... 4 III. Angemessenheit der Vorstandsbezüge (§ 87 Abs. 1) .......................... 5 1. Anwendungsbereich .......................... 5 a) Gesamtbezüge (§ 87 Abs. 1 Satz 1) ..................... 6 b) Versorgungsbezüge (§ 87 Abs. 1 Satz 4) ..................... 9 2. Angemessenheit ............................... 10 a) Allgemeine gesetzliche Kriterien ..................................... 13 aa) Aufgaben des Vorstandsmitglieds ..................................... 14 bb) Leistungen des Vorstandsmitglieds ..................................... 15 cc) Lage der Gesellschaft ................ 17 dd) Üblichkeit der Vergütung ......... 19 b) Allgemeine weitere Kriterien .... 22 c) Ausrichtung der Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung (§ 87 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3) ... 23 I.
d) Begrenzungsmöglichkeit für außerordentliche Entwicklungen .................................. 27 3. Einzelfragen ...................................... 28 a) Sondervergütungen .................... 28 b) Change of Control-Klauseln/ Abfindung ................................... 29 4. Rechtsfolgen einer unangemessenen Vorstandsvergütung für die Organmitglieder ......................... 30 IV. Herabsetzung der Vorstandsbezüge (§ 87 Abs. 2) ......................... 31 1. Voraussetzungen (§ 87 Abs. 2 Satz 1) .......................... 31 2. Verfahren .......................................... 35 3. Kündigungsrecht und Rechtsschutz der Vorstandsmitglieder (§ 87 Abs. 2 Satz 4) .......................... 38 V. Beschränkung von Schadensersatzansprüchen bei Insolvenz (§ 87 Abs. 3) ..................................... 39
Überblick
1 § 87 gibt dem Aufsichtsrat Leitlinien und Schranken für die Festsetzung der Vorstandsbezüge. Die Vorschrift dient dem Schutz der Gesellschaft – und damit mittelbar der Aktionäre, Arbeitnehmer und Gläubiger – vor einem übermäßigen Abfluss von Gesellschaftsver-
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mögen.1) Zudem trägt sie dazu bei, das Anlegervertrauen in eine auf nachhaltige Renditeerzielung gerichtete, angemessene Vorstandsvergütung zu erhalten.2) Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere nach der jüngsten Finanzmarktkrise verstärkt in den Fokus gerückt. Deshalb war es ein wesentliches Ziel des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.20093), durch eine Änderung des § 87 irreführenden Anreizen in den Vergütungssystemen zu begegnen.4) Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlichen Vorschriften“ (VorstKoG) wollte der Gesetzgeber erneut kurz vor den Bundestagswahlen in das Vorstandsvergütungssystem eingreifen. Der Impuls hierfür ging von dem Schweizer Volksentscheid „Gegen die Abzockerei“ vom 3.3.2013 aus.5) Durch eine Neufassung des § 120 Abs. 4 AktG sollte das VorstKoG drei wesentliche Änderungen für börsennotierte Gesellschaften einführen: –
Statt wie bisher fakultativ sollte die Hauptversammlung nunmehr obligatorisch „jährlich“ mit dem Vergütungssystem zu befassen sein; – die Beschlussfassung der Hauptversammlung sollte nicht mehr konsultativ sein, sondern rechtsverbindliche Wirkung entfalten und – das der Hauptversammlung vorzulegende Vergütungssystem sollte konkrete Angaben zu den höchstens erreichbaren Gesamtbezügen des Vorstands enthalten.6) Am 20.9.2013 verwies der Bundesrat das VorstKoG in den Vermittlungsausschuss. Da der 2 Deutsche Bundestag in der ablaufenden Wahlperiode nicht mehr zusammentrat, konnte das weitere Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 – 4 GG nicht mehr betrieben werden. Die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD hat sich nun vorgenommen, die Einführung eines zwingenden „Say on Pay“ der Hauptversammlung weiter zu verfolgen.7) Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat durch die am 10.6.2013 in Kraft getretene Kodexnovelle mehrere neue Empfehlungen zur Vorstandsvergütung begründet. Soweit die zu dem Zeitpunkt bestehenden Vorstandsverträge mit diesen Empfehlungen nicht in Einklang standen, ergibt sich allerdings keine Begründungspflicht aus § 111.8) § 87 Abs. 1 verpflichtet den Aufsichtsrat, für eine Angemessenheit der Vorstandsbezüge 3 (einschließlich Versorgungsbezügen) zu sorgen. Nach § 87 Abs. 2 soll der Aufsichtsrat die Vergütung des Vorstands herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft so verschlechtert, dass die unveränderte Weitergewährung der Bezüge unbillig für die Gesellschaft wäre. § 87 Abs. 3 begrenzt die Schadensersatzansprüche eines Vorstandsmitglieds bei einer insolvenzbedingten Kündigung seines Anstellungsvertrages. II.
Festsetzung der Vorstandsbezüge durch den Aufsichtsrat
Die Vorstandsbezüge werden vom Aufsichtsrat im Gesamtplenum festgesetzt. Eine 4 Delegation der Beschlussfassung auf einen Ausschuss (z. B. Präsidialausschuss, Personalausschuss) ist seit Geltung des VorstAG gemäß § 107 Abs. 3 Satz 3 nicht mehr möglich. Allerdings kann ein Ausschuss vorbereitende und ausführende Aufgaben übernehmen, indem er etwa Informationen sammelt, auswertet und gewichtet sowie einen Entscheidungs_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Kort in: GroßKomm-AktG, § 87 Rz. 1; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 2, Hüffer, AktG, § 87 Rz. 1, Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 1. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509. Seibert, WM 2009, 1489. Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP v. 26.6.2013, BT-Drucks. 17/14239; S. 1. S. a. Verse, NZG 2013, 921, 922 f.; Wagner, BB 2013, 1731 ff.; Ziemons, GWR 2013, 283 ff. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 14.12.2013, S. 14. Stoll, NZG 2014, 48, 49 ff.
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vorschlag ausarbeitet und mit dem (künftigen) Vorstandsmitglied verhandelt.9) Diese Vorgehensweise zeigt auch Ziff. 4.2.2 Abs. 1 DCGK auf. III.
Angemessenheit der Vorstandsbezüge (§ 87 Abs. 1)
1.
Anwendungsbereich
5 Das Gebot der Angemessenheit gilt für die Gesamt- und die Versorgungsbezüge der Vorstandsmitglieder einschließlich ihrer Stellvertreter (§ 94). a)
Gesamtbezüge (§ 87 Abs. 1 Satz 1)
6 Der Begriff „Gesamtbezüge“ ist weit zu verstehen. Er umfasst alle Leistungen, die einem aktiven Vorstandsmitglied mit Rücksicht auf seine Tätigkeit für die Gesellschaft gewährt werden.10) Die im Klammerzusatz enthaltene Aufzählung „Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen, anreizorientierte Vergütungszusagen wie z. B. Aktienbezugsrechte und Nebenleistungen jeder Art“ ist nicht abschließend.11) 7 Das Element „anreizorientierte Vergütungszusagen“ gehört zu der Kategorie variabler Vergütungsbestandteile. Hierunter sind neben den genannten Gewinnbeteiligungen und Aktienbezugsrechten z. B. auch sonstige aktienbasierte Vergütungen, Phantom StockProgramme, Tantiemen und Sondervergütungen (Appreciation Awards) zu zählen.12) Als Nebenleistungen gelten z. B. Dienstwagen, Wohnrechte, Kommunikationseinrichtungen in der privaten Wohnung, soweit diese jeweils privat nutzbar sind, die Gestellung von Personal für den privaten Bereich und die Übernahme von Kosten der medizinischen Vorsorge/Behandlung sowie von Versicherungsprämien.13) 8 Neben der von der Gesellschaft gewährten Vergütung sind auch Bezüge von Konzerngesellschaften und sonstige Drittbezüge, die dem Vorstandsmitglied im Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit gewährt werden,14) zu berücksichtigen,15) nicht jedoch Vergütungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit in einer Drittgesellschaft (z. B. im Aufsichtsrat, Beirat) oder Zahlungen der Gesellschaft bei Durchführung von Verkehrsgeschäften (z. B. Kauf von Immobilien oder Wertpapieren, Lizenzvereinbarungen), solange die vertraglichen Bedingungen einem Drittvergleich standhalten.16) b)
Versorgungsbezüge (§ 87 Abs. 1 Satz 4)
9 Versorgungsbezüge sind Leistungen, die die Gesellschaft oder ein Dritter auf deren Rechnung an ehemalige Vorstandsmitglieder oder ihre Hinterbliebenen erbringt.17) Das Gesetz nennt als Beispiele hierfür „Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art“. 2.
Angemessenheit
10 Das Angemessenheitsgebot stellt eine flexible Schranke im Vorfeld der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) dar.18) Es konkretisiert für den Teilaspekt der Vorstandsbezüge die Sorgfalts_____________ Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2439; Lingemann, BB 2009, 1918, 1922; Thüsing, AG 2009, 517, 524. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 9; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 156. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 18; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 9. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 5. Hüffer, AktG, § 87 Rz. 5; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 5. Vgl. hierzu Mayer-Uellner, AG 2011, 193, 198 f.; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beil. zu Heft 40, S. 1, 7. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 5; so auch Ziff. 4.2.2 Abs. 2 DCGK. Kort in: GroßKomm-AktG, § 87 Rz. 25 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 10; HöltersWeber, AktG, § 87 Rz. 6. 17) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 19. 18) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 21; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 1; Kort in: GroßKomm-AktG, § 87 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 6.
9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16)
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pflicht des Aufsichtsrats bei Ausübung seiner Personalkompetenz (§§ 116, 93).19) Die vom Aufsichtsrat vorzunehmende Beurteilung der Angemessenheit bedarf der Bewertung einer komplexen Gemengelage von verschiedenen im Einzelfall vorliegenden Faktoren.20) Dabei darf sich der Aufsichtsrat nicht darauf beschränken, nur die in § 87 Abs. 1 Satz 1 genannten Kriterien in seine Entscheidung einzubeziehen, sondern hat ergänzend auch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die für die Ermittlung der Angemessenheit von Bedeutung sind (hierzu sogleich unter Rz. 22).21) Gegenstand der Angemessenheitsprüfung sind die Gesamtbezüge einschließlich der Ver- 11 sorgungsbezüge.22) Der Aufsichtsrat hat also keine Bewertung einzelner Vergütungsbestandteile vorzunehmen, sondern ein Werturteil auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen.23) Demnach können z. B. besonders attraktive Aktienoptionen im Paket mit einem vergleichsweise niedrigen Grundgehalt durchaus angemessen sein. Der Aufsichtsrat erhält so die Flexibilität, die er benötigt, um durch das Vergütungssystem im Interesse des Unternehmens die optimalen Leistungsanreize für die Vorstandsmitglieder zu schaffen („Funktionalität der Vergütung“).24) Solange er sich an diesem Grundsatz orientiert, handelt er auch nicht in Widerspruch zu Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 5 DCGK, nach dem sämtliche Vergütungsteile „für sich und insgesamt“ angemessen sein sollen.25) Die Entgegennahme einer überhöhten Vergütung durch den Vorstand stellt grundsätzlich keine Verletzung der diesem gegenüber der Gesellschaft obliegenden Loyalitäts- und Treuepflichten dar.26) Bei der Aushandlung der Konditionen des Anstellungsvertrages muss der Vorstand also weder eine eigene Angemessenheitsprüfung durchführen noch seine eigenen Interessen dem Gesellschaftsinteresse unterordnen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Aufsichtsrat die ihm nach § 87 Abs. 1 gesteckten Grenzen evident überschreitet oder Aufsichtsrat und Vorstand kollusiv zum Schaden der Gesellschaft zusammenwirken. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Angemessenheitsbewertung ist die Festsetzung der Ver- 12 gütung. Eine nachträgliche Änderung der Umstände kann – soweit nichts anderes im Anstellungsvertrag vereinbart ist – nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 zu einer Anpassung der Bezüge führen.27) a)
Allgemeine gesetzliche Kriterien
Das Gesetz nennt vier Kriterien, an denen sich die Angemessenheitsprüfung zu orientieren 13 hat: –
Aufgaben des Vorstandsmitglieds,
–
Leistungen des Vorstandsmitglieds,
_____________ 19) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 2. 20) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Thüsing, ZGR 2003, 457, 468. 21) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 19; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 8 f.; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 16. 22) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 22; a. A. – Durchführung getrennter Angemessenheitsprüfungen für Gesamtbezüge und Versorgungsbezüge – Kort in: GroßKomm-AktG, § 87 Rz. 58 f.; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 9. 23) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 5; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 5. 24) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 6; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 5. 25) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 6; so wohl auch Ringleb/Kremer/Lutter/v.Werder-Ringleb, DCGK, Rz. 731 f. 26) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 9; Brandes, ZIP 2013, 1107, 1108; a. A. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 79; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 58, § 93 Rz. 120. 27) RegE Begr. in: Kropff, S. 111; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 5; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 6 Rz. 4; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 72; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 18.
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–
Lage der Gesellschaft und
–
Üblichkeit der Vergütung.
aa)
Aufgaben des Vorstandsmitglieds
14 Der Aufgabenbereich eines Vorstandsmitglieds ergibt sich aus seinem Anstellungsvertrag, der in Satzung oder Geschäftsordnung festgelegten Geschäftsverteilung für den Vorstand sowie deren tatsächlicher Handhabung.28) Für die Vergütung relevant sind z. B. Größe und Bedeutung des Aufgabenbereichs, Maß der Verantwortung, Schwierigkeit der übertragenen Aufgaben sowie Umfang der Kommunikations- und Repräsentationspflichten.29) Auf dieser Basis kann es zu deutlich unterschiedlichen Bezügen der einzelnen Vorstandsmitglieder kommen.30) Insbesondere kann es angemessen sein, mit dem Vorstandsvorsitzenden aufgrund seiner herausgehobenen Stellung eine höhere Vergütung zu vereinbaren. Die Gesamtverantwortung des Vorstands als Kollegialorgan steht dem nicht entgegen.31) bb)
Leistungen des Vorstandsmitglieds
15 Auch wenn das Leistungskriterium durch das VorstAG ausdrückliche Normierung gefunden hat, besteht Einigkeit darüber, dass die individuelle Leistung eines Vorstandsmitglieds schon vor der Gesetzesänderung bei der Entscheidung über die Bemessung seiner Bezüge zu berücksichtigen war und es somit materiell zu keiner Änderung der Rechtslage gekommen ist.32) Allerdings hat die Aufnahme in den gesetzlichen Kriterienkatalog zu einer deutlich stärkeren Gewichtung des Merkmals „Leistung“ geführt, zumal die öffentliche Sensibilisierung für dieses Thema auch nach Abklingen der Finanzmarktkrise anhält. 16 Ziel des Gesetzgebers war es vor allem, dass die im Zuge einer Vertragsverlängerung anstehende Neufestsetzung der Bezüge unter Berücksichtigung der bisher im Unternehmen erbrachten persönlichen Leistungen vorgenommen wird.33) Im Falle einer Erstbestellung können die Leistungen des Vorstandsmitglieds allenfalls anhand von bereits erzielten Ergebnissen in ähnlichen Positionen oder prospektiv unter Berücksichtigung des übertragenen Aufgabengebietes Einfluss in die Vergütungsentscheidung finden.34) cc)
Lage der Gesellschaft
17 Die Lage der Gesellschaft beschreibt deren wirtschaftliche Gesamtsituation. Dazu gehören neben der aktuellen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage auch die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft.35) Als Vorstandsmitglied einer konzernleitenden Gesellschaft ist in der Regel die wirtschaftliche Situation des Gesamtkonzerns zu berücksichtigen. Höchstrichterlich nicht entschieden ist bisher die Frage, ob die variablen Vergütungsbestandteile der Vorstandsmitglieder faktisch konzernierter Gesellschaften an den wirtschaftlichen Erfolg der herrschenden Gesellschaft geknüpft werden können.36) Dies wird von der _____________ 28) Kort in: GroßKomm-AktG, § 87 Rz. 29; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 19. 29) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 10; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 28. 30) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 10; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 12; HoffmannBecking, NZG 1999, 797, 798. 31) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 28; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 19. 32) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 11; Fleischer, NZG 2009, 801, 802. 33) Begr. RegE zum VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 5. 34) Kort in: GroßKomm-AktG, § 87 Rz. 32; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 13. 35) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 31; Fleischer, DStR 2005, 1279, 1280. 36) Offen lassend: BGH, Beschl. v. 9.11.2009 – II ZR 154/08, ZIP 2009, 2436.
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derzeit wohl h. M. verneint.37) Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages ist eine solche Konstruktion hingegen unkritisch.38) Eine wirtschaftlich schlechte Lage des Unternehmens wird in der Regel zu einem mode- 18 raten Vergütungsansatz führen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass gerade in Sanierungsszenarien besondere Verantwortung auf der Geschäftsleitung lastet und ein erhöhtes Risiko einer persönlichen Haftung und einer Beschädigung der eigenen Reputation besteht. Angesichts dessen kann die Zubilligung höherer Bezüge angemessen sein, wenn dies notwendig ist, um eine Führungskraft verpflichten zu können, die ein Sanierungskonzept unter diesen schwierigen Bedingungen umsetzt.39) dd)
Üblichkeit der Vergütung
Die Bezüge der Vorstandsmitglieder dürfen die übliche Vergütung nicht ohne besondere 19 Gründe40) übersteigen. Eine höhere Vergütung als die Übliche ist demnach nicht per se unangemessen, bedarf aber einer besonderen Rechtfertigung. Umgekehrt stellt eine übliche Vergütung nach der zutreffenden h. M. kein Indiz für deren Angemessenheit dar.41) Um festzustellen, ob die Grenze der Üblichkeit überschritten ist, hat der Aufsichtsrat 20 eine doppelte Prüfung vorzunehmen. Zunächst ist ein Vergleich zu der Vergütungsstruktur von Führungskräften in deutschen Unternehmen der gleichen Branche und ähnlicher Größe zu ziehen (horizontale Vergleichbarkeit).42) Bei stark international ausgerichteten Unternehmen wird man darüber hinaus auch ausländische Vergütungsniveaus vergleichbarer Positionen zu berücksichtigen haben, wobei allerdings etwaige Besonderheiten bei der Wahrnehmung eines ausländischen Mandats (z. B. höhere Haftungsrisiken, unsichere Perspektive) nicht außer Betracht bleiben dürfen.43) Bei Hinzuziehung eines externen Vergütungsberaters sind hohe Anforderungen an dessen Unabhängigkeit zu stellen (hierzu auch Ziff. 4.2.2 Abs. 3 DCGK).44) Des Weiteren ist i. R. der Üblichkeitsprüfung das Lohn- und Gehaltsgefüge im Unter- 21 nehmen heranzuziehen (Vertikalität).45) Dabei ist darauf zu achten, „dass die Vergütungsstaffelung im Unternehmen beim Vorstand nicht Maß und Bezug zu den Vergütungsgepflogenheiten und dem Vergütungssystem im Unternehmen im Übrigen verliert.“46) In seiner aktuellen Fassung vom 10.6.2013 empfiehlt der Deutsche Corporate Governance Kodex _____________ 37) OLG München, Urt. v. 7.5.2008 – 7 U 5618/07, ZIP 2008, 1237; Hüffer, AktG, § 192 Rz. 20; Mertens/ Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 51; HoffmannBecking, NZG 1999, 797, 803; Tröger, ZGR 2009, 447 ff.; a. A. Habersack, NZG 2008, 634, 635 (Urteilsanm.); Hohenstatt/Seibt/Wagner, ZIP 2008, 2289, 2291 ff. 38) Hüffer, AktG, § 192 Rz. 20; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 51. 39) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Kort in: GroßKomm-AktG, § 87 Rz. 35. 40) Zu rechtfertigenden Umständen einer solchen Abweichung: Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2435; Hohaus/Weber, DB 2009, 1515, 1516. 41) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 719; Lingemann, BB 2009, 1918; Fleischer, NZG 2009, 801, 802; Seibert, WM 2009, 1489, 1490; Thüsing, AG 2009, 517, 518; a. A. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 15; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 24. 42) Begr. RegE zum VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 5; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 43) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 10; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 720; Fleischer, NZG 2009, 801, 802; einschränkend Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 16; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 22; Kling, DZWIR 2010, 221, 225. 44) Ausführlich Baums, AG 2010, 53 ff.; Fleischer, BB 2010, 67 ff. 45) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Seibert, WM 2009, 1489, 1490. 46) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10.
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nun in Ziff. 4.2.2 Abs. 2 Satz 3, auch die zeitliche Entwicklung bei der Vergütung im Verhältnis zwischen Vorstand und oberem Führungskreis/Belegschaft zu berücksichtigen. Die praktische Relevanz eines vertikalen Vergleichs, der vor allem aus rechtspolitischen Überlegungen Eingang in die gesetzgeberische Diskussion gefunden hat, ist umstritten.47) Während das Anliegen einer Vermeidung der Entkoppelung der Vorstandsvergütung von Gehaltspolitik und -gefüge im Unternehmen im Grundsatz auf ungeteilte Zustimmung stößt,48) besteht Uneinigkeit über die Konsequenzen. Jedenfalls wird die Einführung starrer Multiplikatoren, wie sie in der politischen Diskussion gefordert werden („das 20-fache eines Facharbeiterlohns“) praktisch einhellig abgelehnt.49) Die Beachtung eines angemessenen Abstands zur ersten Führungsebene wird dagegen als sachgerecht empfunden.50) Nach alledem wird der Aufsichtsrat i. R. seiner pflichtgemäßen Ermessensentscheidung über die Höhe der Vorstandsbezüge das vertikale Vergütungsgefüge mit berücksichtigen müssen. Etwaige Spannungen zwischen horizontalem und vertikalem Vergleichsmaßstab sind im Einzelfall aber zugunsten des ersten aufzulösen.51) b)
Allgemeine weitere Kriterien
22 Bei den gesetzlich normierten Kriterien handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um keinen abschließenden Katalog. Weitere anerkannte Bezugspunkte für die Angemessenheitsentscheidung sind z. B. besondere Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen eines Vorstandsmitglieds, das Alter und seine Reputation („Marktwert“), die konkrete Verhandlungslage sowie die Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft.52) Umstritten ist dagegen, ob die Familienverhältnisse Berücksichtigung finden können.53) c)
Ausrichtung der Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung (§ 87 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3)
23 Börsennotierte Gesellschaften hat der VorstAG-Gesetzgeber in § 87 Abs. 1 Satz 2 verpflichtet, die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Werden variable Vergütungsbestandteile vereinbart, so sollen diese gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben. Für außergewöhnliche Entwicklungen soll der Aufsichtsrat eine Begrenzung vereinbaren. Nicht börsennotierte Unternehmen unterliegen zwar keiner normierten Nachhaltigkeitsverpflichtung, allerdings sollten deren Aufsichtsräte § 87 Abs. 1 Satz 2 als Zielvorstellung i. R. der ihnen obliegenden Leitungssorgfalt (§§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1) berücksichtigen.54)
_____________ 47) Krit. Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2435; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 720; Kling, DZWIR 2010, 221, 226; Lingemann, BB 2009, 1918, 1919. 48) S. nur Kling, DZWIR 2010, 221; 226; Lingemann, BB 2009, 1918, 1919. 49) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 87, Rz. 2; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 23; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1351; Kling, DZWIR 2010, 221, 226. 50) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2. 51) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 23; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 720; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26, S. 1, 2. 52) BGH, Urt. v. 14.05.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224, 228 = ZIP 1990, 784 = NJW 1990, 2625 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 19; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 8 f.; Thüsing, ZGR 2003, 457, 468; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beil. zu Heft 40, S. 1, 7. 53) So Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 29; Thüsing, AG 2009, 517, 518; krit. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 9; a. A. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 19. 54) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 4c; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 30.
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Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
§ 87
Trotz einer anhaltenden Diskussion im Schrifttum über den exakten Bedeutungsgehalt 24 des politischen Modebegriffs „Nachhaltigkeit“ im gegenwärtigen Kontext,55) ist das gesetzgeberische Anliegen im Kern klar. Zuvorderst geht es um den langfristigen Erhalt des Unternehmens.56) Mindestvoraussetzung dafür ist die Erwirtschaftung einer ausreichenden Rendite, um notwendige Investitionen im Unternehmen tätigen und den Aktionären im Wettbewerb um Kapital eine attraktive Verzinsung bieten zu können (siehe auch § 76 Rz. 13).57) Auf Dauer ist dies nur zu erreichen, wenn auch die Interessen sonstiger „Stakeholder“ wie Mitarbeiter, Kunden, Gläubiger, etc. in angemessener Weise berücksichtigt werden (vgl. auch Ziff. 4.1.1 DCGK: „… Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer, und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder)).“58) Einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung entgegen laufen damit Maßnahmen, die unter Inkaufnahme einer unangemessenen Gefährdung der langfristigen Bestandsaussichten des Unternehmens der Erreichung eines kurzfristigen stichtagsbezogenen Ziels (z. B. Börsenkurs, Umsatz, Marktanteil) dienen. Zur besseren Veranschaulichung wird hierfür treffend das Bild eines Strohfeuers benutzt.59) Eine Vergütungsstruktur, die Anreize für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung 25 setzt, muss also dauerhaften, d. h. zumindest periodenübergreifenden Erfolg incentivieren.60) Das Gesetz macht keine Vorgaben, wie diese Struktur im Einzelnen auszusehen hat.61) Einigkeit besteht darüber, dass die Vereinbarung variabler Vergütungsinstrumente kein Muss ist.62) Werden jedoch wie üblich variable Vergütungsbestandteile vorgesehen, so sollen diese gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben. Aus Gesetzeswortlaut („sollen“) und Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass nicht ausschließlich langfristige Leistungsanreize verwendet werden müssen, sondern eine Kombination mit kurzfristigen Elementen (z. B. Jahrestantiemen, Transaktionsboni) möglich ist, solange letztere das Gesamtziel einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung nicht konterkarieren und insgesamt ein langfristiger Verhaltensanreiz erhalten bleibt.63) Die Ausgestaltung der mehrjährigen Bemessungsgrundlage obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats. Der Gesetzgeber hat bewusst keine Modelle vorgeben wollen.64) Maßgeblich für die Nachhaltigkeitsausrichtung ist allerdings, dass „nicht nur die Auszahlung hinausgeschoben werden darf, vielmehr müssen die variablen Bestandteile auch an negativen Entwicklungen im gesamten Bemessungszeitraum teilnehmen.“65) _____________ 55) S. hierzu Wagner, AG 2010, 774, 775. 56) Seibert, WM 2009, 1489, 1490. 57) So auch OLG Hamm, Urt. v. 10.05.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 514; Hüffer, AktG, § 76 Rz. 13; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 52; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 76 Rz. 74; K. Schmidt/LutterSeibt, AktG, § 76 Rz. 12; Wagner, AG 2010, 774, 777. 58) Seibert, WM 2009, 1489, 1490. 59) Fleischer, NZG 2009, 801, 803; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981, 1982; Thüsing, AG 2009, 517, 520. 60) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 4 c; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 30. 61) Zur Zulässigkeit eines Bonus-Malus-Systems mit Rückforderungsmöglichkeiten (claw back): Wettich, AG 2013, 374. 62) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 12; Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2436; Hoffmann-Becking/ Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26, S. 1, 2; Mertens, AG 2011, 57, 59; Thüsing, AG 2009, 517, 520. 63) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Spindler/StilzFleischer, AktG, § 87 Rz. 29; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 12; Bosse, BB 2009, 1650, 1651; Fleischer, NZG 2009, 801, 803; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1351; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981, 1986 f.; Thüsing, AG 2009, 517, 520; die Verbindlichkeit der gesetzlichen Handlungsanweisung verneinend: Mertens, AG 2011, 57, 59 ff. 64) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10. Zu einzelnen Gestaltungen, die sich in der Praxis etabliert haben: K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 12. 65) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10.
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Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
26 Die zeitliche Erstreckung der Bemessungsgrundlage ist umstritten. In der Diskussion sind Mindestfristen zwischen zwei und fünf Jahren.66) Sachgerecht ist eine differenzierende Betrachtungsweise. Der in der Literatur verschiedentlich herangezogene „Orientierungsrahmen“ des § 193 Abs. 2, der eine durch das VorstAG von zwei auf vier Jahren verlängerte Ausübungsfrist für Aktienoptionen vorsieht,67) drängt sich allenfalls für aktienkursorientierte Vergütungselemente (z. B. Phantom Stocks, Stock Appreciation Awards) auf. Insoweit kann der § 193 Abs. 2 seine Funktion als „Auslegungshilfe“ für die Formulierung langfristiger Verhaltensanreize, die ihm im Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen zugedacht war,68) erfüllen. Für die Festlegung des Bemessungszeitraums von nicht kursorientierten Vergütungselementen fehlt ein entsprechendes gesetzliches Leitbild. Daher spricht in diesem Fall nichts gegen kürzere Laufzeiten – angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit ist für die Praxis das Unterschreiten einer Drei-Jahres-Frist allerdings nicht anzuraten.69) d)
Begrenzungsmöglichkeit für außerordentliche Entwicklungen
27 Nach § 87 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 soll der Aufsichtsrat einer börsennotierten AG in der Vergütungszusage eine Begrenzungsmöglichkeit für den Einfluss außerordentlicher Entwicklungen auf die variable Vergütung vereinbaren, damit die Vorstandsmitglieder von Ereignissen wie z. B. Unternehmensübernahmen, Veräußerung von Unternehmensanteilen oder Hebung stiller Reserven nicht unbegrenzt profitieren.70) Wie der Aufsichtsrat diese Begrenzung ausgestaltet, obliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen.71) Ziff. 4.2.3 Abs. 3 Satz 4 DCGK, dem der VorstAG-Gesetzgeber diese Regelung entlehnt hat, sieht grundsätzlich eine feste höhenmäßige Begrenzung (Cap) vor. 3.
Einzelfragen
a)
Sondervergütungen
28 Die Gewährung von Sondervergütungen für die Durchführung einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen (z. B. Transaktionsboni) ist grundsätzlich weiterhin zulässig, solange die Zahlung nicht für die Erreichung eines Ziels gewährt wird, das im Widerspruch zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung steht und der langfristige Anreizcharakter der Vergütungsstruktur insgesamt gewahrt bleibt.72) Dies gilt nach der praktisch einhelligen Auffassung in der Literatur selbst dann, wenn die Sondervergütung vorher nicht ausdrücklich vorher vertraglich vereinbart wurde, soweit sie nach Art und Höhe als Ergänzung der ursprünglich vertraglich festgelegten, aber nachträglich nicht mehr als leistungsgerecht erscheinenden Vergütung verstanden werden kann.73) In der Praxis gilt _____________ 66) 67) 68) 69)
70) 71) 72)
73)
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S. im Einzelnen Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 31 m. w. N. Hierzu Fleischer, NZG 2009, 801, 803; Gaul/Janz, NZA 2009, 809, 810; Seibert, WM 2009, 1489, 1490. Begr. RegE zum VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, 6. So im Ergebnis auch Hüffer, AktG, § 87 Rz. 4d; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 37; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 723; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26, S. 1, 3; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beil. zu Heft 40, S. 1, 10 f. So die Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10. A. A. mit Zweifeln an der Justiziabilität der Vorschrift: Mertens, AG 2001, 57, 62 f. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 29, 47; Hüffer, AktG, § 87, Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 14; Fleischer, NZG 2009, 801, 803; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26, S. 1, 3; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981, 1987; Thüsing, AG 2009, 517, 520. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 50 f.; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 14; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 41; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 161 ff.; Liebers/ Hoefs, ZIP 2004, 97, 99 ff.; Wollburg, ZIP 2004, 646, 652.
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Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
§ 87
es jedoch, die Vorgaben der „Mannesmann-Entscheidung“ des BGH zu beachten.74) Hiernach ist die Bewilligung einer nachträglichen Prämie ohne dienstvertragliche Rechtsgrundlage nur dann zulässig, wenn und soweit dem Unternehmen gleichzeitig Vorteile zufließen, die in einem angemessenen Verhältnis zu der mit der freiwilligen Zusatzvergütung verbundenen Minderung des Gesellschaftsvermögens stehen. Die Zahlung reiner Anerkennungsprämien scheidet damit in aller Regel aus.75) Daher sollte dienstvertraglich zumindest vorgesehen werden, dass der Aufsichtsrat bei besonderen Leistungen des Vorstandsmitglieds nach billigem Ermessen über eine Sondervergütung entscheidet.76) b)
Change of Control-Klauseln/Abfindung
Change of Control-Klauseln sehen für den Fall eines Kontrollwechsels ein Sonderkündi- 29 gungsrecht und eine vorab fest vereinbarte Leistung zugunsten eines Vorstandsmitglieds vor.77) Solche Regelungen sind ebenso wie die Zahlung einer Abfindung bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags ohne wichtigen Grund grundsätzlich zulässig, unterliegen aber jeweils dem Angemessenheitsgebot aus § 87 Abs. 1.78) Eine Orientierung hierfür bietet Ziff. 4.2.3 DCGK, der in Absatz 4 für Abfindungen ein Cap von zwei Jahresvergütungen, maximal jedoch die für die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vorgesehene Vergütung und in Absatz 5 für den Fall eines Change of Control eine Begrenzung i. H. von 150 % des Abfindungs-Caps vorsieht. 4.
Rechtsfolgen einer unangemessenen Vorstandsvergütung für die Organmitglieder
Die Gewährung unangemessener Vorstandsbezüge führt zu einer Schadensersatzpflicht 30 der Aufsichtsratsmitglieder nach § 116 Satz 3,79) aber nur ausnahmsweise der Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 (vgl. Rz. 11). Die Schadensberechnung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 ff. BGB, so dass auch ein etwaiger Vorteilsausgleich Berücksichtigung findet.80) Zudem kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB in Betracht.81) IV.
Herabsetzung der Vorstandsbezüge (§ 87 Abs. 2)
1.
Voraussetzungen (§ 87 Abs. 2 Satz 1)
Nach § 87 Abs. 2 Satz 1 soll der Aufsichtsrat die Gesamtbezüge (einschließlich Versorgungs- 31 leistungen i. S. von § 87 Abs. 1 Satz 4) der Vorstandsmitglieder auf die angemessene Höhe herabsetzen, wenn –
sich die Lage der Gesellschaft (nicht die des Konzerns)82) verschlechtert und
–
die Weitergewährung der Bezüge unbillig für die Gesellschaft wäre.83)
_____________ 74) BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331= ZIP 2006, 72 = AG 2006, 110. 75) S. vertiefend Poguntke, ZIP 2011, 893, 895 ff. 76) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 4; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 37; Bauer/Arnold, DB 2006, 546; HoffmannBecking, NZG 2006, 127, 130. 77) Hierzu näher Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 87; Korts, BB 2009, 1876. 78) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 53; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 4b; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 14; zur Begrenzung von Abfindungsleistungen de lege lata und de lege ferenda: Bayer/ Meier-Wehrsdorfer, AG 2013, 477, 486 ff. 79) Zu den Haftungsvoraussetzungen im Einzelnen: Hüffer in: FS Hoffmann-Becking, S. 589, 591 ff. 80) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 7; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beil. zu Heft 40, S. 1, 29. 81) Spindler, AG 2011, 725, 727 f. 82) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 63; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 18; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 725. 83) Zur Rechtslage vor Änderung duch das VorstAG im Einzelnen: Koch, WM 2010, 49.
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Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
32 Nachdem der Gesetzeswortlaut des § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG a. F. noch eine „wesentliche“ Verschlechterung der Lage der Gesellschaft und eine „schwere“ Unbilligkeit der Weitergewährung unveränderter Bezüge zu Voraussetzungen einer Herabsetzung der Vorstandsvergütung gemacht hatte, spiegelt die Vorschrift nunmehr die rechtspolitische Absicht des VorstAG-Gesetzgebers wieder, die Handlungsschwelle für den Aufsichtsrat deutlich herabzusetzen.84) Dies kommt auch in der Begründung des Fraktionsentwurfs zum Ausdruck, nach dem eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft dann vorliegt, „wenn die Gesellschaft Entlassungen oder Lohnkürzungen vornehmen muss und keine Gewinne mehr ausschütten kann. Insolvenz oder unmittelbare Krise erfüllen die Voraussetzung stets, sind aber nicht notwendig.“85) Auch wenn die Neufassung der Vorschrift somit die Herabsetzung der Bezüge bereits deutlich vor Eintritt einer existenzgefährdenden Krise bezweckt, wird der Aufsichtsrat im Einzelfall stets berücksichtigen müssen, dass Art. 14 GG die vertraglichen Anspruchspositionen der Vorstandsmitglieder schützt,86) so dass an das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen strenge Anforderungen gestellt werden müssen. Eine Anpassung der Vorstandsvergütung bei nur geringfügigen oder vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft scheidet daher aus.87) 33 Die Verschlechterung der Lage muss nachträglich, also nach Festsetzung der Bezüge eingetreten und zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar gewesen sein. Die spätere Erkenntnis des Aufsichtsrats, dass die Vergütung zu hoch angesetzt ist oder das Vorstandsmitglied die Erwartungen enttäuscht hat, rechtfertigt in keinem Fall eine Herabsetzung der Bezüge.88) 34 Schließlich muss die Weitergewährung einer unveränderten Vergütung für die Gesellschaft „unbillig“ sein. Dies setzt eine Einzelfallbewertung aus Sicht der Gesellschaft voraus; die veröffentlichte Meinung oder mutmaßliche allgemeine Wertungen bleiben außer Betracht.89) Nach der Begründung des Fraktionsentwurfs liegt ein Fall der Unbilligkeit vor, „wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat, aber auch dann, wenn ihm kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist.“90) Angesichts der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder spielt es keine Rolle, in wessen Ressortverantwortung die Verschlechterung der Lage fällt.91) Zu berücksichtigen ist ferner, ob die Vorstandsmitglieder über Vergütungsbestandteile, die an den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft geknüpft sind, bei Verschlechterung der Lage ohnehin Abschläge auf ihre Bezüge hinnehmen müssen. Auch die persönlichen Verhältnisse eines Vorstandsmitglieds können in die Billigkeitserwägungen einfließen.92) 2.
Verfahren
35 Zuständig für eine Herabsetzung der Bezüge ist der Gesamtaufsichtsrat, eine Delegation auf einen Ausschuss ist nicht zulässig (§ 107 Abs. 3 Satz 3). Die Entscheidung über eine _____________ 84) Seibert, WM 2009, 1489, 1490. 85) Begr. RegE zum VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 7. 86) Hierzu BVerfG, Urt. v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1, 8 = NJW 1993, 2035; BVerfG, Urt. v. 31.10.1984 – 1 BvR 35/82, 1 BvR 356/82, 1 BvR 794/82, BVerfGE 68, 193, 222 f. = NJW 1985, 1385. 87) Mit gleicher Tendenz Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 63; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 18; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 47; Diller, NZG 2009, 1006, 1007; Gaul/Janz, NZA 2009, 809, 812; Lingemann, BB 2009, 1918, 1921; a. A. Bosse, BB 2009, 1650, 1651; Seibert, WM 2009, 1489, 1493. 88) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 63; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 9. 89) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 18, Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 726; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1353. 90) Begr. RegE zum VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 7. 91) Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 49; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26, S. 1, 5. 92) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 18.
530
Jan Eckert
Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder
§ 87
Anpassung der Vergütung erfolgt im Beschlusswege (§ 108). Nach dem Wortlaut des § 87 Abs. 2 Satz 1 „soll“ der Aufsichtsrat bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Herabsetzung der Bezüge vornehmen. Daraus ergibt sich die unter den Voraussetzungen der §§ 116, 93 schadensersatzrelevante Pflicht des Aufsichtsrats, über die Herabsetzung der Bezüge zu entscheiden und diese auch vorzunehmen, es sei denn, er verzichtet darauf aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände.93) So kann er z. B. gerade in Krisensituationen darauf bedacht sein, das den Vorstandsmitgliedern in Folge einer Vergütungsanpassung zustehende Kündigungsrecht aus § 87 Abs. 2 Satz 4 (dazu sogleich unter Rz. 38) zu vermeiden, wenn er deren Verbleib in der Gesellschaft als kritisch für den Erfolg eines Turn Arounds oder einer Restrukturierung hält.94) Dabei handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung i. S. von § 93 Abs. 1 Satz 2.95) Die Herabsetzung der Bezüge erfolgt auf die angemessene Höhe i. S. des § 87 Abs. 1 36 Satz 1. Davon werden sämtliche laufende Bezüge einschließlich Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen und sonstige Nebenleistungen erfasst.96) Nach dem Willen des Gesetzgebers sind auch etwaige Abfindungsansprüche mit einzubeziehen.97) Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 2 können schließlich auch Versorgungsbezüge i. S. von § 87 Abs. 1 Satz 4 gekürzt werden, allerdings lediglich innerhalb von drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft. Im Übrigen ist eine rückwirkende Herabsetzung nicht möglich – eine einmal verdiente Tantieme ist also auch dann auszuzahlen, wenn sich die Gesellschaft bei Fälligkeit in einer Krise befindet.98) Die Herabsetzung erfolgt durch eine einseitige Erklärung (Gestaltungsrecht i. S. von § 315 37 Abs. 2 BGB), die der Aufsichtsrat für die Gesellschaft abgibt.99) Hat das Gericht gemäß § 85 Abs. 3 die Vergütung des Vorstandsmitglieds festgesetzt, ist dieses gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 ausschließlich zuständig, die Bezüge auf Antrag des Aufsichtsrats herabzusetzen. 3.
Kündigungsrecht und Rechtsschutz der Vorstandsmitglieder (§ 87 Abs. 2 Satz 4)
Durch die Herabsetzung der Bezüge wird der Anstellungsvertrag unmittelbar geändert, bleibt 38 im Übrigen aber unberührt (§ 87 Abs. 2 Satz 3). Das Vorstandsmitglied ist an den Vertrag mit dem so modifizierten Inhalt gebunden, wenn es diesen nicht gemäß § 87 Abs. 2 Satz 4 mit einer Sechs-Wochen-Frist zum Ende des nächsten Kalendervierteljahres kündigt.100) Alternativ kann das Vorstandsmitglied eine Leistungsklage auf Weitergewährung unveränderter Bezüge gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112), erheben.101) Geschieht dies innerhalb der genannten Kündigungsfrist, kann die Kündigung auch noch nach rechtskräftiger Festellung der Zulässigkeit der Herabsetzungsentscheidung erfolgen.102)
_____________ 93) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Ihrig/Wandt/ Wittgens, ZIP 2012, Beil. zu Heft 40, S. 1, 22: „ermessenslenkende Sollvorschrift“. 94) So auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.11.2011 – 9 U 18/11, NZG 2012, 299, 301 = ZIP 2012, 2081: „Herabsetzung der Vorstandsbezüge … nicht gerechtfertigt“; Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 727; Bosse, BB 2009, 1650, 1651; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1352. 95) Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 54; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26, S. 1, 5. 96) Bauer/Arnold, AG 2009, 717, 728; Koch, WM 2009, 49, 56. 97) Begr. RegE zum VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 7; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 68. 98) Thüsing, AG 2009, 517, 522. 99) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 20. 100) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 11, K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 21. 101) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 100; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 55. 102) Hüffer, AktG, § 87 Rz. 11; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 87 Rz. 108; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 21; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 102.
Jan Eckert
531
§ 88
Wettbewerbsverbot
Schließlich kann eine unberechtigte und grob unbillige Herabsetzung auch einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung i. S. von § 626 BGB darstellen.103) V.
Beschränkung von Schadensersatzansprüchen bei Insolvenz (§ 87 Abs. 3)
39 Kündigt der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds in der Insolvenz nach § 113 Satz 1 InsO, kann dieses gemäß § 113 Satz 3 InsO als Insolvenzgläubiger Schadensersatz verlangen. § 87 Abs. 3 beschränkt den Schadensersatzanpruch auf den Schaden, der bis zum Ablauf von zwei Jahren seit Ende des Anstellungsvertrages entsteht. Versorgungsleistungen i. S. von § 87 Abs. 1 Satz 4 sind hiervon nicht betroffen.104) _____________ 103) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 76; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 87 Rz. 21; a. A. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 87 Rz. 103. 104) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 87 Rz. 77; Hölters-Weber, AktG, § 87 Rz. 63.
§ 88 Wettbewerbsverbot (1) 1Die Vorstandsmitglieder dürfen ohne Einwilligung des Aufsichtsrats weder ein Handelsgewerbe betreiben noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. 2Sie dürfen ohne Einwilligung auch nicht Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft sein. 3Die Einwilligung des Aufsichtsrats kann nur für bestimmte Handelsgewerbe oder Handelsgesellschaften oder für bestimmte Arten von Geschäften erteilt werden. (2) 1Verstößt ein Vorstandsmitglied gegen dieses Verbot, so kann die Gesellschaft Schadenersatz fordern. 2Sie kann statt dessen von dem Mitglied verlangen, daß es die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten läßt und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtritt. (3) 1Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in drei Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem die übrigen Vorstandsmitglieder und die Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung Kenntnis erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten. 2Sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in fünf Jahren von ihrer Entstehung an. Literatur: Armbrüster, Wettbewerbsverbote im Kapitalgesellschaftsrecht, ZIP 1997, 1269; Fleischer, Wettbewerbs- und Betätigungsverbote für Vorstandsmitglieder im Aktienrecht, AG 2005, 336; Fleischer, Gelöste und ungelöste Probleme der gesellschaftsrechtlichen Geschäftschancenlehre, NZG 2003, 985; Hopt, Interessenwahrung und Interessenkonflikte im Aktien-, Bank- und Berufsrecht. Zur Dogmatik des modernen Geschäftsbesorgungsrechts, ZGR 2004, 1; Meyer, Das „Eintrittsrecht“ der Aktiengesellschaft gemäß § 88 Abs. 2 S. 2 AktG, AG 1988, 259.
Übersicht I. II. 1. 2.
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Überblick ........................................... Untersagte Tätigkeiten .................... Verbotsadressaten .............................. Verbotsinhalt .....................................
1 5 5 7
Jan Eckert
a) Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) ............ 7 b) Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) ............ 9
§ 88
Wettbewerbsverbot c) Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft (§ 88 Abs. 1 Satz 2) .................... 12 3. Einwilligung des Aufsichtsrats ........ 13 I.
III. Rechtsfolgen eines Verstoßes (§ 88 Abs. 2) ..................................... 1. Unterlassungsanspruch .................... 2. Schadensersatzanspruch ................... 3. Eintrittsrecht .................................... IV. Verjährung (§ 88 Abs. 3) ................
15 15 16 17 19
Überblick
§ 88 untersagt Vorstandsmitgliedern in Wettbewerb zu der Gesellschaft zu treten, wenn 1 dies ohne Einwilligung des Aufsichtsrats geschieht. § 88 Abs. 1 enthält eine Aufzählung der verbotenen Tätigkeiten. § 88 Abs. 2 berechtigt die Gesellschaft, im Falle eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot Schadensersatz geltend zu machen oder die Ergebnisse aus den verbotswidrig getätigten Geschäften herauszuverlangen. § 88 Abs. 3 regelt die Verjährung der Ansprüche der Gesellschaft. Die Vorschrift verfolgt einen doppelten Schutzzweck.1) In erster Linie soll sie der Gesell- 2 schaft den vollen Arbeitseinsatz ihrer Vorstandsmitglieder erhalten. Zudem dient sie dem Schutz vor Wettbewerbshandlungen; so konkretisiert sie die Treuebindungen des Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft.2) Das Wettbewerbsverbot aus § 88 ist nicht zwingend, so dass Verschärfungen und Erleichte- 3 rungen im Anstellungsvertrag oder in der Geschäftsordnung/Satzung geregelt werden können.3) Auch von § 88 Abs. 2 abweichende Rechtsfolgen, wie z. B. die Festsetzung einer Vertragsstrafe, sind zulässig.4) In der Praxis ist zudem häufig die Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten anzutreffen.5) Für börsennotierte Gesellschaften geht Ziff. 4.3.1 DCGK von einem „umfassenden Wett- 4 bewerbsverbot“ für Vorstandsmitglieder aus. II.
Untersagte Tätigkeiten
1.
Verbotsadressaten
§ 88 begründet ein Tätigkeitsverbot für alle amtierenden Vorstandsmitglieder einschließ- 5 lich deren Stellvertreter (§ 94) und gerichtlich bestellten Vorstandsmitgliedern (§ 85), auch für fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglieder.6) Nicht erfasst sind Aufsichtsratsmitglieder. Dies gilt gemäß § 105 Abs. 2 Satz 4 selbst dann, wenn sie zu Stellvertretern von fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitgliedern bestellt sind. Auch Abwickler unterliegen gemäß § 268 Abs. 3 nicht dem Wettbewerbsverbot. Das Wettbewerbsverbot beginnt mit der Bestellung zum Vorstandsmitglied und endet 6 grundsätzlich mit der Amtsbeendigung.7) Allerdings soll die Verbotswirkung des § 88 nach der h. M. dann weitergelten, wenn ein Vorstandsmitglied sein Amt unberechtigt
_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Hüffer, AktG, § 88 Rz. 1; Krieger/Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 22 Rz. 5 f. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 1. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 5; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 67. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 16. Hierzu im Einzelnen Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 42 ff.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 45 ff. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 7; Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 88 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 4.
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533
§ 88
Wettbewerbsverbot
niederlegt8) oder die Gesellschaft trotz Abberufung die Bezüge im Einklang mit dem ungekündigten Anstellungsverhältnis weiter zahlt.9) Vorzuziehen ist demgegenüber eine Lösung, die in ihren Konsequenzen klar zwischen Organverhältnis und Anstellungsverhältnis unterscheidet.10) Auch wenn über die objektive Berechtigung eines wichtigen Grundes zur Amtsniederlegung gestritten wird, ist diese analog § 84 Abs. 3 Satz 4 sofort wirksam (siehe § 84 Rz. 50 ff.).11) Damit endet auch das an die korporationsrechtliche Stellung der Vorstandsmitglieder anknüpfende Wettbewerbsverbot des § 88. Unberührt bleiben dagegen die aus dem weiter bestehenden schuldrechtlichen Dienstverhältnis abzuleitenden allgemeinen Treuepflichten, aus denen der Gesellschaft auch dann ein Anspruch auf Wettbewerbsunterlassung zustehen kann, wenn dies nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt ist.12) 2.
Verbotsinhalt
a)
Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1)
7 § 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 verbietet den Betrieb eines Handelsgewerbes i. S. der §§ 1 ff. HGB. Unerheblich ist, ob das Handelsgewerbe tatsächlich im Geschäftszweig der Gesellschaft angesiedelt ist. Das Tätigkeitsverbot zielt nicht in erster Linie darauf ab, eine Konkurrenzsituation zu vermeiden, sondern der Gesellschaft die uneingeschränkte Arbeitskraft des Vorstandsmitglieds zu erhalten. Deshalb ist es auch nicht notwendig, dass das Vorstandsmitglied das Handelsgewerbe im eigenen Namen betreibt; Umgehungsgestaltungen (z. B. durch Einschaltung eines „Strohmanns“) werden mit erfasst. 8 Unter Schutzzweckgesichtspunkten wird man den Verbotstatbestand auch auf sonstige gewerbliche und freiberufliche Tätigkeiten erstrecken müssen, die das Vorstandsmitglied nicht im Bereich eines Handelsgewerbes erbringt.13) b)
Geschäfte im Geschäftszweig der Gesellschaft (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2)
9 Vorstandsmitglieder dürfen im Geschäftszweig der Gesellschaft weder für eigene noch für fremde Rechnung Geschäfte machen. Das Tätigkeitsverbot dient der Konkurrenzverhütung14). Allerdings spielt es keine Rolle, ob der Gesellschaft wirklich Konkurrenz erwächst oder sie einen Schaden erleidet.15)
_____________ 8) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 88 Rz. 2; Kort in: GroßKomm-AktG, § 88 Rz. 112; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 9; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 68; Fleischer, AG 2005, 336, 340; a. A. Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 86; K. Schmidt/LutterSeibt, AktG, § 88 Rz. 5; Armbrüster, ZIP 1997, 1269 f. 9) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, AG 2000, 518, 519; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 9; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 68; a. A. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 88 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 4; Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 5; Fleischer, AG 2005, 336, 341. 10) So auch Krieger/Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 22 Rz. 10 ff. 11) BGH, Urt. v. 8.2.1993 – II ZR 58/92, BGHZ 121, 258, 262 = ZIP 1993, 430; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – II ZR 161/79, BGHZ 78, 82, 92 = ZIP 1980, 768 – jeweils zur GmbH; Spindler in: MünchKomm AktG, § 84 Rz. 124; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 20 Rz. 56. 12) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 5; HöltersWeber, AktG, § 88, Rz. 5. 13) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, AG 2000, 518, 519; Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 88 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 6; a. A. – Begrenzung der Analogie unter Hinweis auf Art. 12 GG – Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 88 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 10. 14) BGH, Urt. v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, NJW 2001, 2476. 15) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 6.
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§ 88
Wettbewerbsverbot
Das Verbot bezieht sich auf den Geschäftszweig der Gesellschaft. Maßgeblich ist ihr tat- 10 sächlicher Geschäftszweig, nicht ihr satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand.16) Das Wettbewerbsverbot ist zudem auf Geschäftszweige verbundener Unternehmen zu erstrecken, soweit auf diese herrschender Einfluss ausgeübt werden kann.17) Von einer solchen Konzerndimension geht auch der Deutsche Corporate Governance Kodex in Ziff. 4.3.1 aus.18) Weiter darf ein Vorstandsmitglied über den Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 hinaus aufgrund seiner besonderen Treuebindung gegenüber der Gesellschaft unabhängig vom Geschäftszweig Geschäftschancen der Gesellschaft weder selbst wahrnehmen noch Dritten zuwenden (z. B. Privater Erwerb des für Betrieb geeigneten Grundstücks; Ausführung von Geschäften, die Gesellschaft zwar nicht selbst betreibt, problemlos aber selbst betreiben könnte).19) Unter den Begriff des „Geschäftemachens“ fällt jede, wenn auch nur spekulative, auf Ge- 11 winnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr, die nicht nur zur Befriedigung eigener privater Bedürfnisse (wie z. B. der eigenen Vermögensanlage) erfolgt.20) Nicht notwendig ist ein gewerbsmäßiger Betrieb des Geschäfts, eine vereinzelte Geschäftstätigkeit ist bereits ausreichend.21) c)
Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft (§ 88 Abs. 1 Satz 2)
§ 88 Abs. 1 Satz 2 untersagt, als Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder persönlich haf- 12 tender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft (SE, AG, GmbH, KG, OHG, PartG) tätig zu werden und soll der Gesellschaft so primär die volle Arbeitskraft ihrer Vorstandsmitglieder erhalten.22) Erfasst werden auch Mandate anderer Konzernunternehmen, solange nicht die Aufsichtsräte beider Gesellschaften zugestimmt haben.23) Nicht verboten ist hingegen die Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft24) oder die Beteiligung als stiller Gesellschafter, Kommanditist (solange nicht geschäftsführend tätig),25) Aktionär oder GmbH-Gesellschafter. 3.
Einwilligung des Aufsichtsrats
Die Vorstandsmitglieder dürfen die an sich gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ver- 13 botenen Tätigkeiten ausüben, wenn der Aufsichtsrat – ggf. durch seinen zuständigen Ausschuss – hierin einwilligt. Notwendig ist die vorherige Zustimmung (§ 183 BGB). Eine nachträgliche Billigung ist ausgeschlossen, gemäß § 93 Abs. 4 Satz 2 kann der Aufsichtsrat auch nicht über bereits nach § 88 Abs. 2 entstandene Schadensersatzansprüche verfügen. Die Einwilligung bedarf der Beschlussfassung (§ 108 Abs. 1). Ein widerspruchs_____________ 16) Hüffer, AktG, § 88 Rz. 3; Kort in: GroßKomm-AktG, § 88 Rz. 28; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 12. 17) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 88 Rz. 13; Krieger/Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 22 Rz. 20. 18) Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Rz. 798. 19) Hüffer, AktG, § 88 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 7; Fleischer, NZG 2003, 985, 986 f. 20) BGH, Urt. V. 17.2.1997 – II ZR 278/95, NJW 1997, 2055, 2056. 21) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 20. 22) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 24, mit Verweis auf Gesetzesmaterialien. 23) Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 10; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 67. 24) Hüffer, AktG, § 88 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Seibt, § 88 Rz. 8. 25) Hüffer, AktG, § 88 Rz. 4; Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 11; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1271; a. A. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 19.
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§ 88
Wettbewerbsverbot
loses Dulden ist irrelevant.26) Allerdings kann in der vorbehaltlosen Bestellung eines Vorstandsmitglieds trotz Kenntnis von seiner wettbewerbsrelevanten Tätigkeit eine konkludente Billigung liegen.27) Insbesondere muss der zustimmende Beschluss des Aufsichtsrats nicht ausdrücklich als „Zustimmung“ bezeichnet werden.28) 14 Gemäß § 88 Abs. 1 Satz 3 kann der Aufsichtsrat die Einwilligung nur für bestimmte Handelsgewerbe oder Handelsgesellschaften oder für bestimmte Arten von Geschäften erteilen – eine Blankoeinwilligung ist also unzulässig. Demnach muss der Aufsichtsrat die konkrete Betätigung in einem klar eingegrenzten Bereich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung kennen.29) Die Erteilung der Einwilligung steht grundsätzlich im freien Ermessen des Aufsichtsrats, er hat bei seiner Entscheidung den Sorgfaltsmaßstab der §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 1 zu beachten.30) III.
Rechtsfolgen eines Verstoßes (§ 88 Abs. 2)
1.
Unterlassungsanspruch
15 § 88 begründet eine selbständige Unterlassungspflicht der Vorstandsmitglieder, die die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112), im Klagewege durchsetzen kann.31) Auch eine vorbeugende Unterlassungsklage ist möglich (§ 259 ZPO). Der Anspruch setzt kein Verschulden des Vorstandsmitglieds voraus. 2.
Schadensersatzanspruch
16 Zusätzlich kommt gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft in Betracht. In entsprechender Anwendung des § 93 Abs. 2 Satz 2 trägt das Vorstandsmitglied die Beweislast für sein fehlendes Verschulden.32) Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruches richten sich nach §§ 249 ff. BGB. 3.
Eintrittsrecht
17 Statt Schadensersatz kann die Gesellschaft gemäß § 88 Abs. 2 Satz 2 ein Eintrittsrecht geltend machen. Damit zieht sie den aus der pflichtwidrigen Tätigkeit resultierenden Gewinn an sich. Für die Gesellschaft hat das den Vorteil, dass sie keinen Schadensnachweis zu erbringen hat und zudem die Ergebnisse aus einem Geschäft erhält, das sie im Zweifel selbst nicht akquiriert hätte.33) Eine Vergütung für die verbotswidrige Tätigkeit als Organmitglied (§ 88 Abs. 1 Satz 2) kann die Gesellschaft nicht im Wege des § 88 Abs. 2 Satz 2 beanspruchen – etwas anderes gilt allerdings für einen in diesem Zusammenhang
_____________ 26) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 88 Rz. 16; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 27; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 23. 27) So Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 27; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 25; Krieger/ Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 22 Rz. 37. 28) Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 12. 29) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 25. 30) Kort in: GroßKomm-AktG, § 88 Rz. 61; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 10, befürwortet zusätzlich die Anwendung der Kriterien einer Angemessenheitsprüfung nach § 87 Abs. 1; Fleischer, AG 2005, 336, 345 . 31) Kort in: GroßKomm-AktG, § 88 Rz. 183; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 11. 32) Kort in: GroßKomm-AktG, § 88 Rz. 65; Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 14. 33) BGH, Urt. v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, NJW 1988, 2483, 2485; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 35; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 30.
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§ 88
Wettbewerbsverbot
generierten Gewinn (z. B. gewinnabhängige Vergütungsanteile).34) Auch das Eintrittsrecht setzt nach zutreffender h. M. Verschulden voraus.35) Übt die Gesellschaft das Eintrittsrecht aus, hat sie gegen das Vorstandsmitglied gemäß 18 § 666 BGB Anspruch auf Auskunft und Rechenschaftslegung.36) Gegenüber dem Geschäftspartner des Vorstandsmitglieds wird die Gesellschaft weder berechtigt noch verpflichet, der Eintritt entfaltet also keine Außenwirkung.37) Das Vorstandsmitglied kann gegen die Gesellschaft Aufwendungsersatz geltend machen.38) Hat die Gesellschaft zunächst Schadensersatz verlangt, so kann sie trotzdem ohne weiteres auf das Eintrittsrecht umstellen, soweit sie damit nicht ein schutzwürdiges Vertrauen des Vorstandsmitglieds auf Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge verletzt.39) IV.
Verjährung (§ 88 Abs. 3)
§ 88 Abs. 3 sieht eine doppelte Verjährungsfrist vor. Die Ansprüche aus § 88 Abs. 2 ge- 19 gen das pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglied verjähren innerhalb einer Drei-MonatsFrist. Die Frist beginnt, sobald sämtliche übrigen Vorstandsmitglieder sowie die Aufsichtsratsmitglieder (jeweils einschließlich der stellvertretenden Mitglieder)40) Kenntnis von der Verletzung des Wettbewerbsverbots erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen (§ 88 Abs. 3 Satz 1). Ohne Rücksicht auf eine Kenntnis tritt Verjährung aber spätestens fünf Jahre nach Anspruchsentstehung ein (§ 88 Abs. 3 Satz 2). Im Fall des Geschäftemachens im Geschäftszweig der Gesellschaft (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) entstehen die Ersatzansprüche bereits mit der pflichtwidrigen Handlung.41) Etwas anderes gilt beim Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) und der Beteiligung an einer anderen Handelsgesellschaft als Geschäftsleiter oder persönlich haftender Gesellschafter (§ 88 Abs. 1 Satz 2). In diesen Fällen beginnt die Verjährungsfrist erst mit Ende der verbotenen (Dauer-)Tätigkeit.42) Die Verjährungsregelung des § 88 Abs. 3 gilt nicht nur für Schadensersatzansprüche und 20 das Eintrittsrecht, sondern auch für andere im Zusammenhang mit der Wettbewerbsverletzung entstandene Ansprüche, wie etwa auf Unterlassung und Vertragsstrafen.43) Deliktische Ansprüche der Gesellschaft (z. B. aus § 826 BGB) verjähren dagegen nach §§ 195, 199 BGB.44)
_____________ 34) Hüffer, AktG, § 88 Rz. 8; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 88 Rz. 24; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 13; Meyer, AG 1988, 259, 260 f.; a. A. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 36; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 35; Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 17. 35) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 13; Ulmer in: GroßKomm-HGB, § 113 Rz. 17; Krieger/Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 22 Rz. 45; wohl auch Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 69; zurückhaltend Hüffer, AktG, § 88 Rz. 7; a. A. Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 37; Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 16; Hopt, ZGR 2004, 1, 48 f. 36) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 13; Hölters-Weber, AktG, § 88 Rz. 19. 37) Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 88 Rz. 11; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 88 Rz. 25. 38) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 38; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 34. 39) Hüffer, AktG, § 88 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 12; Krieger/Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 22 Rz. 47. 40) Hüffer, AktG, § 88 Rz. 9. 41) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 41; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 88 Rz. 40. 42) Kort in: GroßKomm-AktG, § 88 Rz. 102; Krieger/Schneider-Verse, Hdb. Managerhaftung, § 22 Rz. 49. 43) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 88 Rz. 41; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 88 Rz. 15. 44) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 88 Rz. 29; Fleischer-Thüsing, Hdb. VorstandsR, § 4 Rz. 100.
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§ 89
Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder
§ 89 Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (1) 1Die Gesellschaft darf ihren Vorstandsmitgliedern Kredit nur auf Grund eines Beschlusses des Aufsichtsrats gewähren. 2Der Beschluß kann nur für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften und nicht für länger als drei Monate im voraus gefaßt werden. 3Er hat die Verzinsung und Rückzahlung des Kredits zu regeln. 4 Der Gewährung eines Kredits steht die Gestattung einer Entnahme gleich, die über die dem Vorstandsmitglied zustehenden Bezüge hinausgeht, namentlich auch die Gestattung der Entnahme von Vorschüssen auf Bezüge. 5Dies gilt nicht für Kredite, die ein Monatsgehalt nicht übersteigen. (2) 1Die Gesellschaft darf ihren Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren. 2Eine herrschende Gesellschaft darf Kredite an gesetzliche Vertreter, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte eines abhängigen Unternehmens nur mit Einwilligung ihres Aufsichtsrats, eine abhängige Gesellschaft darf Kredite an gesetzliche Vertreter, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte des herrschenden Unternehmens nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens gewähren. 3Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt sinngemäß. (3) 1Absatz 2 gilt auch für Kredite an den Ehegatten, Lebenspartner oder an ein minderjähriges Kind eines Vorstandsmitglieds, eines anderen gesetzlichen Vertreters, eines Prokuristen oder eines zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten. 2Er gilt ferner für Kredite an einen Dritten, der für Rechnung dieser Personen oder für Rechnung eines Vorstandsmitglieds, eines anderen gesetzlichen Vertreters, eines Prokuristen oder eines zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten handelt. (4) 1Ist ein Vorstandsmitglied, ein Prokurist oder ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter zugleich gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsrats einer anderen juristischen Person oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, so darf die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren; Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt sinngemäß. 2Dies gilt nicht, wenn die juristische Person oder die Personenhandelsgesellschaft mit der Gesellschaft verbunden ist oder wenn der Kredit für die Bezahlung von Waren gewährt wird, welche die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft liefert. (5) Wird entgegen den Absätzen 1 bis 4 Kredit gewährt, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren, wenn nicht der Aufsichtsrat nachträglich zustimmt. (6) Ist die Gesellschaft ein Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut, auf das § 15 des Gesetzes über das Kreditwesen anzuwenden ist, gelten anstelle der Absätze 1 bis 5 die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen. Literatur: Fleischer, Aktienrechtliche Zweifelsfragen der Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder, WM 2004, 1057; Hopt, Interessenwahrung und Interessenkonflikte im Aktien-, Bank- und Berufsrecht. Zur Dogmatik des moderenen Geschäftsbesorgungsrechts, ZGR 2004, 1.
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§ 89
Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Kreditbegriff ...................................... 4 III. Relevante Kreditnehmer .................. 8 1. Vorstandsmitglieder (§ 89 Abs. 1 Satz 1) ............................ 8 2. Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte (§ 89 Abs. 2 Satz 1) ............................ 9 3. Gesetzliche Vertreter, Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte eines Konzernunternehmens (§ 89 Abs. 2 Satz 2) .......... 10 4. Nahe Angehörige und Strohmänner (§ 89 Abs. 3) ........................ 11 I.
5. Gesellschaften bei personeller Verflechtung (§ 89 Abs. 4) .............. IV. Zuständigkeit und Beschlussfassung des Aufsichtsrats ............... 1. Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder .......................................... 2. Kreditgewährung an leitende Angestellte und nahestehende Personen ........................................... V. Rechtsfolgen bei Verstößen (§ 89 Abs. 5) ..................................... VI. Organkredite (§ 89 Abs. 6) ............
12 15 15
18 19 21
Überblick
§ 89 macht die Gewährung von Krediten an Vorstandsmitglieder (§ 89 Abs. 1), leitende An- 1 gestellte (§ 89 Abs. 2) und ihnen nahestehende Personen (§ 89 Abs. 3 und Abs. 4) durch die Gesellschaft von einem bestimmten Anforderungen unterliegenden Beschluss des Aufsichtsrats abhängig. Damit gewährleistet die Vorschrift Transparenz in einem Bereich, der besonders anfällig für Interessenkonflikte und verdeckte Selbstbegünstigung (z. B. durch unangemessene Kreditkonditionen) ist. Sie dient so der Missbrauchsprävention.1) § 89 garantiert zugunsten der Gesellschaft und ihrer Stakeholder einen Mindestschutz. Eine 2 statutarische Erleichterung der Bedingungen für eine Kreditvergabe wäre daher nichtig.2) Möglich sind dagegen Satzungsbestimmungen, die die Kreditgewährung erschweren oder ausschließen.3) Der DCGK greift den Kerngedanken von § 89 in Ziff. 3.9 auf, ohne damit eine Empfehlung 3 oder Anregung zu verbinden.4) II.
Kreditbegriff
Der Normzweck des § 89 erfordert nach allgemeiner Auffassung eine weite Auslegung 4 des Kreditbegriffs.5) Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die über den in § 488 BGB oder § 607 BGB typisierten Rechtsbegriff hinaus geht: Erfasst wird jede zeitweilige Überlassung von Geld- und Sachmitteln.6) Als Kreditgewährung gelten ferner die Gestellung von Sicherheiten (z. B. Bürgschaften, Garantien, Schuldmitübernahmen, Realsicherheiten) für die Kreditvergabe durch Dritte und die verkehrsunübliche Stundung von Gesellschaftsforderungen.7) Unerheblich ist, ob die Kreditkonditionen für die Gesellschaft vorteilhaft sind oder einem Drittvergleich standhalten.8) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 1 f.; Fleischer, WM 2004, 1057, 1063; Hopt, ZGR 2004, 1, 10; vgl. auch Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Ziff. 3.9 Rz. 527. Kort in: GroßKomm-AktG, § 89 Rz. 148; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 3; HöltersWeber, AktG, § 89 Rz. 3. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 2; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 5. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Ziff. 3.9 Rz. 527. Hüffer, AktG, § 89 Rz. 2; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 13. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 6; Fleischer, WM 2004, 1057, 1063; Spindler in: MünchKommAktG, § 89 Rz. 8, 10; Hölters-Weber, AktG, § 89 Rz. 4. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 6 f.; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 4. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 9; Hölters-Weber, AktG, § 89 Rz. 4.
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§ 89
Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder
5 § 89 Abs. 1 Satz 4 stellt der Gewährung eines Kredits die Gestattung einer Entnahme gleich. Dabei handelt es sich um die vorfällige Inanspruchnahme von durch die Gesellschaft geschuldeten Leistungen, wie z. B. Gehalt, Provisionen oder Boni.9) Nicht erfasst wird hingegen die vertragliche Vorverlegung der Fälligkeit von Ansprüchen gegen die Gesellschaft.10) Ausgenommen sind weiterhin Entnahmen für künftige Auslagen (z. B. Reisekostenvorschuss).11) 6 Dem Beschlussvorbehalt des Aufsichtsrats entzogen sind gemäß § 89 Abs. 1 Satz 5 Kleinkredite, die ein Monatsgehalt nicht übersteigen. Das entspricht einem Zwölftel des Bruttojahresgehalts (vor Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) einschließlich garantierter Boni und monetär bewertbarer Sachbezüge.12) Zur Feststellung der maßgeblichen Kreditgröße sind mehrere in einem Geschäftsjahr gewährte Kredite zu addieren.13) Um Umgehungsgestaltungen zu vermeiden, sind zudem mit einzubeziehen: Kredite an nahestehende Personen (§ 89 Abs. 3) sowie Kredite durch einen für Rechnung der Gesellschaft handelnden Dritten und von abhängigen Unternehmen, die die Gesellschaft kraft ihres herrschenden Einflusses zum Handeln veranlasst hat.14) 7 Kleinkredite sind trotz einer fehlenden Bagatellgrenze in Ziff. 3.9 DCGK i. R. einer ComplyOr-Explain-Erklärung nach § 161 AktG nicht zu berücksichtigen, weil die Klausel nur rechtsbeschreibenden Charakter hat (siehe Rz. 3).15) III.
Relevante Kreditnehmer
1.
Vorstandsmitglieder (§ 89 Abs. 1 Satz 1)
8 § 89 Abs. 1 Satz 1 erfasst alle amtierenden Vorstandsmitglieder einschließlich der Stellvertreter (§ 94), gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder (§ 85) und in den Vorstand entsandter Aufsichtsratsmitglieder (§ 105 Abs. 2). Während der Abwicklung der Gesellschaft sind zudem die Abwickler betroffen (§ 268 Abs. 2). Über § 283 Nr. 5 gilt § 89 auch für die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA. 2.
Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte (§ 89 Abs. 2 Satz 1)
9 Der Einwilligungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats betrifft gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 auch Kredite an Prokuristen (§§ 48 ff) und Generalhandlungsbevollmächtigte (§ 54 Abs. 1 Alt. 1 HGB). Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf weitere leitende Angestellte kommt nicht in Betracht.16) Eine Ausnahme gilt insofern lediglich für Generalbevollmächtigte, deren Befugnisse über die eines Prokuristen oder Generalhandlungsbevollmächtigten hinausgehen.17)
_____________ 9) Hüffer, AktG, § 89 Rz. 2; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 15. 10) OLG Stuttgart, Urt. v. 28.7.2004 – 20 U 5/04, ZIP 2004, 2006; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 7; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 13. 11) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 93. 12) Hüffer, AktG, § 89 Rz. 23; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 15. 13) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 8; Hölters-Weber, AktG, § 89 Rz. 5. 14) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 12; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 5 f.; a. A. – keine Einbeziehung von Krediten abhängiger Gesellschaften – Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 23. 15) Hüffer, AktG, § 89 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 7. 16) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 89 Rz. 5. 17) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 10; Hölters-Weber, AktG, § 89 Rz. 10.
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Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder 3.
§ 89
Gesetzliche Vertreter, Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte eines Konzernunternehmens (§ 89 Abs. 2 Satz 2)
§ 89 Abs. 2 Satz 2 behandelt in Fall 1 die Kreditvergabe einer herrschenden AG an gesetz- 10 liche Vertreter (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer) und leitende Angestellte (Prokuristen, Generalhandlungsbevollmächtigte und Generalbevollmächtigte, siehe Rz. 9) eines abhängigen Unternehmens gleich welcher Rechtsform. Fall 2 modifiziert diese Konstellation insofern, als die kreditgewährende AG in einem Abhängigkeitsverhältnis zum anderen Unternehmen steht. In Fall 1 hat der Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft, in Fall 2 der Aufsichtsrat oder entsprechende Funktionsträger des herrschenden Unternehmens der Kreditvergabe zuzustimmen.18) 4.
Nahe Angehörige und Strohmänner (§ 89 Abs. 3)
§ 89 Abs. 3 erstreckt den Anwendungsbereich des § 89 Abs. 2 i. S. eines effektiven Um- 11 gehungsschutzes auf nahe Angehörige und Strohmänner. § 89 Abs. 3 Satz 1 erfasst die Kreditvergabe an Ehegatten, Lebenspartner (§ 1 LPartG) und minderjährige Kinder von gesetzlichen Vertretern (Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern) und leitenden Angestellten (Prokuristen, Generalhandlungsbevollmächtigte und Generalbevollmächtigte, siehe Rz. 9). § 89 Abs. 3 Satz 2 betrifft die Kreditvergabe an den mittelbaren Stellvertreter (Strohmann), der für Rechnung einer in § 89 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 1 genannten Person handelt. 5.
Gesellschaften bei personeller Verflechtung (§ 89 Abs. 4)
Gemäß § 89 Abs. 4 Satz 1 bedarf die Kreditvergabe auch dann der Einwilligung des Auf- 12 sichtsrats, wenn der gesetzliche Vertreter oder das Aufsichtsratsmitglied der kreditnehmenden juristische Person oder der Gesellschafter der kreditnehmenden Personengesellschaft gleichzeitig Vorstandsmitglied oder leitender Angestellter (Prokurist, Generalhandlungsbevollmächtigter oder Generalbevollmächtigter, siehe Rz. 9) der kreditgewährenden AG ist. Eine analoge Anwendung kommt bei einer Tätigkeit im Beirat der kreditnehmenden Gesellschaft in Betracht, wenn der Beirat aufsichtsratstypische Aufgaben wahrnimmt.19) In Verbindung mit § 89 Abs. 3 werden zudem Fälle erfasst, in denen nahestehende Personen oder Strohmänner eine relevante Position (gesetzlicher Vertreter oder Aufsichtsratsmitglied bzw. Gesellschafter) beim Kreditnehmer bekleiden.20) Die Vorschrift verfolgt einen doppelten Schutzzweck. Zum einen schließt sie die Um- 13 gehung des Zustimmungsvorbehalts durch Zwischenschaltung einer anderen Gesellschaft aus. Zum anderen dient sie dem Schutz des Gesellschaftsvermögens, indem sie die verdeckte Gewährung nachteiliger Kreditkonditionen durch Einflussnahme eines maßgeblichen Entscheidungsträgers verhindert.21) § 89 Abs. 4 Satz 2 nimmt Kredite an verbundene Unternehmen (§ 15) sowie Kredite für 14 die Bezahlung von Waren (nicht Dienstleistungs- und Finanzierungskredite)22) vom Einwilligungserfordernis aus. Damit soll eine übermäßige Behinderung des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs vermieden werden.23) _____________ 18) Vgl. auch Heidel-Oltmanns, § 89 AktG Rz. 6; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 18. 19) LG Bochum, Urt. v. 27.6.1989 – 12 O 133/88, ZIP 1989, 1557, 1563; zurückhaltend: Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 14. 20) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 21; Hölters-Weber, AktG, § 89 Rz. 14. 21) RegE Begr. in: Kropff, S. 115. 22) RegE Begr. in: Kropff, S. 115; K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 14; Spindler in: MünchKommAktG, § 89 Rz. 33. 23) RegE Begr. in: Kropff, S. 115; Hüffer, AktG, § 89 Rz. 7; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 93.
Jan Eckert
541
§ 89
Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder
IV.
Zuständigkeit und Beschlussfassung des Aufsichtsrats
1.
Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder
15 Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder ergibt sich bereits aus § 112. § 89 Abs. 1 Satz 1 legt ergänzend fest, dass es hierfür eines formellen Aufsichtsratsbeschlusses (§ 108) bedarf. Folglich ist eine konkludente Zustimmung nicht möglich, selbst die bewusste Duldung durch sämtliche Aufsichtsratsmitglieder reicht nicht aus.24) Die Delegation der Beschlussfassung an einen Aufsichtsratsausschuss ist möglich.25) Da Kredite nur „auf Grund“ eines Beschlusses gewährt werden können, muss die Beschlussfassung der Kreditvergabe stets vorangehen. 16 Gegenstand der Beschlussfassung ist – soweit es sich um einen gestreckten Vorgang handelt – bereits die Kreditzusage, nicht erst die Gewährung des Kredits.26) Gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 kann der Beschluss nur für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften gefasst werden, was zumindest die Festlegung von Grund und Höhe (oder Höchstgrenze) des Kredits bedingt.27) Zudem sind nach § 89 Abs. 1 Satz 3 – soweit vereinbart – der Zinssatz sowie die Rückzahlung zu regeln. Für die Gesellschaft muss ein Kündigungsrecht vorgesehen sein.28) 17 Um das Prognoserisiko für die Lage der Gesellschaft und die Kreditwürdigkeit des Vorstandsmitglieds zu beschränken,29) darf gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 der Aufsichtsratsbeschluss nicht für eine längere Zeit als drei Monate im Voraus gefasst werden. Innerhalb dieser Frist hat die Gewährung tatsächlich zu erfolgen; der Abschluss eines (Vor-)vertrages reicht nicht.30) 2.
Kreditgewährung an leitende Angestellte und nahestehende Personen
18 Der Vorstand vertritt die Gesellschaft bei Kreditgeschäften mit leitenden Angestellten und nahestehenden Personen i. S. von § 89 Abs. 2 – 4. Allerdings besteht zugunsten des Aufsichtsrats ein zwingender Einwilligungsvorbehalt (§ 89 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1); notwendig ist also seine vorherige Zustimmung i. S. von § 183 BGB.31) Die inhaltlichen und prozeduralen Anforderungen an den Beschluss entsprechen gemäß § 89 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 den Voraussetzungen für die Zustimmung zu einer Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (siehe Rz. 16 f.). V.
Rechtsfolgen bei Verstößen (§ 89 Abs. 5)
19 Ein Verstoß gegen § 89 Abs. 1 – 4 hat keine Nichtigkeit des Kreditgeschäfts nach § 134 BGB zur Folge.32) Vielmehr ist gemäß § 89 Abs. 5 der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. Dabei handelt es sich um einen _____________ 24) RegE Begr. in: Kropff, S. 114; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 12; Spindler in: MünchKommAktG, § 89 Rz. 36. 25) BGH, Urt. v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, ZIP 1991, 869; Hüffer, AktG, § 89 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 94. 26) Kort in: GroßKomm-AktG, § 89 Rz. 19; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 6. 27) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 7; Hölters-Weber, AktG, § 89 Rz. 8. 28) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 7; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 42. 29) Fleischer, WM 2004, 1057, 1066. 30) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 43; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 95; a. A. Kort in: GroßKomm-AktG, § 89 Rz. 42; Heidel-Oltmanns, § 89 AktG Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 18. 31) K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 9; Hölters-Weber, AktG, § 89 Rz. 9. 32) Kort in: GroßKomm-AktG, § 89 Rz. 133; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 89 Rz. 22; Fleischer, WM 2004, 1057, 1066.
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Jan Eckert
§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat
vertraglichen Rückgewähranspruch der Gesellschaft mit gesetzlich vorverlagerter Fälligkeit.33) In Folge dessen haften die für den Kredit bestellten Sicherheiten auch für die Rückführung.34) Ist der Kredit bereits zugesagt, aber noch nicht ausgezahlt, steht der Gesellschaft ein Leistungsverweigerungsrecht zu.35) Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich aus § 89 Abs. 5 dagegen nicht.36) Besteht der Kredit in der Gestellung einer Sicherheit, wird diese dadurch „zurückgewährt“, dass der Begünstigte die Gesellschaft von der Sicherheit befreit.37) Im Falle der nachträglichen Heilung der Mängel durch den Aufsichtsrat entfällt gemäß 20 § 89 Abs. 5 die Pflicht zur sofortigen Rückgewähr. Aufgrund § 93 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 bleiben etwaige Schadensersatzansprüche aus § 93 Abs. 3 Nr. 8 jedoch unberührt.38) VI.
Organkredite (§ 89 Abs. 6)
Gemäß § 89 Abs. 6 finden die Vorschriften der § 89 Abs. 1 – 5 keine Anwendung, wenn 21 die kreditgewährende Gesellschaft ein Kreditinstitut i. S. des § 1 Abs. 1, Abs. 2 KWG oder Finanzdienstleistungsinstitut i. S. des § 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 6 KWG ist. In diesem Fall gelten die §§ 15, 17 KWG. Ist § 15 KWG nicht anzuwenden (§ 2 Abs. 4, 5, 7 oder 8 KWG) verbleibt es bei der Anwendbarkeit der § 89 Abs. 1 – 5.39) _____________ 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39)
Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 24; Kort in: GroßKomm-AktG, § 89 Rz. 137. Hüffer, AktG, § 89 Rz. 8; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 96. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 89 Rz. 24; Heidel-Oltmanns, § 89 AktG Rz. 5. BGH, Urt. v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, ZIP 1991, 869, 870; Hüffer, AktG, § 89 Rz. 8. K. Schmidt/Lutter-Seibt, AktG, § 89 Rz. 15; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 89 Rz. 53. Hüffer, AktG, § 89 Rz. 8; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 96. Begr. RegE Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 13/7143, S. 33.
§ 90 Berichte an den Aufsichtsrat (1) 1Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat zu berichten über 1. die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung), wobei auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von früher berichteten Zielen unter Angabe von Gründen einzugehen ist; 2. die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals; 3. den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz, und die Lage der Gesellschaft; 4. Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können. 2
Ist die Gesellschaft Mutterunternehmen (§ 290 Abs. 1, 2 des Handelsgesetzbuchs), so hat der Bericht auch auf Tochterunternehmen und auf Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) einzugehen. 3Außerdem ist dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats aus sonstigen wichtigen Anlässen zu berichten; als wichtiger Anlaß ist auch ein dem Vorstand bekanntgewordener geschäftlicher Vorgang bei einem verbundenen Unternehmen anzusehen, der auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein kann.
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§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat
(2) 1Die Berichte nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 sind wie folgt zu erstatten: 1. die Berichte nach Nummer 1 mindestens einmal jährlich, wenn nicht Änderungen der Lage oder neue Fragen eine unverzügliche Berichterstattung gebieten; 2. die Berichte nach Nummer 2 in der Sitzung des Aufsichtsrats, in der über den Jahresabschluß verhandelt wird; 3. die Berichte nach Nummer 3 regelmäßig, mindestens vierteljährlich; 4. die Berichte nach Nummer 4 möglichst so rechtzeitig, daß der Aufsichtsrat vor Vornahme der Geschäfte Gelegenheit hat, zu ihnen Stellung zu nehmen. (3) 1Der Aufsichtsrat kann vom Vorstand jederzeit einen Bericht verlangen über Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können. 2Auch ein einzelnes Mitglied kann einen Bericht, jedoch nur an den Aufsichtsrat, verlangen. (4) 1Die Berichte haben den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. 2Sie sind möglichst rechtzeitig und, mit Ausnahme des Berichts nach Absatz 1 Satz 3, in der Regel in Textform zu erstatten. (5) 1Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von den Berichten Kenntnis zu nehmen. 2 Soweit die Berichte in Textform erstattet worden sind, sind sie auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen zu übermitteln, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. 3Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat die Aufsichtsratsmitglieder über die Berichte nach Absatz 1 Satz 2 spätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung zu unterrichten. Literatur: Brandi, Ermittlungspflicht des Aufsichtsrates über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens „am Vorstand vorbei“, ZIP 2000, 173; Elsing/Schmidt, Individuelle Informationsrechte von Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, BB 2002, 1705; Kropff, Zur Information des Aufsichtsrats über das interne Überwachungssystem, NZG 2003, 346; Kropff, Die Unternehmensplanung im Aufsichtsrat, NZG 1998, 613; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl. 2006; Lutter, Der Aufsichtsrat im Konzern, AG, 2006, 517; Lutter, Vergleichende Corporate Governance – Die deutsche Sicht, ZGR 2001, 224; Mertens, Zur Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat, AG 1980, 67; Semler/v. Schenk (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratmitglieder, 3. Aufl. 2009 (zit. ArbHdb. AR).
Übersicht I. Überblick ........................................... II. Berichtspflichten ohne gesonderte Aufforderung durch den Aufsichtsrat (§ 90 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2) ............. 1. Beabsichtigte Geschäftspolitik und Unternehmensplanung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1) ...................................... a) Berichtsgegenstand ...................... b) Berichtsfrequenz ......................... 2. Rentabilität der Gesellschaft (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2) ......................................
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1
3
4 4 7
8
a) Berichtsgegenstand ...................... 8 b) Berichtsfrequenz ........................ 10 3. Gang der Geschäfte (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3) ..... 11 a) Berichtsgegenstand .................... 11 b) Berichtsfrequenz ........................ 13 4. Geschäfte von erheblicher Bedeutung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4) .............. 15 a) Berichtsgegenstand .................... 15 b) Berichtsfrequenz ........................ 16 5. Berichte zu Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen (§ 90 Abs. 1 Satz 2) .......................... 17
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§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat 6. Berichte aus sonstigen wichtigen Anlässen (§ 90 Abs. 1 Satz 3) .......... 19 III. Anforderungsberichte (§ 90 Abs. 3) ..................................... 21 1. Berichtsgegenstand ........................... 22 2. Berichtsgläubiger und Berichtsschuldner ............................. 24 I.
IV. Anforderungen an Form und Inhalt der Berichte (§ 90 Abs. 4) ... 26 V. Information innerhalb des Aufsichtsrats (§ 90 Abs. 5) ............. 30 VI. Durchsetzung der Berichtspflichten/Rechtsfolgen bei Verstoß ............................................. 32
Überblick
Die Vorschrift begründet weitgehende Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem 1 Aufsichtsrat und stellt damit für den Aufsichtsrat ein wichtiges Instrument zur Erfüllung seiner Überwachungsaufgabe aus § 111 dar. Zudem ermöglicht sie eine präventive Kontrolle von grundlegenden Weichenstellungen, die das Unternehmen möglicherweise langfristig binden können.1) § 90 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 legen bestimmte zentrale Angelegenheiten fest, über die der Vorstand in periodischen Abständen zu berichten hat. § 90 Abs. 3 räumt dem Aufsichtsrat die Möglichkeit ein, zu einigen Gegenständen jederzeit Auskunft zu verlangen. § 90 Abs. 4 legt Form und Inhalt der Berichterstattung fest. § 90 Abs. 5 stellt sicher, dass die grundsätzlich dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu erstattenden Berichte auch den anderen Aufsichtsratsmitgliedern zur Kenntnis gelangen. § 90 stellt keine abschließende Regelung für die Berichtspflichten des Vorstands dar. Viel- 2 mehr ist der Vorstand immer dann berichtspflichtig, wenn er einen Aufsichtsratsbeschluss herbeiführen will oder muss (Vorlageberichte).2) Zudem legt die Vorschrift nur einen Mindeststandard für die Berichterstattung durch den Vorstand fest. Der Aufsichtsrat kann weitergehende Anforderungen in Form einer Informationsordnung vorgeben, die er als Geschäftsordnung für den Vorstand erlässt.3) Eine solche Vorgehensweise entspricht auch der Empfehlung aus Ziff. 3.4 Abs. 3 DCGK. II.
Berichtspflichten ohne gesonderte Aufforderung durch den Aufsichtsrat (§ 90 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2)
Folgende Berichte hat der Vorstand ohne gesonderte Aufforderung durch den Aufsichtsrat 3 zu erstatten: 1.
Beabsichtigte Geschäftspolitik und Unternehmensplanung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1)
a)
Berichtsgegenstand
Der Vorstand ist verpflichtet, den Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik 4 und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung zu unterrichten. Das Verhältnis zwischen Geschäftspolitik und Unternehmensplanung ist nicht klar.4) Richtig dürfte es sein, die Geschäftspolitik als Ausdruck der grundsätzlichen strategischen Orientierung des Unternehmens (strategische Planung) zu verstehen, während die Unternehmensplanung die auf Basis dieser Ausrichtung zukünftig zu ergreifenden Maßnahmen (operative Planung) abbildet.5) _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. Hierzu im Detail K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 3. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 1a; Lutter, ZGR 2001, 224, 232. Vgl. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 17 ff.; Kropff, NZG 1998, 613, 614. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 17, 19; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 16.
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§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat
5 § 90 Abs. 1 Satz 1 konkretisiert den sachlichen Gehalt der Berichtspflicht durch Verweis auf die Finanz-, Investitions- und Personalplanung. Die Vorschrift stellt dadurch lediglich klar, dass der Vorstand über planerische Maßnahmen zu informieren hat, die er i. R. seiner Leitungsverantwortung nach §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 ergreift.6) Die Festlegung eines Mindestkatalogs der zur Unternehmensplanung erforderlichen Instrumente war nicht beabsichtigt.7) Ebenso wenig ist die gesetzliche Aufzählung abschließend. In Abhängigkeit von den Strukturen des Unternehmens und seinem geschäftlichen Umfeld können vielmehr zusätzlich z. B. Produktions-, Absatz-, Beschaffungs-, Entwicklungs-, Kostenoder Ergebnisplanungen notwendig werden.8) 6 Der Vorstand kann sich in seinem Bericht auf wesentliche Planungsdaten beschränken, wie der Gesetzeswortlaut mit seinem Verweis auf „grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung“ nahelegt.9) Im Sinne einer möglichst effektiven Kontrolle ist auch auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von früher berichteten Zielen einzugehen und deren Gründe zu erläutern (Follow-up Berichterstattung). Relevant sind insofern allerdings nur Abweichungen von früheren Vorstandsberichten, nicht von sonst etwa über die Presse oder in Betriebsversammlungen kommunizierten Zielen.10) b)
Berichtsfrequenz
7 Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 1 muss der Bericht mindestens einmal jährlich erstattet werden. Eine Änderung der Lage oder neue Fragen können aber auch eine unverzügliche Berichterstattung erfordern. 2.
Rentabilität der Gesellschaft (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2)
a)
Berichtsgegenstand
8 Der Rentabilitätsbericht hat das Ziel, den Aufsichtsrat über die Ertragskraft der Gesellschaft zu informieren. Damit soll der Aufsichtsrat vor allem in die Lage versetzt werden, über den Jahresabschluss (§ 172 Satz 1) und den Gewinnverwendungsvorschlag an die Hauptversammlung (§ 124 Abs. 3 Satz 1) zu beschließen.11) Darüber hinaus stellen die Rentabilitätszahlen aber auch einen wichtigen Indikator für die Leitungsqualitäten des Vorstands dar, die der Aufsichtsrat in Ausfüllung seiner Kontrollfunktion zu würdigen hat.12) Hierzu ist es notwendig, dass der Vorstand nicht nur Kennziffern für das Gesamtunternehmen liefert, sondern – soweit vorhanden – auch für einzelne Sparten. Dies gilt insbesondere, wenn sich in einem oder einigen Bereichen eine unbefriedigende Entwicklung abzeichnet oder frühere Erwartungen nicht erfüllt werden können.13) 9 Welche Rentabilitätskennziffern zu liefern sind, orientiert sich an den genannten Berichtszielen. Das Gesetz hebt die Rentabilität des Eigenkapitals (§ 266 Abs. 3 A HGB) ausdrücklich hervor. Nach allgemeiner Auffassung ist aber grundsätzlich darüber hinaus auch _____________ 6) Ganz h. M.: Hüffer, AktG, § 90 Rz. 4a; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 5; K. Schmidt/LutterKrieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 12; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 16. 7) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 4b; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 18. 8) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 8. 9) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 17 ff.; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 4b; K. Schmidt/Lutter-Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 13. 10) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 4c; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 21. 11) Begr. RegE in: Kropff, S. 116 f. 12) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 18. 13) Semler, Leitung und Überwachung der AG, Rz. 151.
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§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat
über weitere Kennzahlen wie etwa Cash Flow, Umsatzrendite, Return on Investment (ROI), Gesamtkapitalrendite und Rendite größerer Investitionen zu informieren.14) Für börsennotierte Gesellschaften ist zudem die Angabe des Gewinns je Aktie unerlässlich.15) b)
Berichtsfrequenz
Der Rentabilitätsbericht ist gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 2 jährlich zur Bilanzsitzung des 10 Aufsichtsrats zu erstatten. 3.
Gang der Geschäfte (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3)
a)
Berichtsgegenstand
Mit dem Bericht über den Gang der Geschäfte soll der Aufsichtsrat vor allem über die 11 operative Gesamtsituation des Unternehmens ins Bild gesetzt werden. Dafür notwendig sind im Regelfall Erläuterungen zum Umsatz sowie zur Auftragssituation, Marktentwicklung, Finanz- und Ertragslage sowie der Liquidität.16) In kreditfinanzierten Unternehmen können Aussagen zur Einhaltung von Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag (Bank Covenants) eine wichtige Rolle spielen. Der Vorstand wird seiner Pflicht zur Erstattung eines sachgerechten und aussagekräftigen 12 Berichts nur gerecht, wenn er eine ausreichende Berichtstiefe (Sparten, Produktbereiche) einhält und die aktuellen Zahlen mit denen des Vorjahres sowie des Planes (Budget) vergleicht.17) Besondere Auffälligkeiten hat er zu kommentieren. Dem Standard des jährlichen Geschäftsberichts muss der Bericht über den Gang der Geschäfte hingegen nicht entsprechen.18) b)
Berichtsfrequenz
Der Bericht ist gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 3 regelmäßig, mindestens vierteljährlich, zu halten. 13 Dieser Turnus orientiert sich an § 110 Abs. 3 Satz 1, der grundsätzlich zwei Sitzungen des Aufsichtsrats pro Kalenderhalbjahr vorschreibt. Die vom Gesetz vorgesehene Frequenz ist als Mindestanforderung zu verstehen, die auch 14 dann einzuhalten ist, wenn der Aufsichtsrat seltener (etwa bei nicht börsennotierten Gesellschaften, § 110 Abs. 3 Satz 2) oder unregelmäßig tagt.19) In Fällen von unvorhergesehenen Entwicklungen mit erheblicher Tragweite für das Unternehmen oder in Branchen mit stark volatilem Geschäftsverlauf können aber auch häufigere Berichte notwendig sein.20)
_____________ 14) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 25; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 5; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 7; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 6 Rz. 204; Kort in: GroßKomm-AktG, § 90 Rz. 48 ff., K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 17; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 19; Semler/v. Schenck-Semler, ArbHdb. AR, § 1 Rz. 124 f. 15) Fleischer-Pentz, Hdb. VorstandsR, § 16 Rz. 66; Kort in: GroßKomm-AktG, § 90 Rz. 48; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 6 Rz. 204. 16) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 27; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 8. 17) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 27; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 21; Wiesner in: Münch Hdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 20. 18) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 23; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 8; Spindler in: Münch Hdb. GesR, Bd. 4, § 90 Rz. 27. 19) Wiesner in: Münch Hdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 20. 20) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 24; Semler/v. Schenck-Semler, ArbHdb. AR, § 1 Rz. 103.
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§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat
4.
Geschäfte von erheblicher Bedeutung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4)
a)
Berichtsgegenstand
15 Die Berichtspflicht bezieht sich auf Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können. Wann diese Schwelle überschritten wird, kann nur einzelfallabhängig ermittelt werden und hängt von Größe, Gegenstand und wirtschaftlicher Lage des Unternehmens einerseits sowie den Risiken und Chancen eines Geschäftes andererseits ab.21) Grundsätzlich reicht es aus, wenn ein Geschäft auch nur möglicherweise materielle Auswirkungen – sei es negativ oder positiv – auf Rentabilität oder Liquidität hat, um eine Berichtspflicht auszulösen.22) Dabei ist es irrelevant, ob das fragliche Geschäft der Genehmigungspflicht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 unterfällt.23) b)
Berichtsfrequenz
16 Über Geschäfte mit besonderer Bedeutung ist gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 4 anlassbezogen zu berichten und zwar möglichst so rechtzeitig, dass der Aufsichtsrat vor Vornahme des Geschäftes Gelegenheit hat, Stellung zu beziehen. Sollte dies nicht realisierbar sein, kann das Geschäft trotzdem vorgenommen werden, es ist aber wenigstens der Aufsichtsratsvorsitzende zu informieren oder – sollte selbst das nicht möglich sein – der Bericht unverzüglich nachzuholen.24) 5.
Berichte zu Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen (§ 90 Abs. 1 Satz 2)
17 Die nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 4 zu erstattenden Berichte haben auch auf Tochterunternehmen (§ 290 Abs. 1, 2 HGB) und Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 HGB) einzugehen. Dieser konzerndimensionale Bezug der Berichtspflicht soll gewährleisten, dass sich der Aufsichtsrat ein vollständiges Bild der für das Unternehmen maßgeblichen Parameter machen kann.25) Daraus folgt, dass nur solche Vorgänge auf Ebene des Tochter- bzw. Gemeinschaftsunternehmens zu einer Berichtspflicht des Vorstands des Mutterunternehmens führen, die für dieses selbst von wesentlicher Bedeutung sind.26) 18 Der Vorstand ist nach Maßgabe des Gesetzgebers verpflichtet, die notwendigen Informationen „von sich aus im Rahmen des nach den gesetzlichen Bestimmungen Zulässigen, des ihm faktisch Möglichen und konkret Zumutbaren“ zu beschaffen.27) 6.
Berichte aus sonstigen wichtigen Anlässen (§ 90 Abs. 1 Satz 3)
19 Dem Aufsichtsratsvorsitzenden ist aus „sonstigen wichtigen Anlässen“ ein Sonderbericht zu erstatten. Allgemein werden hierunter exogene (von außen kommende) Ereignisse mit negativen Auswirkungen verstanden wie etwa erhebliche Betriebsstörungen, Liquiditätsprobleme in Folge Kreditkündigung, Gefährdung größerer Außenstände, empfindliche
_____________ 21) Begr. RegE in: Kropff, S. 117. 22) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 7; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rz. 61. 23) Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90, Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 26; Wiesner in: Münch Hdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 20. 24) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 10. 25) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14. 26) Hüffer, AktG, § 90, Rz. 7a. 27) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14.
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§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat
behördliche Auflagen oder schwerwiegender Streit im Vorstand.28) Ausdrücklich verweist das Gesetz darauf, dass auch geschäftliche Vorgänge bei einem verbundenen Unternehmen, die von erheblichem Einfluss auf die Gesellschaft sein können, zu einer Berichtspflicht führen. Der Bericht ist unverzüglich zu erstatten (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob unter den jeweili- 20 gen Umständen ein Sonderbericht notwendig ist, entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen. Kommt im Vorstand keine einheitliche Einschätzung zustande, hat der Bericht zu unterbleiben. Allerdings ist das einzelne Vorstandsmitglied dazu berechtigt – und möglicherweise auch verpflichtet – den Aufsichtsratsvorsitzenden über den Dissens zu informieren.29) III.
Anforderungsberichte (§ 90 Abs. 3)
Während § 90 Abs. 1 Berichtspflichten des Vorstands begründet, sieht § 90 Abs. 3 ein eigenes 21 Informationsrecht des Aufsichtsrats vor. Von diesem müssen die Aufsichtsratsmitglieder Gebrauch machen, um Schadensersatzpflichten gegenüber der Gesellschaft nach § 116 i. V. m. § 93 zu vermeiden.30) Die Berufung auf eigene Unkenntnis ist den Aufsichtsratsmitgliedern abgeschnitten.31) Der Aufsichtsrat trägt also eine (Mit-)Verantwortung, die zur Ausübung seiner Kontrollaufgabe notwendigen Informationen zu erhalten. Dies kommt auch in Ziff. 3.4 Abs. 1 DCGK zum Ausdruck, nach dem die ausreichende Informationsversorgung des Aufsichtsrats gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat ist. 1.
Berichtsgegenstand
Der Aufsichtsrat kann den Vorstand jederzeit auffordern, über
22
–
Angelegenheiten der Gesellschaft,
–
ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§ 15) sowie
–
über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluss sein können, zu berichten.
Es besteht Einigkeit darüber, dass der Aufsichtsrat auf dieser Basis einen breiten Spiel- 23 raum hat und alle Informationen einfordern kann, die seiner Überwachungsaufgabe dienen.32) Allerdings gilt das Informationsrecht nicht schrankenlos. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Befugnisse missbraucht, etwa indem es seine Vertraulichkeitsverpflichtung verletzt und damit dem Gesellschaftsinteresse schadet, kann der Vorstand den Bericht verweigern.33) Das gleiche gilt, wenn das Berichtsverlangen dazu dient, den Vorstand zu schikanieren,34) wenn die verlangte Infor-
_____________ 28) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 33; Hölters-MüllerMichaels, AktG, § 90, Rz. 11; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 22. 29) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 35. 30) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 1a („Pflichtrechte“); Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 9; K. Schmidt/ Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG § 90 Rz. 36. 31) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 1a. 32) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 40; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 14; K. Schmidt/ Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 37; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 24; Elsing/Schmidt, BB 2002, 1705, 1707. 33) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 47, 56; Hüffers, AktG, § 90 Rz. 12a; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 15. 34) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 47, 56; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 47.
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Berichte an den Aufsichtsrat
mation keinen relevanten Funktions- oder Gesellschaftsbezug hat35) oder wenn sich das Vorstandsmitglied durch die Auskunft strafbar machen würde (z. B. §§ 93 ff. StGB).36) Ferner ist ein Berichtsverweigerungsrecht zur Vermeidung einer Indiskretionsgefahr ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn objektiv erhebliche und für die Öffentlichkeit oder das Unternehmen wesentliche Belange die möglichst sichere Geheimhaltung bestimmter Informationen verlangen und die Kontrollmöglichkeiten des Aufsichtsrats nicht stärker beschränkt werden, als dies im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse erforderlich ist.37) 2.
Berichtsgläubiger und Berichtsschuldner
24 Zuständig für das Auskunftsverlangen ist nach § 90 Abs. 3 Satz 1 in erster Linie der Gesamtaufsichtsrat, der hierüber einen Beschluss gemäß § 108 zu fassen hat.38) Erforderlich ist die einfache Mehrheit. Darüber hinaus kann nach § 90 Abs. 3 Satz 2 auch jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied in gleicher Weise einen Bericht einfordern, allerdings nur an den Gesamtaufsichtsrat. Der Aufsichtsrat wird durch seinen Aufsichtsratsvorsitzenden repräsentiert; über diesen sind also die Berichte allen Aufsichtsratsmitgliedern zuzuleiten.39) 25 Berichtsschuldner ist grundsätzlich der Vorstand. Seine Berichtspflicht wird bereits ausgelöst, wenn das Berichtsverlangen des Aufsichtsrats auch nur einem Vorstandsmitglied zugeht (§ 78 Abs. 2 Satz 2 analog).40) Ein Recht des Aufsichtsrats, am Vorstand vorbei Informationen bei Mitarbeitern des Unternehmens einzuholen, besteht nach h. M. grundsätzlich nicht.41) Eine Ausnahme mag für Situationen gelten, in denen der dringende Verdacht besteht, dass der Vorstand grobe Pflichtverletzungen begangen hat.42) Zudem ist in der Praxis seit Inkrafttreten des BilMoG verstärkt zu beobachten, dass die Leiter bestimmter Funktionen, wie etwa Recht, Compliance und Interne Revision, im Konsens mit dem Vorstand an den Sitzungen des Prüfungsausschusses teilnehmen und dort berichten.43) IV.
Anforderungen an Form und Inhalt der Berichte (§ 90 Abs. 4)
26 § 90 Abs. 4 Satz 1 sieht generalklauselartig vor, dass die Berichte des Vorstands einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen haben. Damit kommt zunächst einmal zum Ausdruck, dass sich die Berichterstattung als Maßnahme der Geschäftsführung selbstverständlich am Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters aus § 93 Abs. 1 Satz 1 zu orientieren hat.
_____________ 35) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 48; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 51; Elsing/Schmidt, BB 2002, 1705, 1707. 36) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 56; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, § 90 Rz. 44. 37) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, § 90 Rz. 46; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rz. 138 ff; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 38; Mertens, AG 1980, 67, 74. 38) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 11; Kort in: GroßKomm-AktG, § 90 Rz. 87. 39) Wiesner in: Münch MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 28. 40) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 11; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 37; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 36. 41) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 43; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 11; Kort in: GroßKomm-AktG, § 90 Rz. 94; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 6 Rz. 246 ff.; K. Schmidt/Lutter-Krieger/SailerCoceani, AktG, § 90 Rz. 39; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 38; Brandi, ZIP 2000, 173, 175; Lutter, AG, 2006, 517, 522; a. A. Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 182 ff.; Kropff, NZG 2003, 346, 348 f. 42) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 43; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 11; Kort in: GroßKomm-AktG, § 90 Rz. 94 ff.; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 39. 43) Hierzu auch Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 44; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 569 ff.
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§ 90
Berichte an den Aufsichtsrat
Inhaltlich sind die Berichte so zu gestalten, dass sie dem Aufsichtsrat die Erfüllung seiner 27 Überwachungspflichten ermöglichen. Dazu müssen sie wahr und vollständig, übersichtlich und klar gegliedert sein.44) Der Vorstand darf selbst solche Fakten nicht zurückhalten, die seine Schadensersatzpflicht oder Strafbarkeit begründen könnten.45) Nimmt der Vorstand Wertungen vor, sind diese von Tatsachen unterscheidbar darzustellen.46) Wesentliche Meinungsverschiedenheiten im Vorstand sind dem Aufsichtsrat offenzulegen.47) Nach § 90 Abs. 4 Satz 2 sind die Berichte grundsätzlich in Textform zu erstatten. Etwas 28 anderes gilt nur für die Berichte nach § 90 Abs. 1 Satz 3 (Berichte aus sonstigen wichtigen Anlässen). Das Textformerfordernis wird gemäß § 126b BGB auch durch Übermittlung per E-Mail oder Telefax gewahrt.48) Des Weiteren schreibt § 90 Abs. 4 Satz 2 vor, die Berichte möglichst rechtzeitig zu erstat- 29 ten. Dienen Berichte der Sitzungsvorbereitung, sollen sie so frühzeitig zur Verfügung gestellt werden, dass die Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit haben, diese vor der Sitzung zu lesen. Geht es nicht um eine Sitzungsvorbereitung, soll dem Aufsichtsrat die Gelegenheit zur Reaktion gegeben werden, bevor Tatsachen geschaffen sind.49) Es war allerdings erklärte Absicht des Gesetzgebers, die Unternehmensführung durch die gesetzlichen Anforderungen an Form und Zeitpunkt der Berichterstattung nicht zu behindern und in ihrer Reaktionsgeschwindigkeit zu beeinträchtigen.50) In Ausnahmefällen, wie z. B. einer besonderen Eilbedürftigkeit oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, kann der Vorstand daher im Interesse der Gesellschaft auch eine von dem gesetzlichen Regelmodell abweichende Vorgehensweise wählen.51) V.
Information innerhalb des Aufsichtsrats (§ 90 Abs. 5)
Die nach § 90 Abs. 1 bis 3 zu erstattenden Berichte sind grundsätzlich an den Aufsichts- 30 ratsvorsitzenden zu richten. Gemäß § 90 Abs. 5 Satz 1 hat allerdings jedes Aufsichtsratsmitglied das Recht, von den Berichten des Vorstands Kenntnis zu nehmen, also schriftliche Berichte zu lesen und mündliche Berichte zu hören. Aus dem Anspruch auf Kenntnisnahme ergibt sich jedoch nicht automatisch ein Recht auf Aushändigung eines Berichts. Diese Frage ist vielmehr in § 90 Abs. 5 Satz 2 geregelt, nach dem ein in Textform vorliegender Bericht jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen zu übermitteln ist, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. Der Aufsichtsrat kann also beschließen, einen Bericht nicht allen Aufsichtsratsmitgliedern auszuhändigen und zwar selbst dann, wenn dies von dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied ausdrücklich verlangt wird. Ein Grund hierfür mag etwa die besondere Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Information sein.52) Zudem kann der Aufsichtsrat von dieser Regelung für Zwecke seiner internen _____________ 44) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 48; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Krieger/SailerCoceani, AktG, § 90 Rz. 52; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 19; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 34. 45) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 54. 46) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 13; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 49. 47) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 48; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 53. 48) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 15; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 13; Fleischer-Pentz, Hdb. VorstandsR, § 16 Rz. 54. 49) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 15. 50) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 15. 51) Begr. RegE zum TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 15; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 51; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 13b; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 56, 58; Hölters-MüllerMichaels, AktG, § 90, Rz. 19. 52) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 59; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 63; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90, Rz. 20.
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§ 91
Organisation. Buchführung
Arbeitsorganisation Gebrauch machen, indem er etwa festlegt, dass bestimmte Berichte nur an Mitglieder eines bestimmten Ausschusses übermittelt werden.53) Solche Einschränkungsmöglichkeiten bestehen im Hinblick auf das aus § 90 Abs. 5 Satz 1 resultierende Recht auf Kenntnisnahme nicht. Etwas anderes kann gemäß §§ 107 Abs. 3, 109 aber für Vorlagen und Berichte gelten, die dem Aufsichtsrat nicht nach § 90 zur Verfügung gestellt werden.54) 31 Über Sonderberichte nach § 90 Abs. 1 Satz 3 hat der Aufsichtsratsvorsitzende die Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 90 Abs. 5 Satz 3 spätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung zu informieren. Bei der gesetzlichen Bezugnahme auf Berichte nach § 90 Abs. 5 Satz 2 handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, das dem Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung des TransPuG unterlaufen ist. VI.
Durchsetzung der Berichtspflichten/Rechtsfolgen bei Verstoß
32 Die Erfüllung der Berichtspflichten kann die Gesellschaft, gemäß § 112 vertreten durch den Aufsichtsrat, im Klagewege durchsetzen. Die Klage ist gegen die Mitglieder des Vorstands als notwendige Streitgenossen zu richten.55) Etwas anderes gilt, wenn ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied sein Recht nach § 90 Abs. 3 Satz 2 durchsetzen möchte. In diesem Fall ist richtiger Beklagter die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand.56) 33 Ein gravierender Verstoß gegen die Pflicht zu einer ordnungsgemäßen Berichterstattung kann – ggf. nach vorheriger Abmahnung – eine Abberufung der betreffenden Vorstandsmitglieder und die Kündigung ihres Anstellungsvertrags nach sich ziehen.57) Zudem kommt eine Schadensersatzpflicht nach § 93 Abs. 2 in Betracht. 34 Das Registergericht kann schließlich Vorstandsmitglieder von Amts wegen gemäß § 407 Abs. 1 im Verfahren nach §§ 388 ff. FamFG durch Androhung einer Ordnungsstrafe von max. 5.000 € zur Erfüllung ihrer Berichtspflichten anhalten. Gegen den Beschluss, mit dem die Ordnungsstrafe festgesetzt wird, findet die Beschwerde gemäß § 391 FamFG statt; gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG zulässig. _____________ 53) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 63. 54) Ausführlich K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 65. 55) Hüffer, AktG, § 90 Rz. 15; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 59; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 34; a. A. – Aufsichtsrat aktivlegitimiert – Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 70; Lutter, Information und Vertraulichkeit Rz. 230 ff.; Gesellschaft passivlegitimiert – Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 22. 56) BGH, Urt. v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54, 62 = AG 1989, 89; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 90 Rz. 71; a. A. – Klage gegen den Vorstand – LG Bonn, Urt. v. 16.10.1985 – 10 O 166/85, AG 1987, 24; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rz. 237. 57) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 90 Rz. 66; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 90 Rz. 48, 63; HöltersMüller-Michaels, AktG, § 90 Rz. 21; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4 § 25 Rz. 39.
§ 91 Organisation. Buchführung (1) Der Vorstand hat dafür zu sorgen, daß die erforderlichen Handelsbücher geführt werden. (2) Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. 552
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Organisation. Buchführung
Literatur: Berg, Korruption in Unternehmen und Risikomanagement nach § 91 Abs. 2 AktG, AG 2007, 271; Bicker, Compliance – organisatorische Umsetzung im Konzern, AG 2012, 542; Bihr/Kalinowsky, Risikofrüherkennungssysteme bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften – Haftungsfalle für Vorstand, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer, DStR 2008, 620; Blasche, Die Mindestanforderungen an ein Risikofrüherkennungs- und Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG, CCZ 2009, 62; Bunting, Das Früherkennungssystem des § 91 Abs. 2 AktG in der Prüfungspraxis – eine kritische Betrachtung des IDW PS 340, ZIP 2012, 357; Bürkle, Corporate Compliance als Standard guter Unternehmensführung des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2007, 1797; Gernoth, Die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats im Hinblick auf das Risiko-Management, DStR 2001, 299; Helmrich, Zur Strafbarkeit bei fehlenden oder unzureichenden Risikomanagementsystemen in Unternehmen am Beispiel der AG, NZG 2011, 1252; Hoffmann-Becking, Zur rechtlichen Organisation der Zusammenarbeit im Vorstand der AG, ZGR 1998, 497; Hommelhoff/Mattheus, Risikomanagementsystem im Entwurf des BilMoG als Funktionselement der Corporate Governance, BB 2007, 2787; Huth, Grundsätze ordnungsmäßiger Risikoüberwachung, BB 2007, 2167; Kießling/Kießling, Kontrolle durch Interne Revision in Kreditinstituten, WM 2003, 513; Kremer/Klahold, Compliance-Programme in Industriekonzernen, ZGR 2010, 113; Lange/Wall (Hrsg.), Risikomanagement nach dem KonTraG, 2001; Lutter, Konzernphilosophie vs. konzernweite Compliance und konzernweites Risikomanagement, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 289; Preußner/Becker, Ausgestaltung von Risikomanagementsystemen durch die Geschäftsleitung, NZG 2002, 846; Schmidbauer, Risikomanagement im Kontext wertorientierter Unternehmensführung – zugleich Erwiderung zu Pollanz, DB 2000, 153; Schneider/Schneider, Vorstandshaftung im Konzern, AG 2005, 57; Schwintowski, Gesellschaftsrechtliche Anforderungen an Vorstandshaftung und Corporate Governance durch das neue System der kartellrechtlichen Legalausnahme, NZG 2005, 200; Spindler, Compliance in der multinationalen Bankengruppe, WM 2008, 905; Vetter, Die Änderungen 2007 des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2007, 1963; Windolph, Risikomanagement und Riskcontrol durch das Unternehmensmanagement nach dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG); ius cogens für die treuhänderische Sorge i.S. von § 266 StGB – Untreue?, NStZ 2000, 522.
Übersicht I. Übersicht ............................................ 1 II. Buchführungspflicht (§ 91 Abs. 1) ....................................... 2 1. Adressat der Buchführungspflicht .... 2 2. Gegenstand der Buchführungspflicht .................................................. 3 3. Beginn und Ende der Buchführungspflicht ................................... 4 III. Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen (§ 91 Abs. 2) ....................................... 5 1. Allgemeines ........................................ 5 2. Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen als Organisationsziel ................................ 6 I.
a) Bestandsgefährdende Entwicklungen ............................. 6 b) Früherkennung ............................ 8 3. Konzernweites Früherkennungssystem ................................................. 9 4. Geeignete Maßnahmen, insbesondere Einrichtung eines Überwachungssystems ..................... 10 a) Geeignete Maßnahmen .............. 10 b) Überwachungssystem ................ 11 IV. Rechtsfolgen bei Pflichtenverstoß .............................................. 13 1. Zivilrecht ........................................... 13 2. Strafrecht .......................................... 14
Übersicht
§ 91 konkretisiert die nach § 76 bestehende Leitungsverantwortung des Vorstands in zwei 1 zentralen Einzelbereichen. § 91 Abs. 1 verpflichtet den Vorstand zur Führung der erforderlichen Handelsbücher. § 91 Abs. 2 erlegt dem Vorstand die Pflicht auf, ein Überwa-
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Organisation. Buchführung
chungssystem zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen einzurichten. Beide Pflichtenkreise fallen in die Gesamtverantwortung des Vorstands als Geschäftsführungs- und Leitungsorgan.1) II.
Buchführungspflicht (§ 91 Abs. 1)
1.
Adressat der Buchführungspflicht
2 Die AG ist als Formkaufmann gemäß § 238 Abs. 1 HGB i. V. m. § 3 Abs. 1, § 6 Abs. 1 HGB verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen ihre Handelsgeschäfte und die Lage ihres Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ersichtlich zu machen. Dieser Pflicht hat der Vorstand als Gesellschaftsorgan bereits nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen nachzukommen. § 91 Abs. 1 betont zusätzlich die Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder einschließlich der stellvertretenden Vorstandsmitglieder (§ 94).2) Das schließt die i. R. einer Geschäftsverteilung übliche Zuweisung dieses Pflichtenkreises in die alleinige Ressortzuständigkeit eines Vorstandsmitglieds nicht aus.3) An die Erfüllung der in diesem Fall bestehenden Überwachungspflicht der ressortfremden Vorstandsmitglieder (vgl. § 77 Rz. 7) sind allerdings aufgrund der herausragenden Bedeutung der Buchführungspflicht besonders hohe Anforderungen zu stellen.4) Das gleiche gilt für Auswahl-, Organisations- und Überwachungspflichten, die bei einer Delegation der technischen Durchführung („Hilfsfunktionen“) auf Angestellte der Gesellschaft oder externe Dritte entstehen (vgl. § 76 Rz. 7).5) 2.
Gegenstand der Buchführungspflicht
3 Die inhaltlichen Anforderungen an die Buchführungspflicht i. S. des § 91 Abs. 1 ergeben sich aus den §§ 238 ff. HGB i. V. m. §§ 264 ff. HGB, die durch die rechtsformspezifischen Regelungen der §§ 150 ff. ergänzt werden.6) Umfasst wird unter anderem die Pflicht zur Unterzeichnung des Jahresabschlusses durch sämtliche Vorstandsmitglieder (auch stellvertretende Vorstandsmitglieder, § 94) gemäß § 245 Satz 1 HGB.7) Die gesetzlichen Vertreter börsennotierter Gesellschaften haben gemäß § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB zusätzlich einen schriftlichen Bilanzeid abzugeben (vgl. auch §§ 289 Abs. 1 Satz 5, 297 Abs. 2 Satz 4, 315 Abs. 1 Satz 6 HGB für Lagebericht, Konzernabschluss und Konzernlagebericht). Nach §§ 238 Abs. 2, 257 ff. HGB bestehen weitreichende Aufbewahrungspflichten. Mit Ausnahme von Eröffnungsbilanzen und Abschlüssen ist gemäß § 257 Abs. 3 auch eine elektronische Aufbewahrung möglich. Für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute ergeben sich Sonderregelungen aus §§ 340 bis 340o HGB. 3.
Beginn und Ende der Buchführungspflicht
4 Die Buchführungspflicht beginnt mit dem ersten buchungspflichten Geschäftsvorfall (Entstehen der Einlageforderungen). Ob die Gesellschaft bereits im Handelsregister eingetragen ist oder sich noch im Stadium der Vor-AG befindet, ist unerheblich.8) Sie endet erst mit Löschung der Gesellschaft, nicht bereits mit ihrer Auflösung. Während der Insol_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 91 Rz. 1, 3. Hüffer, AktG, § 91 Rz. 2 f.; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 3. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 11 f. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 91 Rz. 6; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 4; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 91 Rz. 2; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 72 . Vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Kleindiek, AktG, Vor § 150 Rz. 2. Hüffer, AktG, § 91 Rz. 3; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 91 Rz. 7. Kort in: GroßKomm-AktG, § 91 Rz. 5; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 74.
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Organisation. Buchführung
venz oder der Abwicklung obliegt die Erfüllung der Buchführungspflicht gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO dem Insolvenzverwalter bzw. gemäß § 268 Abs. 2 dem Abwickler.9) III.
Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen (§ 91 Abs. 2)
1.
Allgemeines
§ 91 Abs. 2 verpflichtet den Vorstand auf das Ziel, bestandsgefährdende Entwicklungen 5 frühzeitig zu erkennen und die dafür notwendigen Maßnahmen, insbesondere durch die Einrichtung eines Überwachungssystems, zu ergreifen. Damit wird die Leitungsverantwortung des Vorstands aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 unterstrichen.10) Abschlussprüfer von börsennotierten Gesellschaften müssen i. R. ihrer Prüfung gemäß § 317 Abs. 4 beurteilen, ob der Vorstand die ihm obliegenden Maßnahmen in geeigneter Form getroffen hat und das Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann.11) 2.
Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen als Organisationsziel
a)
Bestandsgefährdende Entwicklungen
§ 91 Abs. 2 zielt nicht auf die Identifizierung statischer Risikozustände ab, sondern auf 6 die Ermittlung unternehmensbezogener nachteiliger Veränderungen und Prozesse.12) Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiele risikobehaftete Geschäfte (z. B. im Derivatehandel), Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften.13) Als bestandsgefährdend gelten solche Entwicklungen, wenn sie die Vermögens-, Finanzund Ertragslage der Gesellschaft so stark betreffen können, dass sie ein Insolvenzrisiko hervorrufen oder verschärfen.14) Unterhalb dieser Schwelle fallen Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage auch dann aus dem Betrachtungsbereich des § 91 Abs. 2, wenn sie für die Darstellungsanforderungen des § 264 Abs. 2 relevant sind.15) Auch eine bloße dauerhafte Gefährdung der Unternehmensrentabilität genügt nicht.16) Oftmals wirken nachteilige Entwicklungen nicht isoliert, sondern erst in Kombination 7 mit anderen bestandsgefährdend. Der Vorstand hat sich daher auch einen Gesamtüberblick zu verschaffen und zu ermitteln, welche Szenarien mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einer existentiellen Bedrohung führen können.17) b)
Früherkennung
Ziel ist es, dass der Vorstand zu einem Zeitpunkt Kenntnis von bestandsgefährdenden 8 Entwicklungen bekommt, in dem noch geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestandes der Gesellschaft ergriffen werden können.18) _____________ 9) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 5; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 74. 10) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 29; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 3. 11) Vgl. näher Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, § 317 Rz. 9. 12) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 20. 13) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 14) Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 91 Rz. 9; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 31 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 21. 15) So aber Hüffer, AktG, § 91 Rz. 6. 16) So aber Lange/Wall-Zimmer/Sonneborn, Risikomanagement, § 1 Rz. 182. 17) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 9; Kort in: GroßKomm-AktG, § 91 Rz. 35. 18) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 23; Blasche, CCZ 2009, 62, 63.
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§ 91 3.
Organisation. Buchführung Konzernweites Früherkennungssystem
9 Umstritten ist die Frage, wie das Früherkennungssystem im Konzern zu verankern ist. Eine starke Fraktion in der Literatur sieht den Vorstand einer Obergesellschaft verpflichtet, ein konzernweites System einzurichten.19) Dem werden die beschränkten Durchsetzungsmöglichkeiten im faktischen Konzern oder bei bloßer Abhängigkeit entgegengehalten.20) Nach der Gesetzesbegründung ist die Überwachungs- und Organisationspflicht bei Mutterunternehmen i. S. des § 290 HGB allerdings „im Rahmen der bestehenden gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten konzernweit zu verstehen, sofern von Tochtergesellschaften den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen ausgehen können.“21) Der Gesetzgeber kann hier wörtlich genommen werden. Für die Obergesellschaft kommt es darauf an, sämtliche sie in ihrem Bestand gefährdende Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen – auch soweit sie ihren Ursprung in Tochtergesellschaften haben. Dazu hat der Vorstand i. R. der ihm zur Verfügung stehenden gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten im Konzern eine Organisation zu schaffen, die die Identifizierung und Weiterleitung relevanter Risiken sicherstellt. Während er dafür im Vertragskonzern (§ 308 Abs. 1 Satz 1) und gegenüber einer eingegliederten Gesellschaft (§ 323 Abs. 1 Satz 1) von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen kann, hat er im faktischen Konzern alle dort vorhandenen rechtlichen und tatsächlichen Instrumente zu nutzen.22) 4.
Geeignete Maßnahmen, insbesondere Einrichtung eines Überwachungssystems
a)
Geeignete Maßnahmen
10 Der Vorstand muss geeignete Maßnahmen zur Einführung eines wirkungsvollen Risikofrüherkennungssystems ergreifen. Von der Eignung einer Maßnahme ist dann auszugehen, wenn sie nach der Erfahrung eines ordentlichen und sorgfältigen Geschäftsleiters dazu führt, dass der Vorstand die erforderlichen Informationen rechtzeitig erhält.23) Welche dies im Einzelnen sind, hat der Vorstand i. R. seines unternehmerischen Ermessens unter Berücksichtigung der jeweils relevanten Umstände wie z. B. Größe, Branche, Struktur und Kapitalmarktzugang des Unternehmens zu entscheiden.24) b)
Überwachungssystem
11 Obwohl es der Gesetzeswortlaut („insbesondere“) nahelegt, stellt das Überwachungssystem nach der Intention des Gesetzgebers kein besonders hervorgehobenes Beispiel einer geeigneten Maßnahme zur Identifizierung bestandsgefährdender Entwicklungen dar.25) Vielmehr soll es einer unternehmensinternen Kontrolle der zur Risikofrüherkennung eingeleiteten Maßnahmen dienen.26) Auch bei der Ausgestaltung des Überwachungs_____________ 19) Hommelhoff/Hopt/v. Werder-Kleindiek, Hdb. Corporate Governance, 571, 581 ff.; Hölters-MüllerMichaels, AktG, § 91 Rz. 8; Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 847; Schneider/Schneider, AG 2005, 57, 58 mit Abstufungen („konzerndimensionale Risikoerfassung und -auswertung“) auch Spindler/StilzFleischer, AktG, § 91 Rz. 41. 20) Hüffer, AktG, § 91 Rz. 6; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 91 Rz. 18; Spindler in: MünchKommAktG, § 91 Rz. 40 f. 21) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 22) So auch K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 10; ebenso zum Compliance-System und Risiko-Management Lutter in: FS Goette, S. 289, 294 ff. 23) Hüffer, AktG, § 91 Rz. 7; Kort in: GroßKomm-AktG, § 91 Rz. 46. 24) Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Hüffer, AktG, § 91 Rz. 7; Huth, BB 2007, 2167, Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 521. 25) Vgl. § 93 im RefE des KonTraG, ZIP 1996, 2129, 2131. 26) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 13; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 25.
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§ 91
Organisation. Buchführung
systems verfügt der Vorstand über einen breiten Ermessensspielraum. Allerdings gehört die Einrichtung und Prüfung zentral gesteuerter Controlling- und Revisionsfunktionen nach allgemeiner Auffassung ab einer gewissen Unternehmensgröße zum Mindeststandard.27) Weitere organisatorische Grundvoraussetzungen stellen die Festlegung klarer Überwachungszuständigkeiten, ein engmaschiges Berichtsnetz sowie eine hinreichende Dokumentation dar.28) Entgegen einer verbreiteten Ansicht vor allem in der betriebswirtschaftlichen Literatur29) 12 ergibt sich aus § 91 Abs. 2 keine Pflicht zur Einrichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems. Auch der vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) erstellte Prüfungsstandard IDW PS 340, der die Vorgaben zur Prüfung der vom Vorstand nach § 91 Abs. 2 ergriffenen Maßnahmen festlegt, ist in diesem Punkt zu weitgehend.30) Vielmehr steht es nach der zutreffenden h. M. im Leitungsermessen des Vorstands, ob und wie er ein solches System in Erfüllung seiner ihm durch § 76 zugewiesenen Aufgabe installiert.31) Ebenso ergibt sich die Pflicht, durch organisatorische Vorkehrungen für die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und unternehmensinterner Richtlinien durch die Unternehmensangehörigen (Compliance-System) zu sorgen, aus §§ 76, 93 Abs. 1 und nicht aus § 91 Abs. 2.32) IV.
Rechtsfolgen bei Pflichtenverstoß
1.
Zivilrecht
Vorstandsmitglieder, die ihre Buch- oder Organisationspflichten aus § 91 schuldhaft ver- 13 letzen, haften der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 Satz 1 gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Eine Haftung gegenüber Dritten aus § 823 Abs. 2 BGB scheidet dagegen aus, weil es sich weder bei § 91 Abs. 1 noch Abs. 2 um Schutzgesetze handelt.33) 2.
Strafrecht
Die Verletzung von Buchführungspflichten kann zur Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1, 14 Abs. 2 Nr. 5 – 7 StGB (Bankrott), § 283a StGB (Besonders schwerer Fall des Bankrotts) oder § 283b Abs. 1 Nr. 1 – 3 StGB (Verletzung der Buchführungspflicht) führen. Ein Verstoß gegen § 91 Abs. 2, der einen Vermögensschaden der Gesellschaft zur Folge 15 hat, stellt unter Umständen gleichzeitig eine Untreue nach § 266 StGB dar.34)
_____________ 27) Marsch-Barner/Schäfer-Arnold, Hdb börsennotierte AG, § 18 Rz. 16; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 36; Hüffer, AktG, § 91 Rz. 8. 28) Vgl. LG München I, Urt. v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, NZG 2008, 319; Bürgers/Körber-Bürgers/ Israel, AktG, § 91 Rz. 11; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 36. 29) Gernoth, DStR 2001, 299 ff.; Hommelhoff/Mattheus, BB 2007, 2787, 2788; Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 847; Schmidbauer, DB 2000, 153, Spindler, WM 2008, 905, 907. 30) Bunting, ZIP 2012, 357, 359. 31) Hüffer, AktG, § 91 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 91 Rz. 14; Kort in: GroßKomm-AktG, § 91 Rz. 50 ff.; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 91 Rz. 10; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 27; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 513. 32) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 47; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 37; Bicker, AG 2012, 542, 543; Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 119; Vetter, DB 2007, 1963, 1964; a. A. Berg, AG 2007, 271, 274 ff.; Schwintowski, NZG 2005, 200, 201 f. 33) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 91 Rz. 25 ff., 46; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 91 Rz. 12, 39. 34) Bihr/Kalinowsky, DStR 2008, 620, 625; Helmrich, NZG 2011, 1252, 1253 f.; Windolph, NStZ 2000, 522, 524.
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§ 92
Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
§ 92 Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (1) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, daß ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen. (2) 1Nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, darf der Vorstand keine Zahlungen leisten. 2Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. 3Die gleiche Verpflichtung trifft den Vorstand für Zahlungen an Aktionäre, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in § 93 Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Literatur: Altmeppen, Haftungsrisiken für Organwalter im Vorfeld der Konzerninsolvenz, ZIP 2013, 801; Altmeppen, Insolvenzverschleppungshaftung Stand 2001, ZIP 2001, 2201; Bittmann, Strafrechtliche Folgen des MoMiG, NStZ 2009, 113; Brand, Insolvenzverursachungshaftung bei aufsteigenden Kreditsicherheiten, NZG 2012, 1374; Dahl/Schmitz, Probleme von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nach FMStG und MoMiG, NZG 2009, 567; Gehrlein, Der aktuelle Stand des neuen GmbH-Rechts, Der Konzern, 2007, 771; Greulich/Bunnemann, Geschäftsführerhaftung für zur Zahlungsunfähigkeit führende Zahlungen an die Gesellschafter nach § 64 II 3 GmbHG-RefE – Solvenztest im deutschen Recht?, NZG 2006, 681; Haas, § 64 S. 3 GmbHG – Erste Eckpunkte des BGH, NZG 2013, 41; Haas, Der Erstattungsanspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG, NZG 2004, 737; Hirte, Die „Große GmbH-Reform“ – Ein Überblick über das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), NZG 2008, 761; Kleindiek, Zahlungsunfähigkeit und Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG, BGH. Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, BB 2013, 19; Knapp, Auswirkungen des MoMiG auf Aktiengesellschaften und ihre Organmitglieder, DStR 2008, 2371; Knof, Die neue Insolvenzverursachungshaftung nach § 64 Satz 3 RegE-GmbHG (Teil II), DStR 2007, 1580; Knof, Die neue Insolvenzverursachungshaftung nach § 64 Satz 3 RegE-GmbHG (Teil I), DStR 2007, 1536; Knolle/Lojowsky, Gesellschafterdarlehen und Zahlungsunfähigkeit, NZI 2013, 171; Kropff, Nettoausweis des gezeichneten Kapitals und Kapitalschutz, ZIP 2009, 1137; Lutter/Hommelhoff (Hrsg.), GmbH-Gesetz, Kommentar, 17. Aufl. 2009; Mertens, Anwendbarkeit des § 92 Abs. 1 AktG im Vergleichsverfahren, AG 1983, 173, 176; Meyer, Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für Gläubigerinteressen – Veränderungen durch das MoMiG; BB 2008, 1742; Müller, Der Verlust der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals – Überlegungen zu den §§ 92 Abs. 1 AktG und 49 Abs. 3 GmbHG, ZGR 1985, 191; Niesert/Hohler, Die Haftung des Geschäftsführers für die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen und ähnliche Leistungen – Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 64 S. 3 GmbHG, NZI 2009, 345; Nolting-Hauff/ Greulich, Was von der Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers nach § 64 S. 3 GmbHG bleibt, GmbHR 2013, 169; Reuter, „Krisenrecht“ im Vorfeld der Insolvenz – das Beispiel der börsennotierten AG, BB 2003, 1797; Schult, Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers: BGH schafft Klarheit, GWR 2012, 549; Strohn, Organhaftung im Vorfeld der Insolvenz, NZG 2011, 1161; Thümmel/Burkhardt, Neue Haftungsrisiken für Vorstände und Aufsichtsräte aus § 57 Abs. 1 AktG und § 92 Abs. 2 S. 3 AktG in der Neufassung des MoMiG, AG 2009, 885; Wilhelm, Konkursantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers und Quotenschaden, ZIP 1993, 1833.
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Jan Eckert
Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
§ 92
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Pflichten bei Verlust der Hälfte des Grundkapitals (§ 92 Abs. 1) ....... 3 1. Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals ..................................... 5 2. Vorstandspflichten ............................. 8 III. Zahlungsverbote bei Eintritt der Insolvenzreife (§ 92 Abs. 2) ............ 11 1. Allgemeine Einschränkungen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2) ........ 11 I.
2. Verbot von Zahlungen an Aktionäre (§ 92 Abs. 2 Satz 3) ........ a) Anwendungsbereich .................. b) Zahlungsverbot und Entlastungsmöglichkeit ............. c) Leistungsverweigerungsrecht .... IV. Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen Verhaltenspflichten ............. 1. Verstoß gegen § 92 Abs. 1 ............... 2. Verstoß gegen § 92 Abs. 2 ...............
15 16 19 21 22 22 24
Überblick
§ 92 legt dem Vorstand verschiedene Verhaltenspflichten bei Eintritt einer Krise der 1 Gesellschaft auf. Nach § 92 Abs. 1 muss er im Falle eines Verlustes der Hälfte des Grundkapitals unverzüglich die Hauptversammlung einberufen und ihr dies anzeigen. Gemäß § 92 Abs. 2 darf der Vorstand nach Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr vornehmen, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Ein Verbot gilt zudem für Zahlungen an Aktionäre, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten. Der Zweck des § 92 Abs. 1 ist es, die Hauptversammlung so rechtzeitig über den angegrif- 2 fenen Vermögensstatus der Gesellschaft zu informieren, dass diese auf die Unternehmenskrise angemessen reagieren kann.1) Denkbar sind etwa Kapitalveränderungen (§§ 182 ff., 229 ff.), aber auch ein Auflösungsbeschluss (§ 262 Abs. 1 Nr. 2).2) Dagegen ist die Publizitätswirkung der Hauptversammlungseinberufung nicht bezweckt, sondern allenfalls eine gewollte Nebenfolge.3) § 92 Abs. 2 dient dagegen dem öffentlichen Interesse, insbesondere dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger, an einer geordneten Verwertung des Gesellschaftsvermögens.4) II.
Pflichten bei Verlust der Hälfte des Grundkapitals (§ 92 Abs. 1)
Sobald der Vorstand feststellt oder bei pflichtgemäßem Ermessen anzunehmen hat, dass 3 ein Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals eingetreten ist, hat er unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen. Die Pflicht trifft auch fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglieder.5) Eine Abbedingung des § 92 Abs. 1 durch Satzung oder Weisung des Aufsichtsrats ist ausgeschlossen. Allerdings ist es bei Gesellschaften mit kleinem Aktionärskreis denkbar, dass die Vorstandsmitglieder mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre von ihren Pflichten aus § 92 Abs. 1 entbunden werden. Damit ist dem Schutzzweck der Vorschrift Genüge getan.6) Der Vorstand darf sich nicht darauf beschränken, das Vorliegen der Voraussetzungen für 4 seine Anzeigepflicht anhand des üblichen Kanons von Jahres- und Zwischenbilanzen zu _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 1. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 1. BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 211/76 = NJW 1979, 1829, 1831; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 2; Reuter, BB 2003, 1797, 2003. Hüffer, AktG, § 92 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 1. Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 51. K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 11 mit Verweis auf die gleichlautende h. M. zur Parallelregelung in § 49 Abs. 3 GmbHG; anders aber: Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 92 Rz. 13; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 5; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 51.
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§ 92
Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
überprüfen. Nach allgemeiner Auffassung hat der Vorstand vielmehr eine Pflicht zur beständigen Prüfung der Vermögens- und Finanzlage.7) Spitzt sich demnach eine Krisensituation so zu, dass Unklarheit darüber besteht, ob der Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals eingetreten ist, ist eine Zwischenbilanz zu erstellen, um die notwendige Klarheit zu schaffen.8) 1.
Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals
5 Abzustellen ist auf das satzungsmäßige, nicht auf das eingezahlte Grundkapital.9) Nach der ganz h. M. entsteht die Handlungspflicht erst dann, wenn ein (kumulierter) Verlust angefallen ist, der das vorhandene Gesellschaftsvermögen auf die Hälfte des Grundkapitals reduziert.10) Nach gegenteiliger Auffassung reicht bereits ein einmaliger Jahresfehlbetrag i. S. von § 266 Abs. 3 A HGB i. H. der Hälfte des Grundkapitals aus, um die Pflichten des § 92 Abs. 1 auszulösen.11) Danach würde das Gesellschaftsvermögen als Referenzgröße keine Rolle spielen. Dem wird zu Recht entgegenhalten, dass auf diese Weise Gewinn- und Kapitalrücklagen unberücksichtigt blieben und somit die Information der Hauptversammlung von der Struktur des Eigenkapitals (Bildung von Rücklagen vs. Bildung neuen Grundkapitals) abhinge.12) Zudem steht die Mindermeinung in Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift, die von „Verlust“ spricht und gerade nicht den rechtstechnischen Begriff „Jahresfehlbetrag“ verwendet.13) 6 Als Gesellschaftsvermögen gilt die Summe aus Kapitalrücklage, gesetzlicher Rücklage, satzungsmäßigen Rücklagen, anderen Gewinnrücklagen, Bilanzgewinn (einschließlich Gewinnvortrag) sowie Eigenkapitalanteil in den Sonderposten mit Rücklagenanteil abzüglich des Bilanzverlustes (Verlust und Verlustvortrag).14) Dagegen sind Rücklagen für eigene Anteile nicht zu berücksichtigen.15) Darlehen mit Rangrücktritt sind bis zum endgültigen Forderungsverzicht durch den Gläubiger als Fremdkapital zu behandeln.16) 7 Die Ermittlung des Verlustes erfolgt auf Grundlage der für die Jahresbilanz geltenden Ansatz- und Bewertungsregeln.17) Hierfür spricht vor allem der Wortlaut des § 92 Abs. 1, der ausdrücklich auf die „Jahresbilanz“ verweist.18) Anwendbar sind folglich insbesondere die §§ 252 ff. HGB. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist bei der Bewertung grundsätzlich von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen (Going Concern). Im Fall einer negativen Fortführungsprognose sind dagegen Liquidations- statt Buchwerte anzu_____________ 7) BGH, Urt. v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 1 – „Kardinalpflicht“; Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 20 Rz. 1; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 55. 8) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 4; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 55. 9) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 8. 10) BGH, Urt. v. 9.10.1958 – II ZR 348/56 = WM 1958, 1416, 1417; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 9; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 56; Kropff, ZIP 2009, 1137, 1144 f.; Müller, ZGR 1985, 191, 196. 11) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 13 ff. 12) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 7; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 3. 13) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 7; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 2. 14) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 3; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 9; Müller, ZGR 1985, 191, 207, 213. 15) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 3; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 92 Rz. 9. 16) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 3; Müller, ZGR 1985, 191, 197 ff., 207 f. 17) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 3. 18) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 4; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 92 Rz. 6.
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Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
§ 92
setzen.19) Die Zulässigkeit der Auflösung stiller Reserven richtet sich ebenfalls nach den für die Erstellung des Jahresabschlusses anwendbaren Regeln.20) Möglich sind nach § 280 HGB also Zuschreibungen; ebenso die Wertaufholung nach Abschreibungen gemäß § 253 Abs. 2 Satz 3 oder Abs. 3 HGB und nach steuerrechtlichen Abschreibungen gemäß §§ 254, 279 Abs. 2 HGB.21) Da es i. R. von § 92 Abs. 1 auf die Einzelbilanz und nicht den Konzernabschluss ankommt, können stille Reserven zusätzlich durch Veräußerungen an Dritte oder innerhalb des Konzerns gehoben werden.22) 2.
Vorstandspflichten
Liegen die Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 vor, hat der Vorstand unverzüglich (§ 121 8 Abs. 1 Satz 1 BGB) die Hauptversammlung einzuberufen und ihr den Verlust i. H. der Hälfte des Grundkapitals anzuzeigen. Das gilt auch dann, wenn absehbar ist, dass dieser Zustand nur vorübergehend ist und bis zur, spätestens aber durch Maßnahmen der Hauptversammlung, wieder behoben sein wird. Die gesetzliche Aussage ist insofern klar. Zudem ist es für die Hauptversammlung durchaus relevant zu wissen, dass die Gesellschaft soeben noch „in den Abgrund geblickt“ hat.23) Hinzunehmen ist allenfalls ein gewisses Zuwarten mit der Einberufung samt Verlustanzeige, wenn anderenfalls die Gesellschaft schweren Schaden nehmen könnte.24) Dies mag etwa so sein, wenn die Publikation der Krise zum Scheitern von kurz vor dem erfolgreichen Abschluss stehenden Sanierungsverhandlungen führen könnte.25) Zudem wird man dem Vorstand Zeit geben müssen, Gegenmaßnahmen zur Beseitigung der Krise vorzubereiten, wenn er solche der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegen und sich nicht auf die Verlustanzeige beschränken will.26) In diesen Fällen liegt kein schuldhaftes Verzögern i. S. des § 121 BGB vor. Allerdings haben börsennotierte AG zugleich zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG für eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizität vorliegen. In jedem Fall kommt allenfalls eine kurze Verzögerung in Betracht. Die Drei-Wochen-Frist aus § 15a Abs. 1 InsO eignet sich nicht als Orientierung und dürfte in aller Regel zu lang sein.27) Die negative Publizität einer Verlustanzeige allein kann weder deren Aufschub und schon gar nicht ihre Unterlassung rechtfertigen. Das Gesetz misst einer rechtzeitigen Information der Aktionäre vorrangige Bedeutung bei und nimmt die negative Außenwirkung in Kauf.28) _____________ 19) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 8; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 10; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 10. 20) Ausführlich: Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 8; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 18; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 8 f.; a. A. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 9; Reuter, BB 2003, 1797, 1802. 21) Hüffer, AktG, § 92 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 5. 22) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 5. 23) A. A. K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 6, mit Hinweis auf den Gesetzeszweck. 24) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 9; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 12. 25) Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 9; Hölters-MüllerMichaels, AktG, § 92 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 12. 26) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 9. 27) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 9; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 92 Rz. 11; a. A. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 23, der mit Verweis auf § 92 Abs. 2 a. F. von „Maximalfrist“ von drei Wochen ausgeht. 28) Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 9; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 12; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 14 mit Verweis auf entschuldigenden Notstand (§ 34 StGB); Mertens, AG 1983, 173, 176; Müller, ZGR, 1985, 191, 194 f.
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§ 92
Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
9 In der Tagesordnung ist die Verlustanzeige unmissverständlich und unverschleiert anzukündigen; anderenfalls muß eine weitere Hauptversammlung einberufen werden, die dann allerdings nicht mehr „unverzüglich“ i. S. von § 92 Abs. 1 ist.29) Daneben können weitere Tagesordnungspunkte aufgenommen werden, insbesondere zur Beschlussfassung über Maßnahmen, mit denen die Krise überwunden werden soll.30) 10 Hat der Vorstand bereits Insolvenzantrag gestellt, ist die Einberufung einer Hauptversammlung nach § 92 Abs. 1 nicht mehr erforderlich, weil die Hauptversammlung in diesem Stadium ohnehin keine Maßnahmen zur Krisenabwehr mehr beschließen kann.31) In der Abwicklung sollte § 92 Abs. 1 aber zumindest solange Anwendung finden, wie der Geschäftsbetrieb noch fortgeführt wird und nicht nur auf die Verwertung des Vermögens und Einstellung des Geschäftsbetriebs ausgerichtet ist.32) III.
Zahlungsverbote bei Eintritt der Insolvenzreife (§ 92 Abs. 2)
1.
Allgemeine Einschränkungen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2)
11 Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft darf der Vorstand gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 nur noch solche Zahlungen vornehmen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu vereinbaren sind. 12 Für den Beginn des insofern qualifizierten Zahlungsverbots ist erforderlich, dass die Insolvenzreife eintritt33) und diese, was widerleglich vermutet wird, subjektiv auch zu erkennen ist.34) Die Geschäftsleiter müssen für eine Organisation sorgen, die ihnen die zur Wahrnehmung ihrer Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.35) Nach der Gegenansicht entsteht das Verbot hingegen erst mit der positiven Kenntnis bzw. böswilligen Unkenntnis der Insolvenzantragspflicht, also nach Ablauf der längstens dreiwöchigen Frist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO.36) Dieser Auffassung liegt die Befürchtung zugrunde, dass die Sanierungsbemühungen des Vorstands unter dem Regime des Zahlungsverbots erheblich beeinträchtigt werden können. Andererseits sind dem Vorstand unter den Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Satz 2 durchaus noch Zahlungen i. R. eines Sanierungsplans möglich. Die gesetzlich angeordneten Einschränkungen sind im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes hinzunehmen.
_____________ 29) Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 14; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 58. 30) Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 8. 31) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 15. 32) Henssler/Strohn-Dauner-Lieb, GesR, § 92 AktG Rz. 8; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 11; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 10; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 92 Rz. 12; a. A. – keine Anwendung in der Abwicklung – Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 15; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 12; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 51. 33) BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, NZG 2009, 550, 551; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 93; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14a; Strohn, NZG 2011, 1161, 1163; Reuter, BB 2003, 1797, 1803. 34) BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 185 = ZIP 2000, 184 – zur GmbH; FleischerFleischer, Hdb. VorstandsR, § 20 Rz. 58; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 62, 93; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14a; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 15. 35) BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557, 1558 – zur GmbH. 36) OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.6.1985 – 6 U 78/84, ZIP 1985, 876, 886; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.8.2004 – 23 U 170/03, NZG 2004, 1157, 1160; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 27.
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§ 92
Angesichts des Schutzzwecks der Vorschrift ist von einem weiten, über den Wortlaut 13 hinausgehenden Verständnis des Zahlungsbegriffs, auszugehen.37) Erfasst werden demnach nicht nur der Geldabfluss, sondern sämtliche Leistungen, wie etwa auch die Lieferung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen, soweit diese zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen.38) Das ist regelmäßig der Fall, es sei denn, mit der bewirkten Zahlung gelangt ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen und verbleibt auch dort.39) Allerdings hat der Stellvertretende Vorsitzende des II. Zivilsenats, Lutz Strohn, zu diesem in der Rechtsprechung etablierten Grundsatz kürzlich einschränkende Überlegungen angestellt. So müsse der Aktiventausch in engem zeitlichen Zusammenhang vollzogen werden, wobei man auf die Grundsätze zum Bargeschäft nach § 142 InsO zurückgreifen könne. Zudem sei zu bedenken, beim erworbenen Gegenstand auch den Nachteil eines etwaigen Verwertungsaufwandes zu berücksichtigen.40) Die Begründung von Verbindlichkeiten wird vom Verbot des § 92 Abs. 2 Satz 1 nicht erfasst, da hierdurch kein unmittelbarer Abfluss aus der Masse stattfindet.41) Zulässig sind solche Zahlungen gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 nur, wenn sie mit der Sorgfalt 14 eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Entscheidend ist, ob sie dem Masseerhalt und damit dem Interesse der Gläubiger dienen.42) Dazu gehören z. B. Aufwendungen zum Werterhalt sowie die Begleichung von Fixkosten, wenn diese zu einer massevorteilhaften Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs unbedingt erforderlich sind.43) Desgleichen zulässig sind Aufwendungen, die getätigt werden, um Sanierungschancen zu erhalten. Hierzu ist etwa die Bedienung von laufenden Miet-, Lohn- und Steuerzahlungen zu rechnen, wenn damit die sofortige Einstellung des Betriebes verhindert wird.44) Auch das Entgelt für den Sanierungsberater kann privilegiert sein.45) Zudem darf der Vorstand der gemäß § 266a StGB strafbewehrten Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nachkommen.46) Darüber hinaus gehend scheidet ein Verstoß gegen § 92 Abs. 2 Satz 1 immer dann aus, wenn die Unterlassung der Zahlung zur Strafbarkeit oder persönlichen Haftung eines Vorstands_____________ 37) BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186 = ZIP 2000, 184 – zur GmbH; HeidelOltmanns, § 92 AktG Rz. 16; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 59. 38) BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 194 = ZIP 1994, 1103 – zur GmbH; Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 22; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 93; K. Schmidt/LutterKrieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 14. 39) BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, NZG 2010, 1393, 1395 = ZIP 2010, 2400; BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, NZG 2003, 582, 583 = ZIP 2003, 1005. 40) Strohn, NZG 2011, 1161, 1164: „Ich denke, es wird Aufgabe des Senats sein, diese Auslegung des Begriffs „Zahlung“ näher zu konkretisieren.“ 41) BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, BGHZ 138, 211, 216 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 23; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 93; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14a; K. Schmidt/ Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 14; a. A. Altmeppen, ZIP 2001, 2201, 2206 ff.; Wilhelm, ZIP 1993, 1833, 1836. 42) BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 275 = ZIP 2001, 235; Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 20 Rz. 59; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 95. 43) OLG Celle, Urt. v. 23.12.2003 – U 176/03, GmbHR 2004, 568, 569 f. – zur GmbH; Spindler/StilzFleischer, AktG, § 92 Rz. 31; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 95; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14b; Reuter, BB 2003, 1797, 1803. 44) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 31; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14b; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 71; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 16, mit Verweis auf uneinheitliche Spruchpraxis von finanzgerichtlicher und gesellschaftsrechtlicher Rspr. zur Begleichung von Steuerverbindlichkeiten. 45) Strohn, NZG 2011, 1161, 1164. 46) BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265, 1266 = DZWIR 2007, 427 mit Anm. Poertzgen; hierzu auch Urteilsanm. Altmeppen, NJW 2007, 2121; mit einer Übersicht zur Entwicklung der Rspr. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 32.
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mitglieds führen würde.47) Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich der Vorstand auch im Übrigen mit seinen Zahlungen rechtskonform verhält.48) 2.
Verbot von Zahlungen an Aktionäre (§ 92 Abs. 2 Satz 3)
15 Mit § 92 Abs. 2 Satz 3 hat das MoMiG die sog. Insolvenzverursachungshaftung eingeführt. Deren Ziel ist es, den Abzug von Vermögenswerten („Ausplünderung“) zu verhindern, die die Gesellschaft objektiv zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt49) und so ihrer Zahlungsunfähigkeit vorzubeugen.50) Die Vorschrift verbessert den Gläubigerschutz, indem sie Vermögensverschiebungen erfasst, die nicht dem allgemeinen Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 Satz 1 unterfallen; so etwa bei einem Abzug von Liquidität ohne Schmälerung des bilanziellen Vermögens (z. B. Ausreichung eines werthaltigen Darlehens).51) a)
Anwendungsbereich
16 Das Verbot von Zahlungen an Aktionäre erfordert nach allgemeiner Auffassung eine am Gesetzeszweck orientierte weite Auslegung.52) Ebenso wie in § 92 Abs. 2 Satz 1 (siehe Rz. 13) ist der Begriff „Zahlungen“ daher nicht auf reine Geldleistungen beschränkt, sondern umfasst auch sonstige vergleichbare Leistungen zulasten des Gesellschaftsvermögens, durch die der Gesellschaft im Ergebnis Liquidität entzogen wird.53) Dazu gehören etwa Sicherheitsleistungen der Gesellschaft für Verbindlichkeiten eines Aktionärs, wenn bei deren Bestellung die Inanspruchnahme wahrscheinlich ist und kein liquidierbarer Rückgriffsanspruch in gleicher Höhe besteht.54) Relevant kann auch der Verzicht auf die Geltendmachung einer Forderung gegen einen Gesellschafter sein.55) 17 Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist jedoch beschränkt, denn entgegen der bisher h. M.56) hat der BGH kürzlich entschieden, dass bei der Prüfung der Verursachung einer Zahlungsunfähigkeit fällige und durchsetzbare Ansprüche des Gesellschafters in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen sind.57) In der Konsequenz fällt die Bedienung _____________ 47) Strohn, NZG 2011, 1161, 1164; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 32; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14b; Podewils, ZInsO 2008, 813, 814 (Urteilsanm.). 48) BGH, Urt. v. 29.9.2008 – II ZR 162/07, DZWIR 2009, 243, 244. 49) Hierzu Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 38; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 18. 50) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/1640, S. 46 – zur Änderung von § 64 Abs. 2 GmbHG. 51) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 38; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14c; Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 92 Rz. 59; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 18; Hirte, NZG 2008, 761, 765. 52) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/1640, S. 46; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14c; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 39; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 19; Meyer, BB 2008, 1742, 1745 f. – zu § 64 Satz 3 GmbHG. 53) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/1640, S. 46; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 42; Thümmel/Burkhardt, AG 2009, 885, 891. 54) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 19; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 41; Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 684 – zu § 64 GmbHG. 55) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 42; Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 684 – zu § 64 GmbHG. 56) H .F. Müller in: MünchKomm-GmbHG, § 64 Rz. 167; Scholz-K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rz. 77; Gehrlein/Ekkenga/Simon-Sandhaus, GmbHG, § 64 Rz. 49; Ulmer/Habersack/Winter-Casper, GmbHG, Erg.-Band MoMiG, § 64 Rz. 114; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 567, 569; Kleindiek, BB 2013, 19; Spliedt, ZIP 2009, 149, 159. 57) BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391; ebenso OLG München, Urt. v. 6.5.2010 – 23 U 1564/10, ZIP 2010, 1236, 1237, dazu EWiR 2010, 745 (Henkel); Roth/Altmeppen-Altmeppen, GmbHG, § 64 Rz. 61; Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rz. 93.
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solcher Forderungen grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des § 92 Abs. 2 Satz 3 heraus, denn wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist, kann die Erfüllung einer Forderung keine Zahlungsunfähigkeit mehr herbeiführen.58) Damit ist ein einheitliches Verständnis des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit in § 92 Abs. 2 Satz 3 (§ 64 Satz 3 GmbHG), § 92 Abs. 2 Satz 1 (§ 64 Satz 1 GmbHG) und § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO gewährleistet. Nach dem BGH bleiben drei Anwendungsfälle: –
Die Zahlung an den Gesellschafter vergrößert eine bestehende Liquiditätslücke von weniger als 10 % auf mindestens 10 %,
–
die Zahlung erfolgt auf eine nicht im insolvenzrechtlichen Sinn fällige Forderung (z. B. mit Rangrücktritt oder eine „nicht ernsthaft“ eingeforderte Gesellschafterforderung) oder
–
die Zahlung führt zum Abzug von Krediten Dritter, wodurch die Zahlungsunfähigkeit ausgelöst wird.59)
Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist im Wege einer wertenden Be- 18 trachtung ebenfalls erweiternd auszulegen, so dass nicht nur Leistungen der Gesellschaft an Aktionäre, sondern auch Zahlungen an Dritte und durch Dritte von dem Verbot erfasst werden können.60) Voraussetzung dafür ist im ersten Fall, dass der Leistungsempfänger mit dem Aktionär in wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht eng verbunden ist.61) Im letzteren Fall muss die Leistung des Dritten dem Vorstand zurechenbar sein.62) b)
Zahlungsverbot und Entlastungsmöglichkeit
Verboten sind Zahlungen, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten. 19 Bei der Feststellung der insoweit notwendigen Kausalität ist ein restriktiver Maßstab anzulegen.63) Nach der Regierungsbegründung muss die Zahlung ohne Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zur Zahlungsunfähigkeit führen. Dabei ist es nicht notwendig, dass die Zahlungsunfähigkeit bereits im Zeitpunkt der Zahlung eintritt. Vielmehr reicht es, wenn sich in diesem Moment klar abzeichnet, dass die Gesellschaft unter normalem Verlauf der Dinge ihre Verbindlichkeiten nicht mehr wird erfüllen können.64) Dafür genügt es nach der herrschenden Lehre, wenn die Zahlungsunfähigkeit als Folge der Zahlung bei der Liquiditätsprognose durch einen objektiven Beobachter überwiegend wahrscheinlich ist.65) Außergewöhnliche Ereignisse, die vor der Zahlungsfähigkeit hätten bewahren können, mit denen man aber im Moment der Auszahlung nicht rechnen konnte,
_____________ 58) BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391, 2392; zust.: Altmeppen, ZIP 2013, 801; Brand, NZG 2012, 1374, 1375; i. E. Knolle/Lojowsky, NZI 2013, 171, 172; Nolting-Hauff/Greulich, GmbHR 2013, 169, 172; Wenzler, GmbHR 2013, 33 f. (Urteilsanm.). 59) BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391, 2392; krit. Altmeppen, ZIP 2013, 801, 803 ff., der das Zahlungsverbot wegen Insolvenznähe für „gegenstandslos“ hält. 60) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 43; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14c; K. Schmidt/Lutter-Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 20. 61) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 20; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 50; Niesert/Hohler, NZI 2009, 345, 349 – zu § 64 Satz 3 GmbHG. 62) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 20; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 49; Knof, DStR 2007, 1536, 1538 – zu § 64 Satz 3 GmbHG. 63) Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14c; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 20. 64) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/1640, S. 46. 65) So Gehrlein, Der Konzern, 2007, 771, 795, Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 64 Rz. 29; Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 685; Knof, DStR 2007, 1536, 1540; zum Meinungsstand Spindler/ Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 44.
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bleiben außer Betracht.66) Werden der Gesellschaft als Gegenleistung für die Zahlung in gleichem Maße liquide Mittel wieder zugeführt, fehlt es an der notwendigen Kausalität.67) 20 § 92 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 bietet dem Vorstand eine Entlastungsmöglichkeit. Hierzu muss er beweisen, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht erkennbar war.68) Eine Exkulpation kommt vor allem in Betracht, wenn die Insolvenz durch im Zeitpunkt der Zahlung nicht erkennbare äußere Einflüsse verursacht wird.69) c)
Leistungsverweigerungsrecht
21 Die Frage, ob die Gesellschaft – und damit der Geschäftsführer – aus § 64 Satz 3 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG ein Leistungsverweigerungsrecht ableiten kann, ist umstritten. Eine Mindermeinung im Schrifttum sowie Teile der Rechtsprechung lehnen dies mit Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift sowie systematischen Bedenken ab. Der Gesetzgeber habe mit dem MoMiG die eigenkapitalersatzrechtlichen Mechanismen einschließlich der mangelnden Rückführbarkeit von Gesellschafterdarlehen in der Krise ablösen und im Insolvenzrecht neu regeln wollen, was durch die Zuerkennung eines Leistungsverweigerungsrechts konterkariert würde.70) Der BGH bejaht hingegen im Einklang mit der h. M. ein Leistungsverweigerungsrecht, um so der Gefahr vorzubeugen, dass bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit von den Gesellschaftern Mittel entnommen werden.71) IV.
Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen Verhaltenspflichten
1.
Verstoß gegen § 92 Abs. 1
22 Über die Einberufung der Hauptversammlung hat der Vorstand gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1 mit einfacher Mehrheit zu entscheiden.72) Kommt dieser Beschluss aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens der Mehrheit der Vorstandsmitglieder nicht zustande, haben sich die unterlegenen Vorstandsmitglieder an den Aufsichtsrat zu wenden.73) Dieser kann entweder den Vorstand gemäß § 111 Abs. 1 dazu anhalten, seiner gesetzlichen Pflicht nachzukommen oder gemäß § 111 Abs. 3 Satz 1 selbst eine Hauptversammlung einberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert. 23 Mit einem Verstoß gegen die Einberufungs- und Anzeigepflicht werden die Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 schadensersatzpflichtig. Nach einer starken Auffassung in der Literatur ist § 92 Abs. 1 zugleich Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschaft und der Aktionäre.74) Diese Ansicht überspannt allerdings den Individualschutz der Aktionäre. § 92 Abs. 1 bezweckt den Erhalt der Handlungsfähigkeit _____________ 66) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/1640, S. 46 f. 67) Begr. RegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/1640, S. 46. 68) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 26; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 56. 69) Knapp, DStR 2008, 2371, 2373; Knof, DStR 2007, 1580, 1584. 70) OLG München, Urt. v. 22.12.2010 – 7 U 4960/07, ZIP 2011, 225, 226; Bork, EWiR 2013, 75, 76; Haas, NZG 2013, 41, 44 f.; Knolle/Lojowsky, NZI 2013, 171, 172 f. 71) BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, ZIP 2012, 2391, 2393; ebenso Scholz-Verse, GmbHG, § 29 Rz. 93; Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, § 64 Rz. 21, 27; Nolting-Hauff/Greulich, GmbHR 2013, 169, 173; Schult, GWR 2012, 549, 551. 72) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 13. 73) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 13; Reuter, BB 2003, 1797, 1802. 74) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 17; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 92 Rz. 26; HeidelOltmanns, § 92 AktG Rz. 19; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 17; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 59.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 93
der Hauptversammlung; die Aktionäre profitieren lediglich mittelbar über das Gesellschaftswohl.75) Auch Gesellschaftsgläubiger werden nicht vom Schutzzweck erfasst.76) § 401 begründet die Strafbarkeit eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtenverstoßes. 2.
Verstoß gegen § 92 Abs. 2
Die Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder bei einem Verstoß gegen § 92 Abs. 2 24 Satz 1 ergibt sich aus § 93 Abs. 3 Nr. 6. Die Vorschrift stellt zugleich ein Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger dar.77) Inhaltlich richtet sich der Anspruch nach der geltenden Rechtsprechung auf Ersatz des ausgezahlten Betrages.78) Sachgerecht wäre es hingegen, den Anspruch anhand der tatsächlich eingetretenen Masseschmälerung zu bemessen und die Insolvenzquote, die auf den gezahlten Betrag entfallen wäre sowie noch in der Masse verbliebene Gegenleistungen anspruchsmindernd zu berücksichtigen.79) Bei einem Verstoß gegen § 92 Abs. 2 Satz 3 ist die Gesellschaft so zu stellen, dass der 25 Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit entfällt.80) Demnach sind neben den geleisteten Beträgen auch sämtliche Einbußen infolge der tatsächlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu ersetzen.81) Die Haftung folgt ebenfalls aus § 93 Abs. 3 Nr. 6. Strafrechtlich können Verstöße gegen § 92 Abs. 2 als Untreue nach § 266 StGB relevant 26 werden.82) _____________ 75) Vgl. Hüffer, AktG, § 92 Rz. 15; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 12; Mertens/ Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 21; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 92 Rz. 28. 76) Ganz h. M.: BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 211/76, NJW 1979, 1829, 1831; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 15 m. w. N. 77) BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 107 = NJW 1979, 1823; K. Schmidt/LutterKrieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 12; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 37; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 92 Rz. 68. 78) BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 278 = ZIP 2001, 235 mit zust. Anm. Attenberger. 79) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 33; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 20; K. Schmidt/Lutter-Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 17; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 92 Rz. 29; Spindler in: MünchKommAktG, § 92 Rz. 67. 80) Hüffer, AktG, § 92 Rz. 21. 81) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 92 Rz. 25; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 92 Rz. 57; Hüffer, AktG, § 92 Rz. 21. 82) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 92 Rz. 33; Bittmann, NStZ 2009, 113, 118.
§ 93 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder (1) 1Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. 2Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. 3Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren. 4Die Pflicht des Satzes 3 gilt nicht gegenüber einer nach § 342b des Handelsgesetzbuchs anerkannten Prüfstelle im Rahmen einer von dieser durchgeführten Prüfung.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
(2) 1Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. 2Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. 3Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen. (3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden, 2. den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden, 3. eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden, 4. Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden, 5. Gesellschaftsvermögen verteilt wird, 6. Zahlungen entgegen § 92 Abs. 2 geleistet werden, 7. Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden, 8. Kredit gewährt wird, 9. bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden. (4) 1Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. 2Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. 3 Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. 4Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (5) 1Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. 2Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. 3Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. 4Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus. (6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren. Literatur: Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“, Praktische Empfehlungen für unternehmerisches Entscheiden. Zur Anwendung der Business Judgement Rules in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, DB 2006, 2189; Balthasar/Hamelmann, Finanzkrise und Vor-
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standshaftung nach § 93 Abs. 2 AktG: Grenzen der Justiziabilität unternehmerischer Entscheidungen, WM 2010, 589; Bank, Die Verschwiegenheitspflicht von Organmitgliedern in Fällen multipler Organmitgliedschaften, NZG 2013, 801; Baums, Kurzbeitrag Managerhaftung und Verjährung, ZHR 174 (2010), 593; Bicker, Legalitätspflicht des Vorstands – ohne Wenn und Aber?, AG 2014, 8; Binder, Anforderungen an Organentscheidungsprozesse in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung – Grundlagen einer körperschaftlichen Entscheidungslehre?, AG 2012, 885; Binder, Mittelbare Einbringung eigener Aktien als Sacheinlage und Informationsgrundlagen von Finanzierungsentscheidungen in Vorstand und Aufsichtsrat, ZGR 2012, 757; Böttcher, Bankvorstandshaftung im Rahmen der Sub-Prime Krise, NZG 2009, 1047; BuckHeeb, Die Haftung von Mitgliedern des Leitungsorgans bei unklarer Rechtslage, BB 2013, 2247; Bunz, Die Business Judgment Rule bei Interessenkonflikten im Kollegialorgan, NZG 2011, 1294; Cahn, Aufsichtsrat und Business Judgment Rule, WM 2013, 1293; Dauner-Lieb/ Tettinger, Vorstandshaftung, D&O-Versicherung, Selbstbehalt, ZIP 2009, 1555; Diekmann/ Fleischmann, Umgang mit Interessenkonflikten in Aufsichtsrat und Vorstand der Aktiengesellschaft, AG 2013, 141; Dietz-Vellmer, Organhaftungsansprüche in der Aktiengesellschaft: Anforderungen an Verzicht oder Vergleich durch die Gesellschaft, NZG 2011, 248; v. Falkenhausen, Die Haftung außerhalb des Business Judgment Rule – Ist die Business Judgment Rule ein Haftungsprivileg für Vorstände?, NZG 2012, 644; Fassbach, Deckungskonzepte für eine Aufsichtsrats-D&O-Versicherung, Der Aufsichtsrat 2013, 26; Fest, Darlegungs- und Beweislast bei Prognoseentscheidungen im Rahmen der Business Judgment Rule, NZG 2011, 540; Fleischer, Verbotsirrtum und Vertrauen auf Rechtsrat im Europäischen Wettbewerbsrecht, EuZW 2013, 326; Fleischer, Vorstandshaftung und Vertrauen auf anwaltlichen Rat, NZG 2010, 121; Fleischer, Aktuelle Entwicklungen der Managerhaftung, NJW 2009, 2337; Fleischer, Vertrauen von Geschäftsleitern und Aufsichtsratsmitgliedern auf Informationen Dritter, ZIP 2009, 1397; Fleischer, Kompetenzüberschreitungen von Geschäftsleitern im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht. Schaden – rechtmäßiges Alternativverhalten – Vorteilsausgleichung, DStR 2009, 1204; Fleischer, Kartellrechtsverstöße und Vorstandsrecht, BB 2008, 1070; Fleischer, Die „Business Judgment Rule“: Vom Richterrecht zur Kodifizierung, ZIP 2004, 685; Fleischer, Zur organschaftlichen Treuepflicht der Geschäftsleiter im Aktien- und GmbH-Recht, WM 2003, 1045; Franz, Aktuelle Compliance-Fragen zur D&O-Versicherung, DB 2011, 2019; Freitag/Korch, Die Angemessenheit der Information im Rahmen der Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), ZIP 2012, 2281; Freund, Konturierungen der Organpflichten von Geschäftsführern und Vorständen, GmbHR 2011, 238; Gädtke/Wax, D&O-Selbstbehalt auf dem Prüfstand, AG 2010, 851; Goette, Zu den vom Aufsichtsrat zu beachtenden Abwägungskriterien im Rahmen seiner Entscheidung nach den ARAG/GARMENBECK Kriterien – dargestellt am Beispiel des Kartellrechts, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 377; Goette, Grundsätzliche Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats bei sorgfaltswidrig schädigendem Verhalten im AG-Vorstand?, ZHR, 176 (2012), 588; Goette, „Zur ARAG/GARMENBECK-Doktrin“, in: Liber Amicorum für Martin Winter, 2011, S. 153; Goette, Leitung, Aufsicht, Haftung, in: Festschrift 50 Jahre BGH, 2000, S. 123; Goette, Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast der objektiven Pflichtwidrigkeit bei der Organhaftung, ZGR 1995, 648; Grooterhorst, Das Einsichtnahmerecht des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes in Geschäftsunterlagen im Haftungsfall, AG 2011, 389; Habersack/Schürnbrand, Die Rechtsnatur der Haftung aus §§ 93 Abs. 3 AktG, 43 Abs. 3 GmbHG, WM 2005, 957; Haertlein, Vorstandshaftung wegen (Nicht-)Ausführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses mit Dividendenausschüttung, ZHR 168 (2004), 437; Harbarth/Jaspers, Verlängerung der Verjährung von Organhaftungsansprüchen durch das Restrukturierungsgesetz, NZG 2011, 368; Hauschka, Ermessensentscheidungen bei der Unternehmensführung, GmbHR 2007, 11; Hoffmann, Existenzvernichtende Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten?, NJW 2012, 1393; Hohenstatt, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, ZIP 2009, 1349; Holle, Rechtsbindung und Business Judgment Rule, AG 2011, 778; Hopt, Die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat: Grundsatz und Praxisprobleme – unter besonderer Berücksichtigung der Banken, ZIP 2013, 1793; Hopt, ECLR Interessenwahrung und Interessenkonflikte im Aktien-, Bank- und Berufsrecht – Zur
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Dogmatik des modernen Geschäftsbesorgungsrechts, ZGR 2004, 1; Ihrig, Reformbedarf beim Haftungstatbestand des § 93 AktG, WM 2004, 2098; Junker/Biederbick, Dürfen Organmitglieder auf den Rat der Rechtsabteilung hören?, AG 2012, 898; van Kann, Zwingender Selbstbehalt bei der D&O-Versicherung – Gut gemeint, aber auch gut gemacht? – Änderungsbedarf an D&O-Versicherungen durch das VorstAG, NZG 2009, 1010; Kerst, Haftungsmanagement durch die D&O-Versicherung nach Einführung des aktienrechtlichen Selbstbehaltes in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG, WM 2010, 594; Kiefner/Krämer, Geschäftsleiterhaftung nach ISION und das Vertrauendürfen auf Rechtsrat, AG 2012, 498; Kindler, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung mit Augenmaß – über einige neuere Grundsatzentscheidungen des II. Zivilsenats des BGH zu §§ 93 AktG und 43 GmbH, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 231; Kleinhenz/ Leyendecker, Voraussetzungen und Reichweite der Haftungsbefreiungen nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG bei M&A-Transaktionen, BB 2012, 861; Koch, Einführung eines obligatorischen Selbstbehalts in der D&O-Versicherung durch das VorstAG, AG 2009, 637; Koch, Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), ZGR 2006, 769; Kocher, Zur Reichweite der Business Judgment Rule, CCZ 2009, 215; Kort, Zivilrechtliche Folgen unangemessen hoher Vorstandsvergütung – eine „Mannesmann“-Spätlese, DStR 2007, 1127; Kremer/Klahold, Compliance-Programme in Industriekonzernen, ZGR 2010, 113; Krieger, Wie viele Rechtsberater braucht ein Geschäftsleiter?, ZGR 2012, 496; Lange, Die D & O-Selbstbehalt-Versicherung, RuS 2010, 92; Lange, Die Selbstbehaltvereinbarungspflicht gem. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG n. F., VersR 2009, 1011; Lange, Zur Selbstbehaltvereinbarungspflicht in der D & O-Versicherung, VW 2009, 918; Lingemann, Angemessenheit der Vorstandsvergütung – Das VorstAG ist in Kraft, BB 2009, 1918; Lutter, Zum Beschluss des Aufsichtsrats über den Verzicht auf eine Haftungsklage gegen den Vorstand, in: Festschrift für Michael HoffmannBecking, 2013, S. 747; Lutter, Bankenkrise und Organhaftung, ZIP 2009, 197; Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, ZIP 2007, 841; Maaß/Schreier, Der Schattenvorstand – Möglichkeiten und Grenzen des Executive Committee, AG 2013, R 44; Marsch-Barner, Vorteilsausgleich bei der Schadensersatzhaftung nach § 93 AktG, ZHR 173 (2009), 723; Olbrich/Kassing, Der Selbstbehalt in der D&O Versicherung: Gesetzliche Neuregelung lässt viele Fragen offen, BB 2009, 1659; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, 2001; Paefgen, Die Darlegungs- und Beweislast bei der Business Judgment Rule, NZG 2009, 891; Peters, Angemessene Informationsbasis als Voraussetzung pflichtgemäßen Vorstandshandelns, AG 2010, 811; Prölss/Martin (Hrsg.), Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. 2010; Randel/Segger, Auswirkungen des Restrukturierungsgesetzes auf die D&O-Versicherung, BB 2011, 387; Redeke, Zu den Organpflichten bei bestandsgefährdenden Risiken, ZIP 2010, 159; Säcker, Gesellschafts- und dienstvertragsrechtliche Fragen bei Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung, WuW 2009, 362; Schäfer, Die Binnenhaftung von Vorstand und Aufsichtsrat nach der Renovierung durch das UMAG, ZIP 2005, 1253; Schiessl, Die Wahrnehmung von Geschäftschancen der GmbH durch ihren Geschäftsführer, GmbHR 1988, 53; U. H. Schneider, Anwaltlicher Rat zu unternehmerischen Entscheidungen bei Rechtsunsicherheit, DB 2011, 99; Schneider/ Schneider, Vorstandshaftung im Konzern, AG 2005, 57; Schwab, Vorstandsregress und Streitverkündung, NZG 2013, 521; Seitz, Ein Schritt vor und zwei zurück? – Zum letzten Stand des Anwaltsgeheimnisses für Unternehmensanwälte im Europäischen Kartellverfahren – Kurzbesprechung der Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 29.4.2010 – C-550/07 P (Akzo Nobel/Kommission), EuZW 2010, 524; Selter, Haftungsrisiken von Vorstandsmitgliedern bei fehlendem und von Aufsichtsratsmitgliedern bei vorhandenem Fachwissen, AG 2012, 11; Spindler, Compliance in der multinationalen Bankengruppe, WM 2008, 905; Strohn, Beratung der Geschäftsleitung durch Spezialisten als Ausweg aus der Haftung?, ZHR 176 (2012), 137; Thole, Managerhaftung für Gesetzesverstöße – Die Legalitätspflicht des Vorstands gegenüber seiner Aktiengesellschaft, ZHR 173 (2009), 504; Ulmer, Haftungsfreistellung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit bei unternehmerischen Fehlentscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat?, DB 2004, 859; Vellmer, Organhaftungsansprüche in der Aktiengesellschaft: Anforderungen an Verzicht oder Vergleich durch die Gesellschaft, NZG 2011, 248; Verse, Compliance im Konzern – Zur Legalitätskontrollpflicht der Geschäftsleiter einer Konzernobergesellschaft, ZHR
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175 (2011), 401; Wagner, Die Rolle der Rechtsabteilung bei fehlenden Rechtskenntnissen der Mitglieder von Vorstand und Geschäftsführung, BB 2012, 651; Wahlers/Wolff, Individualabreden zur Verhinderung der drohenden Verjährung von Organhaftungsansprüchen, AG 2011, 605; Weber-Rey/Buckel, Best Practise Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex und die Business Judgment Rule, AG 2011, 845; Weiß/Buchner, Wird das UMAG die Haftung und Inanspruchnahme der Unternehmensleiter verändern?, WM 2005, 162; Wolff/Jansen, Anschluss der Haftung der Vorstandsmitglieder durch formlose Billigung des Vorstandshandelns durch die Aktionäre?, NZG 2013, 1165; Zimmermann, Kartellrechtliche Bußgelder gegen Aktiengesellschaft und Vorstand: Rückgriffsmöglichkeiten, Schadensumfang und Verjährung, WM 2008, 433.
Übersicht I. Überblick ............................................ 1 II. Verhaltenspflichten (§ 93 Abs. 1) ....................................... 5 1. Sorgfaltspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 1) ................................................. 6 a) Legalitätspflicht ............................ 8 b) Organisationspflicht .................... 9 c) Pflicht zu zweckmäßigem Wirtschaften ............................... 10 2. Grundsätze ordnungsmäßiger Entscheidungsfindung ..................... 11 a) Relevanz der ordnungsmäßigen Entscheidungsfindung bei unternehmerischen und gebundenen Entscheidungen ........ 12 b) Herstellung einer angemessenen Entscheidungsgrundlage ..... 16 aa) Auswahl von Informationsquellen ......................................... 16 bb) Einholung von Expertenrat ....... 17 (1) Fachliche Qualifikation ............. 18 (2) Unabhängigkeit .......................... 19 (3) Umfassende Information .......... 21 (4) Plausibilitätskontrolle ................ 22 3. Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2) .......................... 23 I.
4. Organschaftliche Treuepflicht ........ 5. Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 3) .......................... III. Schadensersatzpflicht (§ 93 Abs. 2) ..................................... 1. Vorstandsmitglied ............................ 2. Pflichtverletzung .............................. 3. Verschulden ...................................... 4. Schaden ............................................. 5. Darlegungs- und Beweislast (§ 93 Abs. 2 Satz 2) .......................... 6. Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder .......................................... 7. D&O-Versicherung (§ 93 Abs. 2 Satz 3) .......................... IV. Sondertatbestände (§ 93 Abs. 3) .... V. Haftungsausschluss, Verzicht und Vergleich (§ 93 Abs. 4) ........... 1. Haftungsausschluss durch Hauptversammlungsbeschluss ........ 2. Verzicht und Vergleich .................... VI. Anspruchsverfolgung durch Gesellschaftsgläubiger (§ 93 Abs. 5) ..................................... VII. Verjährung (§ 93 Abs. 6) ..............
25 26 34 35 36 37 39 41 43 46 50 52 52 55
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Überblick
§ 93 ist die zentrale Norm des aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrechts.1) § 93 Abs. 1 1 definiert zunächst den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab, den Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung zu beachten haben. Im Falle einer Pflichtverletzung haften sie gemäß § 93 Abs. 2 für den der Gesellschaft entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. § 93 Abs. 3 normiert einen Katalog von besonders gravierenden Pflichtverletzungen. Eine Haftung ist ausgeschlossen, wenn die zum Schaden führende Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptverhandlung beruht. § 93 Abs. 4 schränkt die Dispositionsfreiheit der Gesellschaft über Schadensersatzansprüche ein. § 93 Abs. 5 eröffnet den Gesellschaftsgläubigern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, den Ersatzanspruch der Gesellschaft selbst geltend zu machen. Gemäß § 93 Abs. 6 verjähren die Ansprüche grundsätz_____________ 1)
Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 1.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
lich nach fünf Jahren und bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren. 2 Aus § 93 sind die Vorstandsmitglieder allein gegenüber der Gesellschaft verpflichtet.2) Einzelne Aktionäre können aus der Vorschrift keinen Anspruch herleiten, insbesondere stellt § 93 kein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB dar.3) Auch lässt sich aus der Stellung als Vorstandsmitglied allein keine Garantenpflicht gegenüber außenstehenden Dritten ableiten, eine Schädigung ihres Vermögens zu verhindern.4) Das unmittelbare Klagerecht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus § 93 Abs. 5 besteht nur für den Fall, dass die Gläubiger von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen. 3 Für einen Pflichtenverstoß in Konzernbeziehungen begründet § 93 eine Haftung gegenüber der „eigenen“ Gesellschaft, soweit er nicht durch Sondervorschriften verdrängt wird (§§ 310, 318, 323 Abs. 1 Sätze 2 und 3).5) Zusätzlich können abhängige Gesellschaften die Organmitglieder der herrschenden Gesellschaft aus §§ 309, 317, 323 Abs. 1 Sätze 1 und 2 in Anspruch nehmen. Eine weitergehende Haftung aus § 93 gegenüber den abhängigen Gesellschaften scheidet dagegen aus, weil es diesen gegenüber keine allgemeine Konzernleitungspflicht gibt, deren Verletzung einen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten i. S. der Vorschrift darstellen könnte.6) 4 § 93 ist zwingendes Recht und kann weder durch Satzung oder Geschäftsordnung (§ 23 Abs. 5) noch durch Anstellungsvertrag abbedungen werden.7) Demnach ist sowohl eine Haftungsprivilegierung zugunsten als auch eine Haftungsverschärfung zulasten des Vorstands ausgeschlossen.8) II.
Verhaltenspflichten (§ 93 Abs. 1)
5 § 93 Abs. 1 Satz 1 erlegt den Vorstandsmitgliedern auf, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Damit erfüllt er eine Doppelfunktion.9) Einerseits stellt er eine Generalklausel dar, aus der sich objektive Verhaltenspflichten des Vorstandes ableiten lassen.10) Zudem dient er als ein auf die spezifischen Aufgaben eines Unternehmensleiters zugeschnittener Verschuldensmaßstab, der in seiner Funktion § 276 Abs. 2 BGB und § 347 Abs. 1 HGB entspricht.11) 1.
Sorgfaltspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 1)
6 Der Vorstand hat das Unternehmen mit der Sorgfalt zu führen, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger Wahrnehmung frem_____________ 2) Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 6; Krieger/Schneider-Krieger, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rz. 2; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 1, 273. 3) BGH, Urt. v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 375 = ZIP 1994, 867, 870; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 19; Fleischer-Spindler, Hdb. VorstandsR, § 13 Rz. 41. 4) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, ZIP 2012, 1552, 1554. 5) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 2; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 4. 6) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 9; Krieger/Schneider-Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 8 Rz. 52; Schneider/Schneider, AG 2005, 57, 58. 7) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 23 ff; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 10. 8) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 3, 4; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 3; a. A. Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1395 (Begrenzung als Korrektiv zu zahlreichen Haftungsfällen in der Praxis mit existenzbedrohendem Potential). 9) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 11; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 20. 10) Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 7 Rz. 1; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 5. 11) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 10; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4.
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der Vermögensinteressen zu beachten hat.12) Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht werden durch die Umstände des Einzelfalls bestimmt und können nach Art, Größe und Situation des Unternehmens variieren.13) Der Maßstab hat normativen Charakter, so dass die individuelle Unfähigkeit des Geschäftsleiters sowie die tatsächlichen Usancen im betroffenen oder in vergleichbaren Unternehmen nicht entlasten.14) Das Gesetz nimmt in verschiedenen Einzelnormen selbst eine Konkretisierung der 7 Sorgfaltspflicht vor (z. B. §§ 76 Abs. 1, 80, 81, 90, 91, 92 Abs. 1, 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, § 15 WpHG, § 325 HGB, usw.).15) Daneben haben sich mehrere vom Vorstand zu beachtende Pflichtenkreise herausgebildet. a)
Legalitätspflicht
Der Vorstand muss sich bei seiner Amtsführung rechtstreu verhalten.16) Seine Pflichten- 8 bindung ergibt sich nicht nur aus gesetzlichen Vorschriften, sondern auch aus Satzung und Geschäftsordnung.17) Darüber hinaus hat er dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft alle für die Unternehmenstätigkeit relevanten in- und ausländischen gesetzlichen Vorschriften beachtet.18) Vorstandsmitglieder verletzen ihre Pflichten nicht nur dann, wenn sie eigenhändig tätig werden oder Kollegialentscheidungen treffen, sondern auch dann, wenn sie pflichtwidrige Handlungen anderer Vorstandsmitglieder oder von Mitarbeitern anregen oder pflichtwidrig nicht dagegen einschreiten.19) Ziff. 4.1.3 DCGK formuliert knapp: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch Konzernunternehmen hin.“ Dazu muss der Vorstand die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen schaffen, etwa durch Einrichtung geeigneter Compliance-Systeme.20) Die Legalitätspflicht schließt auch solche Rechtsverstöße aus, die der Gesellschaft zunächst Vorteile bringen würden (sog. nützliche Pflichtverletzungen).21) Eine Verletzung von Vertragspflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten bedeutet hingegen nicht zugleich auch eine Pflichtverletzung im Verhältnis zur Gesellschaft, wenn die aus der Vertragserfüllung resultierenden Nachteile schwerer wiegen würden als eine etwaige Schadensersatzpflicht.22) b)
Organisationspflicht
Dem Vorstand obliegt eine umfassende Organisationspflicht i. R. seiner unternehmeri- 9 schen Leitungsaufgabe.23) Er muss eine an sachgerechten Kriterien orientierte Organi_____________ 12) BGH, Urt. v. 20.02.1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30, 34 = ZIP 1995, 591 – zum GmbH-Geschäftsführer; OLG Koblenz, Urt. v. 10.6.1991 – 6 U 1650/89, ZIP 1991, 870, 871; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 24. 13) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 5. 14) BGH, Urt. v. 20.02.1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30, 34 = ZIP 1995, 591; Henssler/Strohn-DaunerLieb, GesR, § 93 AktG Rz. 7; Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 27; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 2. 15) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 16 f.; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 5. 16) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 63; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509. 17) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93, Rz. 63; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 6. 18) Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 6; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 14 ff. 19) BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, ZIP 2013, 455, 457, dazu EWIR 2013, 261 f. (E. Vetter). 20) Fleischer, BB 2008, 1070, 1072; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 f.; Spindler, WM 2008, 905, 907; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 403 ff. 21) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 6; Fleischer, NJW 2009, 2337, 2338. 22) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 100; Lutter, ZIP 2007, 841, 843; Bicker, AG 2014, 8 f. 23) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 89, 107; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 5.
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sationsstruktur unterhalten und die zu deren Überwachung notwendigen Instrumentarien schaffen.24) Diese Pflicht bezieht sich sowohl auf die Arbeitsabläufe im Vorstand (horizontale Arbeitsteilung) wie auch im Unternehmen und im Konzern (vertikale Arbeitsteilung).25) Notwendige Elemente einer sachgerechten Konzernorganisation sind in der Regel eine angemessene Unternehmensplanung, eine hinreichende Steuerung (einschl. Risikomanagement) der Finanzen sowie der operativen Unternehmensabläufe, ein zweckmäßiges System der Berichterstattung und ein effektives Controlling.26) Dazu gehört zudem die Einrichtung eines Früherkennungssystems für bestandsgefährdende Risiken (§ 91 Abs. 2). Bei der Delegation von Aufgaben hat der Vorstand eine Auswahl-, Einweisungs-, Überwachungs- und Aufsichtspflicht.27) c)
Pflicht zu zweckmäßigem Wirtschaften
10 Als Hüter fremder Vermögensinteressen (siehe Rz. 6) ist der Vorstand zur Wahrung des Vorteils der Gesellschaft und zur Abwendung von Schäden verpflichtet.28) Seine Geschäftsführung hat sich an Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitskriterien auszurichten,29) so dass er z. B. das Gesellschaftsvermögen nicht verschwenden darf30) und Ansprüche der Gesellschaft durchsetzen muss, soweit keine überwiegenden Unternehmensinteressen entgegenstehen (zum Unternehmensinteresse siehe § 76 Rz. 13 ff.).31) 2.
Grundsätze ordnungsmäßiger Entscheidungsfindung
11 Geschäftsleiter haben in ihrer Funktion tagtäglich zahlreiche Entscheidungen unterschiedlichster Art und Tragweite zu treffen. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich nicht alle Entscheidungen als „richtig“ erweisen, sondern unter Umständen auch zu einem beträchtlichen Schaden für die Gesellschaft führen können. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Geschäftsleiter für solche Schäden einzustehen haben, ist seit einiger Zeit im Fokus von Rechtsprechung, Lehre und Unternehmenspraxis.32) Dabei konzentriert sich die Diskussion auf die Anforderungen an den der Entscheidung zugrunde liegenden Prozess oder prägnant: die „Grundsätze ordnungsmäßiger Entscheidungsfindung“.33) a)
Relevanz der ordnungsmäßigen Entscheidungsfindung bei unternehmerischen und gebundenen Entscheidungen
12 Bei einer unternehmerischen Entscheidung eröffnet sich für Vorstandsmitglieder der Anwendungsbereich der in § 93 Abs. 1 Satz 2 kodifizierten Business Judgment Rule (siehe Rz. 23 f.). In deren Anwendungsbereich ist eine Pflichtverletzung ausgeschlossen, solange die Entscheidungsfindung den prozeduralen Anforderungen genügt. Eine inhaltliche Kontrolle findet weitgehend nicht statt. Dies ist bei rechtlich gebundenen Entschei_____________ 24) Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 43; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 7. 25) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 94 ff.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 82; zum Executive Committee: Maaß/Schreier, AG 2013, R 44 f. 26) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 7; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 6. 27) BGH, Urt. v. 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336, 347 = ZIP 1994, 1934 – zur GmbH. 28) BGH, Urt. v. 27.9.1956 – II ZR 144/55, BGHZ 21, 354, 357, WM 1956, 1352. 29) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 8. 30) BGH, Urt. v. 9.12.1996 – II ZR 240/95, ZIP 1997, 199, 200 – zur GmbH. 31) BGH, Urt. v. 1.3.1982 – II ZR 189/80, WM 1982, 532. 32) Vgl. Binder, AG 2012, 885, 887 ff. zur Entwicklung der Rspr. 33) Soweit ersichtlich wurde der Begriff eingeführt von König, jurisPR_HaGesR, 12/2011, Anm. 3; s. a Binder, AG 2012, 885.
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dungen anders. Hier erstreckt sich die Überprüfung auch auf die Übereinstimmung des sachlichen Gehalts der Entscheidung mit dem zugrunde liegenden Normbefehl. Das der Entscheidung vorangegangene Verfahren wird dennoch relevant, wenn es darum geht, ob ein objektiv vorliegender Pflichtenverstoß dem einzelnen Vorstandsmitglied persönlich vorwerfbar ist.34) Die Abgrenzung ist im Einzelfall schwierig. Eindeutige Beispiele für gebundene Ent- 13 scheidungen sind die gesetzlichen Pflichten aus §§ 83, 90, 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 2, 124 Abs. 3, 131, 161, 170 Abs. 1 usw.35) In die gleiche Kategorie fallen statutarische oder anstellungsvertragliche Pflichten. Zweifelsfälle ergeben sich dagegen immer dann, wenn ein Organmitglied innerhalb eines verbindlichen Rahmens handelt, ihm bei der konkreten Ausgestaltung der Pflicht aber ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum bleibt (z. B. §§ 87 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 2 AktG, §§ 130, 9 OWiG). Die h. M. will in solchen Fällen Raum für die Anwendung der Business Judgment Rule geben.36) Teilweise wird dies auch vertreten, wenn es um Entscheidungen bei unklarer oder umstrittener Rechtslage geht.37) Eine derart ausufernde Anwendung der Business Judgment Rule stößt jedoch zu Recht 14 auf Bedenken.38) Soweit dem Vorstand bei rechtlich gebundenen Entscheidungen ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zukommt, nimmt er zwar in diesem Rahmen unternehmerisches Ermessen in Anspruch. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine unternehmerische Entscheidung i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 2.39) Bei der Business Judgment Rule handelt es sich lediglich um eine Teilkodifikation unternehmerischer Entscheidungsspielräume.40) Auch eine Entscheidung bei unklarer oder umstrittener Rechtslage hat nichts mit unter- 15 nehmerischem Ermessen – das immer nur die Freiheit zur Wahl zwischen mehreren rechtmäßigen Entscheidungsmöglichkeiten lässt41) – zu tun. Entscheidet sich der Vorstand in einer solchen Situation nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie Abwägung der vertretbaren Alternativen für einen Weg, der von der ganz überwiegenden Literatur und/oder obergerichtlichen Rechtsprechung gestützt wird und dem trotzdem das gerichtliche Placet später verweigert wird, ist ihm dennoch die Verletzung materiellen Rechts nicht vorzuwerfen. Der Ansatz des BGH, ein schuldhaftes Verhalten schon dann zu bejahen, wenn der Vorstand nur mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt,42) geht zu weit. Vielmehr muss es darauf ankommen, ob der Vorstand auf die seiner Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung vertrauen durfte.43) Ist das der Fall, fehlt in solchen Konstellationen auch _____________ 34) Binder, AG 2012, 885, 888 und 890. 35) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 12; Koch, ZGR 2006, 769, 783 f.; Weiß/ Buchner, WM 2005, 162, 163. 36) BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04 (Mannesmann), ZIP 2006, 72, 73; Spindler in: MünchKommAktG, § 93 Rz. 65 ff.; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG § 93 Rz. 29 ff.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 13; Kocher, CCZ 2009, 215, 217 f.; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 646 f. 37) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 68; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG § 93 Rz. 29 ff.; Kocher, CCZ 2009, 215, 217 f.; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644, 646 f. 38) Bicker, AG 2014, 8, 10; Cahn, WM 2013, 1293, 1294; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 41 f.; Holle, AG 2011, 778, 779 ff.; Kort, DStR 2007, 1127, 1132; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258. 39) Mit überzeugenden Argumenten: Holle, AG 2011, 778, 779 ff. 40) Hopt/M. Roth in: GroßKomm-AktG, 4. Aufl. (Stand: 10/2006), § 93 Abs. 1 S. 2, 4 n. F. Rz. 48. 41) Hopt/M. Roth in: GroßKomm-AktG, 4. Aufl. (Stand: 10/2006), § 93 Abs. 1 S. 2, 4 n. F. Rz. 48; Kort in: GroßKomm-AktG, § 76 Rz. 51. 42) So zuletzt BGH, Beschl. v. 15.1.2013 – II ZR 44/12, Rz. 12, juris. 43) So noch BGH, Beschl. v. 21.12.1995 – V ZB 4/94, BGHZ 131, 347 ff.; i. E. auch Goette, ZHR 176 (2012), 588, 602 und Buck/Heeb, BB 2013, 2247, 2254.
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außerhalb des Anwendungsbereichs der Business Judgement Rule die Pflichtwidrigkeit,44) zumindest aber entfällt eine Haftung aufgrund mangelnden Verschuldens, z. B. wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums. Unter dem Strich ist der dogmatische Streit um die Abgrenzung zwischen unternehmerischer und rechtlich gebundener Entscheidung somit weitgehend irrelevant, denn die Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Entscheidungsfindung führen in jeder Alternative zum Haftungsausschluss.45) b)
Herstellung einer angemessenen Entscheidungsgrundlage
aa)
Auswahl von Informationsquellen
16 Notwendig sind eine sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen46) und eine gründliche Entscheidungsvorbereitung.47) Der Vorstand kommt seinen Pflichten nur dann nach, wenn er auf der Grundlage angemessener Informationen handelt.48) Dabei gilt ein subjektiver Maßstab, ausreichend ist, dass der Vorstand im Zeitpunkt der Entscheidung vernünftigerweise davon ausgehen darf, eine hinreichend fundierte Informationsbasis zur Verfügung zu haben.49) Zu starr und weitgehend ist dagegen die Forderung des BGH, die Geschäftsleitung habe „in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art“ auszuschöpfen.50) bb)
Einholung von Expertenrat
17 Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH hat sich der organschaftliche Vertreter, der selbst nicht über die für eine Entscheidung erforderliche Sachkunde verfügt, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten zu lassen.51) (1)
Fachliche Qualifikation
18 Der Vorstand muss die Fachkompetenz der von ihm eingeschalteten Auskunftsperson individuell überprüfen bzw. hinterfragen.52) Den Hinweis des BGH auf die Berufsträgereigenschaft der Auskunftsperson53) wird man in diesem Zusammenhang nicht zu eng verstehen müssen. Notwendig ist im Ausgangspunkt vielmehr, dass der Ratgeber nach seiner Formalqualifikation54) über die Voraussetzungen verfügt, um die ihm vorgelegte Frage kompetent beurteilen zu können. Darüber hinaus wird der Vorstand weitere für ihn erkennbare Kriterien berücksichtigen müssen und einen Spezialisten im Erbrecht genauso wenig _____________ 44) Cahn, WM 2013, 1293, 1294. 45) Anders der EuGH, Urt. v. 18.6.2013 – Rs. C-681/11 (Schenker), NZG 2013, 1198. 46) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 = ZIP 1997, 883; Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 7 Rz. 58. 47) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 73. 48) BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675, 1676 f. – zur GmbH; BGH, Beschl. v. 3.11.2008 – II ZR 236/07, ZIP 2009, 223 – zur Genossenschaft; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 73. 49) Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 20 f.; BGH, Beschl. v. 3.11.2008 – II ZR 236/07, ZIP 2009, 223 = AG 2009, 117; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4g. 50) BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675, 1676; so auch Goette in: FS 50 Jahre BGH, S. 123, 140 f.; krit. hierzu Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 75; vgl. auch Kindler in: FS Goette, S. 231, 233; noch weitergehend: Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281, 2282, die hinsichtl. der Informationsgrundlage einen gerichtl. nicht nachprüfbaren Ermessensspielraum sehen. 51) BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265, 1266 f.; BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174, 1175; BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09 (Ision), ZIP 2011, 2097, 2099. 52) OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386, 2389. 53) BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097, 2099. 54) Fleischer, NZG 2010, 121, 123.
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mit gesellschaftsrechtlichen Fragen betrauen wie einen Berufsanfänger mit besonders komplexen und schwierigen Problemen. (2)
Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeit der Auskunftsperson setzt immer voraus, dass diese über keine 19 Eigeninteressen verfügt. Unter diesem Gesichtspunkt hat der stellvertretende Vorsitzende des II. Zivilsenats, Lutz Strohn, im Nachgang zur Ision-Entscheidung des BGH55) in Schrift- und Redebeiträgen die notwendige Unabhängigkeit für die Fälle der Vorbefassung eines anwaltlichen Beraters verneint. Mit der Überprüfung eines Vertragsentwurfs oder eines Konzepts könne nicht deren ursprünglicher Verfasser oder dessen Sozietät, sondern nur ein weiterer Anwalt betraut werden.56) Diese Auffassung ist in Literatur und Praxis zu Recht auf Kritik gestoßen.57) Wie der Richter in einem Kollegialorgan als Berichterstatter seinen Urteilsentwurf gegenüber seinen Kollegen erläutert und ggf. verteidigt, muss auch der Anwalt zu seinen Entwürfen auf Rückfragen seines Mandanten Stellung nehmen können. Erst wenn der anwaltliche Berater erkennbar an zweifelhaften Positionen festhält, etwa um nicht sein Gesicht zu verlieren, ist die Einschaltung weiterer Anwälte geboten.58) Dabei kann die Rechtsabteilung eines Unternehmens eine wichtige Kontrollfunktion gegenüber externen Anwälten einnehmen. Grundsätzlich verfügt auch die Rechtsabteilung selbst über die notwendige Unabhängig- 20 keit.59) Insbesondere das Merkmal der „wirtschaftlichen Abhängigkeit“ vom Arbeitgeber/ Mandanten vermag in dieser Hinsicht keinen prinzipiellen Unterschied zwischen internen und externen Beratern zulasten der Rechtsabteilung zu begründen, denn im Einzelfall kann die unternehmerische Existenz einer Kanzlei durchaus an einem oder einigen wenigen Schlüsselmandaten hängen, während der Inhousejurist regelmäßig ohne wirtschaftliche Einbußen seinen Arbeitgeber wechseln kann.60) Notwendig ist eine individuelle Prüfung. Strukturell kommt es darauf an, wie die Rechtsabteilung im Unternehmen aufgestellt ist. Wichtige Indizien für eine hinreichende Unabhängigkeit sind z. B. eine institutionalisierte frühe Einbindung von Vertretern der Rechtsabteilung in operative und strategische Entscheidungsprozesse sowie regelmäßige Berichte des Abteilungsleiters im Aufsichtsrat. Darüber hinaus sind – sowohl bei internen wie auch bei externen Beratern – die Umstände zu berücksichtigen, unter denen der Prüfungsauftrag erteilt wurde, wobei es insbesondere auf dessen ergebnisoffenen Charakter ankommt. Schließlich ist es von erheblicher Bedeutung, ob die Auskunftsperson die ausreichende persönliche Integrität dafür besitzt, auch unangenehme Prüfungsergebnisse zu präsentieren und vertreten.61) Auf europäischer Ebene verdichtet sich derzeit die Tendenz, entlastenden Rechtsrat – wenn überhaupt – nur von
_____________ 55) 56) 57) 58) 59)
BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097. Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 139 f. Krieger, ZGR 2012, 496, 500 f. Krieger, ZGR 2012, 496, 501. Junker/Biederbick, AG 2012, 898 ff.; Fleischer, ZIP 2009, 1397, 1403; Krieger, ZGR 2012, 496, 502; U. H. Schneider, DB 2011, 99, 102; Selter, AG 2012, 11, 14 f.; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140 f.; Wagner, BB 2012, 651, 655 ff.; a. A. Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 249 („eher die Stellungnahme eines Externen anzuraten“); E. Vetter, EWiR 2011, 793, 794 („bei komplexen und komplizierten Vorgängen, die mit einem hohen Risiko für die Gesellschaft verbunden sind, wird sich der Vorstand aber keinesfalls allein auf die Fachkunde der eigenen Rechtsabteilung verlassen dürfen“). 60) Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 902; Freund, GmbHR 2011, 238, 240. 61) Wagner, BB 2012, 651, 656; Junker/Biederbick, AG 2012, 898, 902; Seitz, EuZW 2010, 524, 526.
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externen Anwälten anzuerkennen.62) Es ist zu hoffen, dass sich letztlich auch hier eine differenzierende Betrachtungsweise durchsetzt. (3)
Umfassende Information
21 Das Auskunftsverlangen des Vorstands hat unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen zu erfolgen.63) Hält der Vorstand relevante Informationen irrtümlich zurück, kommt es darauf an, ob auch dieser Irrtum schuldlos ist.64) (4)
Plausibilitätskontrolle
22 Der Vorstand muss sich eine eigene Meinung darüber bilden, ob er sich die Stellungnahme der Auskunftsperson zu eigen macht. Das Verschulden des Vorstands entfällt nicht, wenn er von der Prüfung absieht oder sie schuldhaft fehlerhaft vornimmt.65) Der BGH verlangt eine „sorgfältige“ Plausibilitätskontrolle, die zumindest bei schwierigen Fragen das Vorliegen eines schriftlichen Gutachtens voraussetze.66) Inhaltlich habe sich der Vorstand nach Strohn mit seinem laienhaften Verständnis davon zu überzeugen, dass die Darlegungen verständlich und nachvollziehbar sind. Enthalte das Gutachten Widersprüche oder lasse es nicht erkennen, dass die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung berücksichtigt worden ist, dürfe es nicht übernommen werden. Das Gleiche gelte bei einer erkennbar oberflächlichen Bearbeitung oder einer mangelhaften Gewichtung unterschiedlicher Interessen.67) Diese Maßgaben sind in weiten Teilen der Unternehmenspraxis als lebensfremd aufgenommen worden. Kritisiert wird vor allem, dass die zeitlichen Abläufe z. B. einer komplexen Transaktion ausführliche schriftliche Gutachten zu Einzelfragen kaum zuließen. Zudem sei es dem Vorstand nicht zuzumuten, einen Großteil seiner Zeit auf das Studium solcher Stellungnahmen zu verwenden. Trotz dieser spontanen Skepsis ist zu erwarten, dass im Unternehmensalltag ein vernünftiger modus operandi im Umgang mit der BGH-Rechtsprechung gefunden wird. So besteht für den Vorstand etwa die Möglichkeit, wesentliche Teile der Plausibilitätskontrolle auf die Rechtsabteilung zu delegieren und sich von dieser im Wege einer executive summary unterrichten zu lassen. Routinefragen werden auch künftig auf Basis kurzer E-Mails oder mündlicher Auskünfte68) zu klären sein. Schwierige Rechtsfragen bedürfen hingegen einer sorgfältigen Prüfung durch Rechtsberater und Geschäftsleiter, die dafür notwendige Zeit muss eingeplant werden. Dies war und ist in vielen Unternehmen ohnehin gängige Praxis. Den Geschäftsleitern aller anderen Unternehmen ist durch die Ision-Rechtsprechung noch einmal vor Augen geführt worden, dass sie die rechtlichen Implikationen ihrer Entscheidungen nicht ausblenden dürfen. Dies ist im Kern zu begrüßen.
_____________ 62) Vgl. EuGH, Urt. v. 14.9.2010 – Rs. C-550/07 P (Akzo Nobel), NJW 2010, 3557, 3560 = ZIP 2010, 1941 (zum Anwaltsprivileg); EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott v. 28.2.2013 im Verfahren Rs. C-681/11 (Schenker), NZKart 2013, 147, 150; EuGH, Urt. v. 18.6.2013 – Rs. C-681/11 (Schenker), NZG 2013, 1198; krit. dazu Fleischer, EuZW 2013, 326, 329. 63) BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097, 2099; BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265. 64) Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 139. 65) BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097, 2100 a. E. 66) Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142. 67) Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142. 68) Binder, ZGR 2012, 757, 772; Fleischer, NZG 2010, 121, 124 f.
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Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2)
Geht ein Vorstandsmitglied auf Grundlage angemessener Informationen davon aus, zum 23 Wohl der Gesellschaft zu handeln und durfte er dies ex-ante auch vernünftigerweise annehmen, ist eine Pflichtverletzung ausgeschlossen.69) Der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule beschränkt sich auf Handlungen oder bewusste Unterlassungen, die auf einer unternehmerischen Entscheidung basieren.70) § 93 Abs. 1 Satz 2 kodifiziert das seit jeher in der Rechtsprechung anerkannte Interesse an einem Schutz des Vorstands, wenn er von seinem Leitungsermessen Gebrauch machen muss, um unter Inkaufnahme eines Prognoserisikos zwischen verschiedenen Handlungsalternativen zu wählen.71) Die Vorschrift unterstreicht, dass Vorstandsmitglieder keiner Erfolgshaftung unterliegen.72) Tatbestandlich setzt die Business Judgment Rule voraus, dass der Vorstand –
eine unternehmerische Entscheidung (dazu oben Rz. 12 ff.) trifft und er
–
vernünftigerweise annehmen durfte,
–
auf Grundlage angemessener Informationen (dazu oben Rz. 16 ff.)
–
zum Wohl der Gesellschaft zu handeln.
Der Vorstand hat sich also an den Zielen eines fortdauernden Bestandes der Gesellschaft, 24 ihrer nachhaltigen Rentabilität und der Steigerung des Unternehmenswertes zu orientieren.73) Dabei muss er frei von Sonderinteressen und sachfremden Einflüssen in gutem Glauben handeln.74) Davon wird in der Regel nicht auszugehen sein, wenn ein Vorstandsmitglied bei seiner Entscheidungsfindung einem Interessenkonflikt unterliegt.75) Bei Kollegialentscheidungen hat das betroffene Vorstandsmitglied den Konflikt offenzulegen und darf an der Beschlussfassung sowie den dieser vorangehenden Beratungen nicht teilnehmen.76) Die Inkaufnahme existenzgefährdender Risiken ist nicht per se mit dem Wohl der Gesellschaft unvereinbar.77) Vielmehr kommt es darauf an, ob das Eingehen eines solchen Risikos unter Berücksichtigung aller Umstände aus einer ex-ante Perspektive vertretbar ist.78)
_____________ 69) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4a; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1255; Ulmer, DB 2004, 859, 860. 70) Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 19. 71) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 = ZIP 1997, 883; BGH, Urt. v. 3.12.2001 – II ZR 308/99, ZIP 2002, 213, 214 – zur Genossenschaft; Henssler/Strohn-Dauner-Lieb, GesR, § 93 AktG Rz. 20; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 67 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 40. 72) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 60; Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 7 Rz. 46. 73) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4g; Koch, ZGR 2006, 769, 789; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258. 74) Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 19; Fleischer, ZIP 2004, 685, 691; Ihrig, WM 2004, 2098, 2105. 75) Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 20; Fleischer, ZIP 2004, 685, 690 f.; Lutter, ZIP 2007, 841, 844; krit. K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 15 mit Hinweis, dass widerstreitende Interessen ausgeblendet werden können. 76) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 901; Bunz, NZG 2011, 1294, 1296; a. A. (nur Ausschluss von Beschlussfassung) Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S. 323. 77) So aber Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 25; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 8; Lutter, ZIP 2009, 197, 199. 78) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 82; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 13; Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589, 590 f.; Böttcher, NZG 2009, 1047, 1048 f.; Redeke, ZIP 2010, 159 ff.; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 = ZIP 1997, 883, der eine Pflichtverletzung annimmt, wenn „die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist“.
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§ 93 4.
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder Organschaftliche Treuepflicht
25 Vorstandsmitglieder unterliegen gegenüber der Gesellschaft einer aus dem Organverhältnis abgeleiteten Treuepflicht, die über die Bindung an Treu und Glauben aus § 242 BGB hinausgeht.79) Eine gesetzliche Ausprägung erfährt die Treuepflicht durch das Wettbewerbsverbot in § 88 Abs. 1 und die Verschwiegenheitspflicht in § 93 Abs. 1 Satz 3. Auch in den Ziff. 4.3.1 – 4.3.5 DCGK findet sie ihren Niederschlag.80) Weitere Aspekte der Treuepflicht haben Rechtsprechung und Literatur herausgearbeitet. Ganz allgemein haben sich Vorstandsmitglieder der Gesellschaft gegenüber loyal zu verhalten.81) Sie müssen Interessenkonflikte vermeiden82) und ihre eigenen Interessen – soweit es nicht um die Aushandlung ihrer Anstellungsbedingungen geht83) – im Zweifel denen der Gesellschaft unterordnen.84) Daraus folgt die Verpflichtung, in den Geschäftskreis der Gesellschaft fallende Geschäftschancen zugunsten der Gesellschaft und nicht zum eigenen Vorteil wahrzunehmen.85) Eine Ausnahme gilt, wenn der Aufsichtsrat analog § 88 Abs. 1 seine Zustimmung zu dem Geschäft erteilt, weil dieser unter den konkreten Umständen einen Nachteil für die Gesellschaft ausschließen kann.86) 5.
Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 3)
26 Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 haben Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren. Die Verschwiegenheitspflicht ist in der normierten Form zwingend und kann weder durch Anstellungsvertrag noch durch Satzung oder Geschäftsordnung eingeschränkt87) oder erweitert88) werden. Gebunden sind alle Vorstandsmitglieder einschließlich der gerichtlich bestellten (§ 85), fehlerhaft bestellten, stellvertretenden (§ 94) und entsandten (§ 105 Abs. 2).89) Auch faktische Organmitglieder sind verpflichtet.90) Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch nach Ausscheiden aus dem Vorstand fort.91) 27 In den Schutzbereich fallen nur solche Geheimnisse und vertraulichen Angaben, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, d. h. die Vorstandsmitgliedschaft muss ursächlich für die Informationserteilung gewesen sein.92) Unter Umständen können sich aus der allgemeinen Treuepflicht aber auch weitergehende Verpflichtungen ergeben, so dass z. B. privat erlangte Informationen ebenfalls vertraulich zu behandeln sind.93) _____________ 79) BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239, 246; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 5; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 95; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 92. 80) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 113. 81) Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 115; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 145; K. Schmidt/LutterKrieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 16. 82) Zum Umgang mit Interessenkonflikten Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 145 ff. 83) BGH, Urt. v. 26.10.1964 – II ZR 127/62, WM 1964, 1320 f. 84) BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, ZIP 1985, 1484; Semler/Peltzer-Semler, ArbHdb. Vorstandsmitglieder, § 1 Rz. 171; Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; Hopt, ZGR 2004, 1, 4 ff. 85) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 16; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 12. 86) Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 25 Rz. 12; Schiessl, GmbHR 1988, 53, 55 f. 87) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 125 m. w. N. 88) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 327 = DB 1975, 1308. 89) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 17. 90) Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 93 Rz. 47; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 161. 91) Begr. RegE in: Kropff, S. 123; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 122. 92) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 105. 93) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 198; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 20.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 93
Geheimnisse der Gesellschaft sind alle Tatsachen, die nicht offenkundig, sondern nur 28 einem begrenzten Personenkreis bekannt sind, die nach dem – geäußerten oder mutmaßlichen – Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden sollen und hinsichtlich derer objektiv ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.94) Nur exemplarisch nennt das Gesetz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Erfasst werden aber z. B. auch Verlauf und Ergebnisse von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen.95) Die Reichweite des Terminus vertrauliche Angaben geht inhaltlich über den des Geheim- 29 nisses hinaus. Hierunter fallen auch (nicht mehr) geheime Informationen, solange die Gesellschaft unter den gegebenen Umständen ein Interesse daran hat, dass die Information nicht an Dritte weitergegeben wird.96) Die Verschwiegenheitspflicht endet dann, wenn ein überwiegendes Interesse der Gesell- 30 schaft an einer Offenlegung besteht.97) Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Vorstand zur Vorbereitung einer Kapitalerhöhung in Gespräche mit einem Großaktionär eintritt,98) i. R. der Begründung von Darlehensverhältnissen mit Banken oder konzernverbundenen Unternehmen (z. B. Cashpooling), Durchführung einer Due Diligence durch Kaufinteressenten99) oder der Konsultation externer Berater.100) Gilt es über die Offenlegung einer Information von grundsätzlicher Bedeutung für die Gesellschaft zu entscheiden, liegt die Beschlusskompetenz beim Gesamtvorstand.101) Darüber hinaus besteht eine Reihe von gesetzlichen Ausnahmen von der Verschwiegen- 31 heitspflicht. Dies gilt zuvorderst für den Austausch von Informationen innerhalb des Vorstands sowie die Auskunfts- und Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat, während gegenüber Aktionären, Betriebsrat und anderen Organen der Betriebsverfassung die Vertraulichkeit grundsätzlich zu wahren ist.102) Im Vertragskonzern ist das abhängige Unternehmen zur Weitergabe von Informationen an den Vorstand des herrschenden Unternehmens berechtigt und bei Vorliegen einer Weisung auch verpflichtet;103) im faktischen Konzern sind bei einer Weitergabe von Informationen an das konzernleitende Unternehmen die Folgen der §§ 311 ff. zu beachten.104) Bei mehrfacher Organmitgliedschaft dürfen Vorstandsmitglieder über die Grenzen eines Konzernverbundes hinaus grundsätzlich keine Informationen verbreiten.105) Gegenüber Aktionären ergeben sich Auskunftsverpflichtungen etwa aus §§ 131, 175 32 Abs. 2, 176 Abs. 1; gegenüber dem Betriebsrat aus §§ 90, 92, 99, 111 BetrVG; gegenüber dem Wirtschaftsausschuss aus §§ 106 Abs. 2, 108 Abs. 5 BetrVG; gegenüber den Arbeitnehmern aus § 110 BetrVG und gegenüber dem Wirtschaftsprüfer aus § 320 Abs. 2 HGB. Kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten finden sich in der Ad-hoc-Publizität aus _____________ 94) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329 = WM 1975, 678; Hopt in: GroßKommAktG, § 93 Rz. 191; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 100. 95) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 332 = DB 1975, 1308; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 164. 96) Fleischer-Körber, Hdb. VorstandsR, § 10 Rz. 9; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 103. 97) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 22; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 120. 98) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 212. 99) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 213; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 170. 100) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 109. 101) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 124. 102) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 21. 103) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 70 Rz. 151. 104) Krieger in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 69 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 21; vgl. auch Verse, ZHR 175 (2011), 401, 420 f. 105) Bank, NZG 2013, 801, 803.
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§ 93
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 15 WpHG sowie der Pflicht zur Mitteilung des Erreichens bestimmter Beteiligungsschwellen aus §§ 21 ff. WpHG. Ausdrücklich hebt § 93 Abs. 1 Satz 4 hervor, dass gegenüber der Prüfstelle für Rechnungslegung (§ 342b HGB) keine Verschwiegenheitsverpflichtung besteht. Schließlich sind eine Reihe weiterer wirtschafts- und steuerrechtlicher Auskunftsverpflichtungen gegenüber Behörden zu beachten. Im Einzelfall kann die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht auch unzumutbar sein, so etwa wenn es um Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen durch ein Vorstandsmitglied geht.106) 33 Ein Vorstandsmitglied, das seine Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt, macht sich nicht nur schadensersatzpflichtig, sondern nach § 404 auch strafbar. III.
Schadensersatzpflicht (§ 93 Abs. 2)
34 Vorstandsmitglieder haften der Gesellschaft im Falle einer schuldhaften Pflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 2 auf Schadensersatz. Im Einzelnen bestehen folgende Haftungsvoraussetzungen: 1.
Vorstandsmitglied
35 Der Haftungstatbestand knüpft an die organschaftliche Stellung der Vorstandsmitglieder an; damit bezieht er auch gerichtlich bestellte (§ 85), stellvertretende (§ 94) und entsandte (§ 105 Abs. 2) Vorstandsmitglieder mit ein.107) Haftbar sind aber auch fehlerhaft bestellte108) oder faktische109) Organmitglieder, sofern sie tatsächlich für die Gesellschaft tätig geworden sind. Nimmt ein Vorstandsmitglied seine Funktion schon vor Wirksamkeit der Bestellung auf oder führt es sie nach Amtsende fort, wird der haftungsrelevante Zeitraum entsprechend ausgedehnt.110) Zu beachten sind zudem einzelne über das Amtsende hinauswirkende Pflichten, so vor allem organschaftliche Treue- und Verschwiegenheitspflichten (siehe Rz. 25 ff.). 2.
Pflichtverletzung
36 Die Schadensersatzpflicht setzt eine Pflichtverletzung durch das Vorstandsmitglied voraus. Haftungsrelevant sind die Sorgfaltspflichten aus § 93 Abs. 1 Satz 1 einschließlich etwaig weitergehender Pflichten aus dem Anstellungsvertrag sowie die aus der organschaftlichen Treuepflicht resultierenden Verhaltensanforderungen (siehe Rz. 25).111) Eine Verletzung von Pflichten, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit den dienstlichen (organbezogenen) Aufgaben des Vorstandsmitglieds stehen, begründet dagegen keine Schadensersatzpflicht nach § 93 Abs. 2.112)
_____________ 106) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 8; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 116. 107) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 28; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 177. 108) BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 287 = NJW 1964, 1367; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 12; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 14. 109) BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 106; BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61, 69 = ZIP 2002, 848 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 182 ff.; Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 229; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 49 ff.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 17; a. A. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 12; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 43. 110) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 178 f.; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 12 f. 111) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 200 ff.; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 13; K. Schmidt/Lutter-Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 26. 112) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 202; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 65.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder 3.
§ 93
Verschulden
Vorstandsmitglieder haften nur bei individuellem Verschulden; leichte Fahrlässigkeit 37 genügt. § 93 Abs. 1 Satz 1 umschreibt einen typisierten Sorgfaltsmaßstab, so dass persönliche Unzulänglichkeiten eines Vorstandsmitglieds nicht exkulpieren. Reicht die Sachkunde des Vorstands nicht aus, ist der Rat Dritter einzuholen (siehe Rz. 18). Vorstandsmitglieder haften nur für eigenes Verschulden, eine Zurechnung des Verschuldens 38 anderer Vorstandsmitglieder oder Mitarbeiter der Gesellschaft findet nicht statt. Die Anwendung von § 278 BGB oder § 831 BGB scheidet aus, da Geschäftsherr die Gesellschaft und nicht das Vorstandsmitglied ist.113) 4.
Schaden
Art und Umfang des Schadens richten sich nach §§ 249 ff. BGB.114) Der Schadensersatz- 39 anspruch umfasst also auch einen etwaig entgangenen Gewinn (§ 252). Maßgeblich ist allein die Minderung des Vermögens der Gesellschaft, nicht der Aktionäre.115) Bußgelder, die der Gesellschaft etwa wegen eines Kartellverstoßes gemäß § 81 GWB oder wegen einer Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 OWiG auferlegt werden, stellen einen ersatzpflichtigen Schaden dar.116) Dies gilt ebenso für angemessene Rechtsanwaltskosten aus einer Honorarvereinbarung, wenn eine Abrechnung nach RVG unter den gegebenen Umständen nicht üblich ist.117) Fließen dem Unternehmen in Folge eines Pflichtenverstoßes geldwerte Vorteile zu und werden nicht durch Strafzahlungen oder Gewinnabschöpfung konsumiert, mindern diese den ersatzpflichtigen Schaden.118) Kann das Vorstandsmitglied beweisen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alterna- 40 tivverhalten eingetreten wäre, so entfällt die Schadensersatzpflicht.119) Dies gilt nach der bisher herrschenden Lehre allerdings nicht bei der Verletzung von Kompetenz-, Organisations- und Verfahrensregeln, da anderenfalls deren Schutzzweck unterlaufen würde.120) Dagegen soll es nach jüngerer Rechtsprechung darauf ankommen, ob das Vorstandsmitglied beweisen kann, dass der Kompetenzverstoß für den Schaden nicht kausal war.121) 5.
Darlegungs- und Beweislast (§ 93 Abs. 2 Satz 2)
Die Gesellschaft hat lediglich darzulegen und ggfs. zu beweisen, dass ihr durch ein mög- 41 licherweise pflichtwidriges Verhalten des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds ein
_____________ 113) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 56; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 14; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 161. 114) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 237; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 15; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 213. 115) Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 11 Rz. 63; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 265. 116) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 30; Krieger/Schneider-Wilsing, Hdb. Managerhaftung, § 27 Rz. 20 ff. 117) OLG München, Urt. v. 21.7.2010 – 7 U 1879/10, AG 2011, 204. 118) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 38; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 30; Krieger/Schneider-Wilsing, Hdb Managerhaftung, § 27 Rz. 35; Marsch-Barner, ZHR 173 (2009), 723, 729; Zimmermann, WM 2008, 433 ff.; a. A. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 15; Säcker, WuW 2009, 362, 368. 119) BGH, Urt. v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284 f. = WM 2002, 2509. 120) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 267; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 156; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 26 Rz. 8; krit. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 15. 121) BGH, Urt. v. 11.12.2006 – II ZR 166/05, ZIP 2007, 268, 269; BGH, Urt. v. 21.7.2008 – ZR 39/07, ZIP 2008, 1818, 1820 – jeweils zur GmbH; vgl. auch Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 216; Fleischer, DStR 2009, 1204, 1207 f.
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§ 93
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
Schaden entstanden ist.122) Gelingt der Gesellschaft dieser Beweis, hat das Vorstandsmitglied gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 wiederum darzulegen und zu beweisen, dass sein Verhalten entweder nicht pflichtwidrig oder nicht schuldhaft war oder der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre. Damit tragen die Vorstandsmitglieder die Beweislast auch für das Vorliegen der Voraussetzungen der Business Judgment Rule aus § 93 Abs. 1 Satz 2.123) Weitere Beweiserleichterungen für die Gesellschaft ergeben sich bei einem Verstoß gegen die in § 93 Abs. 3 aufgeführten Sondertatbestände (siehe Rz. 50 f.). 42 Es liegt auf der Hand, dass die Beweislastumkehr zu einem erheblichen Dokumentationsaufwand im Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen führt. Besonderen Schwierigkeiten begegnen Vorstandsmitglieder, die nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft in Anspruch genommen werden, weil sie naturgemäß zu diesem Zeitpunkt keinen Zugriff mehr auf die unternehmensinternen Unterlagen haben. Aus diesem Grund haben ehemalige Vorstandsmitglieder einen aus § 810 BGB sowie der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihrem ehemaligen Organmitglied hergeleiteten Anspruch auf Einsichtnahme in die maßgeblichen Unterlagen.124) 6.
Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder
43 Zuständig für die Prüfung und Geltendmachung von Schadensersatzanspüchen gegen Vorstandsmitglieder ist gemäß § 112 der Aufsichtsrat. Beurteilt dieser die Aussichten auf eine Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen überwiegend positiv, ist er grundsätzlich verpflichtet, die Ansprüche zu verfolgen.125) Allerdings können Gründe des Unternehmenswohls, an dem sich der Aufsichtsrat auch bei der Entscheidung über eine Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern zu orientieren hat, selbst dann dazu führen, dass solche Maßnahmen unterbleiben.126) Dies kann etwa der Fall sein bei negativen Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit oder Beeinträchtigung des Betriebsklimas. Die Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds oder die Vermeidung von gravierenden sozialen Konsequenzen für den Betroffenen sind dagegen grundsätzlich keine tragenden Motive für den Verzicht auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen.127) Der Anwendungsbereich der Business Judgment Rule ist bei diesem Abwägungsprozess nicht eröffnet.128) 44 Neben einer Klageerhebung kommt auch die Herbeiführung eines Vergleichs in Betracht. In letzterem Fall hat der Aufsichtsrat die Ansprüche der Gesellschaft bis zur Zustimmung der Hauptversammlung nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist aus § 93 Abs. 4 Satz 3 zu sichern, indem er z. B. eine Verjährungsverzichtserklärung einholt oder ausstehende
_____________ 122) BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, ZIP 2013, 455, 456; BGH, Urt. v. 14.5.2013 – II ZR 76/12, ZIP 2013, 1642, 1644; BGH, Urt. v. 22.2.2011 – II ZR 146/09, ZIP 2011, 766, 767; dazu Fest, NZG 2011, 540 ff.; BGH, Urt. v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284 = WM 2002, 2509; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 140; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 26 Rz. 11; Goette, ZGR 1995, 648, 671 ff. 123) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 31; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 164; a. A. Paefgen, NZG 2009, 891 ff. 124) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 224; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 170; Grooterhorst, AG 2011, 389, 393 ff. 125) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 251 ff. = ZIP 1997, 883; Krieger/SchneiderKrieger, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rz. 48. 126) S. Goette in: FS Hoffmann-Becking, S. 377 ff. mit einem „Prüfungsprogramm“ für den Aufsichtsrat. 127) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 254 = ZIP 1997, 883. 128) Lutter in: FS Hoffmann-Becking, S. 747, 752 f.; a. A. Goette in: Liber Amicorum Winter, S. 153 ff. sowie Goette in: FS Hoffmann-Becking, S. 377, 378.
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Jan Eckert
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 93
Leistungen an das Vorstandsmitglied zurückbehält.129) Wird die Gesellschaft aufgrund des Fehlverhaltens eines Vorstandsmitgliedes von einem Dritten verklagt, kommt auch eine Streitverkündung in Betracht.130) Haben sich mehrere Vorstandsmitglieder verantwortlich gemacht, haften diese gemäß § 93 45 Abs. 2 Satz 1 als Gesamtschuldner. Die örtliche Zuständigkeit der Schadensersatzklage ergibt sich aus §§ 13 ff. ZPO sowie § 29 ZPO.131) 7.
D&O-Versicherung (§ 93 Abs. 2 Satz 3)
§ 93 Abs. 2 Satz 3 ist durch das VorstAG eingeführt worden und soll Pflichtverletzungen 46 durch Vorstandsmitglieder präventiv entgegen wirken.132) Schließt eine Gesellschaft zugunsten ihrer Vorstandsmitglieder eine D&O-Police (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung) ab, muss diese gemäß § 93 Abs. 2 Satz 3 für jeden Begünstigten einen Selbstbehalt von mindestens 10 % des jeweiligen Schadens und pro Jahr von mindestens dem 1,5-fachen seiner festen jährlichen Vergütung vorsehen. Das Bezugsjahr für die Höhe der Vergütung ist das Kalenderjahr, in dem der Pflichtenverstoß begangen wurde.133) Gemäß § 23 Abs. 1 EGAktG ist § 93 Abs. 2 Satz 3 seit dem 1.7.2010 auch auf vor dem Inkrafttreten des VorstAG am 5.8.2009 abgeschlossene Altverträge anzuwenden, wenn diese keine Pflicht der Gesellschaft zur Versicherung ohne Selbstbehalt vorsehen. Für nach dem 1.7.2010 erhobene Ansprüche gilt der Selbstbehalt grundsätzlich selbst dann, wenn der Pflichtenverstoß vorher begangen wurde („Claims Made-Prinzip“). Allerdings können Neuverträge abweichend regeln, dass vor dem 5.8.2009 liegende Pflichtenverstöße keinem Selbstbehalt unterliegen, weil bis dahin die Warnfunktion des § 93 Abs. 2 Satz 3 nicht greifen konnte.134) Ein fehlender Selbstbehalt führt nicht zur Nichtigkeit des Versicherungsvertrages.135) Problematisch stellt sich für Vorstandsmitglieder dar, dass die Selbstbehaltsobergrenze 47 für jedes einzelne Kalenderjahr gilt, so dass die Inanspruchnahme für mehrere Pflichtverletzungen aus verschiedenen Jahren eine mehrfache Selbstbehaltsbelastung zur Folge haben kann.136) In der Praxis haben viele Vorstandsmitglieder eine Selbstbehaltspolice abgeschlossen, die 48 sie im Falle einer Inanspruchnahme aus dem Selbstbehalt von der Zahlungsverpflichtung freistellt.137) Diese Möglichkeit ist grundsätzlich anerkannt.138) Unzulässig ist dagegen eine Freistellung des Vorstandsmitglieds von den zu zahlenden Versicherungsprämien oder deren – wenn auch nur mittelbare – Erstattung durch die Gesellschaft, weil dies zur Aushöhlung der Steuerungsfunktion des Pflichtselbstbehalts führen würde.139) Unter dem _____________ 129) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 35; Krieger/Schneider-Krieger, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rz. 48. 130) Schwab, NZG 2013, 521, 523 ff. 131) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 18. 132) Beschlussempfehlung Rechtsausschuss zum VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. 133) Kerst, WM 2010, 594, 605; Lingemann, BB 2009, 1918, 1922; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659, 1660; a. A. – Tätigkeitsjahr – Lange, VersR 2009, 1011, 1019; – Vergütungsjahr – v. Kann, NZG 2009, 1010, 1012. 134) Vgl. hierzu Lange, VW 2009, 918, 919; Lingemann, BB 2009, 1918, 1922. 135) Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 407; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 249; Dauner-Lieb/ Tettinger, ZIP 2009, 1555, 1556 f.; Kerst, WM 2010, 594, 600 f. 136) Lange, VersR 2009, 1011, 1019. 137) Gädtke/Wax, AG 2010, 851. 138) Prölss/Martin-Voit, VVG, Nr. 4 AVB-AVG Rz. 12; Gädtke/Wax, AG 2010, 851, 852; Kerst, WM 2010, 594, 602; Lange, VersR 2009, 1011, 1023. 139) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 39; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1354; Kerst, WM 2010, 594, 602; Koch, AG 2009, 637, 646.
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§ 93
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
gleichen Gesichtspunkt erscheint die „Quersubventionierung“ der Prämie durch Anrechnung von Leistungen aus der Selbstbehaltspolice auf die Versicherungssumme der D&OPolice fragwürdig – ein Modell, das in der Praxis häufige Anwendung findet.140) 49 Da inzwischen nicht nur Vorstands-, sondern auch Aufsichtsratsmitglieder vermehrt in Haftung genommen werden, sind aktuell Deckungskonzepte im Gespräch, die sich speziell am deutschen dualistischen System ausrichten und Interessenkollisionen von Vorstand und Aufsichtsrat ausschließen sollen. Danach besteht eine Trennung der Deckungen mit separaten Risikoträgern für beide Organe („Twin-Tower“ oder „Two-Tier Trigger“-Konzept).141) IV.
Sondertatbestände (§ 93 Abs. 3)
50 § 93 Abs. 3 enthält neun Sondertatbestände, die nach h. M. eigenständige Anspruchsgrundlagen für eine Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder darstellen.142) Deren praktische Relevanz ergibt sich zum einen daraus, dass ein Mindestschaden i. H. des Abflusses von Gesellschaftsmitteln (Nr. 1 bis 4, 6 bis 9) oder i. H. des Abflusses von Gesellschaftsmitteln (Nr. 5) widerleglich vermutet wird.143) Zudem können die Gläubiger gemäß § 93 Abs. 5 Satz 2 Schadensersatzansprüche bei Verwirklichung einer der aufgeführten Tatbestände schon bei leichter Fahrlässigkeit geltend machen. Im Einzelnen sind dies:144) 51 –
§ 93 Abs. 3 Nr. 1: Verstöße gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aus § 57 Abs. 1 und § 230;
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 2: Auszahlung von Zinsen oder Gewinnanteilen an Aktionäre unter Verstoß gegen §§ 57 Abs. 2 und 3, 58 Abs. 4, 233;
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 3: Zeichnung, Erwerb, Pfandnahme oder Einzug eigener Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft unter Verletzung von §§ 56, 71 ff. und 237 ff.;
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 4: Ausgabe von Inhaberaktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages gemäß § 9; erfasst ist ebenfalls die Leistung einer nach § 27 Abs. 2 unwirksamen Sacheinlage145);
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 5: Verteilung von Gesellschaftsvermögen unter Verstoß gegen §§ 57 Abs. 3, 225 Abs. 2, 233, 237 Abs. 2, 271, 272;
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 6: Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, also unter Verstoß gegen § 92 Abs. 2;
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 7: Zahlung unzulässiger Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder unter Verstoß gegen §§ 113, 114;
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 8: Kreditvergabe unter Verstoß gegen §§ 89, 115;
–
§ 93 Abs. 3 Nr. 9: Ausgabe von Bezugsaktien bei einer bedingten Kapitalerhöhung unter Verstoß gegen § 199 Abs. 1, also außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor Erhalt der vollen Leistung des Gegenwerts.
_____________ 140) Umfassend: Gädtke/Wax, AG 2010, 851, 853 ff., zur Schätzung: 867; – für Unzulässigkeit – Ihlas in: MünchKomm-VVG, D&O Rz. 70 ff.; Lange, RuS 2010, 92, 97 f.; krit. auch Franz, DB 2011, 2019, 2025. 141) Hierzu Fassbach, Der Aufsichtsrat 2013, 26 ff. 142) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 256; Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 273; Hopt in: GroßKommAktG, § 93 Rz. 233, 239; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 125; a. A. Habersack/ Schürnbrand, WM 2005, 957 ff. 143) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 22; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 44; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 193. 144) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 45; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 195 ff.; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 26 Rz. 20. 145) BGH, Urt. v. 18.2.2008 – II ZR 132/06, BGHZ 175, 265 = ZIP 2008, 788.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder V.
Haftungsausschluss, Verzicht und Vergleich (§ 93 Abs. 4)
1.
Haftungsausschluss durch Hauptversammlungsbeschluss
§ 93
Nach § 93 Abs. 4 Satz 1 haftet der Vorstand nicht, wenn sein Handeln auf einem gesetz- 52 mäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Der Ausschluss wirkt nur gegenüber der Gesellschaft (nicht gegenüber den Gläubigern, § 93 Abs. 5 Satz 3) und soll vermeiden, dass der Vorstand in Anspruch genommen wird, obwohl er gemäß § 83 Abs. 2 dazu verpflichtet ist, die von der Hauptversammlung i. R. ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen.146) Eine Billigung durch den Aufsichtsrat führt dagegen gemäß § 93 Abs. 4 Satz 2 nicht zum Ausschluss der Ersatzpflicht, weil dieser dem Vorstand Geschäftsführungsmaßnahmen nicht bindend vorschreiben kann, sondern insofern auf Überwachung und ggfs. Verhinderung beschränkt ist (§ 111 Abs. 1 und 4).147) Erforderlich ist ein formeller Hauptversammlungsbeschluss, informelle Erklärungen 53 einzelner Aktionäre sind selbst dann nicht ausreichend, wenn sie sämtliche Aktien repräsentieren.148) Der Beschluss muss gesetzmäßig, also i. R. der Hauptversammlungszuständigkeit gefasst und weder nichtig noch anfechtbar sein.149) Nach h. M. wirkt aber ein gemäß § 242 geheilter Beschluss enthaftend.150) Das gleiche gilt, wenn ein anfechtbarer Beschluss aufgrund Fristablaufs bestandskräftig wird.151) Allerdings kann sich der Vorstand schadensersatzpflichtig machen, wenn er es pflichtwidrig unterlässt, Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage (§§ 249 Abs. 1, 245 Nr. 4, 5) zu erheben (siehe § 83 Rz. 9).152) Führt der Vorstand einen Hauptversammlungsbeschluss treuwidrig – z. B. durch Täuschung – herbei, entfaltet dieser trotz Gesetzmäßigkeit keine haftungsausschließende Wirkung.153) Die schädigende Handlung des Vorstands muss auf dem Hauptversammlungsbeschluss 54 beruhen. Das setzt eine vorherige Beschlussfassung voraus, eine nachträgliche Billigung der Handlung durch die Hauptversammlung ist nicht enthaftend.154) 2.
Verzicht und Vergleich
Die Aufgabe von Schadensersatzansprüchen im Wege des Verzichts oder Vergleichs be- 55 darf gemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 eines Hauptversammlungsbeschlusses, der frühestens drei Jahre nach Anspruchsentstehung gefasst werden kann. Mit dem Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Hauptversammlung soll einer gegenseitigen Haftungsbefreiung im kollusiven Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat vorgebeugt werden.155) Die Drei_____________ 146) Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 294; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 148 f.; K. Schmidt/ Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 46; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 206. 147) OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386, 2389; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 27. 148) OLG Köln, Urt. v. 25.10.2012 – 18 U 37/12, NZG 2013, 872 f.; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 315; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 47; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 24; Wolff/Jansen, NZG 2013, 1165 ff.; einschränkend (Geltendmachung rechtsmissbräuchlich): Mertens/Cahn in: KölnKommAktG, § 93 Rz. 150; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 266. 149) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 25; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 208. 150) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 270; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 318; K. Schmidt/ Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 48; a. A. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 155. 151) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 25; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 208; Haertlein, ZHR 168 (2004), 437, 441. 152) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 270 ff.; Hüffer, AktG, § 242 Rz. 7; Spindler in: MünchKommAktG, § 93 Rz. 208 ff. 153) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 324 ff.; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 49; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 26 Rz. 16. 154) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 267; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 153; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 213. 155) Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 354; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 161; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 222.
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§ 93
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
Jahres-Frist stellt sicher, dass die Auswirkungen einer schädigenden Handlung möglichst vollständig bekannt sind, bevor über Ersatzansprüche disponiert wird.156) 56 Die genannten Einschränkungen gelten für den –auch nur teilweisen Verzicht (z. B. in Form eines Erlassvertrages i. S. von § 397 Abs. 1 BGB) sowie den gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleich (§ 779 BGB), aber auch für sonstige Rechtshandlungen, die sich in wirtschaftlich gleicher Art auswirken.157) 57 Die Zustimmung der Hauptversammlung bedarf eines formellen Beschlusses, für den – vorbehaltlich abweichender Regelungen in der Satzung – die einfache Stimmenmehrheit genügt (§ 133 BGB).158) Betroffene Vorstandsmitglieder sind gemäß § 136 Abs. 1 vom Stimmrecht ausgeschlossen.159) Der Hauptversammlungsbeschluss bleibt wirkungslos, wenn eine Aktionärsminderheit, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals erreichen, Widerspruch zur Niederschrift erhebt. 58 Die Drei-Jahres-Frist berechnet sich nach §§ 187, 188 BGB und beginnt mit der Entstehung des Ersatzanspruchs. Dazu ist es nicht notwendig, dass der Schaden bereits voll entwickelt oder bezifferbar ist.160) Unter den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 4 gilt die zeitliche Beschränkung nicht. Dies ist der Fall, wenn das Vorstandsmitglied zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. An der Erforderlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses ändert sich auch unter diesen Umständen nichts.161) VI.
Anspruchsverfolgung durch Gesellschaftsgläubiger (§ 93 Abs. 5)
59 § 93 Abs. 5 eröffnet den Gesellschaftsgläubigern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft unmittelbar gegen den Vorstand geltend zu machen und Zahlung an sich selbst zu verlangen. Die Gläubiger müssen also nicht zunächst einen Titel gegen die Gesellschaft erwirken, um dann den Ersatzanspruch pfänden und sich zur Einziehung überweisen zu lassen (§§ 829, 835 ZPO). Die Anspruchsdurchsetzung wird so deutlich erleichtert. 60 Der Gläubiger muss gegen die Gesellschaft eine fällige Forderung haben, die auf Geld gerichtet ist oder in eine Geldforderung übergehen kann.162) Der Zeitpunkt der Forderungsentstehung und deren Rechtsgrund sind unerheblich.163) Der Gläubiger darf zudem von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können. Notwendig ist hierfür, dass die Gesellschaft objektiv nicht in der Lage ist, die Forderung zu begleichen; eine vorherige Klageerhebung oder ein Vollstreckungsversuch ist nicht erforderlich.164) Eine reine Zahlungsverweigerung ist dagegen nicht ausreichend.165) _____________ 156) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 28; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 221; krit. Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250. 157) Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 308 f.; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 286 f.; K. Schmidt/ Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 51; zu den inhaltlichen Anforderungen an einen Verzicht oder Vergleich: Vellmer, NZG 2011, 248, 250 ff. 158) Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 11 Rz. 98; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 222. 159) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 29; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 162. 160) K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 52; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 221. 161) Hölters-Hölters, AktG, § 93 Rz. 318; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 53. 162) Fleischer-Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 11 Rz. 114; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 404; Mertens/ Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 182. 163) Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 26 Rz. 26. 164) Spindler/Stilz-Fleischer, § 93 Rz. 296; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 33; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 238. 165) Hüffer, AktG, § 93 Rz. 33; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 26 Rz. 26.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
§ 93
Der Ersatzanspruch der Gesellschaft muss gemäß § 93 Abs. 5 Satz 2 auf einer gröblichen 61 Pflichtverletzung (also mindestens grober Fahrlässigkeit) des Vorstands beruhen, wenn nicht ein Sondertatbestand aus dem Katalog des § 93 Abs. 3 einschlägig ist. Gemäß § 93 Abs. 5 Satz 3 kann das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied dem Gläubiger nicht entgegenhalten, dass die Gesellschaft auf den Anspruch verzichtet hat, es zu einem Vergleich gekommen ist oder die schadensauslösende Handlung auf einem Beschluss der Hauptversammlung beruhte. In der Insolvenz der Gesellschaft wird das Verfolgungsrecht der Gläubiger gemäß § 93 Abs. 5 Satz 4 durch den Insolvenzverwalter oder Sachwalter ausgeübt. Der Gläubiger verliert seine Aktivlegitimation.166) VII. Verjährung (§ 93 Abs. 6) Nach § 93 Abs. 6 verjähren Schadensersatzansprüche bei börsennotierten Gesellschaften 62 (AG, KGaA, SE)167) in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren. Die ursprünglich einheitliche Verjährungsfrist von fünf Jahren ist durch das Restrukturierungsgesetz vom 9.12.2010168) für börsennotierte Gesellschaften verlängert worden. Betroffen sind alle Ansprüche, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 15.12.2010 noch nicht verjährt waren (§ 24 EG AktG). Nach Auffassung des Gesetzgebers war dieser Schritt zur Verbesserung der Durchsetzbarkeit berechtigter Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder notwendig. Gerade bei börsennotierten Gesellschaften bestehe die Gefahr einer späten Aufdeckung von Pflichtverstößen und damit verbundenen Ersatzansprüchen, weil sich die Anleger häufig eher am Finanzanlagegedanken orientierten und nur geringes Interesse an den Einzelheiten der Unternehmensführung zeigten.169) Angesichts der Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 Satz 3 scheint eine derart lange Verjäh- 63 rungsfrist problematisch. Aufgrund der teilweise kürzeren handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen (§ 257 Abs. 4 HGB; § 147 Abs. 3 AO) besteht die Gefahr, dass ein Großteil der vom in Anspruch genommenen Vorstandsmitglied zu seiner Entlastung benötigten Unterlagen längst vernichtet sind. Nach Auffassung des Rechtsausschusses soll dies aber nicht zulasten des Vorstands gehen. Könne die Gesellschaft die relevanten Unterlagen nicht mehr zur Verfügung stellen, seien eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 2 Satz 2 bzw. Beweiserleichterungen nach dem Gebot der Tatsachennähe zu erwägen.170) Faktisch bedeutet dies eine Verlängerung der Aufbewahrungsfristen durch die Hintertür. Aufgrund des Claims Made-Prinzips können sich auch Schwierigkeiten bei einer Inanspruchnahme der D&O-Versicherung ergeben. Da der Versicherungsfall erst eintritt, wenn die Ansprüche tatsächlich geltend gemacht werden, entsteht für inzwischen aus der Gesellschaft (und damit der Versicherung) ausgeschiedene Vorstandsmitglieder eine Lücke im Versicherungsschutz, wenn die Versicherungsbedingungen eine zu kurze Nachmeldefrist vorsehen.171) Die Verjährungsfristen sind zwingend und können durch die Satzung weder verkürzt 64 noch verlängert werden.172) Sie gelten auch für eine Anspruchsverfolgung durch die Gesell_____________ Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 300; Hopt in: GroßKomm-AktG, § 93 Rz. 422. Vgl. Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368, 373. BGBl. I 2010, 1900. Begr. RegE zum Restrukturierungsgesetz, BT-Drucks. 17/3024, S. 81; krit.: Baums, ZHR 174 (2010), 593 ff. 170) Ausschussbericht zu Begr. RegE zum Restrukturierungsgesetz, BT-Drucks. 17/3547, S. 12; vgl. auch Hüffer, AktG, § 93 Rz. 17. 171) Randel/Segger, BB 2011, 387. 172) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 199; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 93 Rz. 254; a. A. Verjährungsverlängerung durch Individualabreden möglich – Wahlers/Wolff, AG 2011, 605, 606 f. 166) 167) 168) 169)
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§ 94
Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern
schaftsgläubiger sowie den Insolvenzverwalter.173) Gemäß § 200 BGB beginnt die Verjährung mit der Anspruchsentstehung.174) Soweit es auf die Börsennotierung ankommt, ist der Zeitpunkt der Pflichtverletzung maßgeblich, selbst wenn der Anspruch erst nach Beendigung der Notierung geltend gemacht wird. Erfolgt die Börsennotierung nach Beginn der Verjährungsfrist, verlängert sich diese nicht auf zehn Jahre.175) Die Berechnung der Frist erfolgt nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Für Neubeginn und Hemmung der Verjährung gelten die §§ 203 ff. BGB.176) _____________ 173) Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 301; Hüffer, AktG, § 93 Rz. 36. 174) BGH, Urt. v. 29.9.2008 – II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217, 2219 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 93 Rz. 302; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 63; Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368 f. 175) Begr. RegE zum Restrukturierungsgesetz, BT-Drucks. 17/3024, S. 81. 176) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 93 Rz. 204; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 Rz. 61.
§ 94 Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern Die Vorschriften für die Vorstandsmitglieder gelten auch für ihre Stellvertreter. 1 Gemäß § 94 gelten die Vorschriften für die Vorstandsmitglieder auch für ihre Stellvertreter. Der Terminus „Stellvertreter“ ist irreführend, denn es geht nicht um Organmitglieder, die im Verhinderungsfall eines anderen Vorstandsmitglieds dessen Stellung oder Aufgaben übernehmen. Vielmehr handelt es sich um Vorstandsmitglieder mit allen Rechten und Pflichten, die der Aufsichtsrat kraft seiner Kompetenz aus §§ 94, 84 Abs. 1 i. R. seines pflichtgemäßen Ermessens als Stellvertreter bestellt, um innerhalb des Vorstands eine in der Geschäftsordnung näher auszugestaltende Hierarchie zu verankern.1) Auch der Arbeitsdirektor kann nach h. M. ein stellvertretendes Vorstandsmitglied sein, wenn dem sachgerechte Kriterien (z. B. Dauer der Betriebszugehörigkeit, Dienstalter, Erfahrung) zugrunde liegen.2) Die Satzung kann eine Bestellung von Stellvertretern weder anordnen noch ausschließen (§ 23 Abs. 5).3) 2 Für Bestellung und Widerruf eines stellvertretenden Vorstandsmitglieds gelten die allgemeinen Bestimmungen (siehe § 84 Rz. 3 ff.). Insbesondere bedarf es hierfür eines Beschlusses des Gesamtaufsichtsrats.4) Das gleiche gilt, wenn ein bisher stellvertretendes Vorstandsmitglied zum ordentlichen Vorstandsmitglied (oder umgekehrt) ernannt werden soll. Allerdings unterliegt das Verfahren bei mitbestimmten Gesellschaften nicht den Verfahrensvorschriften des § 31 Abs. 2 bis 4 MitbestG.5) Bestellung und Abberufung sind zum Handelsregister anzumelden (§ 81 Abs. 1 Alt. 1), allerdings wird kein Stellvertretervermerk eingetragen (siehe § 81 Rz. 3). Auch auf den Geschäftsbriefen sind die stellvertretenden _____________ 1) 2)
3) 4) 5)
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Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 94 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 94 Rz. 1 f. Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 94 Rz. 3; Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 94 Rz. 5; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 94 Rz. 14; Heidel-Oltmanns, § 94 AktG Rz. 5; Hüffer, AktG, § 94 Rz. 4; a. A. Hanau/Ulmer, MitbestR, § 33 MitbestG Rz. 23. Habersack in: GroßKomm-AktG, § 94 Rz. 12; Hölters-Müller-Michaels, AktG, § 94 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 94 Rz. 3. Spindler/Stilz-Fleischer, AktG, § 94 Rz. 5; Habersack in: GroßKomm-AktG, § 94 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 94 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 94 Rz. 4; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 94 Rz. 7; a. A. Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 26.
Jan Eckert
§ 95
Zahl der Aufsichtsratsmitglieder
Vorstandsmitglieder ohne einen entsprechenden Zusatz zu führen (siehe § 80 Rz. 6). Die Geschäftsführungsbefugnis der Stellvertreter (§ 77) kann nur innerhalb der Grenzen zwingenden Rechts eingeschränkt werden.6) Sie tragen wie jedes andere Vorstandsmitglied volle Leitungsverantwortung (§ 76 Abs. 1) mit allen haftungsrechtlichen Konsequenzen (§ 93).7) _____________ 6) 7)
Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, Rz. 471; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 24 Rz. 23. Hüffer, AktG, § 94 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 94 Rz. 2; einschränkend Spindler in: MünchKomm-AktG, § 94 Rz. 11.
Zweiter Abschnitt Aufsichtsrat § 95 Zahl der Aufsichtsratsmitglieder Werner Paul Schick
1
Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern. 2Die Satzung kann eine bestimmte höhere Zahl festsetzen. 3Die Zahl muß durch drei teilbar sein. 4Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt bei Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu
1.500.000 Euro neun,
von mehr als
1.500.000 Euro fünfzehn,
von mehr als
10.000.000 Euro einundzwanzig.
5
Durch die vorstehenden Vorschriften werden hiervon abweichende Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. Mai 1976 (Bundesgesetzbl. I S. 1153), des Montan-Mitbestimmungsgesetzes und des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 7. August 1956 (Bundesgesetzbl. I S. 707) – Mitbestimmungsergänzungsgesetz – nicht berührt. Literatur: Göz, Statusverfahren bei Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, ZIP 1998, 1523; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Oetker, Der Anwendungsbereich des Statusverfahrens nach den §§ 97 ff. AktG, ZHR 149 (1985), 575; Stein, Rechtsschutz gegen gesetzeswidrige Satzungsnormen bei Kapitalgesellschaften, ZGR 1994, 472.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. 1 II. Satzungsregelungen .......................... 4 I.
III. Vorrang mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften ............................ 8 IV. Rechtsfolgen eines Verstoßes .......... 9
Gegenstand und Zweck der Norm
Die Norm setzt den Aufsichtsrat als zwingend notwendiges Organ voraus,1) regelt die 1 Zahl seiner Mitglieder und begrenzt die Satzungsautonomie. Die zahlenmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats hängt von der Größe des Unternehmens und dem anzuwendenden Mitbestimmungsstatut ab. Nach der gesetzlichen Grundregel des § 95 Satz 1 _____________ 1)
Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 33; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 1.
Werner Paul Schick
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§ 95
Zahl der Aufsichtsratsmitglieder
i. V. m. Satz 2 besteht der Aufsichtsrat aus mindestens drei Mitgliedern. An diese Mindestzahl knüpft die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats gemäß § 108 Abs. 2 Satz 3 an. 2 Die Norm schränkt die Gestaltungsmöglichkeiten der Hauptversammlung und der Satzung auf die Größe des Aufsichtsrats ein; zudem soll die Effektivität der Aufsichtsratstätigkeit gesichert werden, indem unabdingbare Höchstzahlen festgelegt werden.2) 3 Der Aufsichtsrat ist ein notwendiges Organ jeder AG; weder die Satzung noch die Hauptversammlung kann ihn abschaffen. Eine AG darf nur einen Aufsichtsrat haben, der auch als solcher bezeichnet sein muss.3) II.
Satzungsregelungen
4 Nach § 95 Satz 2 und Satz 3 muss eine durch die Satzung festgesetzte Mitgliederzahl eine bestimmte höhere Zahl als drei sein; niedrigere und variable Zahlen (Mindest- bzw. Höchstzahlen) sind unzulässig.4) Die Mitgliederzahl in mitbestimmungsfreien oder dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) unterliegenden Gesellschaften muss durch drei teilbar sein (§ 95 Satz 3); dies trägt der Regelung des § 4 Abs. 1 DrittelbG Rechnung. Fehlende Aufsichtsratsmitglieder können auf Antrag des Vorstands, der anderen Aufsichtsratsmitglieder oder eines Aktionärs nach § 104 Abs. 1 gerichtlich bestellt werden (siehe dort Rz. 2 ff.). 5 Die gesetzliche Höchstmitgliederzahl (§ 95 Satz 4) bezieht sich auf das nach außen wirksam gewordene Grundkapital (§ 6). Erhöhungen des Grundkapitals sind erst zu berücksichtigen, wenn die Aktien ausgegeben wurden (siehe § 200 für die bedingte Kapitalerhöhung) oder die Kapitalerhöhung eingetragen wurde (siehe § 203 i. V. m. § 189 für das genehmigte Kapital bzw. § 211 für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln).5) Einzurechnen sind sämtliche Mitglieder, Ersatzmitglieder erst dann, wenn das zu ersetzende Mitglied weggefallen ist (§ 101 Abs. 3 Satz 2). Ehrenvorsitzende oder Ehrenmitglieder sind nicht zu berücksichtigen.6) 6 Wird durch eine Satzungsänderung während der laufenden Amtsperiode die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder verringert, führt dies nicht zum automatischen Ausscheiden überzähliger Mitglieder aus ihrem Amt.7) In einer nicht der Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaft kann die Hauptversammlung gemäß § 103 Abs. 1 Mitglieder vorzeitig ohne weiteren Grund abberufen.8) Durch eine Satzungsänderung während einer laufenden Amtsperiode dürfen die gewählten Arbeitnehmervertreter nicht in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt werden.9) Eine Abberufung der Mitglieder eines nach DrittelbG gebildeten Aufsichtsrats vor Ablauf ihrer Amtsperiode scheidet mit Blick auf § 103 Abs. 4, § 12 DrittelbG aus.10) Dies gilt entsprechend für die Anteilseignervertreter der mitbestimmten Gesellschaft,11) da andernfalls nicht das Verhältnis zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern gewahrt werden kann.12) Die Regeln des Statusverfahrens nach §§ 97 ff. sind bei _____________ 2) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 31 und 32; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 95 Rz. 1. 3) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 35 und 37; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 5. 4) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 60; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 9. 5) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 64; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 13. 6) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 65; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 14. 7) In diese Richtung BAG, Beschl. v. 3.10.1989 – 1 ABR 12/88, WM 1990, 633, 635; Hüffer, AktG, § 95 Rz. 5 und § 103 Rz. 3. 8) Hüffer, AktG, § 95 Rz. 5; a. A. Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 586. 9) OLG Dresden, Beschl. v. 18.2.1997 – 14 W 1396/96, ZIP 1997, 589, 591. 10) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 19; Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 95 Rz. 8. 11) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 19; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 95 Rz. 20. 12) Hölters-Simons, AktG, § 95 Rz. 14 – Gruppenparität.
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§ 95
Zahl der Aufsichtsratsmitglieder
den auf Satzungsrecht beruhenden Größenveränderungen des Aufsichtsrats nicht anwendbar.13) Im Falle des Unterschreitens des § 95 Satz 4 durch eine Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff. 7 oder 229 ff.) ist ebenfalls danach zu unterscheiden, ob die Gesellschaft der Mitbestimmung unterliegt oder nicht. Bei einer nicht der Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaft gelten die vorstehenden Ausführungen zur Satzungsänderung entsprechend. Bei der mitbestimmten Gesellschaft ist dagegen ein Statusverfahren durchzuführen.14) III.
Vorrang mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften
Der in § 95 Satz 5 erwähnte Vorrang mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften15) hat nur 8 klarstellende Funktion. Nach diesen Vorschriften gelten von § 95 Satz 1 bis 4 abweichende Regelungen; es ist nicht auf das Grundkapital, sondern auf die Arbeitnehmeranzahl abzustellen (siehe etwa § 7 MitbestG); der Grundsatz der Dreiteilbarkeit gilt nicht und es gelten andere Mindest- und Höchstzahlen. Im Geltungsbereich des MitbestG gelten gerade Mitgliederzahlen (§ 7 MitbestG: 12, 16 oder 20), nach dem MontanMitbestG bzw. des MitbestErgG liegt die Höchstzahl bei 21 Mitgliedern (siehe im Einzelnen § 96 Rz. 2 – 6).16) IV.
Rechtsfolgen eines Verstoßes
Verstöße gegen die gesetzlichen Regeln führen zur Nichtigkeit der entsprechenden Sat- 9 zungsbestimmung.17) Bei Verstößen gegen § 95 Satz 2 oder Satz 3 ist auf die Grundregel des § 95 Satz 1 zurückzugreifen, so dass der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern zu bestehen hat. Wird gegen § 95 Satz 4 verstoßen, gilt stattdessen die jeweilige gesetzliche Höchstzahl.18) Bei Einzelwahlen sind die drei zuerst gewählten Mitglieder als gültig gewählt anzusehen, 10 während bei Block- oder Listenwahl die Wahl insgesamt nichtig ist, sofern sich keine zeitliche Reihenfolge ermitteln lässt.19) Wählt die Hauptversammlung trotz Fehlens einer entsprechenden Satzungsbestimmung 11 mehr als drei Aufsichtsratsmitglieder, so tritt Nichtigkeit nur ein, wenn auch die gesetzliche Höchstzahl überschritten wird (§ 250 Abs. 1 Nr. 3). Andernfalls ist die Wahl nur anfechtbar (§§ 243, 251).20) Ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindestzahl von drei Mitgliedern führt zur Beschluss- 12 unfähigkeit (§ 108 Abs. 2 Satz 3).
_____________ 13) OLG Hamburg, Beschl. v. 26.8.1988 – 11 W 53/88, ZIP 1988, 1191, 1192; Göz, ZIP 1988, 1523, 1525; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 18 f.; Hüffer, AktG, § 95 Rz. 5; a. A. BAG, Beschl. v. 3.10.1989 – 1 ABR 12/88, WM 1990, 633, 635 f.; Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 582 ff. 14) Hüffer, AktG, § 95 Rz. 5; Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 582; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 54. 15) LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 8.2.2010 – 1 HK O 8471/09, ZIP 2010, 372, 373. 16) Ausführlich zu den abw. Mitbestimmungsregeln: Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 67 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 9 ff. 17) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 22; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 71 und 74; a. A. Stein, ZGR 1994, 472, 488 – Anfechtbarkeit. 18) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 22; Hölters-Simons, AktG, § 95 Rz. 21. 19) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 78; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 24. 20) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 95 Rz. 80 f.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 95 Rz. 25.
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§ 96
Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 96 Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat setzt sich zusammen bei Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei Gesellschaften, für die das Montan-Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus weiteren Mitgliedern, bei Gesellschaften, für die die §§ 5 bis 13 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes gelten, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus einem weiteren Mitglied, bei Gesellschaften, für die das Drittelbeteiligungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei Gesellschaften für die das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei den übrigen Gesellschaften nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre. (2) Nach anderen als den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften kann der Aufsichtsrat nur zusammengesetzt werden, wenn nach § 97 oder nach § 98 die in der Bekanntmachung des Vorstands oder in der gerichtlichen Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind. Literatur: Göz, Statusverfahren bei Änderungen in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, ZIP 1998, 1523; Jannott/Gressinger, Heilende Kraft des Kontinuitätsprinzips oder Perpetuierung nichtiger Aufsichtsratswahlen?, BB 2013, 2120; Lutter, Das neue „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“, AG 1994, 429.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ........................................... II. Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 96 Abs. 1) ............... 1. Aufsichtsrat ohne Arbeitnehmervertreter nach dem AktG .......................................... 2. DrittelbG ........................................... I.
1 2
3 4
3. Paritätisch besetzter Aufsichtsrat nach dem MitbestG ............................ 5 4. MontanMitbestG ................................ 6 5. MitbestErgG ....................................... 7 6. MgVG ................................................. 8 III. Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 96 Abs. 2) ....................................... 9
Gegenstand und Zweck der Norm
1 § 96 Abs. 1 enthält eine Aufzählung der mitbestimmungsrechtlichen Regelungen und verbindet so das Aktienrecht mit den Regelungen über die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat.1) § 96 Abs. 2 bezweckt die Schaffung von Rechtssicherheit, indem der Aufsichtsrat nur aufgrund eines Statusverfahrens nach §§ 97 – 99 anders als bisher zusammengesetzt werden kann.2) _____________ 1) 2)
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Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 96 Rz. 4; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 1. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 96 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 96 Rz. 1.
Werner Paul Schick
Zusammensetzung des Aufsichtsrats II.
§ 96
Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 96 Abs. 1)
Die Vorschriften über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats sind zwingend.3) Nach 2 § 96 Abs. 1 sind die folgenden sechs Fälle der Zusammensetzung zu unterscheiden. 1.
Aufsichtsrat ohne Arbeitnehmervertreter nach dem AktG
Hat eine nach dem 10.8.1994 eingetragene AG4) weniger als 500 Arbeitnehmer oder ist sie 3 ein Tendenzunternehmen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 DrittelbG, § 1 Abs. 4 MitbestG) besteht der Aufsichtsrat gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG bzw. § 1 Abs. 4 MitbestG nur aus Anteilseignervertretern.5) 2.
DrittelbG
Die Drittelbeteiligung gilt für nicht unter das MitbestG, MontanmitbestG oder Mitbest- 4 ErgG fallende Gesellschaften mit weniger als 2.000 Beschäftigten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG), sofern nicht eine unter Rz. 3 fallende Konstellation vorliegt. Bei einer vor dem 10.8.1994 eingetragenen AG, die keine Familiengesellschaft ist, besteht ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer nur, wenn die Gesellschaft mindestens fünf Arbeitnehmer hat.6) Der Aufsichtsrat ist dann nach § 4 Abs. 1 DrittelbG zu zwei Dritteln mit Vertretern der Aktionäre und zu einem Drittel mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen. Sind nur ein oder zwei Arbeitnehmervertreter zu wählen, so müssen diese dem Unternehmen angehören (§ 4 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG).7) Sind auf Seiten der Arbeitnehmer mehr als zwei Plätze zu besetzen, so müssen mindestens zwei Vertreter dem Unternehmen angehören (§ 4 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG); die anderen Arbeitnehmervertreter können unternehmensexterne Personen, z. B. Gewerkschaftsangestellte sein. In Konzernen werden die Arbeitnehmer abhängiger Unternehmen bei der Berechnung der Schwelle von 500 Arbeitnehmern mitgezählt, sofern ein Beherrschungsvertrag besteht oder die Tochtergesellschaft eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 DrittelbG).8) 3.
Paritätisch besetzter Aufsichtsrat nach dem MitbestG
Nach dem MitbestG setzt sich der Aufsichtsrat einer Gesellschaft, die in der Regel9) mehr 5 als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 1 Abs. 1 MitbestG) in Abhängigkeit von den in § 7 Abs. 1 MitbestG genannten Schwellenwerten bei der Arbeitnehmerzahl aus je sechs, acht oder zehn Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammen (§ 7 Abs. 2 und 4 MitbestG).10) Das MitbestG verteilt die Sitze der Arbeitnehmervertreter unter die Arbeiter, Angestellten, leitenden Angestellten und Gewerkschaftsvertreter. Sind insgesamt sechs _____________ 3) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 96 Rz. 7; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 3. 4) Mit Wirkung von diesem Datum wurde durch das Gesetz für kleine AG und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994 (BGBl. I, 1961) eingeführt, dass auf AG mit weniger als 500 beschäftigten Arbeitnehmern die Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat keine Anwendung findet; für vor dem 10.8.1994 eingetragene AG galt dies nur, wenn es sich um Familiengesellschaften handelte; s. dazu Lutter, AG 1994, 429, 445. 5) Ausführlich zum Aufsichtsrat mit Drittelbeteiligung: Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 9 ff. und insbesondere zur Differenzierung zwischen Alt- und Neugesellschaften: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 18; zur Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.7.2011 – I-26 W 7/10 (AktE), ZIP 2011, 1564, 1565 f. 6) BGH, Beschl. v. 7.2.2012 – II ZB 14/11, ZIP 2012, 669, 670; OLG Jena, Beschl. v. 14.6.2011 – 6 W 47/11, ZIP 2011, 1257, 1258 f. 7) ArbG Wuppertal, Beschl. v. 6.9.2011 – 7 BV 36/11, AG 2012, 522, 523 = ZIP 2012, 1079. 8) Raiser/Veil, § 15 Rz. 20; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 19; zum „Konzern im Konzern“ s. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 12. 9) LG Köln, Beschl. v. 12.1.2012 – 91 O 69/12, BeckRS 2012, 05768: Prognose über einen Zeitraum von 17 – 20 Monaten erforderlich. 10) Im Einzelnen Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 17 ff.; Raiser/Veil, § 15 Rz. 21.
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§ 96
Zusammensetzung des Aufsichtsrats
oder acht Mitglieder zu wählen, so müssen sich darunter zwei Vertreter der Gewerkschaften befinden, bei zehn Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer drei (§ 7 Abs. 2, 4 MitbestG). Ein weiterer Sitz ist den leitenden Angestellten vorbehalten; die übrigen drei, fünf oder sechs Sitze werden von Arbeitern und Angestellten nach dem Verhältnis ihres Anteils an der gesamten Belegschaft besetzt (§ 15 MitbestG). Im Unterordnungskonzern werden die in den abhängigen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Ermittlung der Schwelle von 2.000 Arbeitnehmern gemäß § 5 MitbestG mitgerechnet.11) 4.
MontanMitbestG
6 Im Anwendungsbereich des § 1 MontanMitbestG setzt sich der elfköpfige Aufsichtsrat nach § 4 MontanMitbestG aus je vier Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer sowie drei weiteren Mitgliedern (Vertretern des öffentlichen Interesses) zusammen (§ 4 MontanMitbestG). Unter den Arbeitnehmervertretern müssen sich je ein im Unternehmen beschäftigter Arbeiter und Angestellter befinden (§ 5 MontanMitbestG).12) 5.
MitbestErgG
7 Im Anwendungsbereich des MitbestErgG (§§ 1, 3 MitbestErgG) besteht der fünfzehnköpfige Aufsichtsrat aus je sieben Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer sowie einem weiteren „neutralen“ Mitglied. Von den Arbeitnehmervertretern müssen fünf im Konzern beschäftigt sein. Die Sitze verteilen sich auf Arbeiter und Angestellte nach ihrem Zahlenverhältnis im Konzern. Ein den leitenden Angestellten vorbehaltener Sitz ist nicht vorgesehen. Die restlichen zwei Sitze stehen den im Konzern vertretenen Gewerkschaften zu.13) 6.
MgVG
8 Das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) vom 21.12.2006 regelt die Mitbestimmung der aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangenen Gesellschaft mit Sitz im Inland (§§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 MgVG). Die Zahl der Arbeitnehmervertreter richtet sich entweder nach der Vereinbarung (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 MgVG) oder sie bemisst sich – wenn diese sog. Verhandlungslösung scheitert – nach der höchsten Zahl der Sitze, die den Arbeitnehmervertretern vor der Verschmelzung zustanden (§ 24 Abs. 1 Satz 2 MgVG).14) III.
Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 96 Abs. 2)
9 Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach anderen als den bisher angewandten Vorschriften bedarf der Durchführung eines Statusverfahrens.15) Solange das in den §§ 97 – 99 geregelte Verfahren nicht abgeschlossen ist, gilt aus Gründen der Rechtssicherheit der Aufsichtsrat nach § 96 Abs. 2 als richtig zusammengesetzt und der bestehende Aufsichtsrat bleibt rechtmäßig im Amt (Kontinuitätsgrundsatz).16) Hierdurch wird dessen Arbeitsfähigkeit und die Wirksamkeit der Beschlüsse sichergestellt.17) Dies gilt auch im Falle des _____________ 11) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 5 m. w. N.; zum „Konzern im Konzern“ s. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 12. 12) Im Einzelnen Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 26 ff., 30 f.; Raiser/Veil, § 15 Rz. 22; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 23 f. 13) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 29 ff.; Raiser/Veil, § 15 Rz. 23 f. 14) Im Einzelnen Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 6 MitbestG Rz. 20a; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 23. 15) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.11.2010 – 20 W 362/10, ZIP 2011, 21, 22; ausführlich dazu Göz, ZIP 1998, 1523 ff. 16) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 32; Raiser/Veil, § 15 Rz. 28. 17) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 32; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 96 Rz. 54.
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Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 97
Eintritts der Mitbestimmungsfreiheit infolge eines dauerhaften Absinkens der Arbeitnehmerzahl unter 500.18) Verstöße gegen § 96 Abs. 2 führen zur Nichtigkeit der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder 10 nach § 250 Abs. 1 Nr. 1.19) Auf die Wahl der Arbeitnehmervertreter ist diese Vorschrift nach h. M. entsprechend anzuwenden.20) _____________ 18) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.11.2010 – 20 W 362/10, ZIP 2011, 21, 22. 19) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 96 Rz. 32; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 96 Rz. 56; Jannott/Gressinger, BB 2013, 2120. 20) Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 22 MitbestG Rz. 21; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 96 Rz. 56.
§ 97 Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) 1Ist der Vorstand der Ansicht, daß der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist, so hat er dies unverzüglich in den Gesellschaftsblättern und gleichzeitig durch Aushang in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen bekanntzumachen. 2In der Bekanntmachung sind die nach Ansicht des Vorstands maßgebenden gesetzlichen Vorschriften anzugeben. 3Es ist darauf hinzuweisen, daß der Aufsichtsrat nach diesen Vorschriften zusammengesetzt wird, wenn nicht Antragsberechtigte nach § 98 Abs. 2 innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger das nach § 98 Abs. 1 zuständige Gericht anrufen. (2) 1Wird das nach § 98 Abs. 1 zuständige Gericht nicht innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger angerufen, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Bekanntmachung des Vorstands angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen. 2Die Bestimmungen der Satzung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, über die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder sowie über die Wahl, Abberufung und Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern treten mit der Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf der Anrufungsfrist einberufen wird, spätestens sechs Monate nach Ablauf dieser Frist insoweit außer Kraft, als sie den nunmehr anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften widersprechen. 3Mit demselben Zeitpunkt erlischt das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder. 4Eine Hauptversammlung, die innerhalb der Frist von sechs Monaten stattfindet, kann an Stelle der außer Kraft tretenden Satzungsbestimmungen mit einfacher Stimmenmehrheit neue Satzungsbestimmungen beschließen. (3) Solange ein gerichtliches Verfahren nach §§ 98, 99 anhängig ist, kann eine Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht erfolgen. Literatur: Göz, Statusverfahren bei Änderungen in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, ZIP 1998, 1523; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Oetker, Der Anwendungsbereich des Statusverfahrens nach den §§ 97 ff. AktG, ZHR 149 (1985), 575; Parmentier, Das Statusverfahren, beim Formwechsel in eine Aktiengesellschaft, AG 2006, 476.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ............................................ 1
II. Bekanntmachungspflicht des Vorstands (§ 97 Abs. 1) .............. 2
Werner Paul Schick
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§ 97
Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
III. Wirkungen der Bekanntmachung ............................................ 5 1. Keine fristgemäße Anrufung des Gerichts ....................................... 6 I.
2. Fristgerechte Anrufung ...................... 7 IV. Bekanntmachungssperre (§ 97 Abs. 3) ....................................... 8
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Die Norm regelt gemeinsam mit den §§ 98 und 99 das Statusverfahren, das der Rechtssicherheit dient und im Zusammenwirken mit § 96 Abs. 2 (Kontinuitätsgrundsatz) die Arbeitsfähigkeit des bestehenden Aufsichtsrats ermöglichen soll.1) II.
Bekanntmachungspflicht des Vorstands (§ 97 Abs. 1)
2 Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 ist der Vorstand zur Bekanntmachung verpflichtet, wenn der Aufsichtsrat nach seiner Ansicht nicht nach den zutreffenden Vorschriften zusammengesetzt ist.2) Zuständig ist allein der Vorstand als Organ.3) Der Vorstand entscheidet hierüber durch Beschluss, der entweder einstimmig (§ 77 Abs. 1 Satz 1) oder mit der in der Satzung oder Geschäftsordnung vorgesehenen Mehrheit gefasst werden muss.4) 3 Die Bekanntmachungspflicht kann sich daraus ergeben, dass die richtige Zusammensetzung des amtierenden Aufsichtsrats zweifelhaft ist oder dass er aufgrund von Änderungen der tatsächlichen Umstände anders als bisher zusammengesetzt werden muss. Die Änderung der maßgeblichen Vorschriften kann insbesondere aus einer veränderten Mitarbeiteranzahl,5) einer Über- oder Unterschreitung relevanter Schwellenwerte (etwa § 7 Abs. 1 MitbestG)6) oder einer Änderung der Unternehmensstruktur (etwa Verlust der Montanunternehmenseigenschaft, vgl. § 1 Abs. 3 MontanMitbestG) resultieren. Nach einer Satzungsänderung ist jedoch kein Statusverfahren durchzuführen7) (siehe dazu § 95 Rz. 6 f.). 4 Die Bekanntmachung mit dem in § 97 Abs. 1 Satz 2 und 3 vorgesehenen Bestandteilen muss unverzüglich vorgenommen werden, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB).8) Die Einholung eines Rechtsgutachtens oder die Konsultation der nach § 98 Abs. 2 Antragsberechtigten ist kein schuldhaftes Zögern.9) Die Bekanntmachung kann mit Blick auf den Wortlaut der Norm („ist“) und aus Gründen der Rechtssicherheit erst mit dem Eintritt der tatsächlichen Änderung der Arbeitnehmerzahl erfolgen, nicht bereits in deren Vorfeld.10) Die Angabe der Vorschriften, nach denen der Aufsichtsrat gebildet werden soll, muss möglichst genau sein, da die genannten Vorschriften die Grundlage für die künftige _____________ 1) Ausführlich zum Zweck des Statusverfahrens: Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 576 f.; HoffmannBecking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 50 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 1. 2) Göz, ZIP 1998, 1523; Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 97 Rz. 27. 3) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 97 Rz. 32 und 34; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 56. 4) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 97 Rz. 33; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 18. 5) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.11.2010 – 20 W 362/10, ZIP 2011, 21, 22 f. 6) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.1978 – 19 W 3/78, DB 1978, 1358, 1359; a. A. Göz, ZIP 1998, 1523, 1525 f. 7) OLG Hamburg, Beschl. v. 26.8.1988 – 11 W 53/88, ZIP 1988, 1191, 1193; Göz, ZIP 1988, 1523, 1525; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 14. 8) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 97 Rz. 43; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 59. 9) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 97 Rz. 43; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 20. 10) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 59; Hölters-Simons, AktG, § 99 Rz. 20; a. A. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 20.
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Bekanntmachung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 97
Bestellung des Aufsichtsrats bilden.11) Die Bekanntmachung muss im Bundesanzeiger und ggf. zusätzlich in denen von der Satzung vorgesehenen Publikationen erfolgen (§ 25). Zudem ist sie in sämtlichen inländischen12) Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen in der Form auszuhängen, dass sie allen Wahlberechtigten zugänglich ist.13) III.
Wirkungen der Bekanntmachung
Die Wirkungen der Bekanntmachung sind abhängig davon, ob das nach § 98 Abs. 1 5 zuständige Gericht innerhalb der Monatsfrist angerufen wird. Maßgeblich für den Beginn der Monatsfrist ist aus Gründen der Rechtssicherheit die Bekanntmachung im Bundesanzeiger und nicht der Aushang in den Betrieben.14) 1.
Keine fristgemäße Anrufung des Gerichts
Wird das zuständige Gericht (§ 98 Abs. 1) nicht innerhalb der Monatsfrist angerufen, so 6 steht nach Fristablauf fest, dass der Aufsichtsrat nach den in der Bekanntmachung genannten Vorschriften neu zu bilden ist (§ 97 Abs. 2 Satz 1). Sämtliche amtierende Aufsichtsratsmitglieder verlieren ihr Mandat erst mit Ende der ersten Hauptversammlung, die nach Ablauf der Monatsfrist einberufen wird, spätestens aber sechs Monate nach Fristablauf (§ 97 Abs. 2 Satz 2 und 3). Widersprechende Satzungsbestimmungen treten zum gleichen Zeitpunkt außer Kraft, so dass die Satzung anzupassen ist. 2.
Fristgerechte Anrufung
Wird fristgerecht ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 98 Abs. 1) gestellt, so ist 7 diese maßgeblich und die Bekanntmachung wird unwirksam. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung15) gelten die bisherigen Regelungen fort und es bleibt bei der bestehenden Aufsichtsratszusammensetzung. IV.
Bekanntmachungssperre (§ 97 Abs. 3)
Während der Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens (§ 98 Abs. 1) ist eine Bekannt- 8 machung des Vorstands ausgeschlossen bzw. eine gleichwohl veranlasste Bekanntmachung ist rechtlich unerheblich.16) Nach rechtskräftiger Entscheidung kann der Vorstand wieder eine Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 veranlassen, auch wenn keine neuen Umstände vorliegen.17)
_____________ 11) Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 590 ff., 592; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 23. 12) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 21; Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 97 Rz. 46 f. 13) Raiser/Veil, MitbestG/DrittelbG, § 6 MitbestG Rz. 12; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 21. 14) Göz, ZIP 1998, 1523, 1524; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 28 Rz. 57. 15) LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 23.4.1971 – 4 AR 8/69, AG 1972, 21. 16) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 97 Rz. 73; Hüffer, AktG, § 97 Rz. 7. 17) So Hüffer, AktG, § 97 Rz. 7; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 97 Rz. 39.
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§ 98
Gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 98 Gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Ist streitig oder ungewiss, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, so entscheidet darüber auf Antrag ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. (2) 1Antragsberechtigt sind 1. der Vorstand, 2. jedes Aufsichtsratsmitglied, 3. jeder Aktionär, 4. der Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, 5. der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss, 6. der Gesamtbetriebsrat eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, 7. der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiss ist, selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss, 8. mindestens ein Zehntel oder einhundert der Arbeitnehmer, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, selbst oder durch Delegierte an der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft teilnehmen, 9. Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, ein Vorschlagsrecht hätten, 10. Gewerkschaften, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiß ist, ein Vorschlagsrecht hätten. 2
Ist die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes oder die Anwendung von Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes streitig oder ungewiß, so sind außer den nach Satz 1 Antragsberechtigten auch je ein Zehntel der wahlberechtigten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Mitbestimmungsgesetzes bezeichneten Arbeitnehmer oder der wahlberechtigten leitenden Angestellten im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes antragsberechtigt. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn streitig ist, ob der Abschlußprüfer das nach § 3 oder § 16 des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes maßgebliche Umsatzverhältnis richtig ermittelt hat.
(4) 1Entspricht die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht der gerichtlichen Entscheidung, so ist der neue Aufsichtsrat nach den in der Entscheidung angegebenen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen. 2§ 97 Abs. 2 gilt sinngemäß mit der Maßgabe, daß die Frist von sechs Monaten mit dem Eintritt der Rechtskraft beginnt.
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Gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
§ 98
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. 1 II. Antragsverfahren (§ 98 Abs. 1) ....................................... 2 III. Antragsberechtigung (§ 98 Abs. 2) ....................................... 5 I.
IV. Sinngemäße Geltung bei Streit über das maßgebliche Umsatzverhältnis (§ 98 Abs. 3) ..................... 7 V. Gerichtliche Entscheidung und Durchführungspflicht (§ 98 Abs. 4) ....................................... 8
Gegenstand und Zweck der Norm
Die Norm enthält zusammen mit § 99 die Regelungen über den gerichtlichen Teil des 1 Statusverfahrens.1) Durch das Statusverfahren soll auch bei Unklarheit über die für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats anwendbaren Vorschriften stets ein beschlussfähiger Aufsichtsrat sichergestellt werden. Zudem soll die Anwendung der zutreffenden Vorschriften für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gewährleistet werden. II.
Antragsverfahren (§ 98 Abs. 1)
Für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nach den §§ 98 und 99 ist ein Antrag 2 erforderlich, der den Antragsteller und das Antragsziel erkennen lassen muss. Der Antrag, der keinen besonderen Formvorschriften unterliegt, muss auf eine Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats gerichtet sein.2) Der Antrag ist nach § 98 Abs. 1 Satz 1 nur zulässig, wenn Ungewissheit oder Streit über 3 die maßgeblichen Vorschriften für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats herrscht.3) Ist weder streitig noch ungewiss, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist, muss der Vorstand nach § 97 tätig werden. Das LG, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz (§ 5) hat, ist sachlich und örtlich aus- 4 schließlich zuständig (§ 98 Abs. 1); die Kammer für Handelssachen ist funktional zuständig.4) III.
Antragsberechtigung (§ 98 Abs. 2)
Die Antragsberechtigten sind in § 98 Abs. 2 abschließend aufgezählt.5)
5
Die dort genannten einzelnen Antragsberechtigten können unabhängig davon, ob der Vor- 6 stand ein Bekanntmachungsverfahren nach § 97 eingeleitet hat, tätig werden.6) Der Vorstand selbst ist nach § 98 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ebenfalls antragsberechtigt. Insoweit gelten die Ausführungen zu den Voraussetzungen der Bekanntmachung nach § 97 entsprechend (siehe § 97 Rz. 2). Ändern sich die für die Aufsichtsratszusammensetzung anzuwendenden Vorschriften oder setzt sich der Aufsichtsrat nach nicht (mehr) zutreffenden Vorschriften zusammen, so ist es primär die Pflicht des Vorstands nach § 98 oder § 97 tätig zu werden; ihn trifft dann eine Antragspflicht, deren Verletzung zu einer Haftung nach § 93 führen kann.7) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 98 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 98 Rz. 1. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 98 Rz. 3 f.; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 98 Rz. 7. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 98 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 98 Rz. 3. Hüffer, AktG, § 98 Rz. 2; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 98 Rz. 9 f. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 98 Rz. 5; Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 98 Rz. 4. Hüffer, AktG, § 98 Rz. 3; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 98 Rz. 8. Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 98 Rz. 38; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 98 Rz. 13.
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§ 99 IV.
Verfahren Sinngemäße Geltung bei Streit über das maßgebliche Umsatzverhältnis (§ 98 Abs. 3)
7 Nach § 98 Abs. 3 gelten die Absätze 1 und 2 sinngemäß, wenn die Ermittlung des maßgeblichen Umsatzverhältnisses nach §§ 3, 16 MitbestErgG streitig ist. V.
Gerichtliche Entscheidung und Durchführungspflicht (§ 98 Abs. 4)
8 Hinsichtlich der Folgen der rechtskräftigen Entscheidung ist zu differenzieren. Weist das Gericht den Antrag ab, so verändert sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht. Der Aufsichtsrat bleibt im Amt. Der Vorstand muss lediglich die gerichtliche Entscheidung zum Handelsregister einreichen (§ 99 Abs. 5 Satz 3).8) 9 Entscheidet das Gericht, dass andere als die bisher angewandten Vorschriften anzuwenden sind, so ist der Aufsichtsrat nach den in dem Beschluss für maßgeblich erklärten Vorschriften zusammenzusetzen (§ 98 Abs. 4 Satz 1). Es gilt eine Anpassungsfrist von sechs Monaten ab Eintritt der Rechtskraft (§ 98 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 97 Abs. 2).9) Zudem muss der Vorstand die gerichtliche Entscheidung zum Handelsregister einreichen (§ 99 Abs. 5 Satz 3). Der Aufsichtsrat ist neu zu bestellen, wofür der Vorstand insbesondere eine Hauptversammlung einberufen und Vorschläge für Satzungsänderungen unterbreiten muss.10) _____________ 8) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 98 Rz. 48; Hüffer, AktG, § 98 Rz. 6. 9) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 98 Rz. 49; Hüffer, AktG, § 98 Rz. 6. 10) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 98 Rz. 49; Hüffer, AktG, § 98 Rz. 6.
§ 99 Verfahren (1) Auf das Verfahren ist das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 bis 5 nichts anderes bestimmt ist. (2) 1Das Landgericht hat den Antrag in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. 2 Der Vorstand und jedes Aufsichtsratsmitglied sowie die nach § 98 Abs. 2 antragsberechtigten Betriebsräte, Sprecherausschüsse, Spitzenorganisationen und Gewerkschaften sind zu hören. (3) 1Das Landgericht entscheidet durch einen mit Gründen versehenen Beschluss. Gegen die Entscheidung des Landgerichts findet die Beschwerde statt. 3Sie kann nur auf eine Verletzung des Rechts gestützt werden; § 72 Abs. 1 Satz 2 und § 74 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie § 547 der Zivilprozessordnung gelten sinngemäß. 4 Die Beschwerde kann nur durch die Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt werden. 5Die Landesregierung kann durch Rechtsverordnung die Entscheidung über die Beschwerde für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht übertragen, wenn dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. 6Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. 2
(4) 1Das Gericht hat seine Entscheidung dem Antragsteller und der Gesellschaft zuzustellen. 2Es hat sie ferner ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. 3Die Beschwerde steht jedem nach § 98 Abs. 2 Antragsberechtigten zu. 4Die Beschwerde-
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§ 99
Verfahren
frist beginnt mit der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger, für den Antragsteller und die Gesellschaft jedoch nicht vor der Zustellung der Entscheidung. (5) 1Die Entscheidung wird erst mit der Rechtskraft wirksam. 2Sie wirkt für und gegen alle. 3Der Vorstand hat die rechtskräftige Entscheidung unverzüglich zum Handelsregister einzureichen. (6) 1Die Kosten können ganz oder zum Teil dem Antragsteller auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. 2Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet. Literatur: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 1. Aufl. 2014; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Jänig/Leißring, FamFG: Neues Verfahren für Streitigkeiten in AG und GmbH, ZIP 2010, 110.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ............................................ 1 II. Gerichtliches Verfahren ................... 2 1. Antragserfordernis ............................. 3 2. Amtsermittlungsgrundsatz ................ 4 I.
3. Anhörung und Entscheidung ............ 5 4. Rechtsmittel ....................................... 8 III. Wirksamkeit und Rechtsfolgen (§ 99 Abs. 5) ....................................... 9 IV. Kosten (§ 99 Abs. 6) ........................ 11
Gegenstand und Zweck der Norm
Die Norm regelt das gerichtliche Verfahren, in dem auf Antrag (§ 98 Abs. 1) über die 1 Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu entscheiden ist. Der Zweck der Norm ist es insbesondere, dieses Verfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zu unterstellen.1) II.
Gerichtliches Verfahren
Nach § 99 Abs. 1 gelten für das gerichtliche Statusverfahren primär die in § 99 Abs. 2 – 6 2 enthaltenen Regelungen und subsidiär die Bestimmungen des FamFG.2) 1.
Antragserfordernis
Für die Einleitung des Verfahrens gilt der Dispositionsgrundsatz; nach § 98 Abs. 1 Satz 1 3 ist ein Antrag erforderlich, der bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückgenommen werden kann (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FamFG).3) Hierfür ist die Einwilligung der Gesellschaft bis zum Erlass der Endentscheidung nicht erforderlich (Umkehrschluss zu § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG).4) Ein Anwaltszwang besteht nicht.5) Nach § 99 Abs. 2 Satz 1 hat das Gericht den Antrag in den Gesellschaftsblättern (§ 25) bekannt zu machen. 2.
Amtsermittlungsgrundsatz
Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung endet die Dispositionsbefugnis der Par- 4 teien und es gilt nach § 99 Abs. 1 i. V. m. § 26 FamFG der Amtsermittlungsgrundsatz. _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
Habersack in: MünchKomm-AktG, § 99 Rz. 1, 12; Hüffer, AktG, § 99 Rz. 1; zum neuen FamFG-Verfahren ausführlich: Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110 ff. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 99 Rz. 6; Hüffer, AktG, § 99 Rz. 3; zum Verhältnis der Vorschriften: Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110, 112. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.4.2009 – 20 W 106/09, NZG 2009, 1185; zur alten Rechtslage OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.8.1979 – 3 W 202/79, NJW 1980, 349. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 8.4.2009 – 20 W 106/09, NZG 2009, 1185; Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110, 115; Hölters-Simons, AktG, § 99 Rz. 5. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.8.1994 – 19 W 1/93, AG 1995, 85, 86; Hölters-Simons, AktG, § 99 Rz. 7.
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§ 99
Verfahren
Die Gerichte sind berechtigt und verpflichtet, von Amts wegen Tatsachen zu ermitteln, in die Verhandlung einzubringen und den Sachverhalt festzustellen.6) Dies enthebt die Beteiligten jedoch nicht von der Verpflichtung durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.7) 3.
Anhörung und Entscheidung
5 Nach § 99 Abs. 2 Satz 2 steht dem Vorstand als Organ und jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ein Anhörungsrecht zu; die Betriebsräte, Sprecherausschüsse, Spitzenorganisationen und Gewerkschaften, die nach § 98 Abs. 2 antragsbefugt sind, sind ebenfalls anzuhören. Nach allgemeinen Grundsätzen sind auch alle Personen, die durch das Verfahren unmittelbar betroffen sind, auf ihr Verlangen anzuhören.8) 6 Das Gericht entscheidet nach § 99 Abs. 3 Satz 1 durch Beschluss, der, weil gegen ihn die Beschwerde eröffnet ist, mit Gründen zu versehen ist. 7 Das Gericht hat den Beschluss mit Gründen dem Antragsteller und der Gesellschaft zuzustellen (§ 99 Abs. 4 Satz 1). Zudem muss das Gericht den Beschluss ohne Gründe in den Gesellschaftsblättern bekannt machen, mithin nach § 25 Satz 1 zumindest im Bundesanzeiger. 4.
Rechtsmittel
8 Der mit Gründen zu versehende Beschluss des LG gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 kann mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angegriffen werden, die nur auf Verletzung des Rechtsestützt werden kann (§ 99 Abs. 3 Satz 3).9) Die Beschwerde ist nach § 64 Abs. 1 FamFG beim LG einzulegen. Hierfür gilt die Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG (§ 99 Abs. 4 Satz 4). Es besteht gemäß § 99 Abs. 3 Satz 8 und 9 die Möglichkeit der Verfahrenskonzentration, die einige Bundesländer ausgenutzt haben.10) Nach § 99 Abs. 4 Satz 3 ist beschwerdebefugt, wer gemäß § 98 Abs. 2 antragsberechtigt ist. Die Gesellschaft selbst ist ebenfalls beschwerdeberechtigt (§ 99 Abs. 4 Satz 4).11) III.
Wirksamkeit und Rechtsfolgen (§ 99 Abs. 5)
9 Nach § 99 Abs. 5 Satz 1 tritt die Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung über die auf die Aufsichtsratszusammensetzung anzuwendenden Vorschriften (§ 98 Abs. 3) mit Rechtskraft ein, d. h. mit Ablauf der Beschwerdefrist (Monatsfrist, § 63 Abs. 1 FamFG). Bis dahin gilt die Aufsichtsratszusammensetzung als richtig.12) 10 Nach § 99 Abs. 5 Satz 2 hat die rechtskräftige Entscheidung Inter omnes-Wirkung. Sie ist gemäß § 99 Abs. 5 Satz 3 vom Vorstand unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) zum Handelsregister einzureichen.
_____________ 6) Zur Amtsermittlungspflicht und zum Umfang der Ermittlungstätigkeit: BGH, Beschl. v. 21.6.2011 – II ZB 15/10, ZIP 2011, 1562, 1563. 7) LG Köln, Beschl. v. 12.01.2012 – 91 O 69/11, BeckRS 2012, 05768. 8) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 99 Rz. 14; zu den Beteiligten im Einzelnen: Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110, 113 f. 9) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 99 Rz. 21. 10) Bayern: OLG München, VO v. 16.11.2004, GVBl. I S. 471; NRW: OLG Düsseldorf, VO v. 31.5.2005, GV NRW 2005 S. 625; Rheinland-Pfalz: OLG Zweibrücken, VO v. 22.11.1985, GVBl. S. 267. 11) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 99 Rz. 19; a. A. Hüffer, AktG, § 99 Rz. 8. 12) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 99 Rz. 24.
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Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder IV.
§ 100
Kosten (§ 99 Abs. 6)
§ 99 Abs. 6 betrifft nur die Gerichtskosten und nicht die Kosten der Beteiligten (etwa 11 Anwaltsgebühren), die von diesen selbst zu tragen sind. Die Gesellschaft ist nach § 23 Nr. 10 GNotKG grundsätzlich Kostenschuldnerin, weil die gerichtliche Entscheidung vorwiegend in ihrem Interesse liegt.13) Nach § 99 Abs. 6 Satz 1 können die Kosten aus Billigkeitserwägungen ganz oder teilweise dem Antragsteller auferlegt werden, etwa bei offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Anträgen.14) _____________ 13) Durch das 2. KostRMoG wurde die bisher in § 99 Abs. 6 Satz 7 und 8 geregelte Kostenhaftung in das GNotKG übertragen, vgl. Sommerfeldt in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, § 23 Rz. 15 ff. 14) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 99 Rz. 27; Hüffer, AktG, § 99 Rz. 12.
§ 100 Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder (1) 1Mitglied des Aufsichtsrats kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. 2Ein Betreuter, der bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, kann nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein. (2) 1Mitglied des Aufsichtsrats kann nicht sein, wer 1. bereits in zehn Handelsgesellschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, Aufsichtsratsmitglied ist, 2. gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist, 3. gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft ist, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört, oder 4. in den letzten zwei Jahren Vorstandsmitglied derselben börsennotierten Gesellschaft war, es sei denn, seine Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten. 2
Auf die Höchstzahl nach Satz 1 Nr. 1 sind bis zu fünf Aufsichtsratssitze nicht anzurechnen, die ein gesetzlicher Vertreter (beim Einzelkaufmann der Inhaber) des herrschenden Unternehmens eines Konzerns in zum Konzern gehörenden Handelsgesellschaften, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben, inne hat. 3Auf die Höchstzahl nach Satz 1 Nr. 1 sind Aufsichtsratsämter im Sinne der Nummer 1 doppelt anzurechnen, für die das Mitglied zum Vorsitzenden gewählt worden ist. (3) Die anderen persönlichen Voraussetzungen der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer sowie der weiteren Mitglieder bestimmen sich nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung. (4) Die Satzung kann persönliche Voraussetzungen nur für Aufsichtsratsmitglieder fordern, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge gewählt oder auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt werden. (5) Bei Gesellschaften im Sinn des § 264d des Handelsgesetzbuchs muss mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen.
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§ 100
Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder
Literatur: Bachmann, Zur Umsetzung einer Frauenquote im Aufsichtsrat, ZIP 2011, 1131; Bauer/Arnold, AGG und Organmitglieder – Klares und Unklares vom BGH, NZG 2012, 921; Brandi/Gieseler, Der Aufsichtsrat in Kreditinstituten, NZG 2012, 1321; Bungert/Wansleben, Wechsel eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat, DB 2012, 2617; Diekmann/Fleischmann, Umgang mit Interessenkonflikten in Aufsichtsrat und Vorstand der Aktiengesellschaft, AG 2013, 141; Dreher, Die Gesamtqualifikation des Aufsichtsrats, in: Festschrift für Michael HoffmannBecking, 2013, S. 313; von Falkenhausen/Kocher, Wie wird der unabhängige Finanzexperte in den Aufsichtsrat gewählt? – Praktische Fragen der Umsetzung des BilMoG, ZIP 2009, 1601; Florstedt, Die Unabhängigkeit des Aufsichtsratsmitglieds vom kontrollierenden Aktionär, ZIP 2013, 337; Habersack, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, AG 2008, 98; Hasselbach/Jakobs, Die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, BB 2013, 643; Hirte, Geschlechterquoten in Aufsichtsrat und Vorstand, Der Konzern 2011, 519; Hirte, Frauenquote oder Frauenförderung?, Der Konzern 2013, 367; Hüffer, Zur Wahl von Beratern des Großaktionärs in den Aufsichtsrat der Gesellschaft, ZIP 2010, 1979; Jaspers, Höchstgrenzen für Aufsichtsratsmandate nach Aktienrecht und DCGK, AG 2011, 154; Kremer/v. Werder, Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern: Konzept, Kriterien und Kandidateninformationen, AG 2013, 340; Krieger, Der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 510; Löbbe/Fischbach, Wechsel von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat auf Initiative der Verwaltungsorgane der Gesellschaft, AG 2012, 580; Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmungen des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725; Lutter/Kirschbaum, Zum Wettbewerber im Aufsichtsrat, ZIP 2005, 103; Merkelbach, Professionalisierung des Aufsichtsrats – CRD IV wirft ihren Schatten voraus, Der Konzern 2013, 227; Opitz, Zur Fortbildungsverantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat. Zugleich ein Beitrag zu §§ 25c und 25d KWG i. d. F. von Art. 1 Nr. 48 CRD IV – UmsetzungsGE, BKR 2013, 177; Redenius-Hövermann, Zur Frauenquote im Aufsichtsrat, ZIP 2010, 660; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Die KodexÄnderungen vom Mai 2012, NZG 2012, 1081; Roth, Unabhängige Aufsichtsratsmitglieder, ZHR 175 (2011), 605; Spindler, Die Empfehlungen der EU für den Aufsichtsrat und ihre deutsche Umsetzung im Corporate Governance Kodex, ZIP 2005, 2033; Staake, Der unabhängige Finanzexperte im Aufsichtsrat, ZIP 2010, 1013; Wirth, Anforderungsprofil und Inkompatibilitäten für Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 2005, 327.
Übersicht I. Zweck der Norm ............................... 1 II. Persönliche Voraussetzungen (§ 100 Abs. 1) ..................................... 2 III. Gesetzliche Hinderungsgründe (§ 100 Abs. 2) ..................................... 5 IV. Persönliche Voraussetzungen für Arbeitnehmervertreter (§ 100 Abs. 3) ................................... 11 I.
V. Regelungen der Satzung (§ 100 Abs. 4) ................................... 12 VI. Unabhängiger Finanzexperte (§ 100 Abs. 5) ................................... 14 VII. Rechtsfolgen bei Verstößen ......... 16
Zweck der Norm
1 Durch die in § 100 geregelten persönlichen Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder soll eine effektive Überwachungstätigkeit gewährleistet werden.1) Zudem soll der übermäßigen Konzentration von Aufsichtsratsmandaten entgegengewirkt werden. Da die Norm nicht abschließend ist, sind auch Anforderungen an die persönlichen Voraussetzungen oder Hinderungsgründe zu beachten, die sich aus anderen Vorschriften ergeben.2) _____________ 1) 2)
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Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 10; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rz. 1. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 66 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rz. 35.
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Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder II.
§ 100
Persönliche Voraussetzungen (§ 100 Abs. 1)
Da das Amt des Aufsichtsratsmitglieds persönliches Tätigwerden voraussetzt (siehe auch 2 § 111 Abs. 5), schließt § 100 Abs. 1 aus, dass eine juristische Person Aufsichtsratsmitglied werden kann.3) Darüber hinaus enthält § 100 Abs. 1 aber keine weiteren persönlichen Bestellungsvoraussetzungen, wie etwa besondere Sachkunde.4) Die Unabhängigkeit ist ebenfalls nicht als Bestellungsvoraussetzung gesetzlich vorgeschrieben.5) Allerdings enthält § 100 Abs. 5 eine Sonderregelung für kapitalmarktorientierte Gesellschaften (siehe dazu unten Rz. 14 f.); insoweit gilt die Übergangsvorschrift des § 12 Abs. 4 EGAktG, nach der § 100 Abs. 5 nicht anzuwenden ist, solange alle Aufsichtsratsmitglieder vor dem 29.5.2009 bestellt worden sind. Für Aufsichtsratsmitglieder von beaufsichtigten Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten enthalten § 7a Abs. 4 VAG bzw. § 36 Abs. 3 KWG zusätzliche persönliche Anforderungen.6) Das Gesetz enthält kein generelles Verbot der Wahl eines Organmitglieds eines Konkurrenten in den Aufsichtsrat.7) Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) empfiehlt jedoch, dass dem Aufsichtsrat „eine nach seiner Einschätzung angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören“ soll (Ziff. 5.4.2 Satz 1) und Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens wahrnehmen sollen (Ziff. 5.4.2 Satz 4).8) Der BGH hat mangels gesetzlicher Vorgaben Leitlinien zur individuellen Qualifikation 3 von Aufsichtsratsmitgliedern entwickelt; jedes Aufsichtsratsmitglied muss „diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“.9) Hierbei handelt es sich primär um einen generellen Maßstab für die bei der Amtsausübung anzuwendende Sorgfalt10) und nicht um das Rechtsgebot einer besonderen Sachkunde als Bestellungsvoraussetzung.11) Nach dem DCGK (Ziff. 5.4.1 Abs. 1) ist der Aufsichtsrat so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.12)
_____________ 3) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 16 f.; Hüffer, AktG, § 100 Rz. 2, stellt auf die persönliche Verantwortlichkeit ab. 4) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 20; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 30 Rz. 2a; Wirth, ZGR 2005, 327, 336 ff. 5) OLG Köln, Urt. v. 31.1.2013 – 18 U 21/12, ZIP 2013, 516, 517; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 100 Rz. 2 f.; s. aber auch LG Hannover, Urt. v. 17.3.2010 – 23 O 124/09 (Koerfer), ZIP 2010, 833, 837, zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern i. S. des DCGK; abl. Hüffer, ZIP 2010, 1979, 1980 ff. 6) S. dazu: Brandi/Gieseler, NZG 2012, 1321 ff.; Dreher in: FS Hoffmann-Becking, S. 313, 325 ff.; zur insoweit geplanten EU-Richtlinie für die Finanzbranche: Merkelbach, Der Konzern 2013, 227, 228 ff. 7) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd 4, § 30 Rz. 3; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 73 ff.; Hüffer, ZIP 2010, 1979, 1983; Wirth, ZGR 2005, 327, 343 ff., 346; s. aber auch Lutter/ Kirschbaum, ZIP 2005, 103, 104 ff.; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 100 Rz. 27 f. 8) S. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1087; Florstedt, ZIP 2013, 337, 338 ff.; Hasselbach/Jakobs, BB 2013, 643 ff.; Roth, ZHR 175 (2011), 605, 635 f. 9) BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 (Hertie), BGHZ 85, 293, 295 f. = ZIP 1983, 55, 56; s. a. LG Hannover, Urt. v. 17.3.2010 – 23 O 124/09 (Koerfer) ZIP 2010, 833; s. dazu und zum Verhältnis von Einzel- und Gesamtqualifikation Dreher in: FS Hoffmann-Becking, S. 313, 315 ff. 10) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 2a; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 20 ff. 11) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 2a; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 20 ff. 12) Insoweit handelt es sich gemäß dem Verständnis der Kodexkommission um die Darstellung der gesetzlichen Anforderungen, Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2010, 1161, 1165.
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§ 100
Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder
4 Die in der Öffentlichkeit vermehrt geäußerten Forderungen nach einer verbindlichen Geschlechterquote im Aufsichtsrat13) haben im Aktienrecht bislang noch keinen Niederschlag gefunden, im Bundestag ist eine entsprechende Initiative jüngst gescheitert.14) Auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vorgelegt,15) dessen Erfolgschancen nur schwer eingeschätzt werden können. Bereits heute empfiehlt der DCGK, dass die vom Aufsichtsrat für seine Zusammensetzung zu benennenden konkreten Ziele „insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vorsehen“ sollen (Ziff. 5.4.1 Abs. 2 Satz 2).16) III.
Gesetzliche Hinderungsgründe (§ 100 Abs. 2)
5 Nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ist nicht wählbar, wer bereits zehn Aufsichtsratsmandate in Handelsgesellschaften innehat, die gesetzlich einen Aufsichtsrat zu bilden haben (Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten). Von der wörtlich zu verstehenden Regelung werden Mandate in Genossenschaften, Kommanditgesellschaften und GmbH, die nicht unter die Mitbestimmungsgesetze fallen, sowie in ausländischen Gesellschaften nicht erfasst.17) 6 Nach dem Konzernprivileg gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 werden bis zu fünf Aufsichtsratssitze nicht angerechnet, die ein gesetzlicher Vertreter (Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer) der herrschenden Gesellschaft eines Konzerns in einem Konzernunternehmen wahrnimmt.18) 7 Nach § 100 Abs. 2 Satz 3 sind auf die nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zulässige Mandatshöchstzahl Vorsitzmandate doppelt anzurechnen (Doppelzählung von Aufsichtsratsvorsitzmandaten). 8 Die gesetzlichen Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens sind nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ausgeschlossen, da ansonsten die Kontrollierten zu Kontrolleuren gemacht würden bzw. hierin ein Verstoß gegen das „natürliche Organisationsgefälle“ läge.19) Die gesetzlichen Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört, sind nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ebenfalls ausgeschlossen (Verbot der Überkreuzverflechtung).20) 9 Nach der im Jahr 2009 eingeführten Regelung des § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 kann nicht Aufsichtsratsmitglied sein, wer in den letzten zwei Jahren Vorstandsmitglied derselben börsennotierten Gesellschaft war, es sei denn, die Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären mit mindestens 25 % der Stimmrechte. Durch diese Karenzzeit soll verhindert werden, dass ein ehemaliges Vorstandsmitglied die Bereinigung strategischer Fehler oder die Beseitigung von Unregelmäßigkeiten aus der eigenen Vorstandszeit unterbin_____________ 13) Ausführlich dazu Bachmann, ZIP 2011, 1131 ff.; Hirte, Der Konzern 2013, 367 ff.; Redenius-Hövermann, ZIP 2010, 660, 664 ff. 14) Ablehnung des Gesetzesentwurfs des Bundesrats „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien“ am 18.4.2013, vgl. BT PIPr. Nr. 17/234. 15) Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Gewährleistung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängenden Maßnahmen (KOM (2012) 614). 16) S. dazu Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1132 f. 17) H. M., s. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 7 f.; Hüffer, AktG, § 100 Rz. 3; für Einbeziehung von ausländischen Aufsichtsratsmandaten in ausländischen Gesellschaften: Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 39; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rz. 16; ausführlich zum Meinungsstreit: Jaspers, AG 2011, 154, 155 f. 18) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 8 f.; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 40 ff. 19) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 51; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rz. 26. 20) Ausführlich hierzu: Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 58 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 11 f.
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Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder
§ 100
det.21) Die Regelung ist auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt, da nur hier ein systematisches Kontrolldefizit durch die Eigentümergesamtheit angenommen wird.22) Die Karenzzeit gilt nicht, wenn das Aufsichtsratsmitglied aufgrund eines Aktionärsvor- 10 schlags gewählt wird, der dem 25 %-Quorum genügt.23) Für die Anwendbarkeit der in § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 vorgesehenen Ausnahme bei Vorliegen des Quorums kommt es aber nicht auf eine besondere Eigentümerstruktur an, insbesondere gilt sie auch für Gesellschaften in Streubesitz.24) Der Vorschlag muss nicht Wahlvorschlag i. S. des § 127 sein.25) Ausreichend ist es auch, wenn er an den Aufsichtsrat gerichtet wird („als Vorschlag gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4“) und der Aufsichtsrat sich dem anschließt.26) IV.
Persönliche Voraussetzungen für Arbeitnehmervertreter (§ 100 Abs. 3)
Für die Arbeitnehmervertreter und die weiteren Mitglieder des Aufsichtsrats gelten nach 11 § 100 Abs. 3 die dort genannten besonderen persönlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen. Es wird klargestellt, dass diese Wählbarkeitsvoraussetzungen auch aktienrechtlich verbindlich sind.27) V.
Regelungen der Satzung (§ 100 Abs. 4)
Für Arbeitnehmervertreter kann die Satzung nach § 100 Abs. 4 persönliche Vorausset- 12 zungen nicht vorsehen,28) zulässig ist dies jedoch für Vertreter der Aktionäre. Allerdings dürfen die inhaltlichen Konkretisierungen nicht so weit gehen, dass die freie Auswahl durch die Hauptversammlung beschränkt wird.29) Zulässig als Voraussetzung sind etwa das Festlegen eines Mindest- oder Höchstalters30) oder grundsätzlich einer besonderen beruflichen Qualifikation.31) Die Wahl von Arbeitnehmervertretern zu Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre ist zulässig.32) Nach dem DCGK (Ziff. 5.4.1 Abs. 2) soll eine Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder festgelegt werden; hierbei besteht Gestaltungsspielraum, weshalb die Festlegung durch Aufsichtsratsbeschluss, Bestimmung in der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat oder in der Satzung erfolgen kann.33) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)34) ist grundsätzlich auch auf Mitglieder 13 des Aufsichtsrats anwendbar, da diese als Mitglieder eines Gesellschaftsorgans vom Wort_____________ 21) 22) 23) 24) 25) 26)
27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34)
Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 11. Löbbe/Fischbach, AG 2012, 580, 581; Bungert/Wansleben, DB 2012, 2617, 2618. S. a. Löbbe/Fischbach, AG 2010, 580, 581 f.; Bungert/Wansleben, DB 2012, 2617, 2618. Krieger in: FS Hüffer, S. 521, 525 und 530 ff.; Hüffer, AktG, § 100 Rz. 7b; s. a. Punkt 6 der Einberufung der Hauptversammlung 2011 der ThyssenKrupp AG; eingehend zu den Praxisfragen bei der Umsetzung: Löbbe/Fischbach, AG 2012, 580, 581 ff.; zu den möglichen Vorgehensweisen: Bungert/Wansleben, DB 2012, 2617, 2618 ff. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 96; Hüffer, AktG, § 100 Rz. 8. BGH, Urt. v. 21.2.1963 – II ZR 76/62, BGHZ 39, 116, 122 f. Ausführlich dazu: Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 103 ff.; Habersack in: MünchKommAktG, § 100 Rz. 41 ff. Redenius-Hövermann, ZIP 2010, 660, 663; Lutter, BB 2007, 725, 730 f. – zur Berücksichtigung des Altersdiskriminierungsverbots des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Ausführlich dazu: Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 100 Rz. 103 ff.; Habersack in: MünchKommAktG, § 100 Rz. 41 ff. BGH, Urt. v. 3.7.1975 – II ZR 35/79, AG 1975, 242, 244. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Rz. 976. Am 18.8.2006 in Kraft getreten, BGBl. I, 2006, 1897.
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§ 100
Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder
laut des § 6 Abs. 3 AGG erfasst werden.35) Um der Gefahr einer (unzulässigen) Altersdiskriminierung vorzubeugen, sollte in der Praxis eine nach dem Kodex gemäß Ziff. 5.4.1 Abs. 2 festzulegende Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder nicht die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung unterschreiten.36) VI.
Unabhängiger Finanzexperte (§ 100 Abs. 5)
14 Bei Gesellschaften i. S. des § 264d HGB (kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft) muss mindestens ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied über Sachverstand alternativ auf einem der in § 100 Abs. 5 genannten Gebieten verfügen.37) Die Kriterien für die Unabhängigeit sind in § 100 Abs. 5 nicht definiert, so dass sich ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Die europäischen Vorgaben zur Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern38) sowie die in Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK enthaltenen Kriterien können hier als Auslegungs- bzw. Orientierungshilfe dienen. Nach Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK ist ein Aufsichtsratsmitglied insbesondere dann nicht als unabhängig anzusehen, wenn es in einer persönlichen oder geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einen mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann.39) 15 Der für den Finanzexperten erforderliche Sachverstand setzt voraus, dass das Aufsichtsratsmitglied beruflich mit Rechnungslegung oder Abschlussprüfung befasst ist oder war.40) Die Rechtsprechung folgt dem41) und verlangt als Voraussetzung für den erforderlichen Sachverstand, dass das betreffende Vorstandsmitglied fachlich in der Lage sein muss, die vom Vorstand gegebenen Informationen kritisch zu hinterfragen;42) es ist aber nicht erforderlich, dass der Finanzexperte seine Kenntnisse in Rechnungslegung oder Abschlussprüfung durch eine schwerpunktmäßige Tätigkeit in einem dieser Bereiche erlangt haben muss.43) VII. Rechtsfolgen bei Verstößen 16 Gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 führen Verstöße gegen § 100 Abs. 1 oder 2, die nicht vor Beginn der Amtszeit beseitigt werden, zur Nichtigkeit des Wahlbeschlusses der Hauptversammlung.44) Tritt nach Beginn der Amtszeit ein Hinderungsgrund nach § 100 Abs. 1
_____________ 35) Lutter, BB 2007, 725, 730; Redenius-Hövermann, ZIP 2010, 660, 663 f. 36) Der BGH hat i. R. einer Entscheidung zum Diskriminierungsschutz nach dem AGG für einen GmbH-Geschäftsführer ausdrücklich offengelassen, ob eine Altersgrenze für Organmitglieder auch unterhalb von 65 Jahren bestimmt werden darf, BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, Rz. 57, BGHZ 193, 110, 125 = ZIP 2012, 1291; s. hierzu auch Bauer/Arnold, NZG 2012, 921, 925; Lutter, BB 2007, 725, 730, geht ausdrücklich davon aus, dass eine entsprechend Ziff. 5.4.1 festgelegte Altersgrenze gegen das AGG verstoßen kann; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Rz. 978, empfehlen, dass die Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder (deutlich) höher als die für Vorstandsmitglieder sein sollte. 37) Ausführlich dazu Staake, ZIP 2010, 1013, 1014 ff.; Habersack, AG 2008, 98, 104 ff. 38) Empfehlung der Kommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52/51 (2005/162/EG); s. dazu Spindler, ZIP 2005, 2033, 2039 ff.; Roth, ZHR 175 (2011), 605, 628 f. 39) S. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1087. 40) Begr. des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, S. 102; s. dazu Habersack, AG 2008, 98, 104 ff. 41) OLG München, Beschl. v. 28.4.2010 – 23 U 5517/09, ZIP 2010, 1082, 1083. 42) Krit. zu dieser die präventive Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats vernachlässigenden Sicht: Scheffer, AG 2010, R 368. 43) OLG München, Hinw.-Beschl. v. 28.4.2010 – 23 U 5517/09, ZIP 2010, 1082, 1083 f.; LG München I, Urt. v. 5.11.2009 – 5 HKO 15312/09, ZIP 2010, 627. 44) Hüffer, AktG, § 100 Rz. 14; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rz. 42.
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Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 101
oder § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 ein, so erlischt die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat kraft Gesetzes. Das Fehlen von Satzungsanforderungen nach § 100 Abs. 4 führt zur Anfechtbarkeit der Wahl nach § 251 Abs. 1.45) Werden die Vorgaben des § 100 Abs. 5 zum unabhängigen Finanzexperten nicht beach- 17 tet, so führt dies nach der Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses.46) In der Literatur wird dies überwiegend abgelehnt und zutreffend damit begründet, dass § 100 Abs. 5 eine Anforderung für die Zusammensetzung des Organs enthält und keine persönliche Voraussetzung für Aufsichtsratsmitglieder, die daher auch nicht auf den einzelnen Wahlbeschluss durchschlägt.47) _____________ 45) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 100 Rz. 43; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 100 Rz. 53. 46) LG München I, Urt. v. 26.2.2010 – 5 HKO 14083/09, ZIP 2010, 2098, 2101; a. A. K. Schmidt/LutterDrygala, AktG, § 100 Rz. 62; ausführlich zu den Umsetzungsfragen und dem Anfechtungsrisiko: v. Falkenhausen/Kocher, ZIP 2009, 1601 ff. 47) Hüffer, AktG, § 100 Rz. 15; Gruber, NZG 2008, 12, 14; s. a. Staake, ZIP 2010, 1013, 1018.
§ 101 Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder (1) 1Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden von der Hauptversammlung gewählt, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz oder dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zu wählen sind. 2An Wahlvorschläge ist die Hauptversammlung nur gemäß §§ 6 und 8 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes gebunden. (2) 1Ein Recht, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, kann nur durch die Satzung und nur für bestimmte Aktionäre oder für die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien begründet werden. 2Inhabern bestimmter Aktien kann das Entsendungsrecht nur eingeräumt werden, wenn die Aktien auf Namen lauten und ihre Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist. 3Die Aktien der Entsendungsberechtigten gelten nicht als eine besondere Gattung. 4Die Entsendungsrechte können insgesamt höchstens für ein Drittel der sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergebenden Zahl der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre eingeräumt werden. (3) 1Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern können nicht bestellt werden. 2Jedoch kann für jedes Aufsichtsratsmitglied mit Ausnahme des weiteren Mitglieds, das nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird, ein Ersatzmitglied bestellt werden, das Mitglied des Aufsichtsrats wird, wenn das Aufsichtsratsmitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt. 3Das Ersatzmitglied kann nur gleichzeitig mit dem Aufsichtsratsmitglied bestellt werden. 4Auf seine Bestellung sowie die Nichtigkeit und Anfechtung seiner Bestellung sind die für das Aufsichtsratsmitglied geltenden Vorschriften anzuwenden. Literatur: Arnold/Gayk, Auswirkungen der fehlerhaften Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern – Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis, DB 2013, 1830; Dietz, Zulässigkeit einer Blockabstimmung der Hauptversammlung der AG, BB 2004, 452; Fuhrmann, Die Blockabstimmung in der Hauptversammlung, ZIP 2004, 2081; Linnerz, Unzulässige Blockwahl des Aufsichtsrats bei Antrag auf Einzelwahl eines in der Hauptversammlung anwesenden
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Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
Aktionärs, BB 2004, 963; Mutter, Plädoyer für die Listenwahl von Aufsichtsräten, AG 2004, 305; Ramm, Gegenantrag und Vorschlagsliste – Zur Gestaltung des aktienrechtlichen Verfahrens für die Wahlen zum Aufsichtsrat, NJW 1991, 2753; Roussos, Ziele und Grenzen bei der Bestellung von Ersatzmitgliedern des Aufsichtsrats, AG 1987, 239; Segna, Blockabstimmung und Bestellungshindernisse bei der Aufsichtsratswahl, DB 2004, 1135; Verse, Aktienrechtliche Entsendungsrechte am Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Kapitalverkehrsfreiheit, ZIP 2008, 1754; Vetter/van Laak, Die angefochtene Aufsichtsratswahl, ZIP 2008, 1806; von Werder/Wieczorek, Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder und ihre Nominierung, DB 2007, 297.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ........................................... 1 II. Wahl durch die Hauptversammlung (§ 101 Abs. 1) ................. 3 1. Tagesordnung der Hauptversammlung ...................................... 4 I.
2. Abstimmung in der Hauptversammlung ....................................... 5 III. Entsendung (§ 101 Abs. 2) ............... 8 IV. Ersatzmitglieder (§ 101 Abs. 3) ...... 10
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Die Norm regelt die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, und bezweckt die Verzahnung von Aktien und Mitbestimmungsrecht.1) Die Bestellung erfolgt nach § 101 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich durch die Hauptversammlung, sofern keine Entsendungsrechte nach § 101 Abs. 2 eingreifen oder die Arbeitnehmervertreter nach den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften gewählt werden.2) § 101 Abs. 2 enthält die Regularien für die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern. Ausgehend vom Verbot der Bestellung von Stellvertretern in § 101 Abs. 3 Satz 1 erlaubt § 101 Abs. 3 Satz 2 die Bestellung von Ersatzmitgliedern, die nachrücken, wenn ein Aufsichtsratsmitglied vorzeitig ausscheidet.3) Der Begriff der Bestellung wird als Oberbegriff sowohl für die Wahl, sei es durch die Hauptversammlung oder nach dem Mitbestimmungsrecht (siehe etwa § 9 MitbestG – Wahl durch Delegierte oder unmittelbar durch die Arbeitnehmer, § 5 Abs. 1 DrittelbG), als auch für die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern verwendet.4) 2 Die Wahl der Arbeitnehmervertreter wird außerhalb des AktG in den in § 101 Abs. 1 Satz 1 genannten Gesetzen geregelt,5) was zugleich aktienrechtlich anerkannt wird.6) II.
Wahl durch die Hauptversammlung (§ 101 Abs. 1)
3 Das AktG geht – vorbehaltlich der in § 101 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 genannten Ausnahme – vom Grundsatz der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung aus.7) Die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre werden von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit gewählt (§ 101 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 133), sofern die Satzung nicht eine qualifizierte Mehrheit vorsieht oder Erleichterungen nach § 133 Abs. 2 enthält.8) Die _____________ 1) 2) 3) 4) 5)
6) 7) 8)
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Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 1 f. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 101 Rz. 3. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 101 Rz. 1. Hüffer, AktG, § 101 Rz. 3; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 101 Rz. 14. S. dazu etwa Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl., Teil I MitbestG, Vorbem. vor § 9 MitbestG und Teil II DrittelbG, und die dort enthaltenen Kommentierungen der Arbeitnehmervertreter-Wahlen. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 2. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 13; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 7. BGH, Urt. v. 13.3.1980 – II ZR 54/ 78, BGHZ 76, 191, 193.
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Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 101
Aktionäre sind hierbei nicht an Wahlvorschläge gebunden; Ausnahmen bestehen nur nach den in § 101 Abs. 1 Satz 2 genannten Vorschriften. 1.
Tagesordnung der Hauptversammlung
Die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern ist als Gegenstand der Tagesordnung bekannt zu 4 machen. Hierbei ist nach § 124 Abs. 2 Satz 1 anzugeben, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt und ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. Der Aufsichtsrat hat der Hauptversammlung einen – nicht bindenden – Wahlvorschlag zu unterbreiten (§ 124 Abs. 3 Satz 1). Sofern der Aufsichtsrat auch aus Arbeitnehmervertretern zu bestehen hat, sind diese bei der Abstimmung über den Wahlvorschlag nicht stimmberechtigt (§ 124 Abs. 3 Satz 5). Bei börsennotierten Gesellschaften ist § 125 Abs. 1 Satz 5 zu beachten. 2.
Abstimmung in der Hauptversammlung
Der Leiter der Hauptversammlung bestimmt – sofern die Satzung hierzu keine Vorgaben 5 enthält – die Wahlmodalitäten, insbesondere die Abstimmungsreihenfolge. Ein Beschluss der Hauptversammlung, der eine bestimmte Abstimmungsreihenfolge festlegt, bindet den Leiter der Hauptversammlung.9) Wenn mehrere Aufsichtsratsmitglieder zu wählen sind, kann dies im Wege der Einzel- 6 wahl, aber auch als Block- oder Listenwahl erfolgen. In Ziff. 5.4.3 Satz 1 DCGK wird Einzelwahl empfohlen. Durch die Satzung kann der Leiter der Hauptversammlung zur Anordnung der Listenwahl ermächtigt werden; diese Satzungsregelung kann nicht durch einen Geschäftsordnungsantrag einzelner Aktionäre außer Kraft gesetzt werden.10) Den gegen die Zulässigkeit der Listenwahl bei Fehlen einer Satzungsregelung grundsätzlich erhobenen Bedenken11) kann nicht gefolgt werden.12) Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Listenwahl zulässig, wenn der Versammlungsleiter zuvor darauf hinweist, dass durch (mehrheitliche) Ablehnung der Beschlussvorlage eine Einzelabstimmung herbeigeführt werden kann und kein anwesender Aktionär Einwände gegen diese Verfahrensweise erhebt.13) Sofern ein anwesender Aktionär Einwände erhebt, ist streitig, ob der Versammlungsleiter dann sofort zur Einzelabstimmung übergehen muss,14) oder ob dies als Verfahrensantrag über die Durchführung der Einzelabstimmung zu werten ist, der zunächst – vor dem Sachantrag – zur Abstimmung zu stellen ist.15) Der zweiten Auffassung ist zu folgen, was schon daraus folgt, dass selbst im ausdrücklich geregelten Fall des § 120 Abs. 1 Satz 2 der bloße Widerspruch eines Aktionärs nicht genügt, um die Einzelentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 2) zu erzwingen.16) Noch weitergehend wird es teilweise als zulässig angesehen, dass der Versammlungsleiter unmittelbar über die Liste abstimmen lässt und dabei darauf hinweist, dass der Verfahrensantrag auf Einzelabstimmung bei Annahme des _____________ 9) Hüffer, AktG, § 101 Rz. 5; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 5. 10) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460, 465; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, ZIP 2007, 1463, 1464; s. a. Hüffer, AktG, § 101 Rz. 6. 11) Ramm, NJW 1991, 2753, 2754; s. dazu LG München I, Urt. v. 15.4.2004 – 5 HK O 10813/03, ZIP 2004, 853, 854; Fuhrmann, ZIP 2004, 2081, 2082 ff.; Mutter, AG 2004, 305. 12) S. Mutter, AG 2004, 305 f. 13) BGH, Urt. v. 21.7.2003 – II ZR 109/02, ZIP 2003, 1788, 1789; LG München I, Urt. v. 15.4.2004 – 5 HKO 10813/03, ZIP 2004, 853, 854; ausführlich dazu: Fuhrmann, ZIP 2004, 2081 ff. 14) So das Verständnis von Senga, DB 2004, 1135, 1137; Linnerz, BB 2004, 963, 964. 15) S. Dietz, BB 2004, 452, 455 (li. Sp.) und 457; Fuhrmann, ZIP 2004, 2081, 2085. 16) S. Mutter, AG 2004, 305; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 20.
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§ 101
Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder
Listenvorschlags inzident abgelehnt ist.17) Dies erscheint in Anbetracht des verbreiteten Verständnisses18) der vorstehend erwähnten Rechtsprechung des BGH unter Aspekten der Risikoabwägung als nicht ratsam. 7 Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds wird erst dann wirksam, wenn der Gewählte die Wahl annimmt.19) Die Annahme kann konkludent durch Aufnahme der Amtstätigkeit, aber auch schon vorab oder in der Hauptversammlung gegenüber dem Versammlungsleiter erklärt werden.20) Nach der Hauptversammlung kann die Annahme auch gegenüber dem Vorstand erklärt werden.21) Bis zur Annahme ist die Wahl schwebend unwirksam.22) III.
Entsendung (§ 101 Abs. 2)
8 Bei den in § 101 Abs. 2 Satz 2 vorgesehenen beiden Möglichkeiten für die Einräumung eines Entsendungsrechts durch die Satzung handelt es sich in der Alternative 1 um ein höchstpersönliches, nicht übertragbares Recht des namentlich benannten Aktionärs und in der Alternative 2 um ein übertragbares Inhaberentsendungsrecht.23) Ohne die Zustimmung des Berechtigten kann das Sonderrecht in beiden Alternativen nicht entzogen werden (§ 35 BGB). Ein Entsendungsrecht kann auch in einer mitbestimmten Gesellschaft durch satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss eingeführt werden.24) 9 Das Entsendungsrecht wird durch Erklärung des Entsendungsberechtigten gegenüber dem Vorstand ausgeübt, eine besondere Form ist hierfür nicht vorgeschrieben.25) Entsandte Aufsichtsratsmitglieder haben die gleichen Rechte und Pflichten wie gewählte Aufsichtsratsmitglieder, sie unterliegen insbesondere nicht den Weisungen des Entsendungsberechtigten.26) IV.
Ersatzmitglieder (§ 101 Abs. 3)
10 Zwar können gemäß § 101 Abs. 3 Satz 1 keine Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern bestellt werden, es kann jedoch nach § 101 Abs. 3 Satz 2 für ein Aufsichtsratsmitglied ein Ersatzmitglied bestellt werden. Hierbei ist anerkannt, dass ein Ersatzmitglied auch für mehrere bestimmte Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden kann, so dass es dann in den Aufsichtsrat nachrückt, wenn eines der bestimmten Aufsichtsratsmitglieder ausscheidet.27) Die bestimmten Aufsichtsratsmitglieder müssen derselben Gruppe (etwa gewählte oder entsandte Anteilseignervertreter) angehören, d. h. nach denselben Vorschriften gewählt werden.28) Das Ersatzmitglied wird nur dann Aufsichtsratsmitglied, wenn das Aufsichts-
_____________ 17) Hüffer, AktG, § 101 Rz. 6; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 20 (a. E.), sieht dies als „im Regelfall“ als zulässig an. 18) So das Verständnis von Senga, DB 2004, 1135, 1137; Linnerz, BB 2004, 963, 964. 19) BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, AG 1967, 233, 235; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 22. 20) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 22; Hüffer, AktG, § 101 Rz. 7. 21) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 22; Hüffer, AktG, § 101 Rz. 7. 22) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 20; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 61. 23) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 110; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 93 24) OLG Hamm, Urt. v. 31.3.2008 – 8 U 222/07 (ThyssenKrupp), ZIP 2008, 1530, 1532 f. 25) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 25. 26) BGH, Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306. 27) BGH, Urt. v. 15.2.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211 = ZIP 1987, 366, 367. 28) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 183; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 28.
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§ 102
Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder
ratsmitglied für das er bestellt wurde, vor Ablauf der Amtszeit ausscheidet.29) Eine Annahme ist hierfür nicht erforderlich, da das Ersatzmitglied schon durch die Annahme der Wahl antizipiert die Annahme des Amtes erklärt hat.30) Während seiner Amtszeit hat das Ersatzmitglied dieselbe Rechtsstellung wie die anderen Aufsichtsratsmitglieder.31) Bestimmt die Satzung nichts anderes, so richtet sich die Amtszeit des nachgerückten Ersatzmitglieds nach der des zu ersetzenden Aufsichtsratsmitglieds; die Höchstdauer ergibt sich aus § 102 Abs. 2.32) _____________ 29) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 193 und 205; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 30. 30) Hüffer, AktG, § 101 Rz. 13; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 30. 31) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 207; Hüffer, AktG, § 101 Rz. 12 a. E. 32) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 101 Rz. 197 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 30.
§ 102 Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder (1) 1Aufsichtsratsmitglieder können nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt. 2Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet. (2) Das Amt des Ersatzmitglieds erlischt spätestens mit Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds. Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ............................................ 1 II. Höchstdauer der Amtszeit (§ 102 Abs. 1) ..................................... 2 I.
III. Amtszeit der Ersatzmitglieder (§ 102 Abs. 2) ..................................... 7
Gegenstand und Zweck der Norm
§ 102 Abs. 1 legt die Höchstdauer der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder fest. Hierdurch 1 soll eine zu lange Bindung an ein Aufsichtsratsmitglied verhindert werden, ohne die Wiederwahl gesetzlich auszuschließen.1) Nach § 102 Abs. 2 hängt die Amtszeit eines Ersatzmitglieds von der des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds ab. § 102 Abs. 1 gilt für den ersten Aufsichtsrat (§ 30) nicht. Dessen Mitglieder können nicht länger als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt (§ 30 Abs. 3 Satz 1).2) Bei § 102 handelt es sich insofern um zwingendes Recht (§ 23 Abs. 5), als von der Höchstdauer nicht abgewichen werden kann.3) Für Arbeitnehmervertreter, die bei einer Sachgründung gemäß § 30 Abs. 3 bestellt werden, gilt § 30 Abs. 3 Satz 1 nicht (§ 31 Abs. 5).
_____________ 1) 2) 3)
Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 3; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 102 Rz. 2. Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 102 Rz. 1. Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 102 Rz. 1.
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§ 102 II.
Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder Höchstdauer der Amtszeit (§ 102 Abs. 1)
2 Durch § 102 Abs. 1 wird die Höchstdauer für die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied für die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder festgelegt, nicht für das Organ.4) Geht man bei der Berechnung der Höchstdauer davon aus, dass das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet wird, zählen die folgenden vier Geschäftsjahre und die Zeit bis zur Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr beschließt, hinzu; damit beträgt die Höchstdauer in der Regel etwa fünf Jahre.5) 3 Maßgeblich für die Berechnung des Beginns der Höchstdauer ist der Zeitpunkt des Beginns der Amtszeit (siehe dazu § 101 Rz. 7), nicht der Bestellung.6) 4 Im gesetzlichen Regelfall erlischt das Amt eines Aufsichtsratsmitglieds mit dem Ende der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt (§ 102 Abs. 1 Satz 1). Streitig ist, wann die Amtszeit endet, wenn nicht rechtzeitig über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder beschlossen wird.7) Teilweise wird angenommen, dass dann trotz des zwingenden Charakters des § 102 Abs. 1 die Stellung als Aufsichtsratsmitglied so lange bestehe, bis ein Beschluss über die Entlastung gefasst worden sei.8) Nach der Rechtsprechung des BGH endet die Amtszeit des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds spätestens in dem Zeitpunkt, in dem die Hauptversammlung über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr seit Amtsbeginn hätte beschließen müssen,9) mithin nach Ablauf von acht Monaten seit Ende des vierten Geschäftsjahres (§ 120 Abs. 1 Satz 1) nach Amtsbeginn.10) 5 Die Höchstdauer der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder kann durch die Satzung oder bei der Bestellung kürzer festgesetzt werden.11) Die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder können hierbei unterschiedlich behandelt werden.12) 6 Für die Arbeitnehmervertreter gelten nach den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften die Regelungen des § 102 und der Satzung.13) Enthält die Satzung keine Regelung, gilt die in § 102 Abs. 1 als Höchstdauer bestimmte Amtszeit auch für die Arbeitnehmervertreter.14) Die Hauptversammlung kann nicht eine Verkürzung ihrer Amtszeit beschließen.15) Bei unterschiedlicher Amtszeit werden die Arbeitnehmervertreter für die Dauer der längsten in der Satzung vorgesehenen Amtszeit gewählt.16) _____________ 4) Hüffer, AktG, § 102 Rz. 2; Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 8. 5) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 8; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 40. 6) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 9 und 30; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 39. 7) Ausführlich dazu: Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 11 f.; Hüffer, AktG, § 102 Rz. 3. 8) AG Essen, Urt. v. 4.6.1969 – HRB 400, MDR 1970, 336; Henn/Frodermann/Jannott-Wolff, Hdb. Aktienrecht, Rz. 8.48. 9) BGH, Urt. v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, ZIP 2002, 1619, 1620. 10) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 12; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 40; OLG München, Beschl. v. 9.11.2009 – 31 Wx 136/09, NZG 2009, 1430, 1431. 11) Hüffer, AktG, § 102 Rz. 4; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 41. 12) BGH, Urt. v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 215 = ZIP 1987, 367, 368. 13) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 102 Rz. 11; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 45. 14) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 102 Rz. 11; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 45. 15) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 102 Rz. 11; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 45. 16) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 59; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 102 Rz. 8.
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Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder III.
§ 103
Amtszeit der Ersatzmitglieder (§ 102 Abs. 2)
Nach § 102 Abs. 2 ist die Amtszeit des nachrückenden Ersatzmitglieds auf die Rest- 7 amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds begrenzt. Von der Regelung des § 102 Abs. 2 kann hinsichtlich der Höchstdauer nicht abgewichen werden.17) Allerdings kann innerhalb der Höchstdauer die Amtszeit abweichend geregelt werden (kürzere Amtszeit). Insbesondere kann festgelegt werden, dass die Amtszeit eines Ersatzmitglieds mit dem Ende der nächsten Hauptversammlung, in der eine Nachwahl stattfinden soll, endet.18) _____________ 17) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 51; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 14 Rz. 1035. 18) Hopt/Roth/Peddinghaus in: GroßKomm-AktG, § 102 Rz. 52; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 30.
§ 103 Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder (1) 1Aufsichtsratsmitglieder, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind, können von ihr vor Ablauf der Amtszeit abberufen werden. 2Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. 3Die Satzung kann eine andere Mehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen. (2) 1Ein Aufsichtsratsmitglied, das auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt ist, kann von dem Entsendungsberechtigten jederzeit abberufen und durch ein anderes ersetzt werden. 2Sind die in der Satzung bestimmten Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen, so kann die Hauptversammlung das entsandte Mitglied mit einfacher Stimmenmehrheit abberufen. (3) 1Das Gericht hat auf Antrag des Aufsichtsrats ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. 2Der Aufsichtsrat beschließt über die Antragstellung mit einfacher Mehrheit. 3Ist das Aufsichtsratsmitglied auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt worden, so können auch Aktionäre, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen, den Antrag stellen. 4Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (4) Für die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder, die weder von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählt worden sind noch auf Grund der Satzung in den Aufsichtsrat entsandt sind, gelten außer Absatz 3 das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz, das Mitbestimmungsergänzungsgesetz, das Drittelbeteiligungsgesetz, das SE-Beteiligungsgesetz und das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung. (5) Für die Abberufung eines Ersatzmitglieds gelten die Vorschriften über die Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds, für das es bestellt ist. Literatur: Decher, Loyalitätskonflikte der Repräsentanten der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat – Bemerkungen aus Anlaß des Falles HEW/Jansen, ZIP 1990, 277; Hoffmann/Kirchhoff, Zur Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern durch das Gericht nach § 103 Abs. 3 S. 1 AktG, in: Festschrift für Karl Beusch, 1993, S. 377; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Hüffer, Zur Wahl von Beratern des Großaktionärs in den Aufsichtsrat der Gesellschaft, ZIP 2010, 1979; Lutter, Defizite für eine effiziente Aufsichtsratstätigkeit und gesetzliche Möglichkeiten der Verbesserung, ZHR 159 (1995), 287; Rieble, Altersgrenze und Arbeitnehmermandat, Der Aufsichtsrat 2013, 92;
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§ 103
Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder
Singhof, Die Amtsniederlegung durch das Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft, AG 1998, 318; Wardenbach, Niederlegung des Aufsichtsratsmandats bei Interessenkollision, AG 1999, 74; Wirth, Anforderungsprofil und Inkompatibilitäten für Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 2005, 327.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ........................................... 1 II. Abberufung durch die Hauptversammlung (§ 103 Abs. 1) ............ 3 III. Rechtsfolgen der Abberufung ......... 9 IV. Abberufung entsandter Aufsichtsratsmitglieder (§ 103 Abs. 2) ................................... 10 V. Gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund (§ 103 Abs. 3) ... 12 I.
VI. Abberufung nach mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften (§ 103 Abs. 4) ................................... 14 VII. Ersatzmitglieder (§ 103 Abs. 5) .... 15 VIII. Sonstige Beendigung der Amtszeit ........................................... 16 IX. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) ............................... 18
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Die Norm enthält zusammenfassend die Regelungen über die vorzeitige Beendigung des Aufsichtsratsmandats gegen den Willen des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds kraft Ausübung eines Gestaltungsrechts (Abberufung).1) Die Amtsbeendigung wird nicht abschließend geregelt. Das Amt des Aufsichtsratsmitglieds kann auch noch aus anderen Gründen enden.2) In § 103 Abs. 1 wird die Abberufung durch die Hauptversammlung, in § 103 Abs. 2 und Abs. 5 die Abberufung eines entsandten Mitglieds bzw. eines Ersatzmitglieds sowie in § 103 Abs. 3 die gerichtliche Abberufung geregelt. Für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gelten nach § 103 Abs. 4 die mitbestimmungsrechtlichen Regelungen. Sie können aber auch aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 gerichtlich abberufen werden (siehe Rz. 12). 2 Durch die Norm soll dem jeweiligen Bestellungsberechtigten das Recht zur jederzeitigen und anlassunabhängigen Abberufung gewährt werden.3) II.
Abberufung durch die Hauptversammlung (§ 103 Abs. 1)
3 Nach § 103 Abs. 1 kann die Hauptversammlung4) die von ihr ohne Bindung an einen Wahlvorschlag (§ 101 Abs. 1 Satz 2) gewählten Aufsichtsratsmitglieder vorzeitig abberufen. Dies erfasst die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre sowie die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (§ 30).5) 4 Für den nach § 103 Abs. 1 Satz 2 erforderlichen Beschluss gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 121 ff., insbesondere das Bekanntmachungserfordernis des § 124 Abs. 4 Satz 1.6) Der Beschlussvorschlag bedarf entsprechend § 124 Abs. 3 Satz 5 nur der Stimmen der Anteilseignervertreter.7) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
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Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 103 Rz. 1. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 5; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 3. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 2; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 4. Hierbei handelt es sich um ihr ausschließliches Recht, das die Hauptversammlung nicht übertragen kann; s. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 11; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 10. S. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 8 – auch zum neutralen Mitglied nach dem MitbestG bzw. MitbestErgG; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 9. Habersack in: MünchKomm-AktG, AktG, § 103 Rz. 13; Hopt/Roth in: GroßKomm-AkG, § 103 Rz. 12. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 12; Hölters-Simons, AktG, § 103 Rz. 14.
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Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 103
Die Abberufung durch die Hauptversammlung erfordert keinen wichtigen oder sachlichen 5 Grund, sondern nur eine entsprechende Beschlussfassung mit der erforderlichen Mehrheit.8) Da die Aufsichtsratsmitglieder das Vertrauen der Hauptversammlung haben sollen, genügt der in der Abberufung zu sehende Vertrauensentzug für die Amtsbeendigung.9) Die Verweigerung der Entlastung genügt jedoch nicht.10) Der Abberufungsbeschluss bedarf nach § 103 Abs. 1 Satz 2 der Mehrheit von mindestens 6 drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Ein Stimmverbot nach § 136 Abs. 1 besteht für das betroffene Aufsichtsratsmitglied, das zugleich Aktionär ist, nicht.11) Nach § 103 Abs. 1 Satz 3 kann die Satzung (auch für amtierende Aufsichtsratsmitglieder) das 7 Mehrheitserfordernis des § 103 Abs. 1 Satz 2 verschärfen oder – bis hin zur einfachen Stimmenmehrheit – abmildern und auch auf Stimmen- oder Kapitalmehrheit abstellen.12) Durch die Satzung kann ein von der gesetzlichen Regelung (§ 103 Abs. 1 Satz 2) abweichendes Mehrheitserfordernis nur einheitlich für alle von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder angeordnet werden.13) Die Abberufung wird mit ihrem Zugang bei dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied 8 wirksam. Wenn das betroffene Aufsichtsratsmitglied in der Hauptversammlung anwesend ist, erfolgt der Zugang mit der Feststellung des Beschlussergebnisses.14) Ob gegenüber dem nicht in der Hauptversammlung anwesenden betroffenen Aufsichtsratsmitglied die Abberufung nur durch den Vorstand (§ 78)15) oder ob diese auch durch den Aufsichtsratsvorsitzenden erklärt werden kann,16) ist streitig.17) Aus Nachweis- und Vorsichtsgründen sollte die Abberufung durch den Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl in schriftlicher Form erklärt und auch vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnet werden. III.
Rechtsfolgen der Abberufung
Durch die wirksame Abberufung wird das Mandat beendet, alle damit verbundenen Rechte 9 und Pflichten enden, soweit sie nicht nachwirken (etwa Verschwiegenheitspflicht).18) Ein etwaiger Vergütungsanspruch gegenüber der Gesellschaft erlischt zwingend.19) Das ausscheidende Aufsichtsratsmitglied ist entsprechend § 667 BGB zur Herausgabe aller in seinem
_____________ 8) KG Berlin, Beschl. v. 3.12.2002 – 1 W 363/02, ZIP 2003, 1042, 1049; Kort in: EWiR § 103 AktG 1/97, 145 f. (OLG Düsseldorf): keine materielle Beschlusskontrolle des Beschlusses nach § 103 Abs. 1; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 12. 9) KG Berlin, Beschl. v. 3.12.2002 – 1 W 362/02, ZIP 2003, 1042, 1049; Hüffer, AktG, § 103 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 103 Rz. 3. 10) Hüffer, AktG, § 103 Rz. 3; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 2 Rz. 47. 11) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 103 Rz. 4; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 103 Rz. 4. 12) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 103 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 103 Rz. 47. 13) BGH, Urt. v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 (Heidelberger Zement), BGHZ 99, 211, 215 f. = ZIP 1987, 366, 368. 14) Hüffer, AktG, § 103 Rz. 5; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 19. 15) S. Hüffer, AktG, § 103 Rz. 5; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 19. 16) S. Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 103 Rz. 3; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 2 Rz. 47 a. E. 17) S. hierzu Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 19; nach Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 55 ist es „gleichgültig, durch wen und auf welchem Weg“ der Zugang erfolgt. 18) Hüffer, AktG, § 103 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 20. 19) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 21; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 103 Rz. 7.
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§ 103
Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder
Besitz befindlichen Unterlagen der Gesellschaft verpflichtet.20) Entsprechende Regelungen in der Satzung oder Geschäftsordnung sind zulässig.21) IV.
Abberufung entsandter Aufsichtsratsmitglieder (§ 103 Abs. 2)
10 Zur Abberufung entsandter Aufsichtsratsmitglieder ist grundsätzlich der Entsendungsberechtigte (§ 101 Abs. 1) jederzeit berechtigt (§ 103 Abs. 2 Satz 1). Ein sachlicher Grund ist nicht erforderlich; es genügt der Vertrauensentzug.22) 11 Die Hauptversammlung darf nach § 103 Abs. 2 Satz 2 ausnahmsweise ein entsandtes Aufsichtsratsmitglied mit einfacher Stimmenmehrheit abberufen, wenn die in der Satzung vorgesehenen Voraussetzungen des Entsendungsrechts weggefallen sind.23) V.
Gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund (§ 103 Abs. 3)
12 Nach § 103 Abs. 3 kann jedes Aufsichtsratsmitglied, gleichgültig, ob es ein gewählter oder entsandter Vertreter der Arbeitnehmer oder der Aktionäre ist, aber auch ein gerichtlich bestelltes Aufsichtsratsmitglied, gerichtlich aus wichtigem Grund abberufen werden.24) Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dessen weiteres Verbleiben bis zum Ablauf der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist.25) Die Abberufung ist als „ultima ratio“ nur bei groben Pflichtverletzungen gerechtfertigt. Dies ist anhand einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung des Interesses der Gesellschaft an einem funktionsfähigen Aufsichtsrat zu ermitteln.26) Hierfür ist ein Verschulden (oder gar eine Schädigungsabsicht) nicht erforderlich, es kann aber bei der Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung relevant sein; fahrlässiges Verhalten (etwa einmalige „fahrlässige“ Verletzung der Verschwiegenheitspflicht) kann nur bei wiederholtem Verstoß eine gerichtliche Abberufung begründen.27) Es kann die bewusste Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung durch ein Aufsichtsratsmitglied28) oder die (wiederholte) Anmaßung von Kontrollbefugnissen, die dem Aufsichtsrat als Organ zustehen, durch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied29) ein wichtiger Grund für die gerichtliche Abberufung sein. Teilweise wird in der Literatur ein wichtiger Grund auch im Falle der Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds für ein Konkurrenzunternehmen angenommen.30) Diese Auffassung hat sich in der Rechtsprechung und Literatur
_____________ 20) BGH, Hinw.-Beschl. v. 7.7.2008 – II ZR 71/07, ZIP 2008, 1821, 1822. 21) BGH, Hinw.-Beschl. v. 7.7.2008 – II ZR 71/07, ZIP 2008, 1821, 1822; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.3.2007 – I – 6 U 119/06, ZIP 2007, 1608, 1609. 22) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 29; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 23. 23) Ausführlich dazu K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 103 Rz. 11; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 40. 24) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 46; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 58. 25) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.10.2007 – 20 W 141/07, ZIP 2008, 1382, 1383; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.11.2006 – 8 W 388/06, AG 2007, 218, 219. 26) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.10.2007 – 20 W 141/07, ZIP 2008, 1382, 1383. 27) AG München, Beschl. v. 2.5.1985 – HRB 2211, ZIP 1985, 1139, 1140; so wohl auch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.10.2007 – 20 W 141/07, ZIP 2008, 1382, 1383; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 59. 28) OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.11.2006 – 8 W 388/06, AG 2007, 218, 219. 29) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 1.10.2007 – 20 W 141/07, ZIP 2008, 1382, 1383 f. 30) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 1 Rz. 21 ff. (bei einer Konkurrenzsituation in zentralen Tätigkeitsbereichen); Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 303; s. a. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 103 Rz. 17.
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Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 103
nicht durchgesetzt.31) Sie ist abzulehnen, weil im AktG für Aufsichtsratsmitglieder kein Wettbewerbsverbot vorgesehen ist (siehe auch § 105 Abs. 2 Satz 4).32) Die gerichtliche Abberufung erfordert einen Antrag. Antragsberechtigt ist nach § 103 13 Abs. 3 Satz 1 ausschließlich der Aufsichtsrat, eine Übertragung auf einen Ausschuss ist nicht zulässig.33) Nach § 103 Abs. 3 Satz 2 bedarf der Beschluss des Aufsichtsrats über den Antrag zwingend der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das betroffene Aufsichtsratsmitglied unterliegt entsprechend § 34 BGB einem Stimmverbot (Verbot des Richtens in eigener Sache).34) Zuständig für das gerichtliche Abberufungsverfahren ist das AG am Sitz der Gesellschaft, § 14 i. V. m. § 375 Nr. 3 FamFG. VI.
Abberufung nach mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften (§ 103 Abs. 4)
Nach § 103 Abs. 4 gelten für die Abberufung von Arbeitnehmervertretern (einschließlich 14 des weiteren Mitglieds nach dem Montan-MitbestG) die speziellen mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften (§ 23 MitbestG, § 11 Montan-MitbestG, § 10m MontanMitbestErgG, § 12 DrittelbG, § 26 Abs. 1 MgVG). Diese Aufsichtsratsmitglieder können nur gemäß § 103 Abs. 3 oder nach den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften abberufen werden.35) VII. Ersatzmitglieder (§ 103 Abs. 5) Da § 103 Abs. 1 bis 4 für nachgerückte Ersatzmitglieder ohnehin gelten, bezieht sich § 103 15 Abs. 5 auf die Abberufung vor dem Nachrücken in den Aufsichtsrat.36) Ersatzmitglieder können gemäß § 103 Abs. 4 nach den Regelungen abberufen werden, die für das Aufsichtsratsmitglied gelten, für das es als Ersatzmitglied bestellt ist. VIII. Sonstige Beendigung der Amtszeit Da § 103 insoweit nicht abschließend ist, kann die Amtszeit eines Aufsichtsratsmitglieds 16 auch aus sonstigen Gründen enden. Hier sind persönliche Gründe, wie etwa das Versterben des Aufsichtsratsmitglieds, die erfolgreiche Wahlanfechtung (§ 251), der Eintritt der in § 100 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 genannten Ausschlussgründe und der Verlust von Wählbarkeitsvoraussetzungen bei Arbeitnehmervertretern (§§ 24 Abs. 1, 7 Abs. 2 MitbestG)37) sowie aus den Verhältnissen der Gesellschaft resultierende Gründe, etwa die Durch-
_____________ 31) OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, ZIP 2004, 1143, 1144; Hüffer, ZIP 2010, 1979, 1983 m. w. N. 32) S. OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, ZIP 2004, 1143, 1144; Hüffer, ZIP 2010, 1979, 1983 m. w. N.; Wirth, ZGR 2005, 327, 343 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 3; Hüffer, AktG, § 103 Rz. 13a f. 33) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 58; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 47. 34) BayObLG, Beschl. v. 28.3.2003 – 3 Z BR 199/02, ZIP 2003, 1194, 1196; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2007 – 20 U 14/06, AG 2007, 873, 876; so auch überwiegend die Lit.: Hopt/Roth in: GroßKommAktG, § 103 Rz. 49; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 58; a. A.: Hoffmann/ Kirchhoff in: FS Beusch, S. 377, 380. 35) Ausführlich dazu: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 51 ff.; Hölters-Simons, AktG, § 103 Rz. 42 ff. 36) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 103 Rz. 81; Hüffer, AktG, § 103 Rz. 15. 37) Erfasst werden die unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitglieder, für die von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder gelten nur die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, s. Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl., § 24 Rz. 4; zu den Voraussetzungen und Grenzen einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit Blick auf die daraus resultierende Nichtbeendigung des Aufsichtsratsmandats: Rieble, Der Aufsichtsrat 2013, 92 ff.
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§ 104
Bestellung durch das Gericht
führung eines Statusverfahrens, Vollbeendigung, Verschmelzung und Formwechsel zu nennen.38) 17 Die gesetzlich nicht geregelte Amtsniederlegung ist auch ohne wichtigen Grund zulässig, sofern sie nicht zur Unzeit erfolgt.39) Sie ist als empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vorstand40) oder der Hauptversammlung41) abzugeben. Wird sie gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden42) erklärt, so wird sie erst wirksam, wenn die Niederlegungserklärung dem Vorstand weitergeleitet wurde und sie damit zugegangen ist.43) Durch die Satzung kann die Form und der Empfänger der Niederlegungserklärung geregelt werden.44) IX.
Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK)
18 Der DCGK enthält in Ziff. 5.5.3 Satz 2 eine Empfehlung, wonach wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds zur Beendigung des Mandats führen sollen. Dies ist nicht als Empfehlung zur Art und Weise oder zum Zeitpunkt der Mandatsbeendigung zu verstehen,45) mag aber als Orientierungsleitlinie hilfreich sein. _____________ 38) Hüffer, AktG, § 103 Rz. 16; Singhof, AG 1998, 318, 319 f.; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 2 Rz. 56. 39) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 51; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 2 Rz. 51. 40) S. Hüffer, AktG, § 103 Rz. 17; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 52; Singhof, AG 1998, 318, 326. 41) S. für die Amtsniederlegung eines von der Hauptversammlung gewählten Mitglieds: Semler/v. SchenckWagner, ArbHdb. AR, § 2 Rz. 54; Singhof, AG 1998, 318, 326. 42) S. Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 103 Rz. 18, a. A.: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 61. 43) Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 2 Rz. 54; Hüffer, AktG, § 103 Rz. 17. 44) AG Flensburg, Urt. v. 7.4.2004 – 6 O 17/03, AG 2004, 623, 624; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 103 Rz. 62; Singhof, AG 1998, 318, 325. 45) Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Rz. 1116.
§ 104 Bestellung durch das Gericht (1) 1Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an, so hat ihn das Gericht auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs auf diese Zahl zu ergänzen. 2Der Vorstand ist verpflichtet, den Antrag unverzüglich zu stellen, es sei denn, daß die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist. 3Hat der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so können auch den Antrag stellen 1. der Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernbetriebsrat, 2. der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss der Gesellschaft oder, wenn in der Gesellschaft nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss sowie, wenn die Gesellschaft herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist, der Konzernsprecherausschuss,
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§ 104
Bestellung durch das Gericht
3. der Gesamtbetriebsrat eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Betriebsrat besteht, der Betriebsrat, 4. der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss eines anderen Unternehmens, dessen Arbeitnehmer selbst oder durch Delegierte an der Wahl teilnehmen, oder, wenn in dem anderen Unternehmen nur ein Sprecherausschuss besteht, der Sprecherausschuss, 5. mindestens ein Zehntel oder einhundert der Arbeitnehmer, die selbst oder durch Delegierte an der Wahl teilnehmen, 6. Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, die das Recht haben, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer vorzuschlagen, 7. Gewerkschaften, die das Recht haben, Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer vorzuschlagen. 4
Hat der Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so sind außer den nach Satz 3 Antragsberechtigten auch je ein Zehntel der wahlberechtigten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Mitbestimmungsgesetzes bezeichneten Arbeitnehmer oder der wahlberechtigten leitenden Angestellten im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes antragsberechtigt. 5Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (2) 1Gehören dem Aufsichtsrat länger als drei Monate weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl an, so hat ihn das Gericht auf Antrag auf diese Zahl zu ergänzen. 2In dringenden Fällen hat das Gericht auf Antrag den Aufsichtsrat auch vor Ablauf der Frist zu ergänzen. 3Das Antragsrecht bestimmt sich nach Absatz 1. 4Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (3)Absatz 2 ist auf einen Aufsichtsrat, in dem die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz haben, mit der Maßgabe anzuwenden, 1. daß das Gericht den Aufsichtsrat hinsichtlich des weiteren Mitglieds, das nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird, nicht ergänzen kann, 2. daß es stets ein dringender Fall ist, wenn dem Aufsichtsrat, abgesehen von dem in Nummer 1 genannten weiteren Mitglied, nicht alle Mitglieder angehören, aus denen er nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat. (4) 1Hat der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so hat das Gericht ihn so zu ergänzen, daß das für seine Zusammensetzung maßgebende zahlenmäßige Verhältnis hergestellt wird. 2Wenn der Aufsichtsrat zur Herstellung seiner Beschlußfähigkeit ergänzt wird, gilt dies nur, soweit die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder die Wahrung dieses Verhältnisses möglich macht. 3Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, das nach Gesetz oder Satzung in persönlicher Hinsicht besonderen Voraussetzungen entsprechen muß, so muß auch das vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglied diesen Voraussetzungen entsprechen. 4 Ist ein Aufsichtsratsmitglied zu ersetzen, bei dessen Wahl eine Spitzenorganisation der Gewerkschaften, eine Gewerkschaft oder die Betriebsräte ein Vorschlagsrecht hätten, so soll das Gericht Vorschläge dieser Stellen berücksichtigen, soweit nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit der Bestellung des Vorgeschlagenen entgegenstehen; das gleiche gilt, wenn das Aufsichtsratsmitglied durch
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§ 104
Bestellung durch das Gericht
Delegierte zu wählen wäre, für gemeinsame Vorschläge der Betriebsräte der Unternehmen, in denen Delegierte zu wählen sind. (5) Das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds erlischt in jedem Fall, sobald der Mangel behoben ist. (6) 1Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied hat Anspruch auf Ersatz angemessener barer Auslagen und, wenn den Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft eine Vergütung gewährt wird, auf Vergütung für seine Tätigkeit. 2Auf Antrag des Aufsichtsratsmitglieds setzt das Gericht die Auslagen und die Vergütung fest. 3Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. 4Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozeßordnung statt. Literatur: Fett/Theusinger, Die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern – Einsatzmöglichkeiten und Fallstricke, AG 2010, 425; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Jänig/Leißring, FamFG: Neues Verfahren für Streitigkeiten in AG und GmbH, ZIP 2010, 110; Lutter/Kirschbaum, Zum Wettbewerber im Aufsichtsrat, ZIP 2005, 103; Niewarra/Servatius, Die gerichtliche Ersatzbestellung im Aufsichtsrat, in: Festschrift für Johannes Semler, 1993, S. 217; Schnittker/Grau, Aufsichtsratswahlen und Ersatzbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern im Wechsel des Mitbestimmungsmodells, NZG 2007, 486; Wirth, Anforderungsprofil und Inkompatibilitäten für Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 2005, 327.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ........................................... 1 II. Ergänzung zur Behebung der Beschlussunfähigkeit (§ 104 Abs. 1) ..................................... 2 III. Ergänzung des unterbesetzten Aufsichtsrats (§ 104 Abs. 2 und Abs. 3) ................. 6 IV. Beschränkungen der gerichtlichen Auswahl (§ 104 Abs. 4) ....... 10
I.
1. Berücksichtigung der Gruppenverhältnisse (§ 104 Abs. 4 Satz 1 und 2) .............. 11 2. Besondere persönliche Voraussetzungen (§ 104 Abs. 4 Satz 3) ........... 12 3. Beachtung von Vorschlagsrechten (§ 104 Abs. 4 Satz 4) ........................ 13 V. Ende des Amts gerichtlich bestellter Aufsichtsratsmitglieder (§ 104 Abs. 5) ...................... 14 VI. Auslagenersatz und Vergütung (§ 104 Abs. 6) ................................... 15
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Die Norm enthält die Regelungen für die Ergänzung des nicht beschlussfähigen (§ 104 Abs. 1) und des unterbesetzten (§ 104 Abs. 2) Aufsichtsrats. § 104 Abs. 3 und Abs. 4 enthalten die zu beachtenden mitbestimmungsrechtlichen Besonderheiten, § 104 Abs. 5 und Abs. 6 regeln die Amtsdauer und Rechte gerichtlich bestellter Aufsichtsratsmitglieder. Auch im Insolvenzverfahren können § 104 Abs. 1 und Abs. 2 zur Anwendung kommen.1) Die Norm bezweckt, die Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats zu gewährleisten.2) Es soll die Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats sichergestellt werden, sofern der Aufsichtsrat notwendiges Organ ist. Eine Anwendung auf Gesellschaften mit lediglich fakultativem Aufsichtsrat (GmbH) kommt nicht in Betracht.3) _____________ 1) 2) 3)
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KG Berlin, Beschl. v. 4.8.2005 – 1 W 397/03, ZIP 2005, 1553, 1555; OLG Dresden, Beschl. v. 10.8.2005 – 2 U 290/05, ZIP 2005, 1845, 1846. VerfGH Bayern, Beschl. v. 24.8.2005 – Vf. 80-VI-04, AG 2006, 209, 210; OLG Hamm, Beschl. v. 16.12.2010 – 15 W 538/10, ZIP 2011, 372, 374. OLG Hamm, Beschl. v. 20.1.2000 – 15 W 46/00, AG 2000, 476, 477; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 4; Hüffer, AktG, § 104 Rz. 3.
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§ 104
Bestellung durch das Gericht II.
Ergänzung zur Behebung der Beschlussunfähigkeit (§ 104 Abs. 1)
Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 erfolgt die gerichtliche Bestellung, wenn dem Aufsichtsrat nicht 2 die zur Beschlussfähigkeit erforderliche Zahl von Mitgliedern angehört. Voraussetzung für die gerichtliche Ergänzung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 ist die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats; diese ist nach § 108 Abs. 2 zu beurteilen. Der Vorstand ist berechtigt und nach § 104 Abs. 1 Satz 2 auch verpflichtet einen Ergänzungsantrag zu stellen, wenn die rechtzeitige Ergänzung nicht vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist.4) Der Antrag ist unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) nach Eintritt der Beschlussfähigkeit zu stellen.5) Antragsberechtigt sind neben dem Vorstand auch jedes Aufsichtsratsmitglied und jeder 3 Aktionär (§ 104 Abs. 1 Satz 1) sowie bei mitbestimmten Gesellschaften die in § 104 Abs. 1 Satz 3 Genannten; durch § 104 Abs. 1 Satz 4 wird die Antragsberechtigung im Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes nochmals erweitert. Die Vorstandsmitglieder müssen in vertretungsberechtigter Zahl handeln; ein Vorstandsmitglied kann den Antrag auch gemeinsam mit einem Prokuristen stellen, wenn die Satzung unechte Gesamtvertretung vorsieht (§ 78 Abs. 3).6) Stellen die Arbeitnehmervertreter den Antrag, so sind sie auch zur Kostentragung verpflichtet.7) Der DCGK enthält die Empfehlung (Ziff. 5.4.3 Satz 2), dass der Antrag auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner bis zur nächsten Hauptversammlung befristet sein soll. Das Gericht wählt das Aufsichtsratsmitglied grundsätzlich ohne Bindung an den Antrag 4 nach pflichtgemäßem Ermessen aus.8) Nach der Rechtsprechung steht es der gerichtlichen Bestellung nach § 104 Abs. 2 nicht grundsätzlich entgegen, wenn der vorgeschlagene Kandidat zugleich Vorstandsmitglied eines konkurrierenden Unternehmens ist.9) Das OLG Hamm hält es aber für unbedenklich, wenn das Gericht sich bei seiner Ermessensausübung davon leiten lässt, dass die Bestellung einer neutralen Person zum Aufsichtsratsmitglied als sinnvoll erachtet wird. Hierbei sollen auch die Unabhängigkeitskriterien nach Ziff. 5.4.2 DCGK herangezogen werden können.10) Das Verfahren zur Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 104 ist ein Verfahren der 5 freiwilligen Gerichtsbarkeit (unternehmensrechtliches Verfahren nach §§ 375 Nr. 3, 376 f. FamFG).11) Als Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 4 AktG die Beschwerde statthaft.12)
_____________ 4) Hüffer, AktG, § 104 Rz. 3; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 14. 5) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 14; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 104 Rz. 30. 6) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 16; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 104 Rz. 28; Hüffer, AktG, § 104 Rz. 3. 7) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.2.1994 – 10 W 1/94, AG 1994, 424. 8) OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.2013 – I-27 W 35/13, ZIP 2013, 2008 f.; OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, ZIP 2004, 1143; AG Berlin-Charlottenburg, Beschl. v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133, insbesondere zur Berücksichtigung der hypothetischen Bestellung durch das primär zuständige Gremium. 9) OLG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, ZIP 2004, 1143, 1144; krit. hierzu: Lutter/ Kirschbaum, ZIP 2005, 103, 104 f.; a. A. Hüffer, AktG, § 104 Rz. 5; ausführlich zum Ganzen: Wirth, ZGR 2005, 327, 343 ff. 10) OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.2013 – I-27 W 35/13, ZIP 2013, 2008, 2009 (obwohl das OLG auch ausdrücklich annimmt, dass der DCGK die Gerichte nicht bindet). 11) OLG Hamm, Beschl. v. 16.12.2010 – 15 W 538/10, ZIP 2011, 372, 373; Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110, 111. 12) OLG Hamm, Beschl. v. 16.12.2010 – 15 W 538/10, ZIP 2011, 372, 373; Jänig/Leißring, ZIP 2010, 110, 117 und 119.
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§ 104 III.
Bestellung durch das Gericht Ergänzung des unterbesetzten Aufsichtsrats (§ 104 Abs. 2 und Abs. 3)
6 In nicht mitbestimmten Gesellschaften kann der Aufsichtsrat gerichtlich ergänzt werden, wenn die durch Gesetz oder Satzung festgelegte Mitgliederzahl länger als drei Monate unterschritten wird (§ 104 Abs. 2 Satz 1) oder ein dringender Fall vorliegt (§ 104 Abs. 2 Satz 2). Nach der Rechtsprechung scheidet eine vorsorgliche gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds, dessen Wahl durch die Hauptversammlung durch Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen angefochten wurde, in analoger Anwendung dieser Vorschrift mangels planwidriger Regelungslücke aus.13) 7 Sofern der Aufsichtsrat nach den in § 104 Abs. 3 genannten Mitbestimmungsgesetzen (nicht nach dem DrittelbG) quasi paritätisch zusammengesetzt ist, liegt bei Unterbesetzung stets ein dringender Fall vor (§ 104 Abs. 3 Nr. 2). Hierbei ist das weitere Mitglied ausgenommen. Das weitere Mitglied kann nicht gerichtlich bestellt werden (§ 104 Abs. 3 Nr. 1). 8 Die Antragsberechtigung für den erforderlichen Antrag ergibt sich aus § 104 Abs. 1, es besteht aber keine Verpflichtung zur Antragstellung.14) 9 Dringende Fälle nach § 104 Abs. 2 Satz 2 liegen dann vor, wenn Entscheidungen anstehen, die für den Bestand oder die Struktur der Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung sind;15) auch andere wesentliche Entscheidungen (Bestellung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern) fallen hierunter, wenn nach der konkreten Zusammensetzung des Aufsichtsrats einseitige Durchsetzungschancen einer Interessengruppe bestehen oder bloße Zufallsergebnisse zu erwarten sind.16) IV.
Beschränkungen der gerichtlichen Auswahl (§ 104 Abs. 4)
10 Über die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern entscheidet das Gericht grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen ohne Bindung an Anträge; es sind aber die sich aus § 104 Abs. 4 ergebenden Beschränkungen zu beachten.17) 1.
Berücksichtigung der Gruppenverhältnisse (§ 104 Abs. 4 Satz 1 und 2)
11 Die Einschränkungen des § 104 Abs. 4 Satz 1 und 2 sind zu beachten, wenn der Aufsichtsrat auch aus Arbeitnehmervertretern zu bestehen hat. Der Aufsichtsrat ist dann so zu ergänzen, dass das für seine Zusammensetzung vorgesehene zahlenmäßige Verhältnis hergestellt wird (§ 104 Abs. 4 Satz 1). Sofern der Aufsichtsrat zur Herstellung der Beschlussfähigkeit ergänzt wird, gilt dies grundsätzlich ebenfalls. Hier sind jedoch Fälle denkbar, in denen das zahlenmäßige Verhältnis nicht hergestellt werden kann (etwa wenn nur ein Aufsichtsratsmitglied zu bestellen ist). Innerhalb von § 104 Abs. 4 geht dann Satz 2 dem Satz 1 mit dem Ergebnis vor, dass ein Mitglied der benachteiligten Seite zu bestellen ist.18)
_____________ 13) OLG Köln, Beschl. v. 23.3.2011 – 2 Wx 41/11, ZIP 2011, 522. 14) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 30 Rz. 36; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 24 und 30. 15) AG Wuppertal, Beschl. v. 23.11.1970 – HRB 2057, DB 1971, 764; BayVerfGH, Entsch. v. 24.8.2005 – Vf. 80/VI-04, AG 2006, 209, 210; ausführlich dazu: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 27; HöltersSimons, AktG, § 104 Rz. 14 ff. 16) Hüffer, AktG, § 104 Rz. 7; a. A. Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 104 Rz. 30. 17) OLG Hamm, Beschl. v. 28.5.2013 – I-27 W 35/13, ZIP 2013, 2008, 2009; BayObLG, Beschl. v. 20.8.1997 – 3Z BR 193/97, ZIP 1997, 1883, 1884. 18) Hüffer, AktG, § 104 Rz. 9; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 32.
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Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat 2.
§ 105
Besondere persönliche Voraussetzungen (§ 104 Abs. 4 Satz 3)
Über nach Gesetz oder Satzung erforderliche besondere Voraussetzungen muss auch 12 das gerichtlich zu bestellende Aufsichtsratsmitglied verfügen. Hier sind insbesondere die Wählbarkeitsvoraussetzungen für Arbeitnehmervertreter zu nennen (§§ 7 Abs. 2, 15 Abs. 1 MitbestG).19) Die Qualifikationen als unabhängiger Finanzexperte nach § 100 Abs. 520) oder entsprechend den Empfehlungen des DCGK21) zählen nicht zu den Voraussetzungen i. S. des § 104 Abs. 4 Satz 3. 3.
Beachtung von Vorschlagsrechten (§ 104 Abs. 4 Satz 4)
Vom Gericht sind die in § 104 Abs. 4 Satz 4 genannten Vorschlagsrechte zu beachten, sofern 13 nicht überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit entgegenstehen.22) V.
Ende des Amts gerichtlich bestellter Aufsichtsratsmitglieder (§ 104 Abs. 5)
Das Amt eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds endet automatisch, wenn der 14 Mangel behoben ist (§ 104 Abs. 5), etwa wenn die Hauptversammlung ein neues Mitglied gewählt und dieses die Wahl angenommen hat.23) Eines weiteren gerichtlichen Aktes (etwa Abberufung) bedarf es dann nicht mehr.24) Die gerichtliche Bestellung endet kraft Gesetzes, sobald der Aufsichtsrat wieder beschlussfähig ist (§ 104 Abs. 1) oder die Unterbesetzung entfallen ist (§ 104 Abs. 2). VI.
Auslagenersatz und Vergütung (§ 104 Abs. 6)
Nach § 104 Abs. 6 Satz 1 hat das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied jedenfalls gegen 15 die Gesellschaft Anspruch auf Ersatz angemessener Auslagen und auch auf angemessene Vergütung.25) Hierüber kann das Gericht auf Antrag entscheiden (§ 104 Abs. 6 Satz 2).26) _____________ 19) Ausführlich dazu: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 33; Hölters-Simons, AktG, § 104 Rz. 28. 20) Hölters-Simons, AktG, § 104 Rz. 28; a. A. Fett/Theusinger, AG 2010, 425, 432. 21) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 33 und § 100 Rz. 11 f. sowie 51 ff., Hölters-Simons, AktG, § 104 Rz. 28. 22) BayObLG, Beschl. v. 20.8.1997 – 3Z BR 193/97, ZIP 1997, 1883, 1884; OLG München, Beschl. v. 12.7.2006 – 31 Wx 47/06, ZIP 2006, 1770, 1771. 23) OLG München, Beschl. v. 12.7.2006 – 31 Wx 47/06, ZIP 2006, 1770, 1771. 24) BayObLG, Beschl. v. 9.7.2004 – 3 Z BR 099/04, ZIP 2004, 2190, 2191. 25) Hölters-Simons, AktG, § 104 Rz. 36 ff.; Hüffer, AktG, § 104 Rz. 14. 26) Ausführlich hierzu: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 104 Rz. 54 ff.; Hölters-Simons, AktG, § 104, Rz. 37.
§ 105 Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat (1) Ein Aufsichtsratsmitglied kann nicht zugleich Vorstandsmitglied, dauernd Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern, Prokurist oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sein. (2) 1Nur für einen im voraus begrenzten Zeitraum, höchstens für ein Jahr, kann der Aufsichtsrat einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern von fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitgliedern bestellen. 2Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit ist zulässig, wenn dadurch die Amtszeit insgesamt ein Jahr nicht Werner Paul Schick
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§ 105
Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat
übersteigt. 3Während ihrer Amtszeit als Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern können die Aufsichtsratsmitglieder keine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ausüben. 4 Das Wettbewerbsverbot des § 88 gilt für sie nicht. Literatur: Heidbüchel, Das Aufsichtsratsmitglied als Vorstandsvertreter, WM 2004, 1317; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Lange, Der Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat, NZG 2004, 265; Wirth, Anforderungsprofil und Inkompatibilitäten für Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 2005, 327.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. 1 II. Inkompatibilität von Vorstandsund Aufsichtsratsmandat ................ 3 III. Rechtsfolgen von Verstößen ........... 6 I.
IV. Vertretung eines Vorstandsmitglieds durch ein Aufsichtsratsmitglied (§ 105 Abs. 2) ...................... 7 V. Rechtsstellung des Stellvertreters .................................... 9
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Durch die in § 105 Abs. 1 vorgesehene Unvereinbarkeit des Aufsichtsratsmandats mit der Vorstandsmitgliedschaft und bestimmter leitender Positionen (Prokurist gemäß §§ 48 f. HGB oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter gemäß § 54 Abs. 1 Alt. 1 HGB) der Gesellschaft wird die Funktionstrennung von Vorstand und Aufsichtsrat personell abgesichert.1) 2 § 105 Abs. 2 lässt es als Ausnahmefall zu, dass Aufsichtsratsmitglieder für einen begrenzten Zeitraum zu Stellvertretern von Mitgliedern und auch des Vorsitzenden des Vorstands bestellt werden. Hierdurch soll die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats insoweit geschützt werden, als die vorübergehende Besetzung einer Vakanz durch ein Aufsichtsratsmitglied ermöglicht und eine überstürzte Neubesetzung unterbleiben kann.2) II.
Inkompatibilität von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat
3 Die gleichzeitige Mitgliedschaft in Vorstand und Aufsichtsrat ist unzulässig.3) Unzulässig ist auch die gleichzeitige Ausübung des Aufsichtsratsmandats sowie die Tätigkeit als Prokurist oder als zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft. Die Beschränkung der Unvereinbarkeit auf Vorstandsmitglieder, Prokuristen und Bevollmächtigte mit Generalhandlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 Alt. 1 HGB dient der Rechtsklarheit.4) Angestellte der Gesellschaft, die andere als die in § 105 Abs. 1 ausdrücklich genannten Funktionen ausüben, können Mitglieder des Aufsichtsrats sein. § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG enthält für dem MitbestG unterliegende Gesellschaften eine Ausnahme; abweichend von § 105 Abs. 1 sind auch Prokuristen als Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer wählbar, wenn sie dem Vorstand nicht unmittelbar unterstellt sind und die Prokura nicht für den gesamten Geschäftsbereich des Vorstands ausüben dürfen.5) 4 Die Unvereinbarkeitsregel des § 105 Abs. 1 gilt nur für die gleichzeitige Tätigkeit in Vorstand und Aufsichtsrat. Nicht erfasst wird die aufeinander folgende Mitgliedschaft in Vorstand und Aufsichtsrat. § 105 Abs. 1 ist auf den Wechsel vom Vorstand in den Auf_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
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Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 1. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 2; Hölters-Simons, AktG, § 105 Rz. 1. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 19; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 9. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 30 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 6. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 16; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 38.
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Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zum Vorstand und zum Aufsichtsrat
§ 105
sichtsrat derselben Gesellschaft nicht analog anzuwenden.6) Bei börsennotierten Gesellschaften (§ 3 Abs. 2) ist aber die Karenzzeit nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 zu beachten (siehe dazu § 100 Rz. 9 f.). Der DCGK enthält hierzu für börsennotierte Gesellschaften in Ziff. 5.4.2 Satz 3 und Ziff. 5.4.4 Satz 2 weiter einschränkende Empfehlungen.7) Aus § 105 Abs. 1 folgt kein Verbot von Doppelmandaten im Konzern.8) Die Unverein- 5 barkeitsregel gilt nur innerhalb derselben Gesellschaft.9) Vorstandsmitglieder der die Gesellschaft beherrschenden Gesellschaft können dem Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft angehören. III.
Rechtsfolgen von Verstößen
Es gilt das Prioritätsprinzip, weshalb die neue Rechtsstellung nicht ohne vorherige Be- 6 endigung der alten Rechtsstellung angetreten werden kann. Dabei ist zu unterscheiden, ob ein Aufsichtsratsmitglied zum Vorstandsmitglied, Prokuristen oder Bevollmächtigten mit Generalhandlungsvollmacht bestellt wurde oder ob jemand ungeachtet dieser Funktion zum Aufsichtsratsmitglied bestellt wurde.10) Ein amtierendes Vorstandsmitglied kann nur dann wirksam zum Aufsichtsratsmitglied bestellt werden, wenn es spätestens zum vorgesehenen Zeitpunkt des Amtsantritts aus dem Vorstand ausscheidet, etwa durch Niederlegung; für einen Prokuristen oder einen Generalhandlungsbevollmächtigten gilt dies entsprechend.11) Andernfalls ist die Bestellung nichtig, und zwar auch mit Blick auf den Wahlbeschluss entsprechend § 250 Abs. 1 Nr. 4.12) Soweit in der Annahme der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied die konkludente Niederlegung des Vorstandsmandats gesehen wird,13) kann dem nur dann gefolgt werden, wenn entsprechende konkrete Hinweise ersichtlich sind.14) Wird ein amtierendes Aufsichtsratsmitglied zum Vorstandsmitglied oder zu dem in § 105 Abs. 1 genannten leitenden Angestellten bestellt und legt er sein Aufsichtsratsmandat nicht bis spätestens mit Beginn des vorgesehenen Amtsantritts nieder, so ist bei gewollter Verknüpfung die Bestellung gemäß § 134 BGB nichtig.15) Ist die Aufgabe der Aufsichtsratsmitgliedschaft gewollt, ist die Bestellung bis zu dessen Niederlegung schwebend unwirksam; die Bestellung zum Vorstandsmitglied, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten wird dann endgültig unwirksam, wenn die entsprechende Funktion ohne Niederlegung angetreten wird.16) IV.
Vertretung eines Vorstandsmitglieds durch ein Aufsichtsratsmitglied (§ 105 Abs. 2)
Fehlt ein Vorstandsmitglied oder ist es verhindert, kann der Aufsichtsrat nach § 105 Abs. 2 7 einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern des betroffenen Vorstandsmitglieds bestellen. _____________ LG München I, Urt. v. 15.4.2004 – 5 HK O 10813/03, ZIP 2004, 853, 855; Wirth, ZGR 2005, 327, 341. S. dazu Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 7 f. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 27; Hölter-Simons, AktG § 105 Rz. 10. LG München I, Urt. v. 9.6.2005 – 5 HK O 10154/04, ZIP 2005, 1555. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 105 Rz. 6. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 19; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 23 und 40. Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 105 Rz. 8; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 19. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 19; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 24. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 19; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 24; a. A. Mertens in: KölnKomm-AktG, § 105 Rz. 8. 15) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 21 und 39; Hüffer, AktG, § 105 Rz. 6; a. A. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 20. 16) Hüffer, AktG, § 105 Rz. 6; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 39.
6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14)
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§ 106
Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat
8 Das zu vertretende Vorstandsmitglied, das auch ein stellvertretendes i. S. des § 94 sein kann,17) muss fehlen oder verhindert sein. Ein Vorstandsmitglied fehlt, wenn die gesetzlich vorgeschriebene oder durch Satzung bzw. Geschäftsordnung vorgesehene Fest- oder Höchstzahl unterschritten ist, wobei auch stellvertretende Vorstandsmitglieder mitzuzählen sind.18) Es genügt aber auch, wenn ein in der Geschäftsordnung des Vorstands vorgesehener Vorstandsposten nicht besetzt ist oder wenn ein bereits amtierendes Vorstandsmitglied wegfällt. Eine Verhinderung liegt vor, wenn ein Vorstandsmitglied infolge Krankheit, Abwesenheit oder aus sonstigen Gründen nicht nur vorübergehend an der Amtsausübung gehindert ist.19) V.
Rechtsstellung des Stellvertreters
9 Das entsandte Aufsichtsratsmitglied wird Vorstandsmitglied, bleibt im Übrigen jedoch unter Ruhen seines Mandats zugleich Aufsichtsratsmitglied; es kann gemäß § 105 Abs. 2 Satz 3 seine Aufsichtsratstätigkeit nicht ausüben. Es behält aber sein Aufsichtsratsmandat, weshalb im Aufsichtsrat keine Vakanz entsteht.20) 10 Das bestellte Aufsichtsratsmitglied tritt in die Rechtsstellung des fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitglieds ein. Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entspricht ebenfalls der des fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitglieds, soweit der Bestellungsbeschluss keine andere Regelung enthält.21) Das als Stellvertreter eines Vorstandsmitglieds bestellte Aufsichtsratsmitglied hat alle Rechte und Pflichten eines Vorstandsmitglieds mit Ausnahme des Wettbewerbsverbots (§ 105 Abs. 2 Satz 4);22) es ist aber kein Stellvertreter i. S. des § 94 oder des § 164 BGB.23) 11 Die Bestellung nach § 105 Abs. 2 Satz 1 ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und einzutragen (§ 81).24) _____________ 17) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 105 Rz. 7; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 105 Rz. 22. 18) Hüffer, AktG, § 105 Rz. 7; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 50; gegen Mitzählen stellv. Vorstandsmitglieder: Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 105 Rz. 25. 19) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 25; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 105 Rz. 24. 20) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 35; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29 Rz. 13. 21) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 65; Habersack in: MünchKomm-AktG, AktG, § 105 Rz. 34. 22) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 65; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 34. 23) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 65; Hölters-Simons, AktG, § 105 Rz. 1. 24) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 105 Rz. 62; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 105 Rz. 32 f.
§ 106 Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat Der Vorstand hat bei jeder Änderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Mitglieder ersichtlich ist, zum Handelsregister einzureichen; das Gericht hat nach § 10 des Handelsgesetzbuchs einen Hinweis darauf bekannt zu machen, dass die Liste zum Handelsregister eingereicht worden ist. Literatur: Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Noack, Der elektronische Bundesanzeiger im Aktienrecht – Ein Überblick, BB 2002, 2025; Zöllner, Vereinheitlichung der Informationswege bei Aktiengesellschaften?, NZG 2003, 354.
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Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat
§ 106
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm..............................................1 II. Pflicht zur Einreichung einer Liste.............................................3 I.
III. Gerichtliche Bekanntmachung .........6 IV. Wirkung der Bekanntmachung.........7
Gegenstand und Zweck der Norm
Die Norm sieht bei jeder Änderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder die 1 Pflicht zur Einreichung einer aktuellen Aufsichtsratsliste anstelle der bis Ende 2006 vorgesehenen Pflicht zur Bekanntmachung von Wechseln im Aufsichtsrat vor.1) Dies bezweckt die (übersichtliche) Publizität von personellen Änderungen im Aufsichtsrat.2) Die Beschränkung auf eine Hinweisbekanntmachung soll der Entlastung der Unternehmen von Bürokratieaufwand dienen und geht davon aus, dass die Liste der Aufsichtsratsmitglieder ohne weiteres elektronisch einsehbar ist.3) Durch die vorgeschriebene Hinweisbekanntmachung des Gerichts (§ 10 HGB) über die 2 Einreichung der Liste wird dem Rechtsverkehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme der personellen Zusammensetzung des Aufsichtsrats gegeben, und zwar durch Einsichtnahme im elektronischen Handelsregister. II.
Pflicht zur Einreichung einer Liste
Bei jeder Änderung der personellen Zusammensetzung muss der Vorstand unverzüglich, 3 mithin ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), eine Liste der Aufsichtsratsmitglieder elektronisch zum Handelsregister einreichen.4) Änderung ist jedes Ausscheiden und Eintreten (etwa aufgrund Wahl, Entsendung oder gerichtlicher Bestellung), aber auch bloßes Ausscheiden (etwa aufgrund Niederlegung oder Versterben).5) Die einzureichende aktuelle Liste muss den Namen und Vornamen sowie den ausgeübten 4 Beruf und den Wohnort jedes Aufsichtsratsmitglieds enthalten. Die Liste gibt immer nur den aktuellen Stand der personellen Zusammensetzung des Aufsichtsrats wieder.6) Ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglieder sind nicht anzugeben. Der Vorstand muss bei der Einreichung in vertretungsberechtigter Zahl handeln. Die 5 Einreichung muss in elektronischer Form erfolgen und kann nach § 14 HGB durch Zwangsgeldfestsetzung erzwungen werden.7) III.
Gerichtliche Bekanntmachung
Abweichend von der früher geltenden Regelung (Bekanntmachung durch Vorstand unter 6 Einreichung eines Belegs zum Handelsregister) hat das Gericht lediglich eine Hinweisbekanntmachung (§ 10 HGB) über die Einreichung der Liste vorzunehmen.8) _____________ 1) 2) 3)
4) 5) 6) 7) 8)
Noack, WM 2007, 377 f.; Hölters-Simons, AktG § 106 Rz. 1. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 106 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 106 Rz. 1. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung – BR-Drucks. 16/960 – Entwurf eines Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), BT-Drucks. 16/2781, S. 88. Hüffer, AktG, § 106 Rz. 2; Noack, WM 2007, 377, 378. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 106 Rz. 6 f.; Hüffer, AktG, § 106 Rz. 2. Noack, WM 2007, 377. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 106 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 106 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 106 Rz. 1 und 5; Noack, WM 2007, 377, 378.
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§ 107 IV.
Innere Ordnung des Aufsichtsrats Wirkung der Bekanntmachung
7 Die Einreichung der Liste und die Hinweisbekanntmachung haben bloße Informationsfunktion. Da keine Eintragung im Handelsregister erfolgt, greift auch der Schutz des § 15 HGB nicht ein.9) _____________ 9)
K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 106 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 106 Rz. 13.
§ 107 Innere Ordnung des Aufsichtsrats (1) 1Der Aufsichtsrat hat nach näherer Bestimmung der Satzung aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen. 2Der Vorstand hat zum Handelsregister anzumelden, wer gewählt ist. 3Der Stellvertreter hat nur dann die Rechte und Pflichten des Vorsitzenden, wenn dieser verhindert ist. (2) 1Über die Sitzungen des Aufsichtsrats ist eine Niederschrift anzufertigen, die der Vorsitzende zu unterzeichnen hat. 2In der Niederschrift sind der Ort und der Tag der Sitzung, die Teilnehmer, die Gegenstände der Tagesordnung, der wesentliche Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Aufsichtsrats anzugeben. 3Ein Verstoß gegen Satz 1 oder Satz 2 macht einen Beschluß nicht unwirksam. 4Jedem Mitglied des Aufsichtsrats ist auf Verlangen eine Abschrift der Sitzungsniederschrift auszuhändigen. (3) 1Der Aufsichtsrat kann aus seiner Mitte einen oder mehrere Ausschüsse bestellen, namentlich, um seine Verhandlungen und Beschlüsse vorzubereiten oder die Ausführung seiner Beschlüsse zu überwachen. 2Er kann insbesondere einen Prüfungsausschuss bestellen, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung, hier insbesondere der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen, befasst. 3Die Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1, § 59 Abs. 3, § 77 Abs. 2 Satz 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2, § 111 Abs. 3, §§ 171, 314 Abs. 2 und 3 sowie Beschlüsse, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen, können einem Ausschuß nicht an Stelle des Aufsichtsrats zur Beschlußfassung überwiesen werden. 4Dem Aufsichtsrat ist regelmäßig über die Arbeit der Ausschüsse zu berichten. (4) Richtet der Aufsichtsrat einer Gesellschaft im Sinn des § 264d des Handelsgesetzbuchs einen Prüfungsausschuss im Sinn des Absatzes 3 Satz 2 ein, so muss mindestens ein Mitglied die Voraussetzungen des § 100 Abs. 5 erfüllen. Literatur: Börsig/Löbbe, Die gewandelte Rolle des Aufsichtsrats, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 125; Deckert, Effektive Überwachung der AG-Geschäftsführung durch Ausschüsse des Aufsichtsrats, ZIP 1996, 985; Döring/Grau, Verfahren und Mehrheitserfordernisse für die Bestellung und Abwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden in mitbestimmten Unternehmen, NZG 2010, 1328; Gesell, Prüfungsausschuss und Aufsichtsrat nach dem BilMoG, ZGR 2011, 361; Habersack, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, AG 2008, 98; Hasselbach/Seibel, Ad-hoc-Ausschüsse des Aufsichtsrats, AG 2012, 114; HoffmannBecking/Rawert (Hrsg.), Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 11. Aufl. 2013; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Leuering/Rubel, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, NJW-Spezial 2008, 559; Nonnenmacher/Pohle/v. Werder, Aktuelle
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Anforderungen an Prüfungsausschüsse, DB 2009, 1447; Rodewald/Ternick, Babylon im Unternehmen – rechtlicher Rahmen für die Sprache in Aufsichtsrat, Vorstand und Hauptversammlung, BB 2011, 910; v. Schenck, Der Aufsichtsrat und sein Vorsitzender – Eine Regelungslücke, AG 2010, 649; Schlitt, Der aktive Aufsichtsratsvorsitzende, DB 2005, 2007; Semler, Ausschüsse des Aufsichtsrats, AG 1988, 60; Vetter, Der Prüfungsausschuss in der AG nach dem BilMoG, ZGR 2010, 751; Weiss, Mitbestimmung im Konzern – zur praxisgerechten Anwendung und Reform des § 32 MitbestG, Der Konzern 2004, 590.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. 1 II. Bestellung des Aufsichtsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreter (§ 107 Abs. 1) ........................... 2 1. Wahl durch den Aufsichtsrat ............. 2 2. Anmeldung zum Handelsregister (§ 107 Abs. 1 Satz 2) .......................... 5 I.
3. Amtszeit ............................................. 7 III. Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden ............... 9 IV. Sitzungsniederschriften (§ 107 Abs. 2) ................................... 10 V. Ausschüsse des Aufsichtsrats (§ 107 Abs. 3 und Abs. 4) ................ 12 VI. Geschäftsordnung ........................... 17
Gegenstand und Zweck der Norm
Die Norm regelt nicht umfassend die innere Ordnung des Aufsichtsrats, sondern nur 1 Teilaspekte. Die innere Ordnung des Aufsichtsrats ist teilweise in anderen Vorschriften (insbesondere §§ 108 – 110) geregelt oder in § 107 bewusst offengelassen, so dass Einzelheiten der inneren Ordnung in der Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrats geregelt werden können.1) II.
Bestellung des Aufsichtsratsvorsitzenden und seiner Stellvertreter (§ 107 Abs. 1)
1.
Wahl durch den Aufsichtsrat
Nach § 107 Abs. 1 Satz 1 wählt der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden 2 und einen oder mehrere Stellvertreter. Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, bedarf der Wahlbeschluss der einfachen Stimmenmehrheit.2) Die Satzung kann hierfür die relative Mehrheit genügen lassen. Der Kandidat ist bei der Wahl nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen.3) Die Wahl bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Annahme. Nur der Aufsichtsrat kann die Wahl vornehmen, eine Übertragung – etwa auf die Hauptver- 3 sammlung – ist nicht zulässig.4) Wenn der Aufsichtsrat seiner Verpflichtung nach § 107 Abs. 1 Satz 1 nicht nachkommt, kann die Hauptversammlung nicht an dessen Stelle treten.5) Besteht die Vakanz im Aufsichtsratsvorsitz seit mehr als drei Monaten, kann eine gerichtliche Ersatzbestellung analog § 104 Abs. 2 erfolgen.6) Das MitbestG enthält zwingende Sonderregelungen, nach denen die Wahl des Vor- 4 sitzenden und seines Stellvertreters im ersten Wahlgang einer Mehrheit von zwei Dritteln der Sollstärke bedarf (§ 27 Abs. 1 MitbestG); im Falle des Scheiterns auch nur eines Kandi_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 3 und 6; Hüffer, AktG, § 107 Rz. 1. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 107 Rz. 3. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 9; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 31. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 8; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 17. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 107 Rz. 3. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 107 Rz. 3b; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 656 und 671.
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daten stimmen im dann erforderlichen zweiten Wahlgang die Arbeitnehmer- und Anteilseignervertreter getrennt ab und es genügt jeweils die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 27 Abs. 2 MitbestG).7) Die Wahl weiterer Stellvertreter ist in mitbestimmten Gesellschaften ebenfalls grundsätzlich zulässig.8) 2.
Anmeldung zum Handelsregister (§ 107 Abs. 1 Satz 2)
5 Der Vorstand hat nach § 107 Abs. 1 Satz 2 den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Stellvertreter zum Handelsregister anzumelden; sind mehrere Stellvertreter gewählt worden, sind alle anzumelden. Der Vorstand muss in vertretungsberechtigter Zahl handeln, unechte Gesamtvertretung ist zulässig.9) Für die Anmeldung genügt Schriftform, öffentliche Beglaubigung der Unterschriften ist nicht erforderlich.10) In der Anmeldung sind die Namen des Vorsitzenden und seines bzw. seiner Stellvertreter anzugeben. Ob auch die Angabe der Anschriften erforderlich ist, wird unterschiedlich beurteilt.11) Da bei der Einreichung der Liste der Aufsichtsratsmitglieder nach § 106 bereits der Wohnort anzugeben ist (siehe § 106 Rz. 4)12) und nicht ersichtlich ist, warum dies nochmals erfolgen soll bzw. warum § 107 Abs. 1 Satz 2 strengere Anforderungen stellen soll, genügt die Angabe der Namen.13) Zudem sprechen Aspekte der persönlichen Sicherheit der Gewählten gegen die Angabe der Anschriften. 6 Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats auf allen Geschäftsbriefen anzugeben. 3.
Amtszeit
7 Die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines bzw. seiner Stellvertreter erfolgt grundsätzlich für die Dauer ihrer Amtszeit als Aufsichtsratsmitglied, sofern die Satzung oder der Wahlbeschluss nicht etwas anderes vorsieht. Mit dem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat endet die Amtszeit automatisch.14) 8 Die Abberufung des Vorsitzenden ist durch Beschluss des Aufsichtsrats, der derselben Mehrheit wie die Wahl bedarf, jederzeit möglich.15) III.
Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden
9 Die Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden sind im Gesetz nicht umfassend und teilweise nur verstreut geregelt.16) Sie sind grundsätzlich solche, die dem Vorsitzenden eines Kollegialorgans im Interesse der Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Organs üblicherweise zustehen.17) Dem Aufsichtsratsvorsitzenden obliegt insbesondere die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Aufsichtsratssitzungen sowie die Ko_____________ 7) Ausführlich hierzu: Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 26 ff.; Döring/Grau, NZG 2010, 1328 f. 8) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 (Siemens), BGHZ 83, 106, 111 f. = ZIP 1982, 434, 436; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 42. 9) Hüffer, AktG, § 107 Rz. 8; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 40. 10) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 42; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 14 a. E. 11) Dafür Hüffer, AktG, § 107 Rz. 8; abl. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 42 a. E. 12) Hüffer, AktG, § 106 Rz. 2; Hölters-Simons, AktG, § 106 Rz. 5. 13) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 42. 14) Hüffer, AktG, § 107 Rz. 4; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 35 und 40. 15) Hüffer, AktG, § 107 Rz. 4; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 16. 16) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 19; v. Schenck, AG 2010, 649, 650 ff. 17) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 43; Hüffer, AktG, § 107 Rz. 5.
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ordination der Arbeit des Plenums und der Ausschüsse (vgl. auch Ziff. 5.2 Abs. 1 DCGK). Zudem ist er ständiges Bindeglied und Informationsvermittler zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, ihm kommt eine Sonderrolle im Berichtssystem zu (§ 90 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 Satz 3).18) Der DCGK empfiehlt zudem, dass der Aufsichtsratsvorsitzende regelmäßig mit dem Vorstand Fragen der Strategie, der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance des Unternehmens beraten solle (Ziff. 5.2 Abs. 3 Satz 1 DCGK). Dem Aufsichtsratsvorsitzenden wird in der Regel durch die Satzung die Leitung der Hauptversammlung übertragen; jedenfalls aber erläutert er nach § 176 Abs. 1 Satz 2 den Bericht des Aufsichtsrats.19) Ihm obliegen häufig Repräsentationsaufgaben für das Unternehmen, zudem ist es nicht unüblich bzw. wird von ihm erwartet, dass er neben oder gemeinsam mit dem Vorstand Kontakte mit institutionellen Anlegern pflegt.20) Mit Blick auf die zunehmend steigenden Anforderungen und Erwartungen an den Aufsichtsratsvorsitzenden,21) die aber in den ihm kraft Gesetzes zustehenden Aufgaben und Befugnissen nicht hinreichend berücksichtigt sind, erscheint deren Ausweitung durch gesetzliche Änderungen erwägenswert.22) IV.
Sitzungsniederschriften (§ 107 Abs. 2)
Die nach § 107 Abs. 2 Satz 1 von jeder Aufsichtsratssitzung anzufertigende Niederschrift 10 (Protokoll) ist vom Aufsichtsratsvorsitzenden zu unterzeichnen, der sie jedoch nicht selbst anfertigen muss. Es ist als verfahrensleitende Anordnung des Vorsitzenden zulässig, die Fertigung der Niederschrift einem Protokollführer zu übertragen, der selbst kein Aufsichtsratsmitglied sein muss (etwa Justitiar der Gesellschaft), sofern der Aufsichtsrat nichts Gegenteiliges beschließt.23) Eine Ermächtigung in der Satzung oder Geschäftsordnung ist für die Hinzuziehung eines Protokollführers nicht erforderlich. Der Mindestinhalt der Niederschrift ergibt sich aus der zwingenden Regelung des § 107 11 Abs. 2 Satz 2. Insbesondere sind die gefassten Beschlüsse aufzunehmen, und zwar im vollen Wortlaut und unter Angabe des Abstimmungsergebnisses. Zudem muss der wesentliche Inhalt der Verhandlungen in der Niederschrift enthalten sein. Ein Wortprotokoll ist insoweit nicht erforderlich, es genügt eine zusammenfassende Darstellung der tragenden Aspekte.24) Die Abfassung des Protokolls in einer Fremdsprache wird als zulässig erachtet, wobei es einer Übersetzung bedarf, wenn ein Aufsichtsratsmitglied die Protokollsprache nicht beherrscht.25) Nach § 107 Abs. 2 Satz 3 führen Verstöße gegen Satz 1 und Satz 2 nicht zur Unwirksamkeit eines Beschlusses, die Niederschrift hat keine konstitutive Bedeutung. Die Regelung des § 107 Abs. 2 Satz 4, wonach jedes Aufsichtsratsmitglied das Recht auf eine Abschrift hat, ist zwingend. Ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglieder haben analog § 667 BGB die i. R. ihrer Amtsführung erlangten Unterlagen der Gesellschaften – mithin auch Abschriften der Niederschriften – an die Gesellschaft herauszugeben, was auch entsprechend in der Geschäftsordnung geregelt werden kann.26) _____________ 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26)
v. Schenck, AG 2010, 649, 650; Schlitt, DB 2005, 2007, 2008. v. Schenck, AG 2010, 649, 650; Schlitt, DB 2005, 2007, 2008. Börsig/Löbbe in: FS Hoffmann-Becking, S. 125, 145. Ausführlich dazu: Börsig/Löbbe in: FS Hoffmann-Becking, S. 125, 143 ff.; Hüffer, AktG, § 107 Rz. 5 (zur Repräsentationsaufgabe). S. dazu v. Schenck, AG 2010, 649, 651 ff. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 51; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 76; a. A. Hüffer, AktG, § 107 Rz. 12 – Widerspruch eines Aufsichtsratsmitglieds soll genügen. OLG München, Urt. v. 29.10.1980 – 7 U 2481/80, ZIP 1981, 293, 295; Habersack in: MünchKommAktG, § 107 Rz. 79; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 183. Rodewald/Ternick, BB 2011, 910, 911. BGH, Beschl. v. 7.7.2008 – II ZR 71/07 (Metro), ZIP 2008, 1821, 1822.
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§ 107 V.
Innere Ordnung des Aufsichtsrats Ausschüsse des Aufsichtsrats (§ 107 Abs. 3 und Abs. 4)
12 Die Bildung von Ausschüssen wird durch § 107 Abs. 3 Satz 1 zugelassen und vom DCGK empfohlen (Ziff. 5.3.1 Satz 1). Es können vorbereitende, überwachende und auch – in den Grenzen des § 107 Abs. 3 Satz 3 – beschließende Ausschüsse gebildet werden.27) Alle in § 107 Abs. 3 Satz 3 genannten Aufgaben können nicht an Ausschüsse zur Beschlussfassung bzw. Entscheidung übertragen werden. Der Aufsichtsrat entscheidet ohne Bindung an Vorgaben der Satzung oder der Hauptversammlung aufgrund seiner Organisationsautonomie über die Bildung von Ausschüssen mit einfacher Mehrheit.28) Der Aufsichtsrat kann durch einen Beschluss, mit der gleichen Mehrheit, die der Delegationsbeschluss bedarf, die delegierte Entscheidungsbefugnis wieder an sich ziehen.29) 13 Ein Ausschuss muss mindestens zwei Mitglieder haben, wobei beschließenden Ausschüssen mindestens drei Mitglieder angehören müssen.30) Die Ausschüsse sind primär nach dem Eignungsprinzip zu bilden bzw. zu besetzen, wobei aber auch das Diskriminierungsverbot zu beachten ist.31) In dem MitbestG unterfallenden Gesellschaften sind die Ausschüsse nicht zwingend paritätisch zu besetzen,32) Arbeitnehmervertreter dürfen auch völlig von der Teilnahme an einem Ausschuss ausgeschlossen werden, wenn hierfür im Einzelfall ein sachlicher Grund besteht.33) Sie dürfen aber nicht allein aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit, ohne dass hierfür im Einzelfall sachliche Gründe vorhanden sind, aus grundsätzlichen Erwägungen von einem Ausschuss ausgeschlossen werden.34) Im Geltungsbereich des DrittelbG dürfen die Arbeitnehmervertreter nicht ohne sachlichen Grund von der Mitwirkung an sämtlichen Ausschüssen ausgeschlossen werden.35) 14 Die ausdrückliche Erwähnung des Prüfungsausschusses36) in § 107 Abs. 3 Satz 2 hat lediglich klarstellende Bedeutung.37) Bei börsennotierten Gesellschaften ist dessen Bildung weitgehend üblich38) und entspricht der Empfehlung in Ziff. 5.3.2 DCGK.39) § 107 Abs. 4 enthält für den Prüfungsausschuss einer kapitalmarktorientierten Gesellschaft (§ 264d HGB) die Vorgabe, dass mindestens ein Mitglied dieses Ausschusses unabhängig sein und über Sachverstand in Rechnungslegung oder Abschlussprüfung gemäß § 100 _____________ 27) Zur Möglichkeit der Bildung von Ad-hoc-Ausschüssen: Hasselbach/Seibel, AG 2012, 114 ff. 28) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 355 = ZIP 1993, 1079, 1083. 29) BGH, Urt. v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 55 f. = ZIP 1984, 55, 57; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 32 Rz. 4; a. A.: Hüffer, AktG, § 107 Rz. 18, der einen besonderen Verfahrensbeschluss verlangt. 30) BGH, Urt. v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190, 192 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 755. 31) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 757. 32) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 148 = ZIP 1982, 440, 441. 33) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 355 ff. = ZIP 1993, 1079, 1083 ff.; OLG München, Urt. v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94, ZIP 1995, 1753, 1754; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 758. 34) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 358 = ZIP 1993, 1079, 1084; OLG München, Urt. v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94, ZIP 1995, 1753, 1754. 35) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 759; LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95, ZIP 1996, 1661, 1663 f. – die Bildung eines Personalausschusses ohne Arbeitnehmervertreter ist unzulässig und die entsprechende Wahl nichtig. 36) Allg. zum Prüfungsausschuss und dessen Aufgaben: Nonnenmacher/Pohle/v. Werder, DB 2009, 1447 ff.; Vetter, ZGR 2010, 751 ff.; Börsig/Löbbe in: FS Hoffmann-Becking, S. 125, 147 ff. 37) Reg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, S. 102. 38) S. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Rz. 940; Nonnenmacher/Pohle/v. Werder, DB 2009, 1447. 39) Vetter, ZGR 2010, 751, 759 ff.; Leuering/Rubel, NJW-Spezial 2008, 559.
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Abs. 5 AktG (siehe hierzu § 100 Rz. 11 f.) verfügen muss.40) Die in § 107 Abs. 3 Satz 2 genannten Aufgaben des Prüfungsausschusses müssen ihm nicht zwingend zugewiesen werden, sie können auch weiter beim Plenum verbleiben bzw. ins Plenum zurückgeholt werden; umgekehrt können dem Prüfungsausschuss aber auch weitere Aufgaben, wie etwa die Überwachung der Compliance (siehe Ziff. 5.3.2 DCGK), zugewiesen werden.41) In einer Gesellschaft, die dem MitbestG unterliegt, ist nach § 27 Abs. 3 MitbestG zwingend ein Vermittlungsausschuss zu bilden.42) Bei einer dem MitbestG unterliegenden Gesellschaft kann ein Ausschuss zur Ausübung der Beteiligungsrechte gemäß § 32 MitbestG gebildet werden („Beteiligungsausschuss“). Die wohl h. M. verlangt insoweit unter Berufung auf den Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 2 MitbestG („Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner“) aber, dass dem Ausschuss die Mehrheit sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner angehört.43) Auch wenn diese primär auf den Wortlaut gestützte Argumentation nicht vollends zu überzeugen vermag,44) erscheint es aus Vorsichtsgründen ratsam ihr zu folgen. Für die Arbeitsweise und insbesondere die Beschlussfassung der Ausschüsse gelten die 15 Regelungen für den Gesamtaufsichtsrat entsprechend45) (siehe dazu § 108 Rz. 2 ff.). § 107 Abs. 2 gilt für die Protokollierung der Sitzungen der Ausschüsse,46) und zwar grundsätzlich auch die Regelung des Absatzes 2 Satz 4 über die Aushändigung von Abschriften.47) Für das Teilnahmerecht ist § 109 maßgeblich (siehe § 109 Rz. 1 ff.). Dem Aufsichtsratsvorsitzenden kann durch die Satzung oder Geschäftsordnung für den Fall, dass er einem Ausschuss angehört und sich bei einer Abstimmung Stimmengleichheit ergibt, ein Zweitstimmrecht eingeräumt werden.48) Die Arbeit der eingesetzten Ausschüsse ist durch das Plenum des Aufsichtsrats zu über- 16 wachen, wofür es in der Regel genügt, wenn sich das Plenum in regelmäßigen Abständen berichten lässt und sich so einen allgemeinen Eindruck von der Aufgabenerfüllung durch den Aufsichtsrat verschafft.49) § 107 Abs. 3 Satz 4 soll die regelmäßige Berichterstattungspflicht des Ausschusses gegenüber dem Plenum sicherstellen; es genügt eine zusammenfassende Berichterstattung – auch in Form von Ergebnisberichten.50)
_____________ 40) Reg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, S. 103. 41) Börsig/Löbbe in: FS Hoffmann-Becking, S. 125, 147 f.; Gesell, ZGR 2011, 361, 370 f.; Vetter, ZGR 2010, 751, 761 und 778. 42) S. dazu Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 348; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 112. 43) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29 Rz. 56 m. w. N. 44) Weiss, Der Konzern 2004, 590, 598, und Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, Anh. § 117B § 32 MitbestG Rz. 21 und Rz. 18, lehnen diese mit überzeugender Argumentation ab (Ratio des § 32 MitbestG und Grundprinzip der Beschlussfassung im Aufsichtsrat sprechen gegen die h. M.). 45) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 107 Rz. 49; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 147. 46) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 75; Hölters-Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 107 Rz. 73. 47) Sofern das Aufsichtsratsmitglied nicht von der Ausschusssitzung ausgeschlossen wurde, s. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 87; Hölters-Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 107 Rz. 84. 48) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 (Siemens), BGHZ 83, 106, 117 f. = ZIP 1982, 434, 438; BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 147 ff.= ZIP 1982, 440, 441. 49) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 751; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 32 Rz. 23. 50) Reg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG), BT-Drucks. 14/8769, S. 16.
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§ 108 VI.
Beschlußfassung des Aufsichtsrats Geschäftsordnung
17 Unter Beachtung der zwingenden gesetzlichen Regelungen, kann der Aufsichtsrat mit einfacher Mehrheit eine Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat beschließen und dort Regelungen für seine Organisation (etwa zu Einberufung und Verlauf der Sitzung sowie zur Abstimmung) treffen, sofern diese nicht bereits zulässigerweise in der Satzung enthalten sind.51) Da nur der Aufsichtsrat über die Bildung und Besetzung von Ausschüssen zu entscheiden hat, sind die entsprechenden Regelungen oft in der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat enthalten.52) Die vom Aufsichtsrat erlassene Geschäftsordnung gilt solange, bis der Aufsichtsrat sie ändert oder aufhebt;53) sie bleibt auch vom Mitgliederwechsel unberührt.54) Im Einzelfall kann der Aufsichtsrat von der von ihm erlassenen Geschäftsordnung – auch ohne förmlichen Durchbrechungsbeschluss – abweichen und zwar durch entsprechenden Mehrheitsbeschluss.55) Dagegen können Verstöße gegen Geschäftsordnungsregelungen der Satzung zur Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses führen.56) _____________ 51) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 652 f.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 165; s. dazu die Muster-Geschäftsordnungen von Hoffmann-Becking in: Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, X. 17 und X. 18. 52) Hoffmann-Becking in: Beck’sches Formularhandbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, X. 17 Anm. 17. 53) Hüffer, AktG, § 107 Rz. 24; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 653. 54) OLG Hamburg, Urt. v. 23.7.1982 – 11 U 179/80, AG 1983, 21; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 5. 55) Hüffer, AktG, § 107 Rz. 24 a. E.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 4. 56) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 107 Rz. 166; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 653.
§ 108 Beschlußfassung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluß. (2) 1Die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats kann, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist, durch die Satzung bestimmt werden. 2Ist sie weder gesetzlich noch durch die Satzung geregelt, so ist der Aufsichtsrat nur beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen er nach Gesetz oder Satzung insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt. 3In jedem Fall müssen mindestens drei Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. 4Der Beschlußfähigkeit steht nicht entgegen, daß dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl angehören, auch wenn das für seine Zusammensetzung maßgebende zahlenmäßige Verhältnis nicht gewahrt ist. (3) 1Abwesende Aufsichtsratsmitglieder können dadurch an der Beschlußfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse teilnehmen, daß sie schriftliche Stimmabgaben überreichen lassen. 2Die schriftlichen Stimmabgaben können durch andere Aufsichtsratsmitglieder überreicht werden. 3Sie können auch durch Personen, die nicht dem Aufsichtsrat angehören, übergeben werden, wenn diese nach § 109 Abs. 3 zur Teilnahme an der Sitzung berechtigt sind. (4) Schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sind vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats nur zulässig, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht.
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§ 108
Beschlußfassung des Aufsichtsrats
Literatur: Arnold/Gayk, Auswirkungen der fehlerhaften Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern – Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis, DB 2013, 1830; Baums, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluß, ZGR 1983, 300; Buckel/Vogel, Die angegriffene Wahl des Aufsichtsrats – Gutglaubensschutz statt Rechtsfigur des fehlerhaften Organs, ZIP 2014, 58; Fleischer, Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse: Rechtsdogmatik – Rechtsvergleichung, DB 2013, 160 (Teil 1), und DB 2013, 217 (Teil 2); Fortun/Knies, Rechtsfolgen fehlerhafter Besetzung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, DB 2007, 1451; Habersack, Aktienrecht und Internet, ZHR 165 (2001), 172; Hoffmann-Becking, Schriftliche Beschlussfassung des Aufsichtsrats und schriftliche Stimmabgabe abwesender Aufsichtsratsmitglieder, in: Festgabe für Wilhelm Happ, 2006, S. 81; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Jürgenmeyer, Satzungsklauseln über qualifizierte Beschlussmehrheiten im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, ZGR 2007, 112; Kindl, Beschlussfassung des Aufsichtsrats und neue Medien zur Änderung des § 108 Abs. 4 AktG, ZHR 166 (2002), 335; Miettinen/Villeda, Abstimmungsformen des Aufsichtsrats, AG 2007, 346; Priester, Stimmverbot beim dreiköpfigen Aufsichtsrat, AG 2007, 190; Rieckers, Fortsetzung der Anfechtungsklage gegen Aufsichtsratswahlen nach Rücktritt des Aufsichtsrats, AG 2013, 383; Rützel, Die gesellschaftsrechtliche Beschlußfeststellungsklage, ZIP 1996, 1961; Seibert, Aktienrechtsnovelle NaStraG tritt in Kraft – Übersicht über das Gesetz und Auszüge aus dem Bericht des Rechtsausschusses, ZIP 2001, 53; Vetter, Anfechtung der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, Bestandsschutzinteresse der AG und die Verantwortung der Verwaltung, ZIP 2012, 701; Zetzsche, NaStraG – ein erster Schritt in Richtung Virtuelle Hauptversammlung für Namens- und Inhaberaktien, ZIP 2001, 682.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. 1 II. Entscheidung durch Beschluss (§ 108 Abs. 1) ..................................... 2 1. Gegenstand und Rechtsnatur des Beschlusses ......................................... 2 2. Verfahren der Beschlussfassung ........ 5 3. Stimmrecht und Stimmrechtsausschluss .......................................... 10 I.
III. Beschlussfähigkeit (§ 108 Abs. 2) .... IV. Schriftliche Stimmabgabe (§ 108 Abs. 3) ................................... V. Beschlussfassung ohne Sitzung (§ 108 Abs. 4) ................................... VI. Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse .........................................
12 16 18 19
Gegenstand und Zweck der Norm
Die Norm regelt zusammenfassend die Beschlussfassung des Aufsichtsrats. Das Beschluss- 1 erfordernis des § 108 Abs. 1 ist i. S. einer ausdrücklichen Beschlussfassung zu verstehen. Hiermit soll Rechtssicherheit erreicht werden, die bei stillschweigender Beschlussfassung nicht gewährleistet wäre.1) Durch § 108 Abs. 4 soll eine Beschlussfassung mittels moderner Medien erleichtert werden.2) II.
Entscheidung durch Beschluss (§ 108 Abs. 1)
1.
Gegenstand und Rechtsnatur des Beschlusses
Das Erfordernis ausdrücklicher Beschlussfassung des § 108 Abs. 1 bezieht sich auf Ent- 2 scheidungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse. Eine Entscheidung liegt immer dann vor, wenn ein Organwille gebildet wird.3) Dies ist bei der Abgabe von Willenserklärungen (§ 112) oder sonstigen dem Aufsichtsrat obliegenden Erklärungen (siehe etwa §§ 59 Abs. 3, 88 Abs. 1, 89 Abs. 1, 2 und 5, 111 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2) und insbeson_____________ 1) 2) 3)
Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 1; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 20 f. Seibert, ZIP 2001, 53, 54. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 8; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 15 ff.
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Beschlußfassung des Aufsichtsrats
dere bei der Entscheidung über einen Antrag eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder der Fall.4) 3 Ein Beschluss ist das Ergebnis der Willensbildung des Organs durch Abstimmung über ein Antrag. Er ist ein mehrseitiges, aber nicht vertragliches Rechtsgeschäft eigener Art.5) 4 Der Aufsichtsrat und seine Ausschüsse können nur durch ausdrückliche Beschlussfassung entscheiden; eine konkludente Beschlussfassung ist nicht möglich.6) Allerdings kann bei Vorliegen eines ausdrücklichen Beschlusses ein etwaiger konkludenter Erklärungsgehalt nach den Regeln der Auslegung ausnahmsweise von Relevanz sein.7) 2.
Verfahren der Beschlussfassung
5 Eine Beschlussfassung setzt die Beschlussfähigkeit voraus und erfordert grundsätzlich einen Antrag, eine Verhandlung, die Abstimmung und die Feststellung des Abstimmungsergebnisses.8) Durch den Antrag wird der Beschlussgegenstand konkretisiert.9) Jedes Aufsichtsratsmitglied kann einen Antrag stellen.10) 6 Neben der den Normalfall bildenden offenen Abstimmung ist auch die geheime Abstimmung zulässig.11) Letztere kommt insbesondere bei Personalentscheidungen in Betracht. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden obliegt die Auswahl der Abstimmungsart, wobei für dessen Entscheidung über diese Verfahrensfrage das Gesellschaftsinteresse maßgeblich ist.12) 7 Für die Beschlüsse des Aufsichtsrats genügt (entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB bzw. § 29 Abs. 1 MitbestG) grundsätzlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Mehrheit).13) Stimmenthaltungen werden (anders als bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit, siehe dazu Rz. 12 ff.) nicht mitgezählt und gelten nicht als Nein-Stimmen.14) Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich aus den Mitbestimmungsgesetzen (siehe etwa § 29 Abs. 2, § 31 Abs. 4 Satz 2 und insbesondere § 31 Abs. 2 MitbestG).15) 8 Die Satzung (und nicht die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats) kann – sofern die Gesellschaft nicht den Mitbestimmungsgesetzen unterliegt – Abweichungen vom Grundsatz der einfachen Mehrheit vorsehen, etwa das Recht zum Stichentscheid durch den Aufsichtsratsvorsitzenden oder seinen Stellvertreter oder die Behandlung von Stimmenthaltungen als Ja- oder Nein-Stimmen. Die Einräumung eines Vetorechts ist hingegen unzulässig.16) § 108 Abs. 1 ist jedoch abschließend, sofern es um Entscheidungen geht, die der _____________ 4) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 8; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 16. 5) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 11; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 4; die Rspr. tendiert ebenfalls in diese Richtung, s. BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 122 = ZIP 1993, 1862, 1865. 6) LG Frankfurt/M., Urt. v. 9.3.2004 – 315 O 107/03, NZG 2004, 672, dazu EWiR 2004, 625 (Kort); Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 20 f.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 12. 7) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 22; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 13; BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 216; LG München I, Urt. v. 28.8.2008 – 5 HKO 2522/08, NZG 2009, 143, 144 f. 8) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 25. 9) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 17. 10) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 17; Hölters-Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 108 Rz. 11. 11) Ganz h. M., s. Hüffer, AktG, § 108 Rz. 5; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 18. 12) H. M., s. Hüffer, AktG, § 108 Rz. 5; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 18. 13) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 6. 14) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 20; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 6. 15) Ausführlich hierzu: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 21 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 731 f. 16) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 25; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 730.
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§ 108
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Aufsichtsrat kraft Gesetzes zu treffen hat; die Satzung kann hierfür keine Abweichungen vom Erfordernis der einfachen Mehrheit vorsehen.17) Die Beschlussfeststellung durch Ermittlung der Ja- und Nein-Stimmen sowie der Stimm- 9 enthaltungen und Aufnahme des Beschlussergebnisses in die Niederschrift obliegt allein dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der die Beschlussfassung leitet.18) Eine förmliche Beschlussfeststellung ist für Beschlüsse i. R. einer Sitzung nicht zwingend erforderlich und hat keine konstituierende Wirkung.19) Der Aufsichtsratsvorsitzende muss prüfen, ob Stimmverbote vorliegen.20) Dessen Entscheidung über die insoweit sich stellenden Rechtsfragen unterliegt nicht der Kontrolle durch den Aufsichtsrat und kann nicht durch Mehrheitsbeschluss revidiert werden,21) während ansonsten die verfahrensleitenden Entscheidungen des Aufsichtsratsvorsitzenden durch einfachen Beschluss des Aufsichtsrats aufgehoben oder geändert werden können.22) 3.
Stimmrecht und Stimmrechtsausschluss
Jedem Aufsichtsratsmitglied steht – vorbehaltlich eines satzungsmäßigen oder gesetz- 10 lichen Rechts zum Stichentscheid23) – eine Stimme zu.24) Für die Frage, ob ein Stimmrechtsausschluss vorliegt, ist die Regelung des § 34 BGB 11 entsprechend anzuwenden.25) Mithin greift ein Stimmverbot bei Beschlüssen ein, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Aufsichtsratsmitglied oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft betreffen. Weitgehend anerkannt ist auch das Verbot des Richtens in eigener Sache, das eingreift, wenn es um Maßnahmen geht, die sich gegen das Aufsichtsratsmitglied selbst richten.26) Bei der Beschlussfassung über die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds zum Aufsichtsratsvorsitzenden, zu dessen Stellvertreter oder zum Mitglied eines Aufsichtsratsausschusses darf das betreffende Aufsichtsratsmitglied mitstimmen.27) Dies gilt nach zutreffender Ansicht auch für die Beschlussfassung über die eigene Wahl zum Mitglied des Vorstands,28) wobei die inzwischen wohl h. M. hier jedoch von einem Stimmverbot ausgeht.29) _____________ 17) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 24; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 36; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 8. 18) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 26; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 54a. 19) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 26; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 54a. 20) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 26; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 54a. 21) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 26; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 54a; a. A.: Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 107 Rz. 94. 22) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 704 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 47, 49, 52 und 54. 23) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 64; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 730. 24) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 28; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 730. 25) BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056, 1058, Rz. 13; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 54; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 29. 26) OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2007 – 20 U 14/06, AG 2007, 873, 876 = ZIP 2007, 1217 (LS); Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 54; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 32. 27) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 56; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 32. 28) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 343 und § 11 Rz. 728; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 66. 29) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 56; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 9; Habersack in: MünchKommAktG, § 108 Rz. 32.
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§ 108 III.
Beschlußfassung des Aufsichtsrats Beschlussfähigkeit (§ 108 Abs. 2)
12 Nach § 108 Abs. 2 Satz 1 ist für die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats primär die Satzung maßgeblich. Enthält diese insoweit keine Regelung und greift auch keine gesetzliche Regelung ein, erfordert die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats nach § 108 Abs. 2 Satz 2, dass mindestens die Hälfte seiner Mitglieder an der Abstimmung teilnimmt. Jedenfalls müssen aber nach der zwingenden Regel des § 108 Abs. 2 Satz 3 mindestens drei Mitglieder teilnehmen. Bei einem dreiköpfigen Aufsichtsrat führt das Stimmverbot eines Mitglieds nicht zur Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats; das betreffende Aufsichtsratsmitglied „kann und muss“ durch Stimmenthaltung an der Beschlussfassung teilnehmen.30) 13 Die bloße Unterbesetzung führt nach der ebenfalls zwingenden Regel des § 108 Abs. 2 Satz 4 auch dann nicht zur Beschlussunfähigkeit, wenn die Gruppenparität nicht gewahrt ist. 14 Die Mitbestimmungsgesetze enthalten besondere Regeln für die Beschlussfähigkeit, die innerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs zu beachten sind (siehe etwa § 28 Satz 1 MitbestG oder §§ 10 MontanMitbestG, 11 MitbestErgG).31) 15 Eine Teilnahme an der Beschlussfassung liegt nicht nur bei Abgabe einer Ja- oder NeinStimme vor, sondern auch bei einer Stimmenthaltung, wobei hierfür die Stimmbotschaft nach § 108 Abs. 3 oder Teilnahme nach § 108 Abs. 4 genügt.32) IV.
Schriftliche Stimmabgabe (§ 108 Abs. 3)
16 § 108 Abs. 3 lässt die Teilnahme an der Beschlussfassung des Aufsichtsrats oder seiner Ausschüsse mittels schriftlicher Stimmabgabe („Stimmbotschaft“) als Ausgleich für das Verbot der Stellvertretung (§ 111 Abs. 5) zu.33) Die in § 108 Abs. 3 Satz 2 und 3 zugelassenen Stimmboten dürfen keinen eigenen Entscheidungsspielraum haben; die Stimmbotschaft beschränkt sich auf die Überreichung einer fremden Erklärung.34) 17 Es ist streitig, ob für die Stimmbotschaft das Erfordernis eigener Namensunterschrift gilt oder ob auch Telegramm, Telefax oder E-Mail genügen. Mit der Einfügung des § 108 Abs. 4 steht die strenge Auffassung, die an dem Erfordernis der eigenen Namensunterschrift festhält,35) nicht in Einklang bzw. erscheint sie nicht sinnvoll36), weshalb von einer analogen Anwendung des § 108 Abs. 4 i. R. des § 108 Abs. 3 auszugehen ist.37) V.
Beschlussfassung ohne Sitzung (§ 108 Abs. 4)
18 § 108 Abs. 4 ermöglicht die Beschlussfassung des Aufsichtsrats ohne eine Präsenzsitzung, etwa schriftlich, fernmündlich oder in anderer vergleichbarer Form (etwa per E-Mail _____________ 30) BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056, 1058, Rz. 13; krit. zur Methodik: Hüffer, AktG, § 108 Rz. 11; s. a. Priester, AG 2007, 190 ff. 31) S. hierzu Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 35 und 39 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 59 f. 32) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 36 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 714, 723 und 726. 33) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 49; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 83. 34) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 50 und 56; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 724. 35) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 52 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 723. 36) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 86; Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 108 Rz. 13. 37) Hüffer, AktG, § 108 Rz. 15; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 86; HoffmannBecking in: Festgabe Happ, S. 81, 89 f.
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§ 108
Beschlußfassung des Aufsichtsrats
oder i. R. einer Videokonferenz). Das in § 108 Abs. 4 ausdrücklich genannte Widerspruchsrecht jedes Aufsichtsratsmitglieds kann durch eine Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung gänzlich ausgeschlossen werden, die die konkret vorgesehene Art der Beschlussfassung erlaubt.38) Für Aufsichtsratsausschüsse ist eine entsprechende spezielle Regelung erforderlich.39) Die Satzung oder die Geschäftsordnung kann die Beschlussfassung ohne Sitzung auch erschweren.40) Ob und unter welchen Voraussetzungen eine gemischte Beschlussfassung, bei der die Stimmabgabe in der Sitzung und nach § 108 Abs. 4 erfolgt, zulässig ist, wird nicht einheitlich beantwortet.41) Sie sollte daher in der Satzung oder Geschäftsordnung ausdrücklich erlaubt und geregelt werden.42) VI.
Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sind Aufsichtsratsbeschlüsse, die gegen 19 zwingendes Gesetzes- oder Satzungsrecht verstoßen gemäß §§ 134, 138 BGB grundsätzlich nichtig.43) Mit Blick auf die Nichtigkeitsfolge wird jedoch nach Art und Schwere des Beschlussmangels 20 differenziert.44) Schwerwiegende Mängel führen zur uneingeschränkten Nichtigkeit, auf die sich jeder Betroffene unbefristet und formlos berufen kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Beschlussinhalt gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung verstößt (Inhaltsmangel).45) Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses liegt auch bei wesentlichen Verfahrensfehlern vor, wie etwa bei Verstößen gegen die Vorschriften zur Beschlussfähigkeit oder zum Abstimmungsverfahren.46) Reine Ordnungsverstöße bzw. unwesentliche Verfahrensverstöße führen nicht zur uneingeschränkten Nichtigkeit. Dies gilt etwa für die Teilnahme einer nicht gemäß § 109 berechtigten Person an einer Aufsichtsratssitzung47) oder für Protokollmängel (siehe § 107 Abs. 2 Satz 3).48) Ein Verfahrensmangel führt auch dann nicht zur Beschlussnichtigkeit, wenn er – etwa durch Beschluss des Aufsichtsrats, Verzicht oder Genehmigung – geheilt wurde.49) _____________ 38) Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 338 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 66 f.; s. a. Seibert, ZIP 2001, 53, 54. 39) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 66; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 16. 40) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 68; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 92. 41) Zweifelnd Hüffer, AktG, § 108 Rz. 16; für Zulässigkeit auch ohne statutarische Ermächtigung: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 71; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 88. 42) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 727 a. E.; Miettinen/Villeda, AG 2007, 346, 348, s. a. Kindl, ZHR 166 (2002) 335, 343. 43) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 347, 351 f. = ZIP 1993, 1079, 1081, 1082; BGH Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 247 = ZIP 1997, 883, 884; BGH, Urt. v. 29.5.2000 – II ZR 47/99, ZIP 2000, 1336, 1337 – zum Verwaltungsrat einer Sparkasse; so auch überwiegend das Schrifttum, s. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 73; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 734; für analoge Anwendung der §§ 241 ff.: Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff. 44) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 351 f. = ZIP 1993, 1079, 1082; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 108 Rz. 34. 45) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 351 = ZIP 1993, 1079, 1082; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 108 Rz. 36; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 18. 46) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92(Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 351 = ZIP 1993, 1079, 1082; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 108 Rz. 37; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 18. 47) BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 349 f.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 76. 48) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 108 Rz. 35; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 79; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 737. 49) Ausführlich dazu Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 108 Rz. 167 ff.; s. a. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 109.
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§ 108
Beschlußfassung des Aufsichtsrats
21 Mängel der einzelnen Stimmabgabe schlagen nur dann auf das Beschlussergebnis durch, wenn der Beschluss ohne die betreffende Stimme nicht oder nicht so gefasst worden wäre.50) 22 Nach der Rechtsprechung des BGH führt die Mitwirkung von Nichtmitgliedern an Aufsichtsratsbeschlüssen nicht generell zu deren Nichtigkeit, sondern es kommt auf die Kausalität für die Beschlussfähigkeit und das Beschlussergebnis an.51) Eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen Aufsichtsratswahlen kann zur Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen führen, wenn dieser von der Stimme des Aufsichtsratsmitglieds abhängt, dessen Wahl erfolgreich angefochten wird.52) Der BGH lehnt insoweit die Anwendbarkeit der Lehre vom faktischen Organ53) ab, betrachtet aber im Einzelfall, ob die Rückabwicklung eines Aufsichtsratsbeschlusses den berechtigten Interessen der Beteiligten widerspricht.54) 23 Die klageweise Geltendmachung der Nichtigkeit kann durch Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erfolgen, die gegen die Gesellschaft zu richten ist und die ein Feststellungsinteresse erfordert.55) Klagebefugt ist jedes Aufsichtsratsmitglied56) und – je nach Inhalt des betreffenden Beschlusses – auch ein einzelnes Vorstandsmitglied.57) Weiter ist der Beitritt eines Aufsichtsratsmitglieds auf Seiten der Gesellschaft im Prozess mit einem Vorstandsmitglied über dessen Abberufung zulässig.58) Im Falle der erfolgreichen Anfechtung einer Aufsichtsratswahl führt die Beendigung des Amts durch Niederlegung dann zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses, wenn die Nichtigerklärung keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft, der Aktionäre sowie der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder hat.59) 24 Die Mangelhaftigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses ist unverzüglich geltend zu machen, etwa durch formlose Erklärung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden.60) Für die Erhebung der Feststellungsklage gilt keine Frist, insbesondere nicht die Monatsfrist des § 246; es kann aber Verwirkung eintreten.61) Ein Gebot zumutbarer Beschleunigung folgt nach Auffassung der Literatur auch aus der organschaftlichen Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder.62) Vergleichsverhandlungen über die Bereinigung eines fehlerhaften Beschlusses stehen einer Verwirkung wohl (analog § 203 BGB) entgegen.63) _____________ 50) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 75; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 736. 51) BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 346. 52) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, ZIP 2013, 720, 721. 53) Dafür: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 101 Rz. 70; Hüffer, AktG, § 101 Rz. 8; a. A. OLG Köln, Urt. v. 28.2.2008 – 18 U 3/08, ZIP 2008, 1767, 1768; Vetter, ZIP 2012, 701, 707 ff. 54) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, ZIP 2013, 720, 722; ausführlich dazu Arnold/Gayk, DB 2013, 1830 ff.; Buckel/Vogel, ZIP 2014, 58 ff. 55) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 351 = ZIP 1993, 1079, 1082; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 18; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 85. 56) BGH Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244, 247 = ZIP 1997, 883, 884; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 738. 57) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 738, Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 85. 58) BGH, Zwischenurt. v. 29.1.2013 – II ZB 1/11, ZIP 2013, 483, 484. 59) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – II ZR 56/12, ZIP 2013, 720, 721. 60) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 352 = ZIP 1993, 1079, 1082. 61) BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, ZIP 1993, 1862, 1863; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.6.1995 – 6 U 104/94, ZIP 1995, 1183, 1187; LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95, ZIP 1996, 1661, 1663, erachtet eine Überlegungszeit von rund drei Monaten als angemessen und nicht als illoyale Verzögerung. 62) Fleischer, DB 2013, 217, 222. 63) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 (Hamburg-Mannheimer), BGHZ 122, 342, 352 = ZIP 1993, 1079.
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Werner Paul Schick
Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse
§ 109
§ 109 Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse (1) 1An den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sollen Personen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören, nicht teilnehmen. 2Sachverständige und Auskunftspersonen können zur Beratung über einzelne Gegenstände zugezogen werden. (2) Aufsichtsratsmitglieder, die dem Ausschuß nicht angehören, können an den Ausschußsitzungen teilnehmen, wenn der Vorsitzende des Aufsichtsrats nichts anderes bestimmt. (3) Die Satzung kann zulassen, daß an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, an Stelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern teilnehmen können, wenn diese sie hierzu in Textform ermächtigt haben. (4) Abweichende gesetzliche Vorschriften bleiben unberührt. Literatur: Dreher, Direktkontakte des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft zu dem Vorstand nachgeordneten Mitarbeitern, in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 87; Lutter, Ehrenämter im Aktien- und GmbH-Recht, ZIP 1984, 645; Marsch-Barner, Zur Information des Aufsichtsrates durch Mitarbeiter des Unternehmens, in: Festschrift für Eberhard Schwark, 2009, S. 219; Schneider, Gemeinsame Sitzungen und gemeinsame Beschlussfassung von Aufsichtsräten im Konzern?, in: Festschrift für Horst Konzen, 2006, S. 881; Schneider, Die Teilnahme von Vorstandsmitgliedern an Aufsichtsratssitzungen, ZIP 2002, 873; Schnorbus/Ganzer, Gemeinsame Sitzungen von Aufsichtsorganen innerhalb eines Konzerns, AG 2013, 445.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ............................................ 1 II. Sitzungsteilnahme (§ 109 Abs. 1) .... 3 III. Teilnahme an Ausschusssitzungen (§ 109 Abs. 2) ................... 6 I.
IV. Teilnahme von ermächtigten Personen (§ 109 Abs. 3) .................... 8 V. Abweichende gesetzliche Vorschriften (§ 109 Abs. 4) .............. 9
Gegenstand und Zweck der Norm
§ 109 Abs. 1 Satz 1 enthält den Grundsatz,1) dass Personen, die weder Aufsichtsrats- 1 noch Vorstandsmitglieder sind, an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse nicht teilnehmen sollen. § 109 Abs. 1 Satz 2 erlaubt unter gewissen Voraussetzungen die Teilnahme von Sachverständigen und Auskunftspersonen. Die Beschränkung der Teilnahmemöglichkeiten von Nichtorganmitgliedern dient der Sicherung der Organisationsverfassung, zudem soll die Vertraulichkeit der Aufsichtsratsberatungen hierdurch gewährleistet werden.2) § 109 Abs. 2 behandelt das Teilnahmerecht von Aufsichtsratsmitgliedern an Sitzungen 2 von Ausschüssen, denen sie nicht angehören. Nach § 109 Abs. 3 kann die Satzung die Teilnahme ermächtigter Personen anstelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern zulassen. _____________ 1) 2)
Schneider in: FS Konzen, S. 881, 885, versteht § 109 Abs. 1 Satz 1 als Ordnungsvorschrift; so wohl auch die Rspr., s. BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 349 f. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 109 Rz. 5 f.; Hüffer, AktG, § 109 Rz. 1.
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§ 109 II.
Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse Sitzungsteilnahme (§ 109 Abs. 1)
3 Aufsichtsratsmitglieder haben ein grundsätzlich unentziehbares Teilnahmerecht kraft Amtes. Nur ausnahmsweise kann der Aufsichtsrat beschließen, ein Aufsichtsratsmitglied von der Sitzungsteilnahme auszuschließen, wenn andernfalls wichtige Gesellschaftsbelange gefährdet werden (etwa durch konkret belegbaren Geheimnisverrat).3) 4 Vorstandsmitglieder haben zwar kein eigenes Teilnahmerecht kraft Gesetzes, die Satzung kann ihnen aber ein Teilnahmerecht derart einräumen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende oder der Aufsichtsrat im Einzelfall anders entscheiden können.4) Sofern der Aufsichtsratsvorsitzende oder der Aufsichtsrat dies wünschen, sind die Vorstandsmitglieder zur Teilnahme verpflichtet.5) Regelmäßige Teilnahme der Vorstandsmitglieder an den Aufsichtsratssitzungen ist üblich und grundsätzlich sachgerecht.6) Allerdings soll der Aufsichtsrat bei Bedarf auch ohne sie tagen (so auch die Empfehlung in Ziff. 3.6 Abs. 2 DCGK). Personen, die nicht Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied sind, haben kein Teilnahmerecht nach § 109 Abs. 1 Satz 1; dies gilt auch für ehemalige Mitglieder (etwa Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats).7) 5 Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 können Sachverständige und Auskunftspersonen zur Beratung einzelner Gegenstände zugelassen werden. Die Begriffe „Sachverständige und Auskunftspersonen“ sind weit auszulegen. Sachverständiger ist jeder, der eine spezifische Sachkunde besitzt.8) Als Auskunftsperson kommt jede Person in Betracht, die über bestimmte Vorgänge aus ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft berichten soll oder von der sich der Aufsichtsrat eine Information verspricht.9) Die Entscheidung über die Zulassung trifft vorbehaltlich abweichender Mehrheitsentscheidungen des Aufsichtsrats der Aufsichtsratsvorsitzende.10) Nehmen Dritte unzulässigerweise an einer Sitzung teil, so berührt dies nicht die Wirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse.11) III.
Teilnahme an Ausschusssitzungen (§ 109 Abs. 2)
6 Während Aufsichtsratsmitglieder, die einem Ausschuss angehören, zur Teilnahme an dessen Sitzungen berechtigt und verpflichtet sind, haben die dem Ausschuss nicht angehörenden Aufsichtsratsmitglieder nach § 109 Abs. 2 nur grundsätzlich ein Teilnahmerecht. Der Aufsichtsratsvorsitzende, nicht aber der jeweilige Ausschussvorsitzende, kann festlegen, dass sie nicht teilnehmen dürfen. Hierfür sind im Einzelfall sachliche Gründe erforderlich;12) ein genereller Ausschluss (etwa durch die Geschäftsordnung oder die Satzung) wird als Verstoß gegen die Wertung des § 109 Abs. 2 erachtet und daher allenfalls für einzelne Ausschüsse als zulässig erachtet.13) Der Aufsichtsratsvorsit_____________ 3) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 699; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 109 Rz. 10. 4) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 701; Hüffer, AktG, § 109 Rz. 3. 5) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 701; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 49. 6) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 701; Schneider, ZIP 2002, 873, 875 f. 7) Lutter, ZIP 1984, 645, 651 f.; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 109 Rz. 12. 8) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 109 Rz. 17; Hüffer, AktG, § 109 Rz. 5. 9) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 109 Rz. 18; Hüffer, AktG, § 109 Rz. 5. 10) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 47; Semler/v. Schenck-Semler, ArbHdb. AR, § 4 Rz. 78. 11) BGH, Urt. v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 349 f. 12) LG München I, Urt. v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, BB 2007, 2473, 2474 f., dazu EWiR 2008, 193, 194 (Peus). 13) LG München I, Urt. v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, BB 2007, 2473, 2474 f., dazu EWiR 2008, 193, 194 (Peus); Semler/v. Schenck-Gittermann, ArbHdb. AR, § 6 Rz. 161; Hüffer, AktG, § 109 Rz. 6.
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§ 110
Einberufung des Aufsichtsrats
zende kann von der Teilnahme an der Personalausschusssitzung mit der Begründung ausschließen, dass dort vertrauliche Themen behandelt werden sollen.14) Als Rechtsschutzmöglichkeit betroffener Aufsichtsratsmitglieder kommt eine Feststellungsklage gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand (§ 112), in Betracht.15) Die einem Ausschuss nicht angehörenden Aufsichtsratsmitglieder haben grundsätzlich 7 ein Recht auf Einsichtnahme in alle Unterlagen, die Grundlage der Ausschussberatungen sind, sowie auf Einsicht in die Ausschussprotokolle.16) Diese Einsichtsrechte entfallen aber, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende ein Aufsichtsratsmitglied nach § 109 Abs. 2 von der Teilnahme ausschließt;17) entsprechend § 109 Abs. 2 kann auch nur die Protokolleinsicht ausgeschlossen werden.18) IV. Teilnahme von ermächtigten Personen (§ 109 Abs. 3) Die nach § 109 Abs. 3 zulässige Ermächtigung muss lediglich Textform (§ 126b BGB) 8 haben, d. h. es genügen unterschriftslose Erklärungen (etwa E-Mail oder Telefax). Die Satzung muss die Regelung über die Zulassung ermächtigter Personen selbst treffen, sie kann nicht dem Aufsichtsratsvorsitzenden übertragen bzw. überlassen werden.19) Das Teilnahmerecht gibt nur Recht auf Anwesenheit, nicht aber ein eigenes Rede- und Antragsrecht. Die Stimmabgabe des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds ist nach Maßgabe des § 108 Abs. 3 zulässig. Die ermächtigte Person kann – wie das Aufsichtsratsmitglied selbst – nach § 109 Abs. 2 ausgeschlossen werden.20) V. Abweichende gesetzliche Vorschriften (§ 109 Abs. 4) Die nach § 109 Abs. 4 unberührt bleibenden abweichenden gesetzlichen Vorschriften sind 9 insbesondere aufsichtsrechtliche Sonderbestimmungen, die ein Teilnahme- und Rederecht für Vertreter der Aufsichtsbehörden begründen (etwa § 44 Abs. 4 KWG, § 83 Abs. 1 Nr. 5 VAG).21) _____________ 14) LG München I, Urt. v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, BB 2007, 2473, 2474 f., dazu EWiR 2008, 193, 194 (Peus). 15) LG München I, Urt. v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, BB 2007, 2473, 2474 f., dazu EWiR 2008, 193, 194 (Peus). 16) OLG Hamburg, Urt. v. 25.5.1984 – 11 U 183/83, AG 1984, 248, 251; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 785. 17) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 109 Rz. 73; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 785. 18) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 109 Rz. 73; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 785. 19) Reg. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr, BT-Drucks. 14/4987, S. 18 f. 20) Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 109 Rz. 28; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 109 Rz. 38. 21) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 109 Rz. 92; zu den aufsichtsrechtlichen Vorgaben der BaFin für die Teilnahme von Vorstandsmitgliedern, s. Schneider in: FS Konzen, S. 881, 884 f.
§ 110 Einberufung des Aufsichtsrats (1) 1Jedes Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand kann unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats unverzüglich den Aufsichtsrat einberuft. 2Die Sitzung muß binnen zwei Wochen nach der Einberufung stattfinden. (2) Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand unter Mitteilung des Sachverhalts und der Angabe einer Tagesordnung selbst den Aufsichtsrat einberufen. Werner Paul Schick
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§ 110
Einberufung des Aufsichtsrats
(3) 1Der Aufsichtsrat muss zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abhalten. 2In nichtbörsennotierten Gesellschaften kann der Aufsichtsrat beschließen, dass eine Sitzung im Kalenderhalbjahr abzuhalten ist. Literatur: Bauer/Krieger, Formale Fehler bei Abberufung und Kündigung vertretungsberechtigter Organmitglieder, ZIP 2004, 1247; Götz, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats nach dem Transparenz- und Publizitätsgesetz, NZG 2002, 599; Knigge, Änderungen des Aktienrechts durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, WM 2002, 1729; Seibert, Das „TransPuG“, NZG 2002, 608.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. II. Einberufung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 110 Abs. 1) ..................................... 1. Zuständigkeit ..................................... 2. Form und Frist .................................. I.
1
3 3 4
3. Inhalt ................................................... 5 4. Einberufungsmängel ........................... 6 III. Recht auf Einberufung (§ 110 Abs. 1) ..................................... 7 IV. Selbsthilferecht (§ 110 Abs. 2) ......... 9 V. Anzahl der Sitzungen (§ 110 Abs. 3) ............................................... 11
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Die Norm regelt – wenn auch nicht umfassend – die Einberufung des Aufsichtsrats; die Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden wird hierbei vorausgesetzt.1) § 110 Abs. 1 gewährt jedem Aufsichtsratsmitglied oder dem Vorstand ein Recht auf Einberufung, § 110 Abs. 2 enthält ein Selbsteinberufungsrecht. Bezweckt wird hierdurch die Sicherstellung einer effektiven Überwachungstätigkeit.2) In § 110 Abs. 3 wird die Mindestanzahl von Aufsichtsratssitzungen geregelt. 2 Durch die Satzung können die Modalitäten der Einberufung und eine höhere Sitzungsfrequenz geregelt werden; die Einberufung kann erleichtert werden. Im Übrigen ist die Norm insoweit zwingend, als die Satzung die Anforderungen an die Einberufung nicht verschärfen und von dem Mindestturnus nach § 110 Abs. 3 nicht befreien kann.3) II.
Einberufung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 110 Abs. 1)
1.
Zuständigkeit
3 Wenn der Aufsichtsratsvorsitzende, von dessen Zuständigkeit das Gesetz ausgeht, (vorübergehend) verhindert ist, obliegt seinem Stellvertreter die Einberufung nach § 107 Abs. 1 Satz 3. Sind beide verhindert, kann entsprechend § 110 Abs. 2 ein Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand den Aufsichtsrat einberufen.4) Die Einberufung ist kein Rechtsgeschäft, sondern innergesellschaftliche Verfahrenshandlung, die der Aufsichtsratsvorsitzende im eigenen Namen und nicht als Vertreter der AG vornimmt.5) Sofern kein Einberufungsverlangen nach § 110 Abs. 1 vorliegt und der Mindestturnus nach § 110
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
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Hüffer, AktG, § 110 Rz. 1; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 1. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 2; s. a. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 3. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 1; Hopt/Roth in: GroßKommAktG, § 110 Rz. 6 und 53 f. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 11 Rz. 690; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 3. BGH, Urt. v. 30.3.1987 – II ZR 180/86, BGHZ 100, 264, 267 = NJW 1987, 2580, 2581; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 2.
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§ 110
Einberufung des Aufsichtsrats
Abs. 3 gewahrt ist, entscheidet der Aufsichtsratsvorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einberufung; mithin ist das Wohl der Gesellschaft maßgebend.6) 2.
Form und Frist
Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats kann die Modalitäten der Ein- 4 berufung mangels gesetzlicher Bestimmungen regeln. Sofern dort keine Regelungen getroffen werden,7) kann in jeder Weise, auch mündlich oder telefonisch, einberufen werden; die Frist bis zum Sitzungstag muss jedoch angemessen sein.8) Teilweise wird angenommen, dass die Einberufungsfrist wegen § 110 Abs. 1 Satz 2 nicht länger als zwei Wochen sein dürfe.9) Letzteres überzeugt nicht, da § 110 Abs. 1 Satz 2 nur den Fall des Einberufungsverlangens betrifft.10) 3.
Inhalt
Die Einberufung muss den Ort und den Zeitpunkt sowie die Gegenstände der Tages- 5 ordnung angeben.11) Die Mitteilung von konkreten Beschlussvorschlägen (Anträgen) wird zwar nicht als Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Einberufung angesehen, wohl aber als Amtspflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden, wobei deren Mitteilung nicht bereits mit der Einberufung erfolgen muss.12) Die Umschreibung der Beschlussvorschläge (Anträge) sollte hinreichend präzis sein, um den Aufsichtsratsmitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung der Sitzung zu ermöglichen.13) Während in der Literatur teilweise angenommen wird, dass allgemeine Bezeichnungen (etwa „Vorstandsangelegenheiten“) „im Regelfall“ für eine wirksame Beschlussfassung ausreichen,14) genügt dies nach der Rechtsprechung15) und zutreffender Ansicht16) nicht. 4.
Einberufungsmängel
Gravierende Einberufungsmängel führen als Verfahrensverstöße zur Nichtigkeit der 6 Beschlüsse, sofern nicht gleichwohl alle Aufsichtsratsmitglieder anwesend waren.17) Als Nichtigkeitsgründe kommen eine unangemessen kurze Ladungsfrist, fehlende Angabe von Ort/Zeit der Sitzung oder die unterbliebene bzw. nicht rechtzeitige Mitteilung der Tagesordnung in Betracht.18) Über nicht bzw. nicht rechtzeitig oder nicht konkret genug _____________ 6) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 7; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 12. 7) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 8; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 15. 8) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 9; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, § 31 Rz. 38; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 3. 9) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 9 Rz. 569; a. A.: Hüffer, AktG, § 110 Rz. 3. 10) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 9; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 16; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 3. 11) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 10; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 39; s. aber auch Hüffer, AktG, § 110 Rz. 4. 12) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 11; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 41. 13) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 19; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 23; s. a. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 41. 14) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 41 m. w. N. 15) OLG Stuttgart, Urt. v. 15.4.1985 – 2 U 57/85, BB 1985, 879, 880; BGH, Urt. v. 29.5.2000 – II ZR 49/99, ZIP 2000, 1336, 1337 – zur Verwaltungsratssitzung einer Sparkasse; s. a. Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247, 1250. 16) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 23; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 19. 17) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 5. 18) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 12; nach Hüffer, AktG, § 110 Rz. 5, stellt die unterbliebene Mitteilung einer förmlichen Tagesordnung oder von Beschlussanträgen keinen Nichtigkeitsgrund dar.
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§ 110
Einberufung des Aufsichtsrats
angegebene Beschlussgegenstände kann nur abgestimmt werden, wenn kein anwesendes Aufsichtsratsmitglied widerspricht; nicht anwesenden Mitgliedern ist Gelegenheit zur nachträglichen Stimmabgabe zu geben.19) III.
Recht auf Einberufung (§ 110 Abs. 1)
7 Jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied kann nach § 110 Abs. 1 Satz 1 unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende unverzüglich den Aufsichtsrat einberuft.20) Das Einberufungsrecht besteht auch, wenn der Beschlussgegenstand auf einen Ausschuss delegiert ist; insoweit kommt es nicht darauf an, ob das Aufsichtsratsmitglied dem Ausschuss angehört.21) Dem Vorstand steht das Einberufungsrecht nur als Organ zu.22) 8 Das Einberufungsverlangen nach § 110 Abs. 1 Satz 1 bedarf keiner Form.23) Der anzugebende Zweck ist der Gegenstand, über den in der Aufsichtsratssitzung beschlossen oder verhandelt werden soll.24) Die Gründe der Einberufung sind die Umstände, die die Sitzung erforderlich machen.25) Das Einberufungsrecht umfasst auch das Recht auf Ergänzung der Tagesordnung einer bereits einberufenen Sitzung.26) Das Einberufungsrecht kann durch die Satzung nur erleichtert, aber nicht beschränkt werden.27) IV.
Selbsthilferecht (§ 110 Abs. 2)
9 § 110 Abs. 2 begründet ein Selbsthilferecht, wenn einem Einberufungsverlangen gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 nicht entsprochen wird.28) Es steht jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zu.29) Der Vorstand muss als Organ die Einberufung verlangen.30) 10 Die Einberufung muss den üblichen Anforderungen genügen. Zudem sind die Voraussetzungen für das Selbsthilferecht, insbesondere das vergebliche Einberufungsverlangen, dessen Inhalt und Zugang sowie das Untätigbleiben des Aufsichtsratsvorsitzenden, anzugeben.31) Die Zwei-Wochen-Frist des § 110 Abs. 1 Satz 2 gilt für die Einberufung qua Selbsthilferecht nicht.32) V.
Anzahl der Sitzungen (§ 110 Abs. 3)
11 Die Regelung des § 110 Abs. 3, die zwei Aufsichtsratssitzungen je Kalenderhalbjahr vorsieht, ist für börsennotierte Gesellschaften (§ 3 Abs. 2) zwingend (§ 110 Abs. 3 Satz 1), bei nicht-börsennotierten Gesellschaften kann der Aufsichtsrat nach § 110 Abs. 3 Satz 2 _____________ 19) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 24; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 21. 20) OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.6.2012 – Ws 44/12, Ws 45/12, ZIP 2012, 1860, 1862; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 26; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 22. 21) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 26; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 22. 22) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 13; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 23. 23) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 8; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 24. 24) Hüffer, AktG, § 110 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 27. 25) Hüffer, AktG, § 110 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 27. 26) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 29; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 26. 27) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 110 Rz. 30; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 29. 28) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 8. 29) OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.6.2012 – Ws 44/12, Ws 45/12, ZIP 2012, 1860, 1862; Götz, NZG 2002, 599, 601; Seibert, NZG 2002, 608, 610. 30) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 8. 31) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 35; Hüffer, AktG, § 110 Rz. 9. 32) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 15; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 36; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 44.
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hierüber mit einfacher Mehrheit disponieren.33) Bei gesteigerten Überwachungspflichten des Aufsichtsrats aufgrund einer Krise der Gesellschaft (siehe hierzu § 111 Rz. 5), kann eine deutlich höhere Anzahl an Sitzungen für die Erfüllung der erforderlichen Überwachungstätigkeit erforderlich sein.34) Nach § 110 Abs. 3 muss der Aufsichtsrat die Sitzungen „abhalten“. Hierdurch wird 12 klargestellt, dass Aufsichtsratssitzungen auch in Form einer Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden können.35) Mit Blick auf § 108 Abs. 4 müssen die Satzung oder die Geschäftsordnung ein Verfahren vorsehen, damit der Widerspruch eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds hiergegen unbeachtlich bleibt.36) _____________ 33) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 18; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 110 Rz. 41; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 35. 34) S. hierzu: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 18.10.2007 – 1 HK 0 6564/07, BeckRS 2008, 01960. 35) Götz, NZG 2002, 599, 601; Knigge, WM 2002, 1729, 1732; Seibert, NZG 2002, 608, 610; a. A.: K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 110 Rz. 20. 36) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 66 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 31 Rz. 90.
§ 111 Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. (2) 1Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. 2Er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. 3Er erteilt dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluß gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs. (3) 1Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. 2Für den Beschluß genügt die einfache Mehrheit (4) 1Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. 2Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. 3 Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. 4Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. 5Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen. (5) Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen. Literatur: Börsig/Löbbe, Die gewandelte Rolle des Aufsichtsrats – 7 Thesen zur Corporate Governance Entwicklung in Deutschland, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 125; Casper, Hat die grundsätzliche Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats im Sinne des ARAG/Garmenbeck-Urteils ausgedient?, ZHR 176 (2012), 612; Dreher, Direktkontakte des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft zu dem Vorstand nachgeordneten Mitarbeitern, in: Festschrift für Peter Ulmer, 2003, S. 87; Fischbach, Hauptversammlungsvorlagen des Aufsichtsrats, AG 2013, 1153; Fleischer, Gestaltungsgrenzen für Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, BB 2013, 835; Fonk, Zustimmungsvorbehalte des AG-Aufsichts-
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rats, ZGR 2006, 841; Goette, Grundsätzliche Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats bei sorgfaltswidrig schädigendem Verhalten im AR-Vorstand?, ZHR 176 (2012), 588; Goette, Zur ARAG/Garmenbeck-Doktrin, in: Gedächtnisschrift für Martin Winter, 2011, S. 155; Habersack, Grund und Grenzen der Compliance-Verantwortung des Aufsichtsrats der AG, AG 2014, 1; Henze, Prüfungs- und Kontrollaufgaben des Aufsichtsrates in der Aktiengesellschaft – Die Entscheidungspraxis des Bundesgerichtshofes, NJW 1998, 3309; Hoffmann, Urteilsbildungsund Verhinderungspflicht des Aufsichtsrats, AG 2012, 478; Hoffmann-Becking, Das Recht des Aufsichtsrats zur Prüfung durch Sachverständige nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG, ZGR 2011, 136; Hopt, Die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat: Grundsatz und Praxisprobleme – unter besonderer Berücksichtigung der Banken, ZIP 2013, 1793; Koch, Keine Ermessensspielräume bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern, AG 2009, 93; Lutter, Der Aufsichtsrat im Konzern, AG 2006, 517; Lutter, Professionalisierung des Aufsichtsrats, DB 2009, 775; Paefgen, Die Inanspruchnahme pflichtvergessener Vorstandsmitglieder als unternehmerische Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats, AG 2008, 761; Roth, Möglichkeiten vorstandsunabhängiger Information des Aufsichtsrats, AG 2004, 1; Schlitt, Der aktive Aufsichtsratsvorsitzende, DB 2005, 2007; Schüppen, Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsrat – alte Fragen und aktuelle Entwicklungen, ZIP 2012, 1317; Thiessen, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats zwischen Pflicht und Kür, AG 2013, 573.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. II. Überwachungsaufgabe ..................... 1. Geschäftsführung als Gegenstand der Überwachung (§ 111 Abs. 1) ...... 2. Überwachungsaufgabe ...................... 3. Mittel der Überwachung ................... 4. Organpflicht ...................................... III. Einsichts- und Prüfungsrecht (§ 111 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2) ...... I.
1 2 2 4 6 8
IV. Abschlussprüfung (§ 111 Abs. 2 Satz 3) ........................ 10 V. Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (§ 111 Abs. 3) ................................... 11 VI. Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4) ................................... 13 VII. Persönliche Wahrnehmung (§ 111 Abs. 5) ................................... 15
9
Gegenstand und Zweck der Norm
1 § 111 enthält die wichtigsten Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats. Diese werden jedoch nicht umfassend und abschließend umschrieben.1) Zweck der Norm ist die Hervorhebung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats und zugleich die Abgrenzung der Kompetenzen gegenüber dem Vorstand und der Hauptversammlung.2) II.
Überwachungsaufgabe
1.
Geschäftsführung als Gegenstand der Überwachung (§ 111 Abs. 1)
2 Der Aufsichtsrat hat in erster Linie die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen.3) Der Begriff der Geschäftsführung stimmt nicht mit dem in § 77 überein. Der Aufsichtsrat hat nicht jedwede Maßnahme des Vorstands zu überwachen, sondern nur die_____________ 1)
2) 3)
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Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 23; zu den weiteren gesetzlichen Zuständigkeiten des Aufsichtsrats s.: K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 2; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29 Rz. 1 ff. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 1; Habersack in: MünchKommAktG, § 111, Rz. 1. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 61; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 24, 150.
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jenigen, die der Leitung der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1) zuzuordnen sind.4) Er ist aber nicht verpflichtet, auch die Durchführung der Leitungsentscheidungen im Einzelnen zu verfolgen und die gesamte Geschäftsführung en detail zu prüfen und zu überwachen.5) Die den Überwachungsgegenstand bildenden Leitungs- und Führungsentscheidungen können insbesondere anhand der Informations- und Berichtspflichten nach § 90 konkretisiert werden.6) Den zu überwachenden Personenkreis bildet der nach § 90 primär berichtspflichtige 3 Vorstand, der Aufsichtsrat ist nicht verpflichtet, die Tätigkeit von nachgeordneten Mitarbeitern (leitenden Angestellten) zu überwachen; in der Regel ist er auch nicht befugt, direkt und „am Vorstand vorbei“ Auskünfte von leitenden Angestellten einzuholen.7) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Vorstand unrichtig oder unvollständig berichtet, oder eine direkte Berichtslinie etwa des Leiters der internen Revision odes des Chief Compliance Officers8) zum Aufsichtsrat oder zum Prüfungsausschuss besteht.9) 2.
Überwachungsaufgabe
Die Überwachungsaufgabe bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Vorgänge, sondern 4 erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik.10) Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats enthält die Pflicht den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten.11) Der Aufsichtsrat ist auch mitunternehmerisches Organ der Gesellschaft12), das zukunftsorientiert als Berater aktiv in die künftige Geschäftspolitik einbezogen wird13), was auch seinen Niederschlag im DCGK findet (Ziff. 5.1.1).14) Die Kontrolle der Geschäftsführung ist nicht nur auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle 5 beschränkt, sondern muss auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einbeziehen.15) In der Normallage der Gesellschaft beschränkt sich die Intensität dieser Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitskontrolle auf die Überwachung durch den Aufsichtsrat (Plausibilitätskontrolle);16) er muss erst dann eingreifen, wenn eine Maßnahme des _____________ 4) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 11; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 63; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 2 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29, Rz. 22. 5) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29 Rz. 23; Krieger/Schneider-Krieger, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rz. 24. 6) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29 Rz. 23; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 12. 7) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29 Rz. 24; Hüffer, AktG, § 90 Rz. 11 und § 111 Rz. 12. 8) Ausführlich zur Compliance-Verantwortung des Aufsichtsrats, Habersack, AG 2014, 1 ff. 9) Ausführlich dazu: Dreher in: FS Ulmer, S. 87, 90 ff.; Börsig/Löbbe in: FS Hoffmann-Becking, S. 125, 137 f.; Habersack, AG 2014, 1, 6 f. 10) BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. = ZIP 1991, 653, 654. 11) BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 (1. LS) = ZIP 1991, 653; BGH, Urt. v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 = ZIP 1994, 1216, 1217. 12) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 5 und 18 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 2 Rz. 58 und § 3 Rz. 76; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 13 und 39 f. 13) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244, 255 = ZIP 1997, 883, 886; zur begleitenden Mitgestaltung der unternehmerischen Tätigkeit des Vorstands i. S. einer präventiven Kontrolle durch den Aufsichtsrat: BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. = ZIP 1991, 653, 654; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 94; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 5; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 58 ff. 14) S. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Lutter, DCGK, Rz. 870 ff.; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 777 f. 15) BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. = ZIP 1991, 653, 654. 16) BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1057, 1060; Hoffmann, AG 2012, 478, 479.
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Vorstands als unvertretbar erscheint.17) Die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats muss sich mit steigender Risikolage18) der Gesellschaft und insbesondere in der Krise intensivieren.19) Es bleibt aber auch dann für den Aufsichtsrat beim Geschäftsführungsverbot des § 111 Abs. 4 Satz 1.20) Die „begleitende“ Überwachung in der Normallage der Gesellschaft verändert sich bei Verschlechterung der Lage bzw. in der Krise in eine unterstützende Überwachung mit großer Kontrolldichte.21) Es ist dann eine intensivere Überwachungstätigkeit erforderlich22) und der Aufsichtsrat ist etwa zu Nachfragen verpflichtet.23) Bei besonders bedeutsamen und bei mit besonderen Risiken verbundenen Geschäften gehört es zu den Überwachungspflichten des Aufsichtsrats, dass er sich insoweit kundig macht; der Aufsichtsrat hat selbständig den relevanten Sachverhalt vollständig und richtig zu erfassen, der Aufsichtsrat ist dann zur eigenständigen Risikoanalyse verpflichtet.24) Diese Pflicht trifft nicht nur den Aufsichtsrat als Gesamtorgan, sondern auch jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied persönlich.25) 3.
Mittel der Überwachung
6 In § 111 werden dem Aufsichtsrat folgende Rechte zur Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe eingeräumt: –
Recht zur Einsichtnahme und Prüfung (§ 111 Abs. 2);
–
Recht zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (§ 111 Abs. 3);
–
Recht (und Verpflichtung) zur Anordnung von Zustimmungsvorbehalten (§ 111 Abs. 4 Satz 2).
7 Als weitere Mittel der Überwachung sind –
die Einholung der Berichte nach § 90 und die inhaltliche Auseinandersetzung hiermit
–
die Personalkompetenz nach § 84,
–
der Erlass und die Anpassung der Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 Abs. 2 Satz 1) bzw. der Geschäftsverteilung,
–
die Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses (§ 171) sowie
–
die Prüfung und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern26)
_____________ 17) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 86; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 7. 18) Zur Intensivierung der Überwachungspflicht bei besonders bedeutenden bzw. risikoreichen Derivatgeschäften: OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11 (Piech), ZIP 2012, 625, 627; s. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 – I – 6 W 45/09, ZIP 2010, 28, 32 f.; Krieger/Schneider-Krieger, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rz. 26. 19) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 22 und 24 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 45 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 87 ff. 20) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 43 u. 46; Spindler in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rz. 26. 21) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 87; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 7. 22) OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.6.2012 – 20 W 1/12, ZIP 2012, 1965, 1968; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.2012 – I – 16 U 176/10, ZIP 2012, 2299, 2302. 23) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 – I-6 W 45/09, ZIP 2010, 28, 33. 24) BGH, Beschl. v. 6.11.2012 – II ZR 111/12, ZIP 2012, 2438, 2439; OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11, ZIP 2012, 625, 627; krit. hierzu Hoffmann, AG 2012, 478, 482 ff. 25) OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11, ZIP 2012, 625, 628; diff.: Krieger/Schneider-Krieger, Hdb. Managerhaftung, § 3 Rz. 28. 26) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244, 254 = ZIP 1997, 883, 885; ausführlich dazu Henze, NJW 1998, 3309 ff.; Koch, AG 2009, 93 ff., Paefgen, AG 2008, 761 ff.
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zu nennen. Der Aufsichtsrat ist in der Regel zur Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder verpflichtet; insoweit steht ihm kein Ermessen zu.27) Auf die aussichtsreiche Anspruchsverfolgung kann der Aufsichtsrat nur ausnahmsweise verzichten, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegen sprechen und sie die Gründe für eine Rechtsverfolgung überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind.28) 4.
Organpflicht
Durch § 111 Abs. 1 wird der Aufsichtsrat als Organ zur Überwachung der Geschäfts- 8 führung verpflichtet. Eine Delegation auf einen Ausschuss oder einzelne Aufsichtsratsmitglieder ist daher grundsätzlich nicht zulässig.29) Die fehlende Verweisung auf § 111 Abs. 1 in § 107 Abs. 3 Satz 3 steht dem nicht entgegen.30) Es ist aber zulässig und in Anbetracht der Fülle der Aufgaben des Aufsichtsrats ratsam, dass sich der Aufsichtsrat für einzelne und begrenzte Aspekte der Hilfe eines Ausschusses oder einzelner seiner Mitglieder bedient.31) Hiervon bleibt aber die Gesamtverantwortung des Organs unberührt.32) III.
Einsichts- und Prüfungsrecht (§ 111 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2)
Das in § 111 Abs. 2 Satz 1 enthaltene Einsichts- und Prüfungsrecht ist (unter Beachtung 9 des erforderlichen sachlichen Bezugs zur Gesellschaft) weit und beschränkt sich nicht auf die exemplarisch genannten Gegenstände. Es steht nur dem Gesamtaufsichtsrat zu.33) Der Aufsichtsratsvorsitzende und das einzelne Aufsichtsratsmitglied haben kein eigenes Einsichts- und Prüfungsrecht. Der Aufsichtsrat kann es aber an einzelne Mitglieder (§ 111 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1) oder einen Ausschuss delegieren. Hierfür und zur Ausübung des Rechts ist ein Aufsichtsratsbeschluss erforderlich.34) Nach § 111 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 kann der Aufsichtsrat auch besondere Sachverständige mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben beauftragen. Es muss sich um bestimmte Einzelaufgaben handeln. Die Beauftragung muss inhaltlich und zeitlich begrenzt sein.35) Zur Beauftragung ist ein Beschluss des Aufsichtsrats bzw. des ermächtigten Ausschusses erforderlich. Für einen bestimmten Prüfungsbereich kann dies im Einzelfall (im Zusammenhang mit einer konkreten Prüfungsanordnung) auf den Aufsichtsratsvorsitzenden übertragen werden.36) Soweit ein Zusammenhang mit dem Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 111 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 besteht, kann der Aufsichtsrat auch ausnahmsweise berechtigt sein, Angestellte des Unternehmens direkt zu befragen.37) _____________ 27) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244, 255 f. = ZIP 1993, 883, 886; Koch, AG 2009, 93, 97 und 101; Henze, NJW 1998, 3309, 3310; a. A. Paefgen, AG 2008, 761, 762 ff.; s. aber auch Goette in: GS Winter, S. 155, 161 ff., 163. 28) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244, 256 = ZIP 1993, 883, 886; Henze, NJW 1998, 3309, 3310; Goette in: GS Winter, S. 155, 163 ff.; Hopt, ZIP 2013, 1793, 1803 f. 29) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 49; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 108. 30) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 49 und § 107 Rz. 133; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 9. 31) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 49; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 9. 32) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 49; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 9. 33) OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2007 – 20 U 14/06, AG 2007, 873, 877; Schlitt, DB 2005, 2007, 2010. 34) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 62 und 71; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 419 f. 35) BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 (Hertie), BGHZ 85, 293, 296 = ZIP 1983, 55, 56; HoffmannBecking, ZGR 2011, 136, 148. 36) Mertens in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl., § 111 Rz. 50; s. aber auch Hüffer, AktG, § 111 Rz. 11. 37) Ausführlich dazu Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 152 f.; Dreher in: FS Ulmer, S. 87, 94 ff.
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§ 111 IV.
Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats Abschlussprüfung (§ 111 Abs. 2 Satz 3)
10 Durch die Zuweisung der Zuständigkeit für die Erteilung des Prüfungsauftrags an den Aufsichtsrat in § 111 Abs. 2 Satz 3 wird die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers vom Vorstand betont. Zugleich wird hierdurch unterstrichen, dass der Prüfer den Aufsichtsrat bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe zu unterstützen hat.38) Von der Erteilung des Prüfungsauftrags zu unterscheiden ist die Bestellung des Abschlussprüfers, die der Hauptversammlung der Gesellschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 4) bzw. des Mutterunternehmens (§ 318 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB) obliegt. V.
Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (§ 111 Abs. 3)
11 Wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert, hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 3 Satz 1 eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Auf diesem Weg kann der Aufsichtsrat Beschlüsse der Hauptversammlung (§ 119 Abs. 1) initiieren39) sowie ihr Gelegenheit geben, Geschäftsführungsfragen zu erörtern oder Vorstandsmitgliedern das Vertrauen zu entziehen (wichtiger Grund zur Abberufung gemäß § 84 Satz 2).40) 12 Das Recht zur Einberufung steht dem Aufsichtsrat als Organ zu und kann nach § 107 Abs. 3 Satz 3 nicht an einen Aufsichtsratsausschuss delegiert werden.41) VI.
Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4)
13 § 111 Abs. 4 Satz 1 regelt zwingend, dass dem Aufsichtsrat keine Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden können. Hierdurch wird insbesondere auch ausgeschlossen, dass der Aufsichtsrat dem Vorstand Weisungen erteilen kann.42) Die nach § 111 Abs. 4 Satz 2 vorzusehenden Zustimmungsvorbehalte sind Instrumente vorbeugender Überwachung, durch die der Aufsichtsrat an der Geschäftsführung partizipiert.43) § 111 Abs. 4 Satz 2 relativiert insoweit Satz 1.44) 14 Die Zustimmungsvorbehalte sind durch die Satzung oder den Aufsichtsrat zu bestimmen. § 111 Abs. 4 Satz 2 enthält selbst keine inhaltlichen Vorgaben für die zustimmungspflichtigen Geschäfte. Hierzu können etwa wesentliche Geschäfte bzw. solche von grundlegender Bedeutung gehören, wie insbesondere Entscheidungen oder Maßnahmen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern.45) Der Aufsichtsrat hat dementsprechend nach pflichtgemäßem Ermessen die Zustimmungsvorbehalte unternehmensbezogen festzulegen.46) Durch die Satzung kann die Befugnis des Aufsichtsrats zur Festlegung von Zustimmungsvorbehalten nicht beschränkt werden.47) _____________ 38) RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BTDrucks. 13/9712, S. 16; ausführlich zum Verhältnis von Prüfer und Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss, auch im Lichte der Reformüberlegungen der EU-Kommission: Schüppen, ZIP 2012, 1317 ff. 39) Zur Frage der Zulässigkeit einer Hauptversammlungsvorlage durch den Aufsichtsrat analog § 119 Abs. 2: Fischbach, ZIP 2013, 1153, 1154 ff. 40) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 123; a. A. hinsichtlich der Erörterung von Geschäftsführungsfragen: Hüffer, AktG, § 111 Rz. 14. 41) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 45; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 15. 42) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 557; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 97. 43) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244, 255 = ZIP 1997, 883, 886; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 112 Rz. 47; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 100. 44) Hüffer, AktG, § 111 Rz. 16; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 99. 45) In diese Richtung gehen die Äußerungen im RegE eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG), BT-Drucks. 14/8769, S. 17 (re. Sp.); bzw. Ziff. 3.3 DCGK; ausführlich dazu Fleischer, BB 2013, 835, 838 ff. 46) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 52 f.; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 17. 47) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 103; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 105.
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Werner Paul Schick
Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats
§ 111
Der Aufsichtsrat kann zwar über die in der Satzung vorgesehenen Zustimmungsvorbehalte hinaus gehen und weitere bestimmen, darf aber nicht durch die Satzung bestimmte Vorbehalte leer laufen lassen, etwa durch General-Vorabzustimmung.48) Der Aufsichtsrat kann nach pflichtgemäßem Ermessen – zumindest für besonders bedeutende Geschäfte – auch ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt beschließen;49) dieses Ermessen kann sich zu einer Pflicht verdichten, wenn so eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands verhindert werden kann.50) Die Zustimmungsvorbehalte müssen sich auf bestimmte Arten von Geschäften beziehen, dürfen mithin nicht so weit gehen, dass die eigenverantwortliche Unternehmensleitung des Vorstands in Frage gestellt wird.51) Bei der Konkretisierung der Zustimmungsvorbehalte muss eine Relevanz des vorbehaltspflichtigen Geschäfts für die Ertragsaussichten oder die Risikoexposition der Gesellschaft bestehen.52) Generalklauselartig formulierte Zustimmungsvorbehalte (etwa für alle „wesentlichen Geschäfte“) sind daher unzulässig.53) Über die Erteilung der Zustimmung entscheidet der Aufsichtsrat durch Beschluss. Eine Delegation an einen Ausschuss ist grundsätzlich zulässig, da § 107 Abs. 3 Satz 3 nur die Begründung von Zustimmungsvorbehalten betrifft.54) Grundsätzlich ist vorherige Zustimmung erforderlich.55) Nach h. M. kann hiervon bei eilbedürftigen Geschäften ausnahmsweise abgewichen werden, wenn der Vorstand davon ausgehen kann, dass sich die Aufsichtsratsmehrheit mit dem Geschäft einverstanden erklären wird.56) Dies ist mit dem Charakter der Zustimmungsvorbehalte als präventivem Überwachungsinstrument schwer zu vereinbaren und sollte daher nur in ganz eng begrenzten Ausnahmen erfolgen. Jedenfalls sollte dann aber der Aufsichtsratsvorsitzende informiert und um seine Stellungnahme gebeten werden.57) Stimmt er zu, kommt die Vornahme des Geschäfts in Betracht. Andernfalls sollte es unterbleiben.58) VII. Persönliche Wahrnehmung (§ 111 Abs. 5) Nach § 111 Abs. 5 können die Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben nicht durch andere 15 wahrnehmen lassen, sie müssen ihre Pflichten persönlich und eigenverantwortlich erfüllen.59) Hiermit korrespondiert, dass Stellvertreter nicht bestellt werden dürfen (§ 101 Abs. 3 Satz 1). Das Aufsichtsratsamt ist höchstpersönlich auszuüben.60) Gesetzliche Ausnahmen hiervon sind § 109 Abs. 3 (Teilnahme ermächtigter Personen an Sitzungen) sowie § 108 Abs. 3 (Möglichkeit der Überreichung schriftlicher Stimmabgaben abwesender Aufsichtsratsmitglieder). _____________ 48) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 103; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 51. 49) BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 235, 92, BGHZ 124, 111, 127 = ZIP 1993, 1862, 1867; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 102 und 115. 50) BGH, Urt. v. 15.11.1993 – II ZR 235, 92, BGHZ 124, 111, 127 = ZIP 1993, 1862, 1867; Fleischer, BB 2013, 835, 839. 51) Fleischer, BB 2013, 835, 838 m. w. N.; Fonk, ZGR 2006, 841, 846. 52) Fleischer, BB 2013, 835, 840; Fonk, ZGR 2006, 841, 846 f. 53) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 106; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 55. 54) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 50; eine Ausnahme besteht für die Zustimmung zur Unternehmensplanung, s. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 125. 55) Fonk, ZGR 2006, 841, 868; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 3 Rz. 115. 56) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 29 Rz. 46; Fonk, ZGR 2006, 841, 870; a. A. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 108 Rz. 124 m. w. N. 57) Fonk, ZGR 2006, 841, 870 f.; s. a. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 682. 58) Fonk, ZGR 2006, 841, 871; für eine Eilzuständigkeit des Aufsichtsratspräsidiums: Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 683. 59) BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 (Hertie), BGHZ 85, 293 = ZIP 1983, 55, 56; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 743; Hüffer, AktG, § 111 Rz. 23. 60) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 111 Rz. 65; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 111 Rz. 132; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 111 Rz. 743.
Werner Paul Schick
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§ 112
Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern
§ 112 Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern 1 Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. 2§ 78 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.
Literatur: Bauer/Krieger, Formale Fehler bei Abberufung und Kündigung vertretungsberechtigter Organmitglieder, ZIP 2004, 1247; Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014; Köhler, Fehlerhafte Vorstandsverträge, NZG 2008, 171; Nägele/Böhm, Praxisrelevante Probleme der Vertretung nach § 112 AktG, BB 2005, 2197; Rupietta, Die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand, NZG 2007, 801; Schwab, Die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern im Liquidationsstadium, ZIP 2006, 1478; Werner, Aktuelle Probleme der Vertretung der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat nach § 112 AktG, Der Konzern 2008, 639.
Übersicht I. Zweck der Norm ............................... II. Vertretung gegenüber Vorstandsmitgliedern ...................... III. Sachliche Reichweite ........................ IV. Ausübung der Vertretungsmacht ............................ I.
1 2 3 4
1. 2. 3. V. 1. 2.
Gesamtaufsichtsrat ............................. 4 Delegation ........................................... 5 Nachweis der Vertretungsmacht ....... 6 Rechtsfolgen von Verstößen ............ 7 Materielle Rechtsfolgen ..................... 7 Prozessuale Vertretung ...................... 8
Zweck der Norm
1 Die Norm soll eine unvoreingenommene, von sachfremden Erwägungen unbeeinflusste Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern sicherstellen.1) Die Anwendung der Norm ist erforderlich, um der abstrakten Gefahr einer Interessenkollision zu begegnen, nämlich der fehlenden Unabhängigkeit der selbst involvierten Vertretungsorgane.2) Hierbei ist im Interesse der Rechtssicherheit auf eine typisierende Betrachtung abzustellen.3) II.
Vertretung gegenüber Vorstandsmitgliedern
2 Die in § 112 normierte Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat gilt gegenüber amtierenden und ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern.4) Für die Vertretung einer durch Formwechsel oder Umwandlung einer GmbH entstandenen Gesellschaft im Prozess mit einem ehemaligen Geschäftsführer gilt ebenfalls § 112.5) In einem Rechtsstreit mit einer Vorstandswitwe über Ansprüche aus einer Versorgungszusage greift diese _____________ 1)
2) 3) 4)
5)
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St. Rspr., s. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 282/07, ZIP 2009, 717, 718; BGH, Urt. v. 16.10.2006 – II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213, 2214; BGH, Urt. v. 1.12.2003 – II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, 153 f. = ZIP 2004, 92. BAG, Urt. v. 4.7.2001 – 2 AZR 142/00, AG 2002, 458, 459 = NZG 2002, 392, 393; BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, ZIP 1991, 796; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 13. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 282/07, ZIP 2009, 717, 718; BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, ZIP 1991, 796. BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZB 1/11, Rz. 22, ZIP 2013, 1274, 1276; BGH, Urt. v. 16.10.2006 – II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213, 2214; BGH, Urt. v. 1.12.2003 – II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, 153 f. = ZIP 2004, 92; BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 151/90 = ZIP 1991, 796; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 12; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 2. BGH, Urt. v. 1.12.2003 – II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, 153 f. = ZIP 2004, 92; BGH, Urt. v. 28.4.1997 – II ZR 282/95, ZIP 1997, 1108; OLG München, Urt. v. 17.3.2011 – 23 U 3673/10, Beck RS 2011, 06228; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 12.
Werner Paul Schick
Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern
§ 112
Vertretungsregel.6) Ebenso erfasst werden Geschäfte im Vorfeld der Bestellung7) sowie die Kündigungsschutzklage des Vorstandsmitglieds aus einem ruhenden Dienstverhältnis.8) Die Norm findet keine Anwendung, wenn ein Vorstandsmitglied als Vertreter einer Gesellschaft auftritt, an der er zwar beteiligt ist, aber zwischen ihm und der Gesellschaft keine wirtschaftliche Identität besteht.9) Von wirtschaftlicher Identität ist etwa dann auszugehen, wenn das Vorstandsmitglied deren Alleingesellschafter ist;10) eine Erstreckung auf Konstellationen, in denen das Vorstandsmitglied maßgeblich beteiligt ist, kommt aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht.11) III.
Sachliche Reichweite
Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats erstreckt sich auf alle Rechtsgeschäfte sowie 3 Rechtsstreitigkeiten (Aktiv- und Passivprozesse) mit Vorstandsmitgliedern und auch auf die Verfolgung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern.12) Es gibt keine Bagatellgrenze,13) jedoch eine Ausnahme bei Geschäften mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern, die keinen Bezug zur früheren Vorstandstätigkeit haben (sog. neutrale Geschäfte).14) Ist ein besonderer Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen bestellt, verdrängt § 147 Abs. 2 die Zuständigkeit des Aufsichtsrats nach § 112.15) Nach § 112 Satz 2 gilt § 78 Abs. 2 Satz 2 entsprechend, wodurch die Passivvertretung geregelt wird.16) IV.
Ausübung der Vertretungsmacht
1.
Gesamtaufsichtsrat
Die Vertretungsbefugnis nach § 112 (Aktivvertretung) steht dem Gesamtaufsichtsrat zu, 4 wobei die interne Willensbildung eines entsprechenden Beschlusses des Aufsichtsrats bedarf, der mit zumindest einfacher Mehrheit getroffen werden muss.17) Hiervon ist die Erklärung im Außenverhältnis zu unterscheiden, wofür das einzelne Aufsichtsratsmitglied, aber auch der Aufsichtsratsvorsitzende ermächtigt werden kann – etwa durch die
_____________ 6) BGH, Urt. v. 16.10.2006 – II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213, 2214. 7) BGH, Urt. v. 13.1.1958 – II ZR 212/56, BGHZ 26, 236, 238; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 2. 8) BAG, Urt. v. 4.7.2001 – 2 AZR 142/00, AG 2002, 458, 459 = NZG 2002, 392, 393 f.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 2. 9) OLG München, Urt. v. 10.5.2012 – 14 U 2175/11, ZIP 2012, 1024, 1025 f.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.11.2000 – 8 U 71/00 – 15, AG 2001, 483, 484 = NZG 2001, 414; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 9; ausführlich dazu Werner, Der Konzern 2008, 639, 640 ff.; Rupietta, NZG 2007, 801, 802 ff. 10) OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.2012 – 8 U 22/11-6, ZIP 2012, 2205, 2206, auch für ein ehemaliges Vorstandsmitglied; offenlassend und grundsätzlich abl. OLG München, Urt. v. 10.5.2012 – 14 U 2175/11, ZIP 2012, 1024, 1025 f. 11) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 2a; Rupietta, NZG 2007, 801, 803; Werner, Der Konzern 2008, 639, 641 f. 12) Hüffer, AktG, § 112 Rz. 3; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 436 und 440; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 17. 13) BGH, Urt. v. 20.3.1958 – II ZR 2/57, BGHZ 27, 51, 54 = NJW 1958, 787; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 434; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 3. 14) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 436; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 15. 15) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 1. 16) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 4a. 17) BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZB 1/11, Rz. 22, ZIP 2013, 1274, 1276; s. a. BGH, Zwischenurt. v. 29.1.2013 – II ZB 1/11, ZIP 2013, 483, 484; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 4; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 20.
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§ 112
Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern
Satzung, die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats oder durch Aufsichtsratsbeschluss.18) Die bloße Bevollmächtigung eines Aufsichtsratsmitglieds zu einem Vertragsabschluss der Gesellschaft vermag jedoch nicht den erforderlichen Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats zum Rechtsgeschäft zu ersetzen.19) Durch § 112 Satz 2 wird die entsprechende Anwendung des § 78 Abs. 2 Satz 2 für die Passivvertretung geregelt, d. h. es genügt die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied.20) 2.
Delegation
5 Die Vertretungsbefugnis nach § 112 kann für die nach § 107 Abs. 3 delegierbaren Aufgaben auf einen Aufsichtsratsausschuss – nicht aber an einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder den Aufsichtsratsvorsitzenden – übertragen werden.21) Die in § 107 Abs. 3 Satz 3 als nicht übertragbar genannten Aufgaben (etwa die Bestellung der Vorstandsmitglieder oder die Festsetzung ihrer Vergütung) sind auch mit Blick auf die Vertretungsbefugnis nicht delegierbar.22) Einzelne Vorstandsmitglieder einschließlich des Aufsichtsratsvorsitzenden können jedoch als Erklärungsvertreter zur Kundgabe der Beschlüsse bevollmächtigt werden.23) 3.
Nachweis der Vertretungsmacht
6 Bei der – in der Praxis eher selten vorkommenden – Vertretung durch den (Gesamt-) Aufsichtsrat wird regelmäßig ein besonderer Nachweis nicht erforderlich sein. Soweit eine Kundgabe der Willenserklärung durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder, durch den Aufsichtsratsvorsitzenden oder durch Dritte erfolgt, ist ein Nachweis der Vertretungsmacht geboten, etwa durch die Vorlage der Geschäftsordnung, der Niederschrift des Beschlusses24) oder einer besonderen Ermächtigungsurkunde.25) V.
Rechtsfolgen von Verstößen
1.
Materielle Rechtsfolgen
7 Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 112 sind in Rechtsprechung und Literatur umstritten.26) Nach der (früher) überwiegenden Ansicht enthält § 112 eine zwingende gesetzliche Kompetenzzuweisung, weshalb hiergegen verstoßende Rechtsgeschäfte gemäß _____________ 18) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2003 – I -15 U 225/02, ZIP 2004, 1850, 1851 f.; Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247, 1248; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 438; nach Habersack in: MünchKommAktG, § 112 Rz. 20, soll es auch genügen, wenn sich die Ermächtigung zur Kundgabe aus den Umständen oder einer entsprechenden dauernden Übung ergibt. 19) OLG München, Urt. v. 19.12.2012 – 7 U 1711/12, ZIP 2013, 210, 211. 20) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 112 Rz. 17; Hölters-Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 112 Rz. 17. 21) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, ZIP 2004, 1850, 1851; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 438; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 5. 22) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 112 Rz. 87; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 22. 23) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, ZIP 2004, 1850, 1851 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 438; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 5. 24) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 112 Rz. 16; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 29; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 112 Rz. 100. 25) So OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, ZIP 2004, 1850, 1852, auch für den Aufsichtsratsvorsitzenden unter Anwendung von § 174 Satz 1 BGB; abl. insoweit Bauer/Krieger, ZIP 2004, 1247, 1249. 26) Ausdrücklich offengelassen von BGH, Urt. v. 7.7.1993 – VIII ZR 2/92, ZIP 1993, 1380, 1381; BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, ZIP 2008, 1114, 1115 – zur Parallelvorschrift des § 39 GenG beim Aufsichtsrat einer Genossenschaft; ausführlich dazu Werner, Der Konzern 2008, 639, 642 ff.; Köhler, NZG 2008, 161, 162 ff.
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Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 113
§ 134 BGB als nichtig erachtet werden.27) Eine zunehmend vertretene Auffassung wendet die §§ 177 ff. BGB an und kommt so zur schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts und der Möglichkeit der rückwirkenden Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) durch den Aufsichtsrat.28) 2.
Prozessuale Vertretung
Wenn die Gesellschaft in einem Prozess unter Verstoß gegen § 112 nicht vom Aufsichts- 8 rat vertreten, so ist die Klage unzulässig.29) Der Aufsichtsrat kann die Prozessführung durch den Vorstand genehmigen und als gesetzlicher Vertreter in den Prozess eintreten.30) _____________ 27) OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.1986 – 11 U 238/85 = ZIP 1986, 1249, 1251; OLG Stuttgart, Urt. v. 20.3.1992 – 2 U 115/90, AG 1993, 85, 86; Wiesner in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 21 Rz. 96; Spindler/StilzSpindler, AktG, § 112 Rz. 45. 28) OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.10.1995 – 10 U 51/95, AG 1996, 224, 225 f. – für Genehmigung eines vom Aufsichtsratsvorsitzenden geschlossenen Vertrag; BGH, Beschl. v. 14.5.2013 – II ZB 1/11, Rz. 23, ZIP 2013, 1277; OLG München, Urt. v. 18.10.2007 – 23 U 5786/06, ZIP 2008, 220, 222; HöltersHambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 112 Rz. 21; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 7 Rz. 433; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 32; Köhler, NZG 2008, 161, 162 ff. 29) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 282/07, ZIP 2009, 717, 718; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.6.2010 – 4 U 196/09, AG 2010, 918; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 33. 30) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 282/07, ZIP 2009, 717, 718; BGH, Urt. v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, ZIP 1991, 796; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 112 Rz. 34; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 8.
§ 113 Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder (1) 1Den Aufsichtsratsmitgliedern kann für ihre Tätigkeit eine Vergütung gewährt werden. 2Sie kann in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden. 3Sie soll in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen. 4Ist die Vergütung in der Satzung festgesetzt, so kann die Hauptversammlung eine Satzungsänderung, durch welche die Vergütung herabgesetzt wird, mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen. (2) 1Den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats kann nur die Hauptversammlung eine Vergütung für ihre Tätigkeit bewilligen. 2Der Beschluß kann erst in der Hauptversammlung gefaßt werden, die über die Entlastung der Mitglieder des ersten Aufsichtsrats beschließt. (3) 1Wird den Aufsichtsratsmitgliedern ein Anteil am Jahresgewinn der Gesellschaft gewährt, so berechnet sich der Anteil nach dem Bilanzgewinn, vermindert um einen Betrag von mindestens vier vom Hundert der auf den geringsten Ausgabebetrag der Aktien geleisteten Einlagen. 2Entgegenstehende Festsetzungen sind nichtig. Literatur: Buckel, Die unterjährige Herabsetzung der Aufsichtsratsvergütung, AG 2013, 451; Dreher, Die Besteuerung der Prämienleistungen bei gesellschaftsfinanzierten Directors and Officers-Versicherungen, DB 2001, 996; Fonk, Auslagenersatz für Aufsichtsratsmitglieder, NZG 2009, 761; Habersack, Die erfolgsabhängige Vergütung des Aufsichtsrats und ihre Grenzen, ZGR 2004, 721; Hoffmann-Becking, Rechtliche Anmerkungen zur Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung, ZHR 169 (2005), 155; Klein, Die Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2012 aus Sicht der Unternehmenspraxis, AG 2012, 805; Kort, Rechtsfragen der Höhe und Zusammensetzung der Vergütung von Mitgliedern des Aufsichtsrats einer AG, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 483; Krieger, Gewinnabhängige Aufsichtsratsvergütung, in: Festschrift für Volker Röhricht, 2005, S. 349; Maser/Göttle, Rechtlicher
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Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder
Rahmen für die Vergütung des Aufsichtsrats, NZG 2013, 201; Notthoff, Rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Director’s & Officer’s-Versicherung, NJW 2003, 1350; Reichard/Kaubisch, Sitzungsgeld für Telefon- und Videokonferenzen des Aufsichtsrats?, AG 2013, 150; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Die Kodex-Änderungen vom Mai 2012, NZG 2012, 1081; Schick, Übernahme und Erstattung von Rechtsverteidigungs- und Verfahrenskosten durch eine Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Organmitglieder, ZWH 2012, 433; Simons, Aufsichtsratssitzungen-Aufsichtsratsbeschlüsse-Sitzungsgeld, AG 2013, 547; Theusinger/Liese, Nebenleistungen an Aufsichtsratsmitglieder und der (unnötige) Ruf nach dem Gesetzgeber, CCZ 2008, 190; Thüsing/Veil, Die Kosten des Aufsichtsrats im aktienrechtlichen Vergütungsregime, AG 2008, 359; Vetter, Aufsichtsratsvergütung und Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, ZIP 2008, 1; Vetter, Stock Options für Aufsichtsräte – ein Widerspruch?, AG 2004, 234; Wettich, (Teil-)Verzicht eines Aufsichtsratsmitglieds auf die ihm zustehende Aufsichtsratsvergütung, NZG 2009, 852.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm .................................................. II. Arten und Bestandteile der Vergütung ......................................... III. Festsetzung und Bewilligung der Aufsichtsratsvergütung (§ 113 Abs. 1 Satz 2) ......................... 1. Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss .................................... I.
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2. Angemessene Vergütung (§ 113 Abs. 1 Satz 3) ........................ 10 3. Herabsetzung der Vergütung durch Satzungsänderung (§ 113 Abs. 1 Satz 4) ........................ 11 IV. Vergütung des ersten Aufsichtsrats (§ 113 Abs. 2) ........... 12 V. Berechnung des Gewinnanteils (§ 113 Abs. 3) ................................... 13 VI. Rechtsfolgen von Verstößen .......... 14
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Nach § 113 Abs. 1 kann eine Aufsichtsratsvergütung nur dann gewährt werden, soweit sie in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt wurde, zudem gilt das Angemessenheitsgebot (§ 113 Abs. 1 Satz 3). § 113 Abs. 2 enthält für den ersten Aufsichtsrat eine abweichende Regelung, nach der nur die Hauptversammlung eine Vergütung bewilligen kann. § 113 Abs. 3 enthält eine zwingende Regelung für die Bemessung einer gewinnabhängigen Aufsichtsratsvergütung. Der Zweck der Norm ist es, die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder auf eine vernünftige Höhe zu begrenzen, was insbesondere durch die Begrenzungsvorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 3, aber auch durch die alleinige Entscheidungszuständigkeit der Aktionäre (§ 113 Abs. 1 Satz 2) erreicht werden soll.1) § 113 steht im engen Zusammenhang mit § 114 bzw. wird durch diese Vorschrift flankiert.2) II.
Arten und Bestandteile der Vergütung
2 § 113 enthält einen weiten Rahmen für die Ausgestaltung der Aufsichtsratsvergütung.3) Auf dieser Grundlage wird üblicherweise eine feste Vergütung gewährt, die häufig noch durch einen gewinn- bzw. erfolgsabhängigen (variablen) Vergütungsbestandteil ergänzt wird.4) Beide Vergütungsarten sind zulässig, wobei § 113 Abs. 3 für die Berechnung eines _____________ 1) 2) 3) 4)
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Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 3 f., Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 2. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 2; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 113 Rz. 62. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 32; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 11. Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 11 Rz. 29 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 10.
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Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 113
Gewinnanteils zwingende Vorgaben enthält (siehe dazu Rz. 12). Die Empfehlung einer erfolgsorientierten Aufsichtsratsvergütung ist im DCGK seit der Fassung vom 15.5.2012 nicht mehr enthalten.5) Wird allerdings eine erfolgsorientierte Vergütung zugesagt, so empfiehlt der Kodex, diese auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten (Ziff. 5.4.6 Abs. 2 Satz 2).6) Nach der Mobilcom-Entscheidung des BGH7) ist von der Unzulässigkeit der Vergütung in Form von Aktien oder Stock Options auszugehen,8) da die Ausrichtung des Aufsichtsratsvergütung auf den Aktienkurs als der Kontrollfunktion des Aufsichtsrats abträglich angesehen wird.9) Ob sich aus dieser Entscheidung auch die Unzulässigkeit von schuldrechtlichen Abbildungen von Aktien (Phantom Stocks) oder Aktienoptionen (Wertsteigerungsrechten) erstreckt, ist nicht eindeutig.10) Für die Praxis erscheint aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit die Wahl dieser Vergütungsformen für den Aufsichtsrat nicht ratsam.11) Bei der Höhe der Vergütung ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten, weshalb unterschiedlich hohe Vergütungen nur zulässig sind, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind (etwa aufgrund aufgabenbezogener Differenzierungen).12) Wenn weder die Satzung eine Vergütung festgesetzt noch die Hauptversammlung eine 3 solche bewilligt hat, so ist die Aufsichtsratstätigkeit unentgeltlich; ein Anspruch auf übliche Vergütung gemäß § 612 besteht nicht.13) Unabhängig hiervon kommt jedoch ein Anspruch auf Auslagenersatz entsprechend §§ 670, 675 BGB in Betracht.14) Der Ersatz angemessener Auslagen ist keine Vergütung nach § 113.15) Erstattungsfähig sind die im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit stehenden, angemessenen Auslagen, die das Aufsichtsratsmitglied den Umständen nach für erforderlich halten durfte.16) Solche Auslagen können etwa Reise-, Übernachtungs-, Verpflegungs- und Telekommunikationskosten sein;17) Besonderheiten gelten für den Aufsichtsratsvorsitzenden, bei dem eine _____________ 5) Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Rz. 1074. Die Regierungskommission reagierte auf die Praxis gerade großer börsennotierter Gesellschaften; so schafften etwa die Siemens AG, die Allianz AG und die EON AG die variable Aufsichtsratsvergütung im Jahre 2011 vollständig ab, wobei als Begründung zutreffend der Umstand aufgeführt wurde, dass der Kontrollfunktion – insbesondere in der Krise – eher eine fester Vergütung entspricht. Die Tendenz zur Umstellung auf Fixvergütung hält seitdem an; s. a. Klein, AG 2012, 805, 812 (Fn. 86). 6) S. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, NZG 2012, 1081, 1088. Ringleb/Kremer/Lutter/v. WerderKremer, DCGK, Rz. 1074. 7) BGH, Urt. v. 16.2.2004 – II ZR 316/02 (Mobilcom), BGHZ 158, 122, 125 ff. = ZIP 2004, 613, 614 f. 8) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 849 ff.; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 11 Rz. 38 ff.; Habersack, ZGR 2004, 721, 722 ff.; krit. bzw. einschränkend: Hüffer, AktG, § 113 Rz. 10; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 179 f.; Vetter, AG 2004, 234, 236 ff.; Kort in: FS Hüffer, 2010, S. 483, 499 f. 9) BGH, Urt. v. 16.2.2004 – II ZR 316/02 (Mobilcom), BGHZ 158, 122, 127 = ZIP 2004, 613, 614. 10) Für Zulässigkeit: Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 11 Rz. 41; zweifelnd: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 851 – jeweils m. w. N.; abl.: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 19. 11) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 853. 12) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 67 ff.; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 11 Rz. 14. 13) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 11 f.; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 11 Rz. 1. 14) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 845; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 13; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 21. 15) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, § 33 Rz. 13; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 21. 16) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 845; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, § 33 Rz. 14; zur Frage der Übernahme von Rechtsverteidigungs- und Verfahrenskosten: Schick, ZWH 2012, 433 ff. 17) Ausführlich hierzu: Fonk, NZG 2009, 761, 762; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 22 ff.; speziell zu den Reisekosten: Thüsing/Veil, AG 2008, 359 ff.
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Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder
Erstattungspflicht von Büro- und Kommunikations- sowie Repräsentationskosten in Betracht kommt;18) für den Aufsichtsratsvorsitzenden gehören auch die Kosten eines angemessenen Personenschutzes zu den durch das Amt veranlassten Aufwendungen, sofern er aufgrund seiner besonderen Position erhöhten Sicherheitsrisiken ausgesetzt ist. 4 Die in der Praxis häufig gewährten Sitzungsgelder sind, sofern es sich nicht um eine pauschale Abgeltung tatsächlicher Kosten handelt, Vergütung und kein Auslagenersatz. Sitzungsgelder bedürfen daher einer Festsetzung in der Satzung oder einer Bewilligung durch die Hauptversammlung.19) Dies gilt auch für Nebenleistungen, die ebenfalls Vergütungsbestandteile sind.20) Ob ein Sitzungsgeld nicht nur für Präsenzsitzungen, sondern auch für Telefon- oder Videokonferenzen gezahlt werden darf, wird uneinheitlich beurteilt.21) Zumindest wenn die Satzung der Gesellschaft sowohl Präsenzsitzungen als auch die Durchführung von Sitzungen in sonstiger Weise (etwa Telefon- oder Videokonferenz) vorsieht, erscheint die Zahlung von Sitzungsgeld auch dafür zulässig.22) 5 Die Zahlung der Prämie für eine D&O-Versicherung (Directors & Officers Liability Insurance bzw. Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organmitglieder) zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder ist zulässig und stellt keine Vergütung dar.23) Die Gesellschaft unterhält die D&O-Versicherung zumindest auch im eigenen Interesse, um im Schadensfall auf einen ausreichend zahlungsfähigen Schuldner (die D&O-Versicherung bzw. das Versicherungskonsortium) zugreifen zu können.24) Eine Zustimmung der Hauptversammlung zum Abschluss der D&O-Versicherung bzw. zur Prämienzahlung ist daher nicht erforderlich.25) III.
Festsetzung und Bewilligung der Aufsichtsratsvergütung (§ 113 Abs. 1 Satz 2)
1.
Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss
6 Sowohl bei einer Festsetzung in der Satzung als auch bei einer Bewilligung durch die Hauptversammlung muss die Aufsichtsratsvergütung hinreichend bestimmt bzw. beziffert sein.26) Es genügt die Angabe eines Gesamtbetrags, auch wenn dessen Aufteilung auf die einzelnen Mitglieder nach der Satzungsbestimmung dem Aufsichtsrat überlassen wird.27) _____________ 18) Fonk, NZG 2009, 761, 768 f. (m. w. N.); etwas zurückhaltender: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 25. 19) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 16; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 11 und 21 a. E.; zu strafrechtlichen Konsequenzen bei rechtswidriger Abrechnung von Sitzungsgeldern: OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.6.2012 – Ws 44/12, Ws 45/12, ZIP 2012, 1860, 1861 ff. 20) Hüffer, AktG, § 113 Rz. 2; ausführlich hierzu: Theusinger/Liese, CCZ 2008, 190 ff. 21) Reichard/Kaubisch, AG 2013, 150 ff.; Simons, AG 2013, 547 ff. 22) So zutreffend Simons, AG 2013, 547, 553. 23) Dies entspricht auch der steuerlichen Behandlung, vgl. Erlass des Finanzministeriums Niedersachsen – im Einvernehmen mit dem BMF und den Finanzbehörden der anderen Bundesländer – v. 25.1.2002, DB 2002, 399 f.; ausführlich dazu Dreher, DB 2001, 996. 24) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 17; Vetter, ZIP 2008, 1, 8; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; differenzierend: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 13. 25) So für die in der Praxis den Regelfall bildenden Ausgestaltung der D&O-Versicherung: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 13 Rz. 1028; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 13; HoffmannBecking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 10, geht davon aus, dass es sich um einen Bestandteil der angemessenen Ausstattung bzw. um Fürsorgeaufwand der Gesellschaft handelt – jeweils m. w. N. 26) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 29 und 35; Hüffer, AktG, § 113 Rz. 3; K. Schmidt/ Lutter-Drygala, AktG, § 113 Rz. 8 und 10. 27) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 18; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 29; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 91 f.
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§ 113
Eine in der Satzung festgesetzte Aufsichtsratsvergütung wird mit Eintragung der Satzungs- 7 änderung in das Handelsregister wirksam (§ 181 Abs. 3), so dass in der Regel Änderungen erst mit Beginn des nächsten Geschäftsjahres wirken.28) Eine Rückwirkung auf den Beginn des laufenden Geschäftsjahres kann die Satzungsregelung jedoch entfalten, soweit die bisherige Aufsichtsratsvergütung erhöht wird.29) Zur Frage, ob dies auch für eine Herabsetzung gilt, siehe nachfolgend unter Rz. 10. Die Hauptversammlung kann die Aufsichtsratsvergütung vor, während oder – wie in der 8 Regel – nach Ablauf des Geschäftsjahres bewilligen.30) Eine ohne konkreten Bezug auf ein Geschäftsjahr beschlossene Aufsichtsratsvergütung (Grundsatzbeschluss) gilt im Zweifel nicht nur für ein Geschäftsjahr, sondern bis die Hauptversammlung etwas Abweichendes beschließt.31) Eine feste Vergütung ist – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung – nach Ende des je- 9 weiligen Geschäftsjahres fällig. Eine gewinn- oder dividendenabhängige Vergütung ist erst nach dem Hauptversammlungsbeschluss zur Gewinnverwendung fällig.32) 2.
Angemessene Vergütung (§ 113 Abs. 1 Satz 3)
Nach § 113 Abs. 1 Satz 3 soll die Aufsichtsratsvergütung in einem angemessenen Ver- 10 hältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und der Lage der Gesellschaft stehen. Diese Sollvorschrift enthält keine inhaltliche Vorgabe, sondern eine Begrenzung der Höhe.33) Eine unterschiedliche Höhe der Vergütung, insbesondere für den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Stellvertreter oder für den Vorsitz und die Mitgliedschaft in Ausschüssen ist zulässig (funktionsbezogene Differenzierung).34) Dies entspricht auch der Empfehlung in Ziff. 5.4.6 Abs. 1 Satz 2 des DCGK.35) 3.
Herabsetzung der Vergütung durch Satzungsänderung (§ 113 Abs. 1 Satz 4)
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 genügt für die Herabsetzung einer in der Satzung festgesetzten 11 Vergütung zwingend die einfache Stimmenmehrheit.36) Wirksam wird die Herabsetzung erst mit der Eintragung im Handelsregister (§ 181 Abs. 3).37) Eine von der Hauptversammlung bewilligte Aufsichtsratsvergütung kann durch einen neuen Beschluss herabgesetzt werden. Die Herabsetzung wirkt grundsätzlich nicht zurück.38) Ob während eines laufenden Geschäftsjahres mit Wirkung für dieses herabgesetzt werden kann, wird unterschiedlich beurteilt.39) Zumindest für eine variable (etwa gewinn- oder dividendenabhängige) Ver_____________ 28) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 32; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 86. 29) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 32. 30) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 24; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 35. 31) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 18a; Hüffer, AktG, § 113 Rz. 3; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 35. 32) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 21; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 44. 33) Hüffer, AktG, § 113 Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 113 Rz. 9; Habersack in: MünchKommAktG, § 113 Rz. 41. 34) Hüffer, AktG, § 113 Rz. 4; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 39 f. 35) S. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Rz. 1067 ff. 36) Hüffer, AktG, § 113 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 33. 37) Hüffer, AktG, § 113 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 34; Buckel, AG 2013, 451 f. 38) Hüffer, AktG, § 113 Rz. 6; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 96; Buckel, AG 2013, 451, 452. 39) Die Zulässigkeit der unterjährigen Herabsetzung grundsätzlich ablehnend: Habersack in: MünchKommAktG, § 113 Rz. 34; Mertens/Cahn in: KölnKomm-AktG, § 113 Rz. 52.
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Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder
gütung erscheint dies zulässig,40) während es für die feste Vergütung ausgeschlossen ist,41) da der Anspruch auf diese bereits mit Beginn des Geschäftsjahres entstanden ist.42) Teilweise wird auch die Zulässigkeit der unterjährigen Herabsetzung der variablen und der festen Aufsichtsratsvergütung mit ex nunc-Wirkung zum Zeitpunkt der Eintragung des Herabsetzungsbeschlusses angenommen.43) IV.
Vergütung des ersten Aufsichtsrats (§ 113 Abs. 2)
12 Eine Vergütung für die Mitglieder des ersten nach § 30 bestellten Aufsichtsrats kann nur von der Hauptversammlung, die über ihre Entlastung beschließt, bewilligt werden. Hierdurch soll der Einfluss der Gründer möglichst ausgeschaltet werden.44) V.
Berechnung des Gewinnanteils (§ 113 Abs. 3)
13 Nach der zwingenden Regelung in § 113 Abs. 3 Satz 1 gilt für eine gewinnabhängige Aufsichtsratsvergütung der dort festgelegte Berechnungsmodus.45) In der Praxis üblicher sind erfolgsabhängige Vergütungskomponenten, die nicht an den Jahresgewinn oder die Dividende anknüpfen, sondern auf das Konzernergebnis bzw. darauf bezogene Kennzahlen (etwa Ergebnis je Aktie) oder auf das Ergebnis mehrerer Geschäftsjahre abstellen.46) Wenn auch die Zulässigkeit solcher Gestaltungen nicht völlig zweifelsfrei ist,47) wird man diese Vorgehensweise als zulässig erachten können.48) VI.
Rechtsfolgen von Verstößen
14 Verstöße gegen die zwingenden Zuständigkeitsregelungen des § 113 führen grundsätzlich zur Nichtigkeit;49) Verstöße gegen das Angemessenheitsgebot des § 113 Abs. 1 Satz 3 führen zur Anfechtbarkeit.50) Auszahlungen von Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder, denen keine oder eine unwirksame Vergütungsfestsetzung durch die Satzung oder die Hauptversammlung zugrunde liegt, sind nach Bereicherungsgrundsätzen zurückzugewähren.51)
_____________ 40) LG München I, Urt. v. 27.12.2012 – 5 HK O 9109/12, ZIP 2013, 217, 218; LG Magdeburg, Urt. v. 22.10.1929 – 1 S 532/29, JW 1930, 288; KG, Urt. v. 16.5.1938 – 9. U. 1297.38, Soziale Praxis 1938, 1066; Hüffer, AktG, § 113 Rz. 6; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 23. 41) Für Rückwirkung jedoch wohl Hüffer, AktG, § 113 Rz. 9. 42) LG München, Urt. v. 30.8.2012 – 5HK O 1378/12, ZIP 2012, 2209, 2211 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 23. 43) Buckel, AG 2013, 451, 453 ff.; Maser/Göttle, NZG 2013, 201, 202. 44) Hüffer, AktG, § 113 Rz. 8; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 31. 45) Zur Kritik an dieser Regelung, die nicht i. R. der Aufhebung der früheren entsprechenden Regelung zur Vorstandstantieme ebenfalls aufgehoben wurde; Krieger in: FS Röhricht, S. 349, 365 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 177; Hüffer, AktG, § 113 Rz. 9. 46) S. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 857; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 113 Rz. 16. 47) Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 174 ff. 48) Krieger in: FS Röhricht, S. 349, 359 ff.; Hüffer, AktG, § 113 Rz. 10; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 857; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 113 Rz. 28. 49) BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 113 Rz. 61. 50) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 5; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 113 Rz. 17; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 113 Rz. 62. 51) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 113 Rz. 112; Semler/v. Schenck-Wagner, ArbHdb. AR, § 11 Rz. 11 f.
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Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern
§ 114 Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern (1) Verpflichtet sich ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat durch einen Dienstvertrag, durch den ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, oder durch einen Werkvertrag gegenüber der Gesellschaft zu einer Tätigkeit höherer Art, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Zustimmung des Aufsichtsrats ab. (2) 1Gewährt die Gesellschaft auf Grund eines solchen Vertrags dem Aufsichtsratsmitglied eine Vergütung, ohne daß der Aufsichtsrat dem Vertrag zugestimmt hat, so hat das Aufsichtsratsmitglied die Vergütung zurückzugewähren, es sei denn, daß der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt. 2Ein Anspruch des Aufsichtsratsmitglieds gegen die Gesellschaft auf Herausgabe der durch die geleistete Tätigkeit erlangten Bereicherung bleibt unberührt; der Anspruch kann jedoch nicht gegen den Rückgewähranspruch aufgerechnet werden. Literatur: Cahn, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, Der Konzern 2012, 501; Deckert, Organschaftliche und vertragliche Beratungspflichten des Aufsichtsratsmitglieds, AG 1997, 109; v. Falkenkausen, Der Anwalt im Aufsichtsrat, Interessenkonflikte und Unabhängigkeit – Gesellschaftsrecht und anwaltliches Berufsrecht, ZIP 2013, 862; Hoffmann-Becking, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern – grenzenlose Anwendung des § 114 AktG?, in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 657; Ihrig, Vergütungszahlungen auf einen Beratungsvertrag mit einem Aufsichtsratsmitglied vor Zustimmung des Aufsichtsrats, ZGR 2013, 417; Kanzler, Rückabwicklung von Beratungsverträgen in der Aktiengesellschaft, AG 2013, 554; Lutter/Kremer, Die Beratung der Gesellschaft durch Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 1992, 87; Peltzer, Beratungsverträge der Gesellschaft mit Aufsichtsratsmitgliedern, ZIP 2007, 305; Ruoff, Der richtige Umgang mit Beratungsaufträgen an Aufsichtsratsmitglieder nach dem Fresenius-Urteil des BGH, BB 2013, 899; Spindler, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern – Vorabzustimmung oder nachträgliche Genehmigung, NZG 2011, 334.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ............................................ 1 II. Zustimmungserfordernis (§ 114 Abs. 1) ..................................... 2 1. Dienst- und Werkverträge, insbesondere Beraterverträge ............. 2 2. Bestimmtheitserfordernis .................. 3 I.
III. Leistungen außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit ....................... 4 1. Abgrenzungskriterien ........................ 4 2. Altverträge .......................................... 5 3. Umgehungsschutz ............................. 6 4. Zustimmung des Aufsichtsrats .......... 8 IV. Rechtsfolgen fehlender Zustimmung (§ 114 Abs. 2) ........... 10
Gegenstand und Zweck der Norm
§ 114 Abs. 1 unterwirft Dienst- oder Werkverträge höherer Art (insbesondere Beratungs- 1 verträge) zwischen einem Aufsichtsratsmitglied und der vom Vorstand vertretenen Gesellschaft einem Zustimmungserfordernis und damit einer präventiven Kontrolle durch den Aufsichtsrat.1) Die Norm ist im Zusammenhang mit § 113 und der dort geregelten alleinigen Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Aufsichtsratsvergütung (vorbehaltlich einer bereits in der Satzung enthaltenen Regelung) zu sehen.2) Es sollen im _____________ 1) 2)
Ausführlich zum Normzweck: Hoffmann-Becking in: FS K. Schmidt, S. 657 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 2 ff. BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 13, ZIP 2012, 1807, 1808; K. Schmidt/LutterDrygala, AktG, § 114 Rz. 3; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 3.
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Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern
Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der Gesellschaft sowohl eine „Selbstbedienung“ der Aufsichtsratsmitglieder als auch eine Kompetenz des Vorstands ausgeschlossen werden, über die Vergütung der Mitglieder des Überwachungsorgans zu befinden; § 114 flankiert diesen Schutzzweck und soll Umgehungen des § 113 verhindern.3) § 114 Abs. 2 regelt den Rückgewähranspruch der Gesellschaft bei fehlender Zustimmung nach § 114 Abs. 1. II.
Zustimmungserfordernis (§ 114 Abs. 1)
1.
Dienst- und Werkverträge, insbesondere Beraterverträge
2 Nach § 114 Abs. 1 zustimmungspflichtig sind Dienstverträge und Werkverträge, durch die das Aufsichtsratsmitglied sich zu Tätigkeiten höherer Art verpflichtet. Die Anforderungen an eine Tätigkeit höherer Art sind nicht zu überspannen. In der Praxis werden gesonderte Verträge mit einem Aufsichtsratsmitglied in aller Regel eine Tätigkeit höherer Art beinhalten.4) Ausdrücklich ausgenommen von der Zustimmungspflicht sind Dienstverträge, die ein Arbeitsverhältnis begründen. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Arbeitsverträge der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht dem Zustimmungserfordernis nach § 114 Abs. 1 unterliegen; dies gilt aber nicht, wenn neben dem Arbeitsvertrag ein weiteres Rechtsverhältnis begründet werden soll.5) 2.
Bestimmtheitserfordernis
3 Der Inhalt des Vertrags (insbesondere die speziellen Beratungsgegenstände), der dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegt wird, und das vorgesehene Entgelt müssen so konkret bezeichnet werden, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil über Art und Umfang der Leistung des Aufsichtsratsmitglieds sowie über die Höhe und Angemessenheit der dafür vorgesehenen Vergütung bilden kann.6) Einem Vertrag, der nicht hinreichend konkret gegenüber dem Aufsichtsrat offengelegt wird, kann nicht nach § 114 Abs. 1 zugestimmt werden.7) III.
Leistungen außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit
1.
Abgrenzungskriterien
4 Da ein entgeltlicher Vertrag zwischen Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft, der eine Organtätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds zum Inhalt hat, bereits gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 113 Abs. 1 nichtig ist, erfasst § 114 Abs. 1 nur Verträge über Leistungen des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises.8) Nur soweit es um Tätigkeiten des Aufsichtsratsmitglieds geht, die außerhalb seiner Organpflichten liegen, kommt überhaupt eine Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 114
_____________ 3)
4) 5) 6) 7) 8)
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BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 13, ZIP 2012, 1807, 1808; BGH, Urt. v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 (IFA), BGHZ 168, 188, 193 = ZIP 2006, 1529, 1531; ausführlich und krit. zum herrschenden Verständnis des Normzwecks: Cahn, Der Konzern 2012, 501 ff. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 114 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 114 Rz. 5, geht davon aus, dass diese Einschränkung praktisch nicht von Relevanz ist. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 114 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 19 a. E. BGH, Urt. v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 (IFA), BGHZ 168, 188, 197 f. = ZIP 2006, 1529, 1533; BGH, Urt. v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 f. = ZIP 1994, 1216, 1217. Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 42; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 25. BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 13, ZIP 2012, 1807, 1808; BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056, 1059; BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 65 = ZIP 2007, 22, 23 – ständ. Rspr.
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Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern
§ 114
Abs. 1 in Betracht.9) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH beschränkt sich dies auf Fragen eines besonderen Fachgebiets („spezielle Einzelfragen“), die eine besondere Beratungstiefe erfordern und daher nicht Teil der Beratungsaufgabe des Aufsichtsratsmitglieds sind.10) Weiter wird verlangt, dass der Vertrag eindeutige Feststellungen ermöglichen muss, ob die nach dem Vertrag zu vergütenden Leistungen außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegen und ob der Vertrag nicht verdeckte Sonderzuwendungen einschließt.11) Die Anforderungen der Rechtsprechung zum Bestimmtheitserfordernis sind streng, insbesondere führen allgemeine und unpräzise Ausführungen zu der vereinbarten Tätigkeit dazu, dass keine Genehmigungsfähigkeit nach § 114 Abs. 1 in Frage kommt.12) 2.
Altverträge
Nach dem Wortlaut des § 114 wird der Abschluss der dort genannten Verträge mit 5 amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern erfasst. Darüber hinaus ist § 114 aber auch auf vor der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied abgeschlossene Verträge anwendbar.13) Auch vor der Übernahme des Aufsichtsratsmandats abgeschlossene Altverträge bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 114 Abs. 1, ohne diese verlieren sie für die Dauer des Aufsichtsratsmandats ihre Wirkung.14) 3.
Umgehungsschutz
Auch ein Vertrag über Dienst- oder Werkleistungen höherer Art zwischen der Gesell- 6 schaft und einem Unternehmen, derer alleiniger Gesellschafter das Aufsichtsratsmitglied ist oder an dem das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, unterliegt den Kontrollmechanismen des § 114, wenn dem Aufsichtsratsmitglied mittelbare Zuwendungen zufließen, bei denen es sich nicht nur um ganz geringfügige Leistungen handelt oder die im Vergleich zur Aufsichtsratsvergütung einen vernachlässigenswerten Umfang haben.15) Insbesondere der Abschluss eines Beratungsvertrages mit einer Anwalts- oder Steuerberatungssozietät, der das Aufsichtsratsmitglied angehört, kann mithin in den Anwendungsbereich der Norm fallen.16) Dies folgt nach der Rechtsprechung des BGH daraus, dass der _____________ 9) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 859; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 96 ff.; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 22. 10) BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 132 = ZIP 1991, 653, 655 f.; BGH, Urt. v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 f. = ZIP 1994, 1216, 1217; s. a. OLG Köln, Urt. v. 31.1.2013 – 18 U 21/12, ZIP 2013, 516, 518. 11) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 13, ZIP 2012, 1807, 1808; BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056, 1059; BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 65 = ZIP 2007, 22, 23; s. a. OLG Köln, Urt. v. 31.1.2013 – 18 U 21/12, ZIP 2013, 516, 518 – ständ. Rspr. 12) BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, Rz. 13, BGHZ 170, 60 = ZIP 2007, 22, 23; s. a. OLG Köln, Urt. v. 31.1.2013 – 18 U 21/12, ZIP 2013, 516, 518; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 862; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 25. 13) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 10; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 114 Rz. 12; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 861. 14) BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05 = ZIP 2007, 1056, 1059; BGHZ 114, 127, 133 f. = ZIP 1991, 653, 655 f.; BGH, Urt. v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 348 = ZIP 1994, 1216, 1218; BGH, Urt. v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 (IFA), BGHZ 168, 188, 199 = ZIP 2006, 1529, 1533. 15) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 14, ZIP 2012, 1807, 1809; BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 62 f. = ZIP 2007, 22, 23; BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056, 1058; krit. hierzu: Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 41; Ihrig, ZGR 2013, 417, 434 f.; abl.: Cahn, Der Konzern 2012, 501, 504 ff. 16) S. dazu BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056, 1058; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15.2.2011 – 5 U 30/10, ZIP 2011, 425, 426 f.; krit. hierzu: Hoffmann-Becking in: FS K. Schmidt, S. 657, 663 f.; Cahn, Der Konzern 2012, 501, 504 f.
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Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern
Sinn und Zweck der §§ 113, 114, die unabhängige Wahrnehmung der organschaftlichen Überwachungsfunktion zu gewährleisten, auch in diesem Fall berührt ist.17) 7 Ob sich § 114 auch generell auf Verträge von Aufsichtsratsmitgliedern mit verbundenen Unternehmen erstreckt, ist umstritten.18) Zwar enthält § 114 insoweit anders als § 115 Abs. 1 Satz 2 keine ausdrückliche Regelung, der Schutzzweck der Norm spricht jedoch dafür, sie zum Schutz vor Umgehungen auch dann anzuwenden, wenn der Vertrag nach seinem Inhalt auch unmittelbar mit der Muttergesellschaft hätte abgeschlossen werden können oder andere konkrete Indizien für eine missbräuchliche Umgehung sprechen.19) Nach dem Schutzzweck der Norm bedürfen Beratungsverträge von Aufsichtsratsmitgliedern oder deren Sozietäten mit von der Gesellschaft abhängigen Unternehmen einer Zustimmung des Aufsichtsrats, wenn der Vorstand in der Lage ist, den Vertragsschluss mit dem abhängigen Unternehmen zu beeinflussen, wovon in der Regel nach §§ 17 f. auszugehen ist.20) 4.
Zustimmung des Aufsichtsrats
8 Nach bisher h. M. kann die Zustimmung zu einem von § 114 erfassten Beratungsvertrag als (vorherige) Einwillligung oder (nachträgliche) Genehmigung erteilt werden.21) Dem gegenüber nimmt der BGH grundsätzlich in der Fresenius-Entscheidung an, dass eine Vergütungszahlung durch den Vorstand nur rechtmäßig ist, wenn eine vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgt ist.22) Der Beratungsvertrag ist bis zur Entscheidung über die Genehmigung nach § 114 Abs. 2 Satz 1 schwebend unwirksam, weshalb noch kein Zahlungsanspruch besteht bzw. der Vorstand noch nicht zahlen darf.23) An der Rechtswidrigkeit einer gleichwohl geleisteten Zahlung ändert sich nach der Auffassung des BGH auch dann nichts, wenn der Aufsichtsrat den Vertrag genehmigt hat.24) 9 Der Aufsichtsrat entscheidet über die Zustimmung durch Beschluss (§ 108 Abs. 1); das betroffene Aufsichtsratsmitglied ist vom Stimmrecht ausgeschlossen.25) Eine Delegation auf einen Ausschuss ist zulässig, da § 114 in § 107 Abs. 3 Satz 3 nicht genannt wird.26)
_____________ 17) BGH, Urt. v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 64 = ZIP 2007, 22, 23; BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056, 1058; zust.: Hüffer, AktG, § 114 Rz. 2a; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 14; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 876. 18) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 16 f.; Spindler, NZG, 2011, 334, 336. 19) Cahn, Der Konzern 2012, 501, 502 f.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 41; Spindler, NZG, 2011. 334, 336; noch weitergehend: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 17; a. A. Mertens in: KölnKomm-AktG, § 144 Rz. 8; s. a. OLG Hamburg, Urt. v. 17.1.2007 – 11 U 48/06, ZIP 2007, 814, 818 f. 20) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 16, ZIP 2012, 1807, 1809; s. a. Ihrig, ZGR 2013, 417, 435; abl.: Cahn, Der Konzern 2012, 501, 502 f. 21) OLG München, Urt. v. 13.10.2005 – 23 U 1949/05, AG 2006, 337, 338 = ZIP 2006, 712; K. Schmidt/ Lutter-Drygala, AktG, § 114 Rz. 17; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 863. 22) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 16, ZIP 2012, 1807, 1809 f.; OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 15.2.2011 – 5 U 30/10 (Fresenius), ZIP 2011, 425, 426 f., dazu: Drygala, ZIP 2011, 427 ff.; Spindler, NZG, 2011, 334 ff. 23) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 19, ZIP 2012, 1807, 1809; so auch: Spindler, NZG 2011, 334, 336 f.; abl.: Cahn, Der Konzern 2012, 501, 507 f. 24) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 19, ZIP 2012, 1807, 1809; a. A. Cahn, Der Konzern 2012, 501, 507 f. 25) BGH, Urt. v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, Rz. 13, ZIP 2007, 1056, 1058; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 30; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 864. 26) BGH, Urt. v. 10.7.2012 – II ZR 48/11 (Fresenius), Rz. 21, ZIP 2012, 1807, 1810; Hüffer, AktG, § 114 Rz. 6; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 30; a. A. Cahn, Der Konzern 2012, 501, 503.
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Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder
§ 115
Insbesondere mit Blick auf die Fresenius-Entscheidung des BGH empfiehlt es sich, einen Ausschuss entsprechend zu ermächtigen.27) IV.
Rechtsfolgen fehlender Zustimmung (§ 114 Abs. 2)
Bei fehlender oder verweigerter Zustimmung hat das betroffene Aufsichtsratsmitglied 10 gleichwohl bereits enthaltene Vergütung zurückzugewähren (Rückgewähranspruch nach § 114 Abs. 2 Satz 1).28) Dieser aktienrechtliche Rückgewährungsanspruch wird sofort fällig.29) Das betroffene Aufsichtsratsmitglied kann gegen den Rückgewähranspruch nicht mit dem eigenen Bereicherungsanspruch aufrechnen (§ 114 Abs. 2 Satz 2), sondern allenfalls mit anderen Forderungen.30) Sofern der Vorstand den Rückgewährungsanspruch nicht geltend macht, kommt eine 11 Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 in Betracht.31) Nach § 93 Abs. 3 Nr. 7 machen die Mitglieder des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats sich schadensersatzpflichtig, wenn entgegen § 114 eine Vergütung gewährt bzw. daran mitgewirkt32) wird. _____________ 27) Ihrig, ZGR 2013, 417, 420 f. 28) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 877; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 31; ausführlich Kanzler, AG 2013, 554 ff. 29) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 114 Rz. 20; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 32 und 34. 30) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 114 Rz. 22; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 34; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 114 Rz. 57. 31) Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 114 Rz. 24; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 114 Rz. 56. 32) BGH, Urt. v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 (IFA), BGHZ 168, 188, 200 = ZIP 2006, 1529, 1533; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 114 Rz. 36; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 114 Rz. 62.
§ 115 Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder (1) 1Die Gesellschaft darf ihren Aufsichtsratsmitgliedern Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren. 2Eine herrschende Gesellschaft darf Kredite an Aufsichtsratsmitglieder eines abhängigen Unternehmens nur mit Einwilligung ihres Aufsichtsrats, eine abhängige Gesellschaft darf Kredite an Aufsichtsratsmitglieder des herrschenden Unternehmens nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens gewähren. 3Die Einwilligung kann nur für bestimmte Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften und nicht für länger als drei Monate im voraus erteilt werden. 4Der Beschluß über die Einwilligung hat die Verzinsung und Rückzahlung des Kredits zu regeln. 5Betreibt das Aufsichtsratsmitglied ein Handelsgewerbe als Einzelkaufmann, so ist die Einwilligung nicht erforderlich, wenn der Kredit für die Bezahlung von Waren gewährt wird, welche die Gesellschaft seinem Handelsgeschäft liefert. (2) Absatz 1 gilt auch für Kredite an den Ehegatten, Lebenspartner oder an ein minderjähriges Kind eines Aufsichtsratsmitglieds und für Kredite an einen Dritten, der für Rechnung dieser Personen oder für Rechnung eines Aufsichtsratsmitglieds handelt. (3) 1Ist ein Aufsichtsratsmitglied zugleich gesetzlicher Vertreter einer anderen juristischen Person oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, so darf die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren; Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt sinngemäß. 2Dies gilt nicht, wenn die juristische Person oder die Personenhandelsgesellschaft mit der Gesellschaft verbunden ist oder wenn der Kredit für die Bezahlung von Waren ge-
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§ 115
Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder
währt wird, welche die Gesellschaft der juristischen Person oder der Personenhandelsgesellschaft liefert. (4) Wird entgegen den Absätzen 1 bis 3 Kredit gewährt, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren, wenn nicht der Aufsichtsrat nachträglich zustimmt. (5) Ist die Gesellschaft ein Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut, auf das § 15 des Gesetzes über das Kreditwesen anzuwenden ist, gelten anstelle der Absätze 1 bis 4 die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen. Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ........................................... 1 II. Einwilligung des Aufsichtsrats ....... 2 I.
III. Rückgewähranspruch bei fehlerhafter oder fehlender Einwilligung (§ 115 Abs. 4) .............. 4
Gegenstand und Zweck der Norm
1 Die Norm betrifft die Kreditvergabe der Gesellschaft an Aufsichtsratsmitglieder. Sie soll Missbräuchen, wie insbesondere die unangemessene Beeinflussung einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch Kreditvergabe in unangemessener Höhe bzw. zu unüblichen Konditionen, vorbeugen, um deren Unabhängigkeit zu sichern.1) Daher werden Kreditbeziehungen mit den Aufsichtsratsmitgliedern zwar nicht verboten, aber transparent gemacht und an strenge Regeln gebunden.2) II.
Einwilligung des Aufsichtsrats
2 Der Begriff „Kreditgewährung“ ist weit auszulegen. Neben Darlehen werden auch unübliche Stundungen oder Garantien, Bürgschaften und die Gewährung anderer Sicherheiten außerhalb des üblichen Rahmens erfasst.3) Erfasst wird die Kreditgewährung an ein Aufsichtsratsmitglied (§ 115 Abs. 1 Satz 1) oder eine nahe stehende Person (§ 115 Abs. 2).4) Kreditgeber muss die Gesellschaft (§ 115 Abs. 1 Satz 1) oder ein herrschendes oder abhängiges Unternehmen (§ 115 Abs. 1 Satz 2) sein. 3 Die Kreditgewährung an Aufsichtsratsmitglieder bedarf der vorab zu erteilenden Zustimmung (Einwilligung) durch ausdrücklichen Beschluss des Aufsichtsrats (des herrschenden Unternehmens, § 115 Abs. 1 Satz 25)).6) Anstelle des Aufsichtsrats kann ein Ausschuss gemäß § 107 Abs. 3 entscheiden.7) Die Einwilligung kann nicht pauschal und höchstens für drei Monate im Voraus erteilt werden (§ 115 Abs. 1 Satz 3).8) Es müssen die Verzinsung und die Rückzahlung festgelegt werden (§ 115 Abs. 1 Satz 4). § 115 Abs. 3 Satz 1 erstreckt das Einwilligungserfordernis auf Kredite an eine juristische Per_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8)
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K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 115 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 115 Rz. 1; Habersack in: MünchKommAktG, § 115 Rz. 2. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 115 Rz. 2; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 2; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 112 Rz. 879. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 115 Rz. 3; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 7; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 112 Rz. 879. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 9 und 11; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 44. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 13; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 44. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 115 Rz. 8; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 16 f. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 115 Rz. 8; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 17. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 115 Rz. 8; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 17.
Werner Paul Schick
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder
§ 116
son, deren Vertretungsorgan ein Aufsichtsratsmitglied angehört, oder eine Personenhandelsgesellschaft, deren Gesellschafter ein Aufsichtsratsmitglied ist.9) Bei der Durchführung des Kredits wird die Gesellschaft durch den Vorstand vertreten, § 78 Abs. 1.10) Gewährte Kredite sind im Anhang anzugeben (§§ 285 Nr. 9 lit. c, 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. c HGB). III.
Rückgewähranspruch bei fehlerhafter oder fehlender Einwilligung (§ 115 Abs. 4)
Ein Verstoß gegen § 115 Abs. 1 bis 3 lässt die Wirksamkeit des gewährten Kredits unbe- 4 rührt; der Kredit ist nach § 115 Abs. 4 sofort zurückzugewähren.11) Die Genehmigung (nachträgliche Zustimmung, § 184 Abs. 1 BGB) der Kreditgewährung durch ausdrücklichen Beschluss des Aufsichtsrats unter Beachtung von § 115 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 lässt nach § 115 Abs. 4 die Rückgewährpflicht entfallen.12) _____________ 9) 10) 11) 12)
Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 12; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 115 Rz. 17. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 16; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 115 Rz. 28. K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 115 Rz. 10; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 19. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 115 Rz. 19; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 115 Rz. 33.
§ 116 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder 1 Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gilt § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. 2Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. 3Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1).
Literatur: Annuß/Theusinger, Das VorstAG – Praktische Hinweise zum Umgang mit dem neuen Recht, BB 2009, 2434; Binder, Mittelbare Einbringung eigener Aktien als Sacheinlage und Informationsgrundlagen von Finanzierungsentscheidungen in Vorstand und Aufsichtsrat, ZGR 2012, 757; Buck-Heeb, Die Haftung von Mitgliedern des Leitungsorgans bei unklarer Rechtslage, BB 2013, 2247; Diekmann/Fleischmann, Umgang mit Interessenkonflikten in Aufsichtsrat und Vorstand der Aktiengesellschaft, AG 2013, 141; Fleischer, Aufsichtsratsverantwortlichkeit für die Vorstandsvergütung und Unabhängigkeit der Vergütungsberater, BB 2010, 67; Fleischer, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG 2009, 801; Hasselbach/ Jakobs, Die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, BB 2013, 643; Helmrich/Eidam, Untreue durch Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen (ehemalige) Führungskräfte einer Aktiengesellschaft?, ZIP 2011, 257; Hoffmann, Urteilsbildungs- und Verhinderungspflicht des Aufsichtsrats, AG 2012, 478; Hoffmann-Becking, Der Aufsichtsrat im Konzern, AG 2006, 517; Hoffmann-Becking, Der Aufsichtsrat im Konzern, ZHR 159 (1995), 325; Hopt, Die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat: Grundsatz und Praxisprobleme – unter besonderer Berücksichtigung der Banken, ZIP 2013, 1793; Ihrig/Wandt/Jonas, Die angemessene Vorstandsvergütung drei Jahre nach Inkrafttreten des VorstAG, Grundsätze, Leitlinien und Zweifelsfragen in der Praxis – eine Bestandsaufnahme, ZIP, Beil. zu Heft 40/2012, S. 1; Lutter, Zum unternehmerischen Ermessen des Aufsichtsrats, ZIP 1995, 441; Merkt/Mylich, Einlage eigener Aktien und Rechtsrat durch den Aufsichtsrat, NZG 2012, 525; Mutter/Gayk, Wie die Verbesserung der Aufsichtsratsarbeit – wider jede Vernunft – die Haftung verschärft, ZIP 2003, 1773;
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder
Rieder/Holzmann, Brennpunkte der Aufsichtsratsregulierung in Deutschland und den USA, AG 2010, 570; Säcker/Boesche, Vom Gutsherren zum Gutsverwalter: Wandlungen im Aufsichtsratsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Mannesmann-Urteils, BB 2006, 897; Seibert, Das VorstAG – Regelungen zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung und zum Aufsichtsrat, WM 2009, 1489; Spindler, Kommunale Mandatsträger in Aufsichtsräten – Verschwiegenheitspflicht und Weisungsgebundenheit, ZIP 2011, 689; Veil, Weitergabe von Informationen durch den Aufsichtsrat an Aktionäre und Dritte, ZHR 172 (2008), 239; Windbichler, Arbeitnehmerinteressen im Unternehmen und gegenüber dem Unternehmen – Eine Zwischenbilanz, AG 2004, 190; Ziegelmeier, Die Systematik der Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft, ZGR 2007, 144.
Übersicht I. Gegenstand und Zweck der Norm ........................................... 1 II. Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder (§ 116 Satz 1) ............ 2 I.
III. Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht (§ 116 Satz 2) ...................................... 4 IV. Schadensersatzpflicht ..................... 10
Gegenstand und Zweck der Norm
1 In § 116 Satz 1 wird für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder lediglich auf die sinngemäße Anwendung der gesamten Parallelnorm für den Vorstand (§ 93 mit Ausnahme des Abs. 2 Satz 3) verwiesen. Insoweit sind jedoch die unterschiedlichen Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat, insbesondere die Konzeption des Aufsichtsratsmandats als Nebentätigkeit zu berücksichtigen.1) Da § 93 Abs. 2 Satz 3 ausdrücklich nicht anzuwenden ist, muss die D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder keinen Selbstbehalt enthalten.2) Der DCGK empfiehlt jedoch in Ziff. 3.8 Abs. 3 die Vereinbarung eines der Regelung in § 93 Abs. 2 Satz 3 entsprechenden Selbstbehalts für den Aufsichtsrat.3) § 116 Satz 2 betont die Verpflichtung zur Verschwiegenheit. § 116 Satz 3 hebt die Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder bei Festsetzung unangemessener Vergütung des Vorstands deklaratorisch hervor.4) II.
Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder (§ 116 Satz 1)
2 Bei der sinngemäßen Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 1 ist auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds – mithin eines Überwachers (§ 111 Abs. 1) – abzustellen.5) Die Sorgfaltspflicht bei der Überwachung der Geschäftsführung nach § 111 Abs. 1 bezieht sich nicht nur auf eine in die Vergangenheit gerichtete Kontrolle der Vorstandstätigkeit; die Überwachung ist auch präventiv angelegt und wirkt in die Zukunft.6) Die Kontrolle erstreckt sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik (siehe dazu § 111 Rz. 4).7) Sie ist nicht nur auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern muss _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
7)
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Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 116 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 1. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), BT-Drucks. 16/13433, S. 11 f.; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 2. Dazu: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Ringleb, DCGK, Rz. 523; Fleischer, NZG 2009, 801, 806. Hüffer, AktG, § 116 Rz. 10; Fleischer, NZG 2009, 801, 804. LG Dortmund, Urt. v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, AG 2002, 97, 98; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 116 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 2; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 58. Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 116 Rz. 107; Raiser/Veil, § 15 Rz. 126; s. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.12.2009 – I-6 W 45/09, ZIP 2010, 28, 31 – dort wird eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats damit begründet, dass er Geschäfte des Vorstands, die gegen den Unternehmenszweck verstoßen, nicht hätte „zulassen dürfen“. BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. = ZIP 1991, 653, 654.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder
§ 116
die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung einbeziehen.8) Jedenfalls bei besonders bedeutenden und riskanten Geschäften (zur daraus resultierenden Intensivierung der Überwachungspflicht siehe § 111 Rz. 5) darf der Aufsichtsrat sich nicht auf die bloße Entgegennahme der Informationen des Vorstands beschränken; jedes Aufsichtsratsmitglied trifft die Pflicht zur selbständigen und eigenverantwortlichen Risikoanalyse.9) Kann ein Aufsichtsratsmitglied diese Risikoeinschätzung (etwa umfangreichen Derivatgeschäften) nicht selbst vornehmen, vermag hieraus auch die Pflicht resultieren, auf die Hinzuziehung sachkundiger externer Berater durch den Aufsichtsrat hinzuwirken.10) Für alle Aufsichtsratsmitglieder gilt ein typisierter Verschuldensmaßstab, unabhängig 3 von ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten11); er gilt für die Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in gleicher Weise.12) Jedes Aufsichtsratsmitglied muss über den Mindeststandard an Kenntnissen und Fähigkeiten verfügen oder sich aneignen, die zum Verständnis aller normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge erforderlich sind.13) Darüber hinaus sind jedoch Differenzierungen zulässig, d. h. aufgrund einer besonderen Funktion (Ausschussmitgliedschaft, Vorsitz des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses, unabhängiger Finanzexperte nach § 100 Abs. 514)) können für einzelne Aufsichtsratsmitglieder höhere Anforderungen gelten.15) Diese Aufsichtsratsmitglieder haben für die Kenntnisse und Fähigkeiten einzustehen, die die jeweilige besondere Funktion erfordert; verfügen sie nicht hierüber, trifft sie ein Übernahmeverschulden.16) Umstritten ist, ob die individuelle Leistungsfähigkeit bzw. Kenntnisse eine Haftung begründen oder verschärfen können.17) Da die besonderen individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten gerade der erklärte Anlass für die Wahl in den Aufsichtsrat waren, haben die jeweiligen Aufsichtsratsmitglieder auch hierfür einzustehen.18) Ein Aufsichtsratsmitglied, das über beruflich erworbene Spezialkenntnisse (etwa als Rechtsanwalt) verfügt, unterliegt einem erhöhten Sorgfaltsmaßstab, soweit diese betroffen sind.19) _____________ 8) BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. = ZIP 1991, 653, 654. 9) OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11 (Piech), ZIP 2012, 625, 627; Hoffmann, AG 2012, 478, 482 ff.; BGH, Beschl. v. 6.11.2012 – II ZR 111/12, ZIP 2012, 2438, 2439. 10) OLG Stuttgart, Urt. v. 29.2.2012 – 20 U 3/11 (Piech), ZIP 2012, 625, 628; s. dazu Henze, Der Aufsichtsrat 2013, 12, 13 (Urteilsanm.); BGH, Beschl. v. 6.11.2012 – II ZR 111/12, ZIP 2012, 2438, 2439. 11) Hüffer, AktG, § 116 Rz. 2; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 13 Rz. 1005; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 70. 12) BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295 f. (Hertie) = ZIP 1983, 55, 56; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 2; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 23. 13) BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295 f. (Hertie) = ZIP 1983, 55, 56; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 2; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 13 Rz. 1005; Habersack in: MünchKommAktG, § 116 Rz. 24; zur Verschwiegenheitspflicht kommunaler Mandatsträger: Spindler, ZIP 2011, 689, 690 ff. 14) S. dazu K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 116 Rz. 37; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 55. 15) BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/02, ZIP 1993, 1079, 1085 – Kreditausschuss einer Großbank; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 27; Mutter/Gayk, ZIP 1993, 1773, 1775 – Prüfungsausschuss; Raiser/ Veil, § 15 Rz. 112. 16) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 13 Rz. 1008; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 27 und 70; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 3. 17) So BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09 (Ision), Rz. 28 a. E., ZIP 2011, 2097, 2102; LG Hamburg, Urt. v. 16.12.1980 – 80229/79, ZIP 1981, 194, 197; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.1984 – 6 U 75/83, ZIP 1984, 825, 830; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 13 Rz. 1008; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 28; a. A. Hüffer, AktG, 116 Rz. 3; Mutter/Gayk, ZIP 2003, 1773, 1775. 18) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 28; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 116 Rz. 17. 19) BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09 (Ision), Rz. 28, ZIP 2011, 2097, 2102; zust.: Binder, ZGR 2012, 757, 774 f.; Merkt/Mylich, NZG 2012, 525, 530.
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§ 116 III.
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht (§ 116 Satz 2)
4 Die Aufsichtsratsmitglieder trifft eine Treue- und Verschwiegenheitspflicht. Die Treuepflicht verpflichtet sie, sich i. R. ihrer Aufsichtsratstätigkeit der Gesellschaft gegenüber loyal zu verhalten und das Unternehmensinteresse zu wahren, insbesondere andere Interessen dahinter zurückzustellen.20) Maßstab ist das Wohl der Gesellschaft (§ 116 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 2). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Aufsichtsratsmandat als Nebentätigkeit ausgeübt wird, woraus Interessenkonflikte resultieren können.21) Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Aufsichtsratsmitglied „hauptberuflich“ Vorstandsmitglied einer anderen Gesellschaft ist. 5 Die Literatur hat mit Blick auf mögliche Konfliktsituationen Fallgruppen gebildet und Lösungsvorschläge für die jeweilige Konfliktsituation entwickelt.22) Im Grundsatz gilt, dass Interessenkollisionen das Aufsichtsratsmitglied nicht entlasten. Es bleibt verpflichtet, allein das Wohl der Gesellschaft zu wahren.23) Die Aufsichtsratsmitglieder sind jedoch gehalten, ihre Mitwirkung im Aufsichtsrat unter Berücksichtigung des konkreten Konflikts zu beschränken.24) In konkreten Entscheidungssituationen erscheint (vom Maß des Konflikts abhängig) ein differenziertes Vorgehen zweckmäßig, um den (potentiellen) Interessenkonflikt adäquat zu berücksichtigen bzw. die Mitwirkung im Aufsichtsrat angemessen zu beschränken. Insoweit kommen die Offenlegung des (potentiellen) Interessenkonflikts,25) eine Stimmenthaltung bei einer Abstimmung im Aufsichtsrat, ein Verzicht auf Zugang zu den Informationen zu dem konfliktbelasteten Gegenstand bzw. auf Sitzungsteilnahme bei deren Behandlung im Aufsichtsrat sowie ein vorübergehendes Ruhenlassen des Mandats in Betracht.26) Als Ultima Ratio bleibt die Niederlegung eines der kollidierenden Mandate27), was der DCGK für wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte empfiehlt (Ziff. 5.5.3 Satz 2).28) Die gerichtliche Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund (§ 103 Abs. 3) kommt in gravierenden Fällen pflichtwidrigen Verhaltens in Frage.29) In dem Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2) soll nach dem DCGK über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung berichtet werden (Ziff. 5.5.3 Satz 1 DCGK). 6 Für die Arbeitnehmervertreter ergeben sich systemimmanente Interessen- bzw. Pflichtenkollisionen, da sie nach den Mitbestimmungsgesetzen die Arbeitnehmer und Gewerkschaften repräsentieren.30) Die Arbeitnehmervertreter haben sich bei ihrer Aufsichtsrats_____________ 20) BGH, Urt. v. 21.12.1979 – II ZR 244/78 (Schaffgotsch), NJW 1980, 1629; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.1.1990 – 11 W 92/89 (HEW/Jansen), ZIP 1990, 311, 312 f.; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 116 Rz. 173. 21) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 44; Raiser/Veil, § 15 Rz. 115; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 63. 22) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 894 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 67; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 116 Rz. 190 ff. 23) BGH, Urt. v. 21.12.1979 – II ZR 244/78 (Schaffgotsch), NJW 1980, 1629. 24) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 898 ff.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR; Bd. 4, § 33 Rz. 63; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 145 ff. (Interessenkonflikte sind zu Gunsten der Gesellschaft aufzulösen). 25) S. a. die diesbezügliche Empfehlung in Ziff. 5.5.2 des DCGK. 26) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 13 Rz. 1003. 27) LG Hannover, Beschl. v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, ZIP 2009, 761, 762; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 13 Rz. 900. 28) S. dazu Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder-Kremer, DCGK, Rz. 1116 f. 29) OLG Hamburg, Beschl. v. 23.1.1990 – 11 W 92/89 (HEW/Jansen), ZIP 1990, 311, 312 f.; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 930. 30) Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 895; Raiser/Veil, § 15 Rz. 115 und 120; Windbichler, AG 2004, 190 ff.
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Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder
§ 116
tätigkeit ausschließlich am Wohle des Unternehmens zu orientieren.31) Die Teilnahme an Tarifverhandlungen (etwa als Verhandlungsführer der Gewerkschaften) sowie die passive Beteiligung an Arbeitskämpfen wird zutreffend als mit der Aufsichtsratstätigkeit (noch) vereinbar erachtet, eine aktive Beteiligung tendenziell jedoch nicht.32) Die Verschwiegenheitspflicht folgt aus § 116 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 3 bzw. 7 (dogmatisch) aus der Treuepflicht der Aufsichtsratsmitglieder.33) Sie ist das funktionsnotwendige Korrelat zur Pflicht des Vorstands, den Aufsichtsrat umfassend nach § 90 AktG zu informieren.34) § 116 Satz 2 betont besonders die Pflicht zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und Beratungen. Dies hat klarstellenden Charakter bzw. Appellfunktion und enthält Beispiele für die Gegenstände der Verschwiegenheitspflicht, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt.35) Die Verschwiegenheitspflicht erfasst jede vertrauliche Information und insbesondere den gesamten Inhalt und Verlauf der Beratungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse.36) Das Beratungsgeheimnis umfasst die Gegenstände und den Gang der Beratungen (einschließlich der Stellungnahmen der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder) sowie das Abstimmungsergebnis und das Abstimmungsverhalten.37) Die Verschwiegenheitspflicht gilt für Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter im 8 Aufsichtsrat gleichermaßen38), es gibt keine gespaltene Vertraulichkeit.39) Sie ist abschließend geregelt und darf durch Regelungen in der Satzung oder Geschäftsordnung weder abgemildert noch verschärft werden.40) Zulässig sind jedoch das Gesetz erläuternde Hinweise bzw. Richtlinien.41) Die Aufsichtsratsmitglieder verfügen über keinen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Information nach § 116 geheimhaltungspflichtig ist. Entscheidend ist die objektiv am Interesse der Gesellschaft ausgerichtete Beurteilung,42) die gerichtlich voll nachprüfbar ist.43)
_____________ 31) Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 66; Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 116 Rz. 205. 32) So das gesellschaftsrechtliche Schrifttum: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des AR, § 12 Rz. 908; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 66; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 48 a. E. – für rechtswidrige Streiks; a. A. die Lit. zum MitbestG, vgl. Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 3. Aufl., § 26 MitbestG Rz. 30 m. w. N. 33) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 45; Zieglmeier, ZGR 2007, 144, 158. 34) Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 45; Raiser/Veil, § 15 Rz. 97; Zieglmeier, ZGR 2007, 144, 158; s. a. OLG München, Urt. v. 14.3.2012 – 7 U 681/11, ZIP 2012, 1671: ein Verstoß gegen das Gebot der Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat vermag die Abberufung eines Vorstandsmitglieds nach § 84 Abs. 3 zu rechtfertigen. 35) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 116 Rz. 23; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 6 a; Veil, ZHR 172 (2008), 239, 242. 36) Hüffer, AktG, § 116 Rz. 6a; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 52 und 54. 37) BGH, Urt. v. 5.7.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 330 und 332 („vor allem die Stimmabgabe und die Stellungnahme anderer Aufsichtsratsmitglieder“); Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 51. 38) Zur partiellen Durchbrechung durch § 394 AktG zugunsten der Vertreter von Gebietskörperschaften: Spindler, ZIP 2011, 689, 691 ff. 39) OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.11.2006 – 8 W 388/06, AG 2007, 218, 219; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 50. 40) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 326 f. = NJW 1975, 1412. 41) BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 328 = NJW 1975, 1412, 1413; s. dazu: HoffmannBecking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 53 f.; Spindler/Stilz-Spindler, AktG, § 116 Rz. 96. 42) OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.11.2006 – 8 W 388/06, AG 2007, 218, 219; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 50; Veil, ZHR 172 (2008), 239, 244. 43) Hüffer, AktG, § 116 Rz. 7 a. E.; Hoffmann-Becking in: MünchHdb. GesR, Bd. 4, § 33 Rz. 50.
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§ 116
Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder
9 Spezialgesetzliche Grenzen der Verschwiegenheitspflicht für Vertreter von Gebietskörperschaften enthalten die §§ 394, 395.44) Im Rahmen der Aktienrechtsnovelle 2012, die dann als Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften (VorstKoG) vom Bundestag verabschiedet wurde und zwischenzeitlich im Bundesrat gescheitert ist,45) war die Einfügung eines neuen Satzes 3 in § 394 vorgesehen. Danach sollte die Berichtspflicht, die nach § 394 Satz 1 dazu führt, dass diese Aufsichtsratsmitglieder keiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen, auf Gesetz, Satzung oder dem Aufsichtsrat in Textform mitgeteilten Rechtsgeschäft beruhen können (zu den Einzelheiten siehe § 394 Rz. 4 ff.) IV.
Schadensersatzpflicht
10 Die in § 116 Satz 1 vorgesehene sinngemäße Anwendung des § 93 gilt auch für die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder. Auf die Ausführungen zur Haftung der Vorstandsmitglieder wird daher verwiesen (§ 93 Rz. 34 ff.). Für die Aufsichtsratsmitglieder gilt auch § 93 Abs. 1 Satz 2 und damit die dort kodifizierte „Business Judgment Rule“, soweit der Aufsichtsrat eine unternehmerische Entscheidung trifft.46) Hier sind etwa die Zustimmung zu zustimmungspflichtigen Geschäften nach § 111 Abs. 4 Satz 247) und die Personalentscheidungen des Aufsichtsrats (Auswahl der Vorstandsmitglieder)48) sowie die Festsetzung der Vorstandsbezüge49) zu nennen. Eine unternehmerische Entscheidung liegt dagegen nicht vor, wenn der Aufsichtsrat nach den Grundsätzen der ARAG/GarmenbeckEntscheidung des BGH50) zur Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder verpflichtet ist (siehe dazu § 111 Rz. 7 a. E.). 11 § 116 Satz 3 hebt die Schadensersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder bei Festsetzung einer unangemessenen Vergütung (Verstoß gegen § 87 Abs. 1) deklaratorisch hervor.51) Die angemessene Festsetzung der Vorstandsvergütung gehörte auch vor Einfügung dieser Norm bereits zu den Organpflichten des Aufsichtsrats.52) 12 Die Ersatzpflicht nach §§ 116, 93 besteht nur gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung); eine Haftung gegenüber Aktionären oder Dritten (Außenhaftung) kann sich etwa aus § 117 Abs. 2 sowie aus Deliktsrecht (etwa nach §§ 826, 830 BGB) ergeben.53) Letzteres kommt auch in Betracht, wenn der Aufsichtsrat vorsätzlich strafbares oder sittenwidriges Handeln des Vorstands veranlasst oder unterstützt.54) _____________ 44) Hopt/Roth in: GroßKomm-AktG, § 116 Rz. 278. 45) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), BT-Drucks. 17/14214, S. 10 f., S. 1 f. 46) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 116 Rz. 11; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 39 ff. 47) Lutter, ZIP 1995, 441, 442; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 41. 48) Lutter, ZIP 1995, 441, 442; Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 41. 49) Fleischer, BB 2010, 67, 70; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP, Beil. zu Heft 40/2012, S. 1, 29 (innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens); a. A. Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 41. 50) BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 254 f. = ZIP 1997, 883, 886; s. Helmrich/Eidam, ZIP 2011, 257 ff. – zu etwaigen strafrechtlichen Aspekten eines Verfolgungsverzichts. 51) Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP, Beil. zu Heft 40/2012, S. 1, 29 (innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens); Seibert, WM 2009, 1489, 1491. 52) Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2440; ausführlich zu den Voraussetzungen für die Gewährung von Sondervergütungen unter Berücksichtigung des Mannesmann-Urteils: Säcker/Boesche, BB 2006, 897 ff. 53) K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 116 Rz. 50; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 8 a; ausführlich dazu: Habersack in: MünchKomm-AktG, § 116 Rz. 75 ff. 54) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.6.2008 – I-9 U 22/08, ZIP 1922, 1923; K. Schmidt/Lutter-Drygala, AktG, § 116 Rz. 50; Hüffer, AktG, § 116 Rz. 8a.
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Werner Paul Schick
§ 117
Schadenersatzpflicht
Dritter Abschnitt Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft § 117 Schadenersatzpflicht Thomas Mayrhofer
(1) 1Wer vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, ist der Gesellschaft zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 2Er ist auch den Aktionären zum Ersatz des ihnen daraus entstehenden Schadens verpflichtet, soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind. (2) 1Neben ihm haften als Gesamtschuldner die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, wenn sie unter Verletzung ihrer Pflichten gehandelt haben. 2Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. 3Der Gesellschaft und auch den Aktionären gegenüber tritt die Ersatzpflicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. 4Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. (3) Neben ihm haftet ferner als Gesamtschuldner, wer durch die schädigende Handlung einen Vorteil erlangt hat, sofern er die Beeinflussung vorsätzlich veranlaßt hat. (4) Für die Aufhebung der Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft gilt sinngemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 und 4. (5) 1Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. 2Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. 3Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger aus. (6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. (7) Diese Vorschriften gelten nicht, wenn das Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, der Prokurist oder der Handlungsbevollmächtigte durch Ausübung 1. der Leitungsmacht auf Grund eines Beherrschungsvertrags oder 2. der Leitungsmacht einer Hauptgesellschaft (§ 319), in die die Gesellschaft eingegliedert ist, zu der schädigenden Handlung bestimmt worden ist. Literatur: Bürgers/Körber(Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Hoffmann, Grenzen der Einflussnahme auf Unternehmensleitungsentscheidungen durch Kreditgläubiger, WM 2012, 10; Krause, Managerhaftung und Strategien zur Haftungsvermeidung, BB 2009, 1370; Kort, Die Haftung des Einflussnehmers auf Kapitalgesellschaften in ausländischen Rechtsordnungen – Vorbild für ein neues Verständnis von § 117 AktG?, AG 2005, 453; Thaeter/Guski, Shareholder Activism: Gesellschaftsrechtliche Schranken aktiven Aktionärs-
Thomas Mayrhofer
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§ 117
Schadenersatzpflicht
verhaltens, AG 2007, 301; Redeke, Zur Verlängerung der Verjährungsfristen für Organhaftungsansprüche, BB 2010, 910.
Übersicht I. Bedeutung und Rechtsnatur ............. 1 II. Haftung wegen schädigender Beeinflussung (§ 117 Abs. 1) ............. 3 1. Benutzung von Einfluss ...................... 3 2. Schaden der Gesellschaft und/oder von Aktionären.................................... 4 3. Rechtswidrigkeit und Vorsatz ............ 5 4. Rechtsfolge .......................................... 7 III. Mithaftung (§ 117 Abs. 2, Abs. 3)..... 8 1. Der Verwaltung (§ 117 Abs. 2)........... 8 I.
2. Des Nutznießers (§ 117 Abs. 3)..........9 IV. Haftungsmodalitäten (§ 117 Abs. 4, Abs. 6).........................10 1. Verzicht/Vergleich (§ 117 Abs. 4) ....10 2. Verjährung (§ 117 Abs. 6)..................11 V. Ausnahmen (§ 117 Abs. 7) ...............12 1. Beherrschungsvertrag (§ 117 Abs. 7 Nr. 1) ...........................12 2. Eingliederung (§ 117 Abs. 7 Nr. 2) ..... 13 VI. Konkurrenzen....................................14
Bedeutung und Rechtsnatur
1 Die praktische Bedeutung der Norm ist verschwindend,1) obgleich in jüngerer Zeit versucht wird, für § 117 einen gegenüber dem Konzernrecht eigenständigen Anwendungsbereich zu erschließen.2) 2 Überwiegend wird § 117 dem Deliktsrecht zugeordnet,3) mit der Folge, dass §§ 393, 830, 840 BGB Anwendung finden.4) Schutzzweck ist der Schutz des Gesellschaftsvermögens und des Aktionärsvermögens5) sowie die Autonomie der Willensbildung in der Gesellschaft.6) II.
Haftung wegen schädigender Beeinflussung (§ 117 Abs. 1)
1.
Benutzung von Einfluss
3 Unter „Einfluss auf die Gesellschaft“ versteht man die faktische Machtstellung zur Durchsetzung gesellschaftsfremder Interessen,7) unabhängig davon, wie diese vermittelt wird.8) Der mögliche Täterkreis beschränkt sich also nicht auf Gesellschafter; auch Organe, Funktionsträger und Repräsentanten der Arbeitnehmer der Gesellschaft, Kreditgeber,9) Gläubiger, politische Amtsinhaber, oder dem Organmitglied/leitenden Angestellten persönlich verbundene Individuen sind tauglich.10) Sowohl juristische als auch natürliche Personen kommen in Betracht.11) Der Einfluss muss benutzt, also bewusst ausgeübt werden.12) Es ist ausreichend, wenn der Einfluss auf das gesamte Organ ausge_____________ 1) Vgl. Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 117 Rz. 1; Thaeter/Guski, AG 2007, 301, 304; speziell zu § 117 Abs. 2 Krause, BB 2009, 1370, 1372. 2) So für ausländische, in Deutschland notierte Kapitalgesellschaften und zur denkbaren Erstreckung auf andere Kapitalgesellschaftsformen i. S. eines „Auffangkonzernrechts“ Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 117 Rz. 33, 34. 3) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 4. 4) Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 117 Rz. 1; Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 5. 5) Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 117 Rz. 5 m. w. N. 6) K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 1. 7) Allg. Meinung, vgl. etwa Heidel-Walchner, § 117 AktG Rz. 5. 8) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 6. 9) Hoffmann, WM 2012, 10, 13. 10) K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117, Rz. 6; zur umstrittenen Frage, ob weisungsabhängig handelnde Angestellte Täter sein können, vgl. Kort in: GroßKomm-AktG, § 117 Rz. 102 – abl., da sie nicht „Wer“ sondern nur ein Werkzeug seien; krit. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 11. 11) Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 10. 12) Bürgers/Körber-Bürgers/Israel, AktG, § 117 Rz. 2.
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Thomas Mayrhofer
§ 117
Schadenersatzpflicht
übt wird.13) Die Einflussnahmehandlung muss zumindest mitursächlich werden für das Handeln der genannten Gesellschaftsfunktionäre. 2.
Schaden der Gesellschaft und/oder von Aktionären
Die Einflussnahme muss kausal werden für einen nach dem allgemeinen Schadensrecht zu 4 ermittelnden Schaden bei der Gesellschaft (§ 117 Abs. 1 Satz 1) und/oder Aktionären (§ 117 Abs. 1 Satz 2),14) bei letzteren jedoch nur, soweit der Schaden den durch den Wertverlust der Aktien verursachten Schaden übersteigt.15) 3.
Rechtswidrigkeit und Vorsatz
Es ist umstritten, ob die Rechtswidrigkeit durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert wird16) 5 oder ob sie i. R. einer Interessenabwägung positiv festzustellen ist.17) Letztgenannter Auffassung ist zu folgen, da bei offenen Tatbeständen die Rechtswidrigkeit stets gesondert festzustellen ist.18) Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz – dolus eventualis genügt – bezüglich aller 6 objektiven Tatbestandsmerkmale. Die Beweislast liegt nach den allgemeinen Grundsätzen beim Anspruchssteller, eine Beweislastumkehr wie in § 117 Abs. 2 Satz 2 ist nicht vorgesehen. 4.
Rechtsfolge
Ersatzansprüche der Gesellschaft sind vom Vorstand geltend zu machen, soweit sie sich 7 nicht (auch) gegen den Vorstand richten; in diesem Fall ist der Aufsichtsrat zuständig (§ 112).19) Soweit diese Organe nicht tätig werden, können die Aktionäre nach §§ 147, 148 vorgehen.20) Hat ein Aktionär einen unmittelbaren Anspruch nach § 117 Abs. 1 Satz 2, so kann er direkt gegen den Einflussinhaber vorgehen. Nach § 117 Abs. 5 können Gläubiger den Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend machen, wenn sie gegenüber der Gesellschaft mit ihren Forderungen ausfallen. III.
Mithaftung (§ 117 Abs. 2, Abs. 3)
1.
Der Verwaltung (§ 117 Abs. 2)
Neben dem Einflussinhaber haften die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats 8 gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB), wenn sie ihre Pflichten verletzt haben – auch durch Unterlassen schadensabwendender Maßnahmen21) –, sich nicht exkulpieren können (§ 117 Abs. 2 Satz 2) und ihr Handeln nicht auf einem gesetzmäßigen Hauptversammlungsbeschluss beruht (§ 117 Abs. 2 Satz 3). Eine Billigung des Aufsichtsrats ist unbeachtlich _____________ 13) 14) 15) 16) 17)
18) 19) 20) 21)
Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 21. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 27. BGH, Urt. v. 4.3.1985 – II ZR 271/83, ZIP 1985, 607. So Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 31 m. w. N.; Spindler/Stilz-Schall, AktG, § 117 Rz. 22. So etwa Hüffer, AktG, § 117 Rz. 6 m. w. N. Hier ist noch streitig, ob eine solche Feststellung stets erforderlich ist oder nur in Fällen, in denen dem handelnden Organmitglied/leitenden Angestellten keine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden kann, vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 10; Grigoleit-Grigoleit/Tomasic, AktG, § 117 Rz. 15, 10 ff., die die Pflichtwidrigkeit als zusätzliches Tatbestandsmerkmal einordnen. Vgl. nur Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rz. 25. Vgl. statt aller K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 20. Spindler in: MünchKomm-AktG, § 117 Rz. 45. So auch K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 21.
Thomas Mayrhofer
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§ 117
Schadenersatzpflicht
(§ 117 Abs. 2 Satz 4). Anders als nach §§ 93, 116 sind die Organmitglieder hier auch den Aktionären zum Ersatz verpflichtet (§ 117 Abs. 1 Satz 2). 2.
Des Nutznießers (§ 117 Abs. 3)
9 Die Vorschrift bewirkt eine Verschärfung der Anstifterhaftung nach § 830 Abs. 2 BGB (siehe oben Rz. 2). IV.
Haftungsmodalitäten (§ 117 Abs. 4, Abs. 6)
1.
Verzicht/Vergleich (§ 117 Abs. 4)
10 Anwendung finden § 93 Abs. 4 Satz 3 und 4, soweit es um Ersatzansprüche der Gesellschaft (nicht der Aktionäre nach § 117 Abs. 1 Satz 2) geht. 2.
Verjährung (§ 117 Abs. 6)
11 Verjährung tritt ein nach fünf Jahren ab Anspruchsentstehung, § 200 BGB. Eine Berufung auf Verjährung scheidet aus, wenn der Schuldner die Geltendmachung von Ansprüchen arglistig verhindert hat.22) Eine Verlängerung der Verjährungsfrist von Organhaftungsansprüchen wird gegenwärtig diskutiert.23) V.
Ausnahmen (§ 117 Abs. 7)
1.
Beherrschungsvertrag (§ 117 Abs. 7 Nr. 1)
12 Eine Haftung nach § 117 ist ausgeschlossen, wenn die Einflussnahme unmittelbar oder mittelbar aufgrund eines Beherrschungsvertrags (§ 291 Abs. 1) erfolgt, sofern die Leitungsmacht rechtmäßig ausgeübt wird.24) 2.
Eingliederung (§ 117 Abs. 7 Nr. 2)
13 Eine Haftung scheidet ferner aus, wenn die geschädigte Gesellschaft in die schädigende Gesellschaft eingegliedert ist. VI.
Konkurrenzen
14 § 311 verdrängt § 117, das Verhältnis zu § 317 ist umstritten,25) jedoch hat dies praktisch keine Relevanz, da § 317 wesentlich geringere Anforderungen an eine Ersatzpflicht aufstellt als § 117. § 117 ist neben §§ 823 Abs. 1, 826 BGB und neben §§ 93, 116 anwendbar. Auch eine Haftung aus Treuepflichtverletzung kommt in Betracht, wenn der Einflussinhaber Aktionär der geschädigten Gesellschaft ist. § 117 ist kein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB.26)
_____________ 22) K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 28. 23) Vgl. hierzu ausführlich Redeke, BB 2010, 910; für börsennotierte Gesellschaften wurde sie durch das Restrukturierungsgesetz v. 9.12.2010 bereits teilweise umgesetzt, vgl. § 93 Abs. 6 AktG, § 52a KWG. 24) Vgl. etwa K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 30. 25) Vgl. zum Streitstand Heidel-Walchner, § 117 AktG Rz. 21. 26) Vgl. zum Ganzen K. Schmidt/Lutter-Hommelhoff/Witt, AktG, § 117 Rz. 32 – 34.
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Thomas Mayrhofer
§ 118
Allgemeines
Vierter Abschnitt Hauptversammlung Erster Unterabschnitt Rechte der Hauptversammlung § 118 Allgemeines (1) 1Die Aktionäre üben ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. 2Die Satzung kann vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. (2) Die Satzung kann vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass Aktionäre ihre Stimmen, auch ohne an der Versammlung teilzunehmen, schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation abgeben dürfen (Briefwahl). (3) 1Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sollen an der Hauptversammlung teilnehmen. 2Die Satzung kann jedoch bestimmte Fälle vorsehen, in denen die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen darf. (4) Die Satzung oder die Geschäftsordnung gemäß § 129 Abs. 1 kann vorsehen oder den Vorstand oder den Versammlungsleiter dazu ermächtigen vorzusehen, die Bild- und Tonübertragung der Versammlung zuzulassen. Literatur: Arnold/Carl/Götze, Aktuelle Fragen bei der Durchführung der Hauptversammlung, AG 2011, 349; Besse, Online-Hauptversammlung und Versammlungsleitung – welche rechtlichen Fragen gilt es zu klären?, AG 2012, R 358; Bosse, Grünes Licht für das ARUG: das Aktienrecht geht online, NZG 2009, 807; Götze, Erteilung von Stimmrechtsvollmacht nach dem ARUG, NZG 2010, 93; Grobecker, Beachtenswertes zur Hauptversammlungssaison, NZG 2010, 165; Happ (Hrsg.), Aktienrecht, 3. Aufl. 2007; Herrler, Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG – Unter besonderer Berücksichtigung der Neuregelungen zur Hauptversammlung und zur Kapitalaufbringung bei der AG –, DNotZ 2009, 815; Kersting, Das Auskunftsrecht des Aktionärs bei elektronischer Teilnahme an der Hauptversammlung (§§ 118, 131 AktG), NZG 2010, 130; Krause/Jenderek, Rechtsprobleme einer fremdsprachigen deutschen Hauptversammlung, NZG 2007, 246; Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009; Noack, Briefwahl und Online-Teilnahme an der Hauptversammlung: der neue § 118 AktG, WM 2009, 2289; v. Nussbaum, Neue Wege zur Online-Hauptversammlung durch das ARUG, GWR 2009, 215; Schüppen/Tretter, Hauptversammlungssaison 2009 – Satzungsgestaltung in Zeiten des Trommelfeuers, ZIP 2009, 493; Zöllter-Petzold, Zum Teilnahmerecht des Vorstands und des Aufsichtsrats an Vollversammlungen einer Aktiengesellschaft, NZG 2013, 607.
Übersicht I. Bedeutung ............................................1 II. Teilnahmerecht (§ 118 Abs. 1, Abs. 2)...........................2 1. Präsenzaktionäre (§ 118 Abs. 1 Satz 1) ............................2
a) b) c) d)
Thomas Mayrhofer
Grundlagen.....................................2 Rechtsinhaberschaft.......................3 Vertretung ......................................4 Legitimationszession .....................7
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§ 118
Allgemeines
e) Satzungsmäßige Gestaltungsmöglichkeiten ............ 8 f) Amtswalter .................................... 9 g) Rechtsinhalt und Schranken ....... 10 h) Rechtsfolgen von Verletzungen und Durchsetzung des Teilnahmerechts.................... 13 2. Online-Aktionäre (§ 118 Abs. 1 Satz 2) ......................... 14 a) Grundsätzliches........................... 14 b) Elektronische Kommunikation.....15 c) Umfang der Rechteeinräumung ...................... 16 d) Anfechtbarkeit............................. 17 I.
3. Briefwahl (§ 118 Abs. 2) ....................18 III. Teilnahmerecht Sonstiger (§ 118 Abs. 3) .....................................19 1. Verwaltungsmitglieder .......................19 a) Grundsätzliches............................19 b) Teilnahmepflicht ..........................20 c) Rechtsfolgen der Verletzung des Teilnahmerechts/der Teilnahmepflicht.................................22 2. Dritte...................................................24 IV. Übertragung der Hauptversammlung in Bild und Ton (§ 118 Abs. 4) .....................................25
Bedeutung
1 Auch wenn mit Zulassung der Online-Teilnahme an der Hauptversammlung der Gesetzgeber die reine Präsenz-Hauptversammlung aufgegeben hat, dient die Institution der Hauptversammlung als oberstes Beschlussorgan der AG mehr denn je allen Aktionären als Forum der Willensbildung. II.
Teilnahmerecht (§ 118 Abs. 1, Abs. 2)
1.
Präsenzaktionäre (§ 118 Abs. 1 Satz 1)
a)
Grundlagen
2 Das Teilnahmerecht der Aktionäre ist unentziehbar und stimmrechtsunabhängig; es hat im Gesetz keine ausdrückliche Regelung erfahren, sondern wird als Ausfluss aus dem Mitgliedschaftsrecht selbstverständlich vorausgesetzt. Eine Teilnahmepflicht der Aktionäre besteht nicht und lässt sich auch nicht durch die Satzung begründen.1) b)
Rechtsinhaberschaft
3 Maßgeblich für die Rechtsinhaberschaft ist die formale Stellung als Aktionär, nicht die wirtschaftliche Berechtigung an der Aktie. So steht das Teilnahmerecht etwa dem Treuhänder und nicht dem Treugeber zu.2) Auch die Inhaberschaft an sog. isolierten Spitzen berechtigt zur Teilnahme bis zum Abschluss des Zusammenlegungsverfahrens nach einer Kapitalherabsetzung, nicht aber die sog. ADRs (American Depositary Receipts).3) Bei gesetzlicher Untersagung der Rechteausübung, also in Fällen der §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 Satz 1, 56 Abs. 3 Satz 3, 71b, 71d, 71e, 328 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 28 WpHG und § 59 WpÜG, entfällt das Teilnahmerecht. c)
Vertretung
4 Die Bevollmächtigung eines Vertreters ist zulässig. Streitig ist, ob sie analog § 134 Abs. 3 Satz 3 in Textform zu erfolgen hat, soweit die Satzung dies nicht regelt.4) Nach Verfechtern der Formfreiheit sei eine konkludente Bevollmächtigung, etwa durch Übergabe der _____________ 1) 2) 3) 4)
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Allg. Meinung, vgl. etwa Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 98 mit dem Hinweis, dass sich vertraglich natürlich eine Teilnahmepflicht begründen lässt. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 11. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 53. Gegen das Textformerfordernis Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 13; dafür K. Schmidt/ Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 28; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 60.
Thomas Mayrhofer
§ 118
Allgemeines
Eintrittskarte, möglich. Praktisch spricht hiergegen bereits, dass die Gesellschaft regelmäßig Einlasskontrollen durchführen wird, bei denen sich der Teilnehmer auszuweisen hat. In der Praxis sollte daher stets eine Vollmacht in Textform erteilt werden. Außer für Fälle gesetzlicher oder organschaftlicher Gesamtvertretung wird zum Teil 5 vertreten, dass eine Erhöhung der Teilnehmerzahl durch Vertretung nicht zulässig sei; die Teilnahme des Aktionärs selbst sei durch die Teilnahme des Vertreters ausgeschlossen.5) Dies wird überwiegend abgelehnt.6) Durch die Neufassung des § 134 Abs. 3 Satz 2 geht der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Vervielfältigung von Vollmachten aus. Daraus folgt zum einen, dass die Bevollmächtigung eines Vertreters das Teilnahmerecht des Aktionärs nicht ausschließt. Zum anderen ist auch die gewillkürte Gesamtvertretung zulässig. Der allein erschienene, nicht durch die übrigen Gesamtvertreter unterbevollmächtigte Gesamtvertreter hat dagegen kein Teilnahmerecht.7) Vor Geltung des ARUG wurde vertreten, dass die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht 6 zwangsläufig die Teilnahmevollmacht umfasst.8) Dem kann nunmehr aufgrund der Möglichkeit der Briefwahl (siehe unten Rz. 14) nicht mehr gefolgt werden. In der Vollmacht sollte daher die Teilnahme immer mit aufgeführt werden.9) d)
Legitimationszession
Neben der Bevollmächtigung eines oder mehrerer Vertreter besteht die Möglichkeit der 7 Legitimationszession. Hierbei wird ein Dritter ermächtigt (§ 185 BGB), sämtliche Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs einschließlich des Teilnahmerechts als fremdes Recht im eigenen Namen auszuüben.10) Nach allgemeiner Ansicht ist die Einschaltung mehrerer Legitimationsaktionäre zulässig.11) e)
Satzungsmäßige Gestaltungsmöglichkeiten
Durch die Satzung soll nach allgemeiner Meinung die Legitimationszession ausge- 8 schlossen werden können;12) dies begegnet im Hinblick auf § 129 Abs. 3 Bedenken.13) Auch satzungsmäßige Anforderungen an die Person des Vertreters sind kritisch zu beurteilen.14) Die pauschale satzungsmäßige Begrenzung der Anzahl gewillkürter Vertreter auf eine Person ist im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 2007/36/EG europarechtswidrig.15) f)
Amtswalter
Diese (etwa Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter) sind ohne 9 weiteres teilnahmeberechtigt. _____________ 5) So Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 14 und Grigoleit-Herrler, AktG, § 118 Rz. 18 jeweils unter Verweis auf § 134 Abs. 3 Satz 2; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 60 m. w. N. 6) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 29; Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 118 Rz. 53, 54. 7) Insoweit zutreffend Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 61. 8) So immer noch Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 61. 9) Näher zur Vollmacht (mit Formulierungsbeispiel) Arnold/Carl/Götze, AG 2011, 349, 353; Götze, NZG 2010, 93. 10) Vgl. auch Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 118 Rz. 52. 11) Vgl. nur Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 63. 12) Vgl. etwa Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 67 – „unproblematisch“, m. w. N. 13) So zu Recht Happ-Ludwig, Aktienrecht, 10.04 Rz. 1. 14) Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.5.1990 – 8 W 203/90, AG 1991, 69, 70; Kubis in: MünchKommAktG, § 118 Rz. 67. 15) Anders noch Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 67 – ebenfalls „unproblematisch“; Marsch-Barner/ Schäfer-Marsch-Barner, Hdb. börsennotierte AG, § 33 Rz. 7.
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§ 118 g)
Allgemeines Rechtsinhalt und Schranken
10 Das Teilnahmerecht umfasst das Recht auf physische Präsenz in der Hauptversammlung, d. h. das Recht auf ungehinderten Zugang zum und Aufenthalt im Versammlungssaal bis zum Versammlungsende, das Rederecht sowie das Recht auf Gehör, das Beschlussantragsrecht und das Recht auf Einsicht in das Teilnehmerverzeichnis.16) 11 Das Recht auf ungehinderten Zugang umfasst die Auffindbarkeit des Versammlungssaals sowie den Einlass ohne überlange Wartezeiten. Behindertengerechte Eingänge müssen vorhanden sein.17) Zulässig sind Eingangskontrollen unter Prüfung der Identität und der Vertretungsverhältnisse,18) jedoch sind Taschen-/Gepäckkontrollen mit einem Durchleuchtungsgerät vorzunehmen; erst im Falle eines konkreten Verdachts darf eine Einsichtnahme in die Tasche/das Gepäckstück erfolgen.19) Der Besitz einer Eintrittskarte ist keine Teilnahmevoraussetzung.20) Unzulässig ist die Zutrittsverweigerung für notwendige Begleiter, z. B. Pfleger oder Dolmetscher.21) Soweit die Gesellschaft Nebenräume zum Präsenzbereich erklärt,22) hat sie die Übertragung der Hauptversammlung in diese Räume durch Lautsprecher zu gewährleisten.23) 12 Versammlungssprache ist deutsch, wenn nicht Einvernehmen aller Teilnehmer hinsichtlich einer anderen Versammlungssprache besteht; das Rederecht ist somit grundsätzlich in deutscher Sprache auszuüben. Teilnehmer haben weder Anspruch auf Zulassung anderssprachiger Wortbeiträge noch auf Bereitstellung eines Dolmetschers durch die Gesellschaft.24) h)
Rechtsfolgen von Verletzungen und Durchsetzung des Teilnahmerechts
13 Verletzungen des Zugangsrechts oder des Anwesenheitsrechts berechtigen zur Beschlussanfechtung nach § 243 Abs. 1 (§ 245 Nr. 2).25) Eine Beschlussanfechtung wegen Verletzung des Rede- oder Antragsrechts setzt dagegen Widerspruch zur Niederschrift voraus (§ 245 Nr. 1).26) Wird vorab bekannt, dass eine Verletzung des Teilnahmerechts bevorsteht, so kann hiergegen mit Leistungsklage vorgegangen bzw. eine einstweilige Verfügung erwirkt werden.27) Schadensersatzansprüche kommen in Betracht, wenn der Aktionär einen Schaden erleidet, der nicht durch Erhebung einer Anfechtungsklage abgewendet werden konnte.28) Ob daneben die Feststellungsklage zulässig ist, ist umstritten.29)
_____________ 16) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 25. 17) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 65. 18) AG München, Urt. v. 14.12.1994 – 263 C 23327/94, AG 1995, 335; vgl. auch Kubis in: MünchKommAktG, § 118 Rz. 69. 19) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.2.2007 – 5 W 43/06, ZIP 2007, 629, 630. 20) Arnold/Carl/Götze, AG 2011, 349, 353. 21) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 69. 22) Zur ausreichenden Raumkapazität vgl. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 15. 23) Andernfalls sind sämtliche gefassten Beschlüsse anfechtbar, LG München, Urt. v. 1.4.2010 – 5 HK O 12554/09, n. rkr., ZIP 2010, 1036 (LS). 24) Allg. Meinung, vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 77 m. w. N.; insgesamt krit. Krause/ Jenderek, NZG 2007, 246, 247. 25) BGH, Urt. v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, NJW 1966, 43, 44; vgl. auch Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 16. 26) Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 16. 27) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 72 m. w. N. 28) Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 118 Rz. 63. 29) So Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 118 Rz. 63., abl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 72.
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§ 118
Allgemeines 2.
Online-Aktionäre (§ 118 Abs. 1 Satz 2)
a)
Grundsätzliches
Durch das ARUG wurde erstmals das physische Präsenzprinzip zumindest teilweise auf- 14 gegeben,30) indem Gesellschaften ermöglicht wird, durch Satzungsbestimmung oder Vorstandsermächtigung in der Satzung vorzusehen, dass Aktionäre auch „online“ an der Hauptversammlung teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ausüben können.31) Online-Aktionäre nehmen an der Hauptversammlung teil. Sie sind in das Teilnehmerverzeichnis aufzunehmen und zweckmäßigerweise als solche kenntlich zu machen. b)
Elektronische Kommunikation
Es handelt sich hier um einen offenen Begriff, der nicht etwa nur die sog. „Zwei-Wege-Di- 15 rektverbindung“ umfasst,32) sondern vielmehr auch die bereits bisher bestehende Möglichkeit der Bild- und Tonübertragung (§ 118 Abs. 4) oder einen Internetdialog zur Stimmrechtsausübung.33) Auch eine Ausübung des Fragerechts durch E-Mail ist denkbar.34) c)
Umfang der Rechteeinräumung
Einer Satzungsregelung bzw. Vorstandsermächtigung nach § 118 Abs. 1 Satz 2 zugänglich 16 sind sämtliche mitgliedschaftlichen Rechte in beliebiger Kombination. Dem Satzungsgeber wird dabei nicht nur ein weiter Spielraum bezüglich der Rechte eingeräumt, die überhaupt i. R. einer Online-Teilnahme an der Hauptversammlung ausgeübt werden können, sondern es wird auch in sein Belieben gestellt, in welchem Umfang diese Rechte von OnlineTeilnehmern ausgeübt werden können. Insbesondere muss den online teilnehmenden Aktionären nicht das Widerspruchsrecht zur Niederschrift eingeräumt werden.35) § 53a steht dem nicht entgegen.36) Angesichts der Tragweite der Entscheidung sollte dies genau in der Satzung festgelegt werden.37) d)
Anfechtbarkeit
Hier ist § 243 Abs. 3 Nr. 1 zu beachten, wonach eine durch eine technische Störung 17 verursachte Rechtsverletzung grundsätzlich nicht zur Anfechtung berechtigt. 3.
Briefwahl (§ 118 Abs. 2)
Ebenfalls durch das ARUG neu eingeführt wurde die Möglichkeit, in der Satzung vor- 18 zusehen bzw. den Vorstand zu ermächtigen, vorzusehen, dass Aktionäre ihr Stimmrecht schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation (z. B. per E-Mail oder Internetdialog) ausüben dürfen.38) Im Unterschied zur Online-Teilnahme nehmen von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch machende Aktionäre nicht an der Hauptversamm_____________ 30) Noack, WM 2009, 2289. 31) Bisher wagen aber nur wenige Gesellschaften den Schritt zum Angebot einer wirklichen Online-Teilnahme, Besse, AG 2012, R 358. 32) So aber Hüffer, AktG, § 118 Rz. 8a. 33) Noack, WM 2009, 2289, 2293. 34) v. Nussbaum, GWR 2009, 215. 35) Noack, WM 2009, 2289, 2293; Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 36. 36) So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/11642, S. 26, rechte Sp.; allg. Meinung, vgl. etwa Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 36 m. w. N. Hiergegen soweit ersichtlich unter Hinweis auf europarechtliche Bedenken allein Heidel-Pluta, § 118 AktG Rz. 9c. 37) Schüppen/Tretter, ZIP 2009, 493, 495. 38) Die ersten Erfahrungen zeigen, dass diese Möglichkeit in der Praxis von zahlreichen Aktionären genutzt wird, vgl. Arnold/Carl/Götze, AG 2011, 349, 353.
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§ 118
Allgemeines
lung teil; sie sind daher auch nicht in Teilnehmerverzeichnis aufzunehmen.39) Dagegen zählen die Briefwahlstimmen zum vertretenen Grundkapital.40) Soll Briefwahlmöglichkeit angeboten werden, so empfiehlt sich die Verwendung standardisierter Formulare, die zwingend zu verwenden sind (ob im Ausdruck oder elektronisch).41) Zur Anmeldung vgl. § 123 Rz. 6. Die Satzung sollte neben der Festlegung eines Briefwahlzeitraums regeln bzw. den Vorstand ermächtigen, festzulegen, ob und wie abgegebene Briefwahlstimmen widerrufen werden können.42) III.
Teilnahmerecht Sonstiger (§ 118 Abs. 3)
1.
Verwaltungsmitglieder
a)
Grundsätzliches
19 Anders als Aktionäre unterliegen die Verwaltungsmitglieder einer Teilnahmepflicht, die höchstpersönlich zu erfüllen ist, wobei dieser Grundsatz für Aufsichtsratsmitglieder durch die Satzung eingeschränkt werden kann. Das Rederecht steht Verwaltungsmitgliedern zu, ist jedoch durch ihre organschaftlichen bzw. im Fall von Vorstandsmitgliedern anstellungsvertraglichen Geheimhaltungspflichten eingeschränkt.43) Ein eigenes Beschlussantragsrecht steht den Verwaltungsmitgliedern dagegen nicht zu, da sie an die Beschlussanträge des jeweiligen Gesamtorgans (§ 124 Abs. 3) gebunden sind.44) b)
Teilnahmepflicht
20 Teilnahmepflichtig sind alle amtierenden und stellvertretenden (§ 94) Vorstandsmitglieder sowie sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, d. h. auch Arbeitnehmervertreter.45) Soweit das Verwaltungsmitglied aus wichtigem Grund an der Teilnahme gehindert ist, liegt keine Pflichtverletzung vor.46) Als wichtiger Grund kommen insbesondere in Betracht schwere Krankheit oder eine unaufschiebbare Dienstreise.47) Bei Terminkollisionen ist bei Vorstandsmitgliedern ein strengerer Maßstab anzulegen als bei Aufsichtsratsmitgliedern, die dringenden Verpflichtungen i. R. ihrer hauptberuflichen Tätigkeit ohne Pflichtverletzung Vorrang einräumen können.48) 21 Die Teilnahmepflicht von Aufsichtsratsmitgliedern kann durch die Satzung dergestalt eingeschränkt werden, dass ihnen in bestimmten Fällen die Teilnahme ohne physische Präsenz in der Hauptversammlung durch Bild- und Tonübertragung ermöglicht wird. Die Satzung selbst muss die Tatbestände nennen, unter denen Dispens von der physischen Präsenzpflicht erteilt wird.49) Erforderlich ist stets eine beidseitige Übertragung von Bild und Ton, die dem Aufsichtsratsmitglied ermöglicht, zur Hauptversammlung zu sprechen und von ihr gesehen zu werden.50) _____________ 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49) 50)
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Vgl. Noack, WM 2009, 2289, 2291. BT-Drucks. 16/11642, S. 27, rechte Sp. Vgl. hierzu v. Nussbaum, GWR 2009, 215. Vgl. Grigoleit-Herrler, AktG, § 118 Rz. 13; Wicke, S. 28. So zutreffend Kubis in: MünchKomm-AktG, AktG, § 118 Rz. 100 m. w. N.; jedoch streitig, vgl. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 20 Fn. 42. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 38 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. nur Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 118 Rz. 34. Zur Teilnahmepflicht ausgeschiedener Verwaltungsmitglieder vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 99 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 41 m. w. N. Vgl. Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 118 Rz. 40 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 101 m. w. N. Vgl. nur Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 104. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 23.
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§ 119
Rechte der Hauptversammlung c)
Rechtsfolgen der Verletzung des Teilnahmerechts/der Teilnahmepflicht
Wird ein Verwaltungsmitglied zu Unrecht in seinem Teilnahmerecht beschränkt, so kommt 22 eine Anfechtung der Beschlüsse nach § 245 Nr. 4 durch den Gesamtvorstand oder nach § 245 Nr. 5 durch das einzelne Verwaltungsmitglied in Betracht.51) Ferner kann das Amt aus wichtigem Grund niedergelegt werden.52) Verletzt ein Verwaltungsmitglied seine Teilnahmepflicht, so hat dies keine unmittelbaren 23 beschlussrechtlichen Konsequenzen, jedoch kann bei Fernbleiben eines Vorstandsmitglieds ggf. eine Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse wegen einer Verletzung des Auskunftsrechts im Raum stehen.53) Auch kann das pflichtwidrige Fernbleiben die Abberufung aus wichtigem Grund sowie Schadensersatzansprüche der Gesellschaft nach sich ziehen.54) 2.
Dritte
Der Abschlussprüfer unterliegt einer eingeschränkten Teilnahmepflicht an der ordent- 24 lichen Hauptversammlung; insoweit korrespondiert eine Teilnahmepflicht.55) In diversen Spezialgesetzen wird Vertretern von Aufsichtsbehörden ein Teilnahmerecht eingeräumt (vgl. z. B. § 44 Abs. 4 und 5 KWG, § 83 Abs. 1 Nr. 5 VAG). Die Zulassung von Medienvertretern liegt im Ermessen des Versammlungsleiters, soweit nicht die Satzung oder die Geschäftsordnung anderes vorsieht.56) Ein aktienrechtliches Teilnahmerecht des beurkundenden Notars wird zu Recht abgelehnt, da er lediglich aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags für die Gesellschaft tätig wird.57) IV.
Übertragung der Hauptversammlung in Bild und Ton (§ 118 Abs. 4)
Hiernach kann die Satzung oder die Geschäftsordnung vorsehen oder den Vorstand oder 25 den Versammlungsleiter dazu ermächtigen, vorzusehen, die Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung zuzulassen. Die Bild- und Tonübertragung erfasst nur die einseitige Übertragung des Geschehens, etwa über TV, und dessen Aufzeichnung.58) Auch wenn diese Möglichkeit in der Satzung oder der Geschäftsordnung vorgesehen ist, folgt daraus kein Anspruch der einzelnen Aktionäre auf eine solche Übertragung.59) _____________ 51) 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59)
Zur Verletzung des Teilnahmerechts im Falle einer Vollversammlung, Zöllter-Petzold, NZG 2013, 607. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 41. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 42 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. nur Hüffer, AktG, § 118 Rz. 10. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 44. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 46 m. w. N. Vgl. etwa Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 107 m. w. N. Vgl. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 118 Rz. 44. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 118 Rz. 118 m. w. N.
§ 119 Rechte der Hauptversammlung (1) Die Hauptversammlung beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen, namentlich über 1. die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz oder dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zu wählen sind; Thomas Mayrhofer
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§ 119
Rechte der Hauptversammlung
2. 3. 4. 5. 6. 7.
die Verwendung des Bilanzgewinns; die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats; die Bestellung des Abschlußprüfers; Satzungsänderungen; Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung; die Bestellung von Prüfern zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung; 8. die Auflösung der Gesellschaft. (2) Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt. Literatur: Bungert/Wettich, Das weitere Schicksal der „Macrotron“-Grundsätze zum Delisting nach der Entscheidung des BVerfG, DB 2012, 2265; Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Drygala/Staake, Delisting als Strukturmaßnahme, ZIP 2013, 905; v. Falkenhausen, Keine ungeschriebene Mitwirkungskompetenz der Hauptversammlung bei Beteiligungsveräußerung, ZIP 2007, 24; Fleischer, Zur sogenannten Annexkompetenz im GmbH- und Aktienrecht, GmbHR 2010, 449; Fleischer, Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten im Aktienrecht: Von Holzmüller zu Gelatine, NJW 2004, 2335; Fuhrmann, „Gelatine und die Holzmüller-Doktrin: Ende einer juristischen Irrfahrt?, AG 2004, 339; Goette, Organisation und Zuständigkeit im Konzern, AG 2006, 522; Hofmeister, Veräußerung und Erwerb von Beteiligungen bei der Aktiengesellschaft: Denkbare Anwendungsfälle der GelatineRechtsprechung?, NZG 2008, 47; Kiefner, Beteiligungserwerb und ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit, ZIP 2011, 545; Kort, Neues zu „Holzmüller“: Bekanntmachungspflichten bei wichtigen Verträgen, AG 2006, 272; Rose, Anträge auf Abwahl des durch die Satzung bestimmten Versammlungsleiters, NZG 2007, 241; Priester, Aktionärsentscheid zum Unternehmenserwerb, AG 2011, 654; Rousseau/Wasse, Der Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung eines Bilanzverlustes, NZG 2010, 535; Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2007; Wicke, Die Leitung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft – Praxisrelevante Fragen und neue Entwicklungen, NZG 2007, 771.
Übersicht I. Regelungsgehalt und Bedeutung ..... 1 II. Zuständigkeitskatalog (§ 119 Abs. 1)....................................... 3 1. Regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen ......................................... 3 2. Strukturmaßnahmen............................ 4 3. Sonderfälle............................................ 6 III. Zuständigkeit in Geschäftsführungsangelegenheiten (§ 119 Abs. 2)....................................... 7 1. Allgemeines.......................................... 7 a) Begriff der Geschäftsführungsangelegenheiten .............. 7 b) Grundsatz: Keine Zuständigkeit................................. 8 I.
c) Vertretungszuständigkeit ..............9 2. Voraussetzungen der Hauptversammlungskompetenz........11 3. Beschlussfassung ................................13 4. Beschlusswirkung ...............................14 IV. Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten ........18 1. Überblick ............................................18 2. Reichweite...........................................19 a) Qualitativ ......................................19 b) Quantitativ ...................................21 3. Einzelfälle............................................25 4. Informationspflichten ........................31 5. Beschlussfassung ................................33
Regelungsgehalt und Bedeutung
1 § 119 legt die Zuständigkeit der Hauptversammlung fest und grenzt ihren Kompetenzbereich gegenüber dem der anderen Organe ab. Der Zweck der Norm liegt somit in der 690
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§ 119
Rechte der Hauptversammlung
Machtverteilung zwischen den Organen, Nebeneffekt ist die Enthaftung des Vorstands gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1.1) Die Hauptversammlung hat keine Allzuständigkeit, ihr steht auch kein Recht zu, in 2 Zweifelsfällen die Kompetenz an sich zu ziehen.2) Die Kompetenzordnung des § 119 ist satzungsfest3) und gebietet Zurückhaltung bei der Annahme ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen.4) II.
Zuständigkeitskatalog (§ 119 Abs. 1)
1.
Regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen
§ 119 Abs. 1 Nr. 1 nennt die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats nach § 101 Abs. 1, 3 soweit keine Entsendung (§ 101 Abs. 2) oder Wahl nach den Mitbestimmungsgesetzen erfolgt. § 119 Abs. 1 Nr. 2 betrifft die Hauptversammlungszuständigkeit nach § 174 Abs. 1, den Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns. Die teilweise gelesenen Beschlussvorschläge über die Verwendung eines Bilanzverlustes sollten vermieden werden.5) § 119 Abs. 1 Nr. 3 nennt die Entlastung der Verwaltungsmitglieder nach § 120 Abs. 1, § 119 Abs. 1 Nr. 4 die Bestellung des Abschlussprüfers nach § 318 Abs. 1 HGB. 2.
Strukturmaßnahmen
§ 119 Abs. 1 Nr. 5 betrifft Satzungsänderungen, § 179; § 119 Abs. 1 Nr. 6 nennt Kapi- 4 talmaßnahmen nach §§ 182 ff. und §§ 222 ff. § 119 Abs. 1 Nr. 8 betrifft die Auflösung der Gesellschaft, § 262 Abs. 1 Nr. 2. Weitere Strukturmaßnahmen sind insbesondere im Umwandlungsgesetz (§§ 65 Abs. 1, 73, 5 193 Abs. 1, 226 ff. UmwG), aber auch im AktG (§§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 179a Abs. 1, 274 Abs. 1, 319, 320, 327a) der Hauptversammlungszuständigkeit zugewiesen. Auch § 33 Abs. 2 WpÜG enthält eine solche. Daneben sind mittlerweile einige ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen anerkannt, siehe Rz. 18 ff. 3.
Sonderfälle
Hierunter sind sämtliche Maßnahmen zu verstehen, die nicht als regelmäßig wiederkeh- 6 rende oder als Strukturmaßnahmen einzustufen sind.6) § 119 Abs. 1 Nr. 7 nennt die Bestellung von Sonderprüfern, § 142 Abs. 1. Weitere als Sonderfall einzustufende Hauptversammlungszuständigkeiten finden sich etwa in §§ 50, 52 Abs. 1, 84 Abs. 3, 103 Abs. 1 und § 147 Abs. 1. III.
Zuständigkeit in Geschäftsführungsangelegenheiten (§ 119 Abs. 2)
1.
Allgemeines
a)
Begriff der Geschäftsführungsangelegenheiten
Erfasst sind sämtliche tatsächliche oder rechtliche Tätigkeiten, die unmittelbar auf die 7 Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtet sind und die originär der Kompetenz des Vorstands unterfallen, d. h. für die weder eine gesetzliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats besteht noch eine geschriebene oder ungeschriebene gesetzliche Hauptversammlungskom_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
So inzwischen ganz h. A., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 1 m. w. N. Vgl. nur Heidel-Pluta, § 119 AktG Rz. 4. Heidel-Pluta, § 119 AktG Rz. 4. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 1. Vgl. Rousseau/Wasse, NZG 2010, 535, 536. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 12.
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§ 119
Rechte der Hauptversammlung
petenz.7) Bereits abgeschlossene Maßnahmen können der Hauptversammlung vorgelegt werden, wenn damit nicht ein Regressverzicht oder eine Einzelentlastung erstrebt wird.8) b)
Grundsatz: Keine Zuständigkeit
8 Geschäftsführungsangelegenheiten unterfallen schon ihrer Definition nach der Zuständigkeit des Vorstands; es besteht somit im Grundsatz keine Hauptversammlungszuständigkeit. Die Hauptversammlung kann eine solche auch nicht durch Beschluss begründen. Dies gilt auch in der Ein-Mann-AG.9) c)
Vertretungszuständigkeit
9 Auch hier gilt der allgemeine Grundsatz, dass der Vorstand die Gesellschaft vertritt (§ 78 Abs. 1). Ausnahmen bestehen nur bei rein verbandsinternen Maßnahmen, für die die Hauptversammlung organschaftliche Vertretungsmacht ausübt. Hierzu zählen die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern, die Entlastung von Organmitgliedern, die Bestellung von besonderen Vertretern nach § 147 Abs. 210) sowie die Bestellung von Sonderprüfern.11) 10 Dagegen besteht keine Vertretungsbefugnis der Hauptversammlung in Fällen, in denen ein von Vorstand geschlossener Vertrag nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird.12) 2.
Voraussetzungen der Hauptversammlungskompetenz
11 Maßnahmen aus seinem Zuständigkeitsbereich13) kann der Vorstand grundsätzlich nach freiem Ermessen der Hauptversammlung vorlegen. Erforderlich ist ein Beschluss des Kollegialorgans mit nach § 77 erforderlicher Mehrheit.14) In Fällen des § 111 Abs. 4 Satz 3 kann der Vorstand eine Maßnahme ohne vorherige Anrufung des Aufsichtsrats direkt der Hauptversammlung zur Billigung vorlegen, jedoch gilt in diesen Fällen das qualifizierte Mehrheitserfordernis nach § 111 Abs. 4 Satz 4.15) 12 Der Vorstand hat der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag nach § 124 Abs. 3 Satz 1 zu unterbreiten.16) Ferner sind der Hauptversammlung sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die für die sachgerechte Willensbildung benötigt werden.17) _____________ 7) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 24; zur satzungsmäßigen Hauptversammlungszuständigkeit vgl. Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 119 Rz. 40, 36. 8) BGH, Urt. v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 (Altana/Milupa), BGHZ 146, 288, 294 = ZIP 2001, 416, 417; K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 20 m. w. N.; a. A. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 15 – Befassung mit bereits durchgeführter Maßnahme sei „sinnlos und unzulässig“. 9) Ganz h. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 14 m. w. N. 10) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 19; Mülbert in: GroßKomm-AktG, Vor §§ 118–147 Rz. 23, jeweils m. w. N. 11) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 142 Rz. 35 m. w. N.; für rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 19. 12) Vgl. etwa K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 118 Rz. 13; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 19 m. w. N.; zu ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, ZIP 2004, 993, 995; a. A. ohne Begr. Hüffer, AktG, § 119 Rz. 12. 13) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 24 m. w. N. 14) Vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 16 m. w. N. 15) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 26 m. w. N.; ebenso Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 14. 16) Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 13. 17) BGH, Urt. v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 (Altana/Milupa), ZIP 2001, 416, 417.
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§ 119
Rechte der Hauptversammlung 3.
Beschlussfassung
Notwendig ist grundsätzlich die einfache Mehrheit, § 133.18) Etwas anderes gilt in Fällen des 13 § 111 Abs. 4 Satz 3. Inhaltlich ist die Hauptversammlung nicht in dem Sinne an den Beschlussvorschlag des Vorstands gebunden, dass sie ihn nur annehmen oder ablehnen kann. Vielmehr kann sie auch Änderungen am Beschlussvorschlag des Vorstands vornehmen.19) 4.
Beschlusswirkung
Dem Hauptversammlungsbeschluss kommt keine Außenwirkung zu; möglich ist jedoch, 14 dass der Vorstand ein Geschäft unter die Bedingung der Zustimmung der Hauptversammlung stellt (§ 158 Abs. 1 BGB) oder einem Genehmigungsvorbehalt zugunsten der Hauptversammlung unterstellt.20) Gegenüber dem Vorstand entfaltet der Hauptversammlungsbeschluss grundsätzlich Bin- 15 dungswirkung, § 83 Abs. 2.21) Keine Bindungswirkung entfalten gesetzeswidrige, also nichtige und anfechtbare Beschlüsse, 16 letztere jedenfalls, soweit sie fristgemäß angefochten wurden und Beschlüsse, deren Vollzug gesetzeswidrig wäre.22) Durch Herbeiführung eines Hauptversammlungsbeschlusses kann der Vorstand ferner 17 gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 seine Haftung gegenüber der Gesellschaft ausschließen.23) IV.
Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten
1.
Überblick
Vom BGH zunächst auf § 119 Abs. 2 gestützt (Ermessensschrumpfung),24) werden unge- 18 schriebene Hauptversammlungszuständigkeiten nunmehr als das „Ergebnis offener Rechtsfortbildung“ bezeichnet.25) In der Literatur wird diesem Ansatz zum Teil Kritik entgegengebracht.26) Für die Praxis spielt die dogmatische Herleitung nur eine untergeordnete Rolle – die Frage nach der Reichweite der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen ist ungleich relevanter. 2.
Reichweite
a)
Qualitativ
Nach der Holzmüller-Entscheidung des BGH gibt es „grundlegende Entscheidungen, die 19 durch die Außenvertretungsmacht des Vorstands, seine gemäß § 82 Abs. 2 AktG begrenzte Geschäftsführungsbefugnis wie auch durch den Wortlaut der Satzung formal noch gedeckt sind, gleichwohl aber so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Haupt_____________ 18) Vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 23 m. w. N. 19) Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 17. 20) Allg. Meinung, vgl. etwa BGH, Urt. v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 (Altana/Milupa), ZIP 2001, 416, 418; Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 119 Rz. 10. 21) Allg. Meinung, vgl. nur Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 27. 22) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 27; K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 25 m. w. N. 23) Allg. Meinung, vgl. nur Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 18. 24) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 (Holzmüller), ZIP 1982, 568. 25) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine), ZIP 2004, 993, 997 sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (Auszüge) = NZG 2004, 575, 578. 26) So mit dem Argument, ein Rückgriff auf „offene Rechtsfortbildung“ sei nicht erforderlich gewesen Heidel-Pluta, § 119 AktG Rz. 26; vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 29.
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Rechte der Hauptversammlung
versammlung zu beteiligen“.27) Diese Aussage wurde näher konkretisiert und inhaltlich ausgefüllt durch die sog. Gelatine-Rechtsprechung28) aus dem Jahr 2004. So stellte der BGH klar, dass derlei Hauptversammlungskompetenzen nur „ausnahmsweise und in engen Grenzen“ anzuerkennen seien.29) Der Schutzzweck der Rechtsprechung liege darin, die Aktionäre vor Eingriffen in ihre Mitgliedsrechte, die ihren Auswirkungen nach an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichten, zu schützen. Ein solcher Eingriff kann, muss aber nicht in der Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre liegen.30) Zugleich solle der Schutz der Anteilseigner vor einer „nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung“ durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands gewährleistet werden.31) 20 Somit bedarf es zunächst einer grundlegenden Strukturentscheidung für die Gesellschaft, die etwa umwandlungsrechtlichen Vorgängen oder dem Abschluss von Unternehmensverträgen vergleichbar ist.32) b)
Quantitativ
21 In einem zweiten Schritt ermittelt der BGH, ob die Maßnahme zu einer „nachhaltigen Schwächung des Wertes“ der Beteiligung der Aktionäre führt. Dies ist „regelmäßig nur dann der Fall, wenn die Ausmaße der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen HolzmüllerFall erreicht sind“;33) die dort vorgenommene Maßnahme betraf ca. 80 % des Substanzwerts der Gesellschaft. Betroffen war mithin der „wertvollste Betriebszweig“.34) 22 Dem folgend wird in der Literatur ein Schwellenwert von ca. 75 – 80 %, bezogen auf diverse Parameter, angenommen.35) 23 Noch nicht geklärt ist, auf welche Größen sich der Schwellenwert zu beziehen hat. Jedenfalls verbietet sich eine schematische Bestimmung.36) Heran gezogen werden zumeist die Bilanzsumme, die Umsatzerlöse und das Ergebnis vor Zinsen und Steuern,37) daneben auch die Mitarbeiterzahl,38) das Anlagevermögen und das Eigenkapital.39) 24 Es besteht weitgehend Übereinstimmung, dass sich diese Größen auf die Gesellschaft – und nicht den gesamten Konzern – beziehen müssen.40) Letztlich dürfte dieser Punkt _____________ 27) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 (Holzmüller), ZIP 1982, 568, 571. 28) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine), ZIP 2004, 993, 996 sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (Auszüge) = NZG 2004, 575, 578. 29) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine), ZIP 2004, 993 sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (Auszüge) = NZG 2004, 575. 30) So zutreffend Goette, AG 2006, 522, 525. 31) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine), ZIP 2004, 993, 997 sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (Auszüge) = NZG 2004, 575, 577. 32) Vgl. auch K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 30. 33) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine), ZIP 2004, 993, 998 sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (Auszüge) = NZG 2004, 575, 579. 34) BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 (Holzmüller), ZIP 1982, 568, 571. 35) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 31; Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 27 – „70 % bis 80 %“; Fuhrmann, AG 2004, 339, 341; Hüffer, AktG, § 119 Rz. 18b. 36) So OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415, 1416; vgl. auch Semler/StengelSchlitt, UmwG, Anh. § 173 Rz. 35. 37) Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2007 – 8 U 216/07 (Arcandor), ZIP 2008, 832, 834; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415, 1418 und LG München I, Urt. v. 8.6.2006 – 5 HK 5025/06, ZIP 2006, 2036, 2040. 38) OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2007 – 8 U 216/07 (Arcandor), ZIP 2008, 832, 834; LG München I, Urt. v. 8.6.2006 – 5 HK 5025/06, ZIP 2006, 2036, 2040. 39) So OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415, 1418. 40) Vgl. etwa OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415, 1418; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2338; K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 31; a. A. Semler/Stengel-Schlitt, UmwG, Anh. § 173 Rz. 35.
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Rechte der Hauptversammlung
kaum praktische Relevanz haben, da bei Obergesellschaften eine konsolidierte Betrachtung anzustellen ist.41) 3.
Einzelfälle
Der BGH selbst nannte als zustimmungspflichtige Maßnahmen die Ausgliederung eines 25 Betriebs auf eine Tochtergesellschaft sowie die anschließende Durchführung einer Kapitalerhöhung auf Ebene der Tochtergesellschaft, den Abschluss von Unternehmensverträgen42) sowie die Auflösung oder die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens, § 361 a. F. (§ 179a n. F.).43) Ferner wurde die „Umhängung“ einer Tochtergesellschaft unter eine andere Tochtergesellschaft aufgrund des damit verbundenen „weiteren Mediatisierungseffekts“44) als bei entsprechender wirtschaftlicher Bedeutung – zustimmungspflichtig eingestuft. Maßnahmen auf der Ebene bestehender Enkelgesellschaften sollen dagegen keine Zustimmungspflicht auslösen, da die Aktionäre der Obergesellschaft „auch zuvor nur beschränkten Einfluss hatten“.45) Die Fallgruppe der Veräußerung von Beteiligungen und Unternehmensteilen unter- 26 liegt nach inzwischen überwiegender Ansicht unabhängig von ihrer Größenordnung nicht der Zustimmungspflicht,46) soweit damit keine Satzungsänderung verbunden ist. Der Erwerb von Beteiligungen stand anlässlich des Erwerbs der Anteile an der Dresdner 27 Bank durch die Commerzbank erneut auf dem Prüfstand.47) Nach Auffassung des LG Frankfurt am Main bedurfte er der Zustimmung der Hauptversammlung, da er zu einer wesentlichen Änderung der Unternehmensstruktur führt, insbesondere da der Verschuldungsgrad massiv erhöht wurde.48) Damit setzte sich das Gericht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des OLG Frankfurt;49) das Urteil wurde aufgehoben.50) In der Literatur ist die Zustimmungsbedürftigkeit von Beteiligungserwerben nach wie vor heillos umstritten.51) Für die Praxis ist zu hoffen, dass der BGH bald Stellung nimmt.52) Für die Praxis kaum relevant ist die Frage, ob der Börsengang der Gesellschaft (IPO) der 28 Zustimmungspflicht unterliegt, da in der überwiegenden Mehrheit der Fälle ein Kapital_____________ 41) 42) 43) 44) 45) 46)
47) 48) 49)
50) 51) 52)
LG München I, Urt. v. 8.6.2006 – 5 HK 5025/06, ZIP 2006, 2036, 2040. BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 (Holzmüller), ZIP 1982, 568, 573. BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 (Holzmüller), ZIP 1982, 568, 574. BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine), ZIP 2004, 993 sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (Auszüge) = NZG 2004, 575. OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2007 – 8 U 216/07 (Arcandor), ZIP 2008, 832, 833 f., dazu EWiR 2008, 227, 228 (v. d. Linden/Ogorek). BVerfG, Nichtannahme-Beschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1460/10, ZIP 2011, 2094; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2007 – 8 U 216/07 (Arcandor), ZIP 2008, 832, 834 f., dazu EWiR 2008, 227, 228 (v. d. Linden/ Ogorek); ferner in einem obiter dictum OLG Stuttgart, Urt. v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415, 1418; bestätigt durch BGH, Nichtannahme-Beschl. v. 20.11.2006 – II ZR 226/05; aus der Literatur vgl. etwa Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 119 Rz. 16; K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 34; v. Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50; Goette, AG 2006, 522, 527 m. w. N.; a. A. Hüffer, AktG, § 119 Rz. 18a; Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 30 f. Anlässlich dieses Falles zur Hauptversammlungszuständigkeit bei Beteiligungserwerb: Kiefner, ZIP 2011, 545; Priester, AG 2011, 654. LG Frankfurt/M., Urt. v. 15.12.2009 – 3-5 O 208/09, ZIP 2010, 429, 431 m. w. N. (inzwischen aufgehoben); so auch Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 119 Rz. 30, 33. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 21.6.2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862, 864 – „Der Beteiligungserwerb gehört unabhängig von der hierbei geschaffenen Anteilsquote in die Reihe vorstandsautonomer Geschäftsführungsangelegenheiten“. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 7.12.2010 – 5 U 29/10, ZIP 2011, 75; bestätigt durch BGH, NichtannahmeBeschl. v. 7.2.2012 – II ZR 253/10, ZIP 2012, 515, dazu WuB II A § 120 AktG 1.12 (Wilhelm). Vgl. etwa die Übersicht zum Streitstand bei K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 33. Offengelassen in BGH, Nichtannahme-Beschl. v. 7.2.2012 – II ZR 253/10, ZIP 2012, 515.
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erhöhungsbeschluss zu fassen sein wird, neben dem ein weiterer Zustimmungsbeschluss zum Börsengang jedenfalls nicht erforderlich ist.53) 29 Das reguläre Delisting stellt keinen Fall der Holzmüller-Rechtsprechung dar. Das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit hat der BGH aber früher auf Gründe des Minderheitenschutzes und auf das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 GG gestützt.54) Das BVerfG hat inzwischen festgestellt, dass das Delisting nicht den Schutzbereich des Art. 14 GG berührt.55) Der BGH hat nun entschieden, dass Unternehmen beim Rückzug von der Börse den Aktionären kein Abfindungsangebot für ihre Aktien machen müssen. Auch ein Beschluss der Hauptversammlung ist nicht erforderlich.56) Mit dieser Entscheidung gibt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zum Delisting auf. Der Beschluss des BGH hat aber nicht nur Bedeutung für die Zukunft. Er ist vielmehr auch für laufende Spruchverfahren zur Überprüfung bereits vorliegender Abfindungsangebote i. R. eines Delistings von Belang. Diese Verfahren sind nicht mehr statthaft und ein entsprechender Antrag daher als unzulässig abzuweisen. 30 Geklärt ist damit auch die Frage, wie ein Wechsel vom Regulierten Markt in den einfachen Freiverkehr zu behandeln ist. Wenn schon nach der neuesten Rechtsprechung des BGH zum kompletten Delisting kein Hauptversammlungsbeschluss und kein Abfindungsangebot notwendig sind, gilt dies erst recht für das sog. Downgrading. 4.
Informationspflichten
31 Auszugehen ist auch hier davon, dass der Vorstand der Hauptversammlung sämtliche Informationen mitzuteilen hat, die für eine sachgerechte Entscheidung erforderlich sind. § 124 Abs. 2 Satz 2 ist analog anzuwenden,57) sodass der wesentliche Inhalt zustimmungsbedürftiger Verträge bekannt zu machen ist. Eine Berichtspflicht wird dagegen nur dann in Betracht kommen, wenn ein Konzept zur Abstimmung gebracht werden soll, das noch nicht hinreichend in Vertragsentwürfe umgesetzt ist.58) Ein danach zu erstellender Bericht ist auszulegen und auf Verlangen zu versenden.59) 32 Soweit bereits Verträge vorliegen, ist es nach Ansicht der BGH eine Frage des Einzelfalls, ob diese auszulegen und auf Verlangen an die Aktionäre zu versenden sind.60) Maßstab ist, ob den Aktionären ohne Kenntnisnahme von dem Vertragstext eine „verantwortliche Entscheidung“ zuzumuten sei; dies gilt erst recht, wenn die Wirksamkeit des Vertrages von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängt.61)
_____________ 53) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 119 Rz. 84. 54) So BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 (Macrotron), ZIP 2003, 387, 389 f.; s. a. OLG München, Urt. v. 19.11.2008 – 7 U 2405/08 (MWG Biotech AG), ZIP 2009, 718, 722. 55) BVerfG, Urt. v. 11.7.2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, ZIP 2012, 1402 (LS 1), eine Überschreitung der Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung durch die Macrotron-Entscheidung wurde jedoch nicht festgestellt (LS 2). 56) BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 = DB 2013, 2672, dazu EWiR 2013, 425 (Pluskat). 57) OLG Schleswig, Urt. v. 8.12.2005 – 5 U 57/04 (MobilCom), ZIP 2006, 421, 424; LG Frankfurt/M., Urt. v. 12.12.2000 – 3/5 o 149/99, AG 2001, 431, 432 f. 58) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 43 m. w. N.; eine generelle Berichtspflicht abl. auch OLG München, Urt. v. 14.2.2001 – 7 U 6019/99, ZIP 2001, 700, 703, bestätigt durch BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 (Macrotron), ZIP 2003, 387, 391. 59) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 119 Rz. 43 m. w. N.; Hüffer, AktG, § 119 Rz. 19. 60) BGH, Urt. v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 (Altana/Milupa), ZIP 2001, 416, 418. 61) BGH, Urt. v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 (Altana/Milupa), ZIP 2001, 416, 418.
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Entlastung; Votum zum Vergütungssystem 5.
§ 120
Beschlussfassung
Maßnahmen, die der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit nach Holzmüller- 33 Grundsätzen unterliegen, bedürfen eines mit ¾-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals gefassten Beschlusses.62) Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze. _____________ 62) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine), ZIP 2004, 993, 998 sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001 (Auszüge) = NZG 2004, 575, 579; dies wird in der Literatur teilweise als unrichtig angesehen, vgl. etwa Hüffer, AktG, § 119 Rz. 14, 20; für die Praxis hat sich diese Frage jedoch geklärt.
§ 120 Entlastung; Votum zum Vergütungssystem (1) 1Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats. 2Über die Entlastung eines einzelnen Mitglieds ist gesondert abzustimmen, wenn die Hauptversammlung es beschließt oder eine Minderheit es verlangt, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen. (2) 1Durch die Entlastung billigt die Hauptversammlung die Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. 2Die Entlastung enthält keinen Verzicht auf Ersatzansprüche. (3) Die Verhandlung über die Entlastung soll mit der Verhandlung über die Verwendung des Bilanzgewinns verbunden werden. (4) 1Die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft kann über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen. 2Der Beschluss begründet weder Rechte noch Pflichten; insbesondere lässt er die Verpflichtungen des Aufsichtsrats nach § 87 unberührt. 3Der Beschluss ist nicht nach § 243 anfechtbar. Literatur: Bachmann, Die Einmann-AG, NZG 2001, 961; Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; v. Falkenhausen/Kocher, Erste Erfahrungen mit dem Vergütungsvotum der Hauptversammlung, AG 2010, 623; Fleischer, Konsultative Hauptversammlungsbeschlüsse im Aktienrecht, AG 2010, 681; Fleischer/Bedkowski, „Say on Pay“ im deutschen Aktienrecht: Das neue Vergütungsvotum der Hauptversammlung nach § 120 Abs. 4 AktG, AG 2009, 677; Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zu Ergänzungen des Entwurfs der Aktienrechtsnovelle 2012, NZG 2013, 694; Happ (Hrsg.), Aktienrecht. 3. Aufl. 2007; Hoffmann, Einzelentlastung, Gesamtentlastung und Stimmverbote im Aktienrecht, NZG 2010, 290; Litzenberger, Zur Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen, NZG 2010, 854; Lorenz, Die richterliche Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen des Vorstands bei Anfechtungsklagen gegen Entlastungsbeschlüsse, NZG 2009, 1138; Mutter/Kruchen, Stimmverbote bei Beschlüssen nach § 120 Abs. 4 AktG?, AG-Report 2010, 78; Schick, Praxisfragen zum Vergütungssystem der Hauptversammlung nach § 120 Abs. 4 AktG, ZIP 2011, 593; Schüppen, Vorstandsvergütung – (K)ein Thema für die Hauptversammlung?, ZIP 2010, 905; Verse, Regulierung der Vorstandsvergütung – mehr Macht für die Aktionäre? Überlegungen zur geplanten Reform des say on pay, NZG 2013, 921; Vetter, Der kraftlose Hauptversammlungsbeschluss über das Vorstandsvergütungssystem nach § 120 Abs. 4 AktG, ZIP 2009, 2136; Ziemons, Als Aktienrechtsnovelle 2012 gestartet und als VorstKoG gelandet: Neues „Say on Pay“ und andere punktuelle Weiterentwicklungen des Aktienrechts, GWR 2013, 283.
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§ 120
Entlastung; Votum zum Vergütungssystem Übersicht
I. Bedeutung und Regelungsgehalt ..... 1 II. Der Entlastungsbeschluss (§ 120 Abs. 1 bis Abs. 3) ..................... 2 1. Zuständigkeit und Frist (§ 120 Abs. 1) ...................................... 2 2. Verfahren (§ 120 Abs. 3)..................... 3 3. Gesamtentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 1) und Einzelentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 2) ........................... 5 I.
a) Gesamtentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 1) ......................5 b) Einzelentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 2) ......................6 4. Beschlussfassung ..................................7 5. Inhalt und Wirkung (§ 120 Abs. 2) .....8 6. Anfechtbarkeit......................................9 7. Verweigerung der Entlastung ............10 III. Billigung des Vorstandsvergütungssystems (§ 120 Abs. 4) ..... 11
Bedeutung und Regelungsgehalt
1 Trotz seiner rechtlich bedeutungslosen Wirkung hat der Entlastungsbeschluss große Bedeutung für die Organmitglieder; bei großen Publikumsgesellschaften kommt die hohe Öffentlichkeitswirkung einer verweigerten Entlastung hinzu. Der Entlastungsbeschluss bzw. seine Verweigerung stellen daher den praktisch häufigsten Anlass für aktienrechtliche Anfechtungsklagen dar.1) II.
Der Entlastungsbeschluss (§ 120 Abs. 1 bis Abs. 3)
1.
Zuständigkeit und Frist (§ 120 Abs. 1)
2 Die Acht-Monats-Frist entspricht der Frist des § 175 Abs. 1 Satz 2 zur Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung. Eine Fristüberschreitung hat keine unmittelbaren Konsequenzen, sie führt insbesondere nicht zu einer Anfechtbarkeit der verspätet gefassten Entlastungsbeschlüsse.2) Auch gibt es keine Möglichkeit für den Aktionär, die Einhaltung der Frist zu erzwingen.3) 2.
Verfahren (§ 120 Abs. 3)
3 Die Entscheidung über die Entlastung soll gemäß § 120 Abs. 3 im gleichen Hauptversammlungstermin wie der Gewinnverwendungsbeschluss gefasst werden. Ein Verstoß gegen dieses Verbindungsgebot bleibt allerdings ohne Rechtsfolgen.4) Die Entlastung ist getrennt von der Entlastung des Aufsichtsrats auf die Tagesordnung zu setzen.5) Der Antrag kann dabei richtigerweise auf Erteilung der Entlastung, Verweigerung der Entlastung oder Vertagung der Entlastungsentscheidung lauten.6) In den beiden letztgenannten Fällen hat die Verwaltung in der Hauptversammlung dies zu begründen. 4 Ist der Vorstand zugleich Alleinaktionär, scheitert seine Entlastung am Stimmverbot des § 136 AktG.7) Im Übrigen kann durch Einzelentlastung das Stimmverbot des § 136 AktG umgangen werden. _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6)
7)
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Kubis in: MünchKomm-AktG, § 120 Rz. 2 m. w. N. Vgl. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 120, Rz. 4; K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 120 Rz. 17. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 120 Rz. 17. Allg. Meinung, vgl. nur Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 120 Rz. 16. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 120, Rz. 4. K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 120 Rz. 20 m. w. N.; Happ-Ludwig, Aktienrecht, 10.09 Rz. 10; a. A. Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 120, Rz. 6 m. w. N. Danach soll nur ein auf Erteilung der Entlastung gerichteter Antrag zulässig sein; eine Vertagung komme nur innerhalb der Acht-Monats-Frist in Betracht. Ganz h. M., vgl. etwa K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 120 Rz. 14; Mülbert in: GroßKomm-AktG, § 118, Rz. 114; a. A. Bachmann, NZG 2001, 961, 968.
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Entlastung; Votum zum Vergütungssystem 3.
Gesamtentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 1) und Einzelentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 2)
a)
Gesamtentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 1)
§ 120
Hierbei handelt es sich um die Entlastung sämtlicher Vorstands- oder Aufsichtsratsmit- 5 glieder in einem Abstimmungsgang; dies stellt den gesetzlichen Regelfall dar.8) Die Entlastung ist jeweils für jedes Gremium gesondert anzukündigen und zu beschließen, eine gemeinsame Entscheidung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat ist unzulässig und anfechtbar.9) Entlastungszeitraum ist regelmäßig das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr.10) Soll hiervon abgewichen werden, so ist dies im Beschlussantrag deutlich zu machen. b)
Einzelentlastung (§ 120 Abs. 1 Satz 2)
Die gesonderte personenbezogene Abstimmung über einzelne Mitglieder des Vorstands 6 oder des Aufsichtsrats erfolgt, wenn die Verwaltung dies gemäß § 124 Abs. 3 vorschlägt,11) die Hauptversammlung dies beschließt, ein Minderheitenquorum es beantragt oder wenn der Versammlungsleiter dies bestimmt.12) 4.
Beschlussfassung
Die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit, wenn nicht in der Satzung eine 7 größere Mehrheit vorgesehen ist (§ 133 Abs. 1). 5.
Inhalt und Wirkung (§ 120 Abs. 2)
Nach ständiger Rechtsprechung liegt im Entlastungsbeschluss die Erklärung der Haupt- 8 versammlung, sie billige die Tätigkeit der Verwaltung als im Großen und Ganzen gesetzesund satzungsmäßig.13) 6.
Anfechtbarkeit
Danach ist ein Entlastungsbeschluss selbst inhaltlich gesetzwidrig und damit nach § 243 9 Abs. 1 anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwer wiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt.14) An der Eindeutigkeit fehlt es, wenn Vorstand und Aufsichtsrat sich nicht über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweggesetzt haben, was dann der Fall ist, wenn die Gesetzmäßigkeit des in Frage stehenden Verhaltens umstritten und nicht gerichtlich geklärt ist.15) Dieser Rechtsverstoß muss _____________ 8) Vgl. etwa OLG München, Urt. v. 17.3.1995 – 23 U 5930/94, NJW-RR 1996, 159, 160; LG München I, Urt. v. 15.4.2004 – 5 HK O 10813/03, ZIP 2004, 853, 854. 9) Allg. Meinung, vgl. etwa OLG München, Hinweisbeschl. v. 25.7.2005 – 7 U 2759/05, AG 2006, 592, 593 m. w. N.; K. Schmidt/Lutter-Spindler, AktG, § 120 Rz. 21 m. w. N. 10) Vgl. LG Frankfurt/M. Urt. v. 30.4.2004 – 3/9 O 107/03 (Fraport AG), AG 2005, 51, 52. 11) Vgl. Heidel-Pluta, § 120 AktG Rz. 18. 12) So ausdrücklich BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08, ZIP 2009, 2051, 2053. 13) Vgl. nur BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 (Macrotron), ZIP 2003, 387, 388; BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, ZIP 2004, 2428, 2429. 14) BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 (Macrotron), ZIP 2003, 387, 389; BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, ZIP 2004, 2428, 2429. Ein eindeutiger Verstoß des Organmitglieds gegen Gesetz oder Satzung soll nach OLG Köln, Urt. v. 9.7.2009 – 18 U 167/08, ZIP 2009, 1999, dazu EWiR 2010, 105 (Blasche) nur dann vorliegen, wenn dieser den Teilnehmern der Hauptversammlung bekannt oder aufgrund der ihnen zugänglichen Informationen zumindest erkennbar war. 15) BGH, Nichtannahme-Beschl. v. 7.2.2012 – II ZR 253/10, ZIP 2012, 515, dazu WuB II A § 120 AktG 1.12 (Wilhelm), zum Erwerb der Dresdner Bank AG durch die Commerzbank AG ohne Zustimmung der Hauptversammlung; zur Umstrittenheit der rechtlichen Lage, vgl. oben § 119 Rz. 27.
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von den Teilnehmern der Hauptversammlung erkannt werden oder zumindest auf Grundlage der vorhandenen Informationen erkennbar gewesen sein.16) Hierzu zählen etwa die Abgabe einer in einem nicht unwesentlichen Punkt unrichtigen Entsprechenserklärung, oder das Versäumnis, eine in einem nicht unwesentlichen Punkt unrichtig gewordene Entsprechenserklärung zu korrigieren;17) dazu können auch die Missachtung der Überwachungspflicht durch den Aufsichtsrat und die Gefährdung der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft durch öffentliche Kritik an der Geschäftspolitik gehören.18) Die Entlastung eines zur Zeit der Abgabe oder des Versäumnisses bereits ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieds kann jedoch nicht aufgrund dieser Abgabe bzw. dieses Versäumnisses angefochten werden.19) 7.
Verweigerung der Entlastung
10 Die Verweigerung der Entlastung hat keine unmittelbaren statusrechtlichen Konsequenzen für das betroffene Organmitglied; weder liegt darin ein Vertrauensentzug i. S. des § 84 Abs. 3 Satz 2 noch ein Votum nach § 103 Abs. 1.20) Eine Amtsniederlegung des betroffenen Organmitglieds und die Kündigung des Anstellungsvertrags durch das Vorstandsmitglied aus wichtigem Grund sind bei unberechtigter Entlastungsverweigerung möglich.21) Abzulehnen ist dagegen die Ansicht, der Vorstand sei zur Amtsniederlegung ohne Kündigung seines Anstellungsvertrags unter Fortzahlung seiner Bezüge berechtigt.22) Rechtsschutz gegen die Entlastungsverweigerung besteht nicht. Die Erhebung einer negativen Feststellungsklage ist nur dann statthaft, wenn die Gesellschaft sich über die Verweigerung der Entlastung hinaus konkreter Ansprüche berühmt.23) III.
Billigung des Vorstandsvergütungssystems (§ 120 Abs. 4)
11 Nach § 120 Abs. 4 kann die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft über die Billigung des Systems zur Vergütung des Vorstands beschließen. Hierbei handelt es sich um einen rein konsultativen Beschluss, der nach § 120 Abs. 4 Satz 2 keine Rechtsfolgen entfaltet. 12 Beschlussgegenstand ist die Billigung des „Vergütungssystems“, also des Gesamtkonzepts, und nicht etwa einzelner Elemente oder gar einzelner Gehälter. Der Begriff entspricht dem in § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB und Ziff. 4.2.3 DCGK verwandten und ist in diesem Sinn zu verstehen.24) Das der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat vorzustellende System ist auch durch diesen zu erarbeiten.25) Der Begriff des Vergütungssystems umfasst alle Vergütungsbestandteile, also fixe Vergütung, variable Vergütung, Altersversorgung und sonstige nennenswerte Geldvorteile; ebenso erfasst sind Abfindung und Antrittsgelder.26) Es ist eine nach Funktionen bzw. Rangverhältnissen getrennte Aufschlüsselung vorzunehmen, die auch einen Betrag in Euro als den jeweilig maximal erreich_____________ 16) OLG Stuttgart, Urt. v. 17.11.2010 – 20 U 2/10, ZIP 2010, 2349 (LS). 17) BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08, ZIP 2009, 2051, 2053 f.; BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460, 463 f. 18) BGH, Beschl. v. 6.11.2012 – II ZR 111/12 (Piëch/Sardinien-Äußerungen), ZIP 2012, 2438, 2439. 19) BGH, Hinweisbeschl. v. 7.12.2009 – II ZR 63/08, ZIP 2010, 879, 880. 20) Allg. Meinung, vgl. nur Kubis in: MünchKomm-AktG, § 120 Rz. 37 f. m. w. N. 21) Vgl. BGH, Urt. v. 20.5.1985 – II ZR 165/84, ZIP 1985, 1325 – zur GmbH; Spindler/Stilz-Hoffmann, AktG, § 120 Rz. 36 m. w. N. 22) So aber Kubis in: MünchKomm-AktG, § 120 Rz. 37. 23) Vgl. BGH, Urt. v. 20.5.1985 – II ZR 165/84 (LS 2), ZIP 1985, 1325 – zur GmbH. 24) Zu § 120 Abs. 4 a. F.: Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 682; Vetter, ZIP 2009, 2136, 2137 f. 25) BT-Drucks. 17/14214, S. 21. 26) BT-Drucks. 17/14214, S. 22.
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Allgemeines
baren Gesamtbezug angibt; auch die Angabe der niedrigsten erreichbaren Vergütung ist zu empfehlen.27) Eine Teilbilligung kommt nicht in Betracht.28) Das Verfahren richtet sich – abgesehen von der Vorlagepflicht des Aufsichtsrats (nicht 13 des Vorstands) – nach den allgemeinen Regeln, insbesondere hat auch der Vorstand einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten.29) Die Hauptversammlung hat nicht die Möglichkeit, einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung zu stellen.30) Der Beschluss ist jährlich, d. h. innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten zu fassen;31) er ist nicht der Tagesordnung der ordentlichen Hauptversammlung zugewiesen.32) Eine Anfechtung nach § 243 kommt nicht in Betracht (§ 120 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2). 14 Dieser Anfechtungsausschluss erfasst nicht nur materielle Mängel, sondern auch Verfahrensfehler.33) Möglich ist dagegen eine Nichtigkeitsklage.34) Das vom Bundestag im Juni 2013 beschlossene Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der 15 Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften (VorstKoG) ist im September 2013 im Bundesrat mit Anrufung des Vermittlungsausschusses vorerst nicht Gesetz geworden. Der Entwurf sieht für das in § 120 Abs. 4 geregelte sog. „Say on Pay“ eine umfassende Neuregelung vor.35) Die Mitsprache der Hauptversammlung soll im Gegensatz zur alten Regelung verbindlich sein, es soll ein Zustimmungsvorbehalt für die Hauptversammlung bestehen.36) Ziel der Neuregelung ist die Stärkung von Eigentümerrechten durch größere Vergütungstransparenz und Übertragung von Entscheidungs- und Kontrollkompetenz an die Hauptversammlung.37) _____________ 27) BT-Drucks. 17/14214, S. 22. 28) Zu § 120 Abs. 4 a. F.: v. Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 627; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 682. 29) Zu § 120 Abs. 4 a. F.: v. Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 626; Schick, ZIP 2011, 593, 598, für den Fall des Beschlussvorschlags ist eine Aufnahme des Punktes in die Tagesordnung erforderlich. 30) BT-Drucks. 17/14214, S. 22. 31) Ein geringes Überschreiten dürfte aber noch zulässig sein: Ziemons, GWR 2013, 283, 284; Verse, NZG 2013, 921, 922 spricht in diesem Zusammenhang von einigen Tagen oder Wochen. 32) Ziemons, GWR 2013, 283, 284; krit. zu dieser gesetzgeberischen Entscheidung DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2013, 694, 695. 33) Zu § 120 Abs. 4 a. F.: v. Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628 m. w. N. 34) BT-Drucks. 17/14214, S. 23. 35) Diese befindet sich im Einklang mit den jüngsten Änderungen des DCGK v. 13.5.2013. 36) DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2013, 694, 695. 37) BT-Drucks. 17/14214, S. 21; Ziemons, GWR 2013, 283 sieht dadurch die Grundkonzeption des Aktienrechts mit der ausschließlich beim Aufsichtsrat angesiedelten Personal- und Vergütungskompetenz erschüttert.
Zweiter Unterabschnitt Einberufung der Hauptversammlung § 121 Allgemeines (1) Die Hauptversammlung ist in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen sowie dann einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. (2) 1Die Hauptversammlung wird durch den Vorstand einberufen, der darüber mit einfacher Mehrheit beschließt. 2Personen, die in das Handelsregister als Vorstand ein-
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getragen sind, gelten als befugt. 3Das auf Gesetz oder Satzung beruhende Recht anderer Personen, die Hauptversammlung einzuberufen, bleibt unberührt. (3) 1Die Einberufung muss die Firma, den Sitz der Gesellschaft sowie Zeit und Ort der Hauptversammlung enthalten. 2Zudem ist die Tagesordnung anzugeben. 3Bei börsennotierten Gesellschaften hat der Vorstand oder, wenn der Aufsichtsrat die Versammlung einberuft, der Aufsichtsrat in der Einberufung ferner anzugeben: 1. die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Versammlung und die Ausübung des Stimmrechts sowie gegebenenfalls den Nachweisstichtag nach § 123 Abs. 3 Satz 3 und dessen Bedeutung; 2. das Verfahren für die Stimmabgabe a) durch einen Bevollmächtigten unter Hinweis auf die Formulare, die für die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht zu verwenden sind, und auf die Art und Weise, wie der Gesellschaft ein Nachweis über die Bestellung eines Bevollmächtigten elektronisch übermittelt werden kann sowie b) durch Briefwahl oder im Wege der elektronischen Kommunikation gemäß § 118 Abs. 1 Satz 2, soweit die Satzung eine entsprechende Form der Stimmrechtsausübung vorsieht; 3. die Rechte der Aktionäre nach § 122 Abs. 2, § 126 Abs. 1, den §§ 127, 131 Abs. 1; die Angaben können sich auf die Fristen für die Ausübung der Rechte beschränken, wenn in der Einberufung im Übrigen auf weitergehende Erläuterungen auf der Internetseite der Gesellschaft hingewiesen wird; 4. die Internetseite der Gesellschaft, über die die Informationen nach § 124a zugänglich sind. (4) 1Die Einberufung ist in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. 2Sind die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt, so kann die Hauptversammlung mit eingeschriebenem Brief einberufen werden, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt; der Tag der Absendung gilt als Tag der Bekanntmachung. 3Die §§ 125 bis 127 gelten sinngemäß. (4a) Bei börsennotierten Gesellschaften, die nicht ausschließlich Namensaktien ausgegeben haben oder welche die Einberufung den Aktionären nicht unmittelbar nach Absatz 4 Satz 2 und 3 übersenden, ist die Einberufung spätestens zum Zeitpunkt der Bekanntmachung solchen Medien zur Veröffentlichung zuzuleiten, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Information in der gesamten Europäischen Union verbreiten. (5) 1Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, soll die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft stattfinden. 2Sind die Aktien der Gesellschaft an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen, so kann, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, die Hauptversammlung auch am Sitz der Börse stattfinden. (6) Sind alle Aktionäre erschienen oder vertreten, kann die Hauptversammlung Beschlüsse ohne Einhaltung der Bestimmungen dieses Unterabschnitts fassen, soweit kein Aktionär der Beschlußfassung widerspricht. (7) 1Bei Fristen und Terminen, die von der Versammlung zurückberechnet werden, ist der Tag der Versammlung nicht mitzurechnen. 2Eine Verlegung von einem Sonntag, einem Sonnabend oder einem Feiertag auf einen zeitlich vorausgehenden oder nachfolgenden Werktag kommt nicht in Betracht. 3Die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind nicht entsprechend anzuwenden. 4Bei nichtbörsennotierten Gesellschaften kann die Satzung eine andere Berechnung der Frist bestimmen.
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Literatur: Bayer/Hoffmann, Der Ort der Hauptversammlung, AG 2013, R 23; Bürgers/Köber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Florstedt, Fristen und Termine im Recht der Hauptversammlung, ZIP 2010, 761; Grobecker, Beachtenswertes zur Hauptversammlungssaison, NZG 2010, 165; Herrler/Reymann, Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG – Unter besonderer Berücksichtigung der Neuregelungen zur Hauptversammlung und zur Kapitalaufbringung bei der AG –, DNotZ 2009, 815; Kocher/Lönner, Anfechtungsrisiken wegen unklarer Vorbesitzzeit beim Ergänzungsverlangen?, BB 2010, 1675; Mutter, Europaweite Einberufung der Hauptversammlung – wie geht’s?, AG Report 2009, 418; Quass, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen wegen eines Umschreibestopps im Aktienregister?, AG 2009, 432; Schroeder/Pussar, Neues Anfechtungsrisiko bei der HV-Einberufung: Fristen für Ergänzungsverlangen, BB 2010, 717; Terbrack, L’etat c’est moi – oder: Von der trügerischen Allherrlichkeit des Alleinaktionärs bei Hauptversammlungen, RNotZ 2012, 221; Wicke, Einführung in das Recht der Hauptversammlung, das Recht der Sacheinlagen und das Freigabeverfahren nach dem ARUG, 2009.
Übersicht I. Regelungsgehalt, Bedeutung .............1 II. Einberufungsgründe (§ 121 Abs. 1) .......................................2 1. Gesetzliche Einberufungsgründe ........2 a) Ausdrückliche gesetzliche Einberufungspflicht .......................2 b) Einberufungspflicht aufgrund Hauptversammlungszuständigkeit................3 2. Satzungsmäßige Einberufungsgründe:............................4 3. Einberufung zum Wohl der Gesellschaft ....................................5 4. Fakultative Einberufung ......................6 5. Rechtsfolgen eines Verstoßes..............7 III. Einberufungsberechtigung (§ 121 Abs. 2) .......................................9 1. Vorstand (§ 121 Abs. 1 Satz 1, 2)........9 2. Andere Personen (§ 121 Abs. 2 Satz 3) ..........................11 3. Rechtsfolgen eines Verstoßes............13 IV. Inhalt der Einberufung (§ 121 Abs. 3) .....................................14 1. Allgemeines ........................................14 2. Basisangaben (§ 121 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2)........16 3. Pflichtangaben für börsennotierte Gesellschaften (§ 121 Abs. 3 Satz 3) .................................................17 I.
a) § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 .............17 b) § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 .............18 c) § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 .............20 d) § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 .............21 4. Rechtsfolgen eines Verstoßes............22 V. Bekanntmachung (§ 121 Abs. 4, Abs. 4a)...............................................23 1. Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (§ 121 Abs. 4 Satz 1) ..........................23 2. Einberufung durch eingeschriebenen Brief (§ 121 Abs. 4 Satz 2, 3) ......................24 a) Namentlich bekannte Aktionäre......................................24 b) Eingeschriebener Brief.................25 c) Tag der Bekanntmachung............26 d) Sinngemäße Geltung der §§ 125 – 127 ..................................27 3. Zuleitung an Medien (§ 121 Abs. 4a) ...................................28 VI. Ort der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 5) .....................................29 VII. Vollversammlung (§ 121 Abs. 6)..... 31 VIII. Berechnung von Fristen und Terminen (§ 121 Abs. 7)...................32
Regelungsgehalt, Bedeutung
§ 121 gilt auch für gesonderte Versammlungen (§ 138 Satz 2), für Übernahmesachverhalte ist 1 § 16 Abs. 3, 4 WpÜG zu beachten. Soweit die Aktien zum Börsenhandel zugelassen sind,
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Allgemeines
sind auch §§ 30a ff. WpHG zu beachten. Die Regelungen des § 121 sind zwingend, soweit in der Satzung nichts anders vorgesehen ist (§ 23 Abs. 5). II.
Einberufungsgründe (§ 121 Abs. 1)
1.
Gesetzliche Einberufungsgründe
a)
Ausdrückliche gesetzliche Einberufungspflicht
2 Die Hauptversammlung ist einzuberufen, soweit das Gesetz dies ausdrücklich anordnet, namentlich in den Fällen der §§ 92 Abs. 1, 122 Abs. 1 Satz 1, 175 Abs. 1 und § 327a Abs. 1; ferner gemäß § 44 Abs. 5 KWG, § 3 Abs. 1 BausparkG, § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VAG und § 3 PfandBG. b)
Einberufungspflicht aufgrund Hauptversammlungszuständigkeit
3 Ergibt sich mittelbar in den Fällen, in denen das Gesetz eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung vorsieht (vgl. § 119 Rz. 3 ff.) sowie in Fällen ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeit (vgl. § 119 Rz. 18 ff.). Vertraglich vereinbarte Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Hauptversammlung begründen zwar eine Einberufungspflicht des Vorstands, die jedoch nicht an § 121 zu messen ist.1) 2.
Satzungsmäßige Einberufungsgründe:
4 Dem Satzungsgeber sind hier durch die gesetzliche Kompetenzordnung enge Grenzen gesetzt (§ 23 Abs. 5).2) Möglich ist, der Hauptversammlung die Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien vorzubehalten (§ 68 Abs. 2 Satz 3) sowie das Quorum des § 122 Abs. 1 abzusenken. In Betracht kommt auch die Begründung von Einberufungsrechten zugunsten bestimmter Personen.3) 3.
Einberufung zum Wohl der Gesellschaft
5 Diese Variante hat kaum praktische Relevanz.4) 4.
Fakultative Einberufung
6 Der Vorstand kann die Hauptversammlung einberufen in den Fällen des § 111 Abs. 4 Satz 3 und des § 119 Abs. 2. Dies ist auch zulässig zur Einholung eines Meinungsbildes ohne Beschlussfassung, wobei hierzu keine Pflicht besteht.5) 5.
Rechtsfolgen eines Verstoßes
7 Kommt der Vorstand seiner Einberufungspflicht nicht nach, so stellt dies eine Pflichtverletzung (§ 93) dar und kann Schadensersatzansprüche der Gesellschaft auslösen. In diesem Fall hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 3 die Hauptversammlung einzuberufen.6) Die Einberufung der Hauptversammlung kann von Aktionären nicht im Wege der Leistungsklage durchgesetzt werden, es ist vielmehr nach § 122 Abs. 1 zu verfahren.7) Wird die ordent_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
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Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 11. Vgl. nur Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 9 m. w. N. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 121 Rz. 15 m. w. N. Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 121 Rz. 5. Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 11 m. w. N. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 121 Rz. 17 m. w. N. Vgl. zur fehlenden Zulässigkeit einer diesbezüglichen Feststellungsklage LG Frankfurt/M., Urt. v. 3.4.2001 – 3/5 O 109/00, AG 2001, 491, 492; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 13.
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Allgemeines
liche Hauptversammlung nicht einberufen, kann das Registergericht ein Zwangsgeld festsetzen (§§ 407, 175). Wird die Hauptversammlung grundlos einberufen so bleibt dies ohne Auswirkung auf die 8 gefassten Beschlüsse.8) III.
Einberufungsberechtigung (§ 121 Abs. 2)
1.
Vorstand (§ 121 Abs. 1 Satz 1, 2)
Der Vorstand, der hierüber abweichend von § 77 Abs. 1 zwingend9) mit einfacher Mehrheit 9 beschließt, beruft die Hauptversammlung ein. Bei der Beschlussfassung muss der Vorstand ordnungsgemäß besetzt sein, ansonsten ist der Einberufungsbeschluss unwirksam mit der Folge, dass dennoch in der Hauptversammlung gefasste Beschlüsse nichtig sind.10) § 121 Abs. 1 Satz 2 sieht vor, dass in das Handelsregister als Vorstand eingetragene Per- 10 sonen als zur Mitwirkung an der Beschlussfassung befugt gelten. Die fehlende Befugnis zur Mitwirkung an der Einberufungsentscheidung wird also ersetzt.11) Diese Fiktion ist unwiderlegbar und unabhängig von Gutgläubigkeit.12) Aus ihr folgt indessen weder ein Recht noch eine Pflicht des nicht mehr amtierenden, aber noch eingetragenen Vorstandsmitglieds zur Mitwirkung an der Beschlussfassung.13) Unberührt bleibt die Mitwirkungsberechtigung nicht eingetragener, aber wirksam bestellter Vorstandsmitglieder.14) Die Fiktion greift ein, wenn die Handelsregistereintragung bei Bekanntmachung der Einberufung besteht; ist die Bekanntgabe durch Veröffentlichung in mehreren Gesellschaftsblättern zu bewirken, so ist ausreichend, wenn die Eintragung bei Erscheinen einer der Publikationen vorliegt.15) 2.
Andere Personen (§ 121 Abs. 2 Satz 3)
Ein gesetzliches Recht, die Hauptversammlung einzuberufen, hat nach § 111 Abs. 3 unter 11 den dort genannten Voraussetzungen neben dem Vorstand der Aufsichtsrat, wobei eine Delegation auf einen Ausschuss nicht in Frage kommt, § 107 Abs. 3 Satz 3. Ferner einberufungsberechtigt sind Abwickler (§ 268 Abs. 2) und Minderheitsaktionäre, soweit sie vom Gericht gemäß § 122 ermächtigt sind. Ebenfalls zu nennen sind aufsichtsrechtliche Einberufungsbefugnisse (z. B. § 44 Abs. 5 KWG), obschon die Aufsichtsbehörde nicht selbst die Hauptversammlung einberufen, sondern dies nur vom Vorstand verlangen kann. Dem Insolvenzverwalter steht kein Einberufungsrecht zu.
_____________ 8) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 14. 9) Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 13 m. w. N. Abweichend hiervon soll nach Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 18 ein einstimmiger Beschluss erforderlich sein, wenn die Hauptversammlung allein zur Vorlage einer Geschäftsführungsfrage nach § 119 Abs. 2 einberufen werden soll. 10) LG Münster, Urt. v. 3.12.1997 – 21 O 161/97, AG 1998, 344; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 29 m. w. N.; a. A. LG Heilbronn, Urt. v. 19.11.1999 – 3 KfH O 227/99, AG 2000, 373 – Anfechtbarkeit. 11) Dies gilt auch im Fall der fehlenden Geschäftsfähigkeit des Vorstandsmitglieds, vgl. K. Schmidt in: GroßKomm-AktG, § 241 Rz. 44. 12) Allg. Meinung, vgl. nur Hüffer, AktG, § 121 Rz. 7; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 14 m. w. N. 13) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.5.1988 – 5 U 285/86, NJW-RR 1989, 546; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 121 Rz. 20. 14) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 20 m. w. N. 15) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 14 m. w. N.
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Allgemeines
12 Die Satzung kann weiteren Personen, z. B. Aktionären oder Aktionärsgruppen, gesellschaftsfremden Dritten oder einzelnen Mitgliedern des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats Einberufungsbefugnis einräumen.16) 3.
Rechtsfolgen eines Verstoßes
13 Erfolgt die Einberufung durch Nichtberechtigte, so sind darauf hin gefasste Hauptversammlungsbeschlüsse gemäß § 241 Nr. 1 nichtig, sofern kein Fall der Vollversammlung vorliegt (§ 121 Abs. 6). IV.
Inhalt der Einberufung (§ 121 Abs. 3)
1.
Allgemeines
14 Hinsichtlich des Bekanntmachungsinhalts wird zwischen börsennotierten (§ 3 Abs. 2) und nicht börsennotierten Gesellschaften differenziert. Letztere haben nur noch die Basisangaben des § 121 Abs. 3 Satz 1 und 2 zu machen; es entfallen somit Angaben zu Teilnahmebedingungen auch für im Freiverkehr notierte Gesellschaften.17) 15 Die in § 121 Abs. 3 genannten Angaben sind zwingend, jedoch nicht abschließend. Ferner sind die Angaben nach § 124 Abs. 2 und 3 zu machen.18) Emittenten i. S. des § 2 Abs. 6 WpHG unterliegen ferner den Veröffentlichungspflichten des § 30b Abs. 1 Nr. 1 WpHG. 2.
Basisangaben (§ 121 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2)
16 Zu nennen sind die Firma (§ 4), der Sitz (§ 5) bzw. bei Doppelsitz beide, Termin (Datum und Uhrzeit) und Anschrift des Sitzungssaals.19) Die Dauer der Hauptversammlung muss und kann dagegen nicht angegeben werden. Anderes gilt, wenn die Hauptversammlung ersichtlich nicht an einem Tag sämtliche Tagesordnungspunkte behandeln kann; in diesem Fall ist bereits in der Einberufung deutlich zu machen, dass die Hauptversammlung zwei oder mehr Tage in Anspruch nehmen wird.20) Anzugeben ist ferner die Tagesordnung mit den Informationen nach § 124 Abs. 2 und Beschlussvorschlägen, § 124 Abs. 3. 3.
Pflichtangaben für börsennotierte Gesellschaften (§ 121 Abs. 3 Satz 3)
a)
§ 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1
17 Anzugeben sind von der gesetzlichen Regelung abweichende21) Satzungsbestimmungen zur Anmeldung (§ 123 Abs. 2) und Legitimation (§ 123 Abs. 3), wobei die inhaltlich zutreffende Wiedergabe ausreicht.22) Ferner sind der Nachweisstichtag (§ 123 Abs. 3 Satz 3) datumsmäßig sowie dessen Bedeutung (§ 123 Abs. 3 Satz 6) zu nennen. Insoweit genügt eine Wiedergabe der gesetzlichen Regelung.23) Nicht zu den Pflichtangaben zählt ein Umschreibestopp bei Namensaktien.24) _____________ 16) Vgl. etwa Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 17 m. w. N. Wird einem einzelnen Vorstandsmitglied in der Satzung Einberufungsbefugnis erteilt, führt dies nicht etwa dazu, dass nicht mehr das Gesamtorgan, sondern nur noch das einzelne Mitglied einberufungsberechtigt wäre (so aber Kubis in: MünchKommAktG, § 121 Rz. 26); vielmehr tritt die Einberufungsberechtigung des einzelnen Mitglieds neben die des Gesamtorgans, vgl. Werner in: GroßKomm-AktG, § 121 Rz. 38. 17) Heidel-Pluta, § 121 AktG Rz. 23, mit Hinweis darauf, dass diese freiwillig erfolgen können. 18) Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 18. 19) Allg. Meinung, vgl. nur Hüffer, AktG, § 121 Rz. 9. 20) LG Frankfurt/M., Urt. v. 28.11.2006 – 3-5 O 93/06, ZIP 2007, 1862, 1863; LG Mainz, Urt. v. 14.4.2005 – 12 HK O 82/04, AG 2005, 894. 21) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 37 m. w. N. 22) OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 210. 23) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 38. 24) Vgl. Quass, AG 2009, 432, 436 ff. m. w. N.; Hüffer, AktG, § 121 Rz. 10 m. w. N.
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Thomas Mayrhofer
§ 121
Allgemeines b)
§ 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2
Gemäß § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 lit. a ist das Verfahren für die Stimmabgabe durch 18 Bevollmächtigte anzugeben.25) Hier sind die Form der Vollmachtserteilung und die Art und Weise der Übermittlung (§ 134 Abs. 3 Satz 4) an die Gesellschaft zu nennen. Soweit Formulare zwingend zu benutzen sind, ist auf diese hinzuweisen.26) § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 lit. b schreibt vor, dass Angaben zum Verfahren für die Stimm- 19 abgabe im Wege der Briefwahl (§ 118 Abs. 2) oder der Online-Teilnahme (§ 118 Abs. 1 Satz 2) zu machen sind, wenn die Satzung oder der Vorstand aufgrund Satzungsermächtigung diese Verfahren vorsieht. Ist dies nicht der Fall, so entfällt die Angabepflicht, eine Negativanzeige ist nicht notwendig.27) c)
§ 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3
In der Einberufung sind zumindest die Fristen für die Ausübung der Aktionärsrechte 20 aus §§ 122 Abs. 2, 126 Abs. 1, 127 und 131 Abs. 1 datumsmäßig anzugeben bzw. darauf hinzuweisen, wenn die Rechtsausübung nicht fristgebunden ist. Im Übrigen kann auf die Internetseite der Gesellschaft verwiesen werden, wenn dort nähere Angaben zu den genannten Aktionärsrechten zu finden sind.28) Die Haltefrist des §§ 122 Abs. 2, 142 Abs. 2 Satz 2 ist richtigerweise keine Frist i. S. des § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3.29) d)
§ 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4
Schließlich ist die Internetseite der Gesellschaft, auf der die Informationen nach § 124a 21 zugänglich sind, anzugeben. Die Angabe des genauen Pfads zu den Informationen ist nicht gefordert.30) 4.
Rechtsfolgen eines Verstoßes
Fehlen Basisangaben nach § 121 Abs. 3 Satz 1, so sind gleichwohl gefasste Beschlüsse 22 nichtig, § 241 Nr. 1, es sei denn, die Voraussetzungen des § 121 Abs. 6 (Vollversammlung) lagen vor. Wird entgegen § 121 Abs. 3 Satz 2 die Tagesordnung nicht angegeben, so darf nach § 124 Abs. 4 Satz 1 nicht Beschluss gefasst werden. Verstöße hiergegen sowie gegen § 121 Abs. 3 Satz 3 begründen bei Relevanz die Anfechtbarkeit nach § 243 Abs. 1.31)
_____________ 25) Nach Rechtslage vor dem ARUG fielen auch für die börsennotierte AG die Modalitäten der Bevollmächtigung nicht unter die in der Einberufung anzugebenden Bedingungen der Teilnahme an der Hauptversammlung oder der Ausübung des Stimmrechts, vgl. BGH, Beschl. v. 10.7.2012 – II ZR 122/10, NZG 2012, 1222; BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 124/10, ZIP 2011, 1813 (LS). 26) Für börsennotierte Gesellschaften genügt nach § 134 Abs. 3 Satz 3 stets Textform, sodass insoweit für die Vollmachterteilung eine zwingende Verwendung bestimmter Formulare nicht vorgeschrieben werden kann. Hinzuweisen ist daher nur auf solche Formulare, die zur Bevollmächtigung des gesellschaftsbenannten Stimmvertreters zu verwenden sind, vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 40. 27) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 43; vgl. auch Hüffer, AktG, § 121 Rz. 10c. 28) Vgl. Hüffer, AktG, § 121 Rz. 10d. 29) Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 45; Hüffer, AktG, § 121 Rz. 10d; streitig, vgl. Schroeder/ Pussar, BB 2010, 717. Empfohlen wird daher, bis zur gerichtlichen Klärung die Haltedauer datumsmäßig konkret zu benennen, vgl. Kocher/Lönner, BB 2010, 1675, 1679. Für die SE stellt sich diese Problematik nicht, da eine vergleichbare Haltefrist von Art. 56 SE-VO, § 50 Abs. 2 SEAG nicht vorgesehen ist, vgl. auch Kubis in: MünchKomm-AktG, SE-VO Art. 55, 56 Rz. 19. 30) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 47. 31) Vgl. Hüffer, AktG, § 121 Rz. 11; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 104.
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§ 121
Allgemeines
V.
Bekanntmachung (§ 121 Abs. 4, Abs. 4a)
1.
Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (§ 121 Abs. 4 Satz 1)
23 Hierbei handelt es sich um den gesetzlichen Regelfall der Bekanntmachung, der stets gewählt werden kann, also auch wenn die Gesellschaft Namensaktien ausgegeben hat.32) Durch die Satzung lassen sich zusätzliche Anforderungen an die Bekanntmachung begründen, Erleichterungen sind dagegen nicht zulässig (§ 23 Abs. 5 Satz 1).33) Emittenten i. S. des § 2 Abs. 6 WpHG haben ferner § 30b WpHG zu beachten. Die Einberufung muss nach § 121 Abs. 4 Satz 1 in den Bundesanzeiger eingerückt werden. Sieht die Satzung weitere Gesellschaftsblätter vor, so ist die Einberufung in jedem dieser zu veröffentlichen. Mit der Publikation des letzten Blattes ist die Bekanntmachung bewirkt.34) Das VorstKoG sieht eine Streichung des § 25 Satz 2 vor.35) Mit dieser Gesetzesänderung wird die Veröffentlichung künftig in keinen anderen Gesellschaftsblättern vorzunehmen sein. 2.
Einberufung durch eingeschriebenen Brief (§ 121 Abs. 4 Satz 2, 3)
a)
Namentlich bekannte Aktionäre
24 Sind der Gesellschaft die Aktionäre namentlich bekannt, so kann sie optional statt durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern oder durch eingeschriebenen Brief zur Hauptversammlung laden. Bei Namensaktien gilt gegenüber der Gesellschaft gemäß § 67 Abs. 2 nur der im Aktienregister Eingetragene als Aktionär, so dass eine Ladung nach § 121 Abs. 4 Satz 2 relativ einfach vorgenommen werden kann. Bei Inhaberaktien ist dagegen die Bekanntmachung nach § 121 Abs. 4 Satz 1 zweckmäßig, ein Vorgehen nach § 121 Abs. 4 Satz 2 nicht zu empfehlen.36) b)
Eingeschriebener Brief
25 Die Satzung kann hier Erleichterungen, etwa eine Ladung per Fax oder E-Mail, vorsehen.37) Wird hiervon nicht Gebrauch gemacht, so ist die Einberufung durch eingeschriebenen Brief zu übermitteln. Rückschein ist nicht erforderlich, jedoch ist unklar, ob ein Einwurfeinschreiben ausreicht. Zweckmäßig ist daher Versendung als Übergabeeinschreiben.38) Es genügt Textform (§ 126b BGB).39) c)
Tag der Bekanntmachung
26 Gemäß § 121 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 gilt der Tag der Absendung, also der Tag der Aufgabe der Briefe beim Beförderungsunternehmen,40) als der Tag der Bekanntmachung. Maßgeblich ist der Tag der Aufgabe des letzten Briefes.41)
_____________ 32) Vgl. Hüffer, AktG, § 121 Rz. 11a. 33) Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 51 m. w. N. 34) Vgl. Hüffer, AktG, § 121 Rz. 11a; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 49 m. w. N.; a. A. K. Schmidt/ Lutter-Ziemons, AktG, § 121 Rz. 70, wonach allein die Veröffentlichung im Bundesanzeiger maßgeblich sei. 35) RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 7. 36) Vgl. Hüffer, AktG, § 121 Rz. 11d. 37) Vgl. Reg.-Begr. Drucks. 14/4987, S. 30; Hüffer, AktG, § 121 Rz. 11 f. 38) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 60 m. w. N. 39) Vgl. Reg.-Begr. Drucks. 14/4987, S. 30. 40) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 63 m. w. N. 41) Allg. Meinung, vgl. nur Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 63 m. w. N.
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§ 121
Allgemeines d)
Sinngemäße Geltung der §§ 125 – 127
Praktische Relevanz hat dieser Verweis keine, da die §§ 125 – 127 unmittelbar gelten.42) 27 Die Mitteilungspflichten des § 125 bleiben unberührt, mit der Maßgabe, dass § 125 Abs. 2 und 3 nur dann greifen, wenn die Informationen nicht schon in der nach § 121 Abs. 4 Satz 2 an sie übersandten Einberufung enthalten sind. Das VorstKoG sieht denn auch eine Aufhebung dieser überflüssigen Verweisung durch die Streichung des § 121 Abs. 4 Satz 3 vor.43) 3.
Zuleitung an Medien (§ 121 Abs. 4a)
Soweit die Bekanntmachung nach § 121 Abs. 4 Satz 1 erfolgt und die Gesellschaft börsen- 28 notiert ist, hat sie die Einberufung spätestens im Zeitpunkt der Bekanntmachung solchen Medien zur Veröffentlichung zuzuleiten, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Informationen in der gesamten Europäischen Union verbreiten. VI.
Ort der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 5)
Soweit die Satzung nichts anderes vorsieht, soll die Hauptversammlung am Sitz (§ 5) der 29 Gesellschaft stattfinden. Bei Doppelsitz kommen beide Orte in Frage.44) Sind Aktien der Gesellschaft zum Handel im regulierten Markt einer deutschen Börse45) zugelassen, so kann die Hauptversammlung auch am Sitz der Börse stattfinden. Auch ohne Satzungsregelung ist ein Abweichen von diesen Orten möglich, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt, z. B. Mangel eines geeigneten Versammlungslokals o. Ä.46) Verboten ist eine Satzungsregelung, die die Auswahl des Ortes gänzlich in das Ermessen des 30 Einberufenden stellt. So sind zumindest geographische Vorgaben oder sonstige objektive Kriterien (Einwohnerzahl o. Ä.) notwendig.47) Die Abhaltung der Hauptversammlung im Ausland ist möglich, wenn die Satzung dies vorsieht und die Gleichwertigkeit der Beurkundung gewährleistet ist.48) Es ist nicht erforderlich, dass die Gesellschaft am satzungsmäßigen Versammlungsort eine Zweigniederlassung o. Ä. unterhält.49) VII. Vollversammlung (§ 121 Abs. 6) Sind sämtliche Aktionäre (also auch solche ohne Stimmrecht)50) erschienen oder vertreten, 31 so ist die Einhaltung der §§ 121–128 sowie hierauf verweisender Normen entbehrlich, soweit kein Widerspruch gegen die Beschlussfassung erhoben wird.51) Dies gilt natürlich ebenso, wenn es nur einen Aktionär gibt (sog. Ein-Personen-AG).52)
_____________ 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49) 50) 51) 52)
Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 64. Begr. RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 14. Hüffer, AktG, § 121 Rz. 12. Einbeziehung in den Freiverkehr genügt also nicht, vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 71 m. w. N. Vgl. OLG Dresden, Urt. v. 13.6.2001 – 13 U 2639/00 (Sachsenmilch), ZIP 2001, 1539, 1541; LG Frankfurt/M., Urt. v. 2.10.2007 – 3-5 O 177/07 (Nanoinvests), ZIP 2007, 2034, 2035. Vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1993 – II ZR 26/93, ZIP 1993, 1867, 1870; Hüffer, AktG, § 121 Rz. 13; Praxisbeispiele zur Satzungsgestaltung bei Bayer/Hoffmann, AG 2013, R 23. Vgl. Grigoleit-Herrler, AktG, § 121 Rz. 27; Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 121 Rz. 24 jeweils m. w. N.; a. A. OLG Hamburg, Beschl. v. 7.5.1993 – 2 Wx 55/91, ZIP 1993, 921. Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 73 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 121 Rz. 97 m. w. N. Unstreitig, vgl. etwa Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 121 Rz. 30, 34 f. m. w. N. Unstreitig, vgl. etwa Terbrack, RNotZ 2012, 221, 221 f.
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§ 122
Einberufung auf Verlangen einer Minderheit
VIII. Berechnung von Fristen und Terminen (§ 121 Abs. 7) 32 Diese für börsennotierte Gesellschaften zwingende Vorschrift (§ 121 Abs. 7 Satz 4) stellt klar, dass der Tag der Hauptversammlung bei Fristen und Terminen,53) die von ihr an zurückberechnet werden, nicht mitgezählt wird. Die Anwendung der §§ 187 – 193 BGB wird ausgeschlossen (§ 121 Abs. 7 Satz 3), die Verlegung von einem Sonntag, einem Sonnabend oder Feiertag auf einen Werktag wird ausgeschlossen (§ 121 Abs. 7 Satz 2). _____________ 53) Ein Termin ist nach der Gesetzesbegründung eine juristische Sekunde, die auf 0 Uhr des errechneten Tages fällt, vgl. Begr. RegE ARUG, BT-Drucks. 16/11643, S. 28.
§ 122 Einberufung auf Verlangen einer Minderheit (1) 1Die Hauptversammlung ist einzuberufen, wenn Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals erreichen, die Einberufung schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen; das Verlangen ist an den Vorstand zu richten. 2Die Satzung kann das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen, an eine andere Form und an den Besitz eines geringeren Anteils am Grundkapital knüpfen. 3§ 142 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. (2) 1In gleicher Weise können Aktionäre, deren Anteile zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreichen, verlangen, daß Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt und bekanntgemacht werden. 2 Jedem neuen Gegenstand muss eine Begründung oder eine Beschlussvorlage beiliegen. 3 Das Verlangen im Sinne des Satzes 1 muss der Gesellschaft mindestens 24 Tage, bei börsennotierten Gesellschaften mindestens 30 Tage vor der Versammlung zugehen; der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. (3) 1Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Gericht die Aktionäre, die das Verlangen gestellt haben, ermächtigen, die Hauptversammlung einzuberufen oder den Gegenstand bekanntzumachen. 2Zugleich kann das Gericht den Vorsitzenden der Versammlung bestimmen. 3Auf die Ermächtigung muß bei der Einberufung oder Bekanntmachung hingewiesen werden. 4Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. (4) Die Gesellschaft trägt die Kosten der Hauptversammlung und im Fall des Absatzes 3 auch die Gerichtskosten, wenn das Gericht dem Antrag stattgegeben hat. Literatur: Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Florstedt, Fristen und Termine im Recht der Hauptversammlung, ZIP 2010, 761; Halberkamp/Gierke, Das Recht der Aktionäre auf Einberufung einer Hauptversammlung, NZG 2004, 494; Klöhn, Gesellschaftsrecht in der Eigenverwaltung: Die Grenzen des Einflusses auf die Geschäftsführung gemäß § 276a Satz 1 InsO, NZG 2013, 81; Kocher/Lönner, Anfechtungsrisiken wegen unklarer Vorbesitzzeit beim Ergänzungsverlangen?, BB 2010, 1675; Reger, Keine Pflicht des Vorstands zur Ablehnung rechtsmissbräuchlicher Einberufungsverlangen, NZG 2013, 536; Schroeder/Pussar, Neues Anfechtungsrisiko bei der HV-Einberufung: Fristen für Ergänzungsverlangen, BB 2010, 717; Weber, Absage einer auf ein Aktionärsverlangen einberufenen Hauptversammlung und Abhaltung einer Hauptversammlung durch die Aktionäre, NZG 2013, 890.
Übersicht I. Regelungsgehalt, Bedeutung ............ 1 II. Einberufungsverlangen (§ 122 Abs. 1)....................................... 2
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1. Aktionärseigenschaft............................2 2. Quorum ................................................4 3. Mindestbesitzzeit .................................5
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§ 122
Einberufung auf Verlangen einer Minderheit 4. Antrag und Adressat ............................9 5. Rücknahme des Verlangens ...............13 5. Satzungsregelungen............................14 III. Ergänzungsverlangen (§ 122 Abs. 2) .....................................15 1. Allgemeines ........................................15 2. Aktionärseigenschaft, Quorum.........16 3. Mindestbesitzzeit ...............................17 4. Antrag, Adressat.................................18 5. Satzungsregelungen............................21 I.
IV. Gerichtliche Geltendmachung (§ 122 Abs. 3) und Kosten (§ 122 Abs. 4) .....................................22 1. Zuständigkeit......................................22 2. Antragsberechtigung..........................23 3. Antragsfrist.........................................24 4. Entscheidung des Gerichts ................25 5. Rechtsbehelf .......................................29 6. Einberufung durch die Aktionäre .....30 7. Kosten (§ 122 Abs. 4) ........................31
Regelungsgehalt, Bedeutung
Die Norm erlaubt einer qualifizierten Aktionärsminderheit, die Einberufung der Haupt- 1 versammlung (§ 122 Abs. 1) bzw. Ergänzung der Tagesordnung (§ 122 Abs. 2) zu verlangen und dies ggf. gerichtlich durchzusetzen (§ 122 Abs. 3). § 122 ermöglicht somit die Ausübung mitgliedschaftlicher Aktionärsrechte und dient damit dem Minderheitenschutz.1) II.
Einberufungsverlangen (§ 122 Abs. 1)
1.
Aktionärseigenschaft
Es kommt ausschließlich auf das Teilnahmerecht, nicht auf das Stimmrecht an. Daher 2 können auch Inhaber von Vorzugsaktien, nicht voll eingezahlter (§ 134 Abs. 2) oder verpfändeter bzw. mit einem Nießbrauch belasteter2) Aktien sowie einem Stimmverbot unterliegende Aktionäre die Einberufung der Hauptversammlung verlangen,3) nicht jedoch die Inhaber von Aktien, aus denen dem Inhaber qua Gesetz zeitweise keine Rechte zustehen (vgl. z. B. §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4).4) Stellvertretung ist zulässig, jedoch muss sich die Vollmacht ausdrücklich auf die Einbe- 3 rufung beziehen; bloße Stimmrechtsvollmacht genügt nicht.5) Legitimationsaktionäre sind ebenso wie Insolvenz- und Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker6) und Abwesenheitspfleger7) berechtigt, die Einberufung zu verlangen. 2.
Quorum
Die Einberufung bedarf eines Quorums von 5 % des Grundkapitals. Bezugsgröße ist zu- 4 nächst das im Handelsregister eingetragene Grundkapital. Eigene Aktien sind deswegen nicht abzusetzen. Genauso Aktien, deren Stimmrechte ruhen. Bereits beschlossene, aber noch nicht im Handelsregister eingetragene Kapitalerhöhungen sind deswegen auch nicht zu berücksichtigen, soweit die Eintragung konstitutiv ist. Ein bedingtes Kapital ist, soweit sich das Grundkapital durch Ausgabe von Bezugsaktien erhöht hat, deswegen zu berücksichtigen. In der Praxis sind insbesondere Veränderungen des Grundkapitals durch Ausübung von Bezugsrechten aus Aktienoptionen relevant. Nachdem solche Veränderungen zumindest bei börsennotierten Gesellschaften nach § 30b WpHG zu veröffent_____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
Vgl. OLG München, Beschl. v. 9.11.2009 – 31 Wx 134/09, AG 2010, 84, 85; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2008 – 8W 370/08, AG 2009, 169, 170. Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 3. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 26.3.1986 – 20 W 202/85, NJW-RR 1986, 781; Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 6 m. w. N. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 122 Rz. 7 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 5. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 5. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 26.3.1986 – 20 W 202/85, NJW-RR 1986, 781.
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Einberufung auf Verlangen einer Minderheit
lichen sind, erhält Aktionär hiervon Kenntnis. Auf welche Weise der Aktionär das Quorum erhält, spielt keine Rolle. Dieses kann z. B. auch über eine Wertpapierleihe beschafft werden. 3.
Mindestbesitzzeit
5 Die Antragsteller haben nachzuweisen, dass sie die Aktien mindestens drei Monate vor dem Tag der Hauptversammlung erworben haben. Die „entsprechende Geltung“ von § 142 Abs. 2 Satz 2 legt nahe, dass die das Quorum bildenden Aktien seit drei Monaten vor dem Zugang des Einberufungsverlangens bei der Gesellschaft gehalten worden sein müssen. Dementsprechend sieht die Neuregelung durch das VorstKoG auch vor, die in § 122 Abs. 1 Satz 3 angeordnete entsprechende Geltung des § 142 Abs. 2 Satz 2 zu streichen und anzuordnen, dass die Antragssteller nachweisen müssen, dass sie seit mindestens 90 Tagen vor dem Tag des Zugangs des Verlangens Inhaber der Aktien sind.8) Die Berechnung der Drei-Monats-Frist hat dabei analog § 121 Abs. 7 zu erfolgen.9) 6 Das Quorum muss bis zum Zugang des Einberufungsverlangens bei der Gesellschaft,10) nach überwiegender Ansicht bis zur Entscheidung des Vorstands über das Einberufungsverlangen gehalten werden.11) Lehnt der Vorstand die Einberufung ab und verfahren die Aktionäre nach § 122 Abs. 3, so muss das Quorum bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag vorliegen. Nach überwiegender Ansicht wird hier auf die Entscheidung des Beschwerdegerichts abgestellt.12) § 122 Satz 3 und Satz 4 sollen durch das VorstKoG neu gefasst werden, um Unklarheiten zu beseitigen, und ein Bekenntnis zur bisher ohnehin schon h. M. enthalten.13) 7 Für den Begriff des Antragsstellers ist auf die antragstellenden Aktionäre und ihre Gesamtrechtsnachfolger abzustellen; eine Auswechslung ist nicht zulässig.14) Der Nachweis ist durch Bescheinigung des depotführenden Instituts zu erbringen, bei Namensaktien ist die Eintragung im Aktienregister maßgeblich.15) Die Bevollmächtigung ist in Textform nachzuweisen.16) 8 Wegen der geplanten Neuregelung des § 122 durch das VorstKoG soll sich in einem neu zu schaffenden § 26f Abs. 4 EGAktG eine Übergangsregelung finden.17) 4.
Antrag und Adressat
9 Der Antrag ist schriftlich (§ 126 BGB) an die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, zu richten.18) Mitzuteilen sind der Zweck und die Gründe für das Einberufungsverlangen. 10 „Gründe“ bezeichnet allein die Eilbedürftigkeit, nicht weshalb die Hauptversammlung überhaupt befasst werden soll.19) „Zweck“ bezeichnet die Beschlussgegenstände, über die die Hauptversammlung entscheiden soll.20) _____________ 8) Vgl. Begr. RegE RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 14 f. 9) § 121 Abs. 7 soll durch das VorstKoG in einem neuen Satz 4 für entsprechend anwendbar erklärt werden, vgl. RegE BR- BT-Drucks. 17/8989, S. 7. Eine analoge Anwendung wäre dann nicht mehr erforderlich. 10) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 7. 11) Vgl. etwa Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 13 m. w. N.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 122 Rz. 12; Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 122 Rz. 5. 12) Vgl. etwa Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 13 m. w. N.; Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 122 Rz. 5. 13) Begr. RegE RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 14 f. 14) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.1.2004 – I-3 Wx 290/03, NZG 2004, 239, 204. 15) Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 15 m. w. N. 16) Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 14 m. w. N. 17) RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 8. 18) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 122 Rz. 14 f. m. w. N. 19) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 13 m. w. N. 20) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 13 m. w. N.
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Einberufung auf Verlangen einer Minderheit
§ 122
Zulässige Beschlussgegenstände sind solche, die in den Kompetenzbereich der Haupt- 11 versammlung fallen, nicht auf die Fassung eines gesetzes- oder satzungswidrigen Beschlusses gerichtet sind und sich nicht als rechtsmissbräuchlich21) darstellen.22) Rein informatorische Hauptversammlungen ohne Beschlussfassung dürfen außer in den Fällen von § 92 und § 175 nicht einberufen werden.23) § 124 Abs. 2 Satz 2 ist zu beachten. Genügt das Verlangen den gesetzlichen Anforderungen, so ist die Hauptversammlung ein- 12 zuberufen; der Vorstand hat den damit verbundenen Kostenaufwand nicht im Hinblick auf seine Sinnhaftigkeit zu hinterfragen.24) 5.
Rücknahme des Verlangens
Die Aktionärsminderheit kann ihr Verlangen jederzeit zurücknehmen.25) Die Rücknahme 13 macht das Verlangen gegenstandslos, wenn nicht eine Einberufung der Hauptversammlung schon erfolgt ist.26) In diesem Fall ist der Vorstand berechtigt, die Hauptversammlung abzusagen.27) Fehlt es jedoch an einer Rücknahme des Einberufungsverlangens, so steht es dem Vorstand nicht zu, die Hauptversammlung abzusagen, da mittelbar Einberufender die antragsstellende Minderheit ist; eine Möglichkeit des Vorstands zur Absage gegen den Willen der Einberufenden unterliefe ihr Minderheitenrecht.28) 5.
Satzungsregelungen
Nach § 122 Abs. 1 Satz 2 sind Erleichterungen, insbesondere bezüglich der Form des 14 Antrags, zulässig, nicht aber Erschwerungen.29) III.
Ergänzungsverlangen (§ 122 Abs. 2)
1.
Allgemeines
Anders als bei Einberufungsverlangen können hier auch die Anberaumung beschlussloser 15 Gegenstände verlangt werden.30) 2.
Aktionärseigenschaft, Quorum
Erforderlich ist ein Quorum von 5 % des Grundkapitals oder eines anteiligen Nenn- 16 betrags (§ 8 Abs. 3 Satz 3) von 500.000 €. 3.
Mindestbesitzzeit
Aufgrund der Verweisung auf § 122 Abs. 1 („In gleicher Weise ...“) gilt auch hier § 142 Abs. 2 17 Satz 2 entsprechend. Umstritten ist jedoch, ob auch im Falle von Ergänzungsverlangen _____________ 21) Vgl. hierzu OLG München, Beschl. v. 9.11.2009 – 31 Wx 134/09, AG 2010, 84, 85. 22) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 15 ff.; Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 21 ff. m. w. N.; Halberkamp/Gierke, NZG 2004, 494, 497. 23) Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 21 m. w. N. 24) OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.7.2012 – I-6 U 69/11, AG 2013, 264, 266; mit Einschränkungen zustimmend Reger, NZG 2013, 536, 537. 25) Weber, NZG 2013, 890, 891. 26) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 14. 27) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 14; Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 20; a. A. Semler/ Volhard/Reichert-Reichert/Balke, ArbHdb. HV, § 4 Rz. 46. 28) LG Frankfurt, Urt. v. 12.3.2013 – 3-05 O 114/12, NZG 2013, 748, 749 = ZIP 2013, 1425 (anhängig OLG Frankfurt, Az.: 5 U 65/13); dazu Weber, NZG 2013, 890, 891. 29) Halberkamp/Gierke, NZG 2004, 494, 496. 30) Florstedt, ZIP 2010, 761, 765; Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 35 m. w. N.
Thomas Mayrhofer
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§ 122
Einberufung auf Verlangen einer Minderheit
für die Berechnung der Vorbesitzzeit auf den Zeitpunkt des Zugangs des Verlangens bei der Gesellschaft abzustellen ist,31) oder ob vielmehr der bereits anberaumte Hauptversammlungstermin maßgeblich ist. Letztgenannter Ansatz führt zu einer aktionärsfreundlichen kürzeren Vorbesitzzeit und wird daher für die Praxis bis zur Klärung der Frage durch die Rechtsprechung empfohlen.32) 4.
Antrag, Adressat
18 Zu Form und Adressat siehe oben Rz. 4. Gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 muss jedem neuen Beschlussgegenstand eine Begründung oder eine Beschlussvorlage beiliegen. Die Anforderungen an die Begründung entsprechen denen des § 126 Abs. 1. 19 Das Ergänzungsverlangen muss der Gesellschaft spätestens zu dem in § 122 Abs. 2 Satz 3 genannten Zeitpunkt zugehen, d. h. bei börsennotierten Gesellschaften mindestens 30 Tage, bei sonstigen Gesellschaften mindestens 24 Tage vor der Hauptversammlung. Für die Fristberechnung gilt § 121 Abs. 7. 20 Zu den Schranken eines Ergänzungsverlangens gilt das oben Ausgeführte mit der Maßgabe, dass beschlusslose Gegenstände zulässig sind und dass an die Annahme des Rechtsmissbrauchs hohe Anforderungen zu stellen sind, da im Fall eines Ergänzungsverlangens die Hauptversammlung ohnehin stattfindet, so dass für die Gesellschaft kaum Mehraufwand entsteht.33) 5.
Satzungsregelungen
21 Auch hier kann die Satzung zugunsten der Aktionäre Erleichterungen vorsehen.34) IV.
Gerichtliche Geltendmachung (§ 122 Abs. 3) und Kosten (§ 122 Abs. 4)
1.
Zuständigkeit
22 Die Zuständigkeit liegt beim AG, für die örtliche Zuständigkeit ist § 376 FamFG zu beachten. 2.
Antragsberechtigung
23 Antragsberechtigt sind die Aktionäre, die das Verlangen nach § 122 Abs. 1 oder 2 vorgebracht haben, sowie ihre Gesamtrechtsnachfolger.35) Solange das Quorum erfüllt ist, ist es unschädlich, wenn einzelne Aktionäre den Antrag nicht unterstützen.36) 3.
Antragsfrist
24 Die Antragsfrist ist nicht vorgesehen, jedoch kann übermäßiges Zuwarten zur Unzulässigkeit des Antrags führen.37) _____________ 31) So die h. M. in der Literatur, vgl. etwa Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 39; Schroeder/Pussar, BB 2010, 717, 720. 32) Vgl. auch Kocher/Lönner, BB 2010, 1675, 1679, die darauf hinweisen, dass der maßgebliche Zeitpunkt mangels Rspr. zu der Frage für die Praxis offen sei. 33) LG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.12.2003 – 3-16 T 17/03, AG 2004, 218; Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 45 m. w. N. 34) Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 40. 35) Nach überwiegender Ansicht nicht Einzelrechtsnachfolger, vgl. Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 50 m. w. N. 36) LG Duisburg, Beschl. v. 21.8.2003 – 21 T 6/02 (Babcock Borsig AG), ZIP 2004, 76, 77. 37) Ganz h. M., vgl. nur Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 53 m. w. N.
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Thomas Mayrhofer
Einberufung auf Verlangen einer Minderheit 4.
§ 122
Entscheidung des Gerichts
Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss (§ 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Dem Gericht 25 steht kein Ermessen zu, d. h. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 bzw. 2 ist dem Antrag stattzugeben.38) Auf Anregung oder von Amts wegen bestimmt das Gericht den Versammlungsleiter (§ 122 Abs. 3 Satz 2); im Falle des § 122 Abs. 2 wird er nur bei den Tagesordnungspunkten tätig, die Gegenstand des Minderheitsverlangens sind.39) 5.
Erledigung
Wenn die Hauptversammlung zwischenzeitlich entsprechend dem Verlangen gesetzes- und 26 satzungsgemäß einberufen und durchgeführt worden ist, tritt im gerichtlichen Verfahren gemäß § 122 Abs. 1 bis 3 die Hauptsacheerledigung ein.40) 6.
Insolvenz der Gesellschaft
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann die Einberufung der Hauptversammlung 27 gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 nicht mehr verlangt werden, wenn die Hauptversammlung wegen der Vorschrift des § 276a InsO über einen Gegenstand keinen Beschluss fassen kann und insoweit unzuständig ist.41) Ist hingegen keine Eigenverwaltung angeordnet, so bleiben die Kompetenzen der Gesell- 28 schaftsorgane im sog. insolvenzneutralen Bereich unberührt.42) In diesen Bereich fällt beispielsweise die Wahl von Aufsichtsratsmitglieder und deren Abberufung.43) 7.
Rechtsbehelf
Gemäß § 122 Abs. 3 Satz 4 ist die Beschwerde (§ 63 FamFG) zulässig. 8.
29
Einberufung durch die Aktionäre
Gibt das Gericht dem Antrag statt, so haben die Aktionäre in der Einberufung bzw. in 30 der Bekanntmachung hierauf hinzuweisen (§ 122 Abs. 3 Satz 3). Hierbei genügt die Angabe „aufgrund gerichtlicher Ermächtigung“.44) Nach überwiegender Ansicht muss auch zu diesem Zeitpunkt noch das Quorum bestehen. Dies soll durch die Neueinführung eines Satzes 5 durch das VorstKoG klargestellt werden.45) Zur Einberufung sind nur die Antrag stellenden Aktionäre und ihre Gesamtrechtsnachfolger berechtigt.46)
_____________ 38) OLG München, Beschl. v. 9.11.2009 – 31 Wx 134/09, AG 2010, 84, 85; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2008 – 8 W 370/08, AG 2009, 169, 170; AG Stuttgart, Beschl. v. 15.3.2006 – HRB 19360 (Daimler Chrysler AG), AG 2006, 514. 39) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 122 Rz. 51 m. w. N. 40) BGH, Beschl. v. 8.5.2012 – II ZB 17/11, ZIP 2012, 1313 (LS). 41) AG Montabaur, Beschl. v. 19.6.2012 – HRB 20744, ZIP 2012, 1307; Klöhn, NZG 2013, 81, 83. 42) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.4.2013 – 3 Wx 36/13, ZIP 2013, 1022. 43) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.4.2013 – 3 Wx 36/13, ZIP 2013, 1022; zum insolvenzneutralen Bereich, s. Hüffer in: MünchKomm-AktG, § 264 Rz. 79. 44) Ganz h. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 122 Rz. 53 m. w. N.; Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 66 m. w. N. 45) Begr. RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 15. 46) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 122 Rz. 53 m. w. N.; Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 66 m. w. N.
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§ 123 9.
Frist, Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis Kosten (§ 122 Abs. 4)
31 Die Gesellschaft trägt die Kosten der Hauptversammlung; dies kann nicht durch Hauptversammlungsbeschluss ausgeschlossen werden.47) Die Aktionäre haben jedoch nur einen Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft, sie können diese nicht verpflichten.48) 32 Die Gerichtskosten können der Gesellschaft auferlegt werden, wenn das Gericht dem Minderheitsverlangen stattgibt. Andernfalls kann das Gericht nach § 81 FamFG verfahren und die Gerichtskosten nach billigem Ermessen teilen. Außergerichtliche Kosten sind grundsätzlich von jedem Beteiligten selbst zu tragen, das Gericht kann jedoch aus Billigkeitsgründen nach § 81 FamFG verfahren.49) _____________ 47) Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 69 m. w. N. 48) Ganz h. M., vgl. nur Kubis in: MünchKomm-AktG, § 122 Rz. 73 m. w. N.; a. A. unter verfehlter Bezugnahme auf Heidel-Pluta, § 122 AktG Rz. 36. 49) Vgl. Spindler/Stilz-Riekers, AktG, § 122 Rz. 70 f. m. w. N.
§ 123 Frist, Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis (1) 1Die Hauptversammlung ist mindestens dreißig Tage vor dem Tage der Versammlung einzuberufen. 2Der Tag der Einberufung ist nicht mitzurechnen. (2) 1Die Satzung kann die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts davon abhängig machen, dass die Aktionäre sich vor der Versammlung anmelden. 2Die Anmeldung muss der Gesellschaft unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse mindestens sechs Tage vor der Versammlung zugehen. 3 In der Satzung oder in der Einberufung auf Grund einer Ermächtigung durch die Satzung kann eine kürzere, in Tagen zu bemessende Frist vorgesehen werden. 4Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. 5Die Mindestfrist des Absatzes 1 verlängert sich um die Tage der Anmeldefrist des Satzes 2. (3) 1Bei Inhaberaktien kann die Satzung bestimmen, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Versammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist; Absatz 2 Satz 5 gilt in diesem Fall entsprechend. 2Bei börsennotierten Gesellschaften reicht ein in Textform erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut aus. 3Der Nachweis hat sich bei börsennotierten Gesellschaften auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung zu beziehen und muss der Gesellschaft unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse mindestens sechs Tage vor der Versammlung zugehen. 4In der Satzung oder in der Einberufung auf Grund einer Ermächtigung durch die Satzung kann eine kürzere, in Tagen zu bemessende Frist vorgesehen werden. 5Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. 6Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt für die Teilnahme an der Versammlung oder die Ausübung des Stimmrechts als Aktionär nur, wer den Nachweis erbracht hat. Literatur: Arnold/Carl/Götze, Aktuelle Fragen bei der Durchführung der Hauptversammlung, AG 2011, 349; Bayer/Lieder, Umschreibungsstopp bei Namensaktien vor Durchführung der Hauptversammlung, NZG 2009, 1361; Grobecker, Beachtenswertes zur Hauptversammlungssaison, NZG 2010, 165; Herrler/Reymann, Die Neuerungen im Aktienrecht durch das ARUG – Unter besonderer Berücksichtigung der Neuregelungen zur Hauptversammlung und zur Kapitalaufbringung bei der AG – DNotZ 2009, 815; Noack, Briefwahl und Online-Teilnahme an der Hauptversammlung: der neue § 118 AktG, WM 2009, 2289; v. Nussbaum, Zu Nachweisstichtag (record date) und Eintragungssperre bei Namensaktien, NZG 2009, 456; Weber/Findeisen, Die
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Frist, Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis
§ 123
HV-Einberufung 2010 bei Divergenz von Satzung und Aktiengesetz in der Fassung des ARUG, BB 2010, 711.
Übersicht I. Regelungsgehalt und Bedeutung ......1 II. Einberufungsfrist (§ 123 Abs. 1)........2 1. Dauer.....................................................2 2. Fristberechnung ...................................3 III. Anmeldung (§ 123 Abs. 2) .................4 1. Anmeldeerfordernis .............................4 2. Anmeldefrist.........................................6 IV. Legitimation (§ 123 Abs. 3)................7 1. Grundsätzliches....................................7 2. Satzungsregelung................................12 a) Börsennotierte Gesellschaft ........12 I.
aa) Allgemeines ..................................12 bb) Form des Nachweises (§ 123 Abs. 3 Satz 2)....................13 cc) Record Date (§ 123 Abs. 3 Satz 3) ...........................................15 b) Nicht börsennotierte Gesellschaft ..................................22 aa) Allgemeines ..................................22 bb) Satzungsfreiheit............................23 V. Rechtsfolgen von Verstößen gegen Fristenregelungen..................24
Regelungsgehalt und Bedeutung
§ 123 regelt die Einberufungsfrist für die Hauptversammlung (§ 123 Abs. 1), Möglichkeiten 1 und Grenzen von satzungsmäßigen Anmeldeerfordernissen (§ 123 Abs. 2) und Teilnahmerechtsnachweisen (§ 123 Abs. 3). Normzweck ist es, die Dispositionen der Aktionäre zu schützen.1) II.
Einberufungsfrist (§ 123 Abs. 1)
1.
Dauer
Die Einberufungsfrist muss mindestens 30 Tage betragen; soweit in der Satzung ein An- 2 meldeerfordernis gemäß § 123 Abs. 2 vorgesehen ist, verlängert sich diese Mindestfrist nach § 123 Abs. 2 Satz 5 um die Anmeldefrist des § 123 Abs. 2 Satz 2.2) Eine Verkürzung der Einberufungsfrist auf 14 Tage ist in § 16 Abs. 4 WpÜG für Übernahmesachverhalte vorgesehen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 FMStBG ist die Einberufung einer Hauptversammlung, die über Kapitalerhöhungen i. R. einer Rekapitalisierung nach § 7 FMStFG entscheiden soll, spätestens am 21. Tag vor der Hauptversammlung zu bewirken. Soweit die nach §§ 61 Satz 1, 63 Abs. 1, 125 Satz 1 UmwG i. V. m. § 123 Abs. 1 AktG maßgebliche 30-Tages-Frist kürzer ist als die in Art. 6, 11 Abs. 1 der Fusionsrichtlinie3) und Art. 4, 9 Abs. 1 der Spaltungsrichtlinie4) vorgesehene Monatsfrist, ist letztere maßgeblich.5) 2.
Fristberechnung
Diese richtet sich nach § 121 Abs. 7. Der Tag der Hauptversammlung ist somit bei der Be- 3 rechnung nicht mitzurechnen. Dasselbe gilt nach § 123 Abs. 1 Satz 2 für den Tag der Einberufung. Die Einberufung ist somit spätestens zum Ablauf (24:00 Uhr) des 31. Tages vor der Hauptversammlung zu bewirken.6) Soweit die Satzung keine weiteren Gesellschafts_____________ 1) 2)
3) 4) 5) 6)
Allg. Meinung, vgl. nur Kubis in: MünchKomm-AktG, § 123 Rz. 1. Nach dem Gesetzeswortlaut gilt dies auch dann, wenn die Satzung nach § 123 Abs. 2 Satz 3 eine kürzere Anmeldefrist vorsieht, vgl. Grobecker, NZG 2010, 165, 166. Auch wenn dies ein redaktioneller Fehler des Gesetzgebers sein mag, sollte daher stets die Anmeldefrist des § 123 Abs. 2 Satz 2 beachtet werden. In der Konsequenz sollte die Einberufung nicht später als am 37. Tag vor der Hauptversammlung erfolgen. Richtlinie 78/855/EWG. Richtlinie 82/891/EWG. Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 5 m. w. N. Begr. RegE BT-Drucks. 16/11642, S. 29.
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§ 123
Frist, Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis
blätter bestimmt, ist gemäß § 25 Satz 1 die Bekanntmachung im Bundesanzeiger maßgeblich, ansonsten die letzte Veröffentlichung.7) III.
Anmeldung (§ 123 Abs. 2)
1.
Anmeldeerfordernis
4 Die Satzung kann ein solches für die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Stimmrechtsausübung vorsehen. Die Satzung kann dabei vorsehen, dass die Anmeldung mit einem Berechtigungsnachweis zu verbinden ist.8) § 123 Abs. 2 differenziert nicht zwischen Namens- und Inhaberaktien, so dass für beide ein Anmeldeerfordernis begründet werden kann.9) Soweit die Satzung keine Regelung zur Form der Anmeldung trifft, ist sie formlos möglich.10) Die Satzung kann eine bestimmte Form für die Anmeldung vorsehen, jedoch keine übermäßigen Anforderungen stellen (z. B. notarielle Beglaubigung).11) Die Anmeldung durch einen Stellvertreter ist möglich.12) Legitimationsaktionäre können sich selbst anmelden.13) 5 Sieht die Satzung für die Stimmrechtsausübung ein Anmeldeerfordernis vor, so gilt dies im Grundsatz auch für die Briefwahl, soweit die Satzung die Briefwahl nicht hiervon ausnimmt.14) In der Anforderung der Briefwahlunterlagen wird jedoch eine konkludente Anmeldung zu sehen sein.15) Wird die Briefwahl über einen Internetdialog ermöglicht, so werden hierfür regelmäßig Zugangsdaten notwendig sein, die dem Briefwähler erst nach Anmeldung übersandt werden. 2.
Anmeldefrist
6 Gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2 beträgt die Anmeldefrist mindestens sechs Tage vor der Hauptversammlung, wenn nicht die Satzung gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 eine kürzere Frist vorsieht. Die Anmeldefrist ist wiederum nach § 121 Abs. 7 zu berechnen. Der Tag des Zugangs ist dabei nicht mitzurechnen (§ 123 Abs. 2 Satz 4). Die Anmeldung muss daher der Gesellschaft spätestens sieben Tage vor dem Tag der Hauptversammlung zugehen.16) IV.
Legitimation (§ 123 Abs. 3)
1.
Grundsätzliches
7 § 123 Abs. 3 Satz 1 eröffnet die Möglichkeit, in der Satzung nach Maßgabe von § 123 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 zu bestimmen, wie sich Teilnehmer an der Hauptversammlung als Aktionäre zu legitimieren haben. Erfasst sind nur Inhaberaktien (zu Namensaktien siehe Rz. 21). Gemäß § 123 Abs. 3 Satz 6 ist nur teilnahme- und stimmberechtigt, wer den Nachweis in der in der Satzung vorgesehenen Form erbracht hat.17)
_____________ 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17)
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Vgl. etwa Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 7 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 8, 18 m. w. N. Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 13. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 9 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 123 Rz. 11 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 10 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 10 m. w. N. Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 12 m. w. N.; a. A. Arnold/Carl/Götze, AG 2011, 349, 358. Vgl. Noack, WM 2009, 2289, 2291; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 12 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 13. Zu Spaltgesellschaften s. BGH, Urt. v. 25.9.1989 – II ZR 53/89, ZIP 1989, 1546.
Thomas Mayrhofer
Frist, Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis
§ 123
Soweit die Satzung keine Regelung zum Berechtigungsnachweis trifft, hat sich nach allge- 8 meinen Grundsätzen derjenige, der Rechte ausüben möchte, als Berechtigter zu legitimieren, soweit nicht der andere Teil die entsprechenden Unterlagen vorhalten muss.18) Zu differenzieren ist nach verbrieften und unverbrieften Aktien. Handelt es sich um In- 9 haberaktien, so genügt jedenfalls die Vorlage der Aktienurkunde; sie ist indes nicht erforderlich. Ausreichend ist ebenfalls die Vorlage einer Bescheinigung des depotführenden Kreditinstituts.19) Für unverbriefte Aktien – gleich ob Namens- oder Inhaberaktien – gilt, dass ein Nach- 10 weis der Zeichnung nicht erforderlich ist, da die Gesellschaft diesbezügliche Unterlagen vorzuhalten hat.20) Dagegen haben sowohl der Einzel- als auch der Gesamtrechtsnachfolger den Nachweis ihrer Berechtigung zu führen. Bei Abtretungen ist dieser Nachweis durch eine lückenlose Kette von Abtretungsurkunden zu erbringen.21) Rechtsnachfolge durch Erbschaft kann durch Vorlage eines Erbscheins nachgewiesen werden (§ 2365 BGB), umwandlungsrechtliche Vorgänge durch Vorlage des Handelsregisterauszugs.22) Voraussetzung des Stimmrechts ist grundsätzlich die vollständige Erbringung der Einlage, 11 § 134 Abs. 2 Satz 1. Der Aktionär hat diesbezüglich jedoch nicht Nachweis zu führen, da die Gesellschaft über diese Information verfügt.23) 2.
Satzungsregelung
a)
Börsennotierte Gesellschaft
aa)
Allgemeines
Die Vorgaben des § 123 Abs. 3 Sätze 2 und 3 sind bei Satzungsregelungen zwingend zu 12 beachten.24) bb)
Form des Nachweises (§ 123 Abs. 3 Satz 2)
Ein in Textform (§ 126b BGB)25) erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes 13 durch des depotführende Institut ist zum Nachweis der Aktionärseigenschaft ausreichend; dies gilt in jedem Fall unabhängig von Bestehen und ggf. Ausgestaltung einer diesbezüglichen Satzungsregelung.26) Depotführende Institute sind in- und ausländische Kreditoder Finanzdienstleistungsinstitute i. S. des § 1 Abs. 1 und 1a KWG.27) Vom Erfordernis der Textform kann abgewichen werden, jedoch ist eine Erschwernis nicht zulässig.28) Die Sprache(n), in der/denen der Nachweis zu erbringen kann, kann/können in der Satzung festgelegt werden.29)
_____________ 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26)
Vgl. etwa Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 19 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. nur Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 21 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 22 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 123 Rz. 20 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 22. Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 123 Rz. 21 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 27. Hüffer, AktG, § 123 Rz. 11. Vgl. OLG München, Beschl. v. 17.1.2008 – 7 U 2358/07, AG 2008, 508; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.1.2009 – 5 U 13/08, ZIP 2009, 1763. 27) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 13. 28) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 13 f.; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 29. 29) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 13 f.
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§ 123
Frist, Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis
14 Alternativ kann die Satzung weitere Nachweismöglichkeiten vorsehen. Dies ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn Einzel- oder Sammelurkunden ausgegeben wurden, die privat verwahrt werden.30) cc)
Record Date (§ 123 Abs. 3 Satz 3)
15 Hierbei handelt es sich um den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung. Dies ist der Stichtag, auf den sich der Legitimationsnachweis zu beziehen hat. Eine Sonderregelung trifft § 7 Abs. 1 Satz 4 FMStBG für Hauptversammlungen, die über eine Rekapitalisierung nach § 7 FMStFG Beschluss zu fassen haben: Stichtag ist hier der 18 Tag vor der Hauptversammlung. Erfasst werden sämtliche Formen des Legitimationsnachweises, nicht nur die Bescheinigung des depotführenden Instituts gemäß § 123 Abs. 3 Satz 2.31) 16 Die Bedeutung der Regelung erschließt sich aus einer Zusammenschau mit § 123 Abs. 3 Satz 6. Inhaber der Mitgliedschaftsrechte ist danach, wer zu Beginn des Stichtags Aktionär war und im Besitz eines geeigneten, auf diesen Stichtag ausgestellten Nachweises ist.32) Dies gilt auch in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge.33) 17 Auf den Stichtag und seine Bedeutung ist in der Einberufung gemäß § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 hinzuweisen.34) 18 Für die Berechnung des Stichtags gilt § 121 Abs. 7, d. h. der Tag der Hauptversammlung ist nicht mitzuzählen (§ 121 Abs. 7 Satz 1). Eine Verlegung des Termins findet nicht statt, wenn er auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag fällt (§ 121 Abs. 7 Satz 2). Maßgeblich für den Beginn des Stichtags ist die Ortszeit am Sitz der Gesellschaft.35) 19 Der Nachweis muss nicht am Stichtag ausgestellt werden; eine spätere Ausstellung, die sich auf den Stichtag bezieht, ist ausreichend. Nicht genügend ist dagegen eine Ausstellung des Nachweises vor dem Stichtag.36) Die Falschausstellung und das Gebrauchen einer gefälschten Bankbescheinigung sind in § 402 unter Strafe gestellt. 20 Der Nachweis muss der Gesellschaft unter der in der Einberufung zu diesem Zweck mitgeteilten Adresse mindestens sechs Tage vor der Hauptversammlung zugehen. Diese Frist entspricht der Zugangsfrist für die Anmeldung, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird. 21 Die Stichtagsregelung gilt nicht für Namensaktien. Jedoch kann auch für diese in der Satzung ein Record Date vorgesehen werden.37) Alternativ kann die Gesellschaft durch einen Umschreibungsstopp38) im Vorfeld der Hauptversammlung sicherstellen, dass bereits angemeldeten Aktionäre, die bereits Eintrittskarten erhalten haben, nicht das Teilnahme_____________ 30) Vgl. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 123 Rz. 29 m. w. N. 31) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/5693, S. 17; Hüffer, AktG, § 123 Rz. 12 m. w. N. 32) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 35 f. m. w. N. 33) Vgl. Hüffer, AktG, § 123 Rz. 12 m. w. N. 34) Nach OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.7.2009 – 5 U 139/08, Rz. 30, NZG 2009, 1200 (LS) ist ein Hinweis auf den Regelungsgehalt von § 123 Abs. 3 Satz 4 a. F. (entspricht Satz 6 n. F.) nicht erforderlich; dem dürfte im Hinblick auf § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 nicht zu folgen sein. Nach OLG München, Beschl. v. 17.1.2008 – 7 U 2358/07, AG 2008, 508 ist jedenfalls die wörtliche Wiedergabe des § 123 Abs. 3 Satz 4 a. F. (entspricht Satz 6 n. F.) nicht erforderlich. 35) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 33 m. w. N. 36) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 123 Rz. 32 m. w. N. 37) Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204, 211; v. Nussbaum, NZG 2009, 456, 457 (Urteilsanm.) m. w. N. 38) Ein solcher wird nach der ganz h. M. für zulässig erachtet, vgl. nur BGH, Urt. v. 21.9.2009 – II ZR 174/08, ZIP 2009, 2051; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 32 m. w. N.
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Thomas Mayrhofer
Frist, Anmeldung zur Hauptversammlung, Nachweis
§ 123
und Stimmrecht wieder entzogen werden muss, bzw. vermeiden, dass es zu Manipulationsversuchen durch eine unzulässige Mehrfachausübung von Stimmrechten kommt.39) Der Beginn des Umschreibungsstopps sollte dabei zweckmäßigerweise durch den Anmeldeschluss40) bzw. den Ablauf der Zugangsfrist für den Legitimationsnachweis41) bestimmt werden. Eine kürzere Dauer des Umschreibungsstopps ist jedoch zulässig.42) Die maximal zulässige Dauer des Umschreibungsstopps beträgt nach Einführung des ARUG sechs Tage vor der Hauptversammlung, wobei der Tag der Hauptversammlung nicht mitzurechnen ist.43) b)
Nicht börsennotierte Gesellschaft
aa)
Allgemeines
Hierbei handelt es sich um sämtliche Gesellschaften, die nicht börsennotiert i. S. des § 3 22 Abs. 2 sind, insbesondere also auch Gesellschaften, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt werden.44) Für Namensaktien siehe Rz. 21. bb)
Satzungsfreiheit
Im Rahmen der allgemeinen Grenzen besteht weitgehende Satzungsfreiheit hinsichtlich 23 der Legitimationsanforderungen.45) Danach kann die nicht börsennotierte Gesellschaft bspw. an etwaigen Hinterlegungsanforderungen festhalten oder solche einführen.46) V.
Rechtsfolgen von Verstößen gegen Fristenregelungen
Eine Verlängerung der in § 123 Abs. 2 Satz 3 vorgesehenen Anmeldefrist oder der in § 123 24 Abs. 3 Satz 4 vorgesehenen Zugangsfrist führen zur Anfechtbarkeit der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse, wenn Anmeldungen/Nachweise, die der Gesellschaft innerhalb der gesetzlichen Frist zugehen, nicht mehr berücksichtigt werden.47) Die Verkürzung der genannten Fristen in der Einberufung ohne entsprechende Sat- 25 zungsermächtigung soll dagegen nach verbreiteter Ansicht nicht zu einer Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse führen.48) Zur Rechtslage vor dem ARUG entschied das OLG München, dass eine Verkürzung der Anmeldefrist in der Einberufung zur Beschlussanfechtbarkeit führt.49) In der Praxis empfiehlt es sich daher, die Fristen in der Einberufung nur zu verkürzen, wenn eine entsprechende Satzungsermächtigung besteht.
_____________ 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45)
46) 47) 48) 49)
Vgl. v. Nussbaum, NZG 2009, 456, 457 (Urteilsanm.). v. Nussbaum, NZG 2009, 456, 457 (Urteilsanm.). Vgl. Bayer/Lieder, NZG 2009, 1361, 1363; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 32. v. Nussbaum, NZG 2009, 456, 457 (Urteilsanm.); Bayer/Lieder, NZG 2009, 1361, 1363. Bayer/Lieder, NZG 2009, 1361, 1363. Vgl. Doralt/Diregger in: MünchKomm-AktG, § 3 Rz. 38 m. w. N. Vgl. OLG Stuttgart, Hinweisbeschl. v. 12.10.2007 – 20 U 13/07, ZIP 2008, 182; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/5693, S. 17: „Nicht börsennotierte Gesellschaften sollen demgegenüber hinsichtlich der Anforderungen an den Nachweis und den ‚Record Date’ völlige Satzungsautonomie behalten“. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 25 m. w. N. Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 123 Rz. 50; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 45 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 123 Rz. 45; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 123 Rz. 50 m. w. N. OLG München, Urt. v. 26.3.2008 – 7 U 4782/07, AG 2008, 460 = ZIP 2008, 975 (LS).
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§ 124
Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen; Vorschläge zur Beschlussfassung
§ 124 Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen; Vorschläge zur Beschlussfassung (1) 1Hat die Minderheit nach § 122 Abs. 2 verlangt, dass Gegenstände auf die Tagesordnung gesetzt werden, so sind diese entweder bereits mit der Einberufung oder andernfalls unverzüglich nach Zugang des Verlangens bekannt zu machen. 2§ 121 Abs. 4 gilt sinngemäß; zudem gilt bei börsennotierten Gesellschaften § 121 Abs. 4a entsprechend. 3Bekanntmachung und Zuleitung haben dabei in gleicher Weise wie bei der Einberufung zu erfolgen. (2) 1Steht die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf der Tagesordnung, so ist in der Bekanntmachung anzugeben, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, und ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. 2Soll die Hauptversammlung über eine Satzungsänderung oder über einen Vertrag beschließen, der nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, so ist auch der Wortlaut der vorgeschlagenen Satzungsänderung oder der wesentliche Inhalt des Vertrags bekanntzumachen. (3) 1Zu jedem Gegenstand der Tagesordnung, über den die Hauptversammlung beschließen soll, haben der Vorstand und der Aufsichtsrat, zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Prüfern nur der Aufsichtsrat, in der Bekanntmachung Vorschläge zur Beschlußfassung zu machen. 2Bei Gesellschaften im Sinn des § 264d des Handelsgesetzbuchs ist der Vorschlag des Aufsichtsrats zur Wahl des Abschlussprüfers auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen. 3Satz 1 findet keine Anwendung, wenn die Hauptversammlung bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 6 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes an Wahlvorschläge gebunden ist, oder wenn der Gegenstand der Beschlußfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. 4Der Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern hat deren Namen, ausgeübten Beruf und Wohnort anzugeben. 5Hat der Aufsichtsrat auch aus Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer zu bestehen, so bedürfen Beschlüsse des Aufsichtsrats über Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nur der Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre; § 8 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes bleibt unberührt. (4) 1Über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht sind, dürfen keine Beschlüsse gefaßt werden. 2Zur Beschlußfassung über den in der Versammlung gestellten Antrag auf Einberufung einer Hauptversammlung, zu Anträgen, die zu Gegenständen der Tagesordnung gestellt werden, und zu Verhandlungen ohne Beschlußfassung bedarf es keiner Bekanntmachung. Literatur: Arnold/Carl/Götze, Aktuelle Fragen bei der Durchführung der Hauptversammlung, AG 2011, 349; Deilmann/Messerschmidt, Vorlage von Verträgen an die Hauptversammlung, NZG 2004, 977; Florstedt, Fristen und Termine im Recht der Hauptversammlung, ZIP 2010, 761; Heinze, Wen trifft die Vorschlagspflicht bei der Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern?, AG 2011, 540; Kocher, Zur Bedeutung von Beschlussvorschlägen der Verwaltung für die Fassung und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, AG 2013, 406; Meder, Die Mitwirkung des Vorstands am Kandidatenauswahlverfahren für Aufsichtsratswahlen, DStR 2008, 1242; Thum/ Klofat, Der ungetreue Aufsichtsrat – Handlungsmöglichkeiten des Vorstands bei Pflichtverletzungen des Aufsichtsrats, NZG 2010, 1087.
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Thomas Mayrhofer
Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen; Vorschläge zur Beschlussfassung
§ 124
Übersicht I. Regelungsgehalt und Bedeutung ......1 II. Ergänzungsverlangen (§ 124 Abs. 1) .......................................3 III. Besondere Beschlussgegenstände (§ 124 Abs. 2) .......................................7 1. Aufsichtsratswahlen (§ 124 Abs. 2 Satz 1) ............................7 2. Satzungsänderungen (§ 124 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1)................10 3. Zustimmungsbedürftige Verträge (§ 124 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2)................11 IV. Beschlussvorschläge (§ 124 Abs. 3) .....................................13 I.
1. Grundsatz ...........................................13 2. Ausnahmen.........................................15 a) Vorschlagspflicht nur des Aufsichtsrats ................................15 b) Keine Vorschlagspflicht...............19 3. Bindungswirkung ...............................20 V. Unzulässige Beschlussfassung (§ 124 Abs. 4 Satz 1) ..........................21 VI. Bekanntmachungsfreie Gegenstände (§ 124 Abs. 4 Satz 2) ..........................22
Regelungsgehalt und Bedeutung
§ 124 Abs. 1 betrifft die Bekanntmachung von Minderheitsverlangen, § 124 Abs. 2 die Be- 1 kanntmachung bei besonderen Beschlussgegenständen. § 124 Abs. 3 betrifft Beschlussvorschläge der Verwaltung und § 124 Abs. 4 die Bindungswirkung der bekannt gemachten Tagesordnung. Die Norm dient der rechtzeitigen Information der Aktionäre und soll sie in die Lage ver- 2 setzen, zu entscheiden, ob sie – selbst oder durch Dritte – an der Hauptversammlung teilnehmen wollen, sowie sich sachgemäß auf die Hauptversammlung vorzubereiten.1) II.
Ergänzungsverlangen (§ 124 Abs. 1)
Ergänzungsverlangen einer Minderheit nach § 122 Abs. 2 sind mit der Einberufung zur 3 Hauptversammlung bekannt zu machen, wenn sie der Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegen. Andernfalls hat die Bekanntmachung unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) nach Zugang zu erfolgen. Dem Vorstand sind in der Regel drei Tage zur rechtlichen Prüfung des Ergänzungsverlangens zuzubilligen.2) Für Übernahmefälle gilt § 16 Abs. 4 Satz 7 WpÜG, wonach eine Bekanntmachung der 4 Kurzfassung des Ergänzungsverlangens ausreicht; jedoch ist der Volltext zugänglich zu machen und in der Bekanntmachung auf die Fundstelle des Volltextes zu verweisen.3) Für die Bekanntmachung nach § 124 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 gilt § 121 Abs. 4 sinngemäß, 5 so dass sie entweder durch Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern oder, soweit die Aktionäre namentlich bekannt sind, durch eingeschriebenen Brief erfolgen kann. Jedoch ist gemäß § 124 Abs. 1 Satz 3 die Bekanntmachungsform zu wählen, die bereits für die Einberufung selbst gewählt wurde. Ferner gilt für börsennotierte Gesellschaften § 121 Abs. 4a entsprechend. Danach haben 6 Gesellschaften, die nicht ausschließlich Namensaktien ausgegeben und durch eingeschriebenen Brief geladen haben, die Einberufung spätestens zum Zeitpunkt der Bekanntmachung solchen Medien zur Veröffentlichung zuzuleiten, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Information in der gesamten Europäischen Union verbreiten.
_____________ 1) 2) 3)
Allg. Meinung, vgl. nur BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, ZIP 2003, 290, 292. Vgl. Florstedt, ZIP 2010, 761, 765 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 8 m. w. N.
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§ 124
Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen; Vorschläge zur Beschlussfassung
III.
Besondere Beschlussgegenstände (§ 124 Abs. 2)
1.
Aufsichtsratswahlen (§ 124 Abs. 2 Satz 1)
7 In der Bekanntmachung4) ist zunächst anzugeben, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zur Zeit der Einberufung5) zusammensetzt, also §§ 96 ff., ggf. i. V. m. einem der Mitbestimmungsgesetze. Weitere Angaben sowie die Wiedergabe des Gesetzestextes sind nicht erforderlich,6) jedoch ist es zweckmäßig, auch auf die einschlägige Satzungsbestimmung hinzuweisen.7) 8 Ferner ist in der Bekanntmachung anzugeben, ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist. Eine solche Bindung kann sich gemäß § 101 Abs. 1 Satz 2 nur aus §§ 6, 8 des Montan-MitbestG ergeben. Bei der SE kann sich eine Bindung aus § 36 Abs. 4 Satz 2 SEBG ergeben. Besteht sie nicht, so ist auch dieser Umstand i. S. einer Negativanzeige in der Bekanntmachung anzugeben. 9 Nach der Neufassung des § 124 Abs. 2 Satz 1 durch das VorstKoG soll eine Negativanzeige nicht mehr erforderlich sein. Die Neuregelung sieht außerdem vor, dass ein Hinweis auf die Bindung an Wahlvorschläge in der Einberufung künftig nur in den Fällen erforderlich ist, in denen die Hauptversammlung auch tatsächlich an Wahlvorschläge gebunden ist.8) Die Neuregelung will einen überflüssigen Formalismus beseitigen und die Regelung an die tatsächlichen Verhältnisse anpassen.9) 2.
Satzungsänderungen (§ 124 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1)
10 Bekannt zu machen ist der Wortlaut der beabsichtigten Satzungsänderung. Wird der Gegenstand der Satzungsänderung hierdurch nicht hinreichend kenntlich, etwa weil die Wiedergabe des Wortlauts aus sich heraus nicht verständlich ist, so ist zusätzlich der wesentliche Inhalt der Satzungsänderung bekannt zu machen.10) Eine Bindung an den Wortlaut des bekannt gemachten Änderungsvorschlags dergestalt, dass dieser nur angenommen oder abgelehnt werden kann, besteht nicht. Vielmehr kann die Hauptversammlung zu dem Beschlussgegenstand auch einen abweichenden Wortlaut beschließen.11) Ist die Gesellschaft Emittent i. S. des § 2 Abs. 6 WpHG, so ist § 30c WpHG zu beachten. 3.
Zustimmungsbedürftige Verträge (§ 124 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2)
11 Hierzu zählen neben den qua Gesetzes und qua ungeschriebener Hauptversammlungskompetenz (§ 119 Rz. 18 ff.) zustimmungsbedürftigen Verträgen auch vom Vorstand nach § 119 Abs. 2 vorgelegte Verträge.12) Bekannt zu machen ist der wesentliche Inhalt. _____________ 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10)
Eine separate Veröffentlichung genügt nicht, vgl. etwa Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 10 m. w. N. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 38; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 12 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 11 m. w. N. Vgl. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 37 m. w. N. RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 7. Begr. RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 15. OLG Celle, Urt. v. 15.7.1992 – 9 U 65/91, AG 1993, 178, 179; abl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 16; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 16. 11) OLG Celle, Urt. v. 15.7.1992 – 9 U 65/91, AG 1993, 178, 179. 12) Vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 (Altana/Milupa), ZIP 2001, 416, 417 f.; OLG Schleswig, Urt. v. 8.12.2005 – 5 U 57/04 (MobilCom), ZIP 2006, 421, 424. Erfasst sind auch Änderungen solcher Verträge, wobei hier die Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts des Änderungsvertrags genügt, BGH Urt. v. 15.6.1992 – II ZR 18/91 (Asea/BBC), ZIP 1992, 1227, 1229, 1231. Bei einer Aufspaltung der Gesamtvereinbarung auf verschiedene Verträge bezieht sich das Zustimmungserfordernis auf sämtliche dieser Verträge, vgl. BGH, Urt. v. 16.11.1981 – II ZR 150/80 (Hoesch/Hoogovens), ZIP 1982, 172; dies gilt auch für das Bekanntmachungserfordernis, vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 8.12.2005 – 5 U 57/04 (MobilCom), ZIP 2006, 421, 425. Zu den Bekanntmachungspflichten bei sog. HolzmüllerFällen vgl. § 119 Rz. 19 ff.
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Thomas Mayrhofer
Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen; Vorschläge zur Beschlussfassung
§ 124
Was diesen ausmacht, ist in der Praxis oft streitig.13) Die in der Praxis häufige Wiedergabe des vollständigen Wortlauts befreit von der Pflicht zur Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts,14) komplexe Vertragswerke sind im Vorstandsbericht zu erläutern.15) Soll nicht der vollständige Wortlaut wiedergegeben werden, so sind zumindest die Vertragsparteien und die Hauptleistungspflichten, ferner ggf. die Regelungen zur Vertragsbeendigung sowie zum Schutz von Minderheitsaktionären zu nennen.16) Die Bekanntmachung hat in deutscher Sprache zu erfolgen.17) IV.
Beschlussvorschläge (§ 124 Abs. 3)
1.
Grundsatz
12
Grundsätzlich obliegt nach § 124 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 sowohl dem Vorstand als auch dem 13 Aufsichtsrat die Pflicht, zu jedem Gegenstand der Tagesordnung einen Beschlussvorschlag zu machen. In der Praxis wird regelmäßig ein einheitlicher Beschlussvorschlag erfolgen, jedoch hat jedes Organ hierüber separat Beschluss zu fassen.18) Ein Verstoß hiergegen führt zur Anfechtbarkeit der daraufhin gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse.19) Beschlussvorschläge sind in der Form von Anträgen zu formulieren.20) Alternativ- und 14 Eventualvorschläge sind zulässig.21) 2.
Ausnahmen
a)
Vorschlagspflicht nur des Aufsichtsrats
Ausnahmsweise unterbreitet nach § 124 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 nur der Aufsichtsrat Be- 15 schlussvorschläge, wenn die Hauptversammlung über die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern entscheiden soll. Prüfer sind der Abschluss- bzw. Konzernabschlussprüfer (§ 318 Abs. 1 HGB), der Sonderprüfer (§ 142 Abs. 1) und der Prüfer i. S. des § 37w Abs. 5 WpHG. Verfasst der Vorstand zu diesen Wahlen Beschlussvorschläge, so sind von der Hauptversammlung gefasste Beschlüsse anfechtbar.22) Dieses ausschließliche Vorschlagsrecht gilt nur hinsichtlich der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, nicht aber ihrer Abberufung.23) _____________ 13) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 20 ff. 14) So etwa Deilmann/Messerschmidt, NZG 2004, 977, 979; Grigoleit-Herrler, AktG, § 124 Rz. 9; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 46; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 20, jeweils m. w. N.; a. A. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 21. 15) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 46. 16) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 20; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 21. 17) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 20 m. w. N. 18) Die Beschlussfassung durch eines der Organe über den Vorschlag ist auch nach dessen Bekanntmachung aber vor der Hauptversammlung noch möglich, wenn beide Organe übereinstimmen, vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.12.2012 – 20 AktG 1/12, ZIP 2013 (LS). 19) Vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2001 – II ZR 225/99 (Sachsenmilch III), ZIP 2002, 172, 173; OLG München, Beschl. v. 28.1.2002 – 7 W 814/01, ZIP 2002, 1353, 1354; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 22. Anders Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 46, der davon ausgeht, dass nur ein Beschlussvorschlag erforderlich sei, wenn eines der Organe seiner Beschlussvorschlagspflicht nicht nachkommt. Zum Sonderfall, dass der Vorstand vorschlägt, dass einzelne oder sämtliche Aufsichtsratsmitglieder abberufen werden, vgl. Thum/Klofat, NZG 2010, 1087, 1089 f. 20) Allg. Meinung, vgl. nur Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124 Rz. 26 m. w. N. 21) So die h. M., vgl. etwa Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 36 m. w. N.; gegen die Zulässigkeit von Alternativanträgen K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 17. 22) BGH, Urt. v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 (Hypo-Vereinsbank), ZIP 2003, 290; krit. dazu Kocher, AG 2013, 406, 411 ff. 23) Heinze, AG 2011, 540, 541 f.; Grigoleit-Herrler, AktG, § 124 Rz. 15 m. w. N.
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§ 124
Bekanntmachung von Ergänzungsverlangen; Vorschläge zur Beschlussfassung
16 Für kapitalmarktorientierte Unternehmen hat der Aufsichtsrat seinen Vorschlag nach § 124 Abs. 3 Satz 2 auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen, falls ein solcher besteht. 17 Inhaltlich ergibt sich gemäß § 124 Abs. 3 Satz 4 die Besonderheit, dass der Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern deren Namen, ausgeübten Beruf und Wohnort anzugeben hat. Der Begriff des „ausgeübten Berufs“ ist dabei weit zu verstehen. So ist etwa die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ nicht genügend, sondern vielmehr ist auch die Angabe der Kanzlei erforderlich, für die der Nominierte tätig ist.24) 18 Hinsichtlich des Verfahrens bei der Beschlussfassung des Aufsichtsrats über seinen Beschlussvorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern ist gemäß § 124 Abs. 3 Satz 5 im mitbestimmten Aufsichtsrat zu beachten, dass die Aktionärsvertreter ein Sonderbeschlussrecht haben.25) § 8 Montan-MitbestG bleibt unberührt. b)
Keine Vorschlagspflicht
19 Ist die Hauptversammlung nach § 6 Montan-MitbestG an Wahlvorschläge gebunden oder wurde ein Gegenstand aufgrund eines Minderheitsverlangens nach § 122 auf die Tagesordnung gesetzt, so sind weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat verpflichtet, einen Beschlussvorschlag hierzu zu machen, § 124 Abs. 3 Satz 3. Im letzteren Fall bleibt es der Verwaltung jedoch unbenommen, eigene Beschlussvorschläge zu formulieren.26) 3.
Bindungswirkung
20 Bekannt gemachte Beschlussvorschläge müssen in der Hauptversammlung nicht zum Antrag gestellt werden, sondern können fallen gelassen werden.27) Abweichende Anträge sind jedoch nur zulässig, wenn sich seit der Bekanntmachung sachliche Gründe für die Änderung ergeben haben.28) V.
Unzulässige Beschlussfassung (§ 124 Abs. 4 Satz 1)
21 Bekanntmachungsfehler, also Verstöße gegen § 124 Abs. 1 bis 3, führen grundsätzlich zur Anfechtbarkeit dennoch gefasster Hauptversammlungsbeschlüsse. Nicht anwesende Aktionäre sind gemäß § 245 Nr. 2 Alt. 3 anfechtungsbefugt. Der Versammlungsleiter kann dennoch die Beschlussfassung zulassen, um eine Wiederholung der Hauptversammlung zu vermeiden, wenn das Anfechtungsrisiko gering erscheint oder es unwahrscheinlich erscheint, dass der Bekanntmachungsfehler für das Beschlussergebnis ursächlich wird.29) VI.
Bekanntmachungsfreie Gegenstände (§ 124 Abs. 4 Satz 2)
22 Keiner Bekanntmachung bedürfen Anträge auf Vertagung sowie auf Einberufung einer weiteren Hauptversammlung mit neuer Tagesordnung,30) sowie Verhandlungen ohne _____________ 24) Vgl. schon die Gesetzesbegr. BT-Drucks. 13/9712, S. 17; jüngst LG Hannover, Urt. v. 17.3.2010 – 23 O 124/09 (Continental), n. rkr., ZIP 2010, 833, 838 f. (anhängig OLG Celle, Az.: 99 U 578/10); dazu EWiR 2010, 345 (Reger/Theusinger). 25) Vgl. Hüffer, AktG, § 124 Rz. 17 m. w. N.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 24. 26) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 28 m. w. N. 27) Allg. Meinung, vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 44 m. w. N. 28) OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.1993 – 10 U 48/93 (MotoMeter), ZIP 1995, 1515, 1522; Arnold/Carl/ Götze, AG 2011, 349, 354; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 18 m. w. N. 29) Vgl. etwa LG Berlin, Urt. v. 17.2.2003 – 99 O 111/02, ZIP 2003, 1352, 1353; Werner in: GroßKommAktG, § 124 Rz. 101. 30) Allg. Meinung, vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 124 Rz. 56 m. w. N.
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Veröffentlichungen auf der Internetseite der Gesellschaft
§ 124a
Beschlussfassung; Letzteres gilt nicht in Fällen des § 92 Abs. 1, des § 17531) und soweit dies gesetzlich angeordnet ist, wie etwa im Fall des § 145 Abs. 6 Satz 5. Ferner bekanntmachungsfrei sind Anträge zu Gegenständen der Tagesordnung. Hierzu 23 zählen zunächst Geschäftsordnungsanträge, ferner Gegenanträge und sachlich ergänzende Anträge wie z. B. Sonderprüfungsanträge i. R. des Entlastungsantrags.32) _____________ 31) Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 124 Rz. 64. 32) OLG Brandenburg, Urt. v. 10.11.2010 – 7 U 164/09, AG 2011, 418.
§ 124a Veröffentlichungen auf der Internetseite der Gesellschaft 1
Bei börsennotierten Gesellschaften müssen alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sein: 1. der Inhalt der Einberufung; 2. eine Erläuterung, wenn zu einem Gegenstand der Tagesordnung kein Beschluss gefasst werden soll;
3. die der Versammlung zugänglich zu machenden Unterlagen; 4. die Gesamtzahl der Aktien und der Stimmrechte im Zeitpunkt der Einberufung, einschließlich getrennter Angaben zur Gesamtzahl für jede Aktiengattung; 5. gegebenenfalls die Formulare, die bei Stimmabgabe durch Vertretung oder bei Stimmabgabe mittels Briefwahl zu verwenden sind, sofern diese Formulare den Aktionären nicht direkt übermittelt werden. 2 Ein nach Einberufung der Versammlung bei der Gesellschaft eingegangenes Verlangen von Aktionären im Sinne von § 122 Abs. 2 ist unverzüglich nach seinem Eingang bei der Gesellschaft in gleicher Weise zugänglich zu machen.
Literatur: Drinhausen/Keinath, BB-Rechtsprechungs- und Gesetzgebungsreport zum Hauptversammlungsrecht 2009, BB 2010, 3; Förster, Aktionärsrechte in der Hauptversammlung – quo vaditis?, AG 2011, 362; Horn, Änderungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung nach dem Referentenentwurf zum ARUG, ZIP 2008, 1558; v. Nussbaum, Neue Wege zur Online-Hauptversammlung durch das ARUG, GWR 2009, 215; Paschos/Goslar, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), AG 2009, 14; Seibert/Florstedt, Der Regierungsentwurf des ARUG – Inhalt und wesentliche Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf, ZIP 2008, 2145.
Übersicht I. Regelungsgehalt und Bedeutung ......1 II. Relevante Informationen und Unterlagen ...........................................3 I.
III. Modalitäten..........................................9 IV. Rechtsfolgen von Verstößen ...........12
Regelungsgehalt und Bedeutung
Bei börsennotierten Gesellschaften müssen alsbald nach der Einberufung bestimmte Un- 1 terlagen und Informationen über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sein. Die Internetseite der Gesellschaft wird so „zum zentralen Medium des Informationsaustauschs zwischen Gesellschaft und Aktionär“.1) _____________ 1)
Begr. RegE BT-Drucks. 16/11642, S. 30.
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§ 124a
Veröffentlichungen auf der Internetseite der Gesellschaft
2 Die durch das ARUG eingefügte Vorschrift überführt die bisherige Empfehlung in Ziff. 2.3.1 Satz 3 DCGK in der Fassung bis 26.5.2010 in das Gesetz und baut diese inhaltlich aus. Durch die Neufassung der Ziff. 2.3.1 DCGK durch die Fassung vom 26.5.2010 erfolgte eine Anpassung an § 124a. Die Veröffentlichung der erfassten Informationen entsprach schon bisher der überwiegenden Praxis börsennotierter Gesellschaften,2) so dass sich durch die Vorschrift kein nennenswerter Handlungsbedarf ergeben wird. II.
Relevante Informationen und Unterlagen
3 Zugänglich zu machen ist zunächst der Inhalt der Einberufung (§ 124a Satz 1 Nr. 1); dieser bestimmt sich nach § 121 Abs. 3. Erfasst sind auch die Beschlussvorschläge der Verwaltung nach § 124 Abs. 3.3) 4 Beschlusslose Tagesordnungspunkte sind vom Vorstand als einberufendem Organ (§ 121 Abs. 2)4) zu erläutern (§ 124a Satz 1 Nr. 2), d. h. deren Inhalt kurz zu beschreiben, um den fehlenden Beschlussvorschlag zu kompensieren.5) 5 Auf der Internetseite sind ferner gemäß § 124a Satz 1 Nr. 3 sämtliche Unterlagen einzustellen, die der Hauptversammlung je nach den anstehenden Tagesordnungspunkten nach den Vorschriften des AktG und des UmwG zugänglich zu machen sind.6) 6 § 124a Satz 1 Nr. 4 sieht vor, dass die Gesamtzahl der Aktien (unter Einrechnung eigener Aktien)7) und der Stimmrechte im Zeitpunkt der Einberufung, einschließlich getrennter Angaben zur Gesamtzahl für jede Aktiengattung, zu nennen ist. Dies entspricht weitgehend der Veröffentlichungspflicht aus § 30b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, der in der Praxis bisher zumeist durch Wiedergabe der Gesamtzahl der Aktien und der Stimmrechte in der Einberufung nachgekommen wurde.8) Soweit die Gesellschaft an dieser Praxis festhält, sind die relevanten Angaben bereits nach § 124a Satz 1 Nr. 1 auf der Internetseite zugänglich zu machen; eine doppelte Wiedergabe ist nicht erforderlich. 7 Soweit die Gesellschaft Formulare vorhält, die bei der Stimmabgabe durch Vertretung oder mittels Briefwahl zu verwenden sind, sind auch diese auf der Internetseite zugänglich zu machen, wenn sie nicht direkt an die Aktionäre übermittelt werden (§ 124a Satz 1 Nr. 5). Nur verbindlich zu benutzende Formulare sind erfasst.9) Die Bereitstellung von Internetdialogen ist zulässig und genügend.10) 8 Auch Ergänzungsverlangen nach § 122 Abs. 2 sind auf der Internetseite zugänglich zu machen (§ 124a Satz 2). III.
Modalitäten
9 Die in § 124a Satz 1 genannten Informationen und Unterlagen sind „alsbald“ nach der Einberufung der Hauptversammlung auf der Website einzustellen. Die Verwendung dieses _____________ 2) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124a Rz. 2 m. w. N. 3) Begr. RegE BT-Drucks. 16/11642, S. 30. 4) Dies gilt auch, wenn Aktionäre aufgrund gerichtlicher Ermächtigung nach § 122 Abs. 3 die Hauptversammlung einberufen, vgl. Horn, ZIP 2008, 1558, 1561; a. A. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124a Rz. 9. 5) Vgl. etwa Horn, ZIP 2008, 1558, 1561; Hüffer, AktG, § 124a Rz. 2. 6) Z. B. §§ 52 Abs. 2 Satz 2, 175 Abs. 2, 176 Abs. 1, 179a Abs. 2 Satz 1, 293f Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 1, 327c Abs. 3 AktG; aus dem Umwandlungsrecht etwa § 63 Abs. 1 UmwG. 7) Begr. RegE BT-Drucks. 16/11642, S. 30. 8) Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124a Rz. 13. 9) Begr. RegE BT-Drucks. 16/11642, S. 30. 10) v. Nussbaum, GWR 2009, 215; Paschos/Goslar, AG 2009, 14, 17.
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Mitteilungen für die Aktionäre und an Aufsichtsratsmitglieder
§ 125
nicht legaldefinierten Begriffs hat in der Literatur zu Recht Kritik erfahren.11) Nach der Gesetzesbegründung bedeutet „alsbald“, dass die Informationen nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger auf die Unternehmenswebsite eingestellt werden müssten, was aber erfahrungsgemäß schon wegen der betriebsinternen Abläufe und der erforderlichen Technik eine gewisse Zeit benötige.12) Ein Einstellen am Tag nach Veröffentlichung der Einberufung im Bundesanzeiger wird überwiegend als ausreichend erachtet.13) Zu beachten ist, dass durch die Zugänglichmachung auf der Internetseite die Auslegungs- 10 und Zusendungspflichten der Gesellschaft entfallen,14) wenn die betreffenden Unterlagen ab der Einberufung zur Verfügung stehen. Ergänzungsverlangen nach § 122 Abs. 2 sind dagegen unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 11 BGB) nach ihrem Eingang bei der Gesellschaft auf der Internetseite einzustellen (§ 124a Satz 2). Dem Vorstand steht eine angemessene Frist zur Prüfung des Ergänzungsverlangens zu (siehe § 124 Rz. 3).15) IV.
Rechtsfolgen von Verstößen
Verstöße gegen § 124a führen nicht zur Anfechtbarkeit gleichwohl gefasster Haupt- 12 versammlungsbeschlüsse, § 243 Abs. 3 Nr. 2,16) stellen aber eine Ordnungswidrigkeit dar, § 405 Abs. 3a Nr. 2. _____________ 11) Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124a Rz. 4 m. w. N.; Paschos/Goslar, AG 2009, 14, 17. 12) Begr. RegE BT-Drucks. 16/11642, S. 30. 13) Drinhausen/Keinath, BB 2010, 3, 5; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 124a Rz. 4, der in Ausnahmefällen auch zwei bis drei Tage nach der Einberufung ausreichen lassen möchte. 14) Vgl. z. B. §§ 52 Abs. 2 Satz 4, 175 Abs. 2 Satz 4, § 179a Abs. 2 Satz 3, 293f Abs. 3, 319 Abs. 3 Satz 3, 327c Abs. 5 AktG; § 63 Abs. 4 UmwG; krit. zur Pflicht der Aktionäre sich nun über das Internet selbst mit Informationen zu versorgen, Förster, AG 2011, 362, 369 f. 15) Drinhausen/Keinath, BB 2010, 3, 5 m. w. N. 16) Vgl. auch Begr. RegE BT-Drucks. 16/11642, S. 30.
§ 125 Mitteilungen für die Aktionäre und an Aufsichtsratsmitglieder (1) 1Der Vorstand hat mindestens 21 Tage vor der Versammlung den Kreditinstituten und den Vereinigungen von Aktionären, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt oder die die Mitteilung verlangt haben, die Einberufung der Hauptversammlung mitzuteilen. 2Der Tag der Mitteilung ist nicht mitzurechnen. 3Ist die Tagesordnung nach § 122 Abs. 2 zu ändern, so ist bei börsennotierten Gesellschaften die geänderte Tagesordnung mitzuteilen. 4In der Mitteilung ist auf die Möglichkeiten der Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten, auch durch eine Vereinigung von Aktionären, hinzuweisen. 5Bei börsennotierten Gesellschaften sind einem Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Angaben zu deren Mitgliedschaft in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten beizufügen; Angaben zu ihrer Mitgliedschaft in vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien von Wirtschaftsunternehmen sollen beigefügt werden. (2) 1Die gleiche Mitteilung hat der Vorstand den Aktionären zu machen, die es verlangen oder zu Beginn des 14. Tages vor der Versammlung als Aktionär im Aktienregister der Gesellschaft eingetragen sind. 2Die Satzung kann die Übermittlung auf den Weg elektronischer Kommunikation beschränken.
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§ 125
Mitteilungen für die Aktionäre und an Aufsichtsratsmitglieder
(3) Jedes Aufsichtsratsmitglied kann verlangen, daß ihm der Vorstand die gleichen Mitteilungen übersendet. (4) Jedem Aufsichtsratsmitglied und jedem Aktionär sind auf Verlangen die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse mitzuteilen. (5) Finanzdienstleistungsinstitute und die nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Gesetzes über das Kreditwesen tätigen Unternehmen sind den Kreditinstituten gleichgestellt. Literatur: Evers/Fett, Der Versand der Mitteilung nach § 125 AktG, NZG 2012, 530; Lommatzsch, Vorbereitung der HV durch Mitteilungen und Weisungen nach §§ 125, 128 n. F., NZG 2001, 1017; Schröer, Angabe von Aufsichtsratsmandaten im Anhang des Jahresabschlusses nach dem KonTraG, ZIP 1999, 1163.
Übersicht I. Regelungsgegenstand, Bedeutung ........................................... 1 II. Mitteilungspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung..................... 2 1. Mitteilungsempfänger ......................... 2 2. Mitteilungsinhalt ................................. 5 3. Form und Frist .................................. 10 a) Mitteilungen nach § 125 Abs. 1, Abs. 5..................... 10 b) Mitteilungen nach § 125 Abs. 2 ................................. 11 I.
c) Mitteilungen nach § 125 Abs. 3 ..................................12 4. Rechtsfolgen .......................................13 III. Mitteilungspflichten nach der Hauptversammlung (§ 125 Abs. 4) .....................................14 1. Mitteilungsempfänger ........................14 2. Mitteilungsinhalt ................................15 3. Form und Frist ...................................16
Regelungsgegenstand, Bedeutung
1 Der Zweck der Norm ist die Information der Aktionäre. II.
Mitteilungspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung
1.
Mitteilungsempfänger
2 Mitteilungsempfänger sind zunächst Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 KWG) und Aktionärsvereinigungen, d. h. auf Dauer angelegte Personenzusammenschlüsse, deren Hauptzweck darin besteht, Aktionärsrechte in organisierter Form auszuüben,1) sofern sie in der letzten (ordentlichen oder außerordentlichen) Hauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt oder die Mitteilung verlangt haben.2) Ob Stimmrechte ausgeübt wurden, hat die Gesellschaft anhand des Teilnehmerverzeichnisses zu prüfen.3) Das Mitteilungsverlangen kann formlos erfolgen, eine Frist besteht nicht.4) 3 Ferner sind gemäß § 125 Abs. 2 Mitteilungsempfänger Inhaber von Namensaktien, die zu Beginn des 14. Tages vor der Hauptversammlung im Aktienregister eingetragen sind sowie _____________ 1) 2) 3) 4)
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Vgl. statt aller Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 10. Kubis in: MünchKomm-AktG, AktG, § 125 Rz. 7 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 8 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 125 Rz. 5 m. w. N. Wird das Verlangen innerhalb von 21 Tagen vor der Hauptversammlung gestellt, so soll nach Hüffer, AktG, § 125 Rz. 5a keine Mitteilungspflicht entstehen. Dies ist nach richtiger Ansicht abzulehnen, vielmehr besteht eine Mitteilungspflicht dann, wenn das Verlangen der Gesellschaft so zeitig zugeht, dass sie es noch erfüllen kann, vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 9.
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Mitteilungen für die Aktionäre und an Aufsichtsratsmitglieder
§ 125
sonstige Aktionäre, die die Mitteilung verlangen. Aktionäre können Mitteilungen i. S. eines „Dauerauftrags“ für jede Hauptversammlung verlangen.5) Auch Mitglieder des Aufsichtsrats sind gemäß § 125 Abs. 3 auf Verlangen mitteilungs- 4 berechtigt. Es genügt eine einmalige Äußerung des Verlangens für die gesamte Amtszeit.6) 2.
Mitteilungsinhalt
Gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 ist die Einberufung der Hauptversammlung so wie sie tatsächlich 5 erfolgte (§ 121 Abs. 4) mit dem in § 121 Abs. 3 i. V. m. § 124 Abs. 3 und ggf. § 124 Abs. 2, vorgesehenen Inhalt bekannt zu machen, eine Kurzfassung ist nicht ausreichend.7) Börsennotierte Gesellschaften haben nach § 125 Abs. 1 Satz 3 im Falle eines zulässigen Ergänzungsverlangens nach § 122 Abs. 2 auch die geänderte Tagesordnung mitzuteilen. Wird einem verfristeten Ergänzungsverlangen stattgegeben, so ist auch die daraufhin geänderte Tagesordnung mitzuteilen.8) Weiter ist gemäß § 125 Abs. 1 Satz 4 darauf hinzuweisen, dass der Aktionär sich auch durch 6 eine Aktionärsvereinigung vertreten lassen kann. Gemäß § 125 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 haben börsennotierte Gesellschaften (§ 3 Abs. 2) Vor- 7 schlägen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Angaben zu deren Mitgliedschaft in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten beizufügen. Hiermit sind nur nach deutschem Recht zu bildende Aufsichtsräte gemeint.9) Erfasst sind die bei der AG, der KGaA und der SE sowie nach dem Mitbestimmungsrecht10) zu bildenden Aufsichtsräte. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen der genannten Mitgliedschaften ist die Abfas- 8 sung des Wahlvorschlags.11) Weiter sollen gemäß § 125 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 auch Angaben zur Mitgliedschaft in ver- 9 gleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien von Wirtschaftsunternehmen – nicht also von karitativen oder wissenschaftlichen Einrichtungen12) – gemacht werden. Maßgeblich ist hierbei die funktionelle Vergleichbarkeit, d. h. die Kompetenzen des Gremiums.13) Ein Unterlassen dieser Angaben führt nicht zur Anfechtbarkeit der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse.14) 3.
Form und Frist
a)
Mitteilungen nach § 125 Abs. 1, Abs. 5
Mitteilungen nach § 125 Abs. 1, 5 können schriftlich oder elektronisch erfolgen; es ge- 10 nügt die Übermittlung eines Exemplars, die Vervielfältigung obliegt dem Empfänger.15) Die Mitteilung ist spätestens 21 Tage vor der Hauptversammlung zu bewirken, wobei gemäß
_____________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15)
Vgl. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 125 Rz. 21. So h. M., vgl. nur K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 125 Rz. 24 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 16 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 17 m. w. N. Schröer, ZIP 1999, 1163 m. w. N.; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 125 Rz. 14. § 6 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG, § 3 Montan-MitbestG, § 3 Abs. 1 Montan-MitbestErgG. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 21 m. w. N.; a. A. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 125 Rz. 14, nach dem der Tag der Übersendung der Mitteilung nach § 124 Abs. 1 maßgeblich ist. Vgl. statt aller Hüffer, AktG, § 125 Rz. 4. Schröer, ZIP 1999, 1163, 1165; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 22 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 125 Rz. 41 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 23.
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§ 125
Mitteilungen für die Aktionäre und an Aufsichtsratsmitglieder
§ 125 Abs. 1 Satz 2 der Tag der Mitteilung nicht mitzurechnen ist. Für die Fristberechnung gilt § 121 Abs. 7.16) Für Übernahmesachverhalte gilt § 16 Abs. 4 Satz 5 WpÜG. b)
Mitteilungen nach § 125 Abs. 2
11 Mitteilungen nach § 125 Abs. 2 können ebenfalls schriftlich oder elektronisch erfolgen, soweit der Aktionär letzterem zustimmt.17) Nach § 125 Abs. 2 Satz 2 kann die Satzung die Übermittlung auf den Weg elektronischer Kommunikation beschränken. Auch bei Vorliegen einer entsprechenden Satzungsklausel hat der Aktionär gemäß § 30b Abs. 3 Nr. 1 lit. d WpHG der elektronischen Übermittlung zuzustimmen, wenn der Emittent deutscher Herkunft (§ 2 Abs. 6 WpHG) ist.18) Die Frist des § 125 Abs. 1 gilt nicht, was bereits daraus deutlich wird, dass es für die Mitteilung an Namensaktionäre darauf ankommt, wer zu Beginn des 14. Tages vor der Hauptversammlung im Aktienregister eingetragen ist (§ 125 Rz. 3). Vor Geltung des ARUG war in § 125 Abs. 1 eine Frist von zwölf Tagen vorgesehen, deren Einhaltung auch für Mitteilungen nach § 125 Abs. 2 jedenfalls für ausreichend erachtet wurde.19) Eine Nichteinhaltung der Frist ist unbeachtlich, wenn dem Aktionär noch genügend Zeit zur Vorbereitung auf die Hauptversammlung bleibt.20) c)
Mitteilungen nach § 125 Abs. 3
12 Es ist umstritten, ob hier durch die Beibehaltung des Wortes „übersendet“ die Mitteilungen in Papierform zu machen sind.21) Dies ist abzulehnen; elektronische Übermittlung ist zulässig. Zur Frist gilt das in Rz. 11 Gesagte entsprechend. 4.
Rechtsfolgen
13 Eine Verletzung des § 125 Abs. 1 Satz 1 bis 5 Halbs. 1 und § 125 Abs. 2 und 3 begründet eine Beschlussanfechtbarkeit, wenn diese für das Zustandekommen relevant war.22) Zu Verstößen gegen § 125 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 siehe Rz. 9. III.
Mitteilungspflichten nach der Hauptversammlung (§ 125 Abs. 4)
1.
Mitteilungsempfänger
14 Mitteilungsempfänger sind sämtliche Aufsichtsratsmitglieder und Aktionäre, die dies verlangen. Das Verlangen kann formlos erfolgen.23) 2.
Mitteilungsinhalt
15 Mitteilungsinhalt sind die von der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse zu Sachanträgen, nicht dagegen zu reinen Verfahrensanträgen.24) Die konkreten Abstimmungsergebnisse sind nicht mitzuteilen.25) _____________ 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25)
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Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 28. Vgl. Evers/Fett, NZG 2012, 530, 534; Hüffer, AktG, § 125 Rz. 6 m. w. N. Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 25. Kubis in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl., § 125 Rz. 34; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, 1. Aufl., § 125 Rz. 23. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 125 Rz. 42 m. w. N. So etwa Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 27 m. w. N.; a. A. Hüffer, AktG, § 125 Rz. 7; K. Schmidt/ Lutter-Ziemons, AktG, § 125 Rz. 26. Hüffer, AktG, § 125 Rz. 10. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 35. Begr. RegE BT-Drucks. 14/4051, S. 13; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 36. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 125 Rz. 36.
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§ 126
Anträge von Aktionären 3.
Form und Frist
Die Mitteilung kann schriftlich oder elektronisch erfolgen, wobei § 30b Abs. 3 Nr. 1 lit. d 16 WpHG zu beachten ist. Die Mitteilung hat unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu erfolgen. Die Frist des § 130 Abs. 6 hat keine Maßstabsfunktion, da diese die Veröffentlichung der konkreten Abstimmungsergebnisse betrifft, die nach § 125 Abs. 4 gerade nicht mitzuteilen sind.26) _____________ 26) A. A. Heidel-Pluta, § 125 AktG Rz. 28.
§ 126 Anträge von Aktionären (1) 1Anträge von Aktionären einschließlich des Namens des Aktionärs, der Begründung und einer etwaigen Stellungnahme der Verwaltung sind den in § 125 Abs. 1 bis 3 genannten Berechtigten unter den dortigen Voraussetzungen zugänglich zu machen, wenn der Aktionär mindestens 14 Tage vor der Versammlung der Gesellschaft einen Gegenantrag gegen einen Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat zu einem bestimmten Punkt der Tagesordnung mit Begründung an die in der Einberufung hierfür mitgeteilte Adresse übersandt hat. 2Der Tag des Zugangs ist nicht mitzurechnen. 3 Bei börsennotierten Gesellschaften hat das Zugänglichmachen über die Internetseite der Gesellschaft zu erfolgen. 4§ 125 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) 1Ein Gegenantrag und dessen Begründung brauchen nicht zugänglich gemacht zu werden, 1. soweit sich der Vorstand durch das Zugänglichmachen strafbar machen würde, 2. wenn der Gegenantrag zu einem gesetz- oder satzungswidrigen Beschluß der Hauptversammlung führen würde, 3. wenn die Begründung in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche oder irreführende Angaben oder wenn sie Beleidigungen enthält, 4. wenn ein auf denselben Sachverhalt gestützter Gegenantrag des Aktionärs bereits zu einer Hauptversammlung der Gesellschaft nach § 125 zugänglich gemacht worden ist, 5. wenn derselbe Gegenantrag des Aktionärs mit wesentlich gleicher Begründung in den letzten fünf Jahren bereits zu mindestens zwei Hauptversammlungen der Gesellschaft nach § 125 zugänglich gemacht worden ist und in der Hauptversammlung weniger als der zwanzigste Teil des vertretenen Grundkapitals für ihn gestimmt hat, 6. wenn der Aktionär zu erkennen gibt, daß er an der Hauptversammlung nicht teilnehmen und sich nicht vertreten lassen wird, oder 7. wenn der Aktionär in den letzten zwei Jahren in zwei Hauptversammlungen einen von ihm mitgeteilten Gegenantrag nicht gestellt hat oder nicht hat stellen lassen. 2
Die Begründung braucht nicht zugänglich gemacht zu werden, wenn sie insgesamt mehr als 5.000 Zeichen beträgt. (3) Stellen mehrere Aktionäre zu demselben Gegenstand der Beschlußfassung Gegenanträge, so kann der Vorstand die Gegenanträge und ihre Begründungen zusammenfassen.
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§ 126
Anträge von Aktionären
Literatur: Miettinen/Rothbächer, Verschärfte Probleme bei der Berechnung der Gegenantragsfrist nach dem ARUG, BB 2008, 2084; Mutter, Gegenanträge – was sind 5.000 Zeichen?, ZIP 2002, 1759; Noack, Das neue Recht der Gegenanträge nach § 126 AktG, BB 2003, 1393.
Übersicht I. Regelungsgehalt, Bedeutung ............ 1 II. Zugänglichmachung von Gegenanträgen............................ 2 1. Voraussetzungen ................................. 2 2. Zugänglichmachung ............................ 7 I.
III. Ausnahmen von der Pflicht zur Zugänglichmachung (§ 126 Abs. 2) .......................................8 IV. Redaktionsrecht des Vorstands (§ 126 Abs. 3) .....................................15 V. Rechtsfolgen von Verstößen............16
Regelungsgehalt, Bedeutung
1 Die Regelung dient der frühzeitigen Information der Aktionäre über beabsichtigte Opposition gegen Beschlussvorschläge der Verwaltung.1) Für Übernahmesachverhalte gilt § 16 Abs. 4 Satz 7 WpÜG. II.
Zugänglichmachung von Gegenanträgen
1.
Voraussetzungen
2 Antragsberechtigt sind sämtliche Aktionäre, deren Rechte nicht ruhen (z. B. nach § 71b).2) Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Eingang des Antrags bei der Gesellschaft.3) Offene Stellvertretung ist zulässig.4) Der Aktionär hat innerhalb der Frist des § 126 Abs. 1 Legitimationsnachweis zu erbringen, sofern seine Aktionärsstellung der Gesellschaft nicht bekannt ist.5) Will die Gesellschaft einen Gegenantrag wegen fehlender Legitimation nicht veröffentlichen, muss die Gesellschaft den Aktionär zuvor auf seine fehlende Legitimation hinweisen und dem Aktionär Gelegenheit geben, den Gegenantrag zu komplettieren. 3 Ein Gegenantrag liegt vor, wenn der Aktionär einem Beschlussvorschlag der Verwaltung zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt einen inhaltlich abweichenden Beschlussantrag entgegensetzt.6) Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Aktionär lediglich beantragt, gegen den Verwaltungsvorschlag zu stimmen. Die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden „Gegenanträge“ sehen vor, gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu stimmen. Solche „Gegenanträge“ sind noch keine Gegenanträge. Gegenanträge in diesem Zusammenhang wären lediglich Anträge auf Vertagung der Entlastung oder z. B. Anträge, die darauf abstellen einen Vorstand zu entlasten und den anderen nicht. Unzulässig sind bedingte oder alternative Gegenanträge.7) 4 Der Gegenantrag ist zu begründen, wofür maximal 5.000 Zeichen in Anspruch genommen werden dürfen, wenn der Aktionär eine Zugänglichmachung auch der Begründung wünscht (§ 126 Abs. 2 Satz 2).
_____________ 1) 2) 3) 4)
5) 6) 7)
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Allg. Meinung, vgl. etwa K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 126 Rz. 1 m. w. N. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 126 Rz. 9 m. w. N. Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 5 m. w. N. Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 126 Rz. 4 m. w. N.; a. A. entgegen dem klaren Wortlaut der Norm K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 126 Rz. 11 – auch verdeckte Stellvertretung durch zumindest durch institutionelle Stimmrechtsvertreter zulässig. Nicht zwingend zeitgleich mit dem Gegenantrag, vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 121 Rz. 7 m. w. N. Vgl. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 126 Rz. 8 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. etwa Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 10 m. w. N.
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§ 126
Anträge von Aktionären
Der Gegenantrag muss nicht schriftlich gestellt werden, es genügt Textform und Über- 5 mittlung per Fax, E-Mail u. Ä.8) Gibt die Gesellschaft eine Adresse für die Übermittlung von Gegenanträgen an, so handelt es sich hierbei um die ausschließliche Zugangsmöglichkeit für diese; eine Übermittlung an sonstige E-Mail-Adressen oder Faxnummern/Niederlassungen der Gesellschaft scheidet dann aus.9) Gegenanträge müssen der Gesellschaft spätestens 14 Tage vor der Hauptversammlung 6 zugehen, wobei der Tag des Zugangs nach § 126 Abs. 2 nicht mitzurechnen ist. Die Fristberechnung richtet sich nach § 121 Abs. 7. Nach Fristablauf übermittelte Gegenanträge müssen nicht, können jedoch von der Gesellschaft freiwillig zugänglich gemacht werden.10) 2.
Zugänglichmachung
Börsennotierte Gesellschaften haben Gegenanträge auf ihrer Internetseite zugänglich zu 7 machen (§ 126 Abs. 1 Satz 3), nicht börsennotierte Gesellschaften können die Gegenanträge auch in den Gesellschaftsblättern veröffentlichen oder den Berechtigten individuell zusenden.11) Aufsichtsratsmitglieder können stets die Übersendung der Gegenanträge verlangen (§ 126 Abs. 1 Satz 4). Liegen die Voraussetzungen dafür vor, so hat die Zugänglichmachung unverzüglich nach Eingang und Prüfung des jeweiligen Gegenantrags sowie ggf. Verfassung einer Stellungnahme der Verwaltung zu erfolgen.12) III.
Ausnahmen von der Pflicht zur Zugänglichmachung (§ 126 Abs. 2)
§ 126 Abs. 2 Satz 1 enthält eine abschließende13) Aufzählung von Gründen, bei deren 8 Vorliegen ein ansonsten ordnungsgemäß übermittelter Gegenantrag nicht zugänglich gemacht werden muss. Praktisch relevant sind vor allem die Ausschlussgründe des § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3.14) Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 muss ein Gegenantrag nicht zugänglich gemacht werden, 9 soweit sich der Vorstand hierdurch strafbar machen würde. Dies ist weit auszulegen und erfasst auch Ordnungswidrigkeiten.15) Aufgrund des von den anderen Ziffern abweichenden Wortlauts („soweit“ statt „wenn“) ist der Vorstand verpflichtet, zur Strafbarkeit führende Passagen zu streichen, soweit dies ohne Sinnentstellung möglich ist, und die gekürzte Fassung zugänglich zu machen.16) Gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 müssen Gegenanträge, die auf die Fassung eines geset- 10 zes- oder satzungswidrigen Beschlusses gerichtet sind, nicht zugänglich gemacht werden. Hier handelt es sich um Beschlüsse, die bei ihrem Zustandekommen nichtig oder anfechtbar wären, unabhängig davon, ob dies auf formellen oder materiellen Beschlussmängeln beruht.17) _____________ 8) 9) 10) 11) 12)
13) 14) 15) 16) 17)
Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 14 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 15 f. m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 18 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 21 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. etwa K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 126 Rz. 23 m. w. N.; Spindler/StilzRieckers, AktG, § 126 Rz. 24 m. w. N.; a. A. Heidel-Pluta, § 126 AktG Rz. 30, wonach die Zugänglichmachung unverzüglich nach Ablauf der 14-Tages-Frist des § 126 Abs. 1 ausreicht. LG Frankfurt/M., Urt. v. 20.1.1992 – 3/1 O 169/91, AG 1992, 235, 236. Vgl. Hüffer, AktG, § 126 Rz. 8. Werner in: GroßKomm-AktG, § 126 Rz. 44; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 28; a. A. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 126 Rz. 26. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 126 Rz. 26; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 28 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 29 m. w. N.
Thomas Mayrhofer
735
§ 126
Anträge von Aktionären
11 Die Zugänglichmachung kann ferner gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 unterbleiben, wenn die Begründung oder der Gegenantrag selbst18) in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche oder irreführende Angaben oder Beleidigungen enthält. § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 umfasst nur Angaben zu Tatsachen, die den Kern der Begründung ausmachen.19) Die Angaben müssen für den Durchschnittsaktionär offensichtlich falsch oder irreführend sein.20) Beleidigungen (§ 185 StGB) sowie üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdungen (§ 187 StGB) führen auch dann zu einem Entfallen der Zugänglichmachungspflicht, wenn sie nicht wesentliche Punkte der Begründung betreffen, es sei denn, der Aktionär kann ein berechtigtes Interesse (§ 193 StGB) glaubhaft machen oder den Wahrheitsbeweis erbringen (§§ 186, 187 StGB).21) 12 Nicht ernst gemeinte Gegenanträge müssen nach § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 nicht zugänglich gemacht werden. Maßstab ist, ob der Aktionär zu erkennen gibt, dass er an der Hauptversammlung nicht teilnehmen und sich nicht vertreten lassen wird.22) 13 Auch die Zugänglichmachung querulatorischer Gegenanträge kann gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 5 und 7 unterbleiben.23) 14 Bei überlanger Begründung kann gemäß § 126 Abs. 2 Satz 2 eine Zugänglichmachung der Begründung, nicht aber des Gegenantrags als solchem, unterbleiben. Überlang ist die Begründung, wenn sie mehr als 5.000 Zeichen umfasst. Hierzu zählen auch Satzzeichen und Leerzeichen.24) Dem Vorstand steht ein Recht zur sinnwahrenden Kürzung, nicht aber zur Zugänglichmachung nur der ersten 5.000 Zeichen zu.25) IV.
Redaktionsrecht des Vorstands (§ 126 Abs. 3)
15 Stellen mehrere Aktionäre zu einem Beschlussgegenstand Gegenanträge, so kann der Vorstand diese Anträge und ihre Begründungen zusammenfassen, auch wenn sie inhaltlich voneinander abweichen.26) Voraussetzung ist, dass die Gegenanträge in ihrem Kern erhalten bleiben, und dass bei Abweichungen eine Zuordnung zum betreffenden Aktionär erhalten bleibt.27) V.
Rechtsfolgen von Verstößen
16 Unterbleibt die Zugänglichmachung eines Gegenantrags zu Unrecht, so führt dies bei Relevanz zur Anfechtbarkeit des betroffenen Hauptversammlungsbeschlusses. Dasselbe gilt für eine Zusammenfassung der Gegenanträge bzw. ihrer Begründungen unter Verstoß gegen § 126 Abs. 3. Die Relevanz ist hierbei jeweils im Einzelfall zu prüfen.28)
_____________ 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)
736
Allg. Meinung, vgl. etwa Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 31 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. etwa K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 126 Rz. 32 m. w. N. Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 1.12.1994 – 13 U 46/94, AG 1995, 233. Allg. Meinung, vgl. etwa Kubis in: MünchKomm-AktG, § 126 Rz. 32. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 39. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 126 Rz. 35. Vgl. Mutter, ZIP 2002, 1759; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 41 m. w. N.; a. A. Heidel-Pluta, § 126 AktG Rz. 33. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 42 m. w. N. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 126 Rz. 39 f. m. w. N. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 126 Rz. 36. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 126 Rz. 45 m. w. N.
Thomas Mayrhofer
§ 127a
Aktionärsforum
§ 127 Wahlvorschläge von Aktionären 1
Für den Vorschlag eines Aktionärs zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder von Abschlußprüfern gilt § 126 sinngemäß. 2Der Wahlvorschlag braucht nicht begründet zu werden. 3Der Vorstand braucht den Wahlvorschlag auch dann nicht zugänglich zu machen, wenn der Vorschlag nicht die Angaben nach § 124 Abs. 3 Satz 3 und § 125 Abs. 1 Satz 5 enthält. Die Norm, der zurecht eine „minimale Existenzberechtigung“1) bescheinigt wurde, er- 1 gänzt § 126 dahingehend, dass den in § 125 Abs. 1 – 3 genannten Berechtigten auch Wahlvorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder von Abschlussprüfern von Aktionären zugänglich zu machen sind. Die Vorschrift dient wie § 126 der Information der Aktionäre. Abweichend von § 126 Abs. 1 Satz 1 ist eine Begründung des Wahlvorschlags nicht erforder- 2 lich (§ 127 Satz 2). Gemäß § 127 Satz 3 muss der Vorstand den Wahlvorschlag neben den Fällen des § 126 Abs. 2 auch dann nicht zugänglich machen, wenn der Vorschlag die von § 124 Abs. 3 Satz 3 und § 125 Abs. 1 Satz 5 geforderten Angaben nicht enthält. Der Aktionär hat also anzugeben, ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist sowie bei einer börsennotierten Gesellschaft, ob die zur Wahl vorgeschlagene Person Mitglied in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten ist. Angaben zur Mitgliedschaft in vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien müssen nicht gemacht werden.2) Der Verweis des § 127 Satz 3 auf § 124 Abs. 3 Satz 3 bezieht sich eigentlich auf § 124 Abs. 3 3 Satz 4; das VorstKoG sieht eine Korrektur dieses Redaktionsversehens vor.3) _____________ 1) 2) 3)
Kubis in: MünchKomm-AktG, § 127 Rz. 4. Vgl. Heidel-Pluta, § 127 AktG Rz. 6. Begr. RegE BT-Drucks. 17/8989, S. 16.
§ 127a Aktionärsforum (1) Aktionäre oder Aktionärsvereinigungen können im Aktionärsforum des Bundesanzeigers andere Aktionäre auffordern, gemeinsam oder in Vertretung einen Antrag oder ein Verlangen nach diesem Gesetz zu stellen oder in einer Hauptversammlung das Stimmrecht auszuüben. (2) Die Aufforderung hat folgende Angaben zu enthalten: 1. den Namen und eine Anschrift des Aktionärs oder der Aktionärsvereinigung, 2. die Firma der Gesellschaft, 3. den Antrag, das Verlangen oder einen Vorschlag für die Ausübung des Stimmrechts zu einem Tagesordnungspunkt, 4. den Tag der betroffenen Hauptversammlung. (3) Die Aufforderung kann auf eine Begründung auf der Internetseite des Auffordernden und dessen elektronische Adresse hinweisen. (4) Die Gesellschaft kann im Bundesanzeiger auf eine Stellungnahme zu der Aufforderung auf ihrer Internetseite hinweisen.
Thomas Mayrhofer
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§ 127a
Aktionärsforum
(5) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die äußere Gestaltung des Aktionärsforums und weitere Einzelheiten insbesondere zu der Aufforderung, dem Hinweis, den Entgelten, zu Löschungsfristen, Löschungsanspruch, zu Missbrauchsfällen und zur Einsichtnahme zu regeln. Literatur: Bürgers/Körber (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2011; Seibert, Aktionärsforum und Aktionärsforumsverordnung nach § 127a AktG, AG 2006, 16; Spindler, Die Reform der Hauptversammlung und der Anfechtungsklage durch das UMAG, NZG 2005, 825.
Übersicht I. Regelungsgehalt und Bedeutung ..... 1 II. Aufforderung im Aktionärsforum (§ 127a Abs. 1)......................... 4 III. Inhalt der Aufforderung (§ 127a Abs. 2)..................................... 8 I.
IV. Begründung der Aufforderung (§ 127a Abs. 3)....................................10 V. Stellungnahme der Gesellschaft (§ 127a Abs. 4)....................................12
Regelungsgehalt und Bedeutung
1 Die Vorschrift wurde durch das UMAG eingefügt. Das Aktionärsforum ist eine Rubrik des Bundesanzeigers (erreichbar unter www.aktionärsforum.de), die ausschließlich der privaten Kommunikation zwischen den Aktionären und Aktionärsvereinigungen dient.1) Die Ausgestaltung des Aktionärsforums ist durch die Verordnung über das Aktionärsforum nach § 127a des AktG vom 22.11.2005 (AktFoV) näher geregelt. Diese beruht auf der Verordnungsermächtigung des § 127a Abs. 5. 2 Zweck der Norm ist es, die Kommunikation unter den Aktionären sowie diesen die Stimmrechtsausübung zu erleichtern; dies soll das Erreichen von Schwellenwerten zur Ausübung von Minderheitenrechten (z. B. §§ 122, 142 Abs. 2, 148 Abs. 2 Satz 2) erleichtern und zu einer verbesserten Eigentümerkontrolle führen.2) 3 Die praktische Relevanz des Aktionärsforums ist bisher gering geblieben.3) II.
Aufforderung im Aktionärsforum (§ 127a Abs. 1)
4 Im Aktionärsforum dürfen nur Aufforderungen veröffentlicht werden und keine Begründungen, Stellungnahmen oder sonstige Meinungsäußerungen.4) Hinweise auf Begründungen und Stellungnahmen sind jedoch zulässig (§ 127a Abs. 3 und 4). Eintragungen sind in Deutsch oder Englisch abzufassen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 AktFoV). Die Aufforderung im Aktionärsforum stellt noch kein abgestimmtes Verhalten i. S. der § 22 Abs. 2 WpHG und § 30 Abs. 2 WpÜG (sog. acting in concert) dar, es wird aber jeweils zu prüfen sein, ob dies im Anschluss an die Aufforderung der Fall ist.5) 5 Gegenstand einer Aufforderung nach § 127a Abs. 1 kann zum einen die Stellung eines Antrags oder eines Verlangens nach dem AktG sein. Andere Gesetze bleiben dabei außer Betracht (Wortlaut „nach diesem Gesetz“), insbesondere auch ein Minderheitsverlangen
_____________ 1) 2) 3) 4) 5)
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Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 15. Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 15. Vgl. Grigoleit-Herrler, AktG, § 127a Rz. 1; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 127a Rz. 3. Vgl. Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 127a Rz. 2. Vgl. Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 127a Rz. 5; Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 127a Rz. 16; Seibert, AG 2006, 16, 18.
Thomas Mayrhofer
§ 127a
Aktionärsforum
nach § 62 Abs. 2 UmwG.6) Zum anderen kann die Aufforderung auf die Ausübung des Stimmrechts in einer Hauptversammlung gerichtet sein. Zur Veröffentlichung einer Aufforderung sind gemäß § 127a Abs. 1 nur Aktionäre oder 6 Aktionärsvereinigungen7) berechtigt. Zum Nachweis der Berechtigung genügt eine Versicherung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AktFoV, sofern keine Zweifel hieran vorliegen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AktFoV). Um im Aktionärsforum veröffentlichen zu können ist die Registrierung unter Angabe der 7 in § 3 Abs. 1 AktFoV genannten Informationen erforderlich.8) Auf die Veröffentlichung hat der Aktionär keinen Anspruch;9) sie erfolgt aufgrund eines Vertrages mit dem Bundesanzeiger gegen ein vom Auffordernden zu entrichtendes Entgelt (i. H. von derzeit pauschal 25 €10) für eine Eintragung).11) Die bloße Einsichtnahme in bestehende Einträge hingegen ist jederzeit für jedermann kostenfrei und ohne vorherige Registrierung möglich, § 7 Abs. 1 Satz 1 AktFoV. III.
Inhalt der Aufforderung (§ 127a Abs. 2)
§ 127a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 zählen den notwendigen Inhalt einer Aufforderung auf. Unter 8 Anschrift des Aktionärs i. S. des § 127a Abs. 2 Nr. 1 ist eine zustellungsfähige postalische Anschrift zu verstehen.12) Dieser Aufzählung der Pflichtangaben fügt § 3 Abs. 3 Satz 1 AktFoV die Angabe einer E-Mail-Adresse sowie die Erklärung hinzu, ob der Auffordernde als Aktionär oder als Aktionärsvereinigung handelt. Hat die Aufforderung eine Stimmrechtsausübung zum Gegenstand, muss eine konkrete Hauptversammlung einer bestimmten und eindeutig benannten AG angegeben werden.13) Ist eine Aufforderung ihrem Inhalt nach missbräuchlich (Regelbeispiele in § 3 Abs. 5 Satz 1 9 AktFoV), so hat dies die unverzügliche Löschung der Aufforderung durch den Betreiber zur Folge, § 3 Abs. 5 Satz 2 AktFoV. IV.
Begründung der Aufforderung (§ 127a Abs. 3)
Die Aufforderung im Bundesanzeiger darf keine Begründung enthalten, aber mittels einer 10 Verlinkung unmittelbar (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 AktFoV) auf eine Begründung auf der Internetseite des Auffordernden verweisen und dessen E-Mail-Adresse angeben.14) Hat die Gesellschaft rechtliche Bedenken gegen die dort veröffentlichte Begründung und 11 möchte gegen diese vorgehen, so stehen ihr die allgemeinen Abwehransprüche und prozessualen Rechtsbehelfe zur Verfügung.15) Die Situation ist insofern vergleichbar mit _____________ 6) Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 127a Rz. 11 m. w. N.; a. A. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 127a Rz. 6. 7) Vgl. § 125 Rz. 2. 8) Eine Identitätsüberprüfung – etwa durch Postident-Verfahren, wie vorgeschlagen von Spindler, NZG 2005, 825, 828 – erfolgt bei der Registrierung nicht; sie ist auch nicht erforderlich, vgl. Seibert, AG 2006, 16, 18. 9) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 16; der Bundesanzeigers soll aber aufgrund seiner Monopolstellung einem Kontrahierungszwang unterliegen, so Grigoleit-Herrler, AktG, § 127a Rz. 1. 10) Vgl. die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das „Aktionärsforum“ im Bundesanzeiger (Stand: 1.1.2013), abrufbar unter: www.bundesanzeiger.de. 11) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 16; der RefE sah demgegenüber noch einen Kostenerstattungsanspruch des Auffordernden gegen die Gesellschaft vor, Begr. RegE, BT-Drucks. 15/5092, S. 17. 12) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 16. 13) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 16. 14) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 15, 16; krit. zur Einschränkung auf Internet und elektronische Adresse Hüffer, AktG, § 127a Rz. 4. 15) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 16.
Thomas Mayrhofer
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§ 128
Übermittlung der Mitteilungen
gesellschaftskritischen Äußerungen in sonstigen Foren.16) Regelmäßig wird nur ein kurzer Zeitraum zur Verfügung stehen, sodass für ein gerichtliches Vorgehen praktisch nur der einstweilige Rechtsschutz in Betracht kommt.17) V.
Stellungnahme der Gesellschaft (§ 127a Abs. 4)
12 Zu der Aufforderung kann die Gesellschaft im Bundesanzeiger nicht Stellung nehmen; sie kann dies jedoch durch eine Verlinkung, die unmittelbar auf die Seite führt, die eine Stellungnahme enthält.18) Auch bei Löschung der Aufforderung kann der Hinweis auf die Stellungnahme wegen eines berechtigten Interesses der Gesellschaft bestehen bleiben.19) _____________ 16) Vgl. Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 127a Rz. 7; Spindler, NZG 2005, 825, 828; zum Vorgehen gegen den Betreiber des Bundesanzeigers, Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 127a Rz. 26, 23. 17) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 16. 18) Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 16. 19) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 127a Rz. 8.
§ 128 Übermittlung der Mitteilungen (1) 1Hat ein Kreditinstitut zu Beginn des 21. Tages vor der Versammlung für Aktionäre Inhaberaktien der Gesellschaft in Verwahrung oder wird es für Namensaktien, die ihm nicht gehören, im Aktienregister eingetragen, so hat es die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 unverzüglich an die Aktionäre zu übermitteln. 2Die Satzung der Gesellschaft kann die Übermittlung auf den Weg elektronischer Kommunikation beschränken; in diesem Fall ist das Kreditinstitut auch aus anderen Gründen nicht zu mehr verpflichtet. (2) Die Verpflichtung des Kreditinstituts zum Ersatz eines aus der Verletzung des Absatzes 1 entstehenden Schadens kann im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. (3) 1Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass die Gesellschaft den Kreditinstituten die Aufwendungen für 1. die Übermittlung der Angaben gemäß § 67 Abs. 4 und 2. die Vervielfältigung der Mitteilungen und für ihre Übersendung an die Aktionäre zu ersetzen hat. 2Es können Pauschbeträge festgesetzt werden. 3Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. (4) § 125 Abs. 5 gilt entsprechend. Literatur: Grundmann, Das neue Depotstimmrecht nach der Fassung im Regierungsentwurf zum ARUG, BKR 2009, 31; Seibert, Die neue „Verordnung über den Ersatz von Aufwendungen der Kreditinstitute“, ZIP 2003, 1270.
Übersicht I. Regelungsgehalt, Bedeutung ............ 1 II. Übermittlung von Mitteilungen (§ 128 Abs. 1)....................................... 3 1. Übermittlungspflicht .......................... 3
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2. Voraussetzungen der Übermittlungspflicht ...........................4 3. Rechtsnatur und Umfang der Übermittlungspflicht ...........................5
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§ 128
Übermittlung der Mitteilungen III. Rechtsfolgen von Verstößen (§ 128 Abs. 2) .......................................8 I.
IV. Verordnungsermächtigungen (§ 128 Abs. 3) .....................................10
Regelungsgehalt, Bedeutung
Die Norm betrifft die Übermittlungspflicht der Kreditinstitute und gleichgestellter Finanz- 1 dienstleister (§ 128 Abs. 4) bezüglich der Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 an Aktionäre, für die zum Record Date Inhaberaktien verwahrt werden oder für die das Institut im Fall von Namensaktien nicht nur vorübergehend im Aktienregister eingetragen ist, vgl. § 67 Abs. 4 Satz 7. Zweck der Norm ist die Unterrichtung der anonymen Aktionäre, die die Gesellschaft 2 nicht selbst mit den hauptversammlungsrelevanten Unterlagen informieren kann.1) II.
Übermittlung von Mitteilungen (§ 128 Abs. 1)
1.
Übermittlungspflicht
Übermittlungspflicht besteht für alle inländischen Kreditinstitute und gemäß § 128 3 Abs. 4, § 125 Abs. 5 auch für Finanzdienstleistungsinstitute und für gleichgestellte Unternehmen, d. h. insbesondere Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute. Für ausländische Kreditinstitute besteht keine Übermittlungspflicht. Eine Übermittlungspflicht besteht auch, wenn Aktien in die Verwahrung einer Wertpapiersammelbank (Clearstream) gegeben werden. Die Übermittlungspflicht besteht an die Aktionäre, die vor dem Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung (Record Date) dem Kreditinstitut Inhaberaktien in Verwahrung gegeben haben oder für Namensaktionäre, die nicht selbst, sondern für die das Kreditinstitut im Aktienregister eingetragen ist. Im letzteren Fall gilt die 14-TagesFrist des § 125 Abs. 2 Satz 1. 2.
Voraussetzungen der Übermittlungspflicht
Die Entstehung der Übermittlungspflicht setzt einzig voraus, dass der Mitteilungs- 4 schuldner die Mitteilungen von der Gesellschaft erhält.2) 3.
Rechtsnatur und Umfang der Übermittlungspflicht
Bei der Übermittlungspflicht nach § 128 Abs. 1 handelt es sich um eine gesetzliche Pflicht 5 der Kreditinstitute und gleichgestellten Unternehmen, die folglich nicht durch Depotvertrag abbedungen werden kann.3) Zu übermitteln sind die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1, die auf Vollständigkeit, nicht 6 aber auf inhaltliche Richtigkeit zu prüfen sind.4) Dabei kann der Mitteilungsschuldner sich elektronischer Kommunikationsformen bedienen, wenn der Aktionär zustimmt oder ein Hauptversammlungsbeschluss nach § 128 Abs. 1 Satz 2 vorliegt. § 30b Abs. 3 Nr. 1 WpHG ist nicht anwendbar.5)
_____________ 1) 2) 3) 4)
5)
Vgl. Heidel-Pluta, § 128 AktG Rz. 2 f.; Hüffer, AktG, § 128 Rz. 1. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 128 Rz. 14 m. w. N. Allg. Meinung, vgl. nur Hüffer, AktG, § 128 Rz. 5 m. w. N. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 128 Rz. 17 m. w. N; a. A. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 128 Rz. 9, keinerlei Verpflichtung zur Überprüfung der Vollständigkeit; Grigoleit-Herrler, AktG, § 128 Rz. 8, allenfalls in engen Grenzen. Vgl. Spindler/Stilz-Rieckers, AktG, § 128 Rz. 23 m. w. N.
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§ 129
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer
7 Soweit das Kreditinstitut oder das gleichgestellte Unternehmen nicht ohnehin von der Gesellschaft die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 erhält, hat es sie bei der Gesellschaft anzufordern.6) III.
Rechtsfolgen von Verstößen (§ 128 Abs. 2)
8 § 128 Abs. 2 verbietet einen Ausschluss von Schadensersatzansprüchen im Vorhinein. Die Regelung soll insbesondere formularmäßige Haftungsausschlüsse verhindern, hat jedoch kaum praktische Bedeutung.7) 9 Eine Verletzung der Übermittlungspflicht des § 128 Abs. 1 begründet gemäß § 243 Abs. 3 Nr. 2 nicht die Anfechtbarkeit von in der Hauptversammlung gefassten Beschlüssen. IV.
Verordnungsermächtigungen (§ 128 Abs. 3)
10 Von der Verordnungsermächtigung des § 128 Abs. 3 Satz 1 wurde Gebrauch gemacht durch Erlass der Verordnung über den Ersatz von Aufwendung der Kreditinstitute vom 17.6.2003.8) Danach kann Kreditinstitut von der Gesellschaft Pauschbeträge und Porto verlangen, genauso bei elektronischen Mitteilungen, was allerdings dann preiswerter ist. _____________ 6) 7) 8)
Vgl. Hüffer, AktG, § 128 Rz. 9 m. w. N. Hüffer, AktG, § 128 Rz. 8. Vgl. hierzu Seibert, ZIP 2003, 1270.
Dritter Unterabschnitt Verhandlungsniederschrift. Auskunftsrecht § 129 Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer Thomas Wachter
(1) 1Die Hauptversammlung kann sich mit einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt, eine Geschäftsordnung mit Regeln für die Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung geben. 2 In der Hauptversammlung ist ein Verzeichnis der erschienenen oder vertretenen Aktionäre und der Vertreter von Aktionären mit Angabe ihres Namens und Wohnorts sowie bei Nennbetragsaktien des Betrags, bei Stückaktien der Zahl der von jedem vertretenen Aktien unter Angabe ihrer Gattung aufzustellen. (2) 1Sind einem Kreditinstitut oder einer in § 135 Abs. 8 bezeichneten Person Vollmachten zur Ausübung des Stimmrechts erteilt worden und übt der Bevollmächtigte das Stimmrecht im Namen dessen, den es angeht, aus, so sind bei Nennbetragsaktien der Betrag, bei Stückaktien die Zahl und die Gattung der Aktien, für die ihm Vollmachten erteilt worden sind, zur Aufnahme in das Verzeichnis gesondert anzugeben. 2 Die Namen der Aktionäre, welche Vollmachten erteilt haben, brauchen nicht angegeben zu werden. (3) 1Wer von einem Aktionär ermächtigt ist, im eigenen Namen das Stimmrecht für Aktien auszuüben, die ihm nicht gehören, hat bei Nennbetragsaktien den Betrag, bei Stückaktien die Zahl und die Gattung dieser Aktien zur Aufnahme in das Verzeichnis gesondert anzugeben. 2Dies gilt auch für Namensaktien, als deren Aktionär der Ermächtigte im Aktienregister eingetragen ist.
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Thomas Wachter
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer
§ 129
(4) 1Das Verzeichnis ist vor der ersten Abstimmung allen Teilnehmern zugänglich zu machen. 2Jedem Aktionär ist auf Verlangen bis zu zwei Jahren nach der Hauptversammlung Einsicht in das Teilnehmerverzeichnis zu gewähren. (5) § 125 Abs. 5 gilt entsprechend. Literatur: Austmann, Verfahrensanträge in der Hauptversammlung, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 45; Bachmann, Die Geschäftsordnung der Hauptversammlung, AG 1999, 210; Bayer/Scholz, Der Legitimationsaktionär – Aktuelle Fragen aus der gerichtlichen Praxis, NZG 2013, 721; G. Bezzenberger, Die Geschäftsordnung der Hauptversammlung, ZGR 1998, 352; Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 5. Aufl. 2011; Cahn, Die Mitteilungspflicht des Legitimationsaktionärs, AG 2013, 459; Dietrich, Voraussetzungen und Inhalte einer Geschäftsordnung der Hauptversammlung, NZG 1998, 921; Faßbender, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft aus notarieller Sicht, RNotZ 2009, 425; Hennerkes/Kögel, Eine Geschäftsordnung für die Hauptversammlung, DB 1999, 81; Herrler, Generelle Beschränkung der Frage- und Redezeit durch den Versammlungsleiter – erweiterte Befugnisse durch eine Regelung i. S. von § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG, DNotZ 2010, 331; Höreth/Linnerz, Geschäftsordnungsanträge in Hauptversammlungen, 2012; Ihrig, Zur Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung in Fragen der Versammlungsleitung, in: Festschrift für Wulf Goette, 2011, S. 205 ff., Jerczynski, Beschränkungen des Frage- und Rederechts der Aktionäre in der Hauptversammlung, NJW 2010, 1566; Kersting, Eine Niederlage für Berufskläger? – Zur Zulässigkeit inhaltlicher Beschränkungen des Frage- und Rederechts der Aktionäre gem. § 131 II 2 AktG, NZG 2010, 446; Kremer, Zur Praxis der Hauptversammlungsleitung, in: Festschrift für Michael HoffmannBecking, 2013, S. 697; v. d. Linden, Haftung für Fehler bei der Leitung der Hauptversammlung, NZG 2013, 208; v. d. Linden, Wer entscheidet über die Form der Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung?, NZG 2012, 930; Marsch-Barner, Zu den Rechtsfolgen von Fehlern bei der Leitung der Hauptversammlung, in: Festschrift für Günter Brambring, 2011, S. 267; Nagel/ Ziegenhahn, Die Dauer von Hauptversammlungen als Rechtsproblem, WM 2010, 1005; Nartowska, Stimmrechtsmeldepflichten und Rechtsverlust eines Legitimationsaktionärs nach §§ 21 ff. WpHG?, NZG 2012, 124; Reichert/Habarth, Stimmrechtsvollmacht, Legitimationszession und Stimmrechtsausschlussvertrag in der AG, AG 2001, 447; Richter, Unterliegt der im Aktienregister eingetragene Legitimationsaktionär den Mitteilungspflichten aus den §§ 21 ff. WpHG?, WM 2013, 2296 (Teil I) und WM 2013, 2337 (Teil II); Schaaf, Praxis der Hauptversammlung, 3. Aufl., 2011; Schaaf, Die Geschäftsordnung der Hauptversammlung – eine praktische Notwendigkeit?, ZIP 1999, 1339; Terbrack, L’etat c’est moi – oder: Von der trügerischen Allherrlichkeit des Alleinaktionärs bei Hauptversammlungen, RNotZ 2012, 221; Tröder, Erste Erfahrungen mit den Auswirkungen des NaStraG auf die Praxis der Hauptversammlung, RNotZ 2001, 439; Weber, Absage einer auf ein Aktionärsverlangen einberufenen Hauptversammlung und Abhaltung einer Hauptversammlung durch die Aktionäre, NZG 2013, 890; Wicke, Die Leitung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, NZG 2008, 771; Widder/Koch, Stimmrechtsmitteilungspflicht des weisungsgebundenen Legitimationsaktionärs nach §§ 21 ff. WpHG?, ZIP 2012, 2092; Wilsing/v. d. Linden, Debatte und Abstimmung über Geschäftsordnungsanträge in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, ZIP 2010, 2321; Wilsing/v. d. Linden, Statutarische Ermächtigungen des Hauptversammlungsleiters zur Beschränkung des Frage- und Rederechts – Praktische Konsequenzen des BGH-Urteils vom 8.2.2010 – II ZR 94/08 – „Redezeitbeschränkung“, DB 2010, 718, für die Satzungsgestaltung –, DB 2010, 1277; Wilsing/v. d. Linden, Hauptversammlungsleitung durch einen Unternehmensfremden, ZIP 2009, 641.
Übersicht I. Überblick..............................................1 II. Geschäftsordnung (§ 129 Abs. 1 Satz 1) ............................3 1. Ermächtigung .......................................3 2. Inhalt der Geschäftsordnung...............4
3. Verfahren bei Erlass einer Geschäftsordnung ................................9 4. Verstöße gegen die Geschäftsordnung ..............................13
Thomas Wachter
743
§ 129
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer
III. Teilnehmerverzeichnis (§ 129 Abs. 1 Satz 2 bis Abs. 5)........ 14 1. Zweck des Teilnehmerverzeichnisses..................................... 14 2. Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses..................................... 16 3. Inhalt des Teilnehmerverzeichnisses..................................... 23 a) Überblick ..................................... 23 b) Eigenbesitz................................... 24 c) Vollmachtsbesitz ......................... 29 d) Fremdbesitz ................................. 31 e) Sonstiger Inhalt ........................... 33 I.
4. Publizität des Teilnehmerverzeichnisses ..................34 a) In der Hauptversammlung...........34 b) Nach der Hauptversammlung .....35 5. Verstöße im Zusammenhang mit dem Teilnehmerverzeichnis ...............37 IV. Versammlungsleitung.......................40 1. Allgemeines.........................................40 2. Versammlungsleiter............................41 a) Person des Versammlungsleiters ....................41 b) Befugnisse des Versammlungsleiters ....................43
Überblick
1 Im dritten Unterabschnitt (§§ 129 bis 132) des vierten Abschnitts des AktG sind einzelne Fragen der Durchführung der Hauptversammlung geregelt. Die einleitende Vorschrift des § 129 betrifft dabei vor allem zwei Fragenbereiche: zum einen die Ermächtigung der Hauptversammlung zur Schaffung einer Geschäftsordnung (§ 129 Abs. 1 Satz 1) und zum anderen die Verpflichtung zur Führung eines Teilnehmerverzeichnisses (§ 129 Abs. 1 Satz 2 bis Abs. 5). Die Vorschrift ist zwingend.1) Für Sonderbeschlüsse und Sonderversammlungen gelten die Regelungen entsprechend (§ 138 Satz 2). 2 Die Vorschrift ist mehrfach geändert worden,2) zuletzt durch das ARUG3) (redaktionelle Folgeänderung in § 129 Abs. 2 Satz 1: Änderung der Verweisung von § 135 Abs. 9 AktG a. F. in § 135 Abs. 9 AktG n. F.). II.
Geschäftsordnung (§ 129 Abs. 1 Satz 1)
1.
Ermächtigung
3 Die Hauptversammlung kann sich eine Geschäftsordnung mit Regeln für die Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung geben (§ 129 Abs. 1 Satz 1). Die Regelung hat allerdings lediglich deklaratorische Bedeutung. Bereits vor der Einführung der Vorschrift im Jahr 19984) war allgemein anerkannt, dass die Hauptversammlung in einer Geschäftsordnung Verfahrensregeln zum Ablauf der Hauptversammlung niederlegen kann.5) Die Vorschrift wird vielfach als überflüssig6) angesehen. 2.
Inhalt der Geschäftsordnung
4 Inhaltlich betrifft die Geschäftsordnung die Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung (§ 129 Abs. 1 Satz 1). Allerdings ist der mögliche Inhalt der Geschäftsordnung durch die zwingenden Vorgaben des Aktienrechts in mehrfacher Hinsicht beschränkt.7) _____________ 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
744
Teilweise weitergehend im Hinblick auf § 129 Abs. 4 AktG Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 46; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 17. S. die Nachweise bei Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 18. Art. 1 Nr. 18 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479; s. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 47 und S. 49 ff. Art. 1 Nr. 18 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I 1998, 78; s. dazu BT-Drucks. 13/9712, S. 19. Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1a. So K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 1; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 3. Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 4.
Thomas Wachter
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer
§ 129
Die Geschäftsordnung steht in der Normenhierarchie unter dem AktG und der Satzung und darf diesen daher nicht widersprechen (siehe auch § 23 Abs. 5).8) Darüber hinaus darf die Geschäftsordnung die Leitungs- und Ordnungsbefugnisse des Versammlungsleiters nicht beschränken, da ihm diese nicht von der Hauptversammlung gewährt werden, sondern kraft seines Amtes zustehen. Schließlich darf die Geschäftsordnung auch nicht in die Rechte der Aktionäre eingreifen (wie etwa das Teilnahme-, Stimm- oder Auskunftsrecht). Aufgrund dieser ungeschriebenen Grenzen haben Geschäftsordnungen für die Hauptversammlung in der Praxis nur eine geringe Bedeutung (anders als die Geschäftsordnungen für den Vorstand oder den Aufsichtsrat).9) Beispiele für zulässige Regelungen in der Geschäftsordnung einer Hauptversammlung 5 sind etwa:10) – –
Zulassung von Bild- und Tonübertragungen der Versammlung (§ 118 Abs. 4), Ermächtigung des Versammlungsleiters zur Beschränkung des Frage- und Rederechts der Aktionäre (§ 131 Abs. 2 Satz 2), – Bestimmung des Versammlungsleiters (soweit nicht bereits durch die Satzung vorgegeben), – Zulassung von Gästen und Vertretern der Medien zur Hauptversammlung, – Teilnahmerecht des Abschlussprüfers an der Hauptversammlung (über § 176 Abs. 2 hinausgehend), – Behandlung einzelner Tagesordnungspunkte, – Eröffnung, Unterbrechung, Fortsetzung, Vertagung oder Schließung der Hauptversammlung. Allerdings ist auch in diesen Fällen eine Regelung in einer Geschäftsordnung keineswegs 6 immer sinnvoll, weil sie zu einer ungewollten Selbstbindung der Verwaltung führt und zudem die richtige Entscheidung in der jeweiligen Situation unter Umständen erschwert. Unzulässig wären dagegen etwa folgende Regelungen in der Geschäftsordnung einer Haupt- 7 versammlung:11) – Ausübung allgemeiner Ordnungsbefugnisse des Versammlungsleiters, – Sicherheitskontrollen, – Einberufung der Hauptversammlung (siehe §§ 121 bis 128), – Ausübung des Stimmrechts (§§ 133 bis 135). Eine Regelung durch die Geschäftsordnung ist insbesondere auch in den Fällen unzu- 8 lässig, in denen der Gesetzgeber eine Regelungsmöglichkeit durch die Satzung (z. B. §§ 121 Abs. 5 Satz 1, 122 Abs. 1 Satz 2, § 123 Abs. 2 und 3, 134 Abs. 4), aber eben nicht auch durch die Geschäftsordnung vorgesehen hat (Umkehrschluss aus §§ 118 Abs. 4 und 131 Abs. 2 Satz 2).12) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Satzung ausdrücklich eine Ermächtigung für eine Regelung in einer Geschäftsordnung vorsieht.13) _____________ 8) Missverständlich insoweit die amtliche Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 13/9712, S. 19 f. 9) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1a; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 3; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 4. 10) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 7; Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 5; K. Schmidt/LutterZiemons, AktG, § 129 Rz. 6; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 12; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 10. – Weitergehend teilweise die in der amtlichen Gesetzesbegründung genannten Beispiele, BT-Drucks. 13/9712, S. 19. 11) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 6; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, § 129 Rz. 5. 12) Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1c; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 4. 13) A. A. allerdings Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 5; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 4; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 4.
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§ 129 3.
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer Verfahren bei Erlass einer Geschäftsordnung
9 Der Erlass einer Geschäftsordnung erfolgt durch Beschluss der Hauptversammlung. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst (§ 129 Abs. 1 Satz 1) und der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 133 Abs. 1). Die Satzung kann (anders als etwa für satzungsändernde Beschlüsse, § 179 Abs. 2 Satz 2) keine andere Kapitalmehrheit vorsehen und auch keine weiteren Erfordernisse aufstellen (siehe § 179 Abs. 2 Satz 3). Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf stets der notariellen Beurkundung (§ 130 Abs. 1). 10 Mit der Einberufung der Hauptversammlung ist der Vorschlag zur Beschlussfassung über die Geschäftsordnung bekanntzumachen (§§ 121 Abs. 3 und 4 sowie 124 Abs. 3 und 4). Die vorgeschlagene Geschäftsordnung ist im Übrigen weder im Wortlaut14) noch ihrem wesentlichen Inhalt nach15) gesondert bekannt zu machen (siehe § 124 Abs. 2 Satz 2).16) Denn die Geschäftsordnung ist mit der Satzung bzw. einem zustimmungsbedürftigen Vertrag nicht vergleichbar. Der Inhalt der Geschäftsordnung muss den Aktionären auch nicht über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden (siehe etwa §§ 175 Abs. 2, 124a).17) Die Geschäftsordnung ist nicht zum Handelsregister einzureichen (siehe demgegenüber für die Satzung, §§ 37 Abs. 4 Nr. 1, 181). 11 Für die (vollständige oder teilweise) Änderung oder Aufhebung einer Geschäftsordnung gelten dieselben Verfahrensregeln und Mehrheitserfordernisse wie für deren erstmaligen Erlass.18) Die gesetzliche Regelung ist (entgegen einer weit verbreiteten Meinung) nicht auf den erstmaligen Erlass einer neuen Geschäftsordnung beschränkt (siehe Gesetzeswortlaut „Geschäftsordnung … geben“ in § 129 Abs. 1 Satz 1). 12 Eine punktuelle Durchbrechung der Geschäftsordnung ist im Einzelfall mit einer qualifizierten Mehrheit möglich.19) 4.
Verstöße gegen die Geschäftsordnung
13 Ein Beschluss der Hauptversammlung, der unter Verstoß gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung gefasst worden ist, kann grundsätzlich nicht angefochten werden. Denn eine Beschlussanfechtung ist nur wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung, nicht aber auch der Geschäftsordnung möglich (§ 243 Abs. 1).20) Etwas anderes gilt aber dann, wenn in dem Verstoß gegen die Geschäftsordnung zugleich auch ein Verstoß gegen das Gesetz oder die Satzung zu sehen ist (z. B. § 53a).21)
_____________ 14) Dafür Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 8; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 10. 15) Dafür Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 8; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1d; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 9. 16) Zutreffend Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 20. 17) So aber Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 9; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 11; dagegen zu Recht Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 8. 18) Wie hier K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 12; anders die h. M. in Bezug auf die vollständige Aufhebung – nur einfache Mehrheit erforderlich – Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 10; HöltersDrinhausen, AktG, § 129 Rz. 9; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1e; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 10. 19) Ebenso K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 11; anders aber die wohl überwiegende Meinung, Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 10; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 11. 20) Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, AktG, § 129 Rz. 28 ff.; a. A. – unter Hinweis darauf, dass die GO auf einer gesetzlichen Grundlage in Gestalt von § 129 Abs. 1 Satz 1 AktG beruht – K. Schmidt/LutterZiemons, AktG, § 129 Rz. 14; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 14. 21) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 11; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1g.
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Thomas Wachter
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer III.
Teilnehmerverzeichnis (§ 129 Abs. 1 Satz 2 bis Abs. 5)
1.
Zweck des Teilnehmerverzeichnisses
§ 129
In der Hauptversammlung ist ein Teilnehmerverzeichnis aufzustellen (§ 129 Abs. 1 Satz 2). 14 Nach der amtlichen Gesetzesbegründung hat das Teilnehmerverzeichnis vor allem den Zweck festzuhalten, welche Personen (als Aktionär, Bevollmächtigte oder Fremdbesitzer) an der Hauptversammlung teilgenommen haben.22) In der Praxis dient das Teilnehmerverzeichnis vor allem auch als Präsenzliste und ermöglicht somit insbesondere die Feststellung der Beschlussfähigkeit, die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses (z. B. beim Subtraktionsverfahren) und die Kontrolle von gesetzlichen Stimmrechtsausschlüssen (z. B. nach §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4, 71b oder § 136 Abs. 1). Darüber hinaus lässt sich anhand des Teilnehmerverzeichnisses feststellen, ob den anwesenden Personen ein Rede- und Fragerecht zusteht (oder sie bspw. nur als Gast an der Hauptversammlung teilnehmen). Der Vorstand kann anhand des Teilnehmerverzeichnisses zudem feststellen, welchen Kreditinstituten bzw. Aktionärsvereinigungen er die Einberufung der Hauptversammlung mitteilen muss (§ 125 Abs. 1 Satz 1). Nicht bezweckt (und auch nicht erreicht), wird dagegen die Transparenz der Beteiligungs- 15 verhältnisse (insbesondere weil in den Fällen des § 129 Abs. 2 und Abs. 3 die Aktionäre im Teilnehmerverzeichnis nicht aufgeführt werden).23) 2.
Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses
Ein Teilnehmerverzeichnis ist in jeder Hauptversammlung aufzustellen, und zwar auch 16 dann, wenn es sich um eine Vollversammlung24) oder eine Einmann-AG25) handelt. Das AktG regelt nur, dass in der Hauptversammlung ein Teilnehmerverzeichnis aufzu- 17 stellen ist (§ 129 Abs. 1 Satz 2), lässt aber offen, wer dafür zuständig ist. Die Frage ist umstritten.26) Richtigerweise sind die Gesellschaft (vertreten durch den Vorstand)27) und der Versammlungsleiter gemeinsam für die Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses verantwortlich. Der Gesellschaft obliegt die Pflicht zur Vorbereitung der Hauptversammlung. Damit muss sie auch die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses schaffen. Der Versammlungsleiter muss dagegen die korrekte Führung des Teilnehmerverzeichnisses in der Hauptversammlung sicherstellen. Dabei kann er sich der von der Gesellschaft bereitgestellten Hilfsmittel bedienen. Das Teilnehmerverzeichnis ist „in der Hauptversammlung“ aufzustellen (§ 129 Abs. 1 Satz 2). 18 Üblich und zulässig ist es aber, mit der Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses bereits vor der Hauptversammlung zu beginnen (auf der Grundlage der erfolgten Anmeldungen, Hinterlegungen oder Eintragungen im Aktienregister).28) Denn spätestens „vor der ersten Abstimmung“ muss die Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses abgeschlossen sein _____________ 22) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 2; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 1; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 32 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 2; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 1 f.; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 16. 23) Weitergehend Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 1 und 22. 24) Allg. M., s. nur Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 5. 25) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 17; a. A. aber die ganz h. M. Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 5; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 15. 26) S. zum Streitstand und eine differenzierende Lösung Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 15; Hüffer, AktG, § 129 Rz. 6 f. 27) Dafür Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 17; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 81; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 15; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 16; Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 20 f. 28) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 17.
Thomas Wachter
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§ 129
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer
(§ 129 Abs. 4 Satz 1).29) Gegebenenfalls muss der Versammlungsleiter die Hauptversammlung bis zur Fertigstellung des Teilnehmerverzeichnisses unterbrechen. 19 Änderungen im Kreis der Teilnehmer (z. B. vorzeitiges Verlassen der Hauptversammlung oder nachträgliches Erscheinen von Aktionären) sind in Nachträgen zum Teilnehmerverzeichnis festzuhalten. Eine Aktualisierung des Teilnehmerverzeichnisses ist insbesondere vor Beginn jeder Abstimmung erforderlich.30) Das bei Beginn der Versammlung erstellte Teilnehmerverzeichnis und die späteren Nachträge bilden zusammen ein einheitliches Teilnehmerverzeichnis. 20 Das Teilnehmerverzeichnis kann schriftlich oder elektronisch geführt werden.31) Das gesetzliche Einsichtsrecht muss allerdings auch nach der Hauptversammlung noch gewährleistet sein (§ 129 Abs. 4 Satz 2). Das Teilnehmerverzeichnis muss stets so geführt werden, dass es für einen Einsicht nehmenden Aktionär übersichtlich und verständlich ist (Rechtsgedanke § 238 Abs. 1 HGB). 21 Eine Unterzeichnung des Teilnehmerverzeichnisses (durch den Versammlungsleiter oder eine andere Person) ist gesetzlich nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich. 22 Den beurkundenden Notar treffen in Bezug auf das Teilnehmerverzeichnis keine Prüfungs-, Kontroll- oder Überwachungspflichten.32) Denn das Teilnehmerverzeichnis muss nicht beurkundet und der Niederschrift auch nicht als Anlage beigefügt werden (siehe § 130 Abs. 2 und 3). Fehler bei der Aufstellung des Teilnehmerverzeichnisses können daher auch nicht zur Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses (nach § 241 Nr. 2) führen (allerdings kann der Beschluss anfechtbar sein, § 243 Abs. 1). Der Notar darf die Beurkundung auch dann nicht ablehnen, wenn das Teilnehmerverzeichnis ganz fehlt oder nach seiner Auffassung fehlerhaft ist (siehe § 4 BeurkG und § 14 Abs. 2 BNotO). 3.
Inhalt des Teilnehmerverzeichnisses
a)
Überblick
23 Im Teilnehmerverzeichnis sind Aktionäre (Eigenbesitz, „E“), Bevollmächtigte (Vollmachtsbesitz, „V“) und Fremdbesitzer (Fremdbesitz, „F“) mit unterschiedlichen Angaben aufzuführen (§ 129 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 und 5). b)
Eigenbesitz
24 In das Teilnehmerverzeichnis sind die erschienenen und vertretenen Aktionäre sowie die Vertreter von Aktionären aufzunehmen (sog. Eigenbesitz, § 129 Abs. 1 Satz 2). 25 Erschienene Aktionäre sind die Aktionäre, die ihre Aktien im eigenen Namen halten. Als erschienen gelten auch Aktionäre, die online an der Hauptversammlung teilnehmen (§ 118 Abs. 1 Satz 2), nicht dagegen auch die Aktionäre, die ihr Stimmrecht i. R. der Briefwahl
_____________ 29) Weitergehend K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 19 – Teilnehmerverzeichnis muss bereits vor Beginn der Aussprache aufgestellt und zugänglich sein. 30) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 20; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 19 f.; Spindler/ Stilz-Wicke, § 129 Rz. 24; mit gewissen Einschränkungen auch Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 18; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 75 f. 31) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 19; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 18. 32) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 16; weitergehend allerdings die ganz h. M., wonach dem Notar zumindest eine summarische Rechtmäßigkeitsprüfung bzw. eine Plausibilitätskontrolle obliegt, Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 18; Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 16; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 83 f.; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 17 und 20; Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 22.
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Thomas Wachter
Geschäftsordnung; Verzeichnis der Teilnehmer
§ 129
ausüben (§ 118 Abs. 2).33) Treuhandverhältnisse sind im Teilnehmerverzeichnis nicht besonders anzugeben.34) „Vertretene Aktionäre“ meint diejenigen Aktionäre, die aufgrund offener Stellvertretung 26 von einer anderen Person vertreten werden. In diesem Fall ist sowohl der offene Stellvertreter als auch der vertretene Aktionär in das Teilnehmerverzeichnis aufzunehmen (§ 129 Abs. 1 Satz 2 und Umkehrschluss aus § 129 Abs. 2 Satz 2). Im Falle offener Stellvertretung gehören die Aktien zum Eigenbesitz (und nicht zum Vollmachtsbesitz wie im Falle der verdeckten Stellvertretung). Anzugeben ist jeweils der (Vor-35) und Nach-)Name und der Wohnort des Aktionärs 27 (und im Falle der offenen Stellvertretung auch zusätzlich des Vertreters) (§ 129 Abs. 1 Satz 2). Nicht (zwingend) anzugeben sind dagegen der Beruf, das Geburtsdatum oder die vollständige Wohnanschrift. Bei Gesellschaften sind an Stelle von Name und Wohnort die Firma und der Sitz anzugeben. Bei einem Wohnort bzw. Sitz im Ausland ist aus Gründen der Transparenz auch die Angabe des entsprechenden Staates geboten.36) Ferner sind Angaben zum Umfang des Aktienbesitzes und zur Gattung der Aktien 28 erforderlich (§ 129 Abs. 1 Satz 2). Bei Nennbetragsaktien (siehe § 8 Abs. 2) ist der gesamte Nennbetrag, bei Stückaktien (siehe § 8 Abs. 3) die Zahl der Aktien anzugeben (siehe auch § 134 Abs. 1 Satz 1). Bei Aktien unterschiedlicher Gattungen (§ 11) – und nur dann – ist im Hinblick auf etwaige Sonderbeschlüsse (siehe z. B. §§ 179 Abs. 3, 182 Abs. 2 Satz 2, 222 Abs. 2 Satz 2) zusätzlich die jeweilige Gattung anzugeben. c)
Vollmachtsbesitz
In Fällen der offenen Stellvertretung ist im Teilnehmerverzeichnis sowohl die Person des 29 Vertreters als auch des Aktionärs offen zu legen (§ 129 Abs. 1 Satz 2). Dagegen ist es in Fällen der verdeckten Stellvertretung (Handeln im Namen dessen, den es angeht) ausreichend, nur die Person des Bevollmächtigten (und nicht auch die des Aktionärs) im Teilnehmerverzeichnis anzugeben (sog. Vollmachtsbesitz, § 129 Abs. 2 Satz 2). Eine solche verdeckte Stellvertretung ist allerdings nur durch Kreditinstitute (§ 129 Abs. 2 Satz 1, siehe auch § 135 Abs. 5 Satz 2), Aktionärsvereinigungen (§ 135 Abs. 8) und Finanzdienstleister (§ 129 Abs. 5, § 125 Abs. 5) zulässig. Gleichgestellt sind darüber hinaus die von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter37) (siehe § 134 Abs. 3 Satz 5).38) In allen anderen Fällen ist nur eine offene Stellvertretung möglich. Im Teilnehmerverzeichnis ist die verdeckte Stellvertretung gesondert anzugeben (in der 30 Praxis meist abgekürzt „V“, § 129 Abs. 2 Satz 2). Allerdings ist nicht jeder Vollmachtsbesitz einzeln aufzuführen. Vielmehr können wert- und gattungsgleiche Aktien zusammengefasst werden, wenn ein Bevollmächtigter mehrere Aktionäre vertritt.39) In Bezug auf die _____________ 33) Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 47 und 49; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 31. 34) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 25; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 46. 35) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 20; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 23; a. A. Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 26. 36) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 20; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 24; Spindler/StilzWicke, AktG, § 129 Rz. 26; a. A. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 25. 37) Zur Stimmrechtsausübung durch einen von der Gesellschaft benannten, aber nicht bei dieser tätigen Stimmrechtsvertreter s. OLG Hamm, Urt. v. 8.10.2012 – I-8 U 270/11, ZIP 2013, 1024 (Az. d. BGH: II ZR 318/12). 38) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 23; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 31. 39) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 24; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 32; a. A. K. Schmidt/ Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 26.
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erforderlichen Angaben zum Umfang des Aktienbesitzes gelten die gleichen Anforderungen wie beim Eigenbesitz (§ 129 Abs. 2 Satz 1). d)
Fremdbesitz
31 Bei der (offenen und verdeckten) Stellvertretung handelt der Vertreter jeweils im fremden Namen. Davon zu unterscheiden ist der Fall der sog. Legitimationsübertragung, bei der der Aktionär eine (beliebige) andere Person (nicht aber ein Kreditinstitut, § 135 Abs. 1 Satz 1) zeitlich befristet ermächtigt (§ 185 BGB), das (fremde) Stimmrecht im eigenen Namen auszuüben.40) Die Legitimationszession ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wird aber im Gesetz als zulässig vorausgesetzt (siehe § 129 Abs. 3, § 135 Abs. 6). Als Fall des Fremdbesitzes wird auch die Ausübung des Stimmrechts durch einen Testamentsvollstrecker oder einen Insolvenzverwalter angesehen.41) 32 Im Teilnehmerverzeichnis ist die Legitimationsübertragung anzugeben (meist gekennzeichnet als „F“, § 129 Abs. 3 Satz 1). Dabei wird nur der Legitimationsaktionär, nicht aber auch der übertragende Aktionär selbst aufgeführt. In Bezug auf den Aktienbesitz sind die gleichen Angaben wie beim Vollmachtsbesitz zu machen. Dies gilt auch für die Möglichkeit Aktien mehrerer Aktionäre zusammenzufassen, wenn für diese nur ein Legitimationsaktionär handelt.42) Die Legitimationsübertragung ist im Teilnehmerverzeichnis auch dann anzugeben, wenn der Legitimationsaktionär bereits im Aktienregister eingetragen ist (§ 129 Abs. 3 Satz 2 als Klarstellung gegenüber § 67 Abs. 2).43) e)
Sonstiger Inhalt
33 Weitere Angaben sind im Teilnehmerverzeichnis zwar möglich, aber weder erforderlich noch üblich. Insbesondere sind keine Angaben zu machen zu etwaigen Stimmverboten, Belastungen von Aktien mit Nießbrauchs- oder Pfandrechten oder zur Leistung der Einlagen (siehe § 134 Abs. 2).44) 4.
Publizität des Teilnehmerverzeichnisses
a)
In der Hauptversammlung
34 Das Teilnehmerverzeichnis ist vor der ersten Abstimmung45) (gleich welcher Art) allen Teilnehmern (schriftlich oder elektronisch) zugänglich zu machen (§ 129 Abs. 4 Satz 1).46) Zugangsberechtigt sind nicht nur Aktionäre und deren Vertreter, sondern alle Teilnehmer, d. h. auch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, der Abschlussprüfer und _____________ 40) Zur Anfechtungsbefugnis des wahren Aktionärs im Falle eines Legitimationsübertragung s. LG Frankfurt/ M., Urt. v. 18.12.2012 – 3-05 O 96/12, ZIP 2013, 119. Zust. Bayer/Scholz, NZG 2013, 721, 722 f. – Zur Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen der Ausübung des Stimmrechts durch einen nicht ausreichend ermächtigten Legitimationsaktionär s. OLG Bremen, Beschl. v. 16.8.2012 – 2 U 51/12 (AktG), ZIP 2013, 460. Abl. Bayer/Scholz, NZG 2013, 721, 723 f. 41) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 25; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 129 Rz. 62. 42) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 27; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 28; a. A. – trotz des identischen Wortlauts „gesondert anzugeben“ in § 129 Abs. 2 und 3 AktG – Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 34. 43) Zur Mitteilungspflicht von Legitimationsaktionären nach § 21 Abs. 1 WpHG s. OLG Köln, Urt. v. 6.6.2012 – I-18 U 240/11, ZIP 2012, 1458 = NZG 2012, 946, dazu EWiR 2012, 773 (Goslar), n. rkr., Az. d. BGH: II ZR 209/12. Zust. Bayer/Scholz, NZG 2013, 721, 725 ff. Abl. dagegen Cahn, AG 2013, 459; Nartowska, NZG 2013, 124; Richter, WM 2013, 2296 und 2337; Widder/Koch, ZIP 2012, 2092. 44) Hüffer, AktG, § 129 Rz. 4. 45) A. A. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 19 und 31 – vor Beginn der Aussprache. 46) Hüffer, AktG, § 129 Rz. 13.
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der beurkundende Notar (nicht aber auch Gäste und Vertreter der Medien).47) Nachdem das Teilnehmerverzeichnis zugänglich gemacht worden ist, kann umgehend mit der Abstimmung begonnen werden.48) Das Teilnehmerverzeichnis muss bis zum Ende der Hauptversammlung zugänglich bleiben. b)
Nach der Hauptversammlung
Nach der Hauptversammlung muss die Gesellschaft jedem Aktionär (nicht auch Dritten) 35 auf die Dauer von zwei Jahren Einsicht in das Teilnehmerverzeichnis gewähren (§ 129 Abs. 4 Satz 2). Die Einsichtsgewährung kann schriftlich oder elektronisch erfolgen. Ausreichend wäre es demnach grundsätzlich auch, das Teilnehmerverzeichnis den Aktionären über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. Gleichwohl sollte dies aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes im Regelfall nicht geschehen (siehe auch § 30a Abs. 1 Nr. 3 WpHG für börsennotierte Gesellschaften).49) Zur Einsichtnahme berechtigt sind alle Aktionäre, die im Teilnehmerverzeichnis als solche aufgeführt sind oder im Zeitpunkt des Einsichtsverlangens Aktionäre sind.50) Im Handelsregister kann das Teilnehmerverzeichnis heute nicht mehr abgerufen werden 36 (§ 9 Abs. 1 HGB). Das Teilnehmerverzeichnis ist der Niederschrift über die Hauptversammlung nicht mehr als Anlage beizufügen (siehe § 130 Abs. 3), so dass das Handelsregister insoweit auch keine Publizitätswirkung mehr hat (§ 130 Abs. 5). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Teilnehmerverzeichnis der Niederschrift ausnahmsweise freiwillig beigefügt worden ist. 5.
Verstöße im Zusammenhang mit dem Teilnehmerverzeichnis
Verstöße gegen die Pflicht zur Aufstellung und Führung des Teilnehmerverzeichnisses 37 machen die Beschlüsse der Hauptversammlung anfechtbar (§ 243 Abs. 1).51) Eine Anfechtungsklage ist allerdings nur dann begründet, wenn der Beschluss (ausnahmsweise) auf dem fehlenden, unvollständigen oder falschen Teilnehmerverzeichnis beruht.52) Bei schuldhaften Pflichtverletzungen können darüber hinaus auch Schadensersatzansprüche 38 anderer Teilnehmer (nicht aber der Gesellschaft selbst) bestehen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 129 AktG). Wer als Aktionär oder Aktionärsvertreter die in das Teilnehmerverzeichnis aufzunehmen- 39 den Angaben vorsätzlich nicht oder nicht richtig macht, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 405 Abs. 2 AktG i. V. m. § 10 OWiG). Daraus können sich zudem Schadensersatzansprüche ergeben (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 405 Abs. 2 AktG). IV.
Versammlungsleitung
1.
Allgemeines
Der Ablauf der Hauptversammlung ist im AktG nur kursorisch geregelt (siehe §§ 118 ff.). 40 In der Satzung bzw. der Geschäftsordnung finden sich meist gleichfalls nur wenige Rege_____________ 47) Hüffer, AktG, § 129 Rz. 13; großzügiger – Ermessen des Versammlungsleiters – Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 29; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 35. 48) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 30; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 32; a. A. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 37 – Mindestfrist von 15 Minuten. 49) S. Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 31; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 33. 50) Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Rz. 31. 51) Hüffer, AktG, § 129 Rz. 16; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 129 Rz. 42 f.; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 129 Rz. 36. 52) S. dazu OLG Hamburg, Urt. v. 19.5.1989 – 11 U 62/89, AG 1990, 394, dazu EWiR 1990, 731 (Großfeld).
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lungen zur Durchführung der Hauptversammlung. In der Praxis haben sich über die Jahre verschiedene Grundsätze entwickelt, die heute allgemein anerkannt sind.53) Eine zentrale Bedeutung kommt dabei dem Versammlungsleiter zu. 2.
Versammlungsleiter
a)
Person des Versammlungsleiters
41 Das Aktienrecht geht zu Recht davon aus, dass jede Hauptversammlung einen Versammlungsleiter (siehe §§ 118 Abs. 4, 131 Abs. 2 Satz 2) bzw. einen Vorsitzenden (siehe § 130 Abs. 2 Satz 1) haben muss. Zur Person des Versammlungsleiters und dessen Befugnissen fehlt es allerdings an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (Ausnahme: § 122 Abs. 3 Satz 2, für den Fall der Einberufung der Hauptversammlung auf Verlangen einer Minderheit).54) 42 In der Praxis enthält die Satzung meist eine Regelung, wonach der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Hauptversammlung leitet.55) Findet sich in der Satzung ausnahmsweise keine solche Regelung, wird der Versammlungsleiter durch die Hauptversammlung gewählt.56) Dabei übernimmt in der Regel57) der älteste anwesende Aktionär (bzw. nach a. A. der Vorsitzende des Vorstands)58) den Vorsitz und führt die Wahl des Versammlungsleiters durch.59) Der beurkundende Notar kann in keinem Fall als Leiter der Hauptversammlung tätig werden (siehe auch § 3 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG).60) b)
Befugnisse des Versammlungsleiters
43 Dem Versammlungsleiter stehen grundsätzlich alle Befugnisse zu, die zu einer sachgerechten Durchführung der Hauptversammlung erforderlich sind.61) Dazu gehören insbesondere sämtliche Leitungs- und Ordnungsbefugnisse. 44 Die Leitungsbefugnisse umfassen u. a. die Eröffnung, Schließung und Unterbrechung der Hauptversammlung, die sachgerechte Erledigung aller Punkte der Tagesordnung (und zwar grundsätzlich in der Reihenfolge, wie sie in der Einberufung aufgeführt sind, siehe § 121 Abs. 3 Satz 2),62) die Organisation der Aussprache (meist in der Form der Generaldebatte) einschließlich der Festlegung der Reihenfolge der Redner, der Erteilung und Ent_____________ 53) Instruktiv dazu u. a. Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft; Höreth/Linnerz, Geschäftsordnungsanträge in Hauptversammlungen; Schaaf, Die Praxis der Hauptversammlung; Semler/Volhard/ Reichert, ArbHdb. HV. 54) Zur Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung in Fragen der Versammlungsleitung Ihrig in: FS Goette, S. 205 ff. 55) Hüffer, AktG, § 129 Rz. 18; grds. kein Satzungsverstoß bei partieller Übertragung der Versammlungsleitung während eines Tagesordnungspunkts wegen der Gefahr der Interessenkollision – LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.6.2008 – 3/5 O 158/07, NZG 2009, 149. – A A OLG Köln, Urt. v. 28.2.2008 – 18 U 3/08, ZIP 2008, 1767 für eine Einpersonen-AG. Zu Recht krit. dazu Terbrack, RNotZ 2012, 221. 56) Dabei kann der Vorstandsvorsitzende in der Regel nicht zum Versammlungsleiter gewählt werden, OLG Hamburg, Urt. v. 19.5.1989 – 11 U 62/89, AG 1990, 394, dazu EWiR 1990, 731 (Großfeld). – Zur Wahl des Versammlungsleiters durch die Hauptversammlung s. a. LG Frankfurt/M., Urt. v. 12.3.2013 – 3-05 O 114/12, ZIP 2013, 1425. Ausführlich dazu Weber, NZG 2013, 890. 57) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 39. 58) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 129 Rz. 38; Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Anh. Rz. 2. 59) Zur etwaigen Haftung des Versammlungsleiters s. v. d. Linden, NZG 2013, 208. 60) KG Berlin, Urt. v. 6.12.2010 – 23 AktG 1/10, NZG 2011, 305. 61) Grundlegend BGH, Urt. v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245 = WM 1965, 1207; ausführlich dazu u. a. Heidel-Heidel, vor §§ 129-132 AktG Rz. 16 ff.; Hölters-Drinhausen, AktG, § 129 Anh. Rz. 6 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 129 Rz. 54 ff. 62) Zur Entscheidung über die Reihenfolge der Abstimmung nach der Sachdienlichkeit – vorbehaltlich § 137 AktG – s. LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.6.2008 – 3/5 O 158/07, NZG 2009, 149.
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Niederschrift
ziehung des Wortes, der Bestimmung der Redezeit, die Durchführung einer ordnungsgemäßen Abstimmung und die Feststellung der Ergebnisse der Abstimmung über die einzelnen Beschlüsse. Der Versammlungsleiter kann zudem alle Ordnungsmaßnahmen ergreifen, die im je- 45 weiligen Einzelfall für die Durchführung der Hauptversammlung geboten sind. Die einzelnen Ordnungsmaßnahmen können sich dabei sowohl gegen alle Teilnehmer oder auch nur gezielt gegen einzelne (störende) Teilnehmer der Hauptversammlung richten. Allgemeine Ordnungsmaßnahmen sind bspw. die Beschränkung der Redezeit, die Schließung der Rednerliste,63) die Anordnung eines Rauchverbots, das Verbot von Bild- und Tonaufnahmen oder Sicherheitsmaßnahmen im Versammlungssaal64). Gegen einzelne Aktionäre sind u. a. folgende Ordnungsmaßnahmen möglich: Beschränkung der Redezeit,65) Ordnungsruf, Wortentzug, Saalverweis,66) Hausverbot. Bei allen Ordnungsmaßnahmen ist stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die jeweilige Ordnungsmaßnahme muss somit stets sachlich erforderlich sein, im konkreten Einzelfall das mildeste mögliche Mittel darstellen und auf der Grundlage einer umfassenden Güterabwägung verhältnismäßig sein. In der Praxis empfiehlt es sich Ordnungsmaßnahmen vorher stets deutlich anzudrohen. _____________ 63) Zur notwendigen Gleichbehandlung aller Aktionäre (§ 53a) in diesem Zusammenhang s. LG Frankfurt/M., Urt. v. 18.12.2012 – 3-05 O 93/12, ZIP 2013, 578 (Az. d. OLG Frankfurt/M.: 5 U 14/13), dazu EWiR 2013, 195 (Wilk/Ghassemi-Tabar). 64) S. dazu OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.2.2007 – 5 W 43/06, ZIP 2007, 629 – Anfechtung sämtlicher Hauptversammlungsbeschlüsse wegen überzogener Sicherheitskontrollen – körperliche Durchsuchungen und Taschenkontrollen – im Zugangsbereich zum Versammlungssaal. 65) Grundlegend BGH, Urt. v. 8.2.2010 – II ZR 94/08 (Redezeitbeschränkung), ZIP 2010, 575, dazu EWiR 2010, 235 (Priester); ausführlich dazu u. a. Herrler, DNotZ 2010, 331; Jerczynski, NJW 2010, 1566; Kersting, NZG 2010, 446; Krause, BB 2010, 852; Nagel/Ziegenhahn, WM 2010, 1005; Wilsing/v. d. Linden, DB 2010, 1277. 66) S. dazu etwa BGH, Urt. v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245 = WM 1965, 1207; OLG Bremen, Beschl. v. 18.1.2007 – 2 U 113/06, AG 2007, 550.
§ 130 Niederschrift (1) 1Jeder Beschluß der Hauptversammlung ist durch eine über die Verhandlung notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden. 2Gleiches gilt für jedes Verlangen einer Minderheit nach § 120 Abs. 1 Satz 2, § 137. 3Bei nichtbörsennotierten Gesellschaften reicht eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu unterzeichnende Niederschrift aus, soweit keine Beschlüsse gefaßt werden, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt. (2) 1In der Niederschrift sind der Ort und der Tag der Verhandlung, der Name des Notars sowie die Art und das Ergebnis der Abstimmung und die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlußfassung anzugeben. 2Bei börsennotierten Gesellschaften umfasst die Feststellung über die Beschlussfassung für jeden Beschluss auch 1. die Zahl der Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben wurden, 2. den Anteil des durch die gültigen Stimmen vertretenen Grundkapitals, 3. die Zahl der für einen Beschluss abgegebenen Stimmen, Gegenstimmen und gegebenenfalls die Zahl der Enthaltungen.
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Niederschrift
3
Abweichend von Satz 2 kann der Versammlungsleiter die Feststellung über die Beschlussfassung für jeden Beschluss darauf beschränken, dass die erforderliche Mehrheit erreicht wurde, falls kein Aktionär eine umfassende Feststellung gemäß Satz 2 verlangt. (3) Die Belege über die Einberufung der Versammlung sind der Niederschrift als Anlage beizufügen, wenn sie nicht unter Angabe ihres Inhalts in der Niederschrift aufgeführt sind. (4) 1Die Niederschrift ist von dem Notar zu unterschreiben. 2Die Zuziehung von Zeugen ist nicht nötig. (5) Unverzüglich nach der Versammlung hat der Vorstand eine öffentlich beglaubigte, im Falle des Absatzes 1 Satz 3 eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichnete Abschrift der Niederschrift und ihrer Anlagen zum Handelsregister einzureichen. (6) Börsennotierte Gesellschaften müssen innerhalb von sieben Tagen nach der Versammlung die festgestellten Abstimmungsergebnisse einschließlich der Angaben nach Absatz 2 Satz 2 auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Literatur: Allmendinger, § 130 Abs. 2 Satz 2 AktG – eine sanktionslose Ordnungsnorm, DNotZ 2012, 164; Arnold, M./Carl/Götze, Aktuelle Fragen bei der Durchführung der Hauptversammlung, AG 2011, 349; Bachmann, Abschaffung der Hauptversammlung?, in: Festschrift für Günter H. Roth, 2011, S. 37; Bezzenberger, G., Die zulässige Berichtigung notarieller Niederschriften über Aktionärshauptversammlungen, in: Liber amicorum für Klaus Mock, 2009, S. 19; Bezzenberger, G., Die Niederschrift über eine beurkundungsfreie Hauptversammlung, in: Festschrift für Helmut Schippel, 1996, S. 361; Bohrer, Notare – Ein Berufsstand der Urkundsvernichter?, NJW 2007, 2019; Brambring, Abschluss der Hauptversammlungsniederschrift, in: Festschrift für Hans-Jochem Lüer, 2008, S. 161; Casper, Der stimmlose Beschluss, in: Festschrift für Uwe Hüffer, 2010, S. 111; Deilmann/Otte, Auswirkungen des ARUG auf die Feststellung des Beschlussergebnisses in der Hauptversammlung, BB 2010, 722; Eylmann, Erneut – Hauptversammlungsprotokolle, ZNotP 2005, 458; Faßbender, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft aus notarieller Sicht, RNotZ 2009, 425; Fleischhauer, Zu den Pflichten des Notars im Zusammenhang mit der Protokollierung einer Hauptversammlung, RNotZ 2003, 333; Grobecker, Beachtenswertes zur Hauptversammlungssaison, NZG 2010, 165; Grumann/Gillmann, Aktienrechtliche Hauptversammlungsniederschriften und Auswirkungen von formalen Mängeln, NZG 2004, 839; Heller, Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen – Richtige Feststellung und Verkündung durch den falschen Versammlungsleiter, AG 2008, 493; Hoffmann-Becking, Wirksamkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung bei späterer Protokollierung, in: Festschrift für Hans-Jürgen Hellwig, 2010, S. 153; Kanzleiter, Die Berichtigung der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft und die Zulässigkeit mehrerer Niederschriften, DNotZ 2007, 804; Krieger, Unbeantwortete Aktionärsfragen im notariellen Hauptversammlungsprotokoll, in: Festschrift für Hans-Joachim Priester, 2007, S. 387; Krieger, Berichtigung von Hauptversammlungsprotokollen, NZG 2003, 366; Krieger, Muss der Hauptversammlungsnotar die Stimmauszählung überwachen?, ZIP 2002, 1597; Leitzen, Die Protokollierung des Abstimmungsergebnisses in der Hauptversammlung der börsennotierten AG bei verkürzter Beschlussfeststellung, ZIP 2010, 1065; Ludwig, Das vorsorgliche Hauptversammlungsprotokoll, ZNotP 2008, 345; Merkner/Sustmann, Worauf bezieht sich § 130 II 2 Nr. 2 AktG – Auf das Grundkapital oder auf das vertretene Kapital?, NZG 2010, 568; Noack, Die privatschriftliche Niederschrift über die Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft – Inhalt und Fehlersanktionen, in: Liber Amicorum für Wilhelm Happ, 2006, S. 201 ff.; Priester, Aufgaben und Funktionen des Notars in der Hauptversammlung, DNotZ 2001, 661; Reul, Die virtuelle Hauptversammlung im Aktienrecht, notar 2012, 76; Reul, Die notarielle Beurkundung einer Hauptversammlung, AG 2002, 543; Reul/Zetsche, Zwei Notare – eine Hauptversammlung, AG 2007, 561; Roeckl-Schmidt/Stoll, Auswirkungen der
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Niederschrift
späteren Fertigstellung der notariellen Niederschrift auf die Wirksamkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung, AG 2012, 225; Schaaf/Slowinski, Stimmabgabe des Aktionärs durch Briefwahl, ZIP 2011, 2444; Scholz/Wenzel, Hauptversammlung; Protokoll; Abstimmung; Vertetenes Grundkapital, AG 2010, 443; Sigl/Schäfer, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft aus notarieller Sicht, BB 2005, 2137; Terbrack, L’etat c’est moi – oder: Von der trügerischen Allherrlichkeit des Alleinaktionärs bei Hauptversammlungen, RNotZ 2012, 221; Wettich, Aktuelle Entwicklungen und Trends in der Hauptversammlungssaison 2012 und Ausblick auf 2013, AG 2012, 725; Wettich, Aktuelle Entwicklungen in der Hauptversammlungssaison 2011 und Ausblick auf 2012, NZG 2011, 721; Wicke, Flexibilisierung der HV-Teilnahme und Stimmrechtsausübung – neue Möglichkeiten zur Gestaltung der AG-Satzung nach dem ARUG, in: Festschrift für Rainer Kanzleiter, 2010, S. 415; Wilm, Beobachtungen der Hauptversammlungssaison 2010, DB 2010, 1686.
Übersicht I. Überblick..............................................1 II. Beurkundungspflicht (§ 130 Abs. 1) .....................................10 1. Umfang der Beurkundungspflicht ....10 a) Beschlüsse der Hauptversammlung (§130 Abs. 1 Satz 1) .....................10 b) Minderheitsverlangen (§ 130 Abs. 1 Satz 2) ....................11 c) Sonstige Beurkundungspflichten ...............12 2. Urkundsperson...................................14 a) Notar.............................................14 b) Vorsitzender des Aufsichtsrats (§ 130 Abs. 1 Satz 3) ....................24 3. Verstöße gegen die Beurkundungspflicht..........................31 III. Inhalt der Niederschrift (§ 130 Abs. 2) .....................................33 1. Aktienrechtlicher Mindestinhalt der Niederschrift (§ 130 Abs. 2) .......33 a) Ort und Tag der Verhandlung.....33 I.
b) c) d) e)
Name des Notars .........................37 Art der Abstimmung ...................39 Ergebnis der Abstimmung ..........41 Feststellung über die Beschlussfassung ..........................44 f) Unterschrift des Notars (§ 130 Abs. 4)...............................53 2. Beurkundungsrechtliche Angaben in der Niederschrift............................56 3. Verstöße gegen die Beurkundungspflicht..........................59 IV. Anlagen zur Niederschrift (§ 130 Abs. 3) .....................................60 1. Einberufungsbelege............................60 2. Sonstige zwingende Anlagen .............66 3. Fakultative Anlagen ...........................67 V. Handelsregisterpublizität der Niederschrift (§ 130 Abs. 5).............68 VI. Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse im Internet (§ 130 Abs. 6)......................72
Überblick
Über jeden Beschluss der Hauptversammlung ist eine Niederschrift zu errichten und zum 1 Handelsregister einzureichen. Auf diese Weise soll die Willensbildung in der Hauptversammlung für jedermann rechtssicher dokumentiert werden und die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen für die Durchführung von Hauptversammlungen gewährleistet werden.1) Jeder Beschluss der Hauptversammlung ist durch eine über die Verhandlung notariell auf- 2 genommene Niederschrift zu beurkunden (§ 130 Abs. 1 Satz 1). Gleiches gilt für bestimmte _____________ 1)
Grundlegend BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche Bank), BGHZ 180, 9 = ZIP 2009, 460 mit Anm. Mutter, dazu EWiR 2009, 461 (Staake). Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 1; HöltersDrinhausen, AktG, § 130 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 1; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 3 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 1 f.; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 1; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 1 und 4.
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§ 130
Niederschrift
Verlangen einer Minderheit von Aktionären (§ 130 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 120 Abs. 1 Satz 2 und § 137). Das notarielle Hauptversammlungsprotokoll ist eine öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO).2) Die Beurkundung dient der Vermeidung von späteren Streitigkeiten über die Beschlussfassung und schafft für alle Beteiligten Rechtssicherheit. Ergänzend zu der im Aktienrecht vorgesehenen Beurkundungspflicht gelten die allgemeinen Vorschriften des Beurkundungsrechts über die Errichtung notarieller Niederschriften (§§ 36 ff. i. V. m. § 59 BeurkG). 3 Bei nicht börsennotierten AG (§ 3 Abs. 2) kann die Niederschrift über die Hauptversammlung an Stelle des Notars auch vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats errichtet werden, soweit keine Beschlüsse gefasst werden, für die gesetzlich (zwingend oder fakultativ) mindestens eine Dreiviertel-Mehrheit erforderlich ist (§ 130 Abs. 1 Satz 3). Die vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats errichtete Niederschrift ist keine öffentliche Urkunde (§ 286 ZPO, nicht § 416 ZPO, da es sich um keine Erklärungen des Aufsichtsratsvorsitzenden handelt).3) 4 Das Aktienrecht schreibt für die Niederschrift bestimmte Mindestangaben (wie insbesondere Ort und Tag der Verhandlung, Name des Notars, Art und Ergebnis der Abstimmung und Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung) zwingend vor (§ 130 Abs. 2 Satz 1). Bei börsennotierten Gesellschaften sind bei der Feststellung über die Beschlussfassung ergänzende Regelungen zu berücksichtigen (§ 130 Abs. 2 Satz 2 und 3). Der Niederschrift sind die Belege über die Einberufung der Hauptversammlung als Anlage beizufügen, wenn sie nicht ohnehin in der Niederschrift selbst aufgeführt sind (§ 130 Abs. 3). Die Niederschrift ist (nur) vom Notar zu unterzeichnen (§ 130 Abs. 4). 5 Im Interesse der Publizität der Hauptversammlungsbeschlüsse hat der Vorstand unverzüglich nach der Versammlung eine vollständige Abschrift der Niederschrift und ihrer Anlagen zum Handelsregister einzureichen (§ 130 Abs. 5). Dort ist sie für jedermann einsehbar (§ 9 Abs. 1 HGB). 6 Börsennotierte Gesellschaften (§ 3 Abs. 2) müssen zusätzlich innerhalb von sieben Tagen nach der Hauptversammlung die festgestellten Abstimmungsergebnisse und bestimmte weitere Angaben auf ihrer Internetseite veröffentlichen (§ 130 Abs. 6). 7 Die Vorschrift über die Hauptversammlungsniederschrift ist zwingend.4) Für Sonderbeschlüsse und Sonderversammlungen gelten die Regelungen entsprechend (§ 138 Satz 2). 8 Von der gesetzlich vorgesehenen Niederschrift über die Hauptversammlung sind von der Gesellschaft erstellte stenographische Protokolle sowie Bild- und Tonaufzeichnungen zu unterscheiden.5) 9 Die Vorschrift wurde zuletzt durch das ARUG6) um bestimmte Sonderregelungen für börsennotierte AG ergänzt (§ 130 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 sowie § 130 Abs. 6). Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/2013 (siehe dazu unten Rz. 48; siehe auch Einf., Rz. 24 ff.) sollte eine Unklarheit dieser Neuregelungen (§ 130 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) beseitigt werden. _____________ 2) 3) 4) 5)
6)
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Zur formellen Beweiswirkung der notariellen Niederschrift über die Hauptversammlung s. BGH, Urt. v. 8.11.1993 – II ZR 26/93, ZIP 1993, 1867, dazu EWiR 1994, 111 (Rittner). Hüffer, AktG, § 130 Rz. 1; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 5. Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 37 ff.; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 86; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 1. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 88 ff. Zum Anspruch des Aktionärs auf auszugsweise Aushändigung einer Abschrift eines solchen stenografischen Wortprotokolls oder Tonbandmitschnitts s. BGH, Urt. v. 19.9.1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107 = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 (Hirte). Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BGBl. I 2009, 2479. S. dazu BT-Drucks. 16/11642, S. 47 f.
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§ 130
Niederschrift II.
Beurkundungspflicht (§ 130 Abs. 1)
1.
Umfang der Beurkundungspflicht
a)
Beschlüsse der Hauptversammlung (§ 130 Abs. 1 Satz 1)
Die Beurkundungspflicht umfasst alle Beschlüsse der Hauptversammlung (§ 130 Abs. 1 10 Satz 1), und zwar unabhängig von Art, Inhalt und Ergebnis.7) Der Beurkundung bedürfen insbesondere auch Beschlüsse von Vollversammlungen und Einmann-AG. Eine notarielle Niederschrift ist nur dann nicht erforderlich, wenn in einer Hauptversammlung (ausnahmsweise) keinerlei Beschlüsse gefasst werden (und auch keine Minderheitsverlangen gestellt werden, § 130 Abs. 1 Satz 2). Allerdings empfiehlt sich schon aus Beweisgründen auch in diesen Fällen die Aufnahme einer (privatschriftlichen) Niederschrift. b)
Minderheitsverlangen (§ 130 Abs. 1 Satz 2)
Der Beurkundung bedürfen zudem auch die Minderheitsverlangen nach Einzelentlastung 11 von Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats (§§ 120 Abs. 1 Satz 2, 130 Abs. 1 Satz 2) sowie Anträge zur Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrats (§§ 137, 130 Abs. 1 Satz 2). Die Beurkundungspflicht besteht auch dann, wenn über das Minderheitsverlangen in der Hauptversammlung kein Beschluss gefasst wird. Andere Minderheitsverlangen (z. B. nach § 147 Abs. 1) müssen nicht (zwingend) beurkundet werden.8) c)
Sonstige Beurkundungspflichten
Neben Beschlüssen der Hauptversammlung und bestimmten Minderheitsverlangen müssen 12 auch bestimmte andere Erklärungen in die Niederschrift aufgenommen werden. Gesetzlich vorgesehen ist dies insbesondere für nicht beantwortete Fragen von Aktionären (§ 131 Abs. 5)9) und Widersprüchen von Aktionären10) (§ 245 Nr. 1 sowie u. a. §§ 50 Satz 1, 93 Abs. 4 Satz 3, 116, 302 Abs. 3 Satz 3, 309 Abs. 3 Satz 1, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4, 323 Abs. 1 Satz 2 AktG; §§ 29 Abs. 1 Satz 1, 122i Abs. 1 Satz 1, 207 Abs. 1 UmwG11) oder § 318 Abs. 3 Satz 2 HGB). Der notariellen Beurkundung bedürfen darüber hinaus im Einzelfall auch bestimmte 13 Zustimmungserklärungen (z. B. nach § 285 Abs. 2 und 3) oder Verzichtserklärungen (z. B. nach §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 3, 16 Abs. 3 Satz 2 UmwG). Dabei sind allerdings zwingend die Vorschriften für die Beurkundung von Willenserklärungen einzuhalten (§§ 6 ff. BeurkG), so dass regelmäßig eine gesonderte Urkunde (neben dem Hauptversammlungsprotokoll) zu errichten ist. Die Aufnahme der Willenserklärungen in die Niederschrift über die Hauptversammlung ist nicht ausreichend (sofern diese nicht ausnahmsweise nach den Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen errichtet wird).
_____________ 7) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 5; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 2; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 109 ff.; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 3 f.; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 5. 8) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 5. 9) S. dazu OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.12.2008 – 20 W 12/08, AG 2009, 204. 10) Ausführlich dazu Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 228 ff. Zur formellen Beweiswirkung der notariellen Niederschrift in Bezug auf die Einlegung eines Widerspruchs gegen den Beschluss der Hauptversammlung s. BGH, Urt. v. 8.11.1993 – II ZR 26/93, ZIP 1993, 1867, dazu EWiR 1994, 111 (Rittner). 11) Zur Notwendigkeit eines Widerspruchs gegen einen Verschmelzungsbeschluss nach § 20 UmwG s. OLG München, Beschl. v. 3.2.2010.– 31 Wx 135/09, ZIP 2010, 326 = DNotZ 2011, 142 mit Anm. Priester, dazu EWiR 2010, 507 (Heckschen).
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§ 130
Niederschrift
2.
Urkundsperson
a)
Notar
14 Im Regelfall muss die Niederschrift von einem Notar aufgenommen werden (§ 130 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 36 ff. BeurkG). Der Notar wird grundsätzlich von der Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand beauftragt (Ausnahme: § 122 Abs. 3: Beauftragung durch Minderheitsaktionäre). Die Kosten der Beurkundung sind stets von der Gesellschaft zu tragen (§§ 4, 22 ff. GNotKG und § 122 Abs. 4 AktG sowie §§ 105 ff. GNotKG). Die Hauptversammlung hat auf die Person des Notars keinerlei Einfluss und kann ihn insbesondere auch nicht abwählen.12) 15 Bei Hauptversammlungen von großen börsennotierten AG werden teilweise zwei Notare mit der Beurkundung beauftragt. Das ist grundsätzlich zulässig.13) Jeder Notar errichtet dann eine eigene Urkunde. Die Zuständigkeit zwischen beiden Notaren muss allerdings im Vorfeld eindeutig voneinander abgegrenzt werden, um zu verhindern, dass über ein und dieselbe Hauptversammlung zwei sich möglicherweise widersprechende Niederschriften errichtet werden. Denkbar ist bspw., dass ein Notar die Beschlüsse beurkundet und ein zweiter Notar eine Niederschrift über etwaige nicht beantwortete Fragen und Widersprüche von Aktionären errichtet.14) Bei längeren Hauptversammlungen ist auch eine sukzessive Beurkundung durch mehrere Notare möglich. Für den Fall, dass der erste Notar die Niederschrift über die Hauptversammlung nicht fertigstellen kann (z. B. aus gesundheitlichen Gründen), kann (vorsorglich) auch ein zweiter Notar mit der Beurkundung der Hauptversammlung beauftragt werden. 16 Die örtliche Zuständigkeit des Notars ergibt sich aus den Vorschriften der Bundesnotarordnung über den Amtssitz und Amtsbezirk (§§ 10, 11 BNotO). Verstöße gegen diese Vorschriften werden ggf. berufsrechtlich sanktioniert, stehen der Wirksamkeit der Beurkundung aber nicht entgegen (§ 2 BeurkG). 17 Hauptversammlungen im Inland können durch ausländische Notare nicht wirksam beurkundet werden.15) Die Durchführung von Hauptversammlungen im Ausland ist unzulässig (siehe § 121 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 5).16) 18 Im Einzelfall kann ein Notar aufgrund gesetzlicher Mitwirkungsverbote an der Beurkundung einer Hauptversammlung gehindert sein (siehe § 3 BeurkG).17) Ein etwaiger Verstoß hat aber nicht die Unwirksamkeit der Beurkundung zur Folge. 19 Die Pflichten des Notars bei Errichtung der Niederschrift richten sich nach den allgemeinen Vorschriften des Beurkundungsgesetzes (§§ 36 ff. BeurkG). Dabei handelt es sich um ein Tatsachenprotokoll. Die Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen (§§ 6 ff. BeurkG) finden somit keine Anwendung. Der Notar muss somit die _____________ 12) Hüffer, AktG, § 130 Rz. 7. – Zur Niederschlagung von Notarkosten wegen unrichtiger Beurkundung eines Hauptversammlungsbeschlusses LG Berlin, Beschl. v. 16.9.2013 – 82 OH 5/13, 82 OH 80/13, ZIP 2013, 2464. 13) Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 64 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 33 f.; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 23a. 14) S. dazu OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 6.4.2009 – 5 W 8/09, AG 2010, 39. 15) Henssler/Strohn-Liebscher, GesR, § 130 AktG Rz. 5; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 9; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 18. Wohl auch Heidel-Terbrack/Lohr, § 130 AktG Rz. 12. 16) Sehr umstritten. Zur Unzulässigkeit einer Satzungsbestimmung, wonach die Hauptversammlung auch in Zürich abgehalten werden kann, s. OLG Hamburg, Beschl. v. 7.5.1993 – 2 Wx 55/91, ZIP 1993, 921, dazu EWiR 1993, 943 (Bokelmann). Großzügiger u. a. Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 8; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 9. 17) Dazu Hüffer, AktG, § 130 Rz. 9 f.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 39 ff.; Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 19 f.
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§ 130
Niederschrift
Identität der Beteiligten, des Versammlungsleiters oder eines widersprechenden Aktionärs18) nicht prüfen (siehe § 10 BeurkG).19) Vollmachten und sonstige Vertretungsnachweise (siehe § 12 BeurkG) muss der Notar weder prüfen noch der Niederschrift beifügen.20) Der Notar muss die Niederschrift nicht vorlesen (siehe § 13 BeurkG). Die Niederschrift muss weder von den Beteiligten noch vom Versammlungsleiter genehmigt oder unterschrieben werden (siehe § 13 BeurkG), sondern nur vom Notar (§ 130 Abs. 4 Satz 1). Die Niederschrift ist grundsätzlich in deutscher Sprache zu errichten (§ 5 Abs. 1 BeurkG). 20 Die Beurkundung in einer fremden Sprache kommt nur dann in Betracht, wenn (neben dem Versammlungsleiter und den Aktionären21) auch der Notar dieser Sprache hinreichend kundig ist (§ 5 Abs. 2 BeurkG, § 15 Abs. 1 Satz 2 BNotO).22) Dem Handelsregister muss allerdings auch dann (zusätzlich) eine Übersetzung der Niederschrift in deutscher Sprache (siehe § 488 Abs. 3 Satz 1 FamFG, § 184 Satz 1 GVG und § 2 EGGVG) eingereicht werden (§ 130 Abs. 5), da andernfalls die Publizitätsfunktion des Handelsregisters beeinträchtigt wäre (siehe auch § 11 HGB).23) Feststellungen zur Sprachkundigkeit der Beteiligten (und des Versammlungsleiters) muss der Notar nicht in die Niederschrift aufnehmen (siehe § 16 Abs. 1 BeurkG). Der Notar muss auch keine Übersetzung vornehmen. Allerdings wird die Gesellschaft in derartigen Fällen schon deshalb einen Dolmetscher zur Hauptversammlung hinzuziehen, um eine sprachlich bedingte Einschränkung der Aktionärsrechte zu vermeiden. Der Notar muss die Niederschrift in der Hauptversammlung aufnehmen (dort aber 21 nicht unbedingt fertigstellen).24) Die Aufzeichnungen können handschriftlich (auch in Steno) oder mittels technischer Hilfsmittel (z. B. Notebook) erfolgen. Der Notar muss die Aufzeichnungen nicht selbst vornehmen, sondern kann sich dabei auch von Mitarbeitern unterstützen lassen. Nicht ausreichend sind dagegen bloße Bild- oder Tonaufnahmen (z. B. mittels Diktiergerät), da dies keine eigenen Aufzeichnungen des Notars sind.25) Zulässig und üblich ist es, dass der Notar die Niederschrift bereits vor der Hauptversammlung vorbereitet (insbesondere auf der Grundlage der Einladung sowie der Tagesordnung) und sie dann während der Hauptversammlung entsprechend dem tatsächlichen Geschehen ergänzt und abändert.26) Der Notar kann die Niederschrift am Ende der Hauptversammlung handschriftlich unterzeichnen (muss dies aber nicht tun). Regelmäßig wird der Notar die Niederschrift erst nach Rückkehr ins Büro (einige Tage später) endgültig fertigstellen und unterzeichnen. Rechtlich maßgeblich ist stets nur die Niederschrift, die der Notar unterzeichnet und willentlich nach außen gegeben hat. Vorher handelt es sich lediglich um einen internen Entwurf, den der Notar auch noch _____________ 18) Allerdings ist der Notar zur Feststellung der Identität befugt, s. OLG München, Beschl. v. 3.2.2010 – 31 Wx 135/09, ZIP 2010, 326 = DNotZ 2011, 142 mit Anm. Priester, dazu EWiR 2010, 507 (Heckschen). 19) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 14. S. aber auch Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 26; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 34 – Pflicht zur Prüfung der Legitimation des Versammlungsleiters. 20) Henssler/Strohn-Liebscher, GesR, § 130 AktG Rz. 8; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 16. 21) Anders insoweit wohl K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 51. 22) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 14. 23) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 14. A. A. Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 299; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 51. 24) Grundlegend zum Ganzen BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche Bank), BGHZ 180, 9 = ZIP 2009, 460 mit Anm. Mutter, dazu EWiR 2009, 461 (Staake), und zuletzt OLG Frankfurt/M., Urt. v. 26.6.2012 – 5 U 144/09, BB 2012, 2327 mit Anm. Reger/Wolf. 25) Hüffer, AktG, § 130 Rz. 11; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 16. Weitergehend K. Schmidt/ Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 48 – Diktiergeräte als Gedächtnisstütze zulässig. 26) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 11; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 23.
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§ 130
Niederschrift
(ohne Bindung an § 44a BeurkG) ändern und ergänzen kann. Nach Fertigstellung der Niederschrift kann der Notar im Interesse der Richtigkeitsgewähr noch offensichtliche Unrichtigkeiten (nach § 44a Abs. 2 Satz 1 und 2 BeurkG)27) und inhaltliche Fehler (nach § 44a Abs. 2 Satz 3 BeurkG)28) von Amts wegen (ohne Mitwirkung der Hauptversammlung) berichtigen. 22 Bei der Beurkundung einer Hauptversammlung obliegen dem Notar grundsätzlich keine Prüfungs- und Belehrungspflichten (insbesondere § 17 BeurkG gilt nur bei der Beurkundung von Willenserklärungen nach §§ 6 ff. BeurkG und nicht für Niederschriften nach §§ 36 ff. BeurkG). Der Notar ist insbesondere auch nicht der Berater des Versammlungsleiters, einzelner Aktionäre oder der Gesellschaft (auch wenn er von dieser beauftragt worden ist). Als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) wird der Notar (i. R. seiner Möglichkeiten) allerdings darauf hinwirken, dass die Hauptversammlung ordnungsgemäß durchgeführt wird und rechtlich wirksame Beschlüsse gefasst werden. Entsprechende Hinweispflichten können insbesondere bei ganz offensichtlichen Rechtsverstößen bestehen. Dagegen ist der Notar grundsätzlich nicht verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung der Hauptversammlung, die Ermittlung der Abstimmungsergebnisse29) oder die Einhaltung von Stimmverboten zu überprüfen.30) 23 Der Notar darf die Beurkundung nur dann ablehnen, wenn mit dem Beschluss (bzw. seiner Durchführung) erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden (§ 4 BeurkG, § 14 Abs. 2 BNotO). In allen anderen Fällen ist der Notar grundsätzlich zur Beurkundung verpflichtet. Insbesondere kann der Notar die Beurkundung nicht deshalb ablehnen, weil der Beschluss (tatsächlich oder vermeintlich) nichtig bzw. anfechtbar ist (§§ 241 ff.). Etwaige Bedenken kann der Notar dem Versammlungsleiter aber mitteilen und ggf. auch in der Niederschrift vermerken (Rechtsgedanke von § 17 Abs. 2 Satz 2 BeurkG). b)
Vorsitzender des Aufsichtsrats (§ 130 Abs. 1 Satz 3)
24 Bei nicht börsennotierten AG kann31) die Niederschrift an Stelle des Notars ausnahmsweise auch vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats errichtet werden, soweit keine Beschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz (zwingend oder satzungsdispositiv) eine Dreivierteloder größere Mehrheit vorsieht (§ 130 Abs. 1 Satz 3). _____________ 27) Allg. M., s. nur Hüffer, AktG, § 130 Rz. 11a. 28) Wie hier Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 317 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 55; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 25 f. A. A. dagegen die wohl überwiegende Meinung – Berichtigung aus Vertrauensschutzgründen nur zulässig, sofern noch keine Abschriften erteilt worden sind –, Henssler/Strohn-Liebscher, GesR, § 130 AktG Rz. 7; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 11a; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 20. 29) S. BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche Bank), BGHZ 180, 9 = ZIP 2009, 460 mit Anm. Mutter, dazu EWiR 2009, 461 (Staake) (keine Verpflichtung des Notars zur Überwachung und Protokollierung der Stimmenauszählung); Hanseatisches OLG, Urt. v. 8.8.2003 – 11 U 45/03, ZIP 2003, 2076, dazu EWiR 2003, 1169 (Korsten) (keine Verpflichtung des Notars an der Stimmauszählung mitzuwirken und diese zu kontrollieren); OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.3.2003 – 16 U 79/02, ZIP 2003, 1147, dazu EWiR 2003, 737 (Sustmann) (keine Verpflichtung des Notars zur Überwachung der Stimmauszählung). 30) Weitergehend allerdings die ganz h. M., mit Unterschieden im Detail Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 26 f.; Heidel-Terbrack/Lohr, § 130 AktG Rz. 19 ff.; Henssler/Strohn-Liebscher, GesR, § 130 AktG Rz. 8; Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 15 f.; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 12; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 43 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 45 ff.; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 31 ff.; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 28 ff. 31) Zur Verpflichtung des Notars, auf die Kosten der Beurkundung hinzuweisen, wenn die Beteiligten in einem Fall des § 130 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich die Beurkundung der Hauptversammlung wünschen, s. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2001, 10 – W 108/01, RNotZ 2002, 60.
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§ 130
Niederschrift
Die Vorschrift gilt nur für nicht börsennotierte AG (§ 3 Abs. 2). Aufgrund zwingender 25 europäischer Vorgaben sind damit auch nicht börsennotierte Europäische AG mit Sitz in Deutschland erfasst (Art. 10 und 53 SE-VO).32) An die Stelle des beurkundenden Notars tritt der Vorsitzende des Aufsichtsrats, hilfs- 26 weise dessen Stellvertreter (§ 130 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 107 Abs. 1). Dies gilt – aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts (siehe einerseits § 130 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 und andererseits § 131 Abs. 2 Satz 2) – auch dann, wenn der Vorsitzende des Aufsichtsrats ausnahmsweise nicht Versammlungsleiter ist.33) Die Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden setzt voraus, dass die Hauptversamm- 27 lung keine Beschlüsse fasst, für die das Gesetz (nicht die Satzung) „eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt“ (§ 130 Abs. 1 Satz 3). Angesichts des offenen Gesetzeswortlauts ist umstritten, ob damit eine Dreiviertel-Kapitalmehrheit (z. B. §§ 52 Abs. 5, 129 Abs. 1 Satz 1, 179 Abs. 2 Satz 1, 179a Abs. 1, 182 Abs. 1 Satz 1, 186 Abs. 3 Satz 2, 193 Abs. 1 Satz 1, 202 Abs. 2 Satz 2, 207 Abs. 2, 221 Abs. 1 Satz 2, 222 Abs. 1 Satz 1, 229 Abs. 3, 237 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1, 262 Abs. 1 Nr. 2, 274 Abs. 1 Satz 2, 293 Abs. 1 Satz 2, 295 Abs. 1 Satz 2, 319 Abs. 2 Satz 2, 320 Abs. 1 Satz 3) oder eine DreiviertelStimmenmehrheit (z. B. §§ 103 Abs. 1 Satz 2, 111 Abs. 4 Satz 4, 141 Abs. 3 Satz 2) gemeint ist. Die amtliche Gesetzesbegründung34) geht (allerdings ohne nähere Erörterung der Problematik) davon aus, dass es auf die „Dreiviertelmehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals“ ankommt.35) Dies kann jedoch nicht überzeugen.36) Nach dem Normzweck soll eine notarielle Beurkundung nur bei einfachen Routinebeschlüssen kleinerer AG entfallen, da dann eine rechtliche Betreuung durch den Notar entbehrlich erscheint. Dies passt aber nicht für die Fälle, in denen das Gesetz eine Dreiviertel-Stimmenmehrheit vorgesehen hat. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die Niederschrift daher nur dann vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats errichtet werden, wenn für die Beschlüsse weder eine Dreiviertel-Stimmenmehrheit noch eine Dreiviertel-Kapitalmehrheit erforderlich ist. Noch nicht abschließend geklärt ist bislang die Frage, ob bei Grundlagenbeschlüssen der 28 Hauptversammlung i. S. der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung eine Beurkundung durch einen Notar zwingend erforderlich ist. Nachdem der BGH entschieden hat, dass für solche Beschlüsse eine Dreiviertel-Kapitalmehrheit erforderlich ist,37) muss eine Zuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden ausscheiden. Zudem handelt es sich bei den Holzmüller/ Gelatine-Fällen typischerweise gerade um weitreichende (und meist auch streitanfällige) Umstrukturierungsmaßnahmen, so dass eine Beurkundung durch einen (unabhängigen) Notar (schon aus Gründen der Beweissicherung) sachlich geboten erscheint.38) _____________ 32) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 26; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 38. A. A. Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 37. 33) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 36. A. A. die h. M., Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 30, 34 und 49; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 14e; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 28. Offengelassen von OLG Köln, Urt. v. 28.2.2008 – 18 U 3/08, ZIP 2008, 1767. 34) BT-Drucks. 12/6271, S. 9. 35) So auch die h. M., OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.10.2013 – 7 U 33/13, NZG 2013, 1261 sowie Bürgers/ Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 32; Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 1; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 14b. 36) Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 144. Wohl auch Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 38. 37) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 (Gelatine I), BGHZ 159, 30 = ZIP 2004, 993, dazu EWiR 2004, 573 (Just) sowie BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 (Gelatine II), ZIP 2004, 1001, dazu EWiR 2004, 1161 (Hirte). 38) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 32; Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 23; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 146 f.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 35; Spindler/StilzWicke, AktG, § 130 Rz. 39. A. A. Henssler/Strohn-Liebscher, GesR, § 130 AktG Rz. 11; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 14c; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 25.
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§ 130
Niederschrift
29 Kontrovers diskutiert wird schließlich die Frage, ob die Niederschrift einer Hauptversammlung, auf der sowohl beurkundungspflichtige als auch sonstige Beschlüsse gefasst werden, in ein notarielles und ein privatschriftliches Protokoll aufgespalten werden kann. Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 130 Abs. 1 Satz 3: „soweit“) scheint eine solche Aufspaltung zulässig zu sein.39) Der Normzweck – Transparenz der Beschlussfassungen in der Hauptversammlung – würde durch die Aufspaltung aber erheblich gefährdet. Zudem bestünde die Gefahr, dass sich die beiden Niederschriften in einzelnen Punkten inhaltlich widersprechen würden. Der Gedanke der Handelsregisterpublizität (siehe § 130 Abs. 5) gebietet gleichfalls die Errichtung einer einheitlichen Niederschrift. Richtigerweise kann somit nur eine einheitliche (notarielle) Niederschrift über alle Beschlüsse einer Hauptversammlung errichtet werden.40) 30 Errichtet der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Niederschrift über die Beschlüsse einer Hauptversammlung obwohl er dafür nicht zuständig war, sind die Beschlüsse aufgrund eines Beurkundungsmangels nichtig (§ 130 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 241 Nr. 2). 3.
Verstöße gegen die Beurkundungspflicht
31 Verstöße gegen die gesetzliche Beurkundungspflicht von Beschlüssen der Hauptversammlung haben zwingend deren Nichtigkeit zur Folge (§ 130 Abs. 1 i. V. m. § 241 Nr. 2).41) Das gilt auch dann, wenn das Abstimmungsergebnis zweifelsfrei feststeht. Lediglich bei eintragungsbedürftigen Beschlüssen der Hauptversammlung kommt durch die Eintragung im Handelsregister eine Heilung in Betracht (§ 242 Abs. 1). 32 Die Nichtigkeitsfolge gilt nur für Beschlüsse der Hauptversammlung (siehe § 241: „Beschluss der Hauptversammlung“), nicht dagegen auch für Minderheitsverlangen oder Widersprüche, die nicht oder nicht ordnungsgemäß beurkundet worden sind.42) Allerdings wird ihr Nachweis durch die fehlende Beurkundung erheblich erschwert. III.
Inhalt der Niederschrift (§ 130 Abs. 2)
1.
Aktienrechtlicher Mindestinhalt der Niederschrift (§ 130 Abs. 2)
a)
Ort und Tag der Verhandlung
33 In jeder Niederschrift ist stets der Ort und Tag der Verhandlung anzugeben (§ 130 Abs. 2 Satz 1; siehe auch § 37 Abs. 2 BeurkG). 34 Mit dem Ort ist die politische Gemeinde gemeint, in der die Hauptversammlung stattfindet. Die Angabe der vollständigen Postanschrift des Versammlungsorts ist in der Niederschrift nicht erforderlich, da diese bereits in der Einberufung enthalten ist (§ 121 Abs. 3 Satz 1).43) Allerdings kann die genaue Angabe des Veranstaltungsorts (unter Umständen einschließlich des Stockwerks, der Raumnummer, etc.) nützlich sein, um die Übereinstimmung zwischen der Einladung und der tatsächlichen Versammlung nachweisbar zu dokumentieren. _____________ 39) Dafür auch Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 152 ff. – unter Hinweis auf die Möglichkeit des Zusammenwirkens mehrerer Notare bei einer Hauptversammlung. 40) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 33; Henssler/Strohn-Liebscher, GesR, § 130 AktG Rz. 12; HöltersDrinhausen, AktG, § 130 Rz. 24; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 14c; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 37; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 27; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 40. 41) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 47. Zur Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, wenn die privatschriftliche Niederschrift nicht vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats, sondern von dem alleinigen Aktionär unterzeichnet worden ist, s. OLG Köln, Urt. v. 28.2.2008 – 18 U 3/08, ZIP 2008, 1767. 42) Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 77 ff. 43) Hüffer, AktG, § 130 Rz. 15; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 93. A. A. HöltersDrinhausen, AktG, § 130 Rz. 27; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 1 f.; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 41.
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§ 130
Niederschrift
Der Tag der Hauptversammlung ist kalendermäßig anzugeben. Die ergänzende Angabe des 35 Wochentages ist zulässig, aber nicht erforderlich. Die Uhrzeit der Hauptversammlung ist in der Niederschrift (anders als bei der Einberufung, § 121 Abs. 3 Satz 1) nicht zwingend anzugeben.44) Allerdings ist es weithin üblich, den tatsächlichen Beginn sowie das Ende der Hauptversammlung in die Niederschrift aufzunehmen.45) Dauert die Hauptversammlung ausnahmsweise mehrere Tage, ist dies in der Niederschrift anzugeben. In diesem Fall muss aus der Niederschrift auch ersichtlich sein, an welchem Tag ein Beschluss gefasst worden ist. Nicht in der Niederschrift anzugeben ist dagegen der Ort und/oder Tag der Errichtung 36 bzw. der Fertigstellung der Niederschrift.46) Dies ist auch nicht üblich. b)
Name des Notars
Das Aktienrecht verlangt, dass in der Niederschrift der Name des Notars angegeben wird 37 (§ 130 Abs. 2 Satz 1). Dabei sind Vor- und Nachname anzugeben,47) was in der Praxis regelmäßig auch erfolgt. Beurkundungsrechtlich ist zusätzlich die Bezeichnung des Notars erforderlich (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG). Neben dem Namen wird daher regelmäßig auch die Amtsbezeichnung (z. B. Notar oder Notarvertreter) und der Amtssitz angegeben. Bei privatschriftlichen Niederschriften ist an Stelle des Namens des Notars der Name des 38 Vorsitzenden des Aufsichtsrats anzugeben (§ 130 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 3) c)
Art der Abstimmung
In der Niederschrift ist die Art der Abstimmung (z. B. durch Handzeichen, mittels 39 Stimmkarten oder auf elektronischem Wege) anzugeben (§ 130 Abs. 2 Satz 1). In der Praxis wird die Art der Abstimmung meist vom Versammlungsleiter festgelegt, sofern die Satzung nicht ausnahmsweise entsprechende Vorgaben enthält. Zur Art der Abstimmung gehören auch Angaben, wie die Stimmenauszählung konkret erfolgt ist (z. B. durch Stimmzähler oder mittels einer EDV-Anlage) und wie die Stimmenzahl der einzelnen Aktionäre ermittelt worden ist (z. B. durch Barcodes auf den Stimmabschnitten).48) Nicht zwingend festzuhalten ist in der Niederschrift dagegen, ob und welche Maßnah- 40 men ergriffen worden sind, um die Beachtung der Stimmverbote (z. B. nach § 136) sicherzustellen.49) d)
Ergebnis der Abstimmung
Zum zwingenden Inhalt der Niederschrift über die Hauptversammlung gehört das Ergeb- 41 nis der Abstimmung (§ 130 Abs. 2 Satz 1). Dies umfasst alle Angaben, die für die nachprüfbare Ermittlung des Abstimmungsergebnisses erforderlich sind. Dabei sind zahlrei_____________ 44) A. A. Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 42. 45) Hüffer, AktG, § 130 Rz. 15. 46) BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07 (Kirch/Deutsche Bank), BGHZ 180, 9 = ZIP 2009, 460 mit Anm. Mutter, dazu EWiR 2009, 461 (Staake). 47) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 7. A. A. – Nachname ausreichend, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht – Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 13; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 16; Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 44. 48) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 30 f.; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 18; Noack/Zetzsche in: KölnKommAktG, § 130 Rz. 156 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 10; Kubis in: MünchKommAktG, § 130 Rz. 46 ff. Einschränkend dagegen Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 45 f. 49) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 30. A. A. die ganz h. M., Hüffer, AktG, § 130 Rz. 18; K. Schmidt/ Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 10; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 50; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 46.
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Niederschrift
che Einzelheiten umstritten.50) Anzugeben ist zunächst, wie das Abstimmungsergebnis ermittelt worden ist (z. B. Subtraktions- oder Additionsverfahren).51) Sodann ist stets die Anzahl der Ja-Stimmen und der Nein-Stimmen anzugeben.52) Bei Anwendung des Subtraktionsverfahrens sind zusätzlich die Enthaltungen, die ungültigen und die gesperrten Stimmen sowie die aktuelle Präsenz anzugeben. 42 Bei Beschlüssen, bei denen neben der Stimmenmehrheit zusätzlich eine Kapitalmehrheit erforderlich ist, ist neben der Anzahl der Stimmen zusätzlich (nicht anstelle) auch das durch sie vertretene Grundkapital aufzuführen (sofern das Stimmgewicht der Aktien nicht ohnehin proportional zum Kapitalanteil ist). 43 Bei einer getrennten Abstimmung nach Aktiengattungen muss in der Niederschrift auch das Ergebnis der einzelnen Abstimmungen getrennt voneinander angegeben werden.53) e)
Feststellung über die Beschlussfassung
44 Schließlich ist in jeder Niederschrift die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung anzugeben (§ 130 Abs. 2 Satz 1). Damit ist die ausdrückliche Feststellung gemeint, ob der dem Beschluss zugrunde liegende Antrag angenommen oder abgelehnt worden ist.54) Die Feststellung des Vorsitzenden ist für die Wirksamkeit der Beschlussfassung von konstitutiver Bedeutung.55) Dies bedeutet: Unterbleibt die Feststellung (bewusst oder versehentlich), ist der Beschluss auch dann nicht wirksam zustande gekommen, wenn an sich die erforderliche Mehrheit erreicht worden ist. Umgekehrt gilt der Beschluss aufgrund der förmlichen Feststellung auch dann als wirksam zustande gekommen, wenn er tatsächlich nicht (oder mit einem anderen Inhalt) gefasst worden ist.56) 45 In der Niederschrift ist die Feststellung des Vorsitzenden (und nicht etwa die des Notars) aufzunehmen (siehe Gesetzeswortlaut § 130 Abs. 2 Satz 1: „Feststellung des Vorsitzen_____________ 50) S. dazu Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 13; Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 31; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 19; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 168 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 12; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 53 ff.; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 48 ff. 51) Zur Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses mangels Angabe, ob die Stimmauszählung mittels Additions- oder Subtraktionsverfahren erfolgt ist, s. LG München I, Urt. v. 30.8.2012 – 5 HK O 1378/12, ZIP 2012, 2209, dazu EWiR 2013, 33 (Wolf). – Keine Verletzung des Teilnahmerechts des Aktionärs bei fehlender Übertragung der Hauptversammlung in Präsenzbereich BGH, Beschl. v. 8.10.2013 – II ZR 329/12, ZIP 2013, 2257 m. Anm. v. Falkenhausen, dazu EWiR 2014, 3 (Goslar). 52) S. dazu BGH, Urt. v. 4.7.1994 – II ZR 114/93, ZIP 1994, 1171, dazu EWiR 1994, 1051 (Petzoldt) – Nichtigkeit einer Aufsichtsratswahl, wenn in der notariellen Niederschrift statt des Ergebnisses der Abstimmung nach Stimmen lediglich die Kapitalbeträge angegeben werden, die für und gegen einen bestimmten Wahlvorschlag gestimmt haben. 53) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 12. A. A. Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 33; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 20. Differenzierend Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 49. 54) Der Wortlaut des Beschlusses muss nicht zwingend in das Protokoll selbst aufgenommen werden; s. dazu OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.5.2010 – 20 W 115/10, MittBayNot 2011, 165 – zulässige Bezugnahme auf den Beleg über die Einberufung, Abs. 3 Halbs. 1; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.12.2008 – 6 W 24/08, ZIP 2009, 518 – zulässige Bezugnahme auf den in der Anlage beigefügten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. S. aber auch LG Frankfurt/M., Beschl. v. 26.8.2008 – 3/5 O 339/07, ZIP 2008, 1723, dazu EWiR 2009, 35 (Goslar) – Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aufgrund nicht ausreichend konkreter Bezugnahme auf den Beschlussvorschlag. 55) Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 34; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 22 f.; Noack/Zetzsche in: KölnKommAktG, § 130 Rz. 183 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 14; Kubis in: MünchKommAktG, § 130 Rz. 59; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 52. 56) Zur Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses, wenn der Versammlungsleiter das Abstimmungsergebnis unrichtig verkündet hat s. LG Berlin, Urt. v. 9.9.2011 – 100 O 35/11, ZIP 2012, 1034, n. rkr. (Az. d. KG: 19 U 219/11).
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Niederschrift
den“).57) Die eigene Feststellung des Notars über die Beschlussfassung ist allenfalls dann zusätzlich in die Niederschrift aufzunehmen, wenn sie von der des Vorsitzenden abweicht (z. B. weil er die Feststellung des Vorsitzenden als unzutreffend ansieht, dieser aber trotz Hinweis daran festhält).58) Bei börsennotierten AG (§ 3 Abs. 2) muss die Feststellung des Vorsitzenden über die 46 Beschlussfassung (aufgrund der wenig geglückten59) Änderung durch das ARUG) grundsätzlich auch folgende zusätzliche Angaben umfassen (§ 130 Abs. 2 Satz 2), die dementsprechend auch in die Niederschrift aufgenommen werden müssen: –
§ 130 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1: Die Zahl der Aktien, für die gültige Stimmen abgegeben 47 wurden60) (nicht dagegen auch die Gesamtzahl der gültigen Stimmen).61)
–
§ 130 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2: Der Anteil des durch die gültigen Stimmen vertretenen 48 Grundkapitals, und zwar – aufgrund richtlinienkonformer Auslegung62) – des gesamten Grundkapitals gemäß der Satzung63) (und nicht des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, wie z. B. in § 179 Abs. 2 Satz 164). Im Rahmen der geplanten Aktienrechtsnovelle 2011/2013 sollte die bestehende „Unklarheit“ dahingehend beseitigt werden, dass es auf das eingetragene Grundkapital ankommt; siehe auch Einf., Rz. 24 ff.).65)
–
§ 130 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3: Die Zahl der für einen Beschluss abgegebenen (gültigen) 49 Stimmen (Ja-Stimmen), Gegenstimmen (Nein-Stimmen) und ggf. die Zahl der Enthaltungen (letzteres nur bei Anwendung des Subtraktionsverfahrens).66)
Nach dem Wortlaut der Aktionärsrechterichtlinie ist zusätzlich die Anzahl der abgegebenen 50 gültigen Stimmen anzugeben. In der amtlichen Regierungsbegründung wird darauf hingewiesen, dass sich diese Zahl aus der Addition der Ja- und Nein-Stimmen ergibt.67) Falls kein Aktionär eine detaillierte Feststellung über die Beschlussfassung verlangt, kann 51 sich der Versammlungsleiter für jeden Beschluss auf die Feststellung beschränken, dass die erforderliche Mehrheit erreicht worden ist (§ 130 Abs. 2 Satz 3). Allerdings sind die Abstimmungsergebnisse auch dann vollständig (d. h. einschließlich der Angaben nach § 130 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3) auf der Internetseite zu veröffentlichen (§ 130 Abs. 6). Unberührt bleibt zudem die für alle Gesellschaften geltende Verpflichtung, das Abstimmungs_____________ 57) S. dazu OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.3.2003 – 16 U 79/02, ZIP 2003, 1147, dazu EWiR 2003, 737 (Sustmann) – keine Verpflichtung des Notars zu eigenen Feststellungen über das Abstimmungsergebnis; LG Frankfurt/M., Urt. v. 19.6.2008 – 3/5 O 158/07, NZG 2009, 149. 58) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 16; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 60; Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 51. Weitergehend Hüffer, AktG, § 130 Rz. 21. 59) Ähnlich die Einschätzung von K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 16 – „misslungen“; Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 53 – „wenig sinnvollen“. 60) Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 198 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 17. 61) So Hüffer, AktG, § 130 Rz. 23a. 62) S. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rats v. 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (Aktionärsrechterichtlinie), ABl. EG L 184 v. 14.7.2007, S. 17 – „den Anteil des durch diese Stimmen vertretenen Grundkapitals“. 63) So auch Merkner/Sustmann, NZG 2010, 568; Scholz/Wenzel, AG 2010, 443; Wilm, DB 2010, 1686, 1691. Ausführlich Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 201 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 17; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 55. 64) So aber Deilmann/Otte, BB 2010, 722. 65) Zust. u. a. Bungert/Wettich, ZIP 2011, 160; Dieckmann/Nolting, NZG 2011, 6; Noack, DB 2010, 2657. 66) Hüffer, AktG, § 130 Rz. 23a; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 206 f.; K. Schmidt/LutterZiemons, AktG, § 130 Rz. 18. 67) BT-Drucks. 16/11642, S. 32.
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ergebnis in die Niederschrift aufzunehmen (§ 130 Abs. 2 Satz 1). Dies setzt aber voraus, dass das Abstimmungsergebnis vom Vorsitzenden in der Hauptversammlung auch tatsächlich mündlich verlautbart worden ist.68) Eine Vereinfachung wird daher mit dieser Form der Feststellung nicht erreicht.69) 52 Die vereinfachte Feststellungsform steht zudem unter dem Vorbehalt, dass kein Aktionär eine umfassende Feststellung über die Beschlussfassung verlangt (§ 130 Abs. 2 Satz 3 a. E). Dabei ist ungeklärt, wie lange ein Aktionär ein solches Verlangen stellen kann. Um das vereinfachte Feststellungsverfahren nicht völlig leerlaufen zu lassen, muss der Aktionär eine umfassende Feststellung spätestens dann verlangen, wenn der Vorsitzende die Feststellung vornimmt.70) Nachdem es teilweise aber als zulässig angesehen wird, dass ein Aktionär auch noch nach erfolgter Feststellung durch den Versammlungsleiter ein solches Verlangen stellt,71) sollte in der Praxis von dem vereinfachten Feststellungsverfahren nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. f)
Unterschrift des Notars (§ 130 Abs. 4)
53 Die Niederschrift ist vom Notar zu unterschreiben (§ 130 Abs. 4 Satz 1). Die Unterschrift muss eigenhändig erfolgen (§§ 37 Abs. 3, 13 Abs. 3 Satz 1 BeurkG). Die Unterschrift mit dem Nachnamen ist ausreichend (siehe § 1 Satz 2 DONot). Bei der Unterschrift ist auch die Amtsbezeichnung anzugeben (§§ 37 Abs. 3, 13 Abs. 3 Satz 2 BeurkG und § 1 Satz 2 DONot). Zeugen müssen nicht hinzugezogen werden (§ 130 Abs. 4 Satz 2). Die zusätzliche Unterzeichnung der Niederschrift durch den Versammlungsleiter ist nicht erforderlich, aber unschädlich. 54 Die Unterschrift kann erst nach Beendigung der Hauptversammlung erfolgen. Dann aber sollte die Unterzeichnung – schon im Hinblick auf etwa eintretende Verhinderungsfälle (z. B. Unfalltod, Krankheit) – möglichst schnell erfolgen. Dies schließt nicht aus, dass der Notar die Niederschrift (bzw. deren Entwurf) nach der Hauptversammlung im Büro nochmals ergänzt, diese Reinschrift dann unterschreibt und sodann als Niederschrift im Rechtssinn an die Beteiligten aushändigt. 55 Wird die Niederschrift ausnahmsweise vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats errichtet, ist sie auch von ihm zu unterschreiben (§ 130 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 3). Die Hinzuziehung von Zeugen ist auch in diesem Fall entbehrlich (§ 130 Abs. 4 Satz 2). 2.
Beurkundungsrechtliche Angaben in der Niederschrift
56 Das Aktienrecht sieht vor, dass in der Niederschrift über die Hauptversammlung zwingend bestimmte Angaben enthalten sein müssen (§ 130 Abs. 2; siehe darüber hinaus auch oben Rz. 36 ff.). Eine Verpflichtung zur Aufnahme weiterer Angaben in die notarielle Niederschrift kann sich für den Notar insbesondere aus den Bestimmungen des Beurkundungsgesetzes ergeben (§§ 36 ff. BeurkG). Bei der Niederschrift muss es sich um einen Bericht des Notars über seine Wahrnehmungen in der Hauptversammlung handeln (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeurkG). Dabei sind allerdings keineswegs alle Wahrnehmungen in der Niederschrift aufzunehmen, sondern nur solche, die für die Beschlüsse der Hauptversammlung unmittelbar von Bedeutung sein können.72) Denn die Niederschrift über die Hauptversamm_____________ 68) Nicht abschließend geklärt ist bislang, ob die bloße Projektion der ausführlichen Beschlussergebnisse ausreichend ist. Dafür wohl Leitzen, ZIP 2010, 1065; Wilm, DB 2010, 1686, 1691. 69) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 20. 70) So wohl Reul, ZNotP 2010, 44, 47; Spindler/Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 54. Noch weiter einschränkend Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 213 – nur bis zum Beginn der Stimmenzählung. 71) So wohl Grobecker, NZG 2010, 165, 169; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 21. 72) Ähnlich Hüffer, AktG, § 130 Rz. 5 m. w. N zum Streitstand.
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Niederschrift
lung ist kein Wortprotokoll, sondern ein Ergebnisprotokoll.73) Die Entscheidung darüber, welche Tatsachen in die Niederschrift aufgenommen werden, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des beurkundenden Notars. Bei der Ermessensausübung wird sich der Notar in der Regel vor allem daran orientieren, ob und inwieweit das Hauptversammlungsprotokoll als öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO) später für Zwecke der Beweissicherung von Bedeutung sein kann (z. B. im Hinblick auf spätere Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen). In der Praxis werden bspw. folgende Tatsachen oftmals in Hauptversammlungsnieder- 57 schriften aufgenommen:74) Person des Versammlungsleiters, Namen der anwesenden Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (siehe § 130 Abs. 3 Satz 1), Uhrzeit des Beginns und Endes der Hauptversammlung (sowie etwaiger Unterbrechungen), allgemeine Hinweise des Versammlungsleiters zum Ablauf der Hauptversammlung, Hinweise auf die in der Hauptversammlung ausliegenden Unterlagen (wie Teilnehmerverzeichnis, Jahresabschluss, Berichte des Vorstands und des Aufsichtsrats, etc.), Feststellungen des Versammlungsleiters zur ordnungsgemäßen Einberufung der Hauptversammlung, allgemeine oder individuelle Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters (wie etwa Beschränkung der Redezeit, Wortentzug, Saalverweis, Anordnung des Endes der Debatte), förmliche Anträge von einzelnen Aktionären samt darüber jeweils getroffener Entscheidung, Namen und Reihenfolge der einzelnen Redner, Schluss der Generaldebatte samt Hinweis darauf, dass keine offenen Fragen mehr bestehen, Hinweise zum Abstimmungsverfahren und zur Beachtung von Stimmrechtsverboten. Für privatschriftliche Hauptversammlungsniederschriften des Aufsichtsratsvorsitzenden 58 gelten die Bestimmungen des Beurkundungsrechts naturgemäß nicht unmittelbar. Aufgrund der mit der Niederschrift bezweckten Dokumentation und Transparenz ist eine sinngemäße Anwendung im Regelfall jedoch sachgerecht. 3.
Verstöße gegen die Beurkundungspflicht
Verstöße gegen den aktienrechtlich zwingend vorgesehenen Inhalt der Beschlussniederschrift 59 (§ 130 Abs. 2 Satz 1; nicht dagegen auch § 130 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3) haben die Nichtigkeit der Beschlüsse zur Folge (§ 241 Nr. 2).75) Dagegen haben etwaige Verstöße gegen das Beurkundungsgesetz, die Bundesnotarordnung oder die Dienstordnung der Notare weder die Nichtigkeit (§ 241 Nr. 2 i. V. m. § 130 Abs. 2 Satz 1) noch die Anfechtbarkeit der Beschlüsse zur Folge (§ 243 Abs. 1). Bei schuldhaftem Verhalten kommen unter Umständen jedoch Amtshaftungsansprüche in Betracht (§ 19 BNotO). IV.
Anlagen zur Niederschrift (§ 130 Abs. 3)
1.
Einberufungsbelege
Der Niederschrift sind die Belege über die Einberufung der Versammlung als Anlage 60 beizufügen, sofern sie nicht bereits in der Niederschrift selbst unter Angabe ihres Inhalts aufgeführt worden sind (§ 130). _____________ 73) BGH, Urt. v. 19.9.1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107 = ZIP 1994, 1597, dazu EWiR 1995, 13 (Hirte). 74) S. dazu Hölters-Drinhausen, AktG, § 130 Rz. 10; Noack/Zetzsche in: KölnKomm-AktG, § 130 Rz. 254 ff.; K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 27; Kubis in: MünchKomm-AktG, § 130 Rz. 61; Spindler/ Stilz-Wicke, AktG, § 130 Rz. 13. 75) S. dazu BGH, Urt. v. 4.7.1994 – II ZR 114/93, ZIP 1994, 1171, dazu EWiR 1994, 1051 (Petzoldt) – Nichtigkeit einer Aufsichtsratswahl, wenn in der notariellen Niederschrift entgegen § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG statt des Ergebnisses der Abstimmung nach Stimmen lediglich die Kapitalbeträge angegeben werden, die für und gegen einen bestimmten Wahlvorschlag gestimmt haben; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 26.8.2008 – 3/5 O 339/07, ZIP 2008, 1723, dazu EWiR 2009, 35 (Goslar) – Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses aufgrund nicht ausreichend konkreter Bezugnahme auf den Beschlussvorschlag.
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61 Als Nachweis für die ordnungsgemäße Einberufung ist grundsätzlich ein Ausdruck aus dem elektronischen Bundesanzeiger beizufügen (siehe § 121 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 25). Sind die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt und erfolgt die Einberufung mit eingeschriebenem Brief, ist der Niederschrift das Einladungsschreiben samt Nachweis über den Versand per Einschreiben beizufügen (siehe § 121 Abs. 4 Satz 2). Lässt die Satzung eine Einberufung durch E-Mail oder Telefax zu (siehe § 121 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2), sind der Niederschrift die entsprechenden Sendeberichte etc. beizufügen. 62 Die entsprechenden Einberufungsnachweise sind der Niederschrift als Anlage beizufügen und mit dieser durch Schnur und Siegel zu verbinden (siehe §§ 37 Abs. 1 Satz 2, 44 BeurkG, § 30 Abs. 2 DONot).76) Das Beifügen von Originalen ist gesetzlich nicht vorgesehen77) und in vielen Fällen auch gar nicht möglich. 63 Die Einberufungsbelege müssen der Niederschrift nicht beigefügt werden, wenn sie in der Niederschrift selbst aufgeführt sind (§ 130 Abs. 3 Halbs. 2). Die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung muss in diesem Fall anhand der Niederschrift feststellbar sein. Die wörtliche Wiedergabe der Einberufungsbelege ist dabei nicht zwingend, aber vielfach zweckmäßig. 64 Im Falle einer Vollversammlung kann auf die Einberufung verzichtet werden (§ 121 Abs. 6), so dass der Niederschrift auch keine entsprechenden Nachweise beigefügt oder in ihr aufgeführt werden müssen. 65 Eine Verletzung der Pflicht zur Beifügung der Einberufungsbelege führt nicht zur Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse (§ 241 Nr. 2 erwähnt § 130 Abs. 3 gerade nicht). Die Beschlüsse werden dadurch auch nicht anfechtbar. Denn ein bereits gefasster Beschluss kann nicht auf einem zeitlich nachfolgenden Gesetzesverstoß beruhen (§ 243 Abs. 1). 2.
Sonstige zwingende Anlagen
66 In Einzelfällen sind der Niederschrift aufgrund besonderer gesetzlicher Vorgaben weitere Anlagen beizufügen. Beispiele dafür sind etwa: Nachgründungsverträge (§ 52 Abs. 2 Satz 7), Verträge über die Vermögensübertragung im Ganzen (§ 179a Abs. 2 Satz 6), Unternehmensverträge (§ 293g Abs. 2 Satz 2),78) Verträge über die Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung nach dem Umwandlungsgesetz (§§ 13 Abs. 3 Satz 2, 125 Satz 1, 176 Abs. 1 UmwG). 3.
Fakultative Anlagen
67 Darüber hinaus können der Niederschrift freiwillig weitere Anlagen zu Beweiszwecken beigefügt werden, wie etwa das Teilnehmerverzeichnis, der Jahres- und Konzernabschluss nebst Lagebericht, Berichte des Aufsichtsrats und/oder des Vorstands,79) die Rede des Vorsitzenden des Vorstands auf der Hauptversammlung, Schriftstücke von Aktionären über (unbeantwortete) Fragen, u. a. m. V.
Handelsregisterpublizität der Niederschrift (§ 130 Abs. 5)
68 Unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB)80) nach der Hauptversammlung ist eine vollständige Abschrift der Niederschrift samt aller Anlagen elektronisch zum Handelsregister einzu_____________ 76) Zur Zulässigkeit der Bezugnahme auf den Inhalt einer vorgeschlagenen Satzungsänderung (Abs. 3 Halbs. 1, § 124 Abs. 2 Satz 2) s. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.5.2010 – 20 W 115/10, MittBayNot 2011, 165. 77) K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 57. A. A. Hüffer, AktG, § 130 Rz. 24. 78) S. dazu BGH, Beschl. v. 30.1.1992 – II ZB 15/91, ZIP 1992, 395, dazu EWiR 1992, 423 (Kort). 79) Zur Berücksichtigung von beigefügten Vorstandsberichten bei der Auslegung von Hauptversammlungsbeschlüssen s. BGH, Beschl. v. 30.1.1995 – II ZR 132/93, ZIP 1995, 372, dazu EWiR 1995, 359 (Hirte). 80) Bürgers/Körber-Reger, AktG, § 130 Rz. 49; Hüffer, AktG, § 130 Rz. 27. A. A. K. Schmidt/Lutter-Ziemons, AktG, § 130 Rz. 63 – im Hinblick auf die Anfechtungsfrist nach § 246 Abs. 1.
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Niederschrift
reichen (§ 130 Abs. 5 i. V. m. § 12 Abs. 2 HGB). Das Handelsregister kann die Erfüllung dieser Verpflichtung ggf. mittels Zwangsgeld durchsetzen (§ 14 HGB i. V. m. §§ 388 ff. FamFG).81) Die Pflicht zur Einreichung der Hauptversammlungsniederschrift besteht unabhängig von der Verpflichtung zur Anmeldung von etwaigen Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen oder Umwandlungen. Für die Einreichung der Niederschrift beim Handelsregister ist stets der Vorstand der Ge- 69 sellschaft zuständig. In der Praxis wird der Vorstand der Gesellschaft mit der Einreichung allerdings regelmäßig den beurkundenden Notar beauftragen. Die Form der einzureichenden Niederschrift richtet sich nach der Person des Protokoll- 70 führers. Im Falle der notariellen Beurkundung ist beim Handelsregister eine öffentlich beglaubigte Abschrift (§ 42 BeurkG) oder eine Ausfertigung der Niederschrift (§§ 47 ff. BeurkG) einzureichen. Der Beglaubigungs- bzw. Ausfertigungsvermerk ist vom Notar zu unterschreiben. Bei Erstellung eines privatschriftlichen Protokolls genügt dagegen die Einreichung einer einfachen Abschrift der Niederschrift. Der Aufsichtsratsvorsitzende muss die Abschrift (zusätzlich zum Original, siehe § 130 Abs. 4 Satz 1) unterzeichnen. Die Niederschrift wird beim Handelsregister (grundsätzlich ohne weitere Prüfung)82) in 71 den elektronischen Registerordner aufgenommen und kann dort von jedermann (auch ohne berechtigtes Interesse) eingesehen werden (§ 9 Abs. 1 HGB). Darüber hinaus können auch Ausdrucke oder Abschriften der Niederschrift verlangt werden (§ 9 Abs. 4 HGB). Die Gesellschaft ist dagegen nicht verpflichtet, den Aktionären Abschriften der Niederschrift zu erteilen (siehe § 810 BGB). Der beurkundende Notar darf grundsätzlich nur der Gesellschaft (nicht aber den Aktionären oder einzelnen Organmitgliedern) Abschriften der Niederschrift erteilen (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG; zu Ausnahmen siehe §§ 111 Abs. 3 und 122 AktG). VI.
Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse im Internet (§ 130 Abs. 6)
Börsennotierte Gesellschaften (§ 3 Abs. 2) müssen zudem innerhalb von sieben Tagen 72 (§§ 187 ff. BGB) nach der Hauptversammlung die festgestellten Abstimmungsergebnisse auf ihrer Internetseite veröffentlichen (§ 130 Abs. 6). Die Regelung wurde erstmals durch das ARUG83) eingeführt und geht auf die europäische Aktionärsrechterichtlinie zurück (Art. 14 Abs. 2). Die Abstimmungsergebnisse sind auch dann auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen, wenn die vollständige Hauptversammlungsniederschrift (in der auch das Ergebnis der Abstimmung enthalten ist) bereits zum Handelsregister eingereicht und dort für jedermann einsehbar ist. Etwaige Verstöße gegen die Internetpublizität bleiben allerdings ohne jede Sanktion und machen die zuvor gefassten Beschlüsse auch nicht anfechtbar. Der Veröffentlichungspflicht unterliegen die festgestellten Abstimmungsergebnisse ein- 73 schließlich der detaillierten Angaben über die Beschlussfassung (nach § 130 Abs. 2 Satz 2). Diese Angaben sind auch dann auf der Internetseite zu veröffentlichen, wenn sich der Versammlungsleiter in der Hauptversammlung auf die Feststellung beschränkt hat, dass für jeden Beschlus