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German Pages 73 [80] Year 1941
HANDWÖRTERBÜCHER ZUR D E U T S C H E N VOLKSKUNDE HERAUSGEGEBEN DEUTSCHER
VOM
VEREINE FÜR
VERBAND VOLKSKUNDE
A B T E I L U N G II
MÄRCHEN
BERLIN
1934/1940
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J . G Ö S C H E N ' S C H E VERLAGS H A N D L U N G - J . GUTTENTAG, VERLAGSB U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R - KARL J. T R Ü B N E R - VEIT & COMP.
HANDWÖRTERBUCH DES
DEUTSCHEN
MÄRCHENS HERAUSGEGEBEN U N T E R MITARBEIT ZAHLREICHER F A C H G E N O S S E N V O N
LUTZ MACKENSEN
BAND II
BERLIN
193411940
WALTER D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G . J . G Ö S C H E N ' S C H E VERLAGSHANDLUNG - J . GUTTENTAG, VERLAGSR U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R - KARL J. T R Ü R N E R - VEIT & C O M P .
Archiv-Nummer 4 6 0 3 4 0 Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Printed in Germany
Glasberg
ungezwungener und natürlicher Verwendung, brauchen wir doch wohl nicht nach einem einzigen Ursprungsort für diese Grundanschauungen zu suchen. Das irdische Paradies stellt man sich gewöhnlich auf einem Berg vor, und darauf beruhen Anspielungen wie „stlgen ze himel vf der saelden berc"20). Solche mittelalterlichen Anspielungen auf einen geheimnisvollen Berg wie im Jüngeren Titurel: Daz paradys vil nahen lit des kuniges heime wan daz ez undervahen kan ein berc vor aller vogel sweime, gehohet hoch al ober siech die rihte eben glase helle, daz niht daran gekleben mac vor slihte 2 1 ).
werden letzten Endes eher durch die Vorstellung von einem irdischen Paradies als von einem heidnischen, sagenhaften G. angeregt sein. Eine Erklärung des berc der halbenunge (jüng. Tit. str. 6174) ist vielleicht schwieriger, aber es scheint auch darin nichts von einem heidnischen G.-mythos enthalten zu sein. Anspielungen auf einen Berg in Verbindung mit dem Paradies oder dem Land, wohin die Toten kommen, sind besonders häufig und besonders rein in den orientalischen Vorstellungen vom zukünftigen Leben 22 ). Gewiß wird auch diese Idee nicht ausschließlich orientalisch sein, denn es wird z. B. berichtet, daß die Mizteken in Mexiko die Vorstellung von Göttern haben, die in einem Schloß auf einem Berg wohnen. Möglicherweise ist auch die westjavanische Vorstellung von einem Paradies auf einem Berg unabhängig von den persisch-arabischen Vorstellungen. Anspielungen auf einen Berg im Zusammenhang mit Vorstellungen vom Leben nach dem Tod finden sich in den Erzählungen vom Priester Johannes und im apokryphen Henoch-Buch. Diese Vorstellungen sind alt und im persisch-arabischen Denken fest begründet. In der altpersischen Religion besteht der Glaube, daß das Wasser des Lebens herniederfließt auf einen heiligen Berg namens Haraberezaiti. Dort ist auch der paradiesische Garten von Yima. Die Babylonier glaubten an einen Berg Mashu, der bis ans Paradies reichte. In der chaldäischen 40
Märchen-Lexikon 11.
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und ägyptischen Kosmologie hat der Berg zentrale Bedeutung. Die griechischen Götter wohnen auf dem Olymp. Das irdische Paradies der Mohammedaner liegt, ähnlich wie in manchen Schilderungen das christliche, auf einem Berg. Es ist daher wahrscheinlich, daß der Gedanke, man könne ein Paradies durch Ersteigen eines Berges erreichen, eher aus persischer und orientalischer Überlieferung stammt, als aus keltischen oder germanischen Ideen. Die keltischen Vorstellungen spielen gelegentlich auf ein Paradies auf einem Berg an, aber derartige Anspielungen erklären sich gewöhnlich durch ihre Zurückführung auf die orientalischen Uberlieferungen ( P a t c h S. 615). Natürlich sind die Angaben zu kärglich, und ihr Sinn ist für uns auch nicht klar genug, um zu einer sicheren Deutung zu gelangen. Die Vorstellung von einem Berg im Zusammenhang mit dem Jenseits hängt eng zusammen mit der sinnbildlichen von der schweren Erreichbarkeit und dem gefahrvollen Ringen um den Erfolg. Sie ist also ein geeignetes allegorisches Sinnbild. Dieses Symbol findet sich häufig in der Literatur des Liebeshofes, — das erste Beispiel ist vielleicht C l a u d i a n s De nuptiis Honorii et Mariae: hier ist der Palast der Venus auf einem ebenen Platz auf der Spitze eines unzugänglichen Berges. Diese sinnbildliche Darstellung ist durchaus literarisch und nicht volkstümlich. Ebenfalls literarisch ist der Berg mit seiner symbolischen Erklärung im For¿wwa-Mythos. Einen volkstümlichen Hintergrund haben dagegen möglicherweise die Belege aus der mittelalterlichen Artussage, in der der Berg oft ein fernes, schwer zu erreichendes Land darstellt. In Ulrich von Z a z i k h o v e n s Lanzelet v. 209—10 hat eine Meerfrau ein Schloß im Meer auf dem Gipfel eines kristallenen Berges. Nach manchen Quellen — G e r v a s i u s v o n T i l b u r y und C a e s a r i u s v o n H e i s t e r b a c h — befindet sich der Hof des Königs Artus auf einem Berg. A. C. L. B r o w n hat eine Anzahl von Beispielen strahlender Burgen aus den ältesten wallisischen und irischen Sagen gesammelt — I m r a m
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Glasberg
B r a i n . I m r a m M a e l d u i n und andere —, und kommt zum Ergebnis, daß sie ein Requisit der Darstellung der Jenseitslandschaft bilden 28 ). Eine Entscheidung der Frage über den keltischen oder orientalischen Ursprung dieser Vorstellung ist schwierig. Möglicherweise hat die häufige und naheliegende Erwähnung von Edelsteinen und Kristall in Zusammenhang mit dem Jenseits zur Ausschmückung der orientalischen Vorstellung vom Paradies auf dem Berg und so auch zu dem G.Motiv geführt ( P a t c h 610). 20)
Zitiert bei G r i m m Myth* S. 685. 2 1 ) Str. 6044. 22) H. R. P a t c h Some Elements in Medieval Descriptions of the Other world in Publications of the Modern Language Association X X X I I I (1918) 618 Anm. 64; A. C. G a r r e t [Harvard] Studies and Notes in Philology and Literature V (1897) 159; M a c C u l l o c h Childhood S. 442; L . W e i s e r Berg (AberglaubenWb. I 1043—56). 2S) Romanic Review I I I (1912) 158.
6. Die Glasburg wird oft mit dem G. verwechselt, z. B. heißt es in einem dänischen Märchen Slottet lignede mere et glasbjaerg end et slot24). In manchen Fällen kann die Glasburg ein wirkliches Schloß aus glasierten Ziegeln sein 28): Erinnerungen an solche Burgen kommen besonders in orientalischen Geschichten vor. Mauern aus glasierten Ziegeln kennen wir in Schottland, im ganzen kontinentalen Europa und im Orient. Die Mauern des Belus-Tempels in Babylon erregten die Bewunderung der Reisenden. E n e n k e l s Kaiserchronik erwähnt „verglaste Burgen"; der Glasturm in des N e n n i u s Historia Britonum c. 13 kann ein solcher Bau gewesen sein. Orientalische Märchen spielen gelegentlich auf solche Bauten; an 2 6 ). Manche Gelehrte haben eine mythische Anspielung auf die Glasburg- oder G.-Vorstellungindem Namen Glastonbury gesehen, einer Stadt, die eng mit der Verbreitung der Artuslegende verknüpft ist 27 ). Diese Anspielung wäre, wenn sie aufrecht erhalten werden dürfte, zugleich auch in Beziehung zu setzen zu Avalun, einem irdischen Paradies und dem mythischen Hintergrund der Sage von der Entrückung des Königs Artus. Diese Erklärung beruht indessen auf Volksetymologie (sogar einige lateinischen Chroniken
haben Glastonbury mit „urbs vitrea" übersetzt): es können keine sicheren Schlüsse für die Sage aus Glastonbury und Yniswitrin gezogen werden. Die Glasburg in dem shetländischen Hildinakvad, einer Version der Hildesage, hat keine Parallelen in den älteren Fassungen der Sage und scheint aus unbekannter Quelle als konventionelle Einzelheit eingedrungen zu sein. Die erste Strophe der Hildinakvad lautet: D a vara Iarlin o Orkneyar for frinda sin spirde ro, whirdl an skildi; meun or vannaro ednar fuo Or glasburyon b u r t a g a I 8 ) .
Auch hier brauchen wir keinen mythischen Ursprung für die Glasburg zu suchen, ebensowenig wie für BeligansSchloß im Wolfdietrich\ Ein turn was hoch, man sach in über die a n dern gan: da hete der übel heiden diu houbet gestechet an. * • * Der graben waren niune, für war so wizzent. daz, undersetzt mit marmelsiulen und mit maneger hande glas, also was diu brücke und die graben überzogen 2 *).
Es ist bekannt, daß der Text D des. Wolfdietrich und sogar noch mehr der Text K an Wundern und Wunderbarem ihre besondere Freude haben. Diese Erweiterungen der ursprünglichen Erzählung werden auf Tatsächliches (Burgen aus glasierten Ziegeln) oder auf orientalische Erzählungen zurückgehen (orientalischer Einfluß läßt sich in allen Fassungen des Wolfdietrich nachweisen). Jedenfalls ist eine mythische Deutung dieser späten und stark ausgeschmückten Texte des Wolfdietrich nicht wahrscheinlich. Ebenso ist auch die wirkliche Bedeutung^ der wallisischen Redensart „sich im Glashaus einschiffen" für Sterben 30 ) sehr zweifelhaft. 21) J e n s K a m p Danske Folkseeventyr (Kopenhagen 1879) S. 188. In einer anderen Geschichte wird ein Glasberg ein Königsschloß: E . T. K r i s t e n s e n Efterslxt til Skattegraveren S. 35. 2 i ) S. Belege bei L i e b r e c h t Germania X X X V 205; H a u c h e c o r n e und andere Zeitschrift für Ethnologie I I (1870) 4 6 1 — 8 ; Ver-
Glasberg— Glasbergritt schlakte Wälle in Böhmen in Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit N. F . V I (1859) 90—91; R. A n d r e e Heidenschanzen und Steinwälle der Lausitz I V : Die verschlackten Wälle in Globus X X 295—97; H. F . M a ß m a n n in der Ausg. der Kaiserchronik I I I 462. Über die Beziehungen zwischen G. und Literatur siehe besonders L i e b r e c h t Z u » - Volkskunde S. 100—101; R ü h r m u n d Germania (hrsg. v. F. H. von der Hagen) I X (1850) 21 Anm. 2. *«) Vgl. J . M e u r i e r Contes et Ugendes du Caucase (Paris 1888) zitiert von G i t t e e Volkskunde I (1888) 286. " ) K. M e y e r Voyage of Bran (London 1895) I 236; L i e b r e c h t Des Gervasius von Tilbury 'Otia Imperialia' (Hannover 1856) S. 1 5 1 . Siehe jedoch L. H. G r a y The Origin of the Name of Glastonbury (Speculum X (1935) 46—53); W. A. N i t z e , PerlesvausII (Chicago 1937), 47,49, 58. 28 )M. H a e g s t a d Hildinakvadet (Videnskabsselskabets Skrifter, hist.-fil. Kl. (Christiania) 1900 Nr. 2.) Ich habe den rekonstruierten Text wiedergegeben. s *) Wolfdietrich D V I 1 3 — 1 4 ; E. A. H. F u c h s The Wolfdietrich Epic in the Dresdener Heldenbuch (Wolfdietrich K) (Louisville, K y . 1935) S. 143 Str. 289; S t a m m l e r AberglaubenWb. I I I 860 Anm. 35. 30 ) Die Redensart wird nur von H e r s a r t de V i l l e m a r q u e Contes populaires I 50 angeführt (nach D u n l o p - L i e b r e c h t Geschichte der Prosadichtungen Nr. 169; L i e b r e c h t Des Gervasius von Tilbury Otia Imperialia [Hannover 1856] S. 1 5 1 ) . Vgl. Amor und Psyche II 8, Berg, Fahrzauber V I 6 b, Fuchs A 6 I I I !
Taylor. Glasbergritt. 1. Die europäischen Varianten. — 2. Die außereuropäischen Varianten. — 3. Die Einleitung.
1. Eine Prinzessin hat versprochen, nur den zu heiraten, der (dreimal) auf einen H 331.1.1 steilen Berg (Glasberg) hinaufreitet, auf dessen Höhe sie sitzt 1 ), und sie 2) oder einen Goldapfel 3 ), Ring 4) den sie in der Hand hat, holt. Bisweilen ist sie dahinr 111.1.3 gezaubert 3 ) und wird von einem Drachen B11.11 bewacht; es gilt dann, diesen zu töten 5) D 735 oder den Zauber durch einen Kuß zu heben 6 ). Viele Freier haben es schon vergebens versucht, als der Held des MärH 901.1 chens sich einfindet. Dank einem besonders prächtigen Pferd gelingt es ihm B 181 hinaufzureiten und so die Prinzessin zu gewinnen 7 ). Manchmal reitet er jedoch T177 danach wieder seines Weges und wird erst bei einer späteren Gelegenheit von ihr an dem Apfel 3 ) oder Ring 8 ) wieder erkannt, H 80 an einem Golddraht 4) oder einer Schleife 9 ), die sie ihm in die Haare gebunden hat, an 50;F555.i denselben goldenen Haaren 6 ) oder an 40*
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einer Wunde, die er das letzte Mal be- H 56 kommen hat 1 0 ). In einer (bayerischen?) Variante folgt nach dem Ritt ein Turnier auf dem gläsernen Berge 1 1 ). In Tirol ist der Bergritt einmal ganz durch Turnier ersetzt und zwar in der Weise, daß die Prinzessin dem H 331.3 Turniersieger versprochen ist 1 2 ) (ein andermal dem, der einen Veilchenstengel, den sie, auf einer Säule sitzend, in der Hand hält) 1 3 ). Ähnlich kommt in Holstein ein Ringreiten vor 3 ). Und so gibt es auch in Dänemark u ) und Osteuropa 16 ) hier und da Varianten, wo wir statt des Bergrittes Turniere und Preiskämpfe verschiedener Art nach Sitte und Brauch der betreffenden Länder finden. In Ungarn 1 6 ), Italien 1 7 ) und Frankreich 1 8 ) ist sogar nur von solchen die Rede und der Bergritt selbst unbekannt. Zum Teil liegen nun sicher hier Mischvarianten mit dem Märchen vom Grindkopf19) vor, wo das Turnieren in Verbindung mit der Gattenwahl steht, vielleicht aus dem Helfer-Motiv dieses Märchens durch mittelalterliche Rationalisierung entwickelt M ). Außerdem kommt es noch in Märchen wie Sechse kommen durch die Welt, Der dankbare Tote undDatErdmänneken vor 21 ). Außer in Deutschland sitzt die Prinzessin auch in Skandinavien gewöhnlich auf einem Berg 22 ), Glasberg 23 ), auf den Faröern in einem gläsernen Schloß oder einem Haus, das ihr Vater auf einem Felsen aufgeführt hat 2 4 ), in Finnland auch in einem kleinen Haus auf einer 9 Ellen hohen Säule, in einem Glasturm oder im dritten oder sogar neunten Stockwerk des Schlosses 2S). Die letzten Varianten müssen, wie wir sehen werden, auf russischem Einfluß beruhen. Überhaupt stimmen die skandinavischen Formen des Märchens im großen ganzen mit den deutschen überein, so daß wir einen einheitlichen germanischen ökotyp aufstellen können. Nur in Schweden hat Einfluß vom Märchen vom wilden Mann zum Teil den Charakter unseres Märchens geändert. Den skandinavischen Varianten besonders zu eigen sind die in ungefähr der Hälfte vorkommenden goldenen Äpfel, die geholt werden sollen und manchmal
f 771.1.8
f 771.2.1 H 331.1.2
H 1151.1
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Glasbergritt
von der Prinzessin als eine Art LiebesH 316 zeichen dem vorgezogenen Freier zugeworfen werden 28 ). Außer in den skandinavischen und drei holsteinischen Varianten kommen sie nur in Ungarn 16 ) und vereinzelt in Polen 27 ) vor. Auch in Osteuropa, Rußland 28), Polen 29), Estland 3 0 ), Lettland 3 1 ) und Litauen 32) finden wir den Glasberg, im Kaukasus daneben einen einfachen, hohen f 752.3.2 Felsen 33 ), in Böhmen einen Diamant-, F752.2 Silber- und Marmorberg 34 ). Zum mindesten ebenso häufig sitzt die Prinzessin aber hier in einem hohen, besonders dreistöckigen Gebäude, wie es uns schon in Finnland begegnet ist 2 5 ). Vor allem ist dies in Rußland oft der Fall, mehr vereinzelt in Polen, Estland, Litauen und Ostpreußen 35 ). Man wird deshalb diese Form des Glasbergmärchens als eine speziell osteuropäische ansehen müssen. l ) M ü l l e n h o f f Schleswig 457; Bartsch Mecklenburg I 492—93 = Z a u n e r t Märchen seit Grimm. 268—72; BIPommVk. III 84—87 und IV 183—84; Z i n g e r l e KHM Süddeutschland 395—403. 2 ) BIPommVk. V I 177—84. 8 ) W i s ser PlattdVM. 230, v g l . Z V k . X X V 305—13. In nicht weniger als 7 der hier angeführten Varianten ist die Prinzessin auf den Glasberg gezaubert; so auch in G r u n d t v i g Gamle danske Minder i Folkemunde I Nr. 1. 4) S t r a c k e r j a h n OMewiwrg § 621. 6 ) H a a s Rügen 208—13. E . S o m m e r Thüringen, 1846, 96—97. 8 ) M ü l l e n h o f f u. B a r t s c h I.e.; BIPommVk. I I I 84 und IV 183. ») BIPommVk. V I 177. 10 ) H a a s Rügen 208; Z i n g e r l e KHM Süddeutschland 96 und 395. 1 1 ) W o l f DHM. 12 269—85. ) Z i n g e r l e KHM Süddeutschland 96. ls ) Ebda. 326. 14 ) K r i s t e n s e n Skattegraveren V I Nr. 823; ds. Märchen in Ms. Nr. 32 und 15 1737. ) B o l t e - P o l i v k a I I I 1 1 2 — 1 3 ; FFC. 34 S. 48—50 und 54—55. ie ) G a a l 32; E r d i l y i - S t i e r Nr. 14; S k l a r e k II 148 Nr. 1 2 ; B ü n k e r 328 Nr. 98. 1 7 ) C o m p a r e t t i Nr. 22. 18 ) Cosquin Lorraine II 8gff. Nr. 43; L u z e l Rapports V 34. » ) KHM. Nr. 136; A a r n e T h o m p s o n Nr. 314 und 502. Cf. P a n z e r Hilde-Gudrun 251 ff. 20) L i l j e b l a d Tobias 36ff. und 58 ff. 2 1 ) KHM. Nr. 71, 217 und 91 = A a r n e - T h o m p s o n Nr. 5 1 3 — 1 4 , 506—08 und 301; cf. L i l j e b l a d 1. c. 22 ) H y l t £ n C a v a l l i u s — G. S t e p h e n s Svenska folksagor och äfventyr Nr. 20 Var. 2 = Runa 1842 S. 7; A s b j ornsen — Moe Norske Folkeeventyr2 (1852) 490 Var. 3; R. Th. C h r i s t i a n s e n Norske Eventyr (1921) Nr. 530 Var. 9, 14, 17 und 18; Finlands svenska folkdiktning I A Nr. 97 Var. 1 und 3; F e l l m a n Anteckningar under min vistelse i Lappmarken II (1906) 148—49; Qvigstad-Sandberg Lappische Sprach-
proben Nr. 25; Q v i g s t a d Lappiske Eventyr og Sagn I (1927) Nr. 17. Grundtvig Gamle danske Minder i Folkemunde I Nr. 249; H y l t 6 n - C a v a l l i u s op. cit. Nr. 20; A s b j 0 r n s e n - M o e Norske Folkeeventyr Nr. 5 1 ; Finlands sv. folkdiktning Nr. 97 Var. 4, 7, 8 und 9. 24 ) J . J a k o b s e n Faeraske Folkesagn og /Eventyr (1898—1901) 280—84 und 286—88. 26 ) L ö w i s of Menar Finnische VM. Nr. 1 ; Finlands sv. folkdiktning Nr. 97 Var. 2, 5, 6, 1 1 und 10. 26 ) Vgl. im ganzen I n g e r M. B ö b e r g Prinsessen pä Glasbjserget, in Danske Studier 1928, spez. S. 25—26; Aberglauben WB. 5 1 1 — 1 6 . 27 2S ) K o l b e r g Lud 8 Nr. 2—3. ) BolteP o l i v k a I I I 1 1 2 — 1 3 . 2») Ebda. so ) K r e u t z 3l w a l d Nr. 13. ) Rev trad pop. X I I 1 1 0 ; U l a n o w s k a Nr. 24. 82 ) J u r k s c h a t Nr. 8; K a r l o w i c z P o d . ibajkanaLit. Nr. 38. 3 3 ) Sbornik Kavkaz. 42, 2, 1, s. B o l t e - P o l i v k a III 1 1 3 . **) F F C . 34 S. 52—53- 35 ) B o l t e P o l i v k a III 112—13.
2. Diese Anschauung wird nicht wesentlich dadurch verrückt, daß man die Form mit einem Gebäude statt des Berges auch in einem ägyptischen Papyrus aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. findet, bei weitem der ältesten bekannten Fassung des Märchens, das wohl hier vom Nordosten eingewandert ist 3 6 ). Die Prinzessin von Naharina (an der syrischen Küste) sitzt hier in ihrem Zimmer 70 Ellen über dem Erdboden, wo sie von einem ägyptischen, für einen einfachen Offizierssohn ausgegebenen Prinzen erklommen und so erobert wird. In einer um 1900 aufgezeichneten, syrischen Variante 37 ) gilt es dagegen ein Wettreiten um die Prinzessin (in Indien m i t ihr, in Annäherung an orientalische Märchenvorstellungen von Heldenjungfrauen, starken Weibern 38 )). Sonst ist unser Märchen meines Wissens nicht außerhalb Europas verzeichnet. Ich sehe dabei von verwandten Brautwerbungsmärchen 39 ) ab, wo die Aufgabe darin besteht, über einen Fluß, Graben oder spießbesetzte Mauern zu Pferd (bisweilen auch zu Fuß) zu setzen, wie sie sowohl in Indien 40 ) als auch z. B. auf dem Balkan vorkommen 41 ). Ursprünglich ist wohl auch im Glasbergmärchen nur von irgendeinem gefährlichen Ritt oder Sprung die Rede gewesen. In den osteuropäischen Varianten findet man denn auch Aufgaben ganz derselben Art, wie z. B. über einen Turm 42), einen breiten Graben, eine Festung, „forteca", zu springen, um ein Schloß in der Luft herum
h 331.1.2
h331.5.1 T173.1 H 31 Off. F 989.1
Glasbergritt
oder über eine Glasbrücke zur Prinzessin zu reiten, um sie durch 12 Glasplatten, „stekla", zu küssen oder ihr Bild hinter einer Anzahl von Balken zu holen **). 36 ) Maspero Contes populaires 196ff.: Märchen WB. I 31 *') Rev trad pop. X X V 20—31. ») Ebda. X V I I I 388—89; A a r n e - T h o m p s o n Nr. 519; cf. L i l j e b l a d Tobias 235ff. 3>) Ci. Märchen WB. I 3i6f. 40) Miss F r e r e Old Deccan Days 34, 74 und 148. 41 ) Dozon Nr. 5 und 14; Hahn Griechische M. Nr. 45; S a p k a r e v 8, 118. 4 i ) S c h i e f n e r Awarische Texte Nr. 4. 4S ) Bolte-Polivka III 112—13.
3. Als Einleitung des Märchens vom G. hat man erzählt, wie der Held die zum Ritte notwendigen Pferde bekommen hat. B 310 Obgleich es natürlich hier vielfach Variationen gibt, sind doch hauptsächlich drei verschiedene Einleitungen zu unterscheiden. In den beiden ersten wird die HauptL 10 person gewöhnlich als der jüngste und dümmste von drei Bauernsöhnen beschrieben. Diese werden einer nach dem anderen hinausgeschickt, entweder um auf einem Feld, von dessen Korn oder Heu jede Nacht gestohlen wird, oder beim H1471 Grabe ihres Vaters Wache zu halten. H 1462 Während die beiden ältesten einschlafen oder fliehen, sobald die Diebe sich einfinden, oder geradezu die Grabwache ablehnen, bleibt der jüngste treu auf seinem Posten. In einem Bündel Heu oder Korn F 80 versteckt wird er mit in das unterirdische Schloß der Diebe getragen, wo es ihm gelingt, sie zu töten, worauf er Pferde, D845 schöne Kleider und allerlei Schätze darunten findet 44 ). Oder er überwältigt in irgendeiner anderen Weise die Diebe, einen f 531.1.1.1 einäugigen Riesen 45), einen kleinen, grauen F 527 Mann s ) und erzwingt sich von ihnen drei B 181 Zauberpferde. In einer pommerschen Niederschrift kommen diese selbst, um den Klee zu fressen, und werden vom D 1224 Dummhans mittelst einer Zauberpfeife festgebannt 46). Wo von einer Grabwache die Rede ist, ist es gewöhnlich der verstorbene Vater, der dem jüngsten, treulich wachenden Sohn die Pferde oder Anweisung, sie B 312.1 zu bekommen, schenkt 47). Die dritte Einleitung endlich handelt von einem Hirtenknaben, dessen Schafe auf das Gebiet gewisser Riesen nicht hineinkommen dürfen. Als sie es jedoch tun und die Riesen wütend
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zum Vorschein kommen, tötet er sie einen nach dem anderen und findet dann wie K912 in der Einleitung von der Feldwache Pferde usw. in ihren Wohnungen, manchmal auch ein alles besiegendes Schwert, das er erst, D 1081 nachdem er von einem Stärketrunk ge- D 1335.2 trunken hat, zu schwingen vermag. Diese Einleitung scheint nämlich von Haus aus mehr zum Drachenkampfmärchen zu gehören, wo sie ganz regelmäßig vorkommt, nicht nur in den Gegenden, wo daneben das Glasbergmärchen steht, sondern weiter noch, z. B. in Irland und Großbritannien, wo sie besonders häufig ist, und wo das Drachenkamf>fmärchen[ möglicherweise überhaupt das Glasbergmärchen verdrängt hat **). Im mittleren Europa haben die beiden Märchen sich vielfach vermengt und durch Zusammendichtungen ergänzt, so auf Rügen 8 ), in Tirol 49 ), Holstein 3 ), Skandinavien ®°) und der Bretagne 51 ). Die genannte Drachenkampfeinleitung kommt im Glasberg märchen gewöhnlich in Deutschland 62 ) und Skandinavien 53) vor und ist auch in Frankreich 18 ), Italien 17 ), Ungarn 54 ) und Böhmen 55) verzeichnet. Von den beiden erst genannten, mehr eigentlich zu unserem Märchen gehörenden Einleitungen ist die mit der Feldwache die gewöhnliche in Norddeutschland und Skandinavien 56 ) und auch in Rußland, Litauen und Böhmen bekannt. Die mit der Grabwache ist dagegen die gewohnliche in Osteuropa, einschließlich Finnlands, und in Deutschland in Mecklenburg, Hinterpommern, Ostpreußen und Tirol 47 ), wo man mit slawischem Einfluß rechnen darf. Endlich kommt die letzte auch in der genannten syrischen Variante 37) vor, wo der jüngste Sohn drei Nächte nacheinander drei Männer tötet, die sich am verstorbenen Vater rächen wollen, und ihnen ihre Pferde und Kleider nimmt. In Indien 38) finden wir dagegen eine Einleitung, die der nordeuropäischen von der Feldwache nähersteht; nur ist es hier ein Garten, dessen Früchte nachts von fliegenden Pferden gestohlen werden und deshalb von 7 Brüdern, Prinzen, bewacht werden sollen. Der zu bewachende Garten ist ja überhaupt ein beliebtes
H 1471
H 1462
G 346 B 41.2
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Glasbergritt—Glassarg
Märchenmotiv, z. B. im Wasser des Lebens und dem Goldenen Vogel, wie übrigens auch das beschädigte Feld in den Schwanjungfrauen hierher gehört. Die Einleitung von der Erwerbung eines Pferdes fehlt in Bayern, wo das Märchen als bloße Sage von einer Gräfin von Brunn in Altmühltal erzählt wird, die von ihren Freiern verlangt, daß sie in H 331.1 einem Ritt von München auf den Schloßfelsen reiten 5 7 ). Ebenso fehlt sie im altägyptischen Märchen 86 ). Zweifelsohne hat das Motiv von einer schwierigen ReitH 310 probe als Bedingung einer Gattenwahl auch von vornherein selbständig und ohne jegliche Einleitung bestanden, man nenne nun dies die Urform des Märchens oder nur das bloße Motiv, aus dem jenes gewachsen ist. Innerhalb der Volksgruppen der Indogermanen, denen das Märchen von alters her gehört haben muß, sind dann während der Zeit verschiedene Sonderformen, ökotypen, entstanden, die sich immer fester gestaltet haben und fester gewachsen sind, sich aber auch gegenseitig beeinflußt und auf ihre Gebiete gegenseitig übergegriffen haben. So hat sich besonders ein osteuropäisch-slawischer ö k o t y p entwickelt, der die Grabwache als Einleitung hat und die Prinzessin in einem hohen Gebäude sitzen läßt, und weiterhin ein nordeuropäischgermanischer ökotyp, der die Feldbewachung und einen Berg, spez. Glasberg, als das Hindernis, auf das es zu reiten gilt, enthält. Endlich wird man vielleicht auch einen westeuropäisch-romanisch-keltischen ö k o t y p (mit dem Turnier) aufstellen können. Der letzte kann jedoch naturgemäß erst dem 12.—13. Jh. angehören und setzt einen älteren ö k o t y p mit einer mehr primitiven Reitprobe voraus. Ebenso muß der germanische T y p mit dem Glasberg einen älteren mit einem einfachen Berg voraussetzen. Der Glasberg ist sicher nur als beliebtes, volkstümliches Motiv später zugekommen. Den ältesten Beleg dafür gibt ein dänisches Volkslied um 1560 von Siegfried und BrynhildB8), die von ihrem Vater auf einen Glasberg gesetzt ist, weil er sie nur dem zur Braut gönnt, der dort hinaufreiten kann; in den
altnordischen Sagen von Siegfried und Brynhild ist dagegen von keinem Glasberg die Rede. Diese müssen jedoch auch eine Form unseres Märchens vertreten, das sicher von alters her den Germanen sowie den Indogermanen angehört hat. Daß es erst in historischer Zeit aus Indien nach Europa gekommen sein sollte, wie K . Krohn meinte 59 ), ist bestimmt abzulehnen. Das beweist schon die altägyptische Variante, die ihm nicht gegenwärtig war. M) W i s s e r PlattdVM. 230; Strackerjan Oldenburg § 621. 45) M ü l l e n h o f f Schleswig 457. *») BIPommVk. I I I 84—87. « ) B a r t s c h Mecklenburg I 492—93 = Z a u n e r t Märchen seit Grimm 268—72; K n o o p Hinterpommern 192—94; Z i n g e r l e KHM. Süddeutschland 395. « ) So C. W . v . S y d o w in ZVk. V I I I (1936/37) 167—68. 49) Z i n g e r l e KHM. Süddeutschland 326. K r i s t e n s e n Jyske Folkeminder X I I Nr. 7; R. B e r g e Norske Folke-eventyr Nr. 5 7 ; H y l t i n - C a v a l l i u s op. cit. 404; nebst 6 ungedruckten dänischen und zwei norwegischen und schwedischen Varianten; Finlands sv. folkdiktning Nr. 97 Var. 9; Q v i g s t a d u n d S a n d b e r g Lappische Sprachproben = Qvigstad Lappiske Eventyr og Sagn Nr. 17. 61 ) L u z e l 52 Rapports V 34. ) H a a s Rügen 208; BIPommVk. V I 1 7 7 ; W o l f DHM. 269; Z i n g e r l e KHM. Süddeutschland 96 und 326. 5S) Besonders in Dänemark in 22 von im ganzen 28 aufgezeichneten Varianten, s. Danske Studier 1928 S. 22 bis 23; C h r i s t i a n s e n Norske Eventyr Nr. 530 Var. 2 und 8. M ) G a a l 32; B ü n k e r 328. M) M e n ä i k I V 7 und M i k ä i c e k 1845, 12; s. FFC. 34 S. 54—55. M ) Schweden teilweise ausgenommen, wo Der wilde Mann gewöhnlich seinem Pflegekind das Pferd gibt. 57 ) P a n z e r Bayerische Sagen u. Br. I I 1 7 4 — 7 5 . 68) DgF. Nr. 3, vgl. B o l t e - P o l i v k a I 233—34 und I I 340. 5») FFC. 96 S. 96—99.
Boberg. Glassarg. Das Motiv des gläsernen Sarges hat dem Märchen KHM. 163 den Namen gegeben: ein verzaubertes Mädchen ist lebend in einen großen gläsernen Kasten gebannt; ein zweiter Kasten enthält das ganze Schloß ihres Vaters; in Glasflaschen sind als bläulicher Rauch ihre Diener gezaubert. Das Märchen stammt aus einem Roman, der 1728 erschienen i s t 1 ) . Grimm selbst glaubte, daß es „auf einer echten Sage beruhte, wenn sie auch überarbeitet und einiges zugesetzt ist". Die Häufung der Motive und die Tatsache, daß diese in bekannten Märchen nachzuweisen sind, erweckt indes vielmehr die -Vorstellung, daß wir es mit einem Kunstmärchen zu
F 852.1 D5 F 852.1 d 2177.1
Glassarg
tun haben. Der gläserne Sarg, der hier nicht einmal ein richtiger Sarg ist, da die Eingeschlossene lebt, denn sie träumt, ist so selten, daß die Vermutung nicht von der Hand zu weisen ist, er sei hier aus dem Sneewittchenmärchen entlehnt. In diesem ist der Sarg an seinem rechten Platze. Wie das von B ö k l e n 2) vorgelegte Material zeigt, ist er ein regelmäßiger und notwendiger Bestandteil des weitverbreiteten Märchens. Im Hauptverbreitungsbereich von Portugal bis Rußland ist er von Glas; nur eine zusammengehörige südöstliche Gruppe (griech.,rumän., ungar., alban.; vereinzelt auch ital.) läßt ihn undurchsichtig sein 3 ). Wo er in einer deutschen Variante silbern ist, bekommt er wenigstens ein Fenster 4 ), sodaß man sieht, daß die Durchsichtigkeit das Entscheidende ist. Glas hat von je her die Phantasie stark angeregt und spielt im Märchen eine große F751 Rolle; man denke nur an den Glasberg, die gläsernen Pantoffeln, gläserne Früchte, F 823.2. F 813 den Geist in der Flasche u. a. m. Und so D 2177.1 konnte wohl der Gedanke, eine schöne Tote einmal sichtbar beizusetzen, überall entstehen. Trotzdem läßt sich die Gegend, in der die geläufige Form des motivisch sehr alten 5 ) Sneewittchenmärchens entstanden ist, noch ungefähr bestimmen; zur Zeit vgl. die Bemerkung von v. d. Leyen 6 ). Von dem nahverwandten Anfang von Machandelboom 7) unterscheidet sich Sneewittchen in charakteristischer Weise durch die schwarzen Haare des Mädchens: frische Farben und schwarze Haare sind weder im Süden noch im germanischen Norden zu Haus. Ein solcher Schlag sitzt z. B. im badischen Renchtal, aber auch sonst an der Rheinlinie. Die erzF 451. e. 9 grabenden Zwerge weisen in eine Gegend mit altem Bergbau ; die offenbar ursprünglich niederdeutsche Form des Namens schließt den Oberrhein aus. Wir befinden uns also ungefähr in der Mitte des Verbreitungsgebietes. Der G. taucht nur noch einmal räumlich und zeitlich ungeheuer weit getrennt in den Erzählungen H e r o d o t s von den Aithiopen 8 ) auf, bei denen es neben anderen wunderbaren Dingen folgendes
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geben soll: „Nachdem sie den Toten einbalsamiert haben, wie die Ägypter es machen oder sonst wie, überziehen sie ihn ganz mit Gyps und schmücken ihn mit Malerei, indem sie das Aussehen so ähnlich wie möglich machen. Darauf stellen sie eine hohle a-rfitoi von öaXos herum, das von ihnen reichlich und leicht gegraben wird. Der Tote mitten in dieser Stele scheint hindurch, ohne einen unangenehmen Geruch oder sonst etwas Unerwünschtes zu bewirken. Und sie läßt alles übrige deutlich sehen, wie den Toten selbst". Es handelt sich hier also um eine Art durchsichtigen Sarkophag. OaAos ist später Glas 9 ), OaAos öpcopuynivri10) Bergkristall. Es gibt eine umfangreiche Literatur darüber, was Herodot hier wohl gemeint haben könnte 1 1 ). Und richtig ist, daß sowohl Glas eine altägyptische Erfindung ist — das Ausgraben könnte auf Herodots Unkenntnis der Glasfabrikation beruhen —, wie auch Sarkophage von ala- basterartigem, durchscheinendem Material vorkommen. Aber in dem einen Falle ist die Herstellung so großer Objekte äußerst unwahrscheinlich, im anderen eigentliche Durchsichtigkeit, auf die es doch ankommt, ausgeschlossen. Herodots Erzählung widerstrebt prinzipiell einer einseitig rationalen Deutung 1 2 ); er erzählt, was er gehört hat, und das waren eben vielfach märchenhafte Dinge. So werden den Aithiopen in der Umgebung dieser Stelle allerhand wunderbare Dinge zugeschrieben: eine Quelle, deren Wasser leichter ist F 716. 2* als Holz und das nach Veilchen duftet, ein Gefängnis mit goldenen Fesseln, ein Tisch F 864 der Sonne, der mit anderen Aithiopensagen zusammenhängt 1S ). Wir haben also ein Phantasiegebilde vor uns, das allerdings durch lebendige Anschauung angeregt ist. Einbalsamierung ist in Ägypten etwas Selbstverständliches und Glas oder Bergkristall bekannte Dinge. Hat das mit unserm Märchen etwas zu tun? Wir können die von Herodot erstmalig aufgenommene Geschichte ein Stückchen weit verfolgen. K t e s i a s (um 400 v. d. Zr.), der oft gegen Herodot polemisiert, hat auch in diesem Falle widersprochen. „Die Aithiopen hätten vielmehr
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Glaubhaftigkeit
die Asche der verbrannten Leichen in Gold, Silber oder Ton beigesetzt und diese Gefäße mit üaAos umgeben (worunter er ausdrücklich gegossenes Glas versteht) 1 4 ), so daß man sehen konnte, was drin war." Ktesias erfreut sich nicht gerade besonderer Glaubwürdigkeit. Man sieht, wie er durch die willkürliche Annahme der ganz unägyptischen Verbrennung das Objekt verkleinert, obgleich damit der Sinn der Durchsichtigkeit verloren geht. Dann hat D i o d o r (i. Jh. v . d. Zr.) beide Fassungen in seine populäre Darstellung der gesamten Weltgeschichte aufgenommen. Was in der Folge für dieses Motiv noch nicht nachgewiesen werden kann, läßt sich an der Geschichte eines anderen Aithiopenmotivs erkennen, das über V a l e r i u s M a x i m u s 1 5 ) in die volkstümliche Wunderliteratur gekommen ist. Die Tatsache, daß Motive, die wir aus antiken Klassikern kennen, später in der europäischen Volksüberlieferung auftauchen, harrt noch immer der umfassenden Untersuchung (vgl. Danaiden: Märchen Wb. I S. 372f.) 1 6 ). Der Übergang ist zumeist an der römisch-germanischen Grenze in Gallien oder an der Rheinlinie erfolgt, von wo aus auch andere Künste der Römer (Steinbau, Straßenbau und Obstkultur) sich verbreitet haben. So trifft sich hier tatsächlich letzter Nachhall einer antiken Tradition mit einem deutschen Märchen. Eine andere Frage ist, ob das Motiv des G.s jemals, zumal im Sneewittchenmärchen, mythische Bedeutung 1 7 ) gehabt hat. Der sichtbare Tote könnte an sich den Ertrunkenen bezeichnen oder in anderer Weise ein unseelisch körperliches Fortleben meinen. In den bisher bekannten Fassungendes Sneewittchenmärchens fehlt es an Anhaltspunkten, die eine solche Auffassung wahrscheinlich machen könnten. 1 ) Angabe Grimms in den Anmerkungen zu den KHM.; dazu B o l t e - P o l i v k a I I I 261; wörtl. Abdruck ZVr. I I I 452, vgl. H a m a n n Die lit. Vorlagen der KHM. 1906 S. 82; die blonden Haare sind Zusatz Grimms. 2) Sneewittchenstudien I 1910 (Mythol. Bibliothek I I I 2); die Beisetzung der Leiche S. i i 2 f f . 3 ) B ö k l e n S. H 5 f f . 4) B ö k l e n S. 115 unten „deutsch 2". 5) A l y Herodotbuch S. 139. 6) Märchen S. 140. 7 ) KHM. Nr. 47 „so rood as Blood un so witt as Snee". 8) I I I 24. ») S. Realenz.
V I I „ G l a s " bes. S. 1385. » ) Ach. Tat. I I 32. ) Vgl. den Kommentar von B ä h r I I S. 51, auch S t e i n z. St. 12 ) D a s ist im wesentlichen der Sinn meines Herodotbuches. 13 ) Realenz. V I I I S. 91. " ) Er sagt Trepixelaöai. " ) Val. M a x . V I I I 13 ext. 5, dann der sog. S o t i o n (etwa 1. Jh. n. d. Zt.) über die angebliche Langlebigkeit der Aithiopen. 16 ) Vgl. auch den Meisterdieb (v. d. L e y e n Märchen S. 92f.), Polyphem und v . d. L e y e n a. a. O . S. 139 zum Bürle. 1 7 ) Beispiele bei v . d. L e y e n a. a. O. S. 40S. n
Aly. Glaubhaftigkeit, Anspruch auf . . Der Begriff des „schönen Scheins" und des „Spiels", der „lebendigen Gestalt" und der „reinen F o r m " aus der Ästhetik Fr. v. S c h i l l e r s sucht die darin liegende Wirklichkeitsentrückung ebenso zu erfassen, wie die dritte ästhetische Grundnorm V o l k e l t s , die „Herabsetzung des Wirklichkeitsgefühles", die in einem reziproken Verhältnis zum Anspruch auf Glaubhaftigkeit steht. Nicht nur unser Wünschen und Wollen, unser ganzes Verhalten ist auf die Außenwelt hin gespannt. Dieses Verhalten ist durchpulst von Wirklichkeitseindrücken und -gefühlen. Aber zwischen den logischen Netzen des Alltags, und seien sie noch so fein gesponnen, und dem einfachsten ästhetischen Gebilde besteht eine unüberbrückbare Kluft. Das ganze erkenntnisheischende, sittliche und religiöse Verhalten der Menschen im Märchen ist von der ästhetischen Grundnorm der Herabminderung des Wirklichkeitsgefühles beseelt. So wie das Spiel im Sinne Schillers weit entfernt ist von allem Leben und Wollen, so ist das Wollen im Märchen entfernt von allem Ernst und allem Verwirklichenwollen. Nicht minder trägt die A u f hebung der Zeit-, Raum- und Kausalitätsbegriffe zur Herabminderung des Wirklichkeitsgefühles bei, und damit verliert das Märchen den Anspruch auf G. Das Märchen steht in gewisser Beziehung ganz außerhalb gewisser Grundzüge des Wirklichkeitszusammenhanges. Es ist, wie auch Theodor L i p p s 1 ) im Zusammenhang seiner Abhandlung über ästhetische und historische Wahrheit anerkennt, im Märchen „eine Welt, die gewissen Gesetzen der Wirklichkeit ganz und gar ent-
Gleim— Glöckchen
rückt ist. Es ist seine Meinung oder Absicht, uns in diese zu versetzen, und wir lassen uns dieselbe gefallen, d. h. wir begeben uns selbst in diese Welt. Soweit aber für diese die Gesetze der Wirklichkeit keine Geltung mehr haben, können sie auch nicht verletzt werden, oder können durch ihre Verletzung nicht aus der Illusion, d. h. der reinen ästhetischen Betrachtung und Hingabe an das in der Darstellung Gebotene herausgerissen werden" 2). Es ist eine Frage der Entwicklungs- und der Völkerpsychologie, festzustellen, inwiefern die Unterscheidungen von lebendig und tot, von beseelt und unbeseelt, die im Märchen durcheinandergewürfelt werden, praelogisch oder alogisch sind. Vom Standpunkt des Kulturmenschen ist es freilich widersinnig, von einem sprechenden Spiegel oder singenden Knochen zu reden. Vom Standpunkt des Naturmenschen jedoch scheint es völlig logisch. Gibt es nicht tönende Musikinstrumente, die einem toten Stück Holz oder Metall äußerlich gleichen ? Dem Naturmenschen sind wie dem Kinde singende Bäume und redende Tiere nicht unfaßbarer als ein Klavier oder ein Leierkasten. T h u r n w a l d erzählt von Kaileuten von Neuguinea, die ein helles, oval geformtes Blatt mit Eiern in Beziehung bringen und solche Blätter beim Eiersuchen im Wald mitnehmen, da ähnliche Dinge zusammenwollen, wie verwandte Menschen derselben Sippe. Der Forscher folgert daraus:'„Sucht der Mensch die Wirkung dieser „Anziehung" nicht zu stören, sondern gibt er sich dieser „Affinität" hin, so besteht die Aussicht, daß das eiförmige Blatt ihn zum E i (des Großfußhuhns) führt. Wir bringen in dieses Kalkül eine Störung, indem wir uns der einen oder anderen Annahme in dieser Schlußkette widersetzen. Nicht die logische Manipulation des Eingeborenen ist brüchig, sondern seine Beobachtungen oder deren Analyse, die Verallgemeinerungen und Zusammenhänge, die er aufstellt, sind mangelhaft, unsicher öder falsch" 4 ).
Eben dadurch kennzeichnen sich die Denkvorgänge im Märchen. Auch aller Zauber ist ursprünglich eine logische Folge bestimmter Voraussetzungen, und sei es nur, daß er dadurch entsteht, daß Erträumtem Wirklichkeitswert zugeschrieben wurde. Eine große Reihe der unglaublichen Märchen-Wundertaten in Ver-
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zauberungen und Verwandlungen, in Totenauferweckung und Bannlösung, in der Begabung mit wunderbaren Fähigkeiten, Zufällen, Geschenken, Funden und Hilfen verdankt dieser Eigenart primitiven Denkens sein Dasein. Es ist zweifellos ein Irrtum, wenn man annimmt, daß diese unglaublichen Geschehnisse nur dem Sensationsbedürfnis entspringen, wenngleich auch eine Anzahl von Märchenzügen den Anspruch auf G. nur zum Scheine erheben, um die Phantasie um so ungebundener mit Unmöglichkeiten spielen lassen zu können. Eine kleine Auswahl der Begebenheiten, die nach unseren Maßstäben keinen Anspruch auf G. erheben können, sei im folgenden zusammengestellt: KHM. 105 die Unke besitzt eine goldene Krone. KHM. 55 Stroh wird zu Gold gesponnen. KHM. 28 ein singender Knochen. KHM. 60 sprechende Tiere. KHM. 85 ein goldener Fisch verwandelt die Hütte in ein Schloß, durch den Genuß des goldenen Fisches bekommt das Pferd zwei goldene Fohlen, die Lilie zwei goldene Lilien, die Frau zwei goldene Kinder. KHM. 111 unfehlbare Windbüchse. KHM. 90 unglaubliche Kräfte des jungen Riesen (ähnlich in KHM. 166), KHM. 103 der wundertätige Breitopf. KHM. 33 redende Tiere, Verstehen der Tiersprache. KHM. 136 Wasser- und Sumpfmensch. KHM. 53 redender Spiegel. KHM. 57 der Fuchs trägt in einer Nacht den Berg ab, das Pferd läuft schneller als der Wind. KHM. 97 Straße von Gold; Brot, das nie alle wird; Schwert, das alle erschlägt. KHM. 36 Tischlein deck dich; Knüppel aus dem Sack; Goldesel. KHM. 46 wunderbare Heilung von Verletzten und Auferstehung von Toten, ähnlich in KHM. 4. KHM. 193 Feuerfestigkeit des Trommlers. KHM. 92 und 93 tarnkappenähnlicher Mantel. KHM. 5 die verschluckten Geißlein kommen wieder lebendig zum Vorschein. KHM. 171 Tränen werden zu Perlen usw. usw. Theodor L i p p s Grundlegung der Ästhetik, Hamburg und Leipzig (I. 1903; II. 1906) II. S. 80. 2 ) Erwin M ü l l e r , Psychologie des deutschen Volksmärchens, München 1928, S. 67fr., 3) S. 114. Thurnwald Völkerpsychologie, Sammelband Saupe, Osterwieck 1927, S. 312. 4) Vgl. Aufsatz Primitives Denken, E b e r t s Reallexikon der Vorgeschichte, 1925/26.
Müller-Marktredwitz. Gleim s. Aesop, Aufklärung 5! Glöckchen. 1. G. als Warnungszeichen: a) um die Burg, b) die Burg als Glocke, c) G. an der Inneneinrichtung, d) Glocke als Wächter, e) die kostbaren durch G. behüteten Dinge: der Baum, der Lebensbrunnen, der Wundervogel, Glocke
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Glöckchen
selbst geraubt, f) Glöckchenkleid der S c h ö n e n . — 2. G. als Signal. — 3. G. als Wegbereiter. — 4. Kulturgeschichtliches.
D 1317.7
1. G. als W a r n u n g s z e i c h e n stehen in der Märchenüberlieferung an ganz bestimmter Stelle und zwar an der Grenze zweier Welten. Der Held muß aus der andern Welt Lebenswasser, Lebenskraut, den Wundervogel oder die Wunderschöne holen, die sich in der Burg des Gegners befinden. a) G. um die Burg. Die Burg ist mit einem Draht umspannt, an dem G. hängen. Bei der leisesten Berührung des Drahtes erklingen die G. Hinein springt der Held auf seinem Pferde, ohne den Draht zu rühren, bei der Rückkehr aber streift das Pferd an den Draht, worauf die G. erklingen und der Gegner die Verfolgung aufnimmt 1 ). b) Die B u r g als Glocke. Zuweilen ist die ganze Burg als Glocke gedacht, so daß eine Berührung des Gemäuers den ganzen Bau wie eine Glocke ertönen läßt. Die Goldburg ertönt im ungarischen Märchen 2), wenn nur ein Haar des Pferdeschweifes das offene Fenster berührt. Ähnlich in der Geschichte von Skylla, O v i d Metam. VIII I4ff. Dem Dichter ist aber die dahinter stehende Märchenüberlieferung nicht mehr geläufig, denn nicht Skylla hat die Turmmauer zum Tönen zu bringen, sondern der ungerufene Eindringling bei der vom Vater verschlossen gehaltenen Jungfrau. c) G. an der I n n e n e i n r i c h t u n g . Predigtmärlein: Glocken am Tor der Burg, in der die schöne Jungfrau, die Hüterin des Jungbrunnens, wohnt. Der Held füllt die Höhlung der Glocken mit einem Schwamm aus 3 ). Südslawisch: Hinter 9 Zimmern die Tochter der Alten. An der Tür eines jeden hängt ein G., das läutet, sobald man sich der Türe nähert 4 ). Die mit G. besetzte Bettdecke des Drakos im neugriechischen MärchenB), die der Schöne holen muß, leitet schon zu den kostbaren Dingen über. Diese Züge sind auch in den Volksbrauch übergegangen. Wenn der Stuhl 6 ), auf dem die Braut sitzt, oder das Brautbett 7 ) mit G. versehen ist, so hängt das offensicht-
I lieh mit dem Stehlen der Braut zusammen, wofür wir nicht nur dämonologische, sondern, wie aus dem Ausgeführten hervorgeht, auch reichlich mythische Voraussetzungen haben 8). Abgeblaßt im Mahavanso 9 ): der König von Ceylon, Elara, hat an seinem Bette eine Glocke, an deren Strick jeder ziehen kann, der Gerechtigkeit sucht (s. Glocke der Gerechtigkeit!). d) G l o c k e als W ä c h t e r . Die vorgenannten Verwendungen der G. sind schon z. T. bedingt durch die Vorstellung, nach der die Glocke selbst der Wächter ist. Im französischen Märchen10) befindet sich im Schlosse des Zauberers in einem Turme eine Glocke, die von selbst läutet, sobald etwas Außergewöhnliches in der Burg vorgeht, worauf der Zauberer sofort erscheint. Die Glocke wird vom Helden mit Stroh und Werg ausgestopft, schwingt aber, sobald die Schöne oder das kostbare Gut entführt werden, oft so heftig, daß die Füllung herausfällt und sie doch zum Tönen kommt. Wie, um dieses Wunder natürlich zu erklären, ist zuweilen ein Tier, mit der Glocke durch einen Strick verbunden, eingestellt, das im Falle der Gefahr am Stricke zu ziehen hat 1 1 ). In einem persischen Märchen 12 ) läutet die Glocke bei freudigen Ereignissen von selbst, während der Herrschaft des bösen Königs gibt sie nur Klagetöne von sich. In einem slowenischen, alte Märchenzüge enthaltenden Volksliede 13 ) gibt eine goldene Kette an Stelle der Glocke einen Klang von sich, der durch neun Länder dringt. e) Die k o s t b a r e n , d u r c h G. bes c h ü t z t e n Dinge. Der Baum. Er trägt G. 14 ), das goldene Klingelklangel 16 ). Wer danach greift, dessen Hand bleibt kleben, und das Geläute der G. ruft den Hüter herbei. Der Baum mit G. als Lebenszeichen der Heldin im französischen Märchen 16 ); so lange sie tönen, ergeht es ihr wohl. Ihr Verstummen zeigt Unheil an, das ihr zugestoßen ist. Verblaßt im deutschen Märchen 17 ): Frage der von der Stiefmutter in eine Ente verwandelten rechten Frau: Singen meine Vögel auch noch? Klingen meine Glöckchen auch noch?
Glöckchen
Der Lebensbrunnen. Vier Tiere mit Glockenbändern als Wächter des Lebensbrunnens, der von Vögeln besucht wird, auf einem der Vollbilder des Evangeliars Ludwig des Frommen (Anfang des 9. Jh.s). Der Wundervogel. Bei KHM. 57 sitzt der goldene Vogel in einem hölzernen Käfig, daneben steht ein leerer Goldkäfig. Der Held, der den Vogel holt, darf den Vogel nicht aus dem schlechten Käfig herausnehmen und in den Goldkäfig setzen. Der Grund hierfür ist aus diesem Märchen nicht ersichtlich. Darüber gibt das Märchen aus Turkestan 18 ) Aufklärung. Der Held nimmt nicht nur den Vogel, sondern entgegen dem Verbot auch das goldene Untergestell mit. In demselben Augenblicke entsteht ein schrecklicher Lärm. Von dem Gestelle führten feine, unsichtbare Fäden, an welchen G. angebunden waren, zu den an den Toren wachenden Dewen. Sobald der Held das Gestell berührt, läuten alle G. Schon abgeblaßt im russischen Märchen19), wo im Käfig Saiten angebracht sind, und im litauischeni0), wo der Käfig beim Fortgehen klirrt. Glocke selbst geraubt. Zu den kostbaren vom Drachen bewachten Dingen gehört auch die Perle, der Spiegel, die Pauke und die Glocke. In einem neugriechischen Märchen21) hat der Held die Glocke des Drakos zu holen, deren 41 Löcher er mit Werg verstopft. Sie ist als Rolle 22 ) zu denken. In einem serbischen Märchen 23) hat der Held die 9 goldenen Glocken des Drachen zu bringen, die er mit Baumwolle ausfüllt. F 821.3
f) Glöckchenkleid der Schönen. Im sizilianischen Märchen24) besitzt die schöne Anna drei Kleider, die mit silbernen, goldenen und diamantenen G.26) besetzt sind. Als sie auf Betreiben der bösen Schwiegermutter in einen Kessel mit siedendem ö l geworfen werden soll und die Kleider ablegt, erklingen die G. und rufen ihren Gemahl herbei, der sie befreit. Aschenputtel bekommt in der katalanischen Fassung26) von der hilfreichen „Heiligen" in einer Nuß ein Kleid mit G., das im weiteren Verlauf als Er-
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kennungszeichen dient und ihr Hochzeitskleid wird. *) V o g l VMdRus. S. 124, A f a n a ß j e w M e y e r I 275, Nr. 40, S t e r n , Fürst Wlad. Tafelrunde Nr. 15. 2 ) R ö n a - S k a r e k I I 209, Nr. 19. 8) J o h . G o b i i J u n i o r i. s. Scala celi um 1300, s. Klapper Mitt.schles.GesVk. H e f t 20, 11. *) K r a u s s SuMdS I Nr. 80. «) H a h n Nr. 3. •) S a r t o r i SuB. I 92. 7 ) S a r t o r i SuB. I 109. 8) Über die auf Aberglauben beruhenden Vorstellungen von der Glocke s. S a r t o r i Glockensagen und Glockenaberglaube, ZVk. (Berlin) 7 (1897) u. 8 (1898). ») B e n f e y Pantschatantra I 168, ähnlich Gest. Rom. c. 68 von Karl dem Großen erzählt. 10 ) L u z e l Basse Bretagne I I 11, Nr. 1 ; I I I 320, Nr. 9. Luzel a. a. O. I I 40, Nr. 3. 1 2 ) H ü s i n g Beiir. z. Kyrossage 135. 13 ) A. G r ü n Volksl. a. Krain S. 78, Terdoglav (ähnlich dem russischen Koschtschej). " ) W i s s e r PlattdVM. I 267. « ) M ü l l e n h o f f S. 384, Nr. 2. Hierher gehört auch der goldene Zweig bei V e r g i l Aen. V I 1 3 6 s . und i g o f f . Überleitung des Glöckchens zum tönenden B l a t t : das klinkesklanke Lowesblatt bei C o l s h o r n Nr. 20, das klingende, singende Blatt bei S c h n e l l e r Nr. 25, S c h a m b a c h - M ü l l e r S. 265, Nr. 5, W i g s t r ö m Folkdiktning I 253, G i t i e - L e m o i n e Cpd. pays wallon. S. 19 oder zur Blüte oder Frucht, S t i e r Nr. 8, M ü n c h Märleinbuch S. 113, M e i e r SchwM. Nr. 57. Über die weitere Entsprechungsreihe von Glocke - Blume - Frucht - Blatt - Licht - Stern s. S p i e ß Die Glöckchen i. mündl. und bildl. Über16 ) lieferung (Bayer. Heimatsch. 1929). Cosq u i n I 248, Var. zu Nr. 23. " ) Aus Hannover B u s c h S. 24, ähnlich KHM. I I I zu Nr. 11, aus Ost-Holstein, W i s s e r I 184. 18 ) J u n g b a u e r Turkestan S. 47. " ) V o g l VMdRus. S. 29. 2 °) S p e c h t Litauische 21) VM. 259, Nr. 26. H a h n Anmkg. z. Nr. 3, Variante 4. 22 ) Vgl. die prähistorische Rolle mit 9 Löchern aus Böhmen in Anmkg. 32. 23) Arch.slav.Phil. I 282, Nr. 9. 24 ) 2e ) G o n z e n b a c h Nr. 4. Die modische Schellentracht des 15. Jh.s braucht zu diesem Motiv durchaus nicht den Anstoß gegeben haben. Denn sie selbst ist ohne Anregung vom Volkstümlichen her nicht zu denken. Im Steppengebiete bei Reitervölkern ist der Glöckchenbesatz an Kleidern gar nichts Ungewöhnliches. Übrigens geht diesem Kleiderbesatz der schon hallstattzeitliche und überaus wirkungsvolle Klapperschmuck in Halbmondform mit A n hängern voraus, wo das ungerollte Klapperblech die Urform des Glöckchens darstellt. 28) F . W o l f , WienSbb. 20 (1856) 57.
2. G. als Signal. Der dritte und jüngste Bruder, der in den Brunnen heruntergelassen wird, bindet ein G. an das Seil, womit er das Zeichen zum Hinaufziehen geben will 27 ); KHM. 91. 27 ) S u t e r m e i s t e r N r . 8, A f a n a ß j e w - M e y e r I 168, G o n z e n b a c h S. 330.
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Glocke der Gerechtigkeit
3. G. a l s W e g b e r e i t e r . U m hinter den Stein oder in den Berg zu gehen, braucht man eine Zauberformel, damit das Gebirge aufspringt, falls man nicht zur rechten Zeit kommt, da es offen steht. A n Stelle der Formel kann dies auch das Geläute silberner G. auf der Zwergenmütze bewirken. Der Hirtenjunge bemächtigt sich einer solchen Zwergenmütze und kommt damit in den Berg 2 8 ). Hier vertritt das G.geläute die Musik, die sonst den Berg öffnet, wie das Flötenspiel des Rattenfängers von Hameln oder des Orpheus von den Shetlandsinseln 2 *). 2 t ) A r n d t Märchen S. 155, Hylt£n-Cavall i u s . 2») C h i l d Nr. 19.
4. K u l t u r g e s c h i c h t l i c h e s . Die hier genannten G. haben mit der bekannten Hochform der Glocke nichts zu tun, d a sie der Urform der Glocke, den Schellen und Rollen, noch nahe stehen, die aus dem Hirtentum erwachsen sind und ursprünglich wahrscheinlich aus Holz, dann aus Metallblech gefertigt wurden. Hierüber liegt nur eine bedeutsame Arbeit von H ö r m a n n 3 0 ) Herdengeläute und seine Bestandteile, vor, während die Prähistoriker ihren wertvollen Stoff nirgends zusammengestellt haben 31 ). Schellen und Rollen sind hauptsächlich in den Märchen von Iran 3 2 ), Turkestan, Rußland und dem Balkan zu Hause, während sie im europäischen Westen der Hochform, der Glocke, Platz machen. Über die durch die angeführten Vorstellungen bedingten Darstellungen in volkstümlicher Kunst s. Märchen und Volkskunst. 31 ) Merkwürdiger ä®) HessBIVk. X I I — X V . Weise auch nicht in E b e r t s ReallVorgesch. 32) Erwähnt seien an dieser Stelle die zierlichen prähistorischen Glöckchen und Rollen aus dem sakischen Kulturkreise (Südrußland, Kaukasus, Iran), wo wir sie oft in Verbindung mit der Tiergestalt antreffen. M i n n s Scythians and Greeks S. 186, Fig. 79, M o r g a n Miss, scient, en Caucase I 125, 127, A b b . 104, 106, D e r s . Miss, scient. en PerselV 1. Teil S. 100, Fig. 101. Erwähnt sei noch eine Rolle aus Böhmen mit neun spaltförmigen Öffnungen und mit drei Bronzekügelchen im Innern. R i c h l y Die Bronzezeit in Böhmen, Tf. X I I , Fig. 24. Vgl. Gebotszauber A 1 a, Gegenzauber A I I I 2!
Spieß.
Glocke der Gerechtigkeit. Allgemein bekannt ist die G. d. G. aus den Deutschen Sagen der Brüder Grimm. Nr. 453, der Kaiser und die Schlange. Karl der Große läßt in Zürich eine Säule mit einer Glocke oben und einem Seil daran errichten, damit es jeder ziehen könne, dem Unbill widerfahren. Eines Tages wird die Glocke von einer Schlange gezogen. Karl ist sofort bereit, auch dem Tier zu seinem Recht zu verhelfen. E r wird von der Schlange zu ihrem Nest geführt, wo auf den Schlangeneiern eine Kröte sitzt. Karl verurteilt die Kröte zum Feuertod, gibt der Schlange ihr Nest zurück. Die Schlange erweist sich dankbar: nach einigen Tagen legt sie in Karls Becher einen kostbaren Edelstein. Karl gibt den Stein seiner Gemahlin. Der Stein hat die Wirkung, daß sich Karl nicht von seiner Gemahlen trennen konnte. In der Todesstunde birgt sie den Stein unter ihrer Zunge. Karl kann sich nunmehr nicht von der Toten trennen. Ein Höfling durchsucht den Leichnam, findet den Stein unter der Zunge, steckt ihn zu sich. Nun kann Karl nicht v o m Höfling lassen. Diesem wird die Liebe zur Last, er wirft den Stein in eine heiße Quelle. Die Liebe Karls kehrt sich nun vom Höfling zur Quelle, er gründet Aachen, das fortan sein Lieblingsort wird.
Diese Sage knüpft an Zürich an, wo' sie nach dem Zeugnis von Z ü n d u n d Z o l l i n g e r (Romania, 1896, X X V , 613, 4) noch in unserem Zeitalter lebte. Die Sage von der Gründung Aachens hörte A . P a u l s noch im Jahre 1895 in Aachen erzählen. Die Fassung bei den Brüdern Grimm stammt von S c h e u c h z e r Itinera per Helvetiae alpinas regiones (1723). Scheuchzer hat sie der Helvetischen Chronik von B r e n n w a l d entnommen, der im X V I . Jh. im Kanton Zürich lebte. Hier erscheinen, wie dies unten nachzuweisen ist, zwei ursprünglich unabhängige Sagen: die von der Klageglocke und die vom Ring der Fastrada. Als älteste Fassung, welche die Glocke der Gerechtigkeit Karl dem Großen zuschreibt, gilt Jansen E n i k e l s Weltchronik (Mon. Ger. Hist. Tom. III, Pars II. 1900. ed. Phil. S t r a u c h . S. 515—518, Zeile 26383—26532): K a r l errichtet die Glocke (wo, ist nicht angegeben); eine Natter läßt sie ertönen, führt zum Nest, wo eine Kröte nistet, K a r l durchbohrt die Kröte mit dem Spieß. Ebenfalls an K a r l knüpft die Erzählung in der Chronik von Weihenstephan ( X V I I I . Cap.) an, s. auch bei H a g e n Gesamtabenteuer II. 637 Nr. 99.
B271.3
B491
B 505
D 1355
Glocke der Gerechtigkeit
Doch Karl ist keineswegs der Einzige, selbst nicht der erste, dem die Aufstellung der Glocke zugeschrieben wird. Morgenländische Herrscher werden auch derart verherrlicht. Am häufigsten der Schach Chosrau Anüschirwän. In einer Fassung ist es eine Taube, die er gegen eine Schlange schützt und die ihm dankbar das Königskraut, ein bis dahin unbekanntes Heilmittel, bringt (R. B a s s e t 1001 Contes II. 266). Häufiger (z. B. bei K a z w i n I und D a m i r i ) ist es eine Schlange, die ihr Recht sucht. Sie führt die Wache zu einem Brunnen, wo ein Skorpion auf einer getöteten Schlange sitzt. Der Skorpion wird durchgestochen. Ein Jahr darauf, wieder eben am Gerichtstage, bringt die Schlange ein Samenkorn, aus dem das Königskraut sprießt, welches Chosrau von einem alten Leiden heilt (Basset I I 221). Auch andere Herrscher werden ähnlich verherrlicht. So schon Hormuz, Sohn Anüschirwäns, der einen versiegelten Schrein aufstellt, in welchen jeder die Aufzeichnung seiner Beschwerde hineinwirft und dann die Glocke zieht (AbulfedaHistoria anteislamica e d . F l e i s c h e r , 1831, S. 90—93). So auch Theodosius Gesta Romanorum, CV. Schams ad-Din Altemisch in Indien (Ihn. Batuta ed. D e f r e m e r y et S a n g u i n e t t i , III. 165). Reiseberichte erzählen Ähnliches aus Indien und China, K a z w i n I aus der Stadt Sandabll in China. Vom Kaiser J ü Y i (2207—v. Chr.) wird überliefert, er habe in seinem Palast eine Glocke, eine Trommel und je eine Platte aus Stein, Eisen und Blei aufgestellt, die Glocke zur Anzeige einer Ungerechtigkeit, die Trommel zum Schutz der Gesetze und der Religion, usw. Der sagenhafte Yao habe eine Tafel vor seinem Palast angebracht, auf welche jeder Chinese seine Beschwerde oder seine Vorschläge aufzeichnen konnte: wenn er dann die Trommel rührt, liest der Kaiser die Aufzeichnung und schafft Abhilfe. Über derartige Trommeln der Gerechtigkeit hören wir aus China und Siam (R. B a s s e t 1001 Contes II, 266 bis 268). An Stelle der Schlange treten andere Tiere als Klageführende. Chosraus Glocke wird in einer Fassung, die mehrfach wie-
637
derkehrt, von einem Esel gezogen, an dem Uberbürdung und Hunger zehren. Chosrau züchtigt den herzlosen Besitzer und verkündet: jeder ist verpflichtet für seine in Arbeit gealterten Tiere zu sorgen (Basset ibidem, Heller Antar, 14). In den europäischen Bearbeitungen tritt an Stelle des Esels das Pferd. So im Novellino L I I I , wo die Glocke vom König Giovanni di Acri errichtet wird. Als einmal das Glockenseil zufolge des Regens kürzer geworden, verlängert man es mit wilder Rebe. Da kommt des Weges ein edles, doch altersschwaches Pferd, welches sein Herr, um es nicht ernähren zu müssen, davongejagt hat. Hungrig schnappt das Pferd nach der Rebe und läßt die Glocke ertönen. Die Richter verkünden, daß jeder Ritter, dem sein Pferd jung gedient hatte, verpflichtet ist, es im Alter zu ernähren. (Dazu A l e s s a n d r o d'Ancona in Romania 1874 III. 174 und in Studi di Critica a Storia letteraria, Bologna 1912 2). S i m r o c k s Gedicht Das Pferd als Kläger versetzt diesen Vorgang an Kaiser Karls Hof, wo einstimmig das Urteil erbracht wird: „In goldenes Korn bis an den Bauch". Andere Fassungen hingegen (z. B. L a n g b e i n Das blinde Roß, P a u l i Schimpf und Ernst 648) lassen den König unbenannt. — B o l t e zu P a u l i verzeichnet mehrere Dichter, welche diesen Stoff bearbeitet haben: Weber, Kopisch, Vogl, Gutzkow, Longfellow. An der Glocke zieht in verschiedenen Fassungen noch eine Kuh, eine Krähe, deren Junge eine Schlange gegessen hatte, eine alte Frau. Eine ganz eigenartige Fassung knüpft in der islamischen Legende an König David an. David erhält vom Himmel eine wunderbare Glocke, zur gerechten Entscheidung in zweifelhaftem Rechtstreit. Die Glocke hängt nämlich an einer Kette, welche nur der erreichen kann, der im Rechte ist. Einmal täuscht ein unredlicher Hüter das Gottesurteil, indem er die veruntreute Perle in ein Rohr steckt, das Rohr dem rechtmäßigen Besitzer zu halten reicht und dann schwört, das anvertraute Gut zurückerstattet zu haben. Kläger und Angeklagter erreichen beide
Glück—Glück und Verstand wetten
638
die Kette, Israel wird irre an der Gerechtigkeit, die Glocke wird entrückt (siehe den Artikel Geld im Stock\). Z u r G e s c h i c h t e d e r S a g e . Schon Léon G a u t i e r (Epopées françaises, III. 1880, 148) hatte erkannt, daß die Sage von Kaiser Karl mit der Schlange nicht französischen Ursprunges sein könne. A. P a u l s möchte in der Fastrada-Sage einen umgewandelten germanischen Mythos erblicken: Karl entspräche dem Gotte Tor, seine Geliebte der Göttin Sif. Auch Densusianu vermutet mythische Grundlage, durchaus unnötig. Wir haben es mit einem Wandermotiv zu tun, das über Indien, China, Siam, Persien, Turkestan, Arabien, Europa verbreitet erscheint. E s dürfte dem Morgenlande entstammen. Seine Verknüpfung mit der Karlssage ist erst seit dem X I I I . Jh. ( E n i k e l s Weltchronik, Chronik von Weihenstephan) bezeugt. Morgenländische Aufzeichnungen entstammen früherer Zeit, z. B. bei K a z w i n î (X. Jh.), bei G a o n H a i (Glocke der Gerechtigkeit mit dem Geld im Stocke verbunden) an der Wende des X . bis X I . Jh.s Es wurde also ein weit älteres Motiv der späteren Karlsage aufgepfropft ; der Name Fastrada taucht erst im X I X . Jh. auf. •
Selbst für den Zug der deutschen Sage, daß der toten Gattin Karls der Zauberring durch einen Höfling entwendet wird, bietet sich Entsprechendes in der arabischen Überlieferung der Chosrausage. Der Chalif Al-Mämiin hört oft die Gerechtigkeit Chosraus rühmen. D a er andererseits erfährt, daß die Leichname gerechter Herrscher nicht verwesen, will er sich überzeugen, ob Chosrau seines Ruhmes würdig sei. Er öffnet daher seinen Sarg. Wirklich findet er den Leib unversehrt, am Finger einen Ring mit einem Rubinten. Ein Eunuch, der den Chalifen begleitet, entwendet den Ring. Al-Mämün züchtigt den Leichenräuber und läßt den Ring wieder an Chosraus Finger stecken ( B a s s e t II. 300). — Auch scheint der Skorpion in der morgenländischen Sage wahrscheinlicher und ursprünglicher als die Kröte in der Karlsage; gegen eine
Kröte hat die Schlange nicht den Schutz des Kaisers nötig. D e n s u s i a n u hat richtig erkannt, d a ß die Erzählung bei Brennwald, Scheuchzer, den Brüdern Grimm zwei grundverschiedene Sagen verschmilzt : die Sage von der Klageglocke und die Sage von der Gründung Aachens. Die Zusammenlötung erfolgt durch die Dankbarkeit der vor Unrecht Geschützten. Hier zeigt die Karlsage eine auffällige Verschiebung. Sonst werden die Herrscher für ihre Gerechtigkeit belohnt : Chosrau wird von seiner Krankheit, Theodosius von seiner Blindheit geheilt. Karl hingegen erhält ein gefährliches Geschenk, das ihn zum Sklaven eines Leichnams, eines Höflings, einer Quelle erniedrigt. Die Schlange erscheint hier als Liebeerreger, während sie allgemein Heilung bringt, sei es durch Kräuter, sei es durch Steine (I. I. M e y e r in Ztschr. der Deutschen Morgenländischen Ges. L X X X V I , 1932, S. 98), — wie sie ja auch als Sinnbild der Heilung z. B . als Apothekenemblem weithin verwendet wird. Die Verschmelzung beider Sagen begegnet zuerst in B r e n n w a l d s Helvetischer Chronik. Es ist also ein fremdes Motiv wahrscheinlich morgenländischen Ursprungs für eine Lokalsage von der Gründung Aachens durch Karl verwertet. G. P a r i s Histoire poétique de Charlemagne, 354—356, 382—385. A. P a u l s Der Ring der Fastrada, Aachen, 1895. Dazu G. P a r i s im Journal des Savants, 1896, 637—643, 7 1 8 — 7 3 0 sowie D e n s u s i a n u in Romania, 1896, 25, 6 1 2 — 6 1 7 . C h a u v i n Bibliographie II. 201—202. G. J a c o b Der Einfluß des Morgenlandes auf das Abendland, Hannover, 1924, 64. — Herrmann K ü g l e r in Mitteil. f. d. Gesch. Berlins, 1927, X L I V . 30. M. G a s t e r Studies and Texts, London 1925—1928, II. 920, 1236. R e n é B a s s e t 1001 Contes etc. I. 221 f. I I 288, 300, 457, vorzüglich II. 260—268 J. B o l t e zu P a u l i s Schimpf und Ernst. Nr. 648 S. II. 397f. B. H e l l e r Die Bedeutung des arabischen Antarromans für die vergleichende Litteraturkunde Leipzig 1931, 12 bis 16. Vgl. Gesta Romanorum, Reg. c. 105 !
Glück Geld 5!
s. Fortunat
Heller-Budapest. 3 a, Gebärde 4,
Glück und Verstand wetten. Ein stets in den verschiedensten Formen wiederkehrendes Märchenmotiv ist die Wette. Einerseits ist dies auf die tatsächliche
K 0—99
Glück und Verstand wetten
Spiel- und Wettlust junger Völker zurückzuführen (Fr. v. der Leyen), wie sie auch heute bei den Kindern einer bestimmten Entwicklungsstufe eine große Rolle spielt und sich in den zahlreichen Wettspielen betätigt, andererseits ist sie ein künstlerisches Mittel zur Erhöhung der Spannung. Die Handlung gewinnt, in den Rahmen der Wette eingespannt, an Interesse. An Stelle des rein zeitlichen Ablaufes von Begebenheiten im Nacheinander, an Stelle der Häufung von einzelnen unzusammenhängenden Geschehnissen, Erlebnissen und Abenteuern tritt eine Sinnbeziehung; ein neuer Zusammenhang hält nun alle einzelnen Episoden zusammen, indem er sie auf ein Ziel richtet, und sie erhalten doppelte Bedeutung: einmal als Einfälle an und für sich, eine bunte Kette von Ereignissen, ein Spiel der vorstellenden Phantasie, und ein anderes Mal als Bedingungen der Wette und bezogen auf die Frage: führen sie zur Erfüllung oder zum Verlust der Wette für den Helden ? Sie erlangen so außer der gegenständlichen noch eine logische und sinnhafte Bedeutung im Gefüge der Handlung. Es lassen sich deutlich verschiedene Gruppen von Wetten in Märchen erkennen und gegeneinander abgrenzen. 500— a) V e r s t a n d w e t t e t . Die eine Gruppe 899 enthält jene Wetten, welche durch Verstand und Klugheit oder Spitzfindigkeit und Witz gewonnen werden. So ist es im Rätselmärchen (KHM. 160) eine wirkliche Verstandesleistung, daß der Mann seine in eine Blume verwandelte Frau unter den ganz gleichen Blumen daran erkennt, daß kein Tau auf sie fallen konnte, da sie nachts bei ihm weilte. Er bricht die richtige Blume ab und gewinnt den Preis der Wette (erlöst seine Frau). Es ist eine beliebte Art der Wetten im Märchen, daß ein Rätsel erraten werden muß. Oder es müssen schwierige Fragen gelöst werden, zu deren Beantwortung Wissen und Verstand allein nicht ausreichen, sondern witzige Einfälle nötig sind. So im Hirtenbüblein (KHM. 152). Ein Musterbeispiel dieser Art — aus späterer Zeit — ist B ü r g e r s Schwankmärchen Der Kaiser
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und cler Abt. Auch die Kluge Bauerntochter (KHM. 94) gewinnt ihre Wette, deren Preis die Vermählung mit dem König ist, durch scharfsinniges Ersinnen und Kombinieren von Umständen, die den scheinbar paradoxen und unerfüllbaren Bedingungen tatsächlich Genüge tun. In diesen Wetten werden die Bedingungen, wenn auch mit viel Spitzfindigkeit und Tüftelei, so doch ehrlich erfüllt. Doch liebt das Märchen noch eine andere Art von Wetten, die Prellwetten. Auch in ihnen siegt Verstand und Einfallsreichtum, doch mit dem Unterschied, daß die Bedingungen nur scheinbar eingehalten, in Wahrheit verdreht oder gar nicht erfüllt werden. Die Wette wird durch einen Schwindel gewonnen. Doch nimmt K0—9® es das Märchen mit der Moral nicht so genau, es ist ein durchaus volkstümlicher Zug, daß, wer die Lacher auf seiner Seite hat, auch das Recht auf seiner Seite hat, mag es moralisch besehen auch grobes Unrecht sein. Es wird der Erfolg, nicht die Gesinnung gewertet, und Lüge und Betrug sind mitunter erlaubte Mittel, wenn sie nur zum Erfolg führen. So siegt der Igel im Wettlauf mit dem Hasen (KHM. 187), ohne überhaupt einen Schritt getan zu haben, und das Märchen nimmt ganz naiv seine Partei gegen den hochmütigen Hasen, der die verdiente Strafe für seine Überheblichkeit gefunden hat. Hierher gehört eine ganze Gruppe von Märchen, die beliebten Schwankmärchen, die schildern, wie der Teufel in einer Wette G 501 geprellt wird. Die Kirche des Mittelalters und ihre Heilslehre, die das ganze Leben durchdringt, erfaßt auch das Märchen und findet in den Teufelsschwänken ihre volkstümliche Ausdrucksweise. Der gutmütige dumme Teufel, eine Lieblingsgestalt des X V I . Jh.s, der auch in Volksbüchern (Doktor Faust) und Fastnachtsspielen gern sein Wesen treibt, hat natürlich von vornherein Unrecht, und es ist nur verdienstlich, die Hölle zu betrügen. So wird der Teufel vom Bauern um den Ertrag des Feldes geprellt (Der Bauer und der Teufel, KHM. 189) und vom Sol-
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Glücksgaloschen—Glückskinder, Die drei
daten um die Seele des reichen Mannes (Der Grabhügel, KHM. 195) (da er den Stiefel, dem der Soldat vorher die Sohle abgeschnitten hat, niemals mit Gold vollfüllen kann, wie die Abmachung der Wette es vorschreibt), vom Schiffer um die Seele, indem er ihn das Wasser statt aus dem Schiff aus der Nordsee pumpen läßt (Der Schiffer und Herr Urian, Nordische VM. II, Nr. 49). J a Gott selbst verschmäht es im Märchen nicht, den Teufel aufsitzen zu lassen und zu überlisten (Des Herrn und des Teufels Getier, KHM. 148). b) Glück wettet. Doch trotz dieser N 400 gelegentlichen Anerkennung des Scharfsinnes und der Bauernschlauheit wird im allgemeinen im Märchen der Verstand und die intellektuelle Leistung nicht allzu hoch gewertet. Viel mehr Bedeutung kommt den emotionalen und affektiven Kräften zu. So geschieht es häufig, daß gerade den Einfältigen das Glück begünstigt und es ihm ermöglicht, Leistungen zu vollbringen, die dem Verstand der Verständigen versagt blieben, und scheinbar unmögliche Aufgaben zu lösen. Derartige Wetten werden stets zwischen zwei ungleichen Partnern abgeschlossen, einem mächtigen und einem geringen und schwachen. Sie folgen meist folgendem formalen Schema: der Arme wettet seinen Kopf, daß er eine bestimmte Leistung erfüllen werde, der Mächtige setzt als Gewinst entweder die Hand der Königstochter, wenn er ein König ist, oder die Ehe mit dem König, falls die Wette mit einer Frau abgeschlossen wird, oder aber es ist einfach Gut und Geld der eingesetzte Preis. Der Dumme und Hilflose gewinnt die Wette stets und zwar nicht aus eigener Kraft, sondern das Glück kommt ihm zu Hilfe. Es kann entweder in Gestalt des Zufalles erscheinen, wie im Doktor Allwissend (KHM. 98), wo es allerdings nicht um den Kopf, sondern nur um Belohnung oder Blamage geht. Er trifft mit seinen Worten stets das objektiv Richtige, obwohl er sie subjektiv ganz anders meint, und die Diebe, die sich durchschaut glauben, stellen sich ihm von selbst. Zumeist jedoch kommt das Glück in
Gestalt des Wunders, als zauberkundiges Fabelwesen oder als wunderbares Requisit (Schwert, Horn usw.), dem übernatürliche Fähigkeiten innewohnen. Bald ist der deus ex machina ein kleines Männchen (Rumpelstilzchen,KHM. 55), bald ein altes Mütterchen (Die zertanzten Schuhe, KHM. 133), einmal des Teufels Großmutter (Der Teufel mit den 3 goldenen Haaren, KHM. 29), ein andermal ein Freund oder Diener mit außerordentlichen Kräften und Eigenschaften (Der Kamerad, Nord VM. II, Nr. 7 oder Sechse kommen durch die ganze Welt, KHM. Nr. 71). Der Inhalt der Wette betrifft entweder die Ausführung unmöglicher Taten H10101 (Flachs zu Gold spinnen, ein Untier töten, mit unmöglicher Schnelligkeit oder Kraft eine Arbeit ausführen usw.), oder es werden Verstandesleistungen verlangt, ein Rätsel muß erraten (Der Kamerad) oder ein unlösbares Rätsel aufgegeben werden (Das Rätsel, KHM. 22). Doch sind diese scheinbaren Verstandesaufgaben in Wahrheit durch Verstand überhaupt nicht zu lösen, sondern nur durch Zauber, wenden sich auch gar nicht an die Denkkraft, sondern sind nur als hinterhältige Fallen gestellt und als Tricks gemeint. Denn weder Verstand noch Klugheit können z. B. erraten, woran die Königstochter gedacht hat (Der Kamerad), oder ein Versteck ersinnen, das dem Zauberfernrohr entginge (Das Meerhäschen, KHM. 191). Zusammenfassend kann gesagt werden: im Märchen gewinnt der Held eine Wette entweder durch Verstand (Typ I) oder durch Glück (Typ II). Doch niemals wetten Verstand und Glück gegeneinander, sondern sind stets auf derselben Seite oder alternierend zu finden: wer Verstand hat, dem glückt es, und wem das Glück hold ist, dem ersetzt es die (meist nur scheinbar) geforderten Verstandeskräfte durch Zauberkräfte und das Wunder. Bergel. Glücksgaloschen s. Andersen 3! Glückshaut s. Kindshaut! Glückskinder, Die drei. KHM. 70 x ) erzählt, daß drei Brüder einen Hahn, eine j Sichel und eine Katze erben. Sie verkaufen ihr Erbteil in Ländern, wo diese
Glückskinder, Die drei
Dinge unbekannt sind, zu hohem Preise. Doch den Käufern der Katze wird es bange vor dem unbekannten Ungeheuer, und sie machen Jagd auf sie. — Die älteste Aufzeichnung stammt aus Frankreich; N i c o l a s de T r o y e s (um 1535) erzählt es in seinem Werk Grand parangon des •nouvelles nouvdles2). Dies und eine mäßige Zahl über ganz Europa verbreiteter Varianten 3) weicht kaum wesentlich von der Grimmschen ab. Viel älter und viel verbreiteter ist das Märchen in einer einfacheren Form, die nur aus der Katzenepisode besteht, und auch dieser fehlt der schildbürgerhafte Schluß. Die Annalen A l b e r t s v o n S t a d e (gest. 1264) berichten 4 ), daß ein armer Venezianer seine zwei Katzen einem wegreisenden Kaufmann mitgibt, der sie um großen Preis verkauft. Die Lübecker Chronik des H e r m a n n K ö r n e r (1640) 5) bringt dieselbe Geschichte. Die in England vielfach auch literarisch bearbeitete Geschichte D i c k W h i t t i n g t o n s 6 ) hat denselben Inhalt. Dieselbe einfache Geschichte ist auch schon im Orient im 13. Jh. belegt, und zwar bei dem Perser W ä s i f ' ) . Die burleske Schlußperiode bietet zuerst Valentin S c h u m a n n s Nachtbüchlein6), volkstümliche Varianten gibt es in großer Zahl sowohl mit •) als ohne 10) sie in ganz Europa. Es ist ganz klar, daß die einfache Katzenepisode die ursprüngliche Form des Märchens ist. Mit analogen Episoden zur Dreiteiligkeit erweitert und mit der Schildbürgerepisode verlängert wurde sie erst in späterer Zeit — doch jedenfalls nicht nach dem 16. Jh. — und wohl in Mitteleuropa. Möglich, daß die Kernepisode auf Wirklichkeit fußt und auf die Zeit verweist, wo noch die Hauskatze in Europa nicht überall bekannt war 1 1 ). Nun ist aber das Märchen als Gattung, wie wir wissen, ganz und gar ungeographisch 12 ), hingegen bauen die dr. G. gänzlich auf Geographie auf. Freilich auf •einer phantastischen, auf einer mit negativen Merkmalen: Länder, in denen das und jenes fehlt. Geographisch-ethnographische Phantasien sind der Gegenstand der hellenistisch-griechischen Reiseromane 13 ), 41
Märchen-Lexikon II.
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und auf diese geht die Tradition der mittelalterlichen arabischen und europäischen Reisephantasien — z. B. Sindbad1*) und Herzog Ernst16) — zurück. Daß sich aus solchen Reisephantasien unser Märchen entwickeln konnte, zeigt eben Sindbad der Seefahrer, der in seiner vierten Reise den Bewohnern einer Insel den Gebrauch des Sattels, des Gebisses und des Steigbügels lehrt 16 ). Hier ist augenscheinlich aus analogen Voraussétzungen ein ähnliches Motiv entstanden. Das Eindringen des geographischen Elements in das Märchenerzählen in unserem Falle können wir auch nur solchen Voraussetzungen bzw. solchen Einflüssen zuschreiben. Eher unverstandener Nachklang als Vorläufer unseres Märchens ist die folgende wogulische Märchenepisode 1 7 ) : Der im fremden Lande Reichgewordene geht seinen bösen Bruder zu besuchen. Dieser bietet ihm Branntwein an. Der Gast k a u f t um teueres Geld Hund und K a t z e seines Bruders und sagt, in seinem Lande gebe es so was nicht. Dann läßt er die Tiere v o m Branntwein kosten — diese verenden, und daraus sieht der Held, daß der Bruder ihn vergiften wollte. Diese Geschichte, die übrigens stark von den orientalischen Reiseerzählungen abh ä n g t 1 8 ) , benützt also das Motiv, aber mit anderer Begründung: als List, Mordanschlägen vorzubeugen.
Da auch die mittelalterlichen europäischen Reisephantasien orientalischen Einflüssen ihr Dasein verdanken 19 ), ist zwar die Wurzel des Märchens von den drei Glückskindern in den hellenistischen Reichen, der Ursprung selber aber — oder wenigstens der Anstoß dazu — im nahen Orient zu suchen. S. B o l t e - P o l i v k a I I , 6gS.; AarneT h o m p s o n Nr. 1650. *) S. B o l t e - P o l i v k a I I . 69f. 3 ) B o l t e - P o l i v k a II. 70Î. *) Monumenta Germanie hist. SS. 16, 347; s. B o l t e 6 ) S. B o l t e - P o l i v k a ebd. P o l i v k a I I . 71. •) i. J. 1605 ein Schauspiel und eine Ballade usw.; s. B o l t e - P o l i v k a II. 73 Anm. 1. 7 ) W . A . C l o u s t o n Populär Tales and Fictions II. London 1887, 73; s. B o l t e - P o l i v k a II. 76. 8 ) E d . B o l t e Tübingen 1893, 10. ») B o l t e P o l i v k a II. 72f. " ) B o l t e - P o l i v k a II. 74fr. » ) B o l t e - P o l i v k a II. 71. 1 2 ) W e b e r Märchen und Schwank 27ff. 13 ) E . R o h d e Der griechische Roman und seine Vorläufer Leipzig 19002, 1 7 8 s . 14 ) C h a u v i n Bibliographie des ouvrages arabes V I I , Liège-Leipzig 1902, i f f . 16 ) S. G. E h r i s m a n n Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters II/II/i, Mün^ chen 1927, 44ÎÏ. 16 ) C h a u v i n Bibliographie
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Glückskind mit dem Todesbrief—Gnade ausbitten
V I I . 19. 1 7 ) M u n k a c s i Vogul nipkölUsi gyüjteminy IV. Budapest 1897, 324. 18 ) H o n t i A vogul mesik dltekintise [Übersicht der wogulischen Märchen], Ethnographia 42 (Budapest M 1931), 182. ) C h a u v i n Bibliographie VII. 77 ff.
soll man als erstem den Kopf abschlagen. Sein geköpfter Körper wird die Reihe der Gesellen entlanglaufen, und all die Gesellen, an denen er noch vorbeizulaufen imstande sein wird, sollen das Leben geHonti. schenkt bekommen. Die G. wird gewährt, Glückskind mit dem Todesbrief s. Klaus geköpft, und sein kopfloser LeichBrief 4, Teufel mit den 3 goldenen Haaren! nam läuft die ganze Reihe der Gefährten entlang und fällt erst nach dem letzten Glücksvogel s. Ente A 2, Vogel! zu Boden, so daß er im Tode allen GeQ115 Gnade ausbitten. fährten das Leben gerettet hat 4). 1. Der Held des Märchens bittet, bevor er die Arbeit auf sich nimmt, um eine G.; er bittet 3. Dem Doktor Faust Goethes gestattet sich ein einzelnes Ding aus, das ihm in der der Kaiser, sich eine G. auszubitten. Er Gefahr zum Helfer wird. erbittet sich ein Stück Land am Meer, 2. Der Held bittet um sein Leben oder um es urbar zu machen. — Im Alten Testadas eines ihm Nahestehenden. 3. Dem Helden wird zum Lohne für eine ment im 1. Buch der Könige, 3, 4ff., erLeistung eine Gn. gewährt, die er sich ausscheint Jahwe dem Salomo zu Gibeon bitten darf. im Traum und sagt: „Bitte, was ich dir Q 115 4. Der Held darf sich vor seinem Tode noch geben soll!" Salomo erbittet sich als G. eine Gn. ausbitten. 5. Dem Helden wird es freigestellt, sich eine „ein verständiges Herz, um Jahwes Volk L 220 Gn. auszubitten. E r (seine ehrgeizige, unzuregieren und zwischen Gut und Böse friedene, gierige Frau) übersteigern die Wünsche, unterscheiden zu können". Über diese die schließlich ,,ad irritum cadunt". kluge Bitte ist Jahwe erfreut und ge6. Das Motiv vom Gn.a. verbunden mit dem von den klugen und den törichten Wünschen. währt ihm darüber hinaus Reichtum, 7. Gn. a. durch drei (vier) Wünsche, die der Ehre, langes Leben. Weisheit gewährt er Held (seine Frau) verschwendet. ihm, „so daß deinesgleichen nicht vor dir 8. Negative Gn. a. H 1376.2 1. Einer, der auszog, das Fürchten zu gewesen sein soll und deinesgleichen nach lernen (KHM. 4), erbittet sich zum Mit- dir nicht erstehen wird". — Hans Bendix, H 970 nehmen eine Schnitzbank, Schnitzmesser, der Schäfer, in Kaiser und Abt (Bürger) Drehbank, Feuer oder zwei Flaschen Wein soll sich vom Kaiser zum Dank für seine und eine Peitsche, Gegenstände, die ihm geistvolle Rätselfragenlösung eine G. a. im verwunschenen Schloß bei der Be- Er erbittet Pardon für seinen Herrn. 4. Harmosan (Platen) erbittet als letzte siegung der Geister von Nutzen sind 1 ). — K In der Ilias soll Diomedes auf Kundschaft G. einen Becher Weins. Auf das an diesen 551. geknüpfte Versprechen baut er seine List, ausgehen. Er erbittet sich als G., den Odysseus als Gefährten mitnehmen zu die ihm das Leben rettet. — Die schöne dürfen. Dieser wird ihm ein wertvoller Lingonin Epponina erbittet von Vespasian die G., mit ihrem Gatten Julius Sabinus, Helfer 2 ). 2. De Burr (KHM. 19 De Fischer un den Vespasian wegen seines gallischen sine Fru) ist gefangen, bittet um sein Aufstandes zum Tode verurteilt hatte, B375.1 Leben, erhält es, gewährt Wünsche 3 ). — gemeinsam hingerichtet zu werden, da sie Bei Herodot bittet sich die Gefangene seine Begnadigung nicht hat durchsetzen als G. das Leben ihres Bruders aus, da sie können. Ihre Bitte wird gewährt. Sie 5 einen Bruder nie wieder bekommen kön- stirbt mit Sabinus ). ne — ihre Eltern leben nicht mehr —, 5. Ein gefangener Kobold in Fischnicht das ihres Gatten und ihrer Kinder, gestalt, als Forelle, Butt, Goldfisch, als B375.: da diese ersetzbar seien. — Klaus Störte- Baumstumpf (litauisch, tartarisch), als beker, der Seeräuber, erbittet vor seiner Kater, wundertätige Katze, goldköpfige Hinrichtung als G.: er und seine mit- Katze (russisch), als Fuchs, Vogel, Goldgefangenen und mitverurteilten Spieß- vöglein (elsässisch, lettisch), als Birke gesellen sollen in einer Reihe aufgestellt (lettisch), Linde, als Krebs (esthnisch), werden, er selbst am Ende der Reihe. Ihm | Mäuschen (französisch), als Elbe (Island),
Gnade ausbitten
Heiliger, St. Michael (Polen), Prophet Elia (jüdisch aus Ostgalizien) gewährt drei oder mehr Wünsche. Der Held, ein Fischer, Bauer o. ä., beraten von seiner unersättlichen Frau, wünscht sich als G. eine bessere Behausung. Er wohnt in einem Pißpott, Mostrichtopf, Blumen-, Aschen-, Bunzeltopf, in einem Brunnenloch, Essigkrug, Bretterhaus mit Astloch, einer C 773.1 Federtonne. Er (bzw. seine Frau) erbittet sich als G. ein Schloß, dann König, Kaiser, Papst, der Herrgott zu werden 8). Oder der Held klettert an einer BohnenF. 54.1 ranke, einem Haselnußstrauch, einer Kürbispflanze, einer Eiche zur Himmelstür, zum Himmelspförtner, zu Petrus, zum Herrgott und bittet sich dort eine G. aus 7 ). Infolge der Maßlosigkeit des Bittenden wird die G. zunichte. Die Helden werden in ihre alte Behausung, den Pißpott, das Brunnenloch usw., in ihre frühere Armut zurückversetzt, werden in Eulen, Bären, Hunde, in Kuckuck und Wiedehopf, in Flöhe, Bovist, Kot, Kürbis verwandelt, stürzen vom Himmel ab 8). Oder der Held findet die Fee nach vielen Abenteuern, bittet sie um eine G., bekommt den Bescheid: „Du wirst das Glück auf deinem Wege finden!", läßt alle Glücksgelegenheiten unterwegs außeracht, weil er ein besseres Glück in der Zukunft wähnt, und kommt um. M 416 Eos erbittet als G. Unsterblichkeit für Tithonos, Tantalos die Allwissenheit für sich, Paris die schönste Frau, Kassandra die Gabe der Prophetie, Damokles Königswürde. Allen wird die G. gewährt mit einem die G. zunichte machenden Gegengewicht. Erbetene G. wird abgelehnt als zwecklos. Im Evang. Lucae 16, 19 erbittet der reiche Mann von Abraham die G., er möge Lazarus senden, daß er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und ihm die Zunge kühle, weil er in der Feuersglut Qualen leide. Als Abraham ablehnt, erbittet der Reiche zum zweitenmal eine G., Abraham möge den Lazarus in seines Vaters Haus zu seinen fünf Brüdern senden, sie zu warnen, damit sie nicht auch an den Ort der Pein kämen. Abraham hält die Gewährung der G. für überflüssig, weil jene 41*
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Mose und die Propheten hätten, auf sie zu hören, und als der Reiche dringlicher beharrt und die G. ausbittet, erklärt Abraham die Gewährung für zwecklos: „Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, so würden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten auferstände." 6. G. a. verbunden mit a) unüberlegten Wünschen, b) Reisen der Götter und Heiligen auf Erden, c) der Unaufhörlichkeit des ersten Tagewerkes. 6 a 9 ) . Jeder Wunsch geht in Erfüllung, d 1720.1 oder es wird nur eine beschränkte Anzahl von Wünschen gewährt. Theseus erbittet von Poseidon den Tod seines Sohnes 10 ), Midas die Fähigkeit, alles in Gold zu wandeln 11 ), Thetis von Zeus eine Genugtuung, dann Waffenrüstung für Achill, der Bauer Weizenkörner ohne stachlige Ähren 12 ), oder 2 Köpfe und 4 Arme 13). 6 b. Spender der G. sind Zeus und K1811 Hermes (Jupiter und Merkur) 14 ), Christus und Petrus, Petrus und Paulus, Petrus und Johannes, der Herrgott, ein Bettler, eine Fee 1 5 ), S. Giovanni und der hl. Nikolaus 16 ); die Guten werden belohnt, die Q 1.1 Bösen bestraft; die Guten sind die gastlichen Armen, die Bösen die ungastlichen Reichen; erstere sprechen kluge, letztere törichte Wünsche aus, die ihnen schaden. 6 c 1 7 ). Als G. wird erbeten, das erste D 2172.7 Tagewerk möge nie (oder erst bei Störung von außen) aufhören. Der Gute wird reich, der Böse wird die „Geister, die er rief, nicht los". Als erste Tagewerke stehen gegenüber: Leinwand messen — Schweinen Wasser vorgießen; Leinwand messen — Spinnen töten; Leinwand messen — kacken, die brunzend Bäurin (Hans Sachs), Wasserflasche umstoßen, tausendmal an den Kopf schlagen, ins Bett ein- und aussteigen; Getreide schütten — harnen, bis ein Bach oder Fluß (Scheide, Harbach) oder der salzige See daraus entsteht; Getreide schütten — Steine (Wasser) tragen. 7. Wiederherstellung des ursprünglichen J 2075 Zustandes durch den allein noch übrigen letzten (dritten oder vierten) Wunsch,
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G o e t h e und das deutsche
nachdem die ersten in Torheit, Zorn, Übereilung zu unangenehmen Folgen vertan waren 18 ). Solche törichte Wünsche, die wieder gutgemacht werden müssen, sind: Pferd soll den Hals brechen; Frau soll am Sattel anwachsen; Wurst soll an der Nase der Frau hängenbleiben; Feuerbrand soll dem Mann oder der Frau in den Podex fahren; eine Bürste dauernd den Hintern der Frau bürsten; sie soll in eine Hündin verwandelt werden; ein Kleid (eine Hechel, der Teufel, eine Ziege) wird der Frau in den Leib gewünscht; die Nase des Mannes soll ein Schnepfenschnabel werden; der Kopf der Frau soll dauernd nach rückwärts verdreht sein; ihre Ohren mit Käse verstopft; sie selbst am Boden festgeklebt; der Kesselfuß an ihrer Nase (in ihrem Hintern) angewachsen sein; auf ihrem Kopf sollen zwei Hörner wachsen; dem Knaben soll das Körbchen voll Spielknöcheln an die Nase anwachsen. Dem Kind soll ein Bart wachsen, zwei Hörner dem Kinde, das dritte Horn der Frau in den Hintern; ein Bart wird dem Kinde gewünscht und der Kalbfuß in den Podex der Frau; der Stock soll die Frau unaufhörlich prügeln. Nachdem diese Wünsche alle gemäß der ausgebetenen und gewährten G. in Erfüllung gegangen sind, bleibt dem Begnadeten nichts übrig, als den letzten Wunsch dazu zu verwenden, das Geschehene ungeschehen zu machen, und er hat zu dem Schaden noch den Spott. 8. Im Alten Testament i. Samuel. 24, 10 stellt Jahwe dem David zur Strafe dafür, weil er gegen Jahwes Verbot eine Volkszählung veranstaltet hat, zur Wahl, ob er wolle, daß zur Strafe sieben Jahre Hungersnot in das Land kommen, oder daß er drei Monate vor seinen Feinden fliehe und von ihnen verfolgt werde, oder daß die Pest drei Tage lang in seinem Lande sei. David will lieber in die Hand Jahwes fallen — denn seine Gnadenerweisungen sind groß — als in die Hand von Menschen; und so wählt er die Pest für sein Volk, und so starben 70000 Menschen, bis Jahwe G. übte und dem Pestengel Einhalt gebot. Zum Dank errichtet
Volksmärchen
David den Altar auf der Tenne Arawnas, wo später der Tempel entstand. l ) B o l t e - P o l i v k a I 22ff. s ) H o m e r Ilias K (10), 222f. u. 243f. s ) B o l t e - P o l i v k a I I 3 9 f f . *) A . H a a s Klaus Störtebeker in der pommerschen Volksüberlieferung, 1932. 6 ) T a c i t u s histor. I V 5 5 f i . ; D i o X i p h i l i n . 66, 3, 1 ; P a u l y - W i s s o w a Realencyklopädie s. v . Epponina Bd. V I , 260 und s. v . Iulius Sabinus B d . X , 795; P l u t a r c h 'EpcöTlKÖs c. 25, p. 4 5 9 — 4 6 1 (ed. B e r n a r d a k i s ) . 6 ) B o l t e - P o l i v k a I 144 De Fischer un sine Fru. ') a. a. O. 1 4 6 f f . 8 ) a. a. O. 148. ») B o l t e - P o l i v k a I I 212. 10 ) E u r i p i d e s Hippol. 45. 888. " ) O v i d Metam. 1 1 , 100. l a ) A b s t e m i u s nr. 2 cf. B P I I 213. u ) Pantschatantra V 8. 14 ) Philemon und Baucis, O v i d Metam. V I I I 6 i 6 f f . 1 5 ) KHM. 87 Der Arme und der Reiche-, Bolte-Polivka II 2ioff.; Stith T h o m p s o n 403 A , 750 A . u ) I m albanischen Märchen, cf. M. L a m b e r t z Zwischen Drin und 1 7 ) D ä h n h a r d t Natursagen Vojusa. I I 140 bis 18) B o l t e - P o l i v k a 153. I I 221.
Vgl. Wünsche. Goethe
und
Lambertz. das
deutsche
Volks-
märchen. Die Zeit, in die Goethes Jugend fiel, war dem Märchen nicht günstig gesonnen: die Aufklärung hielt es für abgeschmackt, weil es vernunftwidrig, kindisch und albern sei. Gleichwohl drangen die contes des fées reichlich aus Frankreich nach Deutschland; aber man erzählte sie hier im Tone spöttischer Überlegenheit und hängte an den Schluß eine manchmal schulmeisterliche Moral oder eine bald geistreiche, bald nüchterne Deutung, freilich auch in entschieden anmutiger Form (Musäus) oder in Versen (Wieland). Auch bei G. lassen sich noch Spuren von dieser Anschauung über das Märchen beobachten; doch weist er auch, von Herder l ) beeinflußt, schon zur Romantik hin — sie hätte ohne ihn den Weg zum Märchen wohl nicht gefunden. G.s Mutter war eine ausgezeichnete Märchenerzählerin 2 ), und er berichtet, daß er die Lust zu fabulieren von ihr ererbt habe, auch in Dichtung und Wahrheit (2. Teil, 10. Buch am Schluß) : „Mir war von meinem Vater eine gewisse lehrhafte Redseligkeit angeerbt ; von meiner Mutter die Gabe, alles, was die Einbildungskraft hervorbringen, fassen kann, heiter und kräftig darzustellen, bekannte Märchen aufzufrischen, andre zu erfinden und zu erzählen, ja im Erzählen zu erfinden . . . Das leerste Märchen hat für die Einbildungskraft schon einen hohen
Goethe und das deutsche Volksmärchen
Reiz, und der geringste Gehalt wird vom Verstände dankbar aufgenommen." Von ihr hörte er Das tapfere Schneiderlein 3), und ebensowenig wie die Mutter beim Erzählen ermüdete er beim Zuhören. „Da saß ich," erzählt Frau Rat *), „und da verschlang er mich bald mit seinen großen schwarzen Augen, und wenn das Schicksal irgendeines Lieblings nicht recht nach seinem Sinn ging, da sah ich, wie die Zornader an der Stirn schwoll und wie er die Tränen verbiß. Manchmal griff er ein und sagte, noch eh' ich meine Wendung genommen hatte: nicht wahr, Mutter, die Prinzessin heiratet nicht den verdammten Schneider, wenn er auch den Riesen totschlägt; wenn ich nun Halt machte und die Katastrophe auf den nächsten Abend verschob, so konnte ich sicher sein, daß er bis dahin alles zurechtgerückt hatte, und so ward mir denn meine Einbildungskraft, wo sie nicht mehr zureichte, durch die seine ersetzt; wenn ich dann am nächsten Abend die Schicksalsfäden nach seiner Angabe weiter lenkte und sagte: du hast's geraten, so ist's gekommen, da war er Feuer und Flamme, und man konnte sein Herzchen unter der Halskrause schlagen sehen. Der Großmutter, die im Hinterhause wohnte und deren Liebling er war, vertraute er nun allemal seine Ansichten, wie es mit der Erzählung wohl noch werde, und von dieser erfuhr ich, wie ich seinen Wünschen gemäß weiter im Text kommen solle, und so war ein geheimes diplomatisches Treiben zwischen uns, das keiner an den andern verriet; so hatte ich die Satisfaktion, zum Genuß und Erstaunen der Zuhörenden meine Märchen vorzutragen, und der Wolfgang, ohne je sich als den Urheber aller merkwürdigen Ereignisse zu bekennen, sah mit glühenden Augen der Erfüllung seiner kühn angelegten Pläne entgegen und begrüßte das Ausmalen derselben mit enthusiastischem Beifall." So lauscht Karl im Götz den Märchen, die seine Tante erzählt, und wie G. selber Friederiken und ihren Schwestern das Märchen von der neuen Melusine vorträgt, seine Spielgenossen durch Märchen erfreut (Der neue Paris: Dichtung und Wahrheit 1. Teil, 2. Buch) oder während
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seiner Krankheit 1768 „Mährgen" schreibt (an Käthchen Schönkopf 30. Dez.; Morris 1, 314), so läßt er Werther die kleinen Geschwister Lottes durch Märchen unterhalten („Meine Großmutter hatte ein Märchen vom Magnetberg" 5). Werther 1. Buch, 26. Julius. („Ich . . . erzählte ihnen das Hauptstück von der Prinzessin, die von Händen bedient wird." Ebd. 15. August 6 )). Hier auch erinnert er an die Melusine (1. Buch, Am 12. Mai), wie noch sonst gelegentlich. Er beobachtet, daß die Kinder genau darauf achten, wie es das vorige Mal bei der Erzählung gewesen sei, und übt sich, die Märchen „unveränderlich in einem singenden Silbenfall an einem Schnürchen weg zu rezitieren" (ebd. 15. August). Er hat hier psychologisch wieder außerordentlich klar gefühlt; denn so etwa parodiert das Grimmsche Märchen 138 Knoist un sine dre Sühne den psalmodierenden Tonfall der kirchlichen Messe und erklären sich schließlich auch die Verseinlagen in vielen Märchen 7 ). In den Briefen an Frau von Stein (1776. Werke, Weimar IV 3,62) spielt er auf das Märchen vom Einäuglein in der Fassung des M o n t a n u s an: „Zum erstenmal im Garten geschlafen und nun Erdkülin auf ewig" 8) und auf das vom Froschkönig (ebd. S. 225): „Aber ach, die eisernen Reifen, mit denen mein Herz eingefaßt wird, treiben sich täglich fester an" 9). Den Machandelboom kannte er von Kind auf: „ . . . . wie jener Mühlstein, der vom Himmel fiel" (an Sophie von La Roche, März 1774; Werke, Weimar IV 2,152) und wandelte dessen Verseinlage zu Gretchens Liede im Kerker: „Meine Mutter, die Hur', die mich umgebracht hat!" (Faust 1, Vers 4412; schon im Urfaust: Werke, Weimar 14, 283) 10 ). Einen alten, schon bei Melander verzeichneten Märchenschwank setzt das Flohlied im Faust 1, Vers 2207 f o r t u ) , und im 2. Teile (Bühnenanweisung nach Vers 10066) kommt Mephistopheles in Siebenmeilenstiefeln an. An Jacobi schreibt er am 1. Febr. 1793: „Darnach ging mir's aber wie jener Hausfrau, die Katze gewesen war und ihres Mannes Tafel gegen eine Maus vertauschte" 12 ), und an Schiller
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Goethe und das deutsche Volksmärchen
am 25. Nov. 1797 von jenem kröpfigen Volk, das den gesunden Bau des Halses für eine Strafe Gottes ansah 13 ). Die Märchengestalten der Zwerge verwertet er im Hochzeitlied und in dem Gedicht Die ersten Erzeugnisse der Stotternheimer Saline. In der Ballade vom Zauberlehrling verwertet er das uralte Motiv des Zauberbesens [vgl. oben Bd. I 321 a]. Seine Teilnahme an deutschen Märchen bezeugen Anmerkungen, die er Riemer zu B ü s c h i n g s ihm im Sommer 1812 übersandten Volkssagen, Märchen und Legenden diktierte 14 ): „Büsching aufmerksam zu machen auf 1) den Gockel, wo der Herr zuletzt selbst gehen muß[BolteP o l i v k a 2, 100 Nr. 72a]. 2) der . . . den seine Mutter ausschickt nach Butter, und der unterwegs die Ritzen der aufgeborstenen Erde damit zustreicht. — Art Margites [Schriften der Goetheges. 13, 188. 359; D ü n t z e r ZdPhil. 31,552]. 3) NB. Eulenspiegel ist der Gegensatz zwischen Figürlicher Redensart und gemeiner Prosa. 4) Riese der Abends nach Hause kommt und immer Menschenfleisch riecht [ B o l t e - P o l i v k a 1, 289—292 und unten: Menschenfresser], 5) Riese: dessen Ohrenschmalz und Schmeer aus der Nase viele Zentner, und dessen Barthaare viele Fuder Heu betragen1S). 6) Lied: wie das Bürgersche von der Lenore: worin „Der Mond scheint helle Die Todten reiten schnelle" vorkommt" [Erich Schmidt Charakteristiken 2i9ff.]. Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (1812 bis 1815) übersandte er am 21. November 1816 an Frau v. Stein mit empfehlenden Worten für eine mecklenburgische Freundin, um sie dadurch in den Stand zu setzen, „auf viele Jahre die kleine Nachkommenschaft glücklich zu machen" [Werke, Weimar IV 27, 241]. Bei der Besprechung von S c o t t s Aufsatz On the Supernatural in fictitious Compositions, in The Foreign Quarterly Review Nr. 1 vom Juli 1827 (Jub.-Ausg. 38, I29ff.) findet er „eins der Grimmschen Kindermärchen zu empfehlen, wo der naturfeste Bauernjunge, der immer von Schaudern (Griesein) hört, . . . die gespensterhaften Abenteuer mit realistischer Gemütsruhe besteht" 1S).
Er selber hat zwar verschiedene Märchen geplant, aber nur drei ausgeführt. In den Guten Weibern (Jub.-Ausgabe 16, 220f.) deutet er ein Märchen an, das eine Freundin von Eulalie niedergeschrieben habe, läßt diese aber nur erzählen, „auf welche sonderbare Weise diese angenehme Produktion entstanden ist"; und in den Annalen zum Jahre 1801 (Jub.-Ausg. 30, 81. 393ff.) plant er ein Märchen über Pyrmont, das ähnlich „wie die Amüsements des eaux de Spaa sowohl in der Ferne als der Gegenwart eine unterhaltende Belehrung zu gewähren" versprach. Das älteste von seinen ausgeführten Märchen ist wohl das Gedicht Der neue Amadis (Jub.-Ausg. 1, iof.), das er am 1. Dez. 1774 an Jacobi sandte. Er schrieb dazu, es sei aus dem Gedächtnis aufgeschrieben, und daher darf vermutet werden, Wielands gleichnamiges „komisches Gedicht in 18 Gesängen" (1771) habe eingewirkt; aber der Prinz Pipi und die Prinzessin Fisch kommen weder hier noch in den deutschen Historien von Amadis aus Frankreich vor und gehen wohl auf die Märchen zurück, die Frau Rat erzählte; doch gemahnen die Fremdwörter „obligenant, galant, emailliert" auch an französische Feenmärchen des 18. Jahrhunderts, wo ein in einen Vogel (Biby) verwandelter Prinz und eine in einen Fisch verwandelte Prinzessin vorkommen. Die beiden andern Märchen, Der neue Paris (1811) (Dichtg. u. Wahrh. 1. Teil, 2. Buch) und Die neue Melusine (1Wilhelm Meisters Wanderjahre 2. Teil, 3. Buch, 6. Kap.) (1821) sind bewußte Kunstschöpfungen, wobei G. sich aber echt märchenhaft selber als Helden echt märchenhafter Abenteuer einführt 17 ). Über das Verhältnis beider zueinander sagt er: „Es [Die neue Melusine] verhält sich zum Neuen Paris wie ungefähr der Jüngling zum Knaben" (Dichtung u. Wahrh. 2. Teil, 10. Buch am Schluß). Dem hübschen, ungezogenen Knaben Paris ist in den Gärten der Dichtung noch nicht zu weilen erlaubt; er wird verstoßen, und erst die Sehnsucht soll ihm Würdigkeit verleihen18). Die neue Melusine verkleinert ihn zum Zwerg, um ihn nicht zu verHeren. Erst die Erinnerung
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an sein früheres Menschentum treibt ihn durch das Gefühl zu ahnende Tiefe entzur Verzweiflung und veranlaßt ihn, den scheidend für die Ansicht der Romantik Ring durchzufeilen und sich so zur alten über das Märchen. Gestalt wieder emporzurecken. So würde Die Herkunft vieler abendländischer ihn Friederike in Enge und Beschränkung Märchenstoffe aus dem Morgenlande hat gehalten haben, wenn er sich nicht los- G. schon erkannt: „Woraus denn abergerissen hätte 19 ). mal hervorging, daß gar manche verDas üppigste Spiel seiner Einbildungs- fängliche Märchen, welche die Westländer kraft hat G. selber Das Märchen (1795) ge- nach ihrer Weise behandelt, sich vom nannt (in den Unterhaltungen deutscher Orient herschreiben, jedoch die eigentAusgewanderten). Eine Deutung bietet liche Farbe, den wahren, angemessenen große Schwierigkeiten; immerhin mag Ton bei der Umbildung meistenteils Friedr. von der Leyen20) dem Sinn nahe- verloren" (Burdachs Ausgabe des Westkommen: „Das Märchen als Ganzes schil- östlichen Divans, Noten und Abhanddert uns die Entstehung von Kultur und lungen, in Bd. 5, S. 295 der Jub.-Ausg.). Gesittung, die nur durch die Vereinigung Im Zusammenhange hat er sich aber von Form und Gehalt, Reichtum und mil- theoretisierend nicht geäußert 21 ). Als der Gerechtigkeit, Weisheit und Stärke, allgemein bedeutend erscheint seine Ansich bilden können. Ihr Werden bleibt uns sicht: „ . . . die Neugierde zu erregen, ein seltsames, von Lächerlichkeit nicht die Aufmerksamkeit zu fesseln, zu vorimmer freies Geheimnis und zugleich das eiliger Auflösung undurchdringlicher Rätschönste Wunder. Denn reine Phantasie sel zu reizen, die Erwartungen zu täuschen, und reine Schönheit und die traurige Be- durch das Seltsamere, das an die Stelle grenztheit dieses Lebens scheinen unver- des Seltsamen tritt, zu verwirren, Mitleid söhnliche Feinde, und doch wäre eins nicht und Furcht zu erregen, besorgt zu machen, ohne das andere, und doch gebiert sich aus zu rühren und endlich durch Umwendung der Vermählung des Überirdischen und des eines scheinbaren Ernstes in geistreichen Allzuirdischen die Kunst. Dies Mysterium und heitern Scherz das Gemüt zu bekonnte nicht wohl in erklärenden Worten friedigen, der Einbildungskraft Stoff zu ausgedrückt werden; darum hat es auch neuen Bildern und dem Verstände zu G. geheimnisvoll in wunderlichen, ah- fernerem Nachdenken zu hinterlassen" nungsreichen und leuchtend schönen Bil- (Dichtung und Wahrheit 2 Teil, 10. Buch, dern ausgemalt." Zum Unterschied von am Schluß). den andern Märchen G.s wird hier das *) H e r d e r s schöne Worte über das Märchen: scheinbar Zusammenhanglose zum Wunder: Schillers Kunstgrundsätze wirken Adrastea 2, 156 (1801) = Werke (Suphan) 23, 288 in dem A u f s a t z über Märchen und Romane. nach, daß nämlich die Kunst ein Spiel a ) Vgl. B o l t e - P o l i v k a I V 79 nr. 160. s ) KHM. sei, Schein, bei dem von jeder diesem etwa Nr.20; B o l t e - P o l i v k a I 148—165; I V 8 o n r . i 6 i . anhaftenden Wirklichkeit abgesehen wird, 4) M o r r i s D i f jungeGoethe I 93. 5 ) Aus 1001 Nacht ( C h a u v i n 5, 202), doch auch im Volksbuch vom und fern von jeder Zweckmäßigkeit trotz Herzog Ernst; B o l t e - P o l i v k a I V 80 nr. 161. aller Zusammenstimmung des Mannigfal- e ) A u l n o y La chatte blanche; vgl. B l a d e I I 54. 7 tigen zum Einen. Die in der Rahmen) Hierzu B o l t e - P o l i v k a I V 13. 8 ) KHM. erzählung ausgesprochene Warnung vor Nr. 130; B o l t e - P o l i v k a I I I 6off.; I V 80 nr.161. o n t a n u s , hg. von B o l t e S. 260 (nicht 250!) der unkünstlerischen Deutelust wird hier M und 591. Zum Erdkulin = Erdkühelein vgl. ins Praktische umgesetzt; es ist ein Spiel Goethe-Jahrbuch 1898, 2970. Die Ausführungen mit der Phantasie und dem Leser. Aber in Paul F i s c h e r s Goethewb. s. v . Erdulin (in der im Gegensatz zum 18. Jahrhundert scheint Weimarer Ausgabe der Briefe Bd. 3, 62 an Frau Stein a m 19. Mai 1776: Erdtulin) sind nicht hier gesagt zu werden: das Märchen ist von zu halten. Schon G o e d e k e h a t das W o r t als nicht müßiges Ammengeschwätz, es ist Schreibfehler für Erdkulin erkannt. Zeitler Weisheit, die untrennbar zum Volke ge- Goethe-Handbuch 1, 499. ®) KHM. Nr. 1 ; B o l t e hört, und so wurde dies Durcheinander, P o l i v k a , I iff. 1°) KHM, Nr. 47; B o l t e P o l i v k a I 4i2fi.; I V 80 Nr. 161. «) KHM. die nicht mit dem Verstand, sondern nur Nr. 212: Die L a u s ; B o l t e - P o l i v k a 3, 483fr.
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Gold—Goldener (Grindkopf)
und Erich S c h m i d t in der Cottaschen Jub.Ausg. 13, 302. 1J ) Äsopischer Fabelstoff (Halm 88; vgl. R. K ö h l e r KISchr. II 51 und ZVk. 22, 245), den Goethe wohl aus L a f o n t a i n e Fabeln Buch 2, Nr. 18 kannte. 13 ) Volksschwank; von Seb. F r a n k den Pinzgauern zugeschriebene Meinung, kopflose Menschen hätten ire glider nit alle. M ) Schriften der Goethegesellschaft 14 (1899), 362. 15 ) Einen bestimmten Nachweis, woran Goethe gedacht habe, vermag ich nicht beizubringen; Joh. Bolte verweist mich auf Ähnliches bei L i n d e r Katzipori (hg. L i c h t e n s t e i n S. 178) und M ü l l e r - F r a u r e u t h Lügendichtungen S. 66. 134. " ) KHM. Nr. 4; B o l t e P o l i v k a IV 22ff. Wilh. W i s s e r in der Zs. 17 ) Nordelbingen 3, 63—76. Hierzu B o l t e P o l i v k a 1, 20. 18) Gustav R o e t h e Dichtung und Wahrheit. Ber. des Freien Deutschen Hochstifts zu Frankfurt am Main. 1901, S. i6f. Ludwig F r ä n k e l Altes und Neues zur Melusinensage, ZVk. IV 389 Anm. 2 glaubt, der Melusinenstofi habe auf den neuen Paris eingewirkt und verweist dafür auf den geheimnisvollen Brunnen, die drei nymphenartigen Märchenjungfrauen u. ä. In Goethes „Lyrik ist auch in der Abteilung Antiker Form sich nähernd 'Die neue Sirene' zu vergleichen". 19 ) L e y e n Märchen, 2. Aufl. S. 13. so ) a. a. O. S. 14t. Siehe auch Max H e r r m a n n in der Einleitung S. X L I X f f . zu Bd. 16 der Jub.-Ausg. M o r r i s Goethe-Studien 2 (2. Aufl. 1902), 29—73, 86f. hat es scharfsinnig als Maskendichtung erklärt. Die Deutungsversuche hat M a y n c zusammengestellt in H e i n e m a n n s Goethe-Ausgabe Bd. X 211 ff.; 471 ff. (Bibliographisches Institut) dort weitere Bibliographie. " ) Einige Äußerungen und Urteile G.s über das Märchen stellt Friedrich von der L e y e n zusammen in Z e i t l e r s Goethe-Handbuch II 492fr. Bequem in dem Registerband, den Eduard von der H e l l e n zur Cottaschen Jub.-Ausg. beigesteuert hat. Sonst noch G o e d e k e Grundriß IV 3, 312. Alfred H o h n k e Volkskundliches in Goethes Leben und Werken. Diss. (Maschinenschrift) Breslau 1923, S. 101—103. Über das Motiv vom Schlangenkuß im Märchen von der schönen Lilie vgl. Emma F r a n k Der Schlangenkuß 1928, S. 168. Vgl. auch arabische Motive B I 3, B II! Kügler. Gold s. Geldzauber! Goldblumen, -stäbe usw. s. Gerte 0 1 ! Goldei s. Geflügel III B 5! golden s. Edda A 11
G671 C912 B401. B 181 D 1101 K 1818.2
Goldener (Grindkopf). I n h a l t : A. E i n l e i t u n g s f o r m e l . Der Held befreit einen gefangenen Walddämon (Eisenhans), der ihn dafür mit sich nimmt und erzieht. Im Dienst beim Dämon erwirbt sich der Held goldene Haare. Bei der gütlichen Trennung von seinem Erzieher erhält er von diesem Rosse und Rüstung. — B. H a u p t f o r m e l . Die Goldhaare unter einer Mütze von Tierfellen verdeckt
haltend, tritt der Held meist als Gärtner in Dienst bei einem König. Nur die Königstocher entdeckt, durch musikalische Fertigkeiten des Helden aufmerksam geworden, seinen Adel und läßt ihn zu sich kommen. Zur Erwerbung der Prinzessin muß ein Turnier bestanden werden (plastische Situation: die A d e l s p r o b e ) . Hierzu holt der Held Roß und Rüstung hervor und erringt den Sieg. — C. S c h l u ß f o r m e l . Der König muß die Ehe zugeben, verweist aber das junge Paar in eine erniedrigende Wohnung (Hennenhaus). Es kommt zum Krieg mit neidischen Nebenbuhlern, zu dem der Held mit lahmem Roß'und hölzernem Schwert ausrückt. Er entscheidet dreimal die Schlacht, entkommt aber unerkannt; beim drittenmal wird er von den eigenen Leuten verwundet und an der Wunde erkannt und gelangt nun erst zu vollen Ehren. E i n z e l n e s , a) Andere Einleitungsformeln sind: Der Held tötet (mit Hilfe des Eisenhans) 3 Riesen, die das Vieh des Königs rauben und erwirbt deren Waffen. Ferner die bekannten Formeln: Knabe dem Teufel versprochen oder Wunschdinge vom Geiste des verstorbenen Vaters erhalten (vgl. Aschenbrödel). b) Der Eisenhans hat im Deutschen die Gestalt eines wilden Mannes oder Walddämons, in den meisten Fassungen ist es aber ein Zwerg. Vereinzelt auch weiblicher Dämon oder das Zauberroß aus KHM. 126. Süddeutsch der Teufel. c) Im Hauptteil statt des Turniers zuweilen Glasbergritt oder der Drachenkämpf aus dem Brudermärchen. d) Die Vorgänge aus Teil B und C sind im Deutschen heillos miteinander verwirrt. Die dreimalige Verwundung und das unerkannte Entkommen finden meist schon in die Adelsprobe Eingang, das Märchen schließt dann mit der Heirat, und die Motive Hennenhans und Kampf mit den Nebenbuhlern sind mehr oder weniger vergessen. e) Als 2. Adelsprobe zuweilen auch Holen des Lebenswassers. f) Als Namen des Helden begegnen im Deutschen außer den üblichen Vornamen Hans oder Peter: Goldener und Werweiß (Tirol), Grindkopf oder Glasköpfchen (Niedersachsen). L i t e r a r i s c h e V e r w e r t u n g : Das Märchen erfreute sich im Mittelalter ungeheurer Beliebtheit. Bevere (Orendel, Wilhelm v. Orense u. Robert der Teufel
K1816, H 151.13 H 331.2 R 222 L132
R 222 H 56
G671 G500
S 711 D842.1 F441.3 F451 B181 G 303 H 331.1. B 11.11
H1321.
K1818.
Goldener (Grindkopf) 1897), Laistner (ZfdA. X X X V I I I 116) und Panzer (Hilde-Gudrun Halle 1901) haben nicht weniger als 22 mittelalterliche Fassungen zusammengetragen. Eine U n tersuchung des wechselseitigen Verhältnisses der auf den G. zurückgehenden Romane steht noch aus, die Grundfrage ist die nach der Einwirkung des byzantinischen Afiolloniusromans auf die nordwesteuropäischen Varianten (vgl. L i n g e r Apollonius v. Tyrus Halle 1895). Eine kurze Übersicht der mittelalterlichen Fassungen ist unumgänglich, weil sie uns Einblicke in Wanderungsweg und -zeit des Märchens geben. a) Der E i s e n h a n s hat in der Literatur selten F 4 4 I . 3 seinen dämonischen Charakter bewahrt. Einen Nachklang des wilden Mannes finden wir eigentlich nur im Wati der Kudrun. Im übrigen wird der Dämon durch einen Typus der Heldensage, den major domus ersetzt. Dieser Ersatz ist den Franken zuzuschreiben (Berchter v. Meran im Rother, Berchtung im Wolfdietrich, Morand im Karlmeinet). In Frankreich erscheint, nur der Eisenhans-Galopin des Elie de St. Gilles in F 5 6 7 . 1* germanischer Weise als Zwerg. Ein weiblicher Eisenhans begegnet im oberdeutschen und mitteldeutschen Märchen, im Mittelalter in der Tervisepisode und dem Römerabenteuer des Wolfdietrich. (Gegen die Annahme, daß G. die Grundlage dieser Episoden bildet, polemisiert S c h n e i d e r Wolfdietrich München 1913 S. 257.) In Jourdain de Blairies hat sich der Eisenhans gedoppelt zu einem Hausmeier und einem mythischen Wesen (Renier und der Fischer = Ise des Orendel). Ebenso im Bueve de Hamtonne (Sabart und Escopart), in letzterem findet der Zug: „ehebrecherische Mutter stellt Bueve nach dem Leben" seine Entsprechung im hessischen Märchen ( W o l f DHM. S. 276), auch der Zug, daß Sabot einen Eber tötet, um Bueve zu retten, beK 512. 2 gegnet im deutschen Märchen wieder. Also Übereinstimmung der mittelalterlichen Fassungen mit fränkischer Kultur einerseits und modernen fränkischen Märchen andrerseits! S 2 1 1 Die Einleitungsformel „ K n a b e dem Teufel versprochen" findet sich im Märchen heute nur in Deutschland und isoliert in der Bretagne, im MA. in der normannischen Sage von Robert der Teufel im Sinne des Inkubusglaubens umgeformt. b) Im lothringischen und vlämischen Märchen K 1818. 3 (also auf fränkischem Boden), aber nicht mehr weiter östlich, reitet der Held in Narrenkleidung oder sonstigem lächerlichen Aufzug in die Schlacht, ebenso im ma. Epos. Der V e r h ü l l u n g entspricht im Epos der Hehlname (Dietrich, Mainet, wohl auch Hettel). In den Reali di Francia verbirgt sich Karl in den Kleidern eines Hirtenknaben wie der lothringische G. mit einem Bauernburschen die Kleider tauscht; in der G.-
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episode des Arion erhält dieser eine hinkendes Pferd wie der Märchenheld bei Grimm. Auch der Punkt „Verhüllung" zeigt also Übereinstimmung zwischen ma. Epos und modernem fränkischen Märchen. c) Die A d e l s p r o b e ist im Epos höfisch um- H 101 gestaltet. Nur der Wolfdietrich steht mit seinem Ringelstechen (D V I I 1375.) dem hessischen Märchen ( W o l f DHM. S. 369) nahe. d) Zur Initiative der Frau s. u. e) Die S a n g e s k u n s t d e s H e l d e n wird in germanischen Varianten (deutsch V e r n a l e k e n KHM. 8) und mittelalterlichen deutschen und französischen Fassungen, nicht aber im mod. französischen Märchen erwähnt. f) Das Motiv von der V e r b a n n u n g d e s j u n g e n P a a r e s findet sich im Märchen nur mittel- und süddeutsch, nicht aber niedersächsisch noch französisch. Im Epos (Ar ol, Bueve, Rother) nach dem Schema der Werbungssagen zu einer Flucht umgestaltet. g) N e i d i s c h e N e b e n b u h l e r (oder Schwä- K 2 2 1 1 . 1 ger) spielen im süddeutschen und lothringischen Märchen eine Rolle. Literarisch im Rother, ferner s. P a n z e r Hilde-Gudrun S. 343fr. Z u s a m m e n f a s s u n g : Französische mittelalterliche Epen stimmen mit Zügen des lebenden deutschen, speziell fränkischen Märchens überein, nicht aber mit dem lebenden französischen Märchen und auch nicht mit den niederdeutschen, sodaß der sonst so häufige Weg der Vermittlung durch die Küstenschiffahrt versperrt bleibt. Ich schließe daraus, daß das G.märchen auf dem Boden der Franken schon zur germanischen Frühzeit bekannt war und von ihnen in ihre neuen Wohnsitze mitgenommen wurde. Die H i l d e s a g e geht m. E . nicht auf den G. allein zurück, sondern ihr liegt eine Raubehesage zugrunde (vg. Boer ZDPh. X L 1). Boer nimmt eine ""Fassung der Sage an, die er JH 2 nennt und dadurch charakterisiert, daß die Entführung der Jungfrau nicht mehr gegen ihren Willen vor sich geht: es läge also eine Initiative T 55 der Frau vor, die als tertium comparationis das G.märchen angezogen haben mag, das nun die ursprünglich rein episodisch-dialogische Handlung nach vorn und hinten ergänzt und fest mit ihr verwächst. D a die ""Fassung J H 2 vor das 7. Jh. angesetzt werden müßte, wäre mit dem Vordringen unsres Märchens in das niederdeutsche Gebiet um diese Zeit zu rechnen.
Goldener (Grindkopf)
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her in Frankreich ein, wo er im 12. Jh. den Jourdain de Blairies beeinflußte, und von da weiter nach Deutschland (Orendel).
Rückstömende Bewegung: der Apolloniusroman entstand in Byzanz auf der Grundlage des G.f drang vom Mittelmeer
Schematische U b e r s i c h t : Werwölfsglaube (s. u.)
\ \
Keltische JE^ni|üsse (s. u.) / / Byzanz
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\
\
Niederdeutschland: Hildesage, später auch nach Skandinavien (Orvar Odd) und England vor dem 7- Jh. Urfränkisches Goldenermärchen
Normandie: spatefauf den zuvor nur als Brautwerburtgssa^e éraufde Robert^Pfî: bestehenden Rot^her auf frk. Gebiet übertragerr*^.^^ der Teufel Übertragung auf den wohl ^ urgerm. Orendel Übernahme in die neuen Wohnsitze | andere Fassungen Ersatz des Eis^nh^ns durch den majoi\ domus ! bei Singer a. a. O. \ \ 12. Jh.\ Sagen von der Jugend Karls des Großen
Bueve de Hamtonne
w
Oriol
.
Jh.
I rückströmende | Bewegung
Elie de St. Jourdain de Blairies Gilles fc \ 12. Jh. Apollonius v. Tyrus
E n t s t e h u n g und E n t w i c k l u n g : Mit der Annahme vom fränkischen Urbesitz des G.märchens soll keineswegs dessen Entstehung auf fränkischem Gebiet behauptet werden. Diese bleibt vielmehr dunkel. Als primitivster Zug dürfte mit v. d. Leyen K 521.1 (Das Märchen2 S. 55) die Verhüllung mit K 1818.2 Tierfellen und der Grindkopf angesehen werden, der auf Entstehung des ganzen Märchens aus dem Werwolfsglauben D113.1.1 schließen läßt. Nicht zu verkennen ist aber auch der Beitrag, den die K e l t e n zur Entwicklung unsres Märchens geliefert haben» Hierher gehört vor allem das T55 Motiv von der I n i t i a t i v e der Frau. Während in allen übrigen Zaubermärchen die Frau erlöst, erkämpft oder sonst durch Arbeiten erworben werden muß, bietet sich die Heldin im G. reichlich würdelos
dem angeblichen Gärtnerburschen an, dessen Goldhaar sie gesehen oder dessen Lied sie gehört hat. Nun zeichnet sich gerade die keltische Heldensage durch eine zügellose Erotik aus. Vgl. Zimmer in ZfdA. X X X I I I 281, der reiches Belegmaterial für die sich aufdrängende Frau aus dem Cuckullinkreise beibringt. Dieser Zug dürfte sich in Frankreich vertieft haben, wo er in der Epik weit über den G.kreis hinaus wirkt. In Deutschland ist dieser Typ ganz vereinzelt (vgl. Morpaly im Wolfdietrich). Keltisch ist auch die lächerliche Verkleidung und Bewaffnung des K1818.3 Helden (vgl. Parcival) und überhaupt der ganze farbige Reichtum an Handlung, Wunder und Überraschung (v. d. Leyen a. a. O. S. 146). Verwandte:Dasweibliche Gegenstück
goldener Esel—Götter im Märchen
zum G., das mit ihm auf den gleichen Ursprung (Werwolfsglaube) zurückgeht, K1815 ist das Märchen von Allerleirauh (Peau d'âne). Mit dem Aschenbrödel zusammen gehört unser Typus zu dem weiten Kreis L162 der Märchen von der erhöhten Niedrigkeit, die in der Heldensage ihre Entsprechung finden in jenem bekannten Helden, der seine Jugend in Niedrigkeit und Verachtung verbringt, bis er seine übernatürlichen Kräfte enthüllt. A a r n e 502, B o l t e - P o l i v k a I I I zu KHM. 136 und bes. P a n z e r Hilde Gudrun Halle 1901, wo sich eine ausführliche Analyse des Märchens findet.
Vgl. Abzeichen edler Herkunft, ägypt. Motive 1 5 c, fränzös. Motive 8 b, Diener! Tegethoff. goldener Esel s. Esel 3 ! goldenes Ei der Gans s. Gans! Goldmarie u. Pechmarie s. Frau Holle ! Goldniesen s. Esel 1 ! Goldregen s. Esel 1, Geldzauber C III ! Goldvogel s. Geldzauber D V ! Golkonda s. Ente A 2 ! Gorgo s. Geschlechtswechsel! Gott, der liebe s. lieber Gott ! Götter im Märchen. Für die Beantwortung der Frage nach dem Auftreten von G.n im Märchen ist entscheidend die Frage nach der Entwicklungsgeschichte, nach Alter und Herkunft des Märchens überhaupt. Die Brüder Grimm sahen in den Märchen „Überreste eines in die älteste Zeit hinaufreichenden Glaubens, der sich in bildlicher Auffassung übersinnlicher Dinge ausspricht" 1 ). Der romantischen mythologischen Ausdeutung der Brüder Grimm und ihrer Schule (Müller, Müllenhoff, Colshorn, Engelmann, Mannhardt, Simrock u. a.) zufolge haben die deutschen Märchen als letzte Stufe der Entwicklungsreihe Mythos-Sage-Märchen Reste unserer uralten Götter- und Heldensage erhalten. So sollen die Märchen neben anderen Spuren der Götter OdinWodan, Thor-Donar u. a. aufweisen. Dazu einige Beispiele: das Dornröschenmärchen (KHM. 50) enthalte Erinnerungen an Odin-Wodan 2), der reiche Mann des Aschenputtelmärchens (KHM. 21) sei
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Odin-Wodan, seine verstorbene FrauFreya. Der Jäger in Rotkäppchen (KHM. 26) soll ebenso wie der Herrgott, der in dem Märchen De Spidhansl (KHM. 82) dem Hansl die Würfel schenkt, Wodan sein 3 ). Alle Märchen, in denen von der Verleihung wunderbarer Gegenstände (Mantel, Hut, Schwert) und Stücke, die Gold und Reichtum bringen, erzählt wird, werden auf Odin-Wodan bezogen *). Ähnlich werden die Märchen, in denen Wagen, Böcke oder ein Hammer vorkommen, mit Thor-Donar in Zusammenhang gebracht 5 ). Der Mythos von der Wiederbelebung der Böcke durch Thor 6 ) wird auf Bruder E 37 Lustig (KHM. 81), wo Petrus auf ähnliche Weise die Königstochter erweckt, oder auf Fitchers Vogel (KHM. 46), wo E30 die Braut des Hexenmeisters den getöteten Schuster ins Leben zurückruft, angewandt 7 ). Mit dem Mythos vom Kampf Thors mit Skrymir sind KHM. 71 und 134 einschließlich der zahlreichen Varianten verglichen worden. Die Bärenund Bärensohnmärchen wurden ebenfalls mit Thor-Donar in Verbindung gebracht. Entsprechend sollen auch Freyr und Gerdhr, Holda, Frigg und Freya im deutschen Märchen weiterleben8). Als Haupteinwände gegen die von der Schule Grimms vertretene mythologische Ausdeutung der Märchen führt U l r i c h F u n k e in seiner Arbeit Enthalten die deutschen Märchen Reste der germanischen Götterlehre? an: 1. Die Mythologen geben von den einzelnen Märchen ganz verschiedene und voneinander abweichende Deutungen, 2. die Theorie Benfeys (s. d.), 3. die anthropologische (s. d.) und ethnologische (s. d.) Märchentheorie sowie die Ergebnisse der Märchenvergleichung. Für uns gilt heute die „arische Theorie" der Brüder Grimm und ihrer Schule, derzufolge in dem Märchen germanischdeutsche Götter fortleben und mythologische Gestalten und Gegenstände vertreten sein sollen, ebenso wie die indische Theorie Benfeys (die ihrerseits das große Verdienst hatte, die Märchenforschung von der mythologischen Ausdeutung etwas befreit zu haben) als überwunden. Trotzdem muß das natürliche Märchen aus
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Göt .erwanderung
der We'ensmitte der germanischen Welt- I Wünsche (ewige Seligkeit, das tägliche anschauung verstanden werden 9 ). Wir Brot, ein neues Haus), die ihm zum Segen neigen aber zu der umgekehrten Auf- gereichen, dem Reichen aber gewährt er fassung, in dem Mythos eine höhere Stil- drei Wünsche, die ihm Ärger bereiten und J 2071 form des Märchens zu erblicken. Der zum Verderben a u s s c h l a g e n D i e s e Mythos enthält „Märchen- und Sagen- Motivfolge (Motiv der Gastfreundschaft motive, die auf die Götter fixiert worden verbunden mit dem Wunschthema) kehrt 2 3 sind, wie wir in der Heldensage Märchen- in münsterländischen ), schwäbischen ), 4 und Sagenmotive erkennen, die auf ge- bayrischen ) und anderen Varianten sowie schichtliche oder für geschichtlich ge- in einer Reihe von europäischen Märchen 5 haltene Könige und Helden übertragen wieder ), In dem mecklenburgischen und worden sind . . . Mythos und Heldensage paderbornischen Märchen Die weiße und sind zeitlich bedingte und wieder vorüber- die schwarze Braut erfüllt der liebe Gott gegangene höhere Stilformen von Märchen der Stieftochter, die ihm den Weg weist, drei Wünsche (Schönheit, Geldbeutel, der und Sage" 10). J nie leer wird, und ewige Seligkeit) und ) KHM.lll, S.409ff. a ) S i m r o c k Handbuch d. dt. Mythologie. 6. Aufl. 1887, S. 343, 367, 487. verwünscht Mutter und Tochter, daß sie KHM. I I I , S. 85.; W o l f Mythus, Sage, Märsollten schwarz werden wie die Nacht und chen S. 57f.; L i n n i g Deutsche Mythenmärchen häßlich wie die Sünde ®). In einem S. 21. 3 ) G a r t h e Das deutsche Volksmärchen siebenbürgischen Märchen 7 ) steigt Gott (Voigtländ. Altertumsforschernder Verein Jg. 52 u. 53) S. I28ff.; G r i m m Mythologie S. 841. als alter guter Mann auf Erden und hilft 4 ) G r i m m Mythologie S. 121; L i n n i g S. 11, zwei kleinen Kindern, indem er sie be12, 34; W o l f Beiträge zur deutschen Mythologie schenkt und ihrem Vater zuführt. Oder I, 6, 9, 10, 12.; M ü l l e n h o f f Schleswig S. X L I V ; er besucht Adam und Eva, besichtigt ihre A1650 C o l s h o r n S. 68, 102; S i m r o c k S. 178, 181, 183; M e n z e l Geschichte der dt. Dichtung 1875, Kinder und segnet sie 8 ); er begegnet als . S. 1170; W o l f DMS. S. 470ff. usw. 5 ) M ö l l e n ehrwürdiger, alter Mann mit silberweißen h o f f Schleswig Nr. X V I I I ; vgl. W o l f Beiträge Haaren und langem grauen Bart einem zur dt. Mythologie 1852, I, 66; M ö l l e n h o f f frommen Bettler und belohnt ihn *). In Schleswig S. XLV; B e c h s t e i n DMB. S. 78; vgl. M a n n h a r d t Germ. Mythen S. 177ff.; Zeitdem siebenbürgischen Märchen Unser Herrschr. f . dt. Mythologie II, 184, 186; vgl. W o l f gott und der Kirchenvater übt Gott eine Beiträge I, 80. KHM. 60; vgl. M a n n h a r d t Funktion aus, die sonst dem Teufel zuGerm. Mythen S. 1 7 4 I ; M e i e r Schwaben Nr. 6; kommt: er mahnt aus Dankbarkeit einen vgl. C o l s h o r n Deutsche Mythologie S. 178f. •) Vgl. N a u m a n n IslVM. Nr. 1. ') KHM. frommen Kirchenvater dreimal, ehe er ihn e I I I S. 79; S i m r o c k Handbuch S. 240. ) W o l f abruft 1 0 ). In anderen Märchen wandern Beiträge II, 670.; S a u b e r t Germanische WeltGott und Petrus zusammen auf Erden, und Gottanschauung in Märchen, Sagen, Festbräuchen und Liedern. Hannover 1859, S. 104; sie bestrafen die faulen Holzknechte u ) Q 3 2 1 W o l f , Mythus, Sage, Märchen. Düsseldorf 1896, oder gewähren dem Spielhansl drei Gna59®) Vgl. M a t t h e s Z i e g l e r Die Frau den 12). Mitunter kommt es sogar vor, 10 im Märchen. Leipzig 1937 (S. 6fi.). ) Nau2 daß Gott mit dem Teufel zusammen über m a n n Grundzüge d. dt. Volkskunde , S. 1 3 7 I — Zum Ganzen: U l r i c h F u n k e Enthalten Feld geht 1 3 ). In sehr vielen Märchen die deutschen Märchen Reste der germanischen wandert Christus mit Petrus auf Erden, Götterlehre ? Eine kritische Darstellung der belohnt die Guten durch Erfüllen ihrer von der Schule Grimms vertretenen AnschauWünsche und bestraft die B ö s e n u ) , er ung. Bonner Dissertation 1932 erfüllt mit Petrus und Johannes zusammen Lincke. einem Zigeuner drei Wünsche 15 ) oder Götterwanderung. Das hessische Mär- übernachtet mit Paulus und Petrus bei chen Der Arme und der Reiche versetzt einer armen Hebamme und sendet sie K1811 uns in die Zeiten, „als der liebe Gott noch nach Feuer aus, das sich in Geld v e r - D 4 7 5 . 1 . selber auf Erden wandelte". Als er eine wandelt 16 ). Im Münsterland 17 ) erfüllen Herberge sucht, wird er von dem Reichen Christus und Petrus einem Schmiede, der abgewiesen, von dem Armen dagegen will- ihnen den Esel unentgeltlich beschlägt, Q l kommen geheißen und bewirtet. Zum drei Wünsche. In einem polnischen MärLohne dafür erfüllt er dem Armen drei
Götterwanderung
11023.3 chen aus den Beskiden 1 8 ) begegnet die im Winter nach Erdbeeren ausgesandte Stieftochter zwei Bettlern, Jesus und Peter-Paul, tritt dann in den Dienst des D811 Herrn Jesus und erhält von ihm Wundergaben 19 ). Der hlg. Johannes beschenkt einen hilfsbereiten Knecht mit einem nie D812.1 sein Ziel fehlenden „Flitzebuogen" und 1653.1.4 einem „Fleitken", nach der jeder tanzen 1415.2.3 muß 20). St. Christoph verteilt in einem Donaulandmärchen Geld 2 1 ), und ein steirisches Märchen 22) erzählt von dem Leben und den Taten des Sankt Antonius. Diese zahlreichen Märchen von den Heiligen, die in deutschen Märchen auftreten, beweisen deren starken legendenhaften Einschlag. Neben Christus, den Aposteln, Engeln oder Heiligen vertreten manchmal aber auch ein Bettler, ein alter Mann, ein wandernder Handwerksbursche, eine Fee, ein Dämon oder ein Abgeschiedener und selbst einmal ein Totenknochen 23 ) die Stelle Gottes (vgl.Gevatter). In den Kreis dieser Märchen sind auch jene einzubeziehen, in denen ein Mann, N 811 der für sein Kind keinen Paten findet, Gott, Jesus, den ersten ihm begegnenden Menschen (oder gar den Teufel) bittet, die Patenschaft zu übernehmen (vgl. Pate!). In dem Märchen von der Kornährebeobachtet Gott auf seiner Erdenwanderung, wie sich die Menschen an den Ähren versündigen, und bestraft sie, indem er fortan nur noch an 2793.3* dem oberen Teil des Halmes Korn wachsen läßt. Dieses Märchen leitet über zu dem Kreis der Ursprungsmärchen, die das Vorhandensein gewisser Tiere, Pflanzen, und Gegenstände sowie deren Namen auf das persönliche Eingreifen Gottes, Christi oder eines Heiligen zurückführen. In dem ostpreußischen Märchen Der Kuckuck2S) wandelt Jesus barfuß auf Erden und verwünscht den Schuster, D 661 der ihm die Schuhe nicht anfertigt, zu D 156 einem Kuckuck. Auf der Wanderung durch das Münsterland treffen Gott und Petrus keinen Menschen an, worauf Gott A1252 auf Wunsch des Petrus aus einem Knorren einen Menschen macht 2 6 ). Die Entstehung der Stände wird im Märchen auf einen Besuch des lieben Gottes auf der
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Erde bei Adam und E v a zurückgeführt *7). a 1650.1 Andere Märchen erklären, warum Gott Ehen zwischen Menschen ungleichen Charakters und entgegengesetzten Temperaments stiftet. Gott, Jesus Christus, Petrus und auch Judas sind die Wandernden 28). In dem Märchen Das junggeglühte Mann- D 1886 lein verjüngt der Herr auf Bitten des Petrus einen alten kranken Bettler, indem er ihn in die glühende Esse legt. Der Schmied versucht dasselbe mit seiner buckligen Schwiegermutter, aber vergebens: sie schrumpft so zusammen, daß sich zwei schwangere Frauen bei ihrem Antlitz entsetzen und statt Kinder zwei Affen zur Welt bringen, von denen das Geschlecht der Affen abstammt 29). Dieses A 1861.2 Märchen hat — w i e viele Märchen, in denen besonders St. Petrus auftritt — stark schwankhaften Charakter. Wir denken an das Ursprungsmärchen Warum der Petrus glatzköpfig ist30) oder an die Märchen, wo Christus und Petrus bei einem Bauern übernachten und mit Dreschflegeln geschlagen werden, weil sie morgens zu spät aufstehen 31 ). Alle Märchen, von denen wir bisher Beispiele aufgeführt haben, gehören nach Grimm zu dem „Kreis jener von dem Wandern und Reisen der Götter und Heiligen auf Erden". „ W o sie gehen, entspringt den Guten und Reinen Heil, den Bösen, Geizigen, Häßlichen Verderben: das Glück, das jenen zuteil geworden, erbitten sich diese plump zu ihrem Unglück; damit prüfen die Götter zugleich das Menschengeschlecht" 32 ). Der ganze Komplex dieser Märchen von der Wanderung der Götter wird von Marcus Landau in seiner Abhandlung Die Erdenwanderungen der Himmlischen und die Wünsche der Menschen in vier Hauptformen zergliedert, die sich allerdings nur selten rein antreffen lassen und sich meistens überdecken. 1. Wanderung ohne bestimmten Zweck, 2. Wanderung zur Belehrung der Menschen, 3. Belohnung genossener Gastfreundschaft und Bestrafung der Ungastlichkeit, 4. Verkündigung und Vollziehung von Strafgerichten.
Die alten Mythologen vertraten — von der Voraussetzung ausgehend, daß die deut-
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Götterwanderung
sehen Märchen als verblaßte Mythen anzusehen seien und als Quelle für die germanische Mythologie in Frage kämen 34) — die Anschauung, daß in der Zeit des eindringenden Christentums die Apostel und Heiligen und vor allem Gott selbst an die Stelle der alten Götter getreten seien. Die Märchen also, die von Wanderungen Gottes und der Erfüllung dreier Wünsche erzählen, enthalten nach den Anschauungen der Grimmschen Schule eine Erinnerung an die alte Vorstellung von wandernden Göttern und werden auf Wodan, den Wunschgott, bezogen, ebenso wie beispielsweise das Märchen Peter Bär 35) auf den Mythos von Thors Reisen Bezug nehmen soll 36 ). Gott, Christus und der alte zerlumpte Wanderer sollen an die Stelle Wodans, des reichen und mit Gaben bedenkenden Gottes getreten sein 36). So erinnert das Märchen Bruder Lustig 37), in dem Petrus die Königstochter erweckt, indem er ihr Fleisch kocht und die Gelenke wieder zusammenfügt, die alten Mythologen an den nordischen Thor-Mythos 38), zumal der Apostel Petrus auch in anderem Zusammenhang an die Stelle Thor— Donars getreten sein soll 39 ). Wir lehnen heute längst diese Erklärungsversuche ab, die sich allein schon dadurch als unzutreffend erweisen, weil die Motive, in denen germanisch-deutsche Göttervorstellungen weiterleben sollen, gleichermaßen in deutschen, europäischen und außereuropäischen Märchen anzutreffen sind. Schon Grimm hat auf die Ähnlichkeit dieser Märchen mit der uralten Sage von Philemon und Baucis, die uns von O v i d überliefert wird, hingewiesen40). Die Bewirtung wandernder Götter gehört nach R o h d e 41 ) „zu dem ältesten Schatz indogermanischer Mythenbildung". L a n d a u weist darauf hin; daß J. Grimm in der Vorrede zur Deutschen Mythologie dieses Herabsteigen der Götter auf die Erde „sei es die Sitte und das Leben der Menschen zu prüfen oder auf Abenteuer auszugehen" für Urgemeinschaftliches indogermanischer Mythologie halte 42 ). Die Sagen von Reisen der Götter auf Erden gehen über den christlichen und deutschen Bezirk hinaus 43 ). Bei diesen sog. Märchen von
der Götterwanderung handelt es sich offensichtlich um Märchen, in denen eine Verquickung von Zügen aus der Legende, aus Sagen- und Schwankmotiven mit eigentlichen Märchenmotiven stattgefunden hat. Die Frage nach der Funktion solcher zusammengeschmolzener Erzählungen muß gestellt werden, um entscheiden zu können, ob die Erzählungen jeweils in die Kategorie der Legende, der aitiologischen Sage, des Schwankes oder des Märchens einzureihen sind. Als typisches Beispiel einer solchen Motivverquickung sei abschließend auf das Märchen Das junggeglühte Männlein (.KHM. 147) hingewiesen. i) KHM. 87. 2 ) G o t t f r i e d H e n s s e n Volk erzählt. Münsterländische Sagen, Märchen und 8) Schwanke. Münster 1935, S. 232. Meier Schwaben Nr. 40 „ D e r A r m e und der R e i c h e " , 4 Nr. 65 „ D i e drei W ü n s c h e " . ) R e i s e r Sagen, Gebräuche u. Sprichwörter des Allgäus I 358 Nr. 453 „ D i e drei W ü n s c h e " ; P a n z e r Beitrag zur dt. Mythologien 20. 6 ) Vgl. B o l t e - P o l i v k a I I 225ff. •) KHM. 135. ») H a l t r i c h VM. Nr. x „ D i e beiden Goldkinder". 8 ) KHM. 180 „ D i e ungleichen Kinder E v a s " . 9 ) Z a u n e r t DonauM. 10 ) H a l t r i c h S. 230 „ G o t t e s L o h n " . VM. Nr. 12 „Unser Herrgott und der K i r c h e n v a t e r " . n ) H e n s s e n S. 112 „Waohiär de Öhst in't H o l t 12) kuemt". KHM. 82 „ D e Spielhansl". 1S ) H e n s s e n S. 236 „ H ä r g o t t und D ü w e l " . 14) M e i e r Schwaben Nr. 9; H e n s s e n S. 230 „ D e drei W ü n s k e " , S. 234 „ U s e Leiwe Här un Petrus bi'n B u r " ; G r u d d e Ostpreußische Märchen und Geschichten. Königsberg S. 18 „ P e t r u s und Christus"; Z a u n e r t Märchen seit Grimm 2, S. 210 „ D e r Schmied und der T e u f e l " ; v g l . P a n z e r Beitrag S. 390; H a l t r i c h VM. Nr. 15 „ L o h n und Strafe". 15 ) Z a u n e r t DonauM. S. 276 „ D e r Zigeuner und die drei T e u f e l " . w) E t n o g r a f i c n y Z b i r n y k 12, 132 Nr. 153; weitere Varianten s. B o l t e - P o l i v k a I I 2 i 8 f . 17 ) H e n s s e n S. 148 „ D a t Smettken von Bielefeld". 18 ) K o s i n s k i Z b i ö r 5, 262. M ) Weitere Varianten s. B o l t e - P o l i v k a I 1040. 20) H e n s sen S. 169 „Flitzebuogen un Fleitken". 2 1 ) Z a u n e r t DonauM. S. 26 „ S a n k t Christoph mit dem Geldsack". 22 ) Z a u n e r t DonauM. S. 3 „ S a n k t Antonius und der Mörder K a r l " . 2S ) Vgl. M a r c u s L a n d a u Die Erdenwanderungen der Himmlischen und die Wünsche der Menschen (Zeitschr. f. vergleich. Litteraturgeschichte Bd. 14, Berlin 1901), S. 2; B o l t e - P o l i v k a I I 225fr. 24) KHM. 194 „ D i e K o r n ä h r e " ; v g l . B o l t e - P o l i v k a I I I 4 1 7 0 . 25 ) G r u d d e S. 42 28 ) „Der Kuckuck". H e n s s e n S. I i i „ D e Härgott mäck 'n Mönsterlänner". 2 ' ) KHM. 180. 2e ) H i s t o r i a J e s c h u a e N a z a r e n i (hg. v. Huldrich, Leyden 1705).; H a u f f e n Die Sprachinsel Gottschee S. 108; K r a u s s SM. 2, Nr. 37; H e n s s e n S. 234 „ D e fule Schaiper un
Gottesdienst—Grab: Der arme Junge im Grab de flietige Dähne"; V a l e n t i n Schumanns Nachtbüchlein, hrsg. v. Johannes Bolte, Stuttgart 1893 „Eine Fabel von Christo und Sanct Peter, auch einem faulen Bawrenknecht und einer endtlichen Bawrenmagdt" ; S c h o t t WalachM. S. 280. 2») KHM. 147; Henssen S. m „Waohiär de Apen stammt". Vgl. S t r o e b e NordVM. 2, S. 280; P a n z e r Beitrag 2. 18; J a h n Pommern VM. I 255 Nr. 48 „St. Peter und der Schmied"; vgl. B o l t e - P o l i v k a III 194ÎÏ. 31) Henssen S. 234 „Use Leiwe Här un Petrus bi'n Bur"; Z a u n e r t Märchen seit Grimm I S. 374 „Feuerbrand und Dreschflegel"32) L a n d a u Die Erdenwanderungen der Himmlischen und die Wünsche der Menschen (a. a. O.) Als Ergänzung hierzu: K a r l R e u s c h e l Nachträge zu Landau's Erdenwanderungen der Himmlischen" (ebd. S. 472t. 34) Vgl. Götter im Märchen. ®5) Colshorn Märchen Nr. 5; vgl. U l r i c h F u n k e Enthalten die deutschen Märchen Reste der germanischen Götterlehre ? Göttinger Dissertation 1932 S. 23ÍI., 32ff. se) Wolf Beiträge zur dt. Mythologie 2, 41 ff. 49; Menzel Odin S. 194t. S i m r o c k Handbuch der dt. Mythologie S. 208; S a u b e r t Germanische Welt- und Gottanschauung in Märchen, Sagen, Festbräuchen u. Liedern. Hannover 1895, S. 106. 87) KHM. 81. 38 ) Vgl. N a u m a n n IslVM. Nr. 1. S9) Vgl. Colshorn Deutsche Mythologie für d. dt. Volk2, S. 266ff. ; L i n n i g Dt. Mythenmärchen, S. 76ÍI. 40) KHM. 3, S. 149. Er weist ebenda auf eine indische Parallele hin. 41 ) Rohde Der griechische Roman2, 42) S. 539G r i m m Mythologie S.XXIX; L a n d a u a. a. O. S. 3f. 43) Vgl. Christliche Motive im deutschen Volksmärchen.
Vgl. ardbische Motive B I 2; Friedrich d. Große 3; Gastlichkeit ! Lincke. Q 291.2
Gottesdienst s. Geistlicher I. Gottes Speise. Die den Brüdern Grimm aus dem Paderbornischen zugekommene „Kinderlegende" von der hartherzigen Frau, deren Brot, der armen Schwester verweigert, blutend ihre Grausamkeit enthüllt, verarbeitet zwei geläufige Motive in eins: 1. Verwandelung des Brotes der Hartherzigen, zuerst vom hl. Peregrinus 2 ) berichtet und vielfach in Sagen und Legenden abgewandelt; 2. Enthüllung der Untat durch das Objekt des Verbrechens 3 ). Den Schluß bildet das Motiv vom Tod als Ladung zu Gottes Tisch 4). Das Volkslied von der hartherzigen Schwester 5) verbindet die beiden Hauptmotive in gleicher Weise; Kinderlegende und Volkslied hängen offenbar zusammen. Die Verbreitung der Legende hat B o l t e aufgezeigt 6 ).
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x) 1819 Nr. 6; unsere Zählung: KHM. 205. Acta Sanctorum, 3. Jan. Vgl. B o l t e - P o l i v k a III 462; MärchenWb. I 333. 3) Vgl. z. B. den singenden Knochen und die mit ihm verwandten Sagen! *) Vgl. KHM. 209; B o l t e - P o l i v k a s) III 474 ff. E r k - B ö h m e I 209 a — f ; Aberglauben Wb. I 1599, iöoif. Anm. 104, 1603. •) B o l t e - P o l i v k a III 461 ff. 2)
Lutz Mackensen. Gottesurteil s. Ordal! Gottesurteil, betrogenes s. Eideslist IV! Gottsched s. Aufklärung 5! Grab: Der arme Junge i m Grab. Diese Erzählung, ganz unmärchenhaft tragisch und ganz untragisch spaßhaft wie sie ist, haben die Brüder Grimm aus A u r b a c h e rs Büchlein für die Jugend1) als Nr. 185 in die KHM. aufgenommen 2 ). Wir können in ihr vier Episoden unterscheiden: A. Der arme Junge bindet die Küchlein aneinander, um sie vor den Raubvögeln zu schützen, der Habicht ent- X 912 führt so alle. — B. Auf einem Botengang nascht der arme Junge von den Trauben, die er überbringen soll. Der beigegebene Brief verrät ihn. Das nächste Mal versteckt er den Brief unter einem Stein und verwundert sich, daß das Naschen doch offenbar wird. — C. Beim Häckselschneiden zerschneidet er Versehens sein Röckchen, das er in das Stroh geworfen. — D. Um sich zu vergiften, ißt er den Honig und J 2311.2 trinkt den Ungarwein, die sein Herr, um sie zu wahren, für Gift erklärt hat, und legt sich ins Grab. — (Das Weitere: er stirbt im Grab an Erkältung, seine bösen Wirtsleute werden von Gott bestraft, ist offenbar Aurbachers moralisierende Erfindung.) In dieser vierfach zusammengesetzten Form kommt die Geschichte vor Aurbacher nirgends vor. Wohl aber eine einfachere Zusammensetzung A + D, die i. J. 1526 in zwei voneinander unabhängigen Büchern 3) auftaucht und seitdem in vielen literarischen und einigen mündlichen Varianten 4) bekannt geworden ist. In dieser Form, wie auch in der Aurbacher-Grimmschen Vollform ist die Geschichte ein typischer Einfältigkeitsschwank, ein Schildbürgerschwank bzw. eine Reihe von Schildbürgeranekdoten.
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Grab: Der arme Junge im Grab
Die Episode A ist selbständig wenig bekannt. Albert Wesselski in seinem für unser Thema sehr wichtigen Aufsatz 8 ) erwähnt 8) z. B. eine solche alte deutsche Variante 7 ); in Finnland und Estland sind auch mündliche Varianten aufgezeichnet worden 8 ). Ein Dummheitsschwank kann auf leichte Weise zum Schlauheitsschwank umgebogen werden: wer schlau ist und sich dumm stellt, kann vieles erreichen, da seine vorgeschützte Dummheit („gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens") ihn vor der Verantwortung bewahrt. So findet sich die Episode D im mittelalterlichen Orient9) als Schlauheitsschwank. Der Held ist Joha, der Eulenspiegel der Musulmanen10). Er stiehlt seinem Meister, einem Schneider, Stoff und ißt dann den für Gift erklärten Honig. Das Tuch sei ihm gestohlen worden, erklärt er, und aus Angst habe er Gift genommen. Wir finden diese Geschichte beim persischen Humoristen 'Ubaid-iZ ä k ä n l (f um 1371) im Buch Risäla-idilgusäll), doch kann der Schwank weit älter sein, ist doch Joha seit dem 10. Jh. der Welt des Islams wohlbekannt12). Wesselski meint 1S ), daß Abstemius und Morlini die Episode D aus dem Orient herhätten und daß sie, ursprünglich ein Schlauheitsschwank, zum Dummheitsschwank umgebogen wurde. Gegen die orientalische Abstammung können wir nichts einzuwenden haben. Für die Priorität der Schlauheitsfassung könnte sprechen, daß die weit älteren und höchstwahrscheinlich ursprünglicheren orientalischen Varianten diese haben — und in denen ist der Held dazu noch ein ausgesprochener Eulenspiegel. Dagegen spricht aber, daß es leicht ist, einen Dummheitsschwank zum Schlauheitsschwank umzubiegen, aber viel schwerer das Gegenteil. Der Schlaue kann sich dumm stellen, der Dumme kann aber nicht schlau sein. Wir müssen also gegen Wesselskis Ansicht Zweifel äußern, müssen aber die Frage doch einstweilen offen lassen. Zu bedenken wäre noch, daß - ein im Osten und Westen gleich verbreiteter Schildbürgerschwank ebenfalls auf die Situation:
ein Mann glaubt, er sei tot, aufbaut 14 ). Der Held dieses Schwankes ist im Orient vielfach Nasreddin, das türkische Seitenstück zu Joha, der ebenso oft die Rolle des Schildbürgers wie die des Schlaumeiers spielt. Hier können wir noch den völlig verfehlten Deutungsversuch der Episode D von Adolf Thimme erwähnen. Er schreibt 15 ): „Im Altertum wird der Tod auch durch den Fall in einen Honigtopf symbolisiert, weil man den Honig zur Beerdigung (zum Einbalsamieren) brauchte. Darum ißt auch der arme Junge vor seinem Tode Honig". Die Episoden B und C mußte Aurbacher in die Erzählung eingeschoben haben, da sie in allen den früheren Belegen fehlen. Und zwar mag C in ihrer Alltäglichkeit Erfindung Aurbachers sein 16 ), während B eine lange Geschichte hinter sich hat 1 7 ). Sie soll sich im neuentdeckten Amerika tatsächlich zugetragen haben. Im J. 1535 berichtet Gonzalo F e r n a n d e z de O v i e d o y Valdes 1 8 ), daß die Indianer auf Haiti eine abergläubische Furcht vor Briefen hätten: sie meinen, Briefe könnten reden und sie an die Spanier verraten. Petrus Martyr ab Angleria 19 ) erzählt, daß ein Spanier aus Domingo auf Haiti durch einen Indianer einem entfernt wohnenden Freunde gebratene Utien (Art kleiner Kaninchen: Capronnys pilorides pall.) geschickt habe. Der Indianer aß einige unterwegs. Der Freund schreibt auf einem Blatte des Kopaiva-Baumes (das die Kolonisten als Briefpapier benutzen) zurück, wieviele er erhalten hat. Der Herr schilt den zurückgekehrten Diener wegen seiner Naschhaftigkeit, und dieser ist auf das höchste verblüfft, daß das Blatt ihn verraten konnte. — Dieselbe Geschichte hat auch F r a n c i s c o L o p e z di Gomara Ob sich die Geschichte wirklich ereignet hat oder nicht, ist kaum wesentlich. Sie ist auf jeden Fall eine Anekdote, die fest wurzelt in den Umständen des Ortes (des neuentdeckten Weltteils mit seinen schriftunkundigen Wilden) und der Zeit (zwischen 1492 und 1516), wo und wann sie sich zugetragen haben soll. Sie ist Ver-
Grab: Der arme Junge im Grab
treter jenes Typus von Anekdoten der Conquista, in welchen die Eroberer die Eingeborenen durch ihr Wissen mit scheinbaren Wundern verblüffen. Eine allbekannte Anekdote von diesem Typ ist die, in welcher Columbus den Indianern mit einer Sonnenfinsternis droht. Eine wohl unabhängige ungarische Zigeuneranekdote 21) entspringt aus der gleichen Situation und hat ungefähr die gleiche Gestalt. Ein Zigeuner trägt im Sack einen Hasen mit einem Brief in das benachbarte Dorf. Der Hase entflieht unterwegs, der Zigeuner übergibt nur den Brief. „Im Brief ist auch ein Hase" — sagt der Empfänger. — „Gott sei Dank, ich dachte schon, er wäre entflohen." — Wir können noch bemerken, daß hier (wie bei der Episode D) die Situation eines Dummheitsschwankes als Schlauheitsschwank ausgenützt ist. Läßt sich doch diese Anekdote eher als Schlauheitsschwank auffassen.
Die Anekdote zum Schwank ausgestaltet, die vollständige Form der Episode B finden wir 22) beim französischen Jesuiten Louis Richaume 2 3 ), der sie von einem aus Brasilien zurückgekehrten Ordensbruder als wahre Begebenheit gehört haben soll, in Wirklichkeit aber wohl aus Gomara geschöpft haben wird 24). Hier haben wir schon die zwei Botengänge und das Verstecken des Briefes bei dem zweiten. Richaume ist die Quelle aller späteren Varianten von B, aus deren einer 2S) auch Aurbacher seine Episode her hat. Ein namhafter Absenker der Fassung von Richaume findet sich in einem Stück von Lope de Vega 2 6 ). Wir fassen zusammen: die Geschichte vom armen Jungen im Grab hat sich aus vier (den nüchtern-tragischen Schluß mitr gerechnet, aus fünf) Episoden zusammengesetzt, die Zusammensetzung können wir mit dem folgenden Schema veranschaulichen:
A . Schildbürgerschwank B . Anekdote : Oviedo, Gomara, Petrus Martyr -»• Richaume ->• Schildbürgerschwank : Strobl— Lope de Vega C . Aurbachers Erfindung D . Eulenspiegelschwank ( ?) : Joha
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Schildbürgerschwank : Europ. Varianten A + D -
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+ + « + u