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German Pages 428 [427] Year 1970
ULRICH BENTZIEN HAKEN UND P F L U C
D E U T S C H E A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N VERÖFFENTLICHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE VOLKSKUNDE HERAUSGEGEBEN DURCH REINHARD
PEESCH
BAND 50
ULRICH B E N T Z I E N
HAKEN UND PFLUG Eine volkskundliche Untersuchung zur Geschichte der Produktionsinstrumente im Gebiet zwischen unterer Elbe und Oder
A K A D E M I E - V E R L A G . B E R L I N
1969
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger StraBe 3 - 4 Copyright 1969 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/118/69 Kartengenehmigung Nr. 186/68 Offsetdruck und buchbinderische Weiterverarbeitung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 2034/50 • ES 14 G 38,50
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1
Einleitung
3
1. Stand der Forschung
3
2. Untersuchungsraum und -zeit
8
3. Die Quellen a) Terrainforschung (8), b) Museumsmaterial (13), c) Mundartwörterbücher (13), d) Literatur (14), e) Archivalien (16)
8
4. Zur Methodik
20
I. Die Typen
25
1. Ausgestorbene Gerfite- und Schartypen § 1: Der Haken von Dabergotz (25). S 2: Sonstige Funde (32).
25
2. Der Mecklenburgische Haken § 3: Allgemeines (34). 8 4: Das Hakeisen (35). § 5: Das Hakenbrett (89). 8 6: Der Krümmel (41). 8 7: Der Grindel (44). 8 8: Die Sohle (45). 8 9: Die Sterze (49).
34
3. Andere Hakentypen 8 10
49
4. Häufelgeräte 8 11
52
5. Der Beetpflug 8 12: Allgemeines (56). 8 13: Die Schar (58). 8 14: Das Streichbrett (60). 8 15: Das Sech (61). 8 16: Die Sterze (63). 8 17: Der Grindel (64). 8 18: Die Griessäule (68). 8 19: Die Sohle (68).
56
6. Moderne Pflüge. 8 20
69
II. Die Funktion
73
1. Die Anspannung 8 21: Das Joch (73). 8 22: Das Radvorgestell (79). 8 23: Die Radstelze, "Schwing"-Anspannung u . a . (87).
73
2. Das Spannvieh 8 24: Spannviehrelation (89). 8 25: Zahl der Spanntiere (94).
89
3. Die Arbeitsweise 8 26: Rühren - pflügen - häufeln (98). 8 27: Pflugtyp und Flurform (103). 8 28: Furchenfolge und Gerätewahl (109). 8 29: Das Stellen der Geräte. Sonstiges Zubehör (114).
98
III. Stratigraphie
119
1.
Die slawische Periode § 30: Allgemeine und spezielle Quellen (119). § 31: Steuermodus und Gerätetyp (123). § 32: Sprachliche Indizien (129).
119
2.
Die Entwicklung nach der Ostexpansion § 33
134
3.
Jüngere Verbreitungsgebiete § 34: Das Haken-Gebiet (142). § 35: Gerätekoexistenz und Verbreitungsintensität (146). § 36: Die Haken-Reaktivierung (152). § 37: Das Reaktivierungszentrum (156).
142
4.
Die Haken-Renaissance § 38
163
5.
Die Auflösung der historischen Pfluglandschaft I 39
176
IV. Sozialökonomische Aspekte
181
1.
Pflugdienst und Hofwehr § 40: Der Pflugdienst (181). § 41: Die Hofwehr (188).
181
2.
Die Bodenbearbeitung in der gutsherrlichen Eigenwirtschaft § 42: Ersatzfunktion und Teilbetriebscharakter (198). § 43: Der Häker (205). § 44: Weiterer Ausbau der Eigenwirtschaft (213).
198
3.
Kameralistische Literatur - bäuerliche Initiative § 45: Quellenwert und Wirkung der kameralistisch-ökonomischen Publizistik (216). S 46: Der bäuerliche Anteil am Fortschritt (228).
216
V. Die Geräteproduzenten
239
1.
Bauer, Knecht, Tagelöhner § 47
239
2.
Der Schmied* § 48
243
3.
Der Stellmacher § 49
251
VI. Die volkssprachliche Nomenklatur
259
1.
Die Geräte und ihre Teile § 50: Der Haken (259). § 51: Der Pflug (262). I 52: Das Joch (267). § 53: Das Radvorgestell (268).
259
2.
Zur Wortgeographie und Wortgeschichte § 54.
270
VII. Arbeit und Brauchtum
273
1.
Arbeitsgesellung § 55: Beim Beetpflug (273). § 56: Beim Haken (275).
273
2.
Von der Arbeit des Häkers
277
§ 57: Vorbereitung und Einteilung der Arbeit (277). 8 58: Ein Arbeitstag (279). Ergebnisse
281
Anhang Anmerkungen (285). Archivalien (345). Literatur (351). Verzeichnis der Gewährsleute (377). Nachweis der Abbildungen und Tafeln (383). Wortregister (387).
283
VORWORT
Der Pflug gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Produktionsinstrumenten in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft. Dieser Erkenntnis hat eine sich ständig entwickelnde, zur Hauptdisziplin der ethnographischen Ergologie aufgestiegene Pflugforschimg seit Jahrzehnten Rechnung getragen. Obgleich jedoch ihre bisherigen Publikationen nach Zahl und Wert keineswegs gering zu veranschlagen sind, ist die Geschichte des Pfluges für Deutschland noch ungeschrieben. Wohl existieren neben den großen, die gesamte Pflugbauzone der Erde umspannenden Werken von Leser, Haudricourt-Delamarre, Werth u. a. auch regionale Monographien Uber Teile des deutschen Sprachbereichs - hier ist vor allem Koren (1950) zu nennen - , aber noch ist keine tragfähige Grundlage für eine Gesamtdarstellung geschaffen. So muß auch der Untersuchungsraum der vorliegenden Arbeit vorerst auf einige ausgewählte historische Territorien beschränkt bleiben, nämlich im wesentlichen auf Norddeutschland zwischen unterer Elbe und Oder (bis etwa nördlich Berlin). Ist es damit zum einen das erklärte Ziel dieses Buches, eine überregionale Geschichte von Haken und Pflug vorzubereiten, so soll zum anderen gezeigt werden, welche Möglichkeiten ein zunächst begrenzter Untersuchungsraum dem Pflugforscher in sachlicher und methodischer Hinsicht gewährt. Bei der Erschließung und Auswertung der heterogensten, im Sinne der Volkskunde auch unkonventionellen Quellen wird man sich zwangsläufig den verschiedensten Nachbardisziplinen nähern; unter diesen nun nimmt die Agrargeschichte in der folgenden Darstellung einen besonderen Platz ein. Dabei möchte der Autor nicht nur die volkskundliche Agrargeräteforschung grundsätzlich in unmittelbarer Nähe der Agrargeschichte angesiedelt sehen, sondern auch die Hoffnung aussprechen, daß diese letztere Disziplin in einer so betriebenen wissenschaftlichen Volkskunde eine wesentliche Stütze bei ihren Bemühungen um die Geschichte der agrikolen Produktivkräfte erkennt. Bei dem Bestreben, den Gegenstand dieser Arbeit so komplex wie möglich abzuhandeln, geht es also neben der Typologie, Funktion, Stratigraphie und Nomenklatur des Pfluges vor allem um die Sozialgeschichte und Volkskunde des Pflügers.
2
Vorwort Sollte ich - abgesehen von diesem agrar- und sozialgeschichtlichen Aspekt - ein Vorbild
für die vorliegende Arbeit aus dem engeren Bereich der Pflugforschung nennen, so muß ich auf Hanns Korens Buch "Pflug und Arl" (1950) hinweisen. Die Auswertung von Archivalien ist hier erstmals auf breiter Basis mit einem Erfoig durchgeführt worden, der mich geradezu provoziert hat, entsprechende Quellen meines Untersuchungsraums zu erschließen und zum Sprechen zu bringen. Ob der erforderliche Aufwand, der selbstverständlich auch andere Materien erfaßte, gelohnt hat, mag die Kritik entscheiden. Wenn ich schon jetzt etwas bedauere, so ist es die Tatsache, daß ich nie mit einem Mecklenburgischen Haken geackert habe. Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin hat mir für meine Arbeit über Jahre hinweg optimale Bedingungen gewährt, wofür ich ihr in der Person von Institutsdirektor Wolfgang Steinitz (gestorben 1967) meinen Dank ausspreche. Aus dem Kollegenkreis des Instituts für deutsche Volkskunde sind es vor allem drei Wissenschaftler gewesen, die - mittelbar und unmittelbar - durch Wirken ihrer reifen Persönlichkeit die vorliegende Arbeit maßgeblich beeinflußt haben: Karl Baumgarten (Rostock), der mir den Blick für die Erkennung von Schichtenfolgen im Gefüge der Volkskultur geschärft hat; ferner Reinhard Peesch (Berlin), dessen Akribie bei der kritischen Einschätzung von Wort- und Sachquellen mir Vorbild gewesen ist; schließlich Wolfgang Jacobeit (Berlin), der die Forderung nach komplexen Untersuchungsmethoden in seinen Forschungen zur materiellen Volkskultur praktiziert hat. Dem Rostocker Agrarhistoriker Gerhard Heitz ist die Ausweitung der Problematik in Richtung auf sein Fachgebiet zu danken. Ein Dank gebührt sodann den Direktoren und Mitarbeitern der Staats- und Stadtarchive des Untersuchungsraums, die den zumeist nicht bescheidenen Wünschen ihres Benutzers stets bereitwillig nachgekommen sind; das gleiche gilt für die Kollegen des Museumswesens und der Mundartwörterbücher. Schließlich danke ich neben allen ungenannten Helfern besonders herzlich den Bauern und Landarbeitern, Schmieden und Stellmachern für ihre unermüdlichen Auskünfte. Diese Tage und Wochen der Feldforschung in Mecklenburg und seinen Randgebieten werde ich nie vergessen. Ich widme dieses Buch einem Mann, der die Aufnahme des Neulings in den Kreis der Pflugforscher mit väterlicher Freundschaft unterstützt hat; Ragnar Jirlow (Västeräs/Schweden).
Rostock, im Sommer 1966 Wossidlo-Forschungsstelle
EINLEITUNG
1. Stand der Forschung Die Zahl der Publikationen zur Pflugforschung ist in den letzten Jahrzehnten so sprunghaft angestiegen, daß es heute auch dem Spezialisten schon schwerfällt, sich eine Übersicht über die vorhandene Literatur zu verschaffen. Diesem Mangel soll die Herausgabe einer retrospektiven internationalen Pflugbibliographie abhelfen, deren Bearbeitung der Verfasser im Einvernehmen mit dem International Secretariat for Research on the History of Agricultural Implements (Kopenhagen) übernommen h a t . 1 Das mir vorliegende Material gestattet eine grobe Einschätzung des Standes der Forschung; diesen in wirklich gültiger Weise zu resümieren, ist hier nicht der Ort. So seien nur wenige Gesichtspunkte hervorgehoben. Wiederholt werden muß die schon im Vorwort getroffene Feststellung, daß die Pflugforschung bis heute eine Spezialdisziplin der heterogensten Wissenschaftszweige ist. Zunächst stellt der Pflug - von kleinräumiger Sicht bis zu weltweiter Erforschung - eine Domäne der "klassischen" Ethnologie dar. Ihr und der Archäologie bleibt das Verdienst, das völkerkundliche (das heißt leider vorwiegend: außereuropäische) und das vorgeschichtliche Material aufbereitet und interpretiert zu haben. In welch bedauerlichem Ausmaß die ethnographisch-archäologische Forschimg im Verein mit den nationalen "Volkskunden" dabei in der Vergangenheit die jüngeren und jüngsten Epochen vernachlässigt hat, wird demjenigen immer wieder schmerzlich bewußt, dessen Untersuchungsraum zu Zentraleuropa gehört. Es wäre nun verfehlt, der Feststellung dieser wissenschaftsgeschichtlich bedingten Tatsache sogleich den gern gemachten Vorwurf anzuschließen, ethnologische Geräteforschung sei bloße Typologie (sie war dies übrigens im Fall des Polyhistors Eduard Hahn eher zu wenig als zu viel). Dies trifft jedenfalls nicht auf die Werke so bedeutender Pflugforscher 2
3
wie Paul Leser oder gar Branimir Bratanid zu: Man überzeuge sich davon, welch weitgehende Folgerungen in bezug auf frühe kulturelle Bewegungen und Zusammenhänge sie ihren exakten typologischen Erörterungen anschließen! Die bewußt geübte, strenge Beschränkung liegt vielmehr in der Materialkritik, etwa in Lesers Mißtrauen gegenüber dem sprach4
liehen Befund oder der konsequenten Anwendung der Graebnerschen Formkriterien , nach denen u. a. den nicht funktional bedingten Konstruktionsmerkmalen besonderes Gewicht beigemessen wird. Mit aller Eindeutigkeit spiegelt im übrigen der Titel des unübertroffenen
4
Einleitung
Leserschen Werks von 1931 die Intention seines Autors wider: "Entstehung" und "Verbreitung" des Pfluges sind End- und Ausgangspunkt; zwischen diesen beiden Polen aber liegt der entscheidende Faktor, dessen Erforschung noch bedeutend intensiviert werden sollte: die Geschichte des Pfluges. Gegenuber dem ergologisch-ethnohistorischen Gesichtspunkt, unter dem übrigens auch in jtingster Zeit beachtliche Synthesen entstanden sind^, ist von einigen Vertretern der Pflugforschung ein anderer Aspekt besonders hervorgehoben worden. Ihr Hauptinteresse gilt nicht der formalen Konstruktion, sondern der technischen Funktion, folgerichtig nicht so sehr dem Gerippe, sondern mehr den arbeitenden Teilen des Gerätes. Hier obwaltet also ein vorwiegend technikgeschichtlicher Gesichtspunkt, den neu gewonnen zu haben vor allem ein Verdienst von Frantisek §ach (Prag) ist. 6 Seine Arbeiten sind methodische Musterbeispiele einer technologischen Interpretation, besonders der unterschiedlichen Funktion von symmetrischen Haken- und asymmetrischen Beetpflugscharen, wodurch die umstrittene Frage, in welchen Fällen wir von einem Bodenwendepflug zu sprechen berechtigt sind, als nahezu gelöst gelten kann. Daß in solcher Sicht die übrigen Teile des Geräts unterbewertet werden - sogar Sech und Radvorgestell besitzen danach (um ein Beispiel zu nennen) keine primären Beetpflugfunktionen - , ist auf Grund der bewußt antithetischen Position dieser vergleichsweise neuen Methode nur zu verständlich. Die praktischen Auswirkungen der verschiedenen funktionalen Pflugtypen auf das äußere System der Bodenbearbeitung, d. h . , das sogenannte Ebenpfliigen mit dem symmetrischen Haken (radlo, ard) und das BeetpflUgen mit dem asymmetrischen Pflug (im engeren Sinne), sind von einer anderen Wissenschaft früh erkannt worden: der historischen Geographie. Im Mittelpunkt der siedlungsgeschichtlichen Diskussionen um Blockflur ( < Haken) und Langstreifenflur ( < Beetpflug) oder um die Hochäckerfrage steht immer wieder die wechselsei7 tige Abhängigkeit von Flurform und Bodenbearbeitungsgerät. Neben der Typologie und der Technologie hat auch die Nomenklatur des Pfluges und seiner Teile nie aufgehört, bevorzugter Forschungsgegenstand zu sein. Zumeist im Schatten der ziinftigen Geräteforschung ist gdie Philologie seit den Tagen Rudolf Meringers um "Wort und Sache" Pflug bemüht gewesen , bevor es dem Volkskundler Hanns Koren gelang, den 9 terminologischen Befund in eine gelungene Synthese mit den anderen Aspekten zu bringen. Die verschiedenen Gesichtspunkte, von denen aus man ein Gerät wie den Pflug betrachten kann, sind damit keineswegs erschöpft. So wäre vor allem die offenbar ganz naheliegende Frage zu stellen, welche Tiere vor das Gerät gespannt wurden, - eine Frage, die durchaus noch kein Standardthema der Pflugforschung darstellt, obgleich z. B. Wolfgang Jacobeit, Rudolf Freudenberg u. a. nachdrücklich auf sie hingewiesen haben. 1 0 Ein lange vernachläs-
Stand der Forschung
5
sigtes Kapitel der Pflugforschung bilden ferner die Produzenten des Geräts, also - abgesehen von der bäuerlichen Eigenherstellung - Schmied, Stellmacher und Landmaschinenfabrikant. Für den letzteren Personenkreis liegen neuerdings Publikationen von Ernst Klein** 12
vor; dartiber hinaus hat Ragnar Jirlow
die Rolle der schwedischen Schmiede bei der Wei-
terentwicklung des Pfluges mit gewundenem Streichbrett eingehend untersucht. Die Nennung eines skandinavischen Forschers gibt Veranlassung, den kurzen Überblick über Probleme und Methoden der Pflugforschung mit dem Hinweis zu beenden, daß im Norden Europas die komplexe Untersuchung aller hier genannten Aspekte vielleicht am weitesten 13 fortgeschritten ist
14 , ohne die in anderen Ländern - etwa im benachbarten Polen
- erziel-
ten Erfolge ignorieren zu wollen. Dem ungarischen Forscher Béla Gunda blieb es vorbehalten, den entscheidenden Gedanken zu formulieren, der die angestrebte Synthese der v e r schiedenen Sichtweisen mit einem sozialgeschichtlichen Schwerpunkt versieht: "Der gleiche Holzpflug stellt in der Hand eines Bauern mit 2 - 3 Joch Land etwas wesentlich anderes dar als in der des Knechts von einem Bauern mit 40 - 50 Joch . . . ; das Wesentliche am Pflug besteht also nicht nur darin, daß mit ihm geackert wird, sondern auch darin, wer mit ihm ackert, für wen gepflügt wird und wie die damit erstellten Produkte der Gemeinschaft die-
Der Untersuchungsraum der vorliegenden Arbeit wird in der bisherigen Forschung keineswegs als terra incognita empfunden. Dies hat zwei äußerliche Gründe. Zunächst entstammt einer der umstrittensten und meistdiskutierten offenbar vorgeschichtlichen Haken, 16
der sogenannte "Pflug" von Dabergotz, dem nordbrandenburgischen Gebiet.
Vor allem
aber hat die Existenz eines in gleicher Weise allbekannten Geräts, des rezenten Mecklenburgischen Hakens, dem Gebiet zwischen unterer Elbe und Oder stete Erwähnung und ausdrückliche Berücksichtigung in den meisten überregionalen Werken eingetragen. Sieht man von den zahlreichen Erwähnungen und Beschreibungen in den Schriften der Kameralisten 17 ab , so beginnt die Reihe der Pflugforscher, die den Mecklenburgischen Haken berücksichtigen, mit Friedrich Theophil Schulz und dessen Dissertation "De aratri romani forma et compositione" von 182018 ; es folgen 19 Autoren wie Karl Heinrich Rau, August Meitzen, Henri Chevalier und Richard Braungart. Eine besondere Rolle spielt der Mecklenburgische Haken in dem bereits genannten Werk von Paul Leser. Im Gegensatz zu Braungart, der sich auf Spekulationen über den slawischen oder spätindogermanischen Ursprung des Geräts beschränkte, räumt e r dem Mecklenburgischen Haken eine bedeutende Stellung im Bereich der zunächst mediterranen Kriimmeltypen ein und bemüht sich darüber hinaus um die offen20 bar unübersichtliche regionale Stratigraphie des Geräts in ihrer Beziehung zum Beetpflug.
Einleitung
6
Während die zur Verfügung stehenden Quellen Leser keine gültige Antwort auf diese letztere Frage ermöglichten, sind die Erörterungen von Emil Werth über den gleichen Gegenstand wiederum nur rein spekulativ; er sieht in dem Mecklenburgischen Haken "eine urdeutsche Pflugform", die sich zeitlich und technisch an die Funde von Walle, Papau und Dabergotz anschließe.
21
•
Dabei soll diese rein formgenetische Überlegung, die auch Ulrich Berner
22
vertritt, keineswegs angefochten werden; aber eine These vom "urdeutschen Pflug" scheint doch ebensowenig beweisbar wie etwa Heinz Kothes Behauptung, der Mecklenburgische Ha23 ken gehe auf den "südfranzösischen Furchenstockpflug" zurück. Die jüngste große Synthese der Pflugforschung schließlich, das Werk von André Haudricourt und Mariell Jean Brunhes-Delamarre, läßt den Mecklenburgischen Haken gleichfalls nicht unerwähnt; die Autoren vergleichen ihn mit anderen zentraleuropäischen Radio-Typen und heben seine spezielle 24 Konstruktion hervor. Zählt man den hier genannten ethnographischen Werken noch Wilhelm Abels (anders angelegte) der deutschen hinzu, wird in der kameralisti25 ,die sehe und"Geschichte agrarhistorische LiteraturLandwirtschaft" zum Thema referiert so bisherige ist als überraschendes "Zwischenergebnis der Lektüre festzustellen, daß für Mecklenburg und seine Randgebiete im26 mer nur der Haken, nie der Pflug genannt wird. Zweifelsohne hängt dies mit der gegenüber der zentraleuropäischen Norm, dem vierseitigen Beetpflug, besonders auffälligen, ja einmaligen Gestalt des Hakens zusammen. Falsch wäre jedoch der Schluß, in unserem Untersuchungsraum habe vor Beginn der neuzeitlichen Technisierung tatsächlich nur der Haken existiert; es ist eines der Ziele der vorliegenden Arbeit, dieses Vorurteil ad absurdum zu führen. Dabei kann an einzelne fruchtbare Hinweise der Lokalforschung angeschlossen werden. Zwar herrscht auch hier zum Teil das erwähnte einseitige Bild von der Ausschließlichkeit der Hakenanwendung vor, und einige agrarhistorisch beflissene Diplomlandwirte haben dar27 über hinaus durch ihre Ansichten erhebliche Verwirrung gestiftet , aber insgesamt war doch das wissenschaftliche Interesse an der Sache zu groß, um nicht auch vorurteilslose Forscher anzuziehen. So ging Franz Engel im Rahmen seiner Untersuchungen über die Dobbertiner Kulturlandschaft kurz auf 28 die Geschichte von Pflug und Haken, die er beide in diesem Gebiet verbreitet fand, ein ; Hermann Priebe stellte wertvolles Material über die B e spannung des Hakens, den Bauerndienst mit diesem Gerät29und sein Vorkommen auf Gutshöfen des 17. Jahrhunderts aus Neuvorpommern zusammen ; Carl August Endler wies als erster auf die Tatsache hin, daß der Haken im 18. Jahrhundert offensichtlich eine kräftige Wiederbelebung erfahren habe und in Gebiete eingedrungen sei, in denen ursprünglich der 30 Pflug allein herrschte ; Robert Holsten schließlich zeigte in einer feinsinnigen Studie Ver-
7
Stand der Forschung breitungsgrenzen der Flurnamen Hakisen und Plogisen (Plogschor) in Pommern auf, die 31 e r in der Verbreitung der entsprechenden Geräte begründet sah. Dem stellen sich auf
dem mundartkundlichen Sektor die Wortartikel des Schleswig-Holsteinischen, Mecklenburgischen und Lüneburgischen Wörterbuchs zur Seite, die auch reiches sachgeschichtliches Material enthalten. 32 Hingewiesen sei ferner auf einen Aufsatz des Bauern und Schriftstellers Friedrich Cammin über Wortkundliches und Brauchtümliches inbezug auf den Mecklenburgi33 sehen Haken. Außer bei den genannten Autoren findet sich das Problem Pflug/Haken in einer Vielzahl von regionalen Publikationen erwähnt - beginnend etwa mit Mussäus,34endend mit jüngsten Veröffentlichungen z. B. von Christa Kupfer und Artur Bengelstorff. Es sind wie gesagt überwiegend bloße Erwähnungen, die jedoch zeigen, als wie wichtig die Frage im Rahmen allgemeiner volks- und landeskundlicher Forschungen angesehen wurde und wird. Im Jahre 1929 scheint es darüber hinaus zu einer regelrechten Begründung der mecklenburgischen Pflugforschung gekommen zu sein. Der Heimatbund Mecklenburg, ein vorwiegend von der Lehrerschaft des Landes getragener populärwissenschaftlicher Verein, bewilligte am 15. Juni Mittel zu einer "Untersuchung über Haken und Pflug". 35 Freilich ist außer einem recht anregenden Aufsatz aus der Feder des Hausforschers Johann Friedrich Pries 36 (nebst einem Nachtrag)
kein Ergebnis greifbar geworden, - sofern nicht die oben erwähn-
ten Arbeiten Endlerb auf diese Initiative zurückgehen. 37 Zwei an schwer zugänglicher Stelle erschienenen Veröffentlichungen von Fr. Chrestin schließlich scheinen ebenfalls im Alleingang bewältigte Forschungen zugrunde zu liegen; ihr Verfasser, dem es hauptsächlich um Sammelarbeiten für ein Bauernmuseum ging, hat offensichtlich die meisten Kenntnisse über den Gegenstand besessen, ohne sie freilich später zusammenzufassen. Ebenso ist eine 38 ausdrücklich angekündigte Arbeit über die Geschichte des Pfluges in Schleswig-Holstein niemals erschienen. Aus Vorpommern, Nordbrandenburg und der Altmark sind nicht einmal entsprechende Pläne bekannt geworden. Für das nordöstliche Niedersachsen existiert das verdienstvolle Werk von Wilhelm Bomann, das auf wenigen Seiten auch Pflug 39 und Haken berücksichtigt, bei allem Quellenwert aber nicht als Vorarbeit gelten kann. Die Pflugforschung in den genannten Territorien stand somit faktisch am Anfang, als das Akademieinstitut für deutsche Volkskunde dem Wunsch des Verfassers dieses Buches nachkam und ihn 1961 mit Forschungen über die Geschichte von Pflug und Haken beauftragte. Erste Ergebnisse konnten bereits in Publikationen vorgelegt werden: Einen Aufriß der Problematik im Kleinen versuchten die Studien Uber den Pflug auf der 40 Insel Rügen bzw. Uber die Bodenbearbeitungsgeräte im Ribnitzer Klosteramt zu geben ; das Wechselverhältnis von Bodenbearbeitungsgerät und Spannvieh wurde in einer Teiluntersuchung zur
8
Einleitung
41 Diskussion gestellt , und ein weiterer Aufsatz behandelte die Volkskunde und Sozialgeschichte des Häkers. 42 Einige kleinere Arbeiten wollen nicht als Vorstudien, sondern als populäre, pädagogischen Zwecken dienende Kurzdarstellungen verstanden sein. 43
2. Untersuchungsraum und -zeit Der Untersuchungsraum stand bis auf Mecklenburg nicht fest, als die vorliegende Arbeit in Angriff genommen wurde. Aus mehreren Gründen, die alle aufzuzählen ein wesentliches Ergebnis der Arbeit vorwegnehmen würde, ergaben sich folgende norddeutsche Territorien: Mecklenburg in seinen alten Grenzen; Vorpommern bis zur unteren Oder (Swine) bzw. bis zur heutigen Staatsgrenze; Nordbrandenburg mit seinen historischen Territorien Uckermark, Land Ruppin und Prignitz; die Altmark etwa nördlich der Linie Stendal-Oebisfelde; der Nordostteil von Niedersachsen (Herzogtum Lüneburg) mit den heutigen Kreisen Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Lüneburg; Ostholstein bis zur Linie Kiel - Lauenburg (Limes saxonicus). Vgl. Karte 1. Soviel sei gesagt, daß es sich bei den genannten Territorien offensichtlich um das historische Siedlungsgebiet bestimmter elb- und ostseeslawischer Stämme handelt, das im Zuge der mittelalterlichen feudalen Ostexpansion eingedeutscht wurde. Als sachimmanenter Gesichtspunkt bei der Auswahl spielte die Frage nach der geographischen Verbreitung des Mecklenburgischen Hakens die entscheidende Rolle. Daß dieses Gerät nicht nur in Mecklen44 bürg heimisch war und ist, hatte die Forschung bereits wiederholt festgestellt. Als Ver45 breitungBgebiete des Mecklenburgischen Hakens hatten demnach zu gelten; Pommern , speziell Vorpommern*®, möglicherweise auch Hinterpommern*7; sodann Brandenburg***, ins49 50 besondere das Land Ruppin und überhaupt der Norden der ehemaligen Provinz ; schließ51 52 lieh das Lüneburgische in Nordost-Niedersachsen mit dem Wendland sowie Ostholstein. Der in diesem Buch untersuchte Zeitraum reicht von der Frühgeschichte bis in die Gegenwart. Dabei liegt das Schwergewicht auf den geschichtlichen Epochen des Feudalismus und des frühen Kapitalismus.
3. Die Quellen Die Quellen der vorliegenden Untersuchung sind von verschiedenster Herkunft. a) Wenig schien zunächst die Feldforschung zu versprechen. Paul Lesers Worte Uber 53 die der Vergangenheit angehörende Verwendung des Hakens im Gedächtnis glaubte ich den Augen nicht zu trauen, als auf mehreren Bauernhöfen - bei deren Aufmessung ich Karl
Untersuchungsraum und -zeit
Einleitung
10
Baumgarten assistierte - prächtig erhaltene und zum Teil noch benutzte Mecklenburgische Haken zum Vorschein kamen. In den Jahren 1961 bis 1966 habe ich dann - zumeist wiederum in Begleitung und zur Assistenz von K. Baumgarten - systematisch nach alten Pflügen 54 und Haken gesucht.
Nicht immer und nicht überall stellten sich dabei so schöne Erfolge
ein wie bei den Anfangsfunden. Fast ganz umsonst blieb etwa die Suche im östlichsten Teil des alten Mecklenburg-Strelitz', ebenso im früheren Fürstentum Batzeburg oder der Altmark, wo die Bauernwirtschaften ihren Gerätebestand schon sehr früh modernisiert hat. 55 ten. Fast durchgängig brachten Besuche in ehemaligen Gutsdörfern keine Ausbeute. Zwar hatten sich die Neusiedler in den ersten schweren Nachkriegsjahren hier und da auch alte Haken, hölzerne Häufelpflüge usw. beschafft; den entscheidenden Altbestand an Geräten wiesen jedoch stets die Höfe der mittleren und kleinen Altbauern (darunter die der BUdner und Häusler) auf. Im günstigsten Fall, wie etwa dem des Fischerbauern-Dorfs Hoben Kr. Wismar, war noch auf jeder einzelnen Stelle ein im Gerippe vollständig hölzerner Haken vorhanden; als unschönste Erlebnisse werden mir dagegen die Fälle, in denen ein Gerät gerade kurz zuvor zerschlagen und verbrannt worden war (z.B. in Tessin Kr. Hagenow oder Dolgen Kr. Neustrelitz), im Gedächtnis haften bleiben. Beobachtungen bei der regelrechten Arbeit mit den traditionellen Geräten konnte ich nur wenige machen. Hölzerne Pflüge (d.h. mit hölzernem Streichbrett) sind ohnehin an keinem Ort mehr im Gebrauch, und auch das Haken ist - trotz einzelner Gegenbeweise (z.B. aus Sternberg, Dargun Kr. Malchin, Karow Kr. Wismar u . a . ) - heute tatsächlich fast ausgestorben. Um so kurioser muten zwei Fälle an, in denen sich die Vorbesitzer von Schauexponaten ihren Haken bzw. Häufelpflug regelmäßig aus dem Museum holten (Göhren Kr. Rügen, Gadebusch). Im allgemeinen waren Haken und Häufelpflüge leichter aufzutreiben als Beetpflüge. Das hängt mit der (unten noch näher zu besprechenden) Sekundärfunktion der erstgenannten Geräte, insbesondere auf dem Kartoffelfeld, zusammen. Außerdem behielt der Mecklenburgische Haken auch in seiner jüngsten Form mit vollständigem Eisengerippe doch seine typischen Gerippeteile unverändert bei, was ihn für den Pflugforscher nicht minder interessant sein läßt, während am Beetpflug mit Eisenkonstruktion nur mehr seine Funktion, nicht aber sein Gerippe traditionell blieb. Diese modernen und modernsten Beetpflugfor56 men in die Forschung mit einzubeziehen, schien aber volkskundlich wenig sinnvoll. Funde wie in Gandow Kr. Ludwigslust, wo auf einem Bauernhof drei verschiedene BeetpflUge vom ältesten Typ bis zur um 1900 üblichen Form angetroffen wurden, zählen zu den Ausnahmen. Insgesamt wurden 109 Haken, 26 BeetpflUge und 20 Häufelpflüge bei der Terrainforschung durch Foto bzw. Aufmaß erfaßt.
Die Quellen
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Das Suchen und Auffinden der Geräte selbst stellte aber nur den einen Teil der Aufgabe bei der Feldforschung dar. Als ebenso wichtig wurde die Exploration von zumeist älteren Gewährsleuten angesehen. Ihre Befragung über das frühere Aussehen, die Nomenklatur (usw.) von Pflug und Haken ergab sich also nicht als Ersatzresultat in Fällen, wo kein Gerätebestand mehr angetroffen wurde, sondern gehörte von Beginn an zur Konzeption meiner Terrainforschungen. Ein Gespräch war natürlicherweise immer dann besonders leicht und konkret zu führen, wenn dies an Hand eines soeben bei dem Gesprächsteilnehmer "entdeckten" Geräts geschehen konnte. Andererseits verdankt diese Untersuchung auch solchen Gewährsleuten zahlreiche Angaben, die keinen alten Haken oder Pflug mehr besaßen. Die Erinnerung der ältesten Bauern und Landarbeiter, Stellmacher und Schmiede reicht noch in die Zeit um 1900 zurück. Damals hatte die Auflösung der historischen Pfluglandschaft noch nicht im entferntesten das heutige Ausmaß erreicht. So konnte in vielen Gegenden das Aussehen der um 1900 noch vorhandenen (wenngleich zumeist nicht mehr benutzten) Geräte durch solche erinnernde Berichte erschlossen werden. Bei vielen Gewährsleuten vermochten nur noch auffällige Besonderheiten, etwa die Ein-Sterzigkeit des Beetpfluges, die unterschiedliche Radhöhe beim Vorgestell, das Vorhandensein eines Sechs usw., e r fragt zu werden; gelegentlich aber wurden mir - wie im Fall des Bauern Heinrich LUth in 57 Bülow Kr. Gadebusch über einen alten Pflug - hervorragend exakte Beschreibungen gegeben, die eine Identität oder Nichtidentität mit bekannten Erscheinungen hundertprozentig erkennen ließen. Im Allgemeinen war die Erinnerung an die Existenz und das Aussehen des im Gerippe vollständig hölzernen Hakens frischer als die an den alten Beetpflug, der in einigen Landesteilen nur noch in seiner halbeisernen Konstruktion als Schwingpflug mit gewundenem Streichblech und zwei Sterzen erinnerlich war. Dies gilt besonders für den mittleren und östlichen Teil des Untersuchungsraums, wo selbst ein ungewöhnlich interessierter und heimatgeschichtlich kenntnisreicher Gewährsmann eingestehen mußte: "Pläug mit höltern Strikbrett heff ick 58 nie seihn." 59 mann
Diesem Bauern waren - wie auch einem weiteren hochintelligenten Gewährs-
- andererseits über Vorelternberichte noch Zeiten erinnerlich, in denen Ochsen im
Widerristjoch vor den Haken gespannt wurden (was nur bis etwa 1860 üblich war!). Eine immer wieder anzutreffende Meinung vieler Bauern war und ist es, daß "früher" überhaupt nur der Haken existiert habe und der Pflug erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt worden sei; hier herrscht also verblüffende Übereinstimmung mit den in der Literatur geäußerten Ansichten. Eine weitere Eigenart, nämlich den Haken überschwenglich zu loben, sollte nicht nur als verständlicher Lokalpatriotismus, sondern auch als wirklich berechtigte Einsicht in seine Vorzüge gewertet werden.
Einleitung
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Überraschend war für mich die Feststellung, daß der überwiegende Teil aller Gewährsleute, die jeweils entweder nur den Haken oder nur den Pflug benutzt hatten, auch lediglich dieses eine Gerät tatsächlich kannten. Das heißt: Selbst die kenntnisreichsten Bauern Südwestmecklenburgs, des Hatzeburger Landes, der Altmark und Rügens wußten beim besten Willen nichts vom Aussehen des Hakens, während man in anderen Gebieten fest davon überzeugt war und ist, daß es einen vergleichsweise urtümlichen Pflug aus Holz nie gegeben habe. Derartige Feststellungen konnten auf allerengstem Raum - von Nachbardorf zu Nachbardorf (z.B. Banzkow : Göhren Kr. Schwerin) - gemacht werden und lassen sich offenbar nicht allein durch den früher hohen Grad freiwilliger oder erzwungener Seßhaftigkeit in ein und demselben Dorf erklären. Daneben konnten selbstverständlich von Landarbeitern, die ihre Stellen gewechselt hatten, von Bauern, die infolge Um- und Binnensiedlung in andere Orte gekommen waren, aber auch von gewanderten Schmieden und Stellmachern Aussagen gewonnen werden, die für das Belegnetz der Verbreitungskarten nach Klüften genutzt wurden. Insgesamt wurden Äußerungen von 166 Gewährsleuten aus den oben genannten ländlichen Berufen schriftlich festgehalten und ausgewertet. Die Feldforschungsergebnisse in den zur Bundesrepublik gehörenden Gebieten (Nordost-Niedersachsen, Ost-Holstein) mußten natürlicherweise bescheidener ausfallen; während einer kurzen Studienreise unterstützte mich 60
dabei im sogenannten Wendland Joachim Schwebe (Marburg) in uneigennützigster Weise. Feldforschungsergebnisse aus zweiter Hand standen mir für den altmecklenburgischen Raum in Form der Wossidloschen Aufzeichnungen zur Verfügung. In die Wissenschaftsgeschichte der deutschen Volkskunde ist Richard Wossidlo (1859 1939) als der große Sammler sprachlicher Volksüberlieferung eingegangen. Die Eingrenzung seiner Verdienste auf dieses Teilgebiet der Volkskultur scheint - auch in ihrer Ausschließlichkeit - gerechtfertigt, wenn man seine Bibliographie betrachtet; dort sind Editionen und Untersuchungen zur Volkssprache, zur Volkserzählung, zu Reim, Sprichwort und Rätsel, zu Glaube und Brauch etwa gleich stark vertreten, während Themen aus dem Be61
reich der materiellen Volkskultur fast völlig fehlen.
Auf der anderen Seite sind die Er-
folge des mecklenburgischen Volkskundlers bei der Sammlung von gegenständlichem Volksgut nie gänzlich verkannt worden: Immerhin bildet noch heute die Wossidlo-Sammlung den 62 Grundstock der volkskundlichen Abteilung des Staatlichen Museums Schwerin.
Aber diese
Leistung galt und gilt doch überwiegend als bloßes Nebenergebnis seiner Bemühungen und verblaßte neben den Verdiensten auf dem Gebiet der sprachlichen Volksuberlieferung. Anders ausgedrückt: Man zollte der praktischen Großtat Anerkennung, ohne sie als Ergebnis einer echten Konzeption zu begreifen. Nachdem bereits Publikationen zur Geschichte des Schäfers (W. Jacobeit) und des Bau-
Die Quellen
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ernhauses (K. Baumgarten) aus dem reichen Material der "ch"-Kästen (Kulturhistorisches) geschöpft haben, kann nunmehr auch die Pflugforschung von Wossidlos Aufzeichnungen profitieren. Es handelt sich dabei um hunderte von Belegen, in denen Mundartsprecher hauptsächlich von der Nomenklatur der Geräte, von der Arbeit und vor allem vom Arbeitsbrauchtum der Pflüger und Häker berichten. Daneben stehen gewissenhafte Aufzeichnungen Uber Typologie und Funktion der Geräte, obwohl Wossidlo davon erwiesenermaßen nichts v e r standen hat; seine Ehrfurcht vor jedem einzelnen Gegenstand der Volkskultur aber hat ihn davor bewahrt, etwas nicht aufzuschreiben. Die Erinnerung der ältesten Wossidloschen Gewährsleute reichte selbst um 1930 noch in die Zeit vor 1870 zurück. So besitzen wir - um einige Beispiele zu nennen - nunmehr si63 chere mündliche Zeugnisse Uber den Ochsenhaken und auch Uber den hölzernen Beetpflug, 64 der z.B. im Ratzeburger Land 1962 keinem Bauern mehr erinnerlich war. Aus dem Wossidlo-Material, wozu noch Einsendungen von zeitgenössischen Mitarbeitern zählen, wurden etwa 500 Aufzeichnungen verwertet - ein großer Teil freilich nur für Eintragungen in die Verbreitungskarten, was jedoch zugleich ihre für den Bearbeiter Uber jeden Zweifel erhabene Zuverlässigkeit dokumentiert. b) Die Sammlungen der Museen sind auch im Bereich der Bodenbearbeitungsgeräte 65 durch die Inventarisierungsarbeiten des Instituts fUr deutsche Volkskunde erschlossen. Ein Großteil des benötigten Bildmaterials konnte somit von zentraler Stelle aus beschafft werden. Wenn ich trotzdem fast alle Museen des Untersuchungsraums noch selbst aufgesucht habe, so vor allem, um von einigen Geräten zusätzliche Spezialaufmessungen zu machen und die nach Abschluß der Inventarisierungsaktion (in meinem Gebiet 1960) hinzugekommenen Stücke aufzunehmen. Die Tatsache, daß viele Museen auf dem volkskundlichen Sektor in der Vergangenheit Uberwiegend Erzeugnisse der Volkskunst und relativ • gg wenig Arbeitsgeräte gesammelt haben, gilt leider auch für meinen Untersuchungsraum. Erfreuliche Ausnahmen sind etwa das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum in Schleswig, das Staatliche Museum Schwerin, das Kreisheimatmuseum Perleberg, das Freilichtmuseum Diesdorf Kr. Salzwedel, die Heimatstube Usedom und andere. Die gerade an Pflügen reichhaltigen Sammlungen des Museums in Prenzlau sind durch den Krieg vernichtet worden, doch stellen die Zeichnungen des früheren Museumsleiters Joachim Otto von der Hagen, der einen Großteil dieser Bestände im Bild festgehalten hat, einen guten Ersatz dar (s. Tafel 7). Insgesamt wurden in den Museen - mit Unterstützung durch die Hinweise im Archiv des Instituts fUr deutsche Volkskunde - 35 Beetpflüge, 47 Haken und 20 Häufelpflüge erfaßt. c) Die publizierten und unpublizierten Sammlungen der Mundartwörterbücher stellen
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Einleitung
eine weitere Quellengruppe dar. Sie beginnt in unserem Untersuchungsraum mit Werken, die bereits der Geschichte der Lexikographie angehören; hervorzuheben sind Autoren wie Johann Carl Dähnert (Vorpommern und Rügen) 67 und Johann Friedrich Danneil (Altmark) 68 sowie die dravänopolabischen Sammler und Kompilatoren Christian Hennig "von Jessen" und Jugler. Während sachgeschichtliche Angaben in diesen älteren Lexika zumeist fehlen - jedenfalls enthalten sie keine Abbildungen -, besitzen einige moderne Mundartwörterbücher einen Quellenwert, der Uber die reine mundartliche Nomenklatur der Geräte zumeist weit hinausgeht. Ausführlich beschrieben und gut illustriert ist der Artikel Ploog im Schleswig70 Holsteinischen Wörterbuch. Das Gleiche gilt für Haken und Plaug (nebst den vielen Kom71 posita und sonstigen Wörtern) im Mecklenburgischen Wörterbuch , dessen Leiter Hermann Teuchert bzw. Jürgen Gundlach auch Einsichtnahme in das unpublizierte Material gewährten; dieses geht zum großen Teil ebenfalls auf Richard Wossidlo zurück, so daß sich viele Belege mit den in der Wossidlo-Forschungsstelle aufbewahrten Original zetteln decken. Auf spezielle Fragebogen zur Pflugnomenklatur hatte das Mecklenburgische Wörterbuch ebenso verzichtet wie das Pommersche Wörterbuch (Leiterin; Renate Winter), in dessen Sammlungen ich gleichfalls einsehen konnte. - Das Brandenburg-Berlinische Wörterbuch (Leiter: Gerhard Ising) und das Niedersächsische Wörterbuch (Leiter: Heinrich Wesche) besitzen in Gestalt der Antworten auf ihre Fragen 17/15 ff. bzw. 4/200 quantitativ reichhaltiges Material zur Pflugnomenklatur, dessen Wert aber durch eine unangemessene Fragestellung gemindert wird. In beiden Fällen dienten Abbildungen von ganz modernen Geräten (in Brandenburg ein eiserner Schwingpflug ohne Sech und in Niedersachsen ein eiserner Rad vor ge stell pflüg mit modernem Pflugkörper) als Hilfestellung für die Antworten, die somit nicht im entferntesten alles alte Wortgut, soweit es an der überkommenen Sache haftete, zu Tage brachten. Ergiebig ist das nieder sächsische Material in bezug auf die Namen des Sechs und des Radvorgestells; die brandenburgischen Antworten belegen - auf Grund ihrer mehrere Möglichkelten offenlassenden unklaren Frage nach "alten" und "sonstigen" Pflügen - unfrei72 willig die geographische Verbreitung des Wortes Haken. Systematisch erfragt wurden der Haken und seine Teile von keinem der genannten Mundartwörterbücher. d) Der Anteil der Literatur an der Quellenbasis dieser Arbeit ist größer, als es der oben referierte Stand der Forschung zunächst vermuten läßt. Es handelt sich dabei freilich nicht um Literatur in Form von direkten Vorarbeiten zum Thema, sondern vornehmlich um Schriften mit gänzlich anderer Zielsetzung, die jedoch in unserer Fragestellung zu Quellenwerken ersten Ranges aufrücken. Zunächst sind die Schriften der Physiokraten, Kameralisten und frühen Landwirtschafts-
Die Quellen
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Wissenschaftler zu nennen, denen noch einige statistisch-topographische Werke an die Seite gestellt werden können. Unser Untersuchungsraum ist - um nur einige Autoren zu nennen 73 bei Johannes Colerus ebenso vertreten wie in der "Oeconomia forensis" Carl Friedrich 74 75 von Benekendorffs oder dem "Hausvater" Otto von Münchhausens. Einen besonderen 76 Platz nehmen die Schriften von Christian Wilhelm Christlieb Schumacher und Friedrich 77 Gotthard von Boddien
ein, weil in ihnen die ausführlichsten Beschreibungen jenes einen
Geräts vorliegen. Überhaupt dominiert der Mecklenburgische Haken in den Bodenbearbeitungs-Kapiteln der meisten kameralistischen Schriften gegenüber dem norddeutschen Pflug; dabei sind "Entdeckung" und Propagierung des Hakens durch die Kameralistik widerspruchsvoll und kontinuierlich zugleich, so daß diesem Thema ein gesondertes Kapitel unserer Arbeit (TV, 3, § 45) zu widmen sein wird. - Hingewiesen sei noch auf Werke der Reiseliteratur und der beginnenden landwirtschaftlichen Statistik, für die etwa Autoren wie Friedrich von 78 79 Buchwald bzw. Alexander von Lengerke charakteristisch sind. Reichhaltiges Material 80 konnte ferner aus verschiedenen landwirtschaftlichen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts gewonnen werden. Auch das landeskundliche und historische Schrifttum enthält eine Fülle von Daten und Fakten, die für die vorliegende Arbeit benutzt werden konnten. Ohne auf die Vielfalt der heterogensten Bücher und Aufsätze näher einzugehen, sei wenigstens der Quellenwert mancher Ortsmonographien, die nicht selten auf archivalischem Material beruhen, hervorgehovben. 8 1 Größtmögliche Vollständigkeit wurde bei der Erfassung des Materials aus den gedruck82
ten Geschichtsquellen angestrebt. Die großen regionalen Urkundenbücher
enthalten natür-
licherweise kaum Hinweise auf landwirtschaftliches Gerät, geschweige denn Pflugbeschreibungen, zumal hier meistens nur Stücke aus dem 12. bis 14. Jahrhundert zum Abdruck gelangten. Überall dort aber, wo die Herausgeber chronologisch die Aera der Urkunde (im engeren Sinne) überschreiten und das Aktenzeitalter erreichen, erwächst uns brauchbares Material in Form von Inventaren, Schadensrechnungen und 83 anderen Quellen. Dies ist vor allem der Fall im Codex Diplomaticus Brandenburgensis , sodann in verschiedenen Urkundenbüchern einzelner Adelsgeschlechter^, aber auch in sonstigen wirtschafts- und so85 zialgeschichtlichen Akteneditionen und Miszellen, wie sie Georg Christoph Friedrich 86
Lisch zur Geschichte einzelner Orte und Familien vorgelegt hat , sowie schließlich in 87 den zahlreichen Gesetzessammlungen. Zusammengenommen ergeben diese gedruckten Quellen eine gewisse Grundlage für die Darstellung der Verhältnisse im Spätmittelalter, woran die Erschließung der zuletzt zu besprechenden Quellengruppe zeitlich, sachlich und methodisch anknüpfen konnte.
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e) Die Auswertung von Archivalien stellte neben der Terrainforschung den grundlegendsten und zeitlich aufwendigsten Teil der Quellenerschließung dar. Zwar gilt die Arbeit mit 88
dem Aktengut der Archive für viele Geräteforscher bereits als obligatorisch
, aber ein
allgemein anzuwendendes Schema kann es nicht geben. Denn: Vor das Auffinden aussagekräftiger Archivalien hat die jeweilige Behördengeschichte die Archivstruktur gesetzt. Die jedes Mal neu auftauchende Frage lautete also: In dem Schriftgut welcher Behörden können sich Mitteilungen über Bodenbearbeitungsgeräte befinden? Ausgesprochene Spezialbestände waren in keinem Fall zu ermitteln: Welche Behörde hätte sich auch derart intensiv mit dem Gegenstand Pflug und Haken befassen sollen, daß dieser in ganzen Akteneinheiten niedergelegt worden wäre! Aber auch sonstige aktenführende Institutionen wie etwa die Schmiedeämter erbrachten so gut wie kein auswertbares Material, da das entsprechende Schriftgut fast ausschließlich die Amtsgepflogenheiten, aber nie die Gestalt der produzierten Erzeugnisse betrifft. Somit verblieben als wesentlichste Quellengruppen die Bestände der unteren, regionalen Behörden, die sich einerseits mit der Person und der Wirtschaft des abhängigen Bauern der Feudalgesellschaft und andererseits mit der Ökonomie der herrschaftlichen Güter zu befassen hatten. Hierzu rechnen vor allem die landesherrlichen Ämter, sodann die privaten Gutsherrschaften, dazu sonstige Obrigkeiten wie Klosterämter und städtische Kämmereien. Die Aktenbestände dieser Behörden waren und sind in den einzelnen Archiven nach Anzahl, Alter, Struktur, Erhaltungs- und Verzeichnungszustand selbstverständlich sehr unterschiedlicher Natur; ferner existieren aus Mecklenburg nur sehr wenige, aus Vorpommern fast Uberhaupt keine Akten rittergutsherrlicher Provenienz. Im Übrigen aber konnte in dem vorhandenen Schriftgut der oben genannten Behören und Einrichtungen eine Fülle von auswertbarem Material ermittelt werden. Neben Amtsbeschreibungen, Dienstregistern, Lohntabellen, Schadensauf Stellungen, Handwerkerrechnungen und anderem erwies sich als aussagekräftigstes Schriftstück das Inventarverzeichnis. Eine ins Einzelne gehende Darlegung der Gründe für die Aunfahme des "Inventars" einer Bauernstelle oder eines Guts an dieser Stelle würde wesentliche Ergebnisse der sozialökonomischen Interpretation, besonders zur Frage der Eigentumsverhältnisse, vorwegnehmen. Allgemein kann gesagt werden, daß Inventarverzeichnisse aus Anlaß von Todesfällen, Ehestiftungen, Besitzwechsel, Neuverpachtung, Kriegsverheerungen usw. angefertigt wurden. Einige Beispiele aus den einzelnen Staats- und Stadtarchiven mögen den Charakter, die unterschiedliche Ausführlichkeit und den Wortlaut solcher Inventarverzeichnisse erläutern. Das Staatsarchiv Schwerin (A Sw), dessen Bestände sich gerade durch das Vorhanden-
Die Quellen
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sein von Schriftgut aus der unteren Verwaltungsebene auszeichnen, lieferte mit den Domanialamtsakten die bei weitem repräsentativste Quellengruppe. Darunter ragen nach Alter und Ausführlichkeit einige Inventarverzeichnisse von landesherrlichen "Bauhöfen" hervor. So wurden etwa im Jahre 1501 in Ivenack bzw. Kittendorf Kr. Malchin "II plochysern, 1 89 plochwede, 1 plochwelle, eyn scharstock, 1 Hackysern" und 1566 auf Hof Dargun Kr. Malchin "1 Par Pflugkeisenn . . , 1 ferdige Pfluegk, 1 schar stücke, 1 Klamme, 2 sichbende, 90 1 Pfluegksaele, 1 scharkrampe, . . 3 HakEisernn, 2 ferdige Hakenn, . . 1 Eisernn Koppel" inventarisiert. Demgegenüber kommt der Masse der ausgewerteten Inventarverzeichnisse von Bauernhöfen überwiegend rein statistischer Wert zu. Hier sind zumeist nur Pflüge und Haken nach Wert und Zahl aufgeführt, wobei eine Angabe wie z.B. die aus dem Dorf Kölzin Kr. Hagenow: "ein Pflug, woran der Baum neu, mit einer Eisern Weede, nebst den Stäcker" 91 (1753)
noch als relativ ausführlich gelten kann. Für die Herstellung von Verbreitungskar-
ten besitzt dieses Material hervorragenden Wert, da es sich fast über das gesamte Gebiet des historischen Mecklenburg-Schwerin erstreckt. Ich habe aus jedem einzelnen Dorf eine "Gehöftsakte" eingesehen und dabei ca. 2400 bäuerliche Inventarverzeichnisse - vorwiegend des 18. und 19. Jahrhunderts - aus insgesamt 417 Domanialdörfern erfaßt. - Quantitativ geringes Material erbrachte die Durchsicht der Lehnakten und der wenigen Gutsarchive. Von einmaliger Ausführlichkeit sind einige Inventarverzeichnisse aus dem Bestand des (einzigen im A S v befindlichen) "Hitterschaftlichen Amts" Grevesmtihlen; als Beispiel sei eines von dem Gut Harkensee Kr. Grevesmühlen (1688) vollständig, d.h. in bezug auf die Bodenbearbeitungsgeräte, wiedergegeben: Drey fertige Pflüge, so ohne Pflugsohlen, mit eisen Bändern beschlagen und mit den Scharkrampen. Eine alte Pflug, so nichts nütz, mit einem eisen Sickbande und Scharkrampe. Sechs PflugJöke mit eisen Vorweden und Strefweden, so alle guth. Ein Pflugstell mit guten Bädern und Eisen Well, jedes Ratt mit 2 eisen Bänder beschlagen. Noch 2 Pflugstell mit alten Rädern, darauff 7 eisen Bänder. Fünff fertige Haken mit 5 Krümmein ohne Bäume. Noch 4 fertige Haken mit Bäumen und zugehörigen Krümmein . . . Drey paar PflugEisen, so noch zimblich guth, haben gewogen 42 tb . Sechs Hackeysen, so noch nicht angelavet, haben gewogen 44 *b . Vier newe Hackeysen, so neue, einmahl geschärffet, gewogen 36 *t>. Vier verschliBene Haakeysen, gewogen 21 *b . . . Eine PflugSohle, so noch guth.
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Noch Eine, so verschlißen. . . Vier PflugKlammer Drey SchahrStöcke
.. 92 guth.
Zwey Pflugstäcker Das aus dem Staatsarchiv Potsdam (A Pd) gewonnene prignitzische, ruppinsche und uckermärkische Material verteilt sich entsprechend den Territorialgewalten etwa gleichmäßig auf die Aktenbestände der landesherrlichen Ämter, der Gutsherrschaften und ander e r Obrigkeiten. Den repräsentativsten Querschnitt für die bäuerlichen Verhältnisse lieferten dabei - neben einigen Domänenämtern - die kontinuierlichen Inventarverzeichnisse der "Vertragsbücher" des Domstifts Havelberg. Als ergiebig erwiesen sich auch die Bestände des Schulamts Joachimsthal/Uckermark; ihnen entstammt der folgende, besonders ausführliche Inventarbeleg für das Gut Neuendorf Kr. Eberswalde (1643): Bußen mit Wellen v. Rädern: 2 Eiserne Pflüege: 2 Kolter mit den Newgemachten: 4 Pflugscharenn: 5 GrundtSchenen an die Rüsterbreter: 4 SaalPfundt: 1 ZugNagel vor die Bußen: 2 Noch an Nagel vor die Bußen: 2 Damnizen mit dem einen Im Joche eingeschlagenen: 2 Stegker: 1 TempelStecken: 1 Klopffen bey die Pflüege: 1 PflugLeinen: 1 BlockJöche: 2 Einspennige Jöche: 2
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Nageil in den Tagen vors Joch: 1. Die das altmärkische Gebiet betreffenden Bestände des Staatsarchivs Magdeburg (A Mg) habe ich weniger gründlich durchgesehen. Geschlossene Quellengruppen mit gehäuften bäuerlichen Inventarverzeichnissen, wie sie die Schweriner Gehöftsakten und teilweise auch Akten aus Potsdam aufwiesen, waren nicht zu ermitteln. Stichproben in den Beständen landesherrlicher Ämter und privater Gutsherrschaften ergaben jedoch einiges Material, das für die Berücksichtigung dieses geographischen Randgebiets ausreichen dürfte. Ein relativ vollständiger Inventartext (Schmiede- und Bauerngehöft in Bismark Kr. Kalbe/Milde 1733)
Die Quellen
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lautet etwa: "2 Pflüge in guten Stande, mit 2 beschlagenen Eysernen Rädergens, 2 Pflug94 Scharr, 1 Culter, 1 PflugStecker." Im Staatsarchiv Hannover (A Ha) konnten keine Bestände ermittelt werden, in denen sich durchgehends bäuerliches Inventar verzeichnet findet, was zweifellos mit den günstigeren Eigentumsverhältnissen der Bauern im ehemaligen Herzogtum Lüneburg (usw.) zusammenhängt. Einzelbelege wie "Zwey Haaken mit Eisen . . , Zwey Joche behuef 95 Haakens und noch zwey Jöche mit eisernen Ketten" (1763 Sareitz Kr. Lüchow-Dannenberg) werden ihrer Zahl nach von anderen, vornehmlich sozialgeschichtlich auswertbaren Aktenstücken übertroffen. Das Schleswig-Holsteinische Landesarchiv in Schleswig (A Sl) enthält eine Fülle von Schriftgut mit aussagekräftigen Inventarverzeichnissen. Darunter ragen aus dem ostholsteinischen Gebiet die sogenannten Wardierungsprotokolle von der Insel Fehmarn (1598 f f . ) hervor; dafür ein Beispiel vom Jahre 1610 aus Bisdorf/Fehmarn Kr. Oldenburg: "Eine Pluch mit dem Bome, de büße mit der Spille vnnd Rade vnnd Klammeren dartho, dat Plochtoch mit 3 Klinckenn toge mit Ihrer thogehor. Noch 4 Euener mit 7 Bogeil vnnd Schwengell. Noch 96 4 Sticken, 1 Spole, Item ein Stoeker vnd PlochHamer. Noch 2 par Plochlseren." Im (Pommerschen) Staatsarchiv Greifswald (A Gr), dessen Bestände durch Kriegseinwirkung stark dezimiert worden sind, stand mit den Ausrechnungsbüchern der Schwedischen Landesmatrikel von 1692 ff. zwar eine in sozialgeschichtlicher Hinsicht - etwa in bezug auf den vorpommerschen "Häker" - hervorragend geschlossene Quellengruppe zur Verfügung, aber eigentliche Inventarverzeichnisse konnten nur in relativ geringer Zahl ermittelt werden. Dabei waren die Güter noch durch einige gehaltvolle Stücke vertreten, wie das folgende Beispiel vom Hof Eldena und dem "Nien have" bei Greifswald zeigt; dort wurden 1533 "H par ploch Iseren, 1 stoker, 1 plochwede, 1 plochklopper" bzw. "VI par ploch Iseren, 97 Demgegenüber fehlen in den bäuerlichen InV Hack Iseren, 1 plochwede" inventarisiert. ventarverzeichnissen - offenbar in Verfolg einer generellen Amtspraxis - fast stets die Bodenbearbeitungsgeräte, so daß man nach der Lektüre ausführlichster Bauemhaus-Beschreibungen etwa auf folgende lakonische Notiz - hier aus Pruchten Kr. Ribnitz-Damgar ten 1791 - stößt: "Instrumenta rustica98und Hauslngedöme befindet sich hieselbst im zulängliehen und wirtschaftlichen Stande." Die Stadtarchive in Rostock (A Ro), Stralsund (A St) und Wismar (A Wi) erbrachten viel Material. Diese Städte waren - neben Parchim und einigen weiteren - die im Mittelalter an Grundbesitz reichsten. In den Akten ihrer Kämmereien, Klöster und Hospitäler konnten zahlreiche Inventarverzeichnisse von Guts- und Bauerndörfern ermittelt werden, wobei selbstverständlich nicht alle so ausführlich sind wie das folgende vom Hof Schmarl Kr.
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Rostock (1585): Retschafft zur Ploch vnd Ackergebew , 4 Scharstücke
1 Sickbandt
5 LanckEisenn
2 verdige Ploge
2 Ploghklammen
1 kleine Plogh, daran 4 (!) Rade
5 Ploghhakenn
1 Ploch
2 PlochStocke
1 Hakenbeill
3 Scharstocke
2 Stocker
2 Eißen Ploghweden
1 Hake sampt etlichem Nutzholtze
1 Eißen Kiell 2 Ploghwellen
2 Haken vnd
1 Klein PloghEißen
!
T 1. 1 Joch.
9 9
1 PloghHamer • Wie immer sind auch in den städtischen Akten die Inventarverzeichnisse der Bauernhöfe weniger gründlich geführt worden; so begegnen häufig nur ganz allgemeine Hinweise auf "Wagen, ploge, plochysern, Seelen, egeden vnd wat thom buwerk gehorich" (Tankow Kr. Rügen 1621)*"" oder lakonische Angaben wie "zwei gangfertige Pflüge mit ihrem ganzen Apparat" (Diedrichshagen Kr. Rostock 1806). Auf die Bestände anderer Archive, die nur kursorisch durchgesehen werden konnten (z. B. Staatliches Archivlager Göttingen, Universitätsarchiv Greifswald), gehe ich nicht näher ein. Ebenso werden sonstige Quellen, aus denen einzelne Hinweise oder auch Abbildungen gewonnen wurden, lediglich im Text an Ort und Stelle erwähnt.
4. Zur Methodik Da nunmehr die Hauptquellen der Arbeit genannt und charakterisiert sind, erhebt sich die Frage, wie bei ihrer Auswertung vorgegangen werden kann. Einer im Sinne der Pflugforschung traditionellen Darstellung der Typologie soll selbstverständlich nicht ausgewichen werden. Freilich stehen die typologischen Fragen weder im Mittelpunkt, noch beruht ihre Untersuchung auf besonders hervorragendem Material. Insgesamt ist unser Gebiet relativ arm an prähistorischen Funden und ikonographischen Belegen (im weiteren Sinne). Was somit bei der Materialausbreitung (Kap. 1) den üblichen Rahmen überschreitet, ist allenfalls die Berücksichtigung der jungen und jüngsten Übergangsformen von Pflug und Haken sowie die Einbeziehung des sonst wenig beachteten Häufel-
Zur Methodik
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Getrennt von der Typologie wird die Funktion der Geräte (Kap. II) behandelt. Neben den natürlichen funktionalen Merkmalen - "Rühren, Pflügen, Häufeln" - kommen dabei außh die Auswirkungen auf die Flurformen sowie vor allem die Spanntierfrage zur Sprache. In allen Quellen, insbesondere den archivalischen, wurde nämlich außer den Geräten selbst stets das Spannvieh der Guts- und Bauernhöfe erfaßt. Als Ergebnis kann eine Relation von Spanntier und Bodenbearbeitungsgerät im Wandel der Jahrhunderte vorgelegt werden. Kernstück der Untersuchung ist die Herausarbeitung der historischen Schichtenfolge (Kap. IIJ). Dabei umfaßt die Interpretation der Entwicklung des einzelnen Geräts den geringeren Teil der Darstellung, da sichere Zeugnisse z. B. Uber die Gerippeform von Pflug und Haken erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts vorliegen. Für die ältere Zeit reduziert sich die stratigraphische Untersuchung somit auf die Frage: Welches Gerät, Pflug oder Haken, existierte bzw. dominierte in den einzelnen Gebieten in den verschiedenen Jahrhunderten? Für die Beantwortung dieser und mancher anderen sich daraus ergebenden Frage kann ausschließlich auf schriftliche Quellen, wie sie oben vorgestellt worden sind, zurückgegriffen werden. Diese Quellen nun bezeugen den Pflug oder den Haken stets nur dem Wort nach; daß auch die Sache dahintersteht, daß also etwa mit Pflug immer der asymmetrisch arbeitende Beetpflug 103 gemeint ist, hat Hanns Koren nach Maßgabe seines Materials mit überzeugenden Argumenten dargetan. Abgesehen von wenigen Fällen, die einen besonders kritischen Maßstab anzulegen erforderten, lassen sich folgende Gründe für die Legitimität unseres Verfahrens anführen. Erstens. Die Quellen weisen eindeutig die volkssprachliche Terminologie auf. Der volkstümliche Sprachgebrauch aber besitzt allgemein ein viel höheres Maß an Kontinuität als etwa der durch Neubildungen ständig bereicherte Wortschatz des späteren landwirtschaftlichen 104 Fachschrifttums.
Wenn also für die Zeitspanne vom 18. bis 20. Jahrhundert eine durch
Abbildungen beweisbare Kontinuität in der Bezeichnung von Pflug (= asymmetrisches Gerät) und Haken (= symmetrisches Gerät) vorliegt, so kann diese Entsprechung bis ins Mittelalter zurückprojiziert werden, sofern sich auch hier die gleichen Wörter gegenüberstehen. Zwar gibt es auch im volkssprachlichen Bereich "Sachwandel unter der Decke einer unveränderten 105 Bezeichnimg"
- so hat das Wort Pflug in archaischer Zeit möglicherweise einmal ein
symmetrisches Gerät bezeichnet - , aber eine Beibehaltung von zwei verschiedenen Wörtern für zwei verschiedene Sachen unter wechselseitiger Verkehrung ihrer Bedeutungen ist, zumal bei derart zentralen Begriffen der Gegenstandskultur, sprachlogisch undenkbar. Wir interpretieren also Pflug. Plog als einen asymmetrischen Beetpflug, Haken als einen symmetrischen Rühr'1 pflüg". Zweitens. Der Kontext in den Inventarverzeichnissen weist häufig zusätzliche Angaben
Einleitung
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Uber Teile der Geräte auf, wodurch diese eindeutig klassifizierbar sind. So tauchen z. B. Sick, Kolter und Langisen ausschließlich in Verbindung mit Plog, Pflug, nie mit Haken auf; da wir aus unserem Untersuchungsraum aber kein symmetrisches Gerät mit einem Sech kennen, muß es sich hierbei um einen Beetpflug handeln. Drittens. Wir behaupten nicht, daß der Plog in Quellen etwa des 14. Jahrhunderts dieselbe Gestalt besessen haben muß wie um 1750. Sein Gerippe kann durchaus anders beschaffen gewesen sein; nur das Vorhandensein der entscheidenden arbeitenden Teile, nämlich der asymmetrischen Schar und des einseitigen Streichbretts, zumeist auch des Sechs und des Radvorgestells, ist - bei entsprechenden Wortbelegen - Postulat. Ebensowenig scheint beweisbar, daß es sich bei dem Haken der frühen Quellen um den Typ "Mecklenburgischer Haken" gehandelt hat. Tatsächlich bezeichnet dieses Wort ja auch den schlesisch-lausitzischen "Ruhrhaken", den erzgebirgischen und böhmischen Haken (tschechisches Lehnwort häk), die sämtlich ein völlig anderes Gerippe aufweisen; darüber hinaus ist es in weiten Teilen Ostmitteleuropas - ähnlich wie Ploch, aratrum usw. - als hake, uncus Maß und Symbol der bäuerlichen Betriebseinheit, nach der im Mittelalter die Steuern erhoben wurden. Nichtsdestoweniger ist auch hier, d.h. sofern das Gerät selbst bezeichnet wird, mit einer gleichzeitigen Sach- und Worttradierung zu rechnen, worauf an Ort und Stelle näher einzugehen sein wird (Kap. HI, 1). Über die Berechtigung der stratigraphischen Fragestellung brauchte kein weiteres Wort verloren zu werden, wenn nicht immer wieder unzulässige Schlüsse von der rezenten Ver106 breitung auf einen möglichen Urzustand gezogen würden. Es ist aber zutiefst ahistorisch, Verbreitungsgrenzen z.B. von 1900 ohne Bedenken auf 1300 zurückzuverlegen. Daher steht im Mittelpunkt unserer Bemühungen der Nachweis, daß die historische Pfluglandschaft kein statisches, sondern ein dynamisches Bild aufweist. In diesem Zusammenhang ist auch die Darstellung der sozialökonomischen Aspekte (Kap. IV) zu sehen. Hier wird gefragt, auf welchen landwirtschaftlichen Betrieben die einzelnen Geräte heimisch waren und wurden, inwieweit die Gutsherrschaft durch Reglements in die bäuerliche Gerätekultur eingegriffen hat und wie die Eigentumsverhältnisse in bezug auf die wichtigsten Produktionsinstrumente gewesen sind. Ein besonderer Unterabschnitt ist der Herausbildung einer Spezialarbeitskraft auf dem spätfeudalen Gutshof, dem "Häker" gewidmet. Zu den nächsten Kapiteln ist methodologisch nichts zu bemerken. Sie behandeln die Produzenten der Geräte (Kap. V) und die volkssprachliche Nomenklatur von Pflug und Haken (Kap. VI). Das abschließende Kap. VII untersucht Arbeitsgesellung und -brauchtum der Pflüger und Häker. Den reich entwickelten Volksglauben um den Pflug sowie sein Vorkom-
Zur Methodik
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m6n In Sprichwörtern, Rätseln, Redensarten usw. behandele ich nicht. Die Nachweise im Verlauf der Darstellung beziehen sich bewußt fast ausschließlich auf den Untersuchungsraum. Das heißt, der sogenannte wissenschaftliche Apparat enthält zunächst nur Literatur, Quellen usw. aus Mecklenburg und den übrigen genannten Territorien. Hinweise auf Parallelerscheinungen in anderen Gebieten sowie Zitate aus generellen Standardwerken (ohne Bezug auf unseren Raum) sind weitgehend aus der Darstellung herausgehalten worden. Thesenartige Verallgemeinerungen versucht ein zusammenfassender Abschnitt ("Ergebnisse") am Ende des Buches zu geben. In der folgenden (wie in der schon vorangegangenen) Darstellung bezeichnet Pflug stets den asymmetrischen Beetpflug mit festem, einseitigem Streichbrett. Unter Haken ist in der Regel der Mecklenburgische Haken zu verstehen, sofern er nicht ausdrücklich anders, z.B. als "Dabergotzer Haken", "Vierseithaken" usw. bezeichnet wird. Ist die Form eines nur dem Wort nach als Haken bezeugten Geräts fraglich, spreche ich von einem unbestimmbaren Hakentyp. Schließlich wird das Wort Pflug in einigen Ausnahmefällen auch als Oberbegriff für Pflug und Haken verwendet, etwa wenn von Pflugforschung, Pflugdienst usw. die Rede ist. Über die von mir benutzten Termini für die einzelnen Teile der Geräte orientiere man sich anhand der Abbildungen im typologischen Teil der Arbeit (Kap. I).
I. DIE TYPEN
1. Ausgestorbene Geräte- und Schartypen § 1. Unser Untersuchungsraum ist im Vergleich mit anderen Territorien relativ arm an Funden zur Ur- und Frühgeschichte der Bodenbearbeitung. "Steinzeitliche Ackergeräte", deren Vorhandensein flir die Ostprignitz und in einer populären Synthese auch für Mecklenburg in Gestalt der bandkeramischen "Schuhleistenkeile" angenommen worden i s t \ lasse ich außer Betracht. Die folgenden Epochen sind mit bronzezeitlichen Haken-Furchen, wie sie unter zwei Hügelgräbern entdeckt worden sind, und wenigen eisenzeitlichen bzw. slawisch-frühdeutschen Scharfunden fragwürdiger Herkunft nur schwach vertreten, so daß lediglich ein nahezu vollständig erhaltenes Gerät übrigbleibt, das dem Boden hat abgewonnen werden können. Es ist dies der Haken von Dabergotz Kr. Neuruppin (Abb. 1). 2
Anstelle der bisherigen Literatur zur Fundgeschichte des Dabergotzer Hakens
lassen
wir im folgenden die handschriftlichen Originalquellen selbst sprechen. Sie sind zwar durch 3 briefliche Auskünfte einzelnen Forschern schon auszugsweise mitgeteilt, aber nie vollstän4 dig publiziert worden. Die Dabergotzer Fundakten bilden außerdem eine wertvolle Quelle zur Wissenschaftsgeschichte der Pflugforschung. a) Amtmann Roloff an Landrat von Ziethen. Dabergotz, 11. Nov. 1823. Hochwürdiger, Hochwohlgebohrener Herr, Hochgeehrtester Herr Landrath! Ew. Hochwürden und Hochwohlgeboren bin ich so frey, das Gestell eines sehr alten Hakens, wie unsere Vorfahren sich zur Acker-Bestellung bedient haben, ergebenst zu übersenden. Seit einigen Tagen bin ich, nachdem es mir glückte, einen Pfuhl von 3 Morgen Umfang durch Ziehung eines Grabens zu entwässern, sehr eifrig bemüht, den in demselben befindlichen Moder auf den Acker zu fahren. Die trockene Jahreszeit begünstigte seit her mein Unternehmen, und so geschähe es, daß ich im verflossenen Winter u. Frühjahr einen bedeutenden Theil desselben bis auf den Grund auszufahren vermögend war. Die Güte des Moders ist sehr verschieden; ich fand oben 3-5 Fuß tief torfartigen Mohr, dann 2-3 Fuß abgeschwemmten fetten, mit Mohr vermengten Thon, unter diesem 2 bis 3 Fuß stehenden Scharzen Humus mit 1 Fuß tiefen reinen Kalk, dann groben Kießgrund. Zwischen der Kalk- u. Kießlage nun fand ich im verflossenen Frühjahr die Ew. Hochwürden u. Hochwohlgebohren überreichten 3 steinernen Streitäxte; gestern nun ist abermals in derselben Nähe beykommendes Hakengestell 5 Fuß unter Mohr u. mohrartigem Thon h e r ausgegraben worden. Da nun dieses simple, von unseren heutigen Haken sehr abweichende Gestell unstreitig mehrere Jahrhunderte in dieser Tiefe gelegen haben muß und es nach meiner Mei-
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nung immer über die Geschichte der Agricultur unserer frühen Vorfahren einigen Aufschluß und einen Beweis giebt, dafl der Haken eher als der Pflug war**, so habe ich nicht unterlassen wollen, selbigen zu der Beurtheilung Ew. Hochwürden und Hochwohlgebohren zu übersenden, und es würde mich sehr freuen, wenn derselbe es werth hielten, dieses alte Ackerinstrument in dem innehabenden, so schönen AIterthums-Cabinett ein Plätzchen zu gönnen. Hochachtungsvoll habe ich die Ehre mich zu nennen Ew. Hochwürden u. Hochwohlgebohren ganz ergebener Diener Roloff. b) v. Ziethen an Roloff (Konzept), Wustrau, 11. oder 12. Nov. 1823. pp. Roloff zu erwiedem, daß er mir ein Uberaus grosses und köstliches Geschenk mit dem alten Haacken gemacht habe, für welches ich ihm nicht genug dancken könne; ich e r suchte ihn, Seinen Leuten noch ferner die größte Aufmercksamkeit zu empfehlen, und wenn sich etwas fände, bestens meiner eingedenck zu seyn. NB. Dem Knecht 1 rthlr. geschenkt. vZ. c) v. Ziethen an Roloff (Abschrift), Wustrau, 12. Nov. 1823. An den Amtmann Herrn Roloff Wohlgeb. zu Dabergotz. In Eg. Schreiben von gestern sagen Sie, daß Sie unter dem schwarzen Humus 1 Fuß tiefer reinen Kalk gefunden hätten. Hierüber wünschte ich eine Erläuterung: das soll wohl so viel sagen, daß es weißer Mergel ist, der, wenn e r gebrannt würde, Kalk geben würde ? Außerdem wünschte ich, daß Ewg. mir gelegentlich von den verschiedenen Erdarten Proben schickten und dabey bemerken, wie sie über einander folgen. Schließlich wünschte ich den Namen des Pfuhles zu wissen, - e r liegt ja wohl zwischen der Landstraße von Dabergotz nach Stoeffin und von Bechlin nach Kiidow u. Lüchfeld. Gewiß werden noch mehr dergl. Sachen in diesem Pfuhl gefunden werden. Mit pp. W g d L R vZ. d) Roloff an v. Ziethen. Dabergotz, 24. Nov. 1823. Ew. Hochwürden und Hochwohlgeboren beehre ich mich, in Verfolg des sehr geehrten an mich gerichteten Schreibens betreffend die Ausfahrung eines Pfuhls, in meinem Ackertrackte belegen, ganz gehorsamst befohlenerweise zu erwiedem. 1) Dieser Pfuhl, der große 6 Ruthen Pfuhl genannt, liegt zwischen meinem 5ten u. 6ten Ackerschlag jenseits des so genannten Lüchfelder Weges, zwischen dem Heu- und Grenzweg, der nach Buskow fuhrt, und dem Acker der hiesigen Gemeine. 2) Unter dem von mir gemachten Ausdruck reiner Kalk habe ich, da von Moor und Erdschichten die Rede war, nur eigentlich eine Erdmischung verstehen wollen, deren Hauptbestandteile Kalk sind, und glaube ich, daß wenn diese Substance gebrannt würde, sie brauchbaren Mauerkalk liefern würde. Diese Erdschicht hat, in der Tiefe des Pfluges gefunden, beym Ausgraben eine dem Lehm ähnliche gelbliche Farbe, kömmt sie an die Luft und liegt einige Zeit, so färbt sie sich ganz weiß, zerfällt in kleinen Stücken und löst sich am Ende wie Pulver auf. Mit Säure versetzt, braußt sie sehr stark. Ew. Hochwürden u. Hochwohlgebohren werde ich auf jeden Falle Proben aller Erdschichten übersenden, kann dies nur in dem Augenblick nicht, indem ich durch das eingetretene regnichte Wetter für jetzt gehindert bin, aus der Tiefe des Pfuhls arbeiten zu lassen, bei eintretendem Frost hoffe ich jedoch wieder fortfahren zu können. Von dem sehr melirten, auf dem Acker liegenden herausgefahrenen Modder Probe zu nehmen, würde,
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da derselbe durch den Regen sehr verwischt ist, Ew. Hochwürden u. Hochwohlgeboren keine richtige Ansicht gewähren. Hochachtungsvoll habe ich die Ehre mich zu nennen Ew. Hochwürden u. Hochwohlgeb. ganz ergebener Diener Roloff. e) Roloff an v. Ziethen. Dabergotz, 8. Dez. 1823. Ew. Hochwürden u. Hochwohlgebohren unterlasse ich nicht, beygehend ein abermals in dem quaerit. Pfuhle gefundenes, wahrscheinlich, Ackerinstrument ergebenst zu Ubersenden. Sollte vielleicht dieses Instrument nicht zu dem Ew. Hochwürd. u. Hochwohlg. übersandten Haken passen? Sollte es vielleicht nicht gar die Stelle eines Hackeisens oder Hackbrettes vertreten haben? Hochachtungsvoll habe ich die Ehre mich zu nennen Ew. Hochwürden u. Hochwohlgeb. ergebenster Diener Roloff. f) v. Ziethen an die Märkische Ökonomische Gesellschaft in Potsdam. Wustrau, 25. Juni 1824 (Abschrift). An eine Hochlöbl. Königl. Märkisch Oekonomische Gesellschaft zu Potsdam Indessen findet sich jqjzt noch eine Veranlassung zu einem besonderen Schreiben, nehmlich ein aufgefundenes landwirthschaftliches Alterthum. Der Besitzer des ehemaligen Amts-Vorwerks zu Dabergotz, p. Roloff, hat einen in seinem Acker belegenen Pfuhl von 4 Morgen Flächeninhalts abgelassen, um mit der darein befindlichen fetten Erde zu düngen. Hierbei hat er am lOten Novbr. 1823 in einer Tie- ' fe von 4-5 Fuß unter torfartigem Moor, Mergel und angesammelten humus auf dem Sandgrunde einen eichenen Haken gefunden, mit dem unsere Vorfahren die Felder bestellt haben. Er besteht aus einem Zacken, der aus einem stärkeren Stamm gebogen herausgewachsen, und man siehet, daß e r häufig gebraucht worden ist. Da e r nur sehr klein und schwach ist, so läßt sich daraus schließen, daß das Zugvieh sehr klein gewesen seyn müsse. Nirgend findet sich das geringste Kennzeichen, daß Eisen daran befestigt gewesen, jedoch sind 2 Löcher mit einem scharfen Instrument ziemlich gut durchgeschlagen, und eins ist durchgebohrt. Wie man ohne Anwendung von Eisen ehemals mit diesem Haken habe ackern können, darüber herrscht allhier manche Vermuthung, und ich war bestrebt, die fehlenden Stücke in mancherlei Gestalt ergänzen zu lassen, als die Arbeiter des p. Roloff Anfangs December v. J. noch eine aus hartem eichenen Holze geschnittene spitze Schaufel fanden, welche zwar zu diesem Haken etwas zu klein ist, aber doch klar zeigt, wie unsere Altvordern das ihnen mangelnde Eisen durch Holzschaufeln zu ersetzen gewußt haben. Dieser Haken ist wohl der einzige, der nun noch aus der alten Wendenzeit her leibhaftig vorhanden ist, und ich danke es dem p. Roloff sehr, daß er ihn sogleich überschickt hat. In dem nehmlichen Pfuhl hatte man kurz vorher 3 Streitäxte von Stein gefunden, in deren Besitz ich mich ebenfalls befinde. . . . Sollte das Beieinanderfinden dieser Streitäxte und des Hakens wohl nicht auf ein gleich hohes Alter schließen lassen? Von dem Haken füge ich eine genaue Zeichnung ganz gehorsamst bei. ^Handzeichnung = Abb. 2 mit folgender Legende:] Ein alter Haacken von Eichen Holz, dessen sich die Wenden ehemals, ohne Eisen, zur Beackerung des Feldes wirklich bedient haben. Aufgefunden am 10. Nov. 1823 in einem bey Dabergotz im Ruppinschen Kreise befindlichen abgelassenen Pfuhl 5 Fuß tief
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unter torfartigen Moor und Mergel. Aufbewahrt in der Sammlung des Landraths v. Ziethen auf Wustrau. Wustrau, d. 25. Jan. (18)25. A. Die Schwartz Zeichnung stellet den Hacken, der etwa 4 1/2 Fuß lang ist, dar. B. ist ein rundes Loch, in welches vermuthlich ein Flock gesteckt wurde, um das Zugvieh vorzuspannen. C. ist die Öffnung, durch welche die vorgefundene Spaten ähnliche Spitze zum aufreißen des Erdbodens gesteckt und mit (Hilfe) eines Keils steil oder flach gerichtet werden konnte. D. ist die dritte Öffnung, in welche ein sogenannter Sterts befestigt wurde, um den Hacken zu regieren. Die Fundakten sprechen für sich. Freilich sind sie in bezug auf das Bodenprofil der
g
Fundstelle nicht ganz eindeutig. Nach einem geologischen Gutachten ist etwa folgendes Profil anzunehmen: Torf Wiesenton (umgelagert) oder Kalkmudde mit humosen Linsen Humuserde (verwitterter Flachmoortorf) Seekreide Grobkies. Die Fundschicht befand sich nach den Angaben der Akten etwa 141 bis 157 cm unter der Oberfläche. Die vom Amtmann Roloff versprochenen Bodenproben sind nicht erhalten. Die Zeitstellung des Hakens von Dabergotz hat die Forschung lange beschäftigt. Dabei reichen - wie schon die Überlegungen v. Ziethens - die Vermutungen Uber sein Alter vom 8 7 Neolithikumg bis zur Slawenzeit. Daß er vorgeschichtlich ist, wird im allgemeinen nicht bezweifelt. Das Ergebnis der 1966 durchgeführten C 14-Datierung (Bln. 462) lautet: 733 + 80 u. Z. Der Haken von Dabergotz Kr. Neuruppin ist somit als slawenzeitlich anzusprechen. Die Auswertung dieses zweifellos überraschenden Befundes bleibt der historischen Untersuchung (Kap. HI, 1) vorbehalten. Die Probe für die C 14-Datierung wurde dem Gerät an der Sohle entnommen. Nach Aussage eines erfahrenen Restaurators (Georg Jacob, Berlin) ist der Haken offensichtlich zu keiner Zeit irgendwie präpariert worden, so daß entsprechende Beeinträchtigungen der Radiocarbon-Dätierung ausgeschlossen erscheinen. - Mit Spannung darf man nunmehr der Altersbestimmung eines unlängst in Wittenau/Westberlin gefundenen Haken-Fragments vom Dabergotz-Typ (noch nicht publiziert) entgegensehen. Die Erörterung Uber die Form des Dabergotzer Hakens (Abb. 1) kann in Anbetracht der reichhaltigen Literatur 1 0 knapp bemessen werden. Da wohl die meisten jüngeren Interpre-
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Die Typen
ten das Gerät nie selbst vor Augen gehabt haben, möchte ich die Wiedergabe eines ganz naiven subjektiven Eindrucks an den Anfang stellen: Es ist die Zierlichkeit des Geräts, die dem Betrachter zuerst ins Auge fällt. Die Länge beträgt tatsächlich nur 145 cm (jedoch nicht 139, wie sonst stets angegeben). Der Dabergotzer Haken ist gemäß der von mir gewählten Gattungsbezeichnung ein Gerät vom Haken-Typ, d.h. symmetrisch mit einer nur geringfügigen, unabsichtlichen Abweichung von der Längsachse. Sein einziger "arbeitender Teil" besteht aus einer hölzernen Schar von 23 cm Länge und (maximal) 6 cm Breite, die sich zu einem 44 cm langen und 1 x 3 cm starken Stiel verjUngt. Die Schar selbst ist auf ihrer Oberseite platt, die Unterseite ist leicht erhaben und paßt mit ihrer Rundung in die ebenfalls rund ausgehöhlte Sohlenspitze. Der lange Stiel greift durch ein Loch im Krümmel-Grindel, das breiten Spielraum gewährt und zusätzlich durch einen Keil geschlossen werden mußte. Das Einschlagen des Keils vor oder hinter dem Scharstiel bewirkte die flachere oder steilere Stellung des arbeitenden Teils. Das Gerippe des Dabergotzer Hakens besteht zunächst aus einer horizontal verlaufenden Sohle von 81 cm Länge; die größte Höhe beträgt 8 cm. Von der Sohle gabelt sich der Krümmel-Grindel ab, der zunächst im spitzen Winkel von ca. 45° aufsteigt und dann nach vorn nahezu horizontal (leicht abwärts geneigt) verläuft, er ist 122, 5 cm lang. Im hinteren Teil der Sohle befindet sich, 13 cm vom Ende entfernt, ein auf der Unterkante 3 x 7 cm großes Loch, in das die Sterze gesteckt wurde. Das Loch auf halber Höhe des Krümmel-Grindels diente zur Aufnahme des Scharstiels sowie eines Keils. Schließlich ist im Krümmel-Grindel, 21 cm von der Spitze des Geräts entfernt, ein weiteres Loch vorhanden, über dessen Verwendungszweck es verschiedene Meinungen gibt. Paul Leser wies in einer Polemik gegen Robert Mielke* 1 darauf hin, daß die Länge des Krümmel-Grindels bzw. sein überstand gegenüber der Sohlenspitze viel zu gering sei, um an eine Verwendung als Deichsel denken zu können (in dem Loch wäre dann das Joch befestigt gewesen). Ebenso lehnte er die Vermutung Uber die Existenz eines in dem Loch befestigten Ortscheits ab und trat statt dessen für ein waagerechtes Verlängerungsholz ein, das bis an das Joch der Zugtiere heraufgereicht hätte. Diese Annahme kann nunmehr durch Autopsie vollauf bestätigt werden. Es ist nämlich - worauf bislang kein Autor hingewiesen hat - die Unterseite des Krümmel-Grindels von der Spitze ab auf einer Strecke von 38 cm gänzlich platt. Gleichviel, ob diese Abplattung bereits bei der Herstellung des Geräts bewußt erfolgt oder später durch ständige Reibung entstanden ist, beweist sie eindeutig das Vorhandensein eines in gleicher Richtung weiter verlaufenden Holzes, das auf der Unterseite des Krümmel
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Die Typen
Grindels - mit Hilfe etwa von Weidenringen und eines durchgesteckten Holzstifts (vgl. das zylindrische Loch!) - befestigt war. Diese Grindelverlängerung, die eine Länge bis zu 200 cm besessen haben mag, reichte bis an das Joch der Zugtiere. Abb. 3 bringt eine ent12
sprechende Rekonstruktion. § 2. Wir registrieren in unserem Untersuchungsraum zwei Funde von eisernen Scharen, die mit einiger Sicherheit als vor- bzw. frtihgeschichtlich anzusprechen sind. Sie gehören weder zum Mecklenburgischen Haken noch zum Beetpflug, sondern offensichtlich zu verschiedenen ausgestorbenen Haken-Typen. a) Schar von der Insel Rügen [ ? J
(Abb. 4a). Fundort unbekannt, jedoch mit Sicherheit
aus dem alten Einzugsbereich des Stralsunder Museums stammend, vermutlich von der Insel RUgen. Oberflächenfund des 19. Jhs., als "slawisch" geführt. Kulturhistorisches Museum Stralsund. - Länge: 34 cm; Breite: 13, 5 cm; Länge des Scharblatts: 14 cm; Stärke des Scharblatts (Spitze): 0, 35 cm bzw. (gegenüberliegende Seite): 0,11 cm; Länge der Tülle: 12, 5 cm; Breite der Tülle am Ansatz des Scharblatts: 6 cm; hintere Breite der Tülle: 10,5 cm; umspannte Höhe der Tülle: 4 cm; Abstand der Tüllenachseln: 4 cm; Länge des an der Scharblatt-Unterseite angeschmiedeten platten Eisenstiels: 20 cm; Breite desselben: 2,6 o cm; Stärke desselben: 0,4 cm; Winkel zwischen Scharblatt und Tüllenpartie: 165 . Die vorliegende Schar (der eine weitere, jedoch bruchstückhafte im Stralsunder Museum gleicht) ist symmetrisch. Sie besitzt eine merkwürdig hybride Form, d.h., sie ist sowohl Stiel-Schar wie Tüllen-Schar und weist Uber diese doppelte Eigenschaft hinaus noch einen dritten Befestigungsteil auf: eine 2 cm lange Niete, die 2,5 cm vom hinteren Ende entfernt die Oberseite der Tülle durchstößt. Hinsichtlich der Stellung dieser Schar ist zunächst der Knick zwischen Scharblatt und Tüllenpartie von Belang. Es leuchtet ein, daß die Tülle kein horizontal verlaufendes Holz (die Sohle) umspannt haben kann, da die Schar dann nicht hätte in die Erde greifen können. Das in die Tülle eingepaßte Holz verlief somit nach unten geneigt. Die durch die Tülle stoßende Niete griff von oben, die durch das Loch im Stiel stoßende von unten in das Füllholz. Diese doppelte und dreifache Befestigung (umgreifende Tüllen sowie zwei zusätzliche Nieten) machen es wahrscheinlich, daß diese Schar auch nicht an eine Sohle angelehnt, sondern ausschließlich an jenem Füllholz (Scharhaupt) befestigt war. Es dürfte sich somit um ein sohlenloses Gerät - vergleichbar vielleicht dem böhmischen häk - gehandelt haben. b) Schar aus Rohrberg Kr. Klötze/Altmark (Abb. 4b). Gefunden unter der Türschwelle der im 19. Jh. erbauten Schule (ca. 1960); Finder und Aufbewahrer: Lehrer i.R. Künne in Püggen Kr. Salzwedel. - Länge: 27 cm; Breite: 14,5 cm; Länge des Stiels: 13 cm; Stärke des Stiels am Scharblatt: 2 x 2 cm, am Ende: 1, 5 x 1, 2 cm; Stärke des Scharblatts: bis
Ausgestorbene Geräte und Schartypen
V.W.WAWM
I
5 cm
V/////////////A 5cm
Abb. 4.
I
I
I
—I
I
Schare ausgestorbener Haken-Typen. a) Insel Rügen (?). b) Klötze Kr. Kalbe/Milde.
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Die Typen
2 cm (Mitte), gegen die Schneiden auf 0,3 cm abnehmend. Die Schar scheint symmetrisch geschmiedet, zeigt jedoch in der vorliegenden, abgenutzten Form eine deutliche Asymmetrie. Das Scharblatt dehnt sich links des Stiels auf eine Breite von 7 cm, rechts auf nur 5,7 cm aus. Die Schar ist somit rechtsseitig weitaus stärker abgenutzt. Vermutlich wurde das Gerät, an dem diese Schar befestigt war, bereits seitlich geneigt gehalten, um eine gewisse Bodenwendung zu erzielen. Die linke Schneide ist nichtsdestoweniger voll ausgebildet, aber weniger abgenutzt. Das vorliegende StUck kann somit typologisch als Haken-, funktional als Pflugschar (im engeren Sinne) angesprochen werden. Die Befestigung der Schar erfolgte mittels des Stiels. Seine Länge von nur 13 cm schließt wohl aus, daß er in ein Loch des Grindels oder Krilmmel-Grindels gegriffen hat; vielmehr durfte der Stiel in ein Loch der Griessäule gesteckt worden sein. Das Scharblatt wird einer Sohle aufgelegen haben, da es an seiner konvex gewölbten Unterseite größtenteils keine Ab13 nutzungsspuren aufweist.
Als zu dieser Schar gehöriger Haken-Typ kommt möglicherwei-
se das in Abb. 58 wiedergegebene Gerät aus Kamieli Pomorsld (11. Jahrhundert u. Z.) in Frage, da es bemerkenswerterweise eine Griessäule besitzt. Als mittelbare Belege für die Existenz hakenartiger Ackergeräte in vorgeschichtlicher Zeit sind in unserem Untersuchungsraum noch zwei Fundstellen von Furchen zu werten. Sie 14 wurden bei Untersuchungen bronzezeitlicher Hügelgräber in Wendelstorf Kr. Bad Doberan 15 und Tramm Kr. Schwerin festgestellt. Die Furchen verlaufen in der auch andernorts be16
obachteten
charakteristischen Über-Kreuz-Form (Tai. 12 a) bei einer durchschnittlichen
Tiefe von 6 - 7 cm. Rückschlüsse auf die besondere Art des verwendeten Hakentyps sind nicht möglich. Die Furchen unter dem Hügelgrab von Wendelstorf sind spätestens während der Periode in der Bronzezeit gezogen worden und stellen demnach die ältesten Zeugnisse der Pflugkultur in unserem Gebiet überhaupt dar. 2. Der Mecklenburgische Haken $ 3. Das typologische Hauptmerkmal des Mecklenburgischen Hakens ist ein von der Sohle nach vorn aufsteigendes Krummholz, das den Grindel trägt. Dieser Krümmel1 genannte Gerippeteil, der in Gestalt anderer Geräte zahlreiche ethnographische Parallelen besitzt, bestimmt die Zugehörigkeit zu den "Krümmeltypen", wie sie die Pflugforschung seit Leser o nennt. Die typologische Besonderheit des Mecklenburgischen HakenB besteht in der Dreieckskonstruktion, die Sohle, Krümmel und Sterze bilden; sie ist stabil und drehsteif. In gleicher Neigung wie die Sterze verläuft das Hakenbrett, dem auf Grund seiner Verankerung in
Der Mecklenburgische Haken
35
der Sohle und Im Krümmel nicht nur funktionale, sondern auch konstruktive Bedeutung beikommt. Die geschilderte Gerippeform ist beim Mecklenburgischen Haken von dem frühesten ge3 sicherten Bildbeleg um 1750 bis zu den nach 1945 angefertigten Geräten konstant. Bedeutsame Unterschiede zeigt lediglich die Form des Grindels, was jedoch mit der jeweiligen Anspannungsmethode (Joch-, Radvorgestell-, Gabeldeichsel- oder Schwinghaken) zusammenhängt und kein typologisches, sondern ein funktionales Merkmal ist. Das charakteristische Gerippe des Mecklenburgischen Hakens änderte sich auch nicht, als daß Elsen in zunehmendem Maße das Holz als wichtigstes Material bei seiner Herstellung verdrängte. Das gilt ebenfalls von dem sogenannten Thünen-Haken (§ 45, Abb. 74), der abgesehen von seiner funktionalen Besonderheit, dem schräggestellten Hakenbrett bzw. -blech, das traditionelle 4 Gerippe aufweist. Eine rein quantitative Modifikation stellen weiterhin die verschiedenen Abmessungen der einzelnen Gerippeteile dar, ferner die Winkel, in denen sie aufeinandertreffen, schließlich die Größe des ganzen Als cm Extreme der Joch5 und genannt haken ausund Lübeln Kr. Lüchow-Dannenberg mitGeräts. nahezu 450 Längeseien der Schwinghaken g aus Vellahn Kr. Hagenow mit ca. 170 cm Länge
(Abb. 5). Der Größenunterschied geht in
jüngerer Zeit ebenfalls auf funktionale Unterschiede (Ackerhaken oder Kartoffelhaken), in älterer Zeit auf ökonomische Gegensätze7 zurück: Die Bauern hielten mit Rücksicht auf ihr schwächeres Spannvieh kleinere Geräte. Entsprechend unterschiedlich ist das Gewicht: Während ein normaler Schwinghäken aus Holz oder Eisen höchstens 30 kg wiegt, betrug g 1826 das Gewicht eines Rad Vorgestellhakens vom Gut Diekhof Kr. Güstrow 83, 5 kg.
Selbst-
verständlich sind auch diese Daten und Fakten für die Typologie irrelevant. Wir besprechen nunmehr die einzelnen Teile des Mecklenburgischen Hakens. S 4. Das Hakeisen. Die Schar des Hakens, die wir in Anlehnung an die volkssprachliche Nomenklatur und die agrotechnische Terminologie des 18. /19. Jahrhunderts gals Hakeisen bezeichnen, besteht seit Einsetzen schriftlicher Belege aus Eisen und Stahl.
Es ist der
einzige eiserne arbeitende Teil des Mecklenburgischen Hakens überhaupt. Die Gestalt des Hakeisens ist symmetrisch. Von oben oder unten gesehen bietet sich ein gleichschenkliges Dreieck dar, das lediglich an der Basis (gegenüber der Spitze) einen schmaleren rechteckigen Fortsatz mit Tüllen aufweist. Die Form des Dreiecks, dessen Fläche nur leicht nach oben gewölbt ist, variiert von relativ gestreckter bis zu äußerst gedrungener, gelegentlich auch herzförmiger Gestalt. Abb. 6a zeigt die gestreckte Variante, die eindeutig die ältere Form darstellt; Länge (33 cm) und Breite (22 cm) stehen im Verhältnis von ca. 1 , 6 : 1 . Gleich geformte Stücke besitzen der Haken aus Winterweyhe Kr. Lüchow-Dannenberg und ein nicht lokalisiertes
Die Typen
36
SOcm
Abb. 5.
Mecklenburgischer Haken. Lübeln K r . Lüchow-Dannenberg. Zum Größenvergleich: Gerät von Vellahn Kr. Hagenow.
Wem
Abb. 6.
Gruppenformen von Hakeisen. a) Mecklenburg, Spätmittelalter (?).b) Gielau Kr. Lüchow-Dannenberg, 19. Jh. c) Bebersee Kr. Templin, Ende 19. Jh. d) Dabei Kr. Sternberg, 20. Jh.
Der Mecklenburgische Haken
37
mecklenburgisches Hakenfragment.Der zeitlich frühe Ansatz ergibt sich aus der mit diesen Exemplaren identischen Form des Hakeisens an dem Schmiede-Herbergszeichen von Bützow, das die Jahreszahl 1717 trägt (Abb. 65a). Hier ist das Länge-Breite-Verhältnis 1,7 : 1. - Mit dieser gestreckten Form geht teilweise eine Eigentümlichkeit einher, die außer dem datierten Btitzower Beleg auch die Hakeisen von Winterweyhe, Gielau, Satemin und Lübeln Kr. Lüchow-Dannenberg, Bevensen Kr. Uelzen, Dahlenburg Kr. Lüneburg und Lindhof Kr. Salzwedel*1 aufweisen, nämlich eine extrem herausgeschobene, gegenüber dem sonstigen Niveau erhabene Stahlspitze. Der gesamte vordere Teil solcher Hakeisen ist zumeist leicht nach oben abgebogen (Abb. 6b, 78, Taf. 2a). Abb. 6c steht stellvertretend für die große Zahl der gedrungen geformten Hakeisen. Diese weisen mit einer Länge von 27,5 cm und einer Breite von 31, 25 cm (Durchschnittswerte auf Grund meines gesamten Materials) ein Länge-Breite-Verhältnis von 0,88 : 1 auf. Die breite, gedrungene Form des Hakeisens stellt zweifellos eine jüngere Schicht dar, die erstmals in Gestalt der Abbildungen bei Schumacher und anderen Autoren
12
, sodann mit
dem Hakeisen von einem Schmiede-Herbergsschild aus Burg Stargard Kr. Neubrandenburg 13 14 (2. Hälfte 18. Jh.) greifbar wird. Daneben gibt es Übergangsformen. Eine Vorstellung von der Formentwicklung des Hakeisens über etwa hundert Jahre vermitteln die Modellbzw. Miniatur-Hakeisen an den Bützower Herbergsschildern (Abb. 65). Allen bisher besprochenen Hakeisen ist gemeinsam, daß sie Schare mit "Achsel"-Charakter sind, d. h., die Basis des eigentlichen Hakeisen-Dreiecks ist breiter als die anschließende Tüllenpartie. Der Überstand beträgt auf jeder Seite 3 bis zu 8 cm. Jedes dieser Hakeisen besitzt Tüllen, die der Befestigung dienen. Sie sind nach innen eingebogen und greifen um das untere schmale Ende des Hakenbretts (Taf. 2b). Die Existenz von Tüllen, die viele frühgeschichtliche und rezente Schare aufweisen, ist in unserem Untersuchungsraum zusätzlich durch die Erwähnung einer "Klaue" am Hakeisen in einer Schmiede15 rechnung von 1578/79 als alt bezeugt. Die Befestigung wurde noch verstärkt, indem zwischen die Tüllen und das Hakenbrett hölzerne Keile getrieben wurden (Abb. 13); gelegentlich verwendete man auch einen passenden Stein. ^ Neben den Tiillenscharen sind - namentlich im Terrain - zahlreiche Hakeisen anzutreffen» deren untere Fläche völlig platt ist. Sie werden nicht dem Hakenbrett aufgeschoben, sondern aufgelegt und durchgenietet. In der Draufsicht bietet sich ein Dreieck dar, dessen Basis gegenüber dem zuletzt besprochenen Typ verhältnismäßig noch mehr verbreitert ist; die Relation zwischen Läoge und Breite beträgt durchschnittlich 0,77 : 1 (zum Vergleich: die gestreckte Tüllenschar t , 6 : 1, die gedrungene Tüllenschar 0,88 : 1). Abb. 6d zeigt
38
Die Typen
ein solches Hakeisen, dessen Form heute bei etwa der Hälfte aller rezenten Haken vorkommt. Der Formwandel geht einher mit der Art der Befestigung am Hakenbrett. Soferd dieses 17 aus Holz besteht, ist - mit wenigen Ausnahmen - die aufgeschobene Tiillenschar anzutreffen. Besteht das Hakenbrett bzw. die Schiene unter dem Hakenblech aus Eisen, kommt neben der traditionellen Tiillenschar vor allem das aufgelegte, vernietete Hakelsen vor. Solche Hakeisen wurden als Halbfabrikate hauptsächlich aus Fabriken bezogen (vgl. S 48). Den Unterschied in der Befestigungsart der Hakeisen mit und ohne Tülle demonstrieren die Abb. 13 bztf. 8. Die reine Größe der Hakeisen richtete und richtet sich hauptsächlich nach den funktionalen Ansprüchen. So wurde schon in der mecklenburgischen Polizei- und Landordnung von 1562 zwischen (großen) "HackEisen im starcken Acker" und (kleinen) Hakeisen "In dem 18 19 Sand-Acker" unterschieden , und Schumacher spricht 1774 von 24 bis 40 cm Länge. Heute liegen die Extreme zwischen einem Haken zur Kartoffelbearbeitung, der in einem Exemplar aus PUttelkow Kr. Hagenow ein Hakeisen von 14 cm Länge und 20 cm Breite auf20 weist , und einem Haken zur Bracharbeit wie dem aus Cammin Kr. Neubrandenburg, des21
sen Hakeisen 35 cm lang und 47 cm breit ist.
Entsprechend verhält es sich mit dem Ge-
wicht, das uns in schriftlichen Quellen statt der Größenabmessungen gelegentlich Uberliefert ist. Es sollte nach Vorschrift der Domanialämter Schwerin und Doberan vom Jahre 1709 jeweils 3500 g betragen, während eine 1783 erwähnte 22 Bestimmung für strelitzische Domanialbauern ein Gewicht von 4500 bis 5000 g forderte. Es folgen einige authentische 23 Gewichtsangaben von Hakeisen aus Archivalien. Ort
Kreis
Betrieb
Jahr
Gewicht (g)
Harkensee
Grevesmühlen
Gut
1688
3650-4500
Ganzlin
LUbz
Bauer
1729
2500
Tornow/Ringsleben
Gransee
Gut
1735
4500-6000
Schönermark
Gransee
Bauer
1740
4250
Neu Krenzlln
Ludwigslust
Glashütte
1755
3500
Rönnebeck
Gransee
Bauer
1760
4500-5500
Bartelsdorf
Rostock
Bauer
1760
3500
Zepkow
Röbel
Bauer
1763
3500
Kieve
Röbel
Bauer
1806
5000
Der Mecklenburgische Haken
39
Die Zusammenstellung macht überraschend deutlich, daß die schwereren und damit größeren Hakeisen im 18. Jahrhundert nicht in Mecklenburg, sondern in Brandenburg anzutreffen waren. Im 19. Jahrhundert wog "die kleinste Sorte des Hakeneisens" ca. 4000 g und "die 24 größte" 6500 g (Mecklenburg). Die aus Fabriken bezogenen Hakeisen schließlich besaßen 25 um 1900 ein Gewicht von etwa 7500 g. Auf die Arbeitsweise des Hakeisens wird in Kap. n , 3 (§ 26) näher einzugehen sein. § 5. Das Hakenbrett. Vom oberen Teil des Krümmels zur Sohlenspitze verlaufend trägt das Hakenbrett zugleich das oben besprochene Hakeisen. Es besteht bei allen älteren Exemplaren, insbesondere bei den in der ökonomischen Literatur beschriebenen und in Museen aufbewahrten Haken, aus Holz. Als Holzart bevorzugte man Buche, daneben Esche und in 26
neuerer Zeit auch Birke. Die Form des Hakenbretts ist in ihrem freiliegenden Hauptteil rechteckig. Die Abmessungen entsprechend Größe gesamten Geräts. Besonders 27 , dessen etwa daswechseln Brett des Hakens aus der Welzin Kr.des Grevesmühlen Länge langgestreckt 66 cm (Breite ist 28 29 cm) beträgt; demgegenüber ist das Hakenbrett aus Spiegelhagen Kr. Perleberg von auffallender Kürze (27,5 cm, Breite: 2921 cm). Die Durchschnittswerte aller mir vorliegenden Exemplare betragen 45 x 27 cm. Die Befestigung des Hakenbretts am Krümmel geschieht dergestalt, daß der aus dem Brett herauswachsende schmale Stiel durch ein Loch im Krümmel greift und dort nötigenfalls verkeilt wird. Bei einigen Stücken umschließt das gesamte Hakenbrett zusätzlich den Krümmel. Mit dieser letzteren, in der ökonomischen Literatur übrigens nicht greifbaren 30 Erscheinung
geht zumeist eine weitere Eigentümlichkeit einher, nämlich die entsprechen-
de Umschließung der Tüllenpartie des Hakeisens durch das Hakenbrett (Abb. 7a). Allen Hakenbrettern ist gemeinsam, daß das Hakeisen dem untersten Ende des Bretts aufgeschoben wird. Es ist dies ein gegenüber dem gesamten Hakenbrett schmaleres und dünneres Blatt, um das die Tüllen des Hakeisens greifen. Das Blatt stellt zugleich die Verbindung zur Sohle her, an der es entweder angenagelt oder vermittelst "Nute und Feder" befestigt ist (A.b. 71b, Fig. 6/8). Abb. 7 zeigt Gruppenformen hölzerner Hakenbretter und -bleche. Die Unterseite der Hakenbretter ist zumeist ausgehöhlt, die Oberseite leicht gewölbt. Einige Hakenbretter weisen hinsichtlich desfrühen verarbeiteten Materials einen 31 Übergangsfindet sich Charakter auf. In Übereinstimmung mit einer literarischen Erwähnung 32 gelegentlich ein Beschlag von Eisenblech auf den Rändern des Hakenbretts , der an den randbeschlagenen Spaten erinnert. Völlig mit Eisenblech abgedeckt sind die in solchen Fäl33 len nur noch Stützfunktion besitzenden Hakenbretter an einigen weiteren Geräten.
Die Typen
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Der Mecklenburgische Haken
41
Die große Masse der im Terrain angetroffenen Haken weist Haken"bretter" aus Eisenblech auf, die wir als Hakenbleche bezeichnen möchten. Die Form dieser Hakenbleche, die offenbar seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts ihren hölzernen Vorgänger abzulösen begannen, weist kaum Besonderheiten auf. Wiederum begegnet die einfache rechteckige Variante neben der Form, die seitlich den Krümmel und das Hakeisen umschließt (vgl. Abb. 7c-d). Landschaftliche Unterschiede sind nicht erkennbar. Im allgemeinen weisen die Hakenbleche größere Dimensionen als die Hakenbretter auf. Im Durchschnitt (bei 25 zur Berechnung herangezogenen Hakenblechen) beträgt ihre Länge 47 cm, ihre Breite 32 cm. Die Oberfläche ist teilweise leicht gewölbt. Das Hakenblech verläuft nicht frei tragend vom Krümmel zur Sohle, sondern sitzt auf einer eisernen Schiene, welche die Verbindung zu den genannten Gerippeteilen herstellt. Die Schiene weist an ihrem unteren Ende - vergleichbar dem Blatt des Häkenbretts - eine verbreiterte Platte auf, die das Hakeisen trägt. Das Hakeisen wird entweder aufgelegt und durchgenietet, oder seine Tüllen greifen um die Platte und werden verkeilt (Abb. 13). Normalfall ist das aufgelegte Hakeisen ohne Tülle (Abb. 8). Das Hakenblech selbst wird durch zwei Schrauben oder Nieten an der Schiene befestigt. Die Schiene ist an ihrem oberen Ende gegabelt und greift um den (eisernen) Krümmel; am unteren Ende stellt eine durch die Eisenplatte und die Sohle greifende Niete die notwendige Verklammerung her. 34 § 6. Der Krümmel. Dieses ebenfalls der volkssprachlichen Nomenklatur entlehnte Wort bezeichnet den eigentlich konstitutiven Gerippeteil des Mecklenburgischen Hakens. Seine zentrale Rolle im Gefüge kommt allein darin zum Ausdruck, daß der Krümmel mit den vier anderen wichtigsten Teilen, dem Grindel, der Sohle, dem Hakenbrett und der Sterze, verbunden ist. Der Krümmel hat entsprechend seinem Namen eine gebogene Form. Er steigt von der Sohle zunächst in einem nahezu rechten Winkel auf und knickt dann in seinem oberen Teil stumpfwinklig nach vorn ab. Wesentliche Formunterschiede weisen die Krümmel aus dem mir vorliegenden Belegmaterial nicht auf. Der Grad der Krümmung, wonach man früher die extrem stumpfwinkligen 35 "Schleppkrümmel" und die stärker abgebogenen "Kniekrümmel" unterschied , ist offensichtlich abhängig von der natürlichen Beschaffenheit des Baumasts, den man für die Herstellung auswählte. Als Holzart wurden Eiche und - vor allem wo diese nicht zu beschaffen war - Birke bevorzugt 36 ; gelegentlich gab auch ein Apfelbaum einen passenden Hakenkrüm, u 37 mel ab. Ein Krümmel ist durchschnittlich 54 cm hoch, sein waagerechter oberer Schenkel 46 cm lang. Die Stärke des Krümmels beträgt an seiner dicksten Stelle, nämlich etwa in der Mitte, durchschnittlich 12 x 10 er*>. Hier sind zwei Löcher durch den Krümmel gebohrt; durch das
42
Die Typen
untere greift die Sterze, durch das obere der Stiel des Hakenbretts. Der Krümmel verliert nach unten zu normalerweise an Stärke und mündet mit einem schmalen Zapfen in der Sohle; ein durchgesteckter Holznagel vollendet die Befestigung. Der obere Teil des Krümmels, der ebenfalls eine geringere Stärke als in der Mitte aufweist, ist abgeplattet; ihm liegt der Grindel auf. Die Verbindung stellt ein senkrecht aus der Krümmelplatte wachsender Stift her, der in den Grindel stößt. Zusätzlich sind beide Gefügeteile durch Bänder oder Ringe miteinander verklammert. Vgl. Abb. 9. Das zum Durchstecken des Hakenbrett-Stiels gebohrte Krümmelloch ist entsprechend kleiner, wenn bereits ein Hakenblech vorhanden ist. Hier greift die oben besprochene Schiene durch den Krümmel und wird an dessen Außenseite festgeschraubt (vgl. Abb. 83b). 38 Die Schwierigkeiten bei der Gewinnung eines naturgewachsenen Hakenkrümmels machen es verständlich, daß man sich schon relativ früh um Ersatzlösungen bemühte. Dazu zählt etwa der Versuch, ihn aus zwei Stücken mit Hilfe eiserner Klammern zusammenzufU39 gen.
Wirklichen Erfolg aber hatte erst eine Neuerung, die den vollständig eisernen Krüm-
mel an die Stelle des hölzernen setzte. Mit dem Eisenkrümmel hat offensichtlich die Tendenz, am Gerippe des Mecklenburgischen des Hakens Holz durch zu ersetzen, überhaupt begonnen. Nachweisbar seiteiserder 40 ,Eisen Mitte 19. das Jahrhunderts ist heute im Terrain fast ausschließlich der Haken mit 41 nem Krümmel anzutreffen. Die typische Struktur des Geräts hat sich durch diesen Ersatz in keiner Weise verändert; lediglich die Stärke des Krümmels konnte jetzt auf Grund der größeren Widerstandskraft des Eisens natürlicherweise geringer bemessen werden. Ein eiserner Krümmel ist durchschnittlich 6 x 2 cm stark, Höhe und länge entsprechen den Verhältnissen bei den Holzkrümmeln. Die Verbindung des Eisenkrümmels mit den übrigen Teilen des Hakens ist nur in bezug auf hölzerne Sohlen traditionell gelöst, indem der Krümmel in sie hineingreift und eine waagerechte Niete beide Teile fest zusammenhält. Auf eiserne Sohlen ist der Krümmel unmittelbar aufgenietet. - Das gegabelte Ende der Hakenblech-Schiene greift - wie oben ausgeführt um den Krümmel. Unterschiedlich gestaltet ist die Verbindung zum Grindel, sofern dieser noch aus Holz besteht. Bei etwa 2/3 aller von mir erfaßten Haken dieser Art verbinden senkrechte^Eisenbänder, Nieten und Schrauben die beiden Teile dergestalt, daß'je nach Stellung ein wechselnd großer Raum zwischen Grindel und Eisenkrümmel verbleibt (Abb. 10a und 16a). Demgegenüber greift bei etwa 1/3 aller Fälle der Krümmel in den aufgespaltenen Grindel ein, und waagerechte Stifte verstärken die Befestigung (Abb. 10b); oft tritt noch eine senkrecht wirkende Stellschraube hinzu.
Der Mecklenburgische Haken
Abb. 10. Eisenkrümmel, Befestigung am Grindel. a) Babst Kr. Sternberg. b) Pampow Kr. Schwerin.
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Die Typen
Vollends gegenstandslos ist das Problem der Verbindung von Eisenkrümmel und Grindel in solchen Fällen geworden, in denen beide Teile aus einem durchgehenden Stück bestehen. Der Krümmel-Grindel verläuft somit von der Sohle bis zur vordersten Spitze des gesamten Geräts ohne jede Unterbrechung bzw. Zusammenfügung (Abb. 80, 81). Damit ist auf höherer Stufe eine konstruktive Eigenart u r - und frühgeschichtlicher Hakentypen, darunter die des 42 . Dabergotzer Hakens, wieder erreicht. In der bisherigen Literatur ist diese offenbar jüngste Form des Mecklenburgischen Hakens nur ein Mal, dazu an versteckter Stelle, abgebildet 43 worden ; Paul Leser, der ein solches Gerät beschreibt, scheint es gar für einmalig zu halten. 44 Ich habe diese Hakenform mit durchgehendem eisernem Krümmel-Grindel besonders 45 in Südmecklenburg und der nördlichen Prignitz massenweise angetroffen. Der eigentliche Krümmelteil des Krümmel-Grindels besitzt in der Regel eine oblonge Grundfläche, während der Grindelteil völlig rund geschmiedet ist. Bei vielen Exemplaren, namentlich aus der Gegend von Parchim, fällt der relativ hohe Bogen, in dem der Krümmel-Grindel nach oben schwingt, ins Auge (Abb. 80). § 7. Der Grindel. Form und Dimension des Grindes sind wie bei keinem anderen Gerippeteil des Hakens von funktionalen Gesichtspunkten abhängig; dies betrifft insbesondere den vorderen Teil des Grindels, der beim Jochhaken aufwärts gestreckt bzw. durch ein angestücktes Holz verlängert ist, bei Vorhandensein eines Radvorgestells waagerecht verläuft und bei den Schwing-Haken extrem abwärts gebogen ist. In der genannten Reihenfolge sind die Längenmaße des Grindels abgestuft. Der Grindel aus Jastorf Kr. Uelzen (Abb. 66) ist 350 cm lang, der 46 des Schwing-Hakens aus Schwarz Kr. Neustrelitz 84 cm. Vgl. auch Abb. 5. Echte Vergleichsmöglichkeiten bieten die zahlreichen im Terrain festgestellten Radvorgestellhaken. Hier beträgt die 47 maximale Grindellänge - bei einem Gerät aus Mecklenburg/ , die Minimallänge - bei einem Haken aus Völkshagen Kr. Rib-
Dorf Kr. Wismar - 203 cm
nitz-Damgarten - 119 cm. Als Durchschnittslänge der Grindel von Radvorgestellhaken habe ich 165 cm errechnet. - Die Stärke des Grindels variiert zwischen 12 und 7 cm; normale Hakengrindel sind etwa 9 cm stark. ^ Ihr Querschnitt ist im vorderen und mittleren Teil zumeist rund, der hintere Teil dagegen unten abgeplattet. Alle Hakengrindel bestehen, sofern sie einen selbständigen Gerippeteil ausmachen und nicht direkt aus dem Eisenkrümmel hervorgehen, aus Holz. Unter49den Baumarten bevorzugte man Eiche und Birke, daneben kommen Esche und Akazie vor. Neben den besprochenen Verbindungsarten zum Krümmel sind eiserne Ringe oder Bänder hervorzuheben, die Grindel und Holzkrümmel umspannen (Abb. 5, 14 usw.). In älterer Zeit verwendete man an ihrer Stelle "Weden", also geschmeidige Weidenzweige, "die in der Form 50 eines Ringes oder Kranzes zusammengedrehet wurden" , doch weisen weder erhaltene noch
45
Der Mecklenburgische Haken
in der Literatur abgebildete Haken aus unserem Untersuchungsraum eindeutig diese archai51 sehe Verbindungsart auf.
Zumeist sind es zwei Eisenringe, die Grindel und Krümmel um-
klammern, wofür auch zwei frühe Belege (1719 Vogtshagen Kr. Rostock und 1749 Rönnebeck 52 53 Kr. Gransee) sprechen. Gelegentlich kommen auch drei Eisenringe vor. S 8. Die Sohle. Die Hakensohle ist durchschnittlich 77 cm lang, 6 bis 10 cm hoch und 10 cm breit. In sie sind von oben der Zapfen des Krümmels und (schräge) der Sterzenfuß eingelassen. Wenn beide aus Holz bestehen, stellt jeweils ein waagerecht hindurchgeschlagener Holznagel die Verbindung her. Eiserne Krümmel milnden in einem entsprechend kleineren Sohlenloch und sind durch senkrechte Nieten oder eine waagerechte Niete befestigt; eiserne Sterzenfüße werden aufgeschraubt. Abb. 11 zeigt typische Sohlen mit Krümmelund Sterzenbefestigung. Von der Seite bietet die Sohle in der Regel das Bild eines asymmetrischen Trapezes; sie ist vorn in der Neigungslinie des Hakenbretts zugespitzt und hinten ein wenig abgeschrägt. Keine Trapezform besitzen diejenigen Sohlen, deren gesamter hinterer Teil um einige Zentimeter erhöht ist (vgl. Abb. 12, 71b-d). Diese Bauart mag zunächst eine Notlösung dargestellt haben, wenn der Krümmel verkürzt werden mußte (weil z.B. sein Zapfen abgebrochen war) 54; später hat man die Sohle aber auch gleich mit der hinteren Erhöhung hergestellt, wie zum Beispiel das Musterbuch des Stellmachers Hermann Meyer in Dolgen Kr. Neustre55 litz beweist. In dem mir vorliegenden Material Bind - soweit die Krümmel aus Holz bestehen - beide Sohlenformen etwa gleich häufig vertreten. Auch einzelne Geräte mit eisernem Krümmel weisen noch die in solchen Fällen eindeutig traditionsgebundene, funktionslose Sohlenerhöhung auf. 56 In die abgeschrägte Vorderfront der Sohle ist nicht selten eine Nute eingelassen, in welche eine "Feder" des unteren Hakenbretts hineingreift (Abb. 71b), jedoch hat das Aufschlagen des Hakenbretts mit Eisennägeln als die zuverlässigere Befesti57 gung zu gelten. Ist anstatt des Hakenbretts eine Hakenblechschiene vorhanden, wird die Verbindung durch eine Schraube oder Niete hergestellt (Abb. 13). Als Holzart wurde für die Sohle entweder Buche oder Eiche verwendet.
58
Die Sohle als den dem Verschleiß am meisten ausgesetzten Teil des Geräts suchte man auf verschiedene Art widerstandsfähiger zu machen. Die archaischste Methode ist zweifellos das Eintreiben von kleinen zerschlagenen Feuersteinen an der Unterkante, wie sie Johann Heinrich von Thünen tadelnd erwähnt. 59 Die Praxis scheint auch noch in der zweiten 60
Hälfte des 19. Jahrhunderts geübt worden zu sein
, aber unter den erhaltenen Geräten fin-
det sich leider kein entsprechendes Exemplar. Hingegen ist die andere, weitaus geläufigere Methode, nämlich zwei Eisenschienen unter die Hakensohle zu legen, vom ausgehenden Mittelalter 61 bis zum gegenwärtigen Anschauungsmaterial durchgehend bezeugt. Abb. 12 b
Die Typen
Abb. 11. Hakensohlen, Krümmel-/ Sterzenbefestigung. a) Klockenhagen Kr. Ribnitz-Damgarten. b) MeesigerKr. Demmin.
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VMM 10cm Abb. 12.
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Hakensohlen. a) Gielau Kr. Lüchow-Dannenberg. b) Kreuzburg K r . Perleberg.
Abb. 13. Hakensohle mit Beschlag, Hakeisen und-blech. Koldenhof Kr. Neustrelitz.
Abb. 14. Mecklenburgischer Haken mit verzierter Sterze.Bevensen Kr. Uelzen.
Andere Hakentypen
49
zeigt die eisenbeschlagene Sohle eines Mecklenburgischen Hakens von unten. Bei jungen Geräten besteht häufig die Sohle ganz aus Eisen. Ich habe im Terrain - namentlich in Südmecklenburg und der nördlichen Prignitz - 20 solche Haken mit vollständig eiserner Sohle erfaßt. 62 § 9. Die Sterze. Der Mecklenburgische Haken besitzt stets nur eine Sterze.
Ihre Kon-
struktion spielt im Gefüge des Hakens eine bestimmende Rolle. Sie durchbohrt nämlich den Krümmel und mündet in der Sohle; damit vollendet sie die drehsteife Dreieckskonstruktion der Gerippeteile des ganzen Geräts. Die Hakensterze steigt aus der Sohle zumeist unter einem Winkel von etwa 45° auf. Ihre Länge beträgt von der Sohle bis zum Handgriff durchschnittlich 150 cm, ihr Überstand nach hinten gegenüber dem Sohlenende 80 cm und die Höhe des Handgriffs, der zumeist leicht abwärts geschwungen ist, 85 cm. Das letztere Maß richtet sich im übrigen nach der Körpergröße des Häkers. Die Sterze verjüngt sich nach hinten zu ein wenig; auf Höhe des Krümmels ist sie etwa 5 x 2, 5 cm stark. Nicht selten ist die Sterze - als einziger Teil des Hakens überhaupt! - an ihrer Unterseite durch Einkerbungen 63 schlicht verziert (Abb. 14). - Die Hakensterze besteht im allgemeinen aus Eichenholz. Bei Vorhandensein eines hölzernen Krümmels ist die Sterze des Mecklenburgischen Hakens wie gesagt stets eine Stecksterze, die durch den Krümmel greift. Ebenso verhält es sich bei einer Anzahl von Geräten, die einen eisernen Krümmel aufweisen; letzterer gabelt sich in solchen Fällen für einige Zentimeter, um das Durchstecken der Sterze zu ermöglichen. Die größere Zahl aller Haken mit Eisenkrümmeln aber besitzt keine Stecksterze, son'dern eine Klammersterze. Dabei reicht der hintere, hölzerne Teil der Sterze überhaupt nur bis an den Krümmel; er wird von zwei Eisenschienen umklammert, die sich unten zum Sterzenfuß vereinigen, der seinerseits auf die Sohle aufgenietet oder aufgeschraubt wird. Abb. 15 zeigt die drei Hauptmöglichkeiten der Sterze-Krümmel-Konstruktion. Hinzuzufügen ist, daß bei einigen Geräten sogar die ganze Sterze aus Eisen besteht und nur der oberste Handgriff hölzern ist. Weiterhin finden sich gelegentlich Bügel und Streben, die zum Krümmel oder zur Sohle reichen; sie stellen eine zusätzliche Befestigung dar (Abb. 16). Alle weiteren typologischen Merkmale, die sich jedoch vorwiegend auf die Funktion des Geräts beziehen - Radvorgestell, Joch usw. - werden in Kapitel II, 1, § 21 - 23, 29, behandelt.
3. Andere Hakentypen § 10. Neben dem Mecklenburgischen Haken konnten einige wenige Geräte ermittelt werden, die im weiteren Sinne gleichfalls zur Gattung der Haken gehören. Sie weisen ein gänz-
Die Typen
50
Abb. 17. Vierseithaken, einsterzig. Hetzdorf Kr. Strasburg.
Abb. 18. Vier seithaken, zweisterzig, mit Hinterbaum. Warenberg Kr. Seehausen. Grindellänge 194 cm.
Abb. 19. "Haken". Köhlen Kr. Lüchow-Dannenberg.
Andere Hakentypen
51
V///////A 20 cm
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1
Abb. 20. "Haken", zweisterzig. Museum Waren (Müritz).
Abb. 21. Kontaktform zwischen Vierseit- und Mecklenburgischem Haken. Lütow/Usedom Kr. Wolgast.
52
Die Typen
lieh anderes Gerippe auf. Ihre. Existenz ist literarisch nur ein Mal zuverlässig belegt, und zwar durch den landwirtschaftlichen und Reise-Schriftsteller Gumprecht, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts vom Gut Kalübbe Kr. Altentreptow berichtet: "Der Mecklenburger Haken wird nur zum Brachen, zur Saatbestellung dagegen der mit Vordergestell und Ohren angewendet." 1 Dieser gänzlich isolierten Erwähnung entspricht das völlige Fehlen solcher 2
Geräte in den musealen Sammlungen unseres Untersuchungsgebiets. Einzelne Gewährsleute im nördlichen Brandenburg erinnerten sich noch an vierseitige Haken. Mit ihnen soll vor dem ersten Weltkrieg zum Beispiel in Gandow Kr. Ludwigslust (Westprignitz), Wahrenberg Kr. 3 Seehausen (Altmark) und Ellingen Kr. Prenzlau (Uckermark) geackert worden sein. Abb. 18 gibt einen solchen Haken (mit Hinterbaum und zwei 4 Sterzen) wieder.
Die einsterzige Variante scheint noch seltener vorgekommen zu sein;
der Bauer Meinke in Hetzdorf Kr. Strasburg besaß noch ein Fragment davon. Wie Abb. 17 zeigt, besitzt das Gerät ein vierseitiges Gerippe, das aus Sohle, Grindel, Griessäule und Sterze besteht. Die Schar wurde auf die Sohle in leichter Schräge aufgelegt; von den Seitenkanten der Sohle standen zwei Streichpflöcke (Ohren) ab. Die Anspannung e r folgte über ein Radvorgestell. Das Gerät wurde auf stark verunkrautetem Acker und zum Kartoffelnausnehmen benutzt (daher mundartlich Nudelhaken genannt). - Eine zum Teil schon eiserne Nachbildung mit eigenartiger Sterzenanordnung und ohne Streichpflöcke konnte ich auf dem Hof des Bauern Främke in Köhlen Kr. Lüchow-Dannenberg feststellen (Abb. 19). Weitere Geräte dieses Typs haben sich aus unserem Untersuchungsraum, in den sie offenbar von Süden her vereinzelt eingesprengt worden sind, nicht nachweisen lassen. 5 g Völlig vereinzelt steht ein weiterer Haken dar, der überdies nicht lokalisiert ist.
Sein
Gerippe besteht aus Sohle und Grindel, die durch einen nach unten gekrümmten Hinterbaum sowie eine Art Hakenbrett mit Hakeisen verbunden sind; hinzutreten zwei Sterzen. Ferner ist ein Radvorgestell vorhanden (Abb. 20). Eine auf den ersten Blick erkennbare Kontaktform zeigt Abb. 21. Diese nur der Vollständigkeit halber mitaufgeführten Haken sind in jeder Hinsicht atypisch für die jüngere Untersuchungszeit. Gänzlich gefehlt haben dürften sie vor 1800.
4. Häufelgeräte § 11. Den in den bisherigen Abschnitten behandelten symmetrischen Typen läßt sich eine weitere Gruppe von Geräten an die Seite stellen. Es sind dies die in der volkskundlichen Literatur sonst wenig beachteten sogenannten Häufel"pflüge". Ihre Arbeitsweise ist gleichfalls symmetrisch, aber sie stellen im Gegensatz zu den Haken kein Universalgerät, son-
Häufelgeräte
53
dern ein Spezialgerät, und zwar für die Häufelkulturen, dar. Markantestes Kennzeichen sind die beidseitigen Streichbretter. Bevor auf die verschiedenen Gerippeformen eingegangen wird, behandeln wir kurz die allen Häufelgeräten gemeinsamen Bestandteile. Die Schar stellt in der Draufsicht ein gleichschenkliges Dreieck dar; ihre Länge beträgt durchschnittlich 16 cm, die Breite 15 cm. Sie ist in der Regel stark ( 4 - 5 cm) gewölbt und innen entsprechend hohl. Die Schar sitzt dem vorderen, abgeschrägten Teil der Sohle auf und ist unterschiedlich stark abwärts geneigt. Die Befestigung stellt eine Niete oder Schraube her, die durch die Schar und die Sohle greift. Die Streichbretter des Häufelpflugs bestehen bei allen älteren Exemplaren aus Holz. Sie sind jeweils 46 cm lang und 19 cm hoch (Durchschnittswerte). Beide Streichbretter stehen im gleichen spitzen Winkel von der Längsachse des Geräts ab. Vorn sind sie - zum Teil mit Hilfe eines eisernen Scharniers - an der senkrecht zwischen Grindel und Sohle verlaufenden Griessäule befestigt; die hintere Verbindung bilden zum Hinterbaum verlaufende Streben. Die Länge des Grindels, die eine Vorstellung von der Dimension der Häufelgeräte v e r mitteln kann, beträgt durchschnittlich nur 125 cm. Das eigentliche Gerippe der Häufelgeräte unseres Untersuchungsraums ist äußerst variantenreich. Es dominieren Vierseitigkeit und Zweisterzigkeit, wobei die verschiedenen Untertypen vor allem hinsichtlich der Sterzenbefestigung differieren. Daneben kommen völlig abweichende Formen vor. Eine erste Untergruppe der Vierseittypen ist durch das Vorhandensein eines Hinterbaums gekennzeichnet. Dieser Gerippeteil, der nicht mit einer Sterze identisch ist, fußt in der Sohle und wird vom Grindelzapfen durchbohrt. Die Sterzen sind entweder ausschließlich an ihm befestigt (Geräte aus Göhren Kr. Rügen, Arpshagen Kr. Grevesmühlen, Meuchefitz Kr. Lüchow-Dannenberg) 1 , zumeist aber passieren sie den Hinterbaum nur und münden am Grindel (Geräte aus Göhren Kr. Rügen, Vitte/Hiddensee Kr. Rügen, Below Kr. Lübz, Sukow Kr. 2 Schwerin, Püttelkow Kr. Hagenow) , in der Sohle auf Höhe des Hinterbaums (Geräte aus 3 Brudersdorf Kr. Malchin, Ritzerow Kr. Malchin, Polkau Kr. Osterburg u. a.) , in der Soh4 le nahe der Griessäule (Geräte aus Penzin Kr. Bützow und Welzin Kr. Grevesmühlen) oder 5 direkt an der Griessäule (Gerät aus Kirchdorf/Poel Kr. Wismar) . Abb. 22a - c zeigen drei charakteristische Häufelpflüge der genannten Untergruppe. Die zweite Untergruppe der Vierseittypen weist ein im engeren Sinne vierseitiges Gerippe nach Art der unten näher zu untersuchenden Beetpflüge auf. Es besteht aus Sohle, Griessäule, Grindel und Sterze. Die Sterze besteht zunächst aus einem geschlossenen Stück, das sich oberhalb des Grindels gabelt; dabei kann es sich um ein tatsächlich gegabeltes Holz
Die Typen
Abb. 22. Häufelpflüge mit Hinterbaum. a) Meuchefitz Kr. Lüchow-Dannenberg. b) Sukow Kr. Schwerin. c) Polkau Kr. Osterburg.
I
, , •] 20cm Abb. 23. Häufelpflüge mit verschiedenen Gerippevarianten, a) Boizenburg Kr. Hagenow.b) Boltenmühle Kr. Neuruppin. c) Wendischhagen Kr. Malchin.
56
Die Typen
oder um eine Hauptsterze mit angestückter Nebensterze handeln. Entsprechende Geräte sind aus Abbendorf Kr. g Salzwedel, Rohrberg Kr. Klötze, Beetz Kr. Oranienburg und Boizenburg Kr. Hagenow belegt. Vgl. Abb. 23a. Neben den Vierseittypen sind als Einzelexemplare zwei gänzlich anders konstruierte Geräte zu erwähnen. Darunter fällt das Gerippe des Häufelpflugs aus Boltenmtihle Kr. Neuruppin völlig aus dem regional üblichen Rahmen. Abb. 23b zeigt dieses Gerät. Es besteht aus einem dreiseitigen Gerippe, dessen Teile ein Lochgrindel, eine Griessäule und ein beide verbindendes "Haupt" bilden; die Sterzen münden am Grindel. Einmalig scheint schließlich auch ein Häufelgerät aus Wendischhagen Kr. Malchin (Abb. 7 23c) zu sein, dessen Gerippe das des Mecklenburgischen Hakens ist. Statt des Hakenbretts finden wir Streichbretter, die vorn an einer Art Griessäule (Eisenstab) befestigt sind. Da die Sterze des nur noch fragmentarisch erhaltenen Stücks abgebrochen ist, bleibt fraglich, ob sie sich in zwei Handhaben gegabelt hat. Auf eine ins Einzelne gehende Untersuchung der verschiedenen Gerippeteile verzichten wir bei diesem sekundären Bodenbearbeitungsgerät, dessen Existenz aus Mecklenburg zum ersten Mal kurz vor 1800 erwähnt ist. Hier möge ein Hinweis auf die "Beschreibung des Kartoffelpfluges" aus der Feder des Rostocker Ökonomieprofessors Franz Christian Lorenz Karsten genUgen.
8
5. Der Beetpflug § 12. Die hölzernen Beetpflüge 1 meines Untersuchungsraums besitzen ausnahmslos ein vierseitiges Gerippe. Es wird gebildet durch Sohle, Sterze, Grindel und Griessäule. Varianten ergeben sich durch die verschiedenen Grindelformen, die wiederum funktional bedingt sind, sowie rein typologisch durch Zahl und Form der Sterzen. Die arbeitenden Teile sind die Schar, das Streichbrett und das Sech. Die vierseitige Gerippeform ist von der e r sten Abbildung in Gestalt eines Kupferstichs aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (Taf. 4) bis zu Geräten, wie sie der auf Abb. 24 wiedergegebene Beetpflug aus Düpow Kr. Perleberg r e präsentiert, offenbar konstant. Die für den Beetpflug - wegen der Dominanz des vielbeachteten Hakens - im ganzen weniger ergiebigen literarischen Quellen heben neben Einzelheiten besonders die ungewöhnliche Größe des Geräts hervor. "Der Pflug nach alter Bauart ist in der That ein klotziges Instrument, das vom aufgehobenen Fuße des Pflügers bis zur Schnauze der Vorderpferde gewiß und 2
gut seine dreißig Fuß Q9, 5 m ] mißt." Ein 1786 zu statistischen Zwecken gewogener Beetpflug samt Radvorgestell aus Preten Kr. Hagenow (Hannoversches Amt Neuhaus) hatte ein
Der Beetpflug
Abb. 24. Norddeutscher Beetpflug, Ende 19. Jh. DüpowKr. Perleberg (Grindellänge 224 cm). Detail: Scharbefestigung.
57
58
Die Typen
3 Gewicht von 84, 5 kg. Andernorts, besonders in der Gegend von Wismar, klagte man hin4 gegen Uber die zu kleine Bauart der Pflüge. Wir beschreiben die typologischen Merkmale wiederum im Zusammenhang mit den einzelnen Geräteteilen. S 13. Die Schar. Die eiserne Pflugschar stellt in allen mir bekannten Fällen in der Draufsicht ein Dreieck dar, das innen goffen ist; man könnte sie daher auch als Triangel mit breiten Seitenrändern bezeichnen.
Das Dreieck ist in der Regel nach oben nur unbe-
deutend gewölbt, nach unten entsprechend hohl oder auch völlig platt. Alle Pflugscharen sind asymmetrisch, wenngleich sie für sich, d.h. losgelöst von der Sohle betrachtet, gleichschenkligen Dreiecken nahezukommen scheinen. Im spitzen Winkel treffen die "Landseite" und die "Furchenseite" oder Schneide der Schar aufeinander; er beträgt durchschnittlich 45-50°. Die unterschiedlich große Öffnung innerhalb des Schardreiecks liegt stets nach der Landseite zu, beläßt also den breitesten Eisenrand nach der Schneide hin. Die Öffnung ist g zum Teil so groß, daß die von ihr gebildete Fläche die der Eisenränder übetrifft , bei ei7 nigen Stücken aber auch so klein, daß gerade die Eisenkrampe hindurchgreifen kann. Die Mehrzahl der Fälle weist keines dieser beiden Extreme auf. Abb. 25 zeigt typische Pflugg scharen aus unserem Untersuchungsraum.
Diese wie alle anderen haben die Schneide auf
der rechten Seite. Die Spitze wurde von den Schmieden verstahlt (s. § 48); die sämtlich abgenutzten Schare aus dem vorliegenden Material weisen jedoch in keinem Fall eine hervorstechende Stahlg spitze (Ort) auf.
Gut erkennbar dagegen ist häufig eine andere Spitze, die weniger der
Abnutzung ausgesetzt war. Sie bildet eine schmalere Fortsetzung der Landseite der Schar und ist bis zu 3 cm lang (Abb. 25a - c), also wesentlich kürzer als bei den dänischen Exemplaren, wo sie der Befestigung an der Griessäule dient. Die absolute Länge der Pflugschare ist variabel; sie schwankt bei einer Durchschnitts länge von 32 cm (auf der Landselte) zwischen 25 und 40 cm. Die Breite beträgt durchschnittlich 19 cm. Nach landesherrlicher Anordnung sollte eine Pflugschar im Fürstentum Ratzeburg um 1780 eine Länge von "nicht unter 10 Zoll" (24 cm) besitzen 10 ; der normale Pflug auf der Insel Fehmarn hatte um 1800 eine Schar von nur 21, 5 cm Länge. 1 1 Einen weiteren Anhaltspunkt bieten mit dem Vorbehalt, daß die dreieckige Öffnung verschieden groß gewesen sein kann, die vorliegenden historischen Gewichtsangaben.
12
(Siehe Aufstellung S. 60 .)
Schumacher schreibt der Schar des mecklenburgischen Pfluges allgemein ein Gewicht 13 von 3000 g zu. Die Befestigung der Schar ist bei den meisten älteren Stücken einheitlich. Die Schar liegt der leicht nach vorn und nach rechts abfallenden Sohle unmittelbar auf. Die Sohle weist
59
Der Beetpflug
Van Abb. 25. Beetpflugschare, a) Ostmecklenburg, spätmittelalterlich. b) Spiegelhagen Kr. Perleberg, c) Dlipow Kr. Perleberg. /
/
Die Typen
60
Ort
Kreis
Betrieb
Jahr
Gewicht (gr
Harkensee
Grevesmühlen
Gut
1688
3000
Scharbow
Hagenow
Gut
1730
3000
Selmsdorf
Grevesmühlen
Bauer
1758
1625
Bartelsdorf
Rostock
Bauer
1760
2250
häufig ein wenige mm erhabenes Dreieck auf, das durch die ebenfalls dreieckige Scharöffnung greifen kann, wodurch die Schar horizontal bereits unverrückbar ist. Die eigentliche Befestigung erfolgt sodann durch eine in die Sohle (das erhabene Dreieck) eingelassene eiserne Krampe, durch die zumeist in Längsrichtung des Geräts ein gleichfalls eiserner Keil getrieben wird. Abb. 24 veranschaulicht diese Befestigungsweise, die archivalisch recht weit zurückzuverfolgen ist; vgl. die in §§33 und 51 gegebenen Belege, die 14 mit 1501 Ivenack Kr. Malchin einsetzen. "Die auf dem Vordertheile des Hauptes vermittelst der Schaarkrampe und des Scharstock' s befestigte Pflugschaar" ist literarisch auch für das ostholsteinische Gebiet be15 zeugt. Das nördliche Brandenburg und die Altmark weisen an rezenten Geräten diese 16
Befestigungsart auf
, doch scheint die letztere Landschaft auch eine andere Methode ge-
kannt zu haben, wie eine Schmiederechnung aus17Brunau Kr. Kalbe/Milde von 1744 beweist: "Das große Schar auf das Hoefft aufgebrennt." Ebenso heißt es von der Befestigung der Pflugschar im nordöstlichen Niedersachsen zum Jahre 1786: "Das hintere Pflugeisen oder Schaar der Amts Neuhäusischen Pflüge ist an den18Pflug geschmiedet, muß also immer bis zu dessen völliger Abnutzung sitzen bleiben . . . " Beetpflugschare mit Tüllen kommen in unserem Untersuchungsraum nicht vor. § 14. Das Streichbrett. Das hölzerne Streichbrett befindet sich bei allen abgebildeten und heute noch vorhandenen Pflügen auf der rechten Seite. Der dänische Reiseschriftsteller undausschließlich Ökonom Friedrich Buchwald beobachtete um 1780anindie Mecklenburg neben 19 , Haken jenen von Pflug, "welcher die Erde'immer rechte Seite legt"dem und Albrecht Thaer war aus ganz Norddeutschland um 1800 ebenfalls nur der Pflug mit 20
rechtsseitigem Streichbrett bekannt. Das Streichbrett steht von der Längsachse des Geräts in einem Winkel von 30 - 40° nach der Seite hin ab. Seine Form ist grob gesehen oblong, wobei es nach hinten an Höhe verliert und vorn Aussparungen aufweist, um Sohle und Grindel passieren zu können. Die Länge hat bei Pflügen um 1800 bis zu 100 cm (Amt Neuhaus), stellenweise sogar bis zu 112 cm (Insel Fehmarn) 2 1 betragen. Das längste Streichbrett aus meinem Belegmaterial besitzt
Der Beetpflug
61 22
der Pflug aus Bandekow Kr. Hagenow mit 77 cm (Abb. 26); Durchschnittswert ist 70 cm. Die größte Höhe weist das Streichbrett gewöhnlich in der Mitte auf; sie beträgt durchschnittlich 31 cm. Die Stärke ist allgemein 3 cm. Viele Streichbretter bestehen nicht aus einem durchgehenden Teil, sondern sind gestückt. Vorn ist das Streichbrett an der Griessäule befestigt, wobei starke Holznieten die Verbindung herstellen; zusätzlich schlug man wohl auch einen "Nagel ins reesterbrett" (1849 23 Kuhstorf Kr. Hagenow).
Vom hinteren Teil des Streichbretts trifft ein runder Holzstab
im rechten Winkel auf die Sohle oder die Sterze. Abb. 24, 26 und 29 stellen die Befestigung des Streichbretts dar. Als Holzarten für das Streichbrett des Pfluges sind in älteren Quellen Buche und Esche erwähnt. Wismar 1608: "2 brede stücke bokenholtz zu resterbreden auf die pflüg"; 24 Bookhörst Kr. Ribnitz-Damgarten 1783: "1 Esche zu Hackenbretter und Fluchreister". Um die natürliche Abnutzung zu mindern, beschlug man die untere Seite des Streichbretts gewöhnlich mit Eisen. Solche schmalen "Schienen" sind seit dem 16. Jahrhundert durchgehend bezeugt (vgl. § 51), finden sich jedoch an den erhaltenen Geräten nur noch teilweise. Bei vielen dieser jüngeren Pflüge nämlich ist das alte Holzstreichbrett schon völlig mit Eisen Uberschmiedet, und zwar dergestalt, daß Schar und Streich"brett" von außen eine Einheit bilden (Abb. 82). Mit diesem "krumm ausgeschweiften Eisen", das aus Ostholstein 25 früh belegt ist
, deutet sich bereits der konkave, gewundene Pflugkörper an, wie er für
die modernen Geräte charakteristisch ist. An dieser Stelle soll noch auf das sogenannte Molterbrett hingewiesen werden. Wenn überhaupt vorhanden, befindet es sich zwischen Griessäule und Sterze, Grindel und Sohle; es schließt also das Vierseitgerippe des Pfluges nach der "Landseite" hin völlig ab. Auf den der Mittelmark häufig wollte anzutreffen, angeblich das Herabrieseln des leichten Sandes inBöden den Pflugkasten verhindern 26 , ist weil es inman unserem Untersuchungsraum sporadisch verbreitet. Ein Molterbrett besitzen z. B. die Pflüge aus Gandow Kr. Ludwigs27 lust (Abb. 28), aus Rohrberg Kr. Klötze und (unlokalisiert) aus dem Lüneburgischen. Ein entsprechendes Molterblech weisen verschiedene jüngere Geräte mit modernem Pflugkörper auf (Abb. 35a). S 15. Das Sech. Der normale Beetpflug des hier behandelten Gebiets besitzt als dritten "arbeitenden" Teil das eiserne Sech. Sein Vorhandensein läßt sich auf Grund archivalischer 28 Zeugnisse bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Hölzerne Pflüge ohne Sech, wie sie aus 29 der mittleren Uckermark mehrfach schriftlich bezeugt sind , bilden unter dem mir vorliegenden Material die Ausnahme. Eine solche stellt der von Bomann 1927, S. 131 abgebildete niedersächsische Pflug dar, der jedoch bereits einen aufgeschmiedeten konkaven Pflug-
Die Typen
62
Abb. 27. Einsterziger Beetpflug. Insel Fehmarn (nach Führer Museum Altona).
Abb. 28. Zweisterziger Beetpflug mit Molterbrett. Gandow Kr. Ludwigslust (Grindellänge 248 cm, Radvorgestell und Sech verloren).
Der Beetpflug
63
körper besitzt. Überhaupt fehlt an den - unten noch näher zu besprechenden - moderneren Geräten ¿umeist oder oft das Sech. Das Sech besteht aus einem durchschnittlich 56 cm lang geschmiedeten Eisenstück, das sich in Griff und Schneide gliedert. Der durch ein Grindelloch gesteckte und verkeilte Griff besitzt eine quadratische Grundfläche (etwa 4 x 4 cm). Die Schneide verliert nach unten zu an Stärke und ist in PQUgerlchtung geschärft; Ihre Länge beträgt durchschnittlich 27 cm, die Breite 6,5 cm. Gegenüber dem Griff ist sie in der Vertikalen leicht nach vorn abge30 knickt. Als typisch kann das Abb. 63 wiedergegebene Sech aus Breddin Kr. Kyritz gelten. 31 Das Gewicht der Uberlieferten Seche beträgt durchschnittlich 5000 g. Authentische Gewichtsangaben aus älterer Zeit differieren zwischen den Extremen ca. 32 3700 g (1730 Scharbow Kr. Hagenow) und 4500 g (1758 Selmsdorf Kr. GrevesmUhlen). Befestigt ist das Sech in einem vertikalen Grindelloch, das zusätzlich durch Holzkeile 33 geschlossen wird (Abb. 27). Außerdem sind zwei eiserne Ringe vorhanden, die ein Ausbrechen des Sechs verhindern sollen. S 16. Die Sterze. Diesem Gerippeteil ist insofern hohe Aussagekraft beizumessen, als die Zahl der Sterzen in typologlscher Fragestellung stets eine besondere Rolle spielt. In unserem Untersuchungsraum sind einsterzige und zweisterzige Pflüge anzutreffen. Die gröBere Gruppe der Pflüge besitzt nur eine Sterze. Die Einsterzigkeit des norddeutschen Pfluges ist als Besonderheit schon früh beobachtet worden und in der ökonomischen 34 35 36 37 Literatur für das LUneburglsche , Holstein , Mecklenburg und Brandenburg bezeugt. 38 Dieser durch Erinnerungen von älteren Gewährspersonen ("de PLooch hadd eenen Stiert" u. ä.) ergänzte Befund bestätigt sich durch die Überprüfung der abgebildeten und erhaltenen 39 Pflüge. Als frühester Beleg hat eine Radierung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts zu gelten, welche die Einsterzigkeit des Pfluges In Südwestmeckleiiburg bzw. dem ehemaligen Herzogtum Lauenburg klar beweist (Taf. 4). über die Fülle des aus dem 19. Jahrhundert stammenden musealen und im Terrain angetroffenen Belegmaterlals hinweg hat sich die Einsterzigkeit sogar an den Pflügen des jüngeren Typs mit konkavem Pflugkörper, beispielsweise auf Rügen und in der Uckermark, erhalten 40 (s. S 20). Die Gruppe der Holzpflüge mit zwei Sterzen ist nur klein. Aus meinem Untersuchungsraum liegen sechs zweisterzige Exemplare vor: Ein Pflug aus dem Wendland (Kr. Lüchow41 42 Dannenberg) , zwei Pflüge aus Rohrberg Kr. Klötze , ein unlokalisierter Pflug im Bo43 mann-Museum Celle , ein Pflug aus Gandow Kr. Ludwigslust (Abb. 20) und ein unlokali44 sierter Pflug aus Mecklenburg. Hervorzuheben ist die Tatsache, daß es sich in allen Fällen nicht um eine "echte" Zweisterzlgkelt handelt, das heiBt, die rechte Sterze ist stets nur an der Innenseite des Streichbretts befestigt und mündet nicht In der Sohle. Wir müssen also
Die Typen
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richtiger von Hauptsterze und Nebensterze sprechen. Beide sind in ihrer oberen Hälfte durch ein waagerechtes Holz verbunden. Die Nebensterze schwingt von der Längsachse des Geräts leicht nach rechts aus und ist der Hauptsterze sonst weitgehend gleich gestaltet. Da nun die Hauptsterze der genannten Pflüge weder in Form noch Stellung vom Typus der Sterze des einsterzigen Pfluges irgendwie abweicht, kann im folgenden die weitere Besprechung dieses Gerippeteils ungetrennt fortgeführt werden. Die Sterze 4 5 besteht gewöhnlich aus einem gebogenen Holz (Birke, Erle 4 6 ), das - wie Abb. 33 bzw. 29 zeigt - entweder ohne Knick bis an den Handgriff ausschwingt oder (in we47 o nigen Fällen) auf der Hälfte in einem Winkel von etwa 100 abgeknickt ist. Aus der Sohle steigt die Sterze zumeist senkrecht oder leicht nach hinten geneigt auf. Ihre Höhe vom Handgriff bis auf den Boden mißt durchschnittlich 80 cm; der Überstand gegenüber der Hinterkante der Sohle beträgt im Durchschnitt 86 cm. Die Sterze selbst ist an ihrer kräftigsten Stelle auf Höhe des Grindels 8 - 1 0 cm stark, verjüngt sich jedoch leicht nach unten auf durchschnittlich 6 cm. Der Handgriff mißt allgemein 3 cm. Die Grundfläche der Sterze ist quadratisch; nach oben zu ist die Sterze rund. Zwischen Grindel und Sohle sowie oberhalb des Grindels sind die Kanten des quadratischen Holzes häufig sauber gefast (Abb. 30). Alle Pflugsterzen unseres Untersuchungsraumes sind eindeutig Lochsterzen, das heißt, der Grindel greift stets mit einem Zapfen durch die Sterze, nie umgekehrt. Das in Längsrichtung durch die Sterze gebohrte Loch ist zumeist wesentlich größer als der Grindelzapfen; es wird durch Holzkeile geschlossen, deren Größe und Richtung das Hoch- und Niedrigstellen des Geräts bewirken (Abb. 55). Während die Verbindung von Sterze und Grindel keine Unterschiede aufweist, gibt es hinsichtlich der Befestigung der Sterze in der Sohle zwei Varianten (Abb. 29 und 30). Die erste Gruppe von Pflügen besitzt eine Sterze, die mit ihrem Zapfen unmittelbar in die Sohle mündet, wo ein Holznagel die Befestigung vollendet. Die zweite Gruppe ist durch einen abgeknickten Sterzenfuß charakterisiert, welcher der Sohle aufliegt und sich in Richtung auf die Griessäule erstreckt; die Verbindung zur Sohle stellen Eisennägel oder Holzstifte her. Beide Gruppen sind in dem vorliegenden Material etwa gleich stark vertreten, ohne daß sich landschaftliche Besonderheiten erkennen ließen. Einige Sterzen weisen oberhalb des Grindels ein quer hindurchgebohrtes rundes Loch von ca. 2 cm Durchmesser auf. Es diente zum Durchstecken der Pflugreute, die damit nicht nur sicher verwahrt war, sondern an den einsterzigen Pflügen auch eine zusätzliche Handhabe beim Hineinbringen oder Anheben des Geräts b o t . 4 8 i 17. Der Grindel. Er ist der umfänglichste Gerippeteil, dessen Existenz wegen seines Holzwertes sogar in den Inventarverzeichnissen (die sonst fast nur die Eisenteile berück-
Der Beetpflug
65
Abb. 29. Beetp.lug mit einfachem Vierseitgerippe. Warnitz Kr. Schwerin.
v/mm 20cm Abb. 30. Beetpflug mit abgeknicktem Sterzenfuß. Zwischendeich Kr. Perleberg.
Abb. 31. Beetpfluggrindel, Draufsicht. Gothmann Kr. Hagenow.
66
Die Typen
sichtigen) des öfteren belegt ist.
Da er leicht zu zerbrechen drohte^, w&hlte man zu sei51
ner Herstellung zähes Eichenholz. Die Form des geraden, langgestreckten Grindels tritt bei allen rezenten Pflügen unseres Untersuchungsgebiets auf. Eine bedeutsame historische 52 Variante, der Krummpflug mit abgeknicktem Grindel, bleibt vorerst außer Betracht. Der normale Beetpfluggrindel verläuft ohne Knick gerade von der Sterze biB zum Badvorgestell und mißt durchschnittlich 240 cm, 53 wobei die Geräte aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit Uber 300 cm die längsten Grindel aufweisen. Die Orindelstärke beträgt auf Höhe des Sechlochs durchschnittlich 8,5 x 8,5 cm; sie ist vor der Sterze und vorn im Allgemeinen geringer. Der schmale Grindelzapfen, der durch das Sterzenloch greift, besitzt gewöhnlich eine Länge von 12 cm. f
Der typische Beetpfluggrindel, wie ihn Abb. 31 von oben zeigt, ist seinerseits zwei Mal
vertikal durchbohrt. Durch das erste Loch stößt die Griessäule, im zweiten ist das Sech befestigt. Ferner sind im vorderen Teil mehrere kleine Löcher vorhanden, in die der Bolzen der Verbindungskette gesteckt wird. Die scharfen Kanten des Grindels, der in seinem hinteren Teil einen quadratischen Durchmesser besitzt, Bind in der Regel gefast. Der Grindel weist verschiedene eiserne Beschläge und Bänder auf, die seine Festigkeit erhöhen sollen. Ein "gangfertiger, stark beschlagener Pflug" (1784 Beckerwitz Kr. Wismar) 5 ^, kurz auch Eisern Pflug genannt (1616 Golzow Kr. Eberswalde)*5®, mußte außer Schar und Sech vor allem eiserne Grindelbänder besitzen, deren Fehlen nicht selten ausdrücklich vermerkt i s t . E n t g e g e n einer fUr Ostholstein ausgesprochenen Vermutung®' sind für die historischen und rezenten Pflüge in der Begel sowohl Sechbänder wie Griessäulen58 bänder belegt , die den Grindel umspannen und ein Ausbrechen dieser Gefügeteile verhindern sollen. Außerdem ist die Unterseite deB59 Grindels vorn, wo sie dem Radvorgestell aufliegt, häufig durch ein Eisenblech geschützt. Einen von der Norm abweichend gestalteten Grindel weist der sogenannte Krummpflug auf. Es ist dies ein seit langem ausgestorbenes Gerät, auf dessen Existenz lediglich einige archivalische und literarische Notizen deuten. Er wird - nach zwei vorausgehenden kurzen 60
Erwähnungen
- im Jahre 1819 von einem Anonymus wie folgt beschrieben: "In der Gegend
von Klütz [Kr. Grevesmühlen]
soll es noch eine Art Pflüge geben, die einen langen,
etwas krummen Pflugbaum haben, der . h . , ohne Vorhandensein Radvorgestells. U.B.] zwischen den unmittelbar Ochsen Inder[ dJochkoppel gestickt wird."eines 61 Sein Vorkommen scheint sich auf das westliche Mecklenburg beschränkt zu haben. Krumm62 pflüge sind dem Wort nach belegt aus Scharbow Kr. Hagenow (1730) , Hohen Sohön63 berg (1792), Boltenhagen (1793) und Naschendorf (1798) - alle Kr. Grevesmühlen , aus 64 der Gegend von Klütz Kr. Grevesmühlen (1819 und ff.) , aus der Umgebung von Reh65 66 na Kr. Gadebusch und aus Schmakentin Kr. Wismar. Bei diesem Gerät, dessen
67
Der Beetpflug
Abb. 32. Mecklenburgischer Haken mit Krummpfluggrindel. Dechow Kr. Gadebusch (Gesamtlänge 264 cm).
Abb. 33. Beetpflug. Ehem. Fürstentum Ratzeburg (Streichbrett verloren, Grindellänge 203 cm). Detail: Hausmarke im Sech, verzierte Griessäule.
68
Die Typen 67
anläßlich eines Probepflügens festgestelltes Gewicht nur 54 kg betrug
, dürfte es sich um
einen im Gerippe normalen Beetpflug handeln, dessen Besonderheit neben der Jochanspannung (die freilich auch bei anderen Beetpflügen vorgekommen ist) eben in jenem gekrümmten Grindel bestanden hat. Wir besitzen kein einziges erhaltenes Stück dieses Typs, wohl aber eine aussagekräftige Kontaktform. Das Abb. 32 wiedergegebene Gerät aus Dechow Kr. Gadebusch stellt zwar eindeutig einen Mecklenburgischen Haken dar, besitzt aber einen ganz abweichend gestalteten Grindel. Diese Grindelform kann, so meine ich, nur von jenem ausgestorbenen Krummpflug herrühren, der gerade in der engeren Heimat des abgebildeten Hakens verbreitet war. Der Grindel verläuft zunächst parallel zur Sohle, knickt dann jedoch nach unten ab; sein vorderes Ende ist gleichfalls noch leicht abwärts geneigt. Wie die Löcher 68
an der Grindelspitze
beweisen, wurde hier als Verlängerung ein Holz angestückt, das zum
Jochbaum emporreichte. Diese Praxis entspräche der beim Dabergotzer Haken h^snhriebenen Grindelanstückung (s. § 1). § 18. Die Griessäule. Die Griessäule stellt neben der Sterze die Verbindung zwischen Grindel und Sohle her. Sie ist ein dünnes, durchschnittlich 40 cm hohes Brett; ihre Breite 69 70 schwankt zwischen 7 cm
und 14 cm.
Die Griessäule steigt zumeist senkrecht aus der
Sohle auf, in die sie mit einem Zapfen greift, und durchbohrt den Grindel; hier ist sie in etwa der Hälfte aller Fälle außerdem verkeilt (vgl. Abb. 27). Verkeilte Griessäulen besitzen somit in dem entsprechenden Grindelloch einen gewissen Spielraum, der zur Regulierung des Geräts mitgenutzt wird (s. §7129). Nach vorn geneigte Griessäulen - mögliches Indiz für bestimmte ethnische Provenienz - kommen nicht vor. Eine Besonderheit weisen zwei nordwestmecklenburgische Pflüge in Form von verzierten Griessäulen auf. Abb. 33 zeigt die Griessäule eines Pfluges72aus dem ehemaligen Fürstentum Ratzeburg (heute Kr. Grevesmühlen bzw. Kr. Gadebusch). Sauber geschnitzte Kerben und Fasen schmücken diesen sonst wenig hervorgehobenen Gerippeteil. Bedeutsam sind zwei ältere literarische Erwähnungen, wonach der uckermärkische Pflug 73 eine eiserne Griessäule besessen haben soll, die ihrerseits das Sech überflüssig machte. § 19. Die Sohle. Auf ihr (und dem Radvorgestell) ruht das ganze Gerät. Die Sohle ist ein zumeist nur flaches Holz von 5 bis 7 cm Höhe; ihre Länge beträgt durchschnittlich 77 cm. Die größte Breite bestitzt sie unterhalb der Spitze, wo die Schar aufgelegt wird und die Griessäule befestigt ist. Hier schwingt sie weit nach rechts aus, während ihre linke Begrenzung gerade verläuft. Die Sohle ist somit der einzige asymmetrische Teil des Vierseit-Gefüges (vgl. Abb. 29, 33). In die Sohle sind Löcher - ein oblonges und ein nahezu quadratisches eingelassen, in welche die Griessäule und der Sterzenzapfen greifen. Vorn liegt die Schar der Sohle auf (s. § 13).
Moderae PflUge
69
Die Sohle mußte in besonderem Maße gegen zu schnelle Abnutzung geschützt werden. Dies geschah mit Hilfe eines eisernen Beschlages an der Landseite und vor allem an der Unterseite. In den Inventarverzeichnissen ist daher normalerweise nur selten von der Pflug74 75 sohle selbst als vielmehr von ihrem Beschlag die Rede, der bereits früh belegt ist. Das 76 Sohleneisen - häufig aus Altmaterial wie verbrauchten Sensen usw. geschmiedet - wurde 77 entweder aufgenagelt oder aufgeschweißt. Das Gewicht des eisernen Sohlenbeschlages be78 trug
bzw. beträgt 1000 bis 1500 g.
Hölzerne Beetpfliige, die kein vierseitiges Gerippe besitzen, existieren in unserem Untersuchungsraum nicht. 6. Moderne Pflüge § 20. Als "moderne" Pfllige bezeichnen wir Pfluggeräte mit konkav gewundenem, e i s e r nem Pflugkörper, in dem Schar und Streich"brett" zu einer durchgehenden Einheit verschmolzen sind. Dieser kombinierte Pflugkörper macht sie zugleich zu vollendeten Bodenwendepflügen. Funktional treten diese modernen Geräte sowohl als einseitig arbeitende Beetpflüge wie als beidseitig wirkende Kehrpflüge (Unterdrehpflüge, Kipppflüge) auf. Es kann nicht Aufgabe einer volkskundlichen Arbeit sein, die Formen der jungen und jüngsten PflUge typologisch zu untersuchen; hier sei auf das agrotechnische und technikgeschichtliche Schrifttum verwiesen. Dagegen wird die Einführung der modernen Pflüge im Zusammenhang mit der Auflösung der historischen Pfluglandschaft und mit den ländlichen Eigentumsverhältnissen auch in unserer Darstellung zur Sprache kommen. Der jetzt zunächst allein interessierende typologische Gesichtspunkt reduziert sich auf die Frage, inwieweit tradierte Formelemente des hölzernen Beetpfluges in entsprechenden Übergangsformen zum modernen Pflug greifbar werden. Bei Behandlung der hölzernen Beetpflüge konnte bereits festgestellt werden, daß das Streichbrett nicht selten mit einem Eisenbeschlag versehen wurde, der die Erreichung einer konkav-gewundenen Form anstrebte. Hier handelt es sich jedoch um eine bloße - wenngleich entscheidende - Zutat, wobei das alte Gerippe nicht Relikt, sondern Grundlage ist. Vgl. Abb. 82. Tradierte Elemente an wirklich modernen, d.h. mit völlig eisernem Pflugkörper versehenen Pflügen sind demgegenüber: Die Einsterzigkeit. Ein Charakteristikum der weitaus meisten modernen Pflüge unseres Untersuchungsraums ist das Vorhandensein von zwei Sterzen. Die Zweisterzigkeit der f r ü hen Importpflüge aus England 1 und der im Lande selbst nachgebauten Geräte wurde derart zur Norm, daß vielen Gewährsleuten heute überhaupt nur der zweisterzige Pflug erinnerlich ist, nämlich überall dort, wo där einsterzige hölzerne Beetpflug schon am Ende des 19. Jahr-
70
Die Typen 2
hunderte ausgestorben war.
Um so auffälliger ist die Bewahrung der Elnsterzigkeit bei
Pflügen mit kombiniertem Pflugkörper im östlichen Teil unseres Gebiets. Auf den Inseln Rügen und Usedom sowie in3 der Uckermark ist der einsterzige Bodenwendepflug nicht nur in der Erinnerung lebendig , sondern auch in wenigen Stücken noch greifbar. Eine Sterze bestitzt z.B. der uckermärkische Pflug aus Schmiedeberg Kr. AngermUnde, den die Hand4 Zeichnung von J. O. von der Hagen zeigt (Tai. 7) ; ebenso sind die rügenschen und usedomschen Pflüge unbeschadet ihres Fabrik-Pflugkörpere einsterzig. 5 Vgl. Abb. 34, Taf. 5b. Alle anderen modernen Pflüge unseres Untersuchungsraums besitzen selbst bei hölzernem Rest-Gerippe zwei Sterzen. Eiserne Sterzen schließlich treten ausschließlich zu zweit auf. Mit der Elnsterzigkeit der östlichen Gruppe unter den Übergangsformen geht zumeist eine weitere traditionelle -Eigentümlichkeit einher: die Bewahrung des (hölzernen) Radvorgestells. Der größte Teil des Gebiets kennt bei den jungen Formen an sich nur den Schwing„ 6 pflüg. Lochsterze und Zapfengrindel. Alle modernen Pflüge weisen, soweit Sterze(n) und Grindel noch aus Holz bestehen, ein tradiertes GefUgemerkmal auf: Der Grindel ist stets ein Zapfengrindel und greift durch die Sterze, nie umgekehrt. Dabei ist es gleichgültig, ob nur eine Sterze vorhanden ist oder zwei Sterzen existieren; im letzteren Fall, der bekanntlich der häufigere ist, ist die Hauptsterze eine völlig traditionelle Lochsterze. Abb. 35a steht stellvertretend für eine große Zahl entsprechender Belege. Das Sech. Die weitaus meisten modernen Pflüge besitzen kein Sech. Es ist normalerweise überflüssig, da sowohl der horizontale wie der vertikale Schnitt (durch Schar und Sech) nunmehr durch den steiler gestellten konkav-gewundenen Pflugkörper in einem Vorgang erfolgt. "Am Pfluge hielten sie das Schaarmesser (cultor) nicht für erforderlich und hätten solches an ihren Pflügen nicht", erklärten 1857 die Teilnehmer einer Fachdiskussion 7 Uber neuere Pflüge in Teterow. Die Beibehaltung des Sechs besitzt somit ebenfalls Reliktcharakter, der typologlsch, nicht funktional-technisch bedeutsam ist. Das Sech findet sich vor allem an Pflügen des westlichen Teils unseres Untersuchungsraums bewahrt. Abb. 35b zeigt einen jüngeren Schwingpflug mit modernem Pflugkörper und traditionellem Sech. Die Befestigung des Sechs ist anders als bei den gänzlich hölzernen Beetpfltigen. Es wird nicht durch ein Grindelloch gesteckt, sondern seitlich (links) in einer entsprechenden Kerbe des Grindels angebracht und von einem Eisenbügel festgehalten. An Stelle des Sechs findet sich - bevorzugt in Holstein und Niedersachsen - des öfteren ein "Vorschäler", der jedoch keinerlei heimische Tradition besitzt. Auch g die Anbringung eines "halben Mondes", also einer Scheibe, am unteren Teil des Sechs ist eine jüngere Zutat.
Abb. 35. Bodenwendepflüge. a) Malk Kr. Ludwigslust. b) Moraas Kr. Hagenow.
Die Typen
72
Außer den genannten tradierten Formelementen weisen die modernen Pflüge mit konkavgewundenem Pflugkörper in unserem Untersuchungsraum keine regionalen Besonderheiten auf. Die geschilderten Übergangsformen besitzen in der Regel noch hölzerne Grindel und g Sterzen, dagegen sind die Sohle - mit nur einer Ausnahme!
- und die Griessäule (die fak-
tisch aus dem Gerippe verschwindet) stets eisern. In der Folgezeit verdrängt das Metall auch die letzten Holzteile aus Grindel und Sterze. Heute sind sowohl die kleineren Schwingpflüge wie die großen Mehrscharpflüge vollständig eisern.
n . DDE FUNKTION
1. Die Anspannung Unter den funktionalen Merkmalen von Haken und Pflug sollen zunächst die Formen der Anspannung und die Arten des Spannviehs behandelt werden. Insbesondere die Anspannung ob Radvorgestell-, Joch- oder Schwingpflug bzw. -haken - wirft neben dem dominierenden funktionalen Gesichtspunkt natürlicherweise auch typologische Fragen auf, die am besten • im unmittelbaren Anschluß an das vorige Kapitel zu klären sind. Wir untersuchen zunächst die Anschirr gerate und besprechen im Anschluß daran die Arten des Zugviehs selbst. § 21. Das Joch. DaB Vorhandensein des Jochs in unserem Untersuchungsraum ist eine durch zahlreiche historische Hinweise erhärtete Tatsache. Sooft freilich auch in Inventarverzeichnissen und anderswo das Joch dem Wort nach bezeugt ist, so schmal ist die Quellenbasis in bezug auf exakte Beschreibungen, Abbildungen und rezente Stücke. Zusammengenommen jedoch läßt das mir vorliegende Material Schlüsse zu, die den für Norddeutschland bislang kaum untersuchten, seit vielen Jahrzehnten ausgestorbenen Gegenstand wesentlich erhellen. Zunächst muß betont werden, daß die Existenz des Jochs keineswegs auf einen bestimmten Gerätetyp - Haken oder Pflug - festgelegt ist. Wenn auch die ausdrückliche Notiz Uber ein offenbar austauschbares "Pflug- u n d HakenJUgk" (1677 Manker Kr. Neuruppin) 1 in dieser Form vereinzelt ist, so besteht doch grundsätzlich kein Hindernis, ein Joch sowohl vor den Haken wie vor den Pflug (nicht freilich vor den Häufelpflug) zu legen. Nachweise für das Vorhandensein eines Hakenjochs gibt es in großer Zahl. Inventartexte wie "2 Haken vnd 1 Jock" (1585 Schmarl Kr. Rostock) oder "Zwey Jöche behuef Haakens" (1763 Sareitz Kr. Lüchow-Dannenberg) finden sich kontinuierlich bis ins 19. Jahrhundert 2
hinein.
Den zeitlichen Anschluß stellen Äußerungen von Richard Wossidlos Gewährsleuten
her, die aus ihrer Erinnerung etwa mitteilten: "Jückhaken - dor wir ' n Born an' n Haken, 3 dee hett in dat JUck lägen, twischen de Ossen." Ebenso eindeutig sind die Zeugnisse für die Existenz des Jochs am Pflug. Da heißt es z . B . : "3 Eiserne Pflüge, 3 Jögke mit eisen Weden" (1622 Golzow Kr. Eberswalde); "Pflüge . . , OchsenJoche mit Eisen Ketten" (1706 Lüdelsen Kr. Klötze); "Pflüge . . zum OchsenSpanne mit 8 Ochsen, sind die Jöche und Zubehör in guten Stande hier" (1778 Krohn Kr. Ludwigslust) u s w . 4 Bemerkenswerterweise sind di~se Belege auf den Westen und äußersten
Die Funktion
74
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Abb. 36. Widerrist-Doppeljoche. a) Mecklenburg.b) Bevensen Kr. Uelzen.
Abb. 37. Widerrist-Doppeljoch mit Schlaufen. Nordostniedersachsen (nach Bomann) ^
Die Anspannung
75
Südosten des Untersuchungsraums beschränkt. Bildlich oder als Museumsstücke Uberliefert sind BeetpflUge mit kompletter Jochanschirrung aus unserem Gebiet nicht. Das typische Haken- oder Pflugjoch Norddeutschlands ist in älterer Zeit ohne Zweifel das Widerrist-Doppeljoch. Darauf deuten verschiedene historische Mitteilungen wie die von Lisch, der von der Ochsenanschirrung "im viereckigen Doppeljoche" spricht, "wie es noch 5 heute der Bauer in der Priegnitz an der mecklenburgischen Grenze thut." Das im 18. Jahrhundert einsetzende Bildmaterial zeigt - zusammengenommen mit den Übrigen Quellen diesen Jochtyp in seiner charakteristischen Form. Abb. 69 gibt die früheste Darstellung eines Widerrist-Doppeljochs aus Mecklenburg wieder.
Vgl. ferner die Abb. 36, 37, 66.
Das Gerippe der norddeutschen Widerrist-Doppeljoche besteht aus einem oblongen hölzer7 nen Gitter, dessen Hauptbestandteil der Jochbaum ist. Seine Länge beträgt ca. 175 cm. D