Der Kaiser als Marschall des Papstes: Eine Untersuchung zur Geschichte der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter [Reprint 2019 ed.] 9783111554358, 9783111184692


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German Pages 50 [60] Year 1928

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
1. Die Begegnung bei Sutri im Juni 1155
2. Die nachweisbaren Fälle von Stratordienst und Marschalldienst der Könige vor 1155
3. Strator- und Marschalldienst nach 1155
4. Der Stratordienst vom Januar 754
5. Wurde der Dienst bis 1155 nur in den wenigen nachweisbaren Fällen geleistet?
6. Der Marschalldienst vom März 1131 und seine Bedeutung
7. Das Verhalten Friedrich Barbarossas und sein Einfluß auf die späteren Dienste
8. Beziehungen zu Bräuchen des alten Orients und des Römischen Kaiserreichs
Exkurs. Über die Begegnung bei Sutri 1155
Verzeichnis der besprochenen Zusammenkünfte und einiger Stichworte
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Der Kaiser als Marschall des Papstes: Eine Untersuchung zur Geschichte der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter [Reprint 2019 ed.]
 9783111554358, 9783111184692

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Schriften der Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft in Heidelberg Neue Folge 8. Heft

Der Kaiser als Marschall des Papstes Eine Untersuchung zur Geschichte der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter von

Robert Holtzmaim

1928 WALTER DE GRUYTER & CO. VORMALS

G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG —

BUCHHANDLUNG



GEORG

REIMER



K A R L J.

J. G U T T E N T A G ,

TRÜBNER

BERLIN UND LEIPZIG



VEIT

VERLAGS&

COMP.

Der Kaiser als Marschall des Papstes Eine Untersuchung zur Geschichte- der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter von

Robert Holtzmann

1928 WALTER DE G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG



GEORG R E I M E R



KARL J. TRÜBNER

BERLIN UND LEIPZIG



VEIT & COMP.

Alle Rechte vorbehalten

D r u c k : Hermann Böhlaus Nachfolger, Hof-Buchdruckerei in Weimar.

Meiner Frau Lotte, geb. Schwalbe

Vorwort. Die vorliegende Abhandlung beruht auf dem Vortrag, den ich am 20. September 1927 in Graz auf der 16. Versammlung Deutscher Historiker gehalten habe. Sie gibt diesen Vortrag in erweiterter Gestalt und mit dem kritischen Apparat versehen wieder. Es war eine ehrenvolle Freude für mich und eine Herzenssache voll innerer Bewegtheit, daß ich als Reichsdeutscher in Deutsch-Österreich über dieses Thema aus unserer großen gemeinsamen Geschichte sprechen durfte. Volkstum, Sprache und Geschichte weben das unlösliche Band, das die Brüder von diesseits und jenseits der Grenze zusammenhält. Was in einer tausendjährigen Vergangenheit uns an Weltgeltung und nationalen Errungenschaften auf jeglichem Gebiet menschlicher Kultur und Gesittung, an Frieden und Kampf, an Siegen und Verlusten, an Freude und Leid zuteil geworden ist. das wird seine Kraft bewähren auch in der Zukunft. H a l l e a. S.

Robert Holtzmann.

Inhaltsübersicht. Seite

Vorwort

VII

1. Die Begegnung bei Sutri im Juni 1 1 5 5

1

2. Die nachweisbaren Fälle von Stratordienst und Marschalldienst der Könige vor 1155

3

8. Strator- und Marschalldienst nach 1155 4. Der Stratordienst vom Januar 754

.

9

.

5. Wurde der Dienst bis 1155 nur in den wenigen

20 nachweisbaren

Fällen geleistet?

25

6. Der Marschalldienst vom März 1 1 3 1 und seine Bedeutung

.

28

7. Das Verhalten Friedrich Barbarossas und sein Einfluß auf die späteren Dienste

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8. Beziehungen

zu Bräuchen

.

des alten Orients und des Römischen

Kaiserreichs Exkurs.

Über die Begegnung bei Sutri 1 1 5 5

V e r z e i c h n i s der besprochenen Zusammenkünfte und einiger Stichworte

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1.

Das Thema dieses Büchleins bildet eine, im allgemeinen etwas im Verborgenen blühende Episode in dem mittelalterlichen Kampf zwischen Imperium und Sacerdotium; es scheint an der Zeit, sie etwas mehr ans Licht zu stellen und zuzusehen, ob man nicht doch vielleicht noch einiges daraus entnehmen kann. Unbeachtet ist sie ja auch bisher gewiß nicht geblieben, und selbst die weiteren Kreise des gebildeten Publikums verbinden mit dem Satz: „Der Kaiser als Marschall des Papstes" einen Begriff. Ihnen steigt vor den Augen auf die Gestalt unseres großen Kaisers Friedrich Barbarossa und die Szene auf seinem ersten Römerzug, als er am 8. Juni 1155 in der Gegend von Sutri, eine Tagereise vor Rom, zum erstenmal persönlich mit dem Papst zusammentraf: Friedrich, zur Kaiserkrönung heranziehend, weigerte sich, als Papst Hadrian IV. ihm entgegengeritten kam, das päpstliche Pferd am Zügel zu führen und dem Papst beim Absitzen den Steigbügel zu halten; das erregte einen großen Sturm, und erst nach zwei Tagen und langen Verhandlungen gab der König nach, da man ihm gesagt und belegt hatte, daß es sich um einen Dienst handle, der seit alters dem Papst zustehe. Diese Szene, in der ein welthistorischer Gegensatz plötzlich eine äußere, greifbare Gestalt gewann, darf ihrer Wirkung auf unbeschwerte Gemüter immer sicher sein. Der Verfasser erinnert sich sehr wohl, wie sie in seiner Jugend im Geschichtsunterricht geschildert wurde und einen großen Eindruck gemacht hat, und daß die Schüler es dem mächtigen Herrscher ein klein wenig übel nahmen, sich dergestalt gedemütigt zu haben. Freilich, war es wirklich altes Recht, so mochte er sich wohl fügen müssen. Mit gutem Grund hat Hampe uns in der Schilderung Friedrichs den Wahrer, Schirmer und Förderer des Rechts, den Rex iustus des mittelalterlichen Idealbildes in den Vordergrund gestellt. Wir verweilen noch einen Augenblick bei dem Hergang von 1155.2) In den langen Verhandlungen, über denen zwei Tage verstrichen, hat Friedrich sich 1 ) Karl Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer (1909) S. 116 (5. Aufl. 1923); ders., Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger, in: Meister der Politik, Bd. 3 (1923), S. 227f.; ders., Herrschergestalten des deutschen Mittelalters (1927) S. 186f. Vgl. auch Wilhelm v. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. 5, 1. Abt. (1880), S. 4; Alfred K ü h n e , Das Herrscherideal des Mittelalters und Kaiser Friedrich I. (1898) S. 7ff., 45, 49. Was Georg v. Below, Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters mit besonderem Hinblick auf die Politik Friedrich Barbarossas (1927) S. 124f. gegen Hampe vorbringt, trifft den Nagel neben den Kopf, wie er überhaupt das Bild von der Lage des Reichs zur Zeit Friedrichs durchaus verzeichnet hat; vgl. Deutsche Literaturzeitung 1928, Sp. 579ff. 2 ) Über die drei Berichte darüber in Bosos „Vita Hadriani IV.", in den „Gesta" des Albinus und in Helmolds Slawenchronik, sowie über die Literatur, aus der namentlich Giesebrecht und Simonsfeld hervorzuheben sind, s. unten S. 44ff. den Exkurs.

H o l t z m a n n , Der Kaiser als Marschall des Papstes.

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schließlich auf Grund von zwei Beweisstücken davon überzeugen lassen, daß der Dienst, den er verweigert hatte, wirklich auf einer althergebrachten Gewohnheit beruhe. Die beiden Beweisstücke werden uns genannt. Es waren: 1. Ein Bericht der älteren deutschen Fürsten, die noch von der Zusammenkunft König Lothars III. (von Supplinburg) mit Papst Innocenz II. wußten; diese Zusammenkunft hatte 24 Jahre früher stattgefunden, im März 1131 zu Lüttich 1 ), wo danach also Lothar den gleichen Dienst dem Papst geleistet hat. 2. „Alte Urkunden" (vetera munimenta — monumenta), die man Friedrich vorwies, und aus denen mithin ebenfalls das Alter des Brauchs ersichtlich gewesen sein muß. Darauf wurde dann noch einmal ein Zusammentreffen zwischen Friedrich und Hadrian in Szene gesetzt, ein richtiges Theater, wie wenn die beiden sich zufällig begegneten und nun zum erstenmal sähen; denn nur bei der erstmaligen Begegnung galt der Dienst damals als fällig. Der König, als er des Papstes ansichtig wurde, stieg vom Pferde, „erwies ihm freundlich im Angesicht des Heeres einen Steinwurf weit den Stratordienst (officium stratoris) und hielt ihm kräftig "den Steigbügel". 2 ) Das erfahren wir durch einen, in doppelter Gestalt auf uns gekommenen römischen Bericht. Er „erwies ihm den Stratordienst und hielt ihm den Steigbügel": das ist kein sv Öiä dvoTv, besagt nicht etwa dasselbe, sondern man verstand darunter zwei verschiedene Handlungen, wie wir aus den Schriften des Propstes Gerhoh von Reichersberg 3 ) wie auch aus späteren Akten der Kurie 4 ) unzweideutig 1

) Vgl. u n t e n S. 8 m i t A n m . 4. ) B o s o bei L o u i s D u c h e s n e , Le Liber pontificalis (Bibliothèque des écoles françaises d'Athènes et de Rome, Série I I , nr. 3), Bd. 2 (1892), S. 391: rex Fredericus precessit aliquantulum et, appropinquante domni pape tentorio, per aliam viam transiens descendit de equo et occurrens ei, quantum iacturn est lapidis, in conspectu exercitus officium stratoris cum iocunditate implevit et streuguam fortiter tenuit. — Die mittellateinischen Ausdrücke f ü r Steigbügel sind strepa (streva, stregua, streuga), stapes (stapedium, stapha, staffa) u n d scandile (scansile); von ihnen bedeutet der erste ursprünglich den Steigriemen, a n dem der Steigbügel hängt (vgl. deutsch Strippe, wo der alte Sinn geblieben ist, gegen franz. ètrier, span. estribo; auch unten S. 30 A n m . 3. Steigbügel und Steigriemen sind nach G e o r g S t e i n h a u s e n , Geschichte der Deutschen K u l t u r , 2. Aufl., Bd. 2 (1913), S. 142 bei uns erst seit der fränkischen Zeit im Gebrauch, was m i t den Araberkriegen des 8. J a h r h u n d e r t s zusammenhängen d ü r f t e . Die Römer bedienten sich einer Reitdecke (ephippium, Stratum), bis im 4. J a h r h u n d e r t n. Chr., von Nachbarvölkern stammend, der Sattel (sella equestris) eingeführt wurde. Dieser Sattel, in Gallien u m Christi Geburt bekannt, h a t t e aber noch keinen Steigbügel u n d Steigriemen. Vgl. P a u l y - W i s s o w a , Real-Encyclopädie, B d . 5, 2 (1905), Sp. 2 8 5 3 - 5 7 , u n d 2. Reihe, Bd. 2, 2 (1923), Sp. 1315f. 2

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) G e r h o h v o n R e i c h e r s b e r g , De investigatione Antichristi c. 72, De q u a r t a vigilia noctis c. 12 (Monumenta Germaniae historica, Libelli de lite I I I , S. 393, 511f.). Vgl. dazu unten S. 11 mit A n m . 2 den Bericht über den Hergang beim Frieden von Venedig. 4 ) Die Avignoneser P ä p s t e reservierten sich 1311 u n d 1355 die beiden Dienstleistungen; vgl. u n t e n S. 16 m i t A n m . 1. — Zuerst unterschied die beiden Dienste W o l f g a n g M i c h a e l , Die Formen des unmittelbaren Verkehrs zwischen den Deutschen Kaisern u n d souveränen F ü r s t e n (1888) S. 45—48, den G e r h a r d S e e l i g e r bei G e o r g W a i t z , Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl., Bd. 6 (1896), S. 250 Anm. 4 zu Unrecht b e k ä m p f t . Auch von anderen werden die Dienste vielfach zusammengeworfen. Richtig A l b e r t W e r m i n g h o f f , Verfassungsgeschichte der deut-



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belegen können. Das erste war also der Stratordienst; strator ist der Reitknecht, und das officium stratoris bestand darin, daß der König zu Fuß das Pferd, auf dem der Papst ritt, eine Strecke weit, einen Steinwurf weit in unserem Fall, am Zügel führte. Dann folgte das Bügelhalten; der König half dem Papst beim Absteigen, indem er ihm den Steigbügel oder „Stegreif" hielt. Dieses Bügelhalten nennt Gerhoh den Marschalldienst (officium marscalci). Stratordienst und Marschalldienst, beides wurde 1155 verlangt und geleistet.

2. Man wird zunächst fragen, wann und wie oft denn derartige Dienste, wie sie von Seiten des Papstes 1155 unter Berufung auf alte Übung gefordert worden sind, also Stratordienst und Marschalldienst, oder auch nur einer von ihnen, schon früher vorgekommen sind. Die bisherige Forschung 1 ) hat hier bereits vorgearbeitet und ist sich wenigstens darin einig, daß die Zahl der Fälle, in denen vorher so etwas festgestellt werden kann, recht gering ist. Es gibt in der Tat deren nur vier, zwei aus der Karolingerzeit und zwei aus der deutschen Kaiserzeit, nämlich: 1. 754 bei der Begegnung König Pippins mit Stephan II. zu Ponthion in der Champagne, wo Pippin dem Papst einen solchen Dienst geleistet hat; ähnlich 2. 858 Kaiser Ludwig I I . gegenüber dem Papst Nikolaus I. zu Quinto in der Nähe von Rom; 3. 1095 der junge König Konrad (Sohn Heinrichs IV.) bei seiner Begegnung mit Urban I I . zu Cremona, und 4. 1131 die schon erwähnte Zusammenkunft Lothars I I I . mit Innocenz II. zu Lüttich. Manchmal werden allerdings noch drei weitere Fälle mit mehr oder weniger Zweifel angeführt. Das geschieht indes zu Unrecht. Im Jahr 742 begab sich Papst Zacharias zu dem Langobardenkönig Liutprand, der in Terni in Umbrien weilte, und mit dem er sich damals, als die Franken noch nicht für die päpstliche Herrschaft in Rom gewonnen waren, verständigen zu können hoffte. Die Papstvita im „Liber pontificalis" berichtet von der Zusammenkunft.2) Der Papst sehen. Kirche im Mittelalter, 2. Aufl. (1913), S. 47. Weniger genau H e n r y Simonsfeld, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Friedrich I. (in den Jahrbüchern der Deutschen Geschichte), Bd. 1 (1908), S. 685; doch vgl. ebd. S. 687f. r ) Charles Du Fresne sieur Du C a n g e i n den Noten zu seiner Ausgabe des byzantinischen Historikers Johannes Cinnamus (1670) S. 470—476, wieder abgedruckt in der Ausg. des Cinnamus von August Meineke (1836, im Corpus scriptorum historiae Byzantinae) S. 366—375; W a i t z , Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6 (1875), S. 193f., 2. Aufl. S. 250f.; P a u l H i n s c h i u s , Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Bd. 1 (1869), S. 211 mit Anm. 7; W. Michael S. 44—51; A n t o n Diemand, Das Ceremoniell der Kaiserkrönungen von Otto I. bis Friedrieh II. (1894) S. 96f.; Simonsfeld S. 683, 685; E d u a r d E i c h m a n n , Kirche und Staat (Quellensammlung zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, hrsg. von Ed. E i c h mann, Bd. 1 u. 2, 1912 u. 1914), Bd. 2, S. llOf. Anm. 1. 2 ) Vita Zachariae, bei Duchesne, Lib. pont., Bd. 1 (1886), S. 427, auch bei J o h a n n e s Haller, Die Quellen zur Geschichte der Entstehung des Kirchenstaates (1907) S. 9: Ante cuiun

1*



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wurde mit Ehrerbietung empfangen, der König erwartete ihn in Terni vor dem Portal der Kirche des heiligen Valentinus, hier fand die Begrüßung statt, die beiden besuchten zusammen die Kirche, dann kehrte Zacharias zu seinen Zelten zurück, und dabei hat ihn der König ungefähr eine halbe Meile weit begleitet. Von einem Stratordienst oder ähnlichem ist hier in keiner Weise die Rede 1 ), obgleich doch gerade das Papstbuch, wie wir sehen werden, da, wo er wirklich geleistet wurde, Wert darauf legt, es hervorzuheben. Dieser angeblich älteste Fall eines Stratordienstes ist also ganz gewiß zu streichen. — Nicht anders steht es mit einem Fall von 816. Papst Stephan IV., nach dem Tod Leos III. im Juni 816 in Rom gewählt und geweiht, beschloß alsbald einen Zug über die Alpen zu Ludwig dem Frommen und wurde im Oktober vor den Toren von Reims vom Kaiser sehr ehrenvoll empfangen. Hierbei notiert der eine Biograph Ludwigs, daß der Kaiser dem Papst beim Absteigen behülflich war 2 ): fores basilicae [beati Valentini in Teramnensium urbe] isdem rex [Liutprandus] cum reliquos optimates et exercitu suo sanctum virum [paparn] suscepit, factaque oraiione, mutua salutatione sibi et persolventes, dum divinis eurn fuisset commonitus conloquiis, inpensaque caritate ab eadem ecclesia egressus, in eius obsequium dimidium fere miliarium perrexit. Aus diesem Bericht hat man nach dem Vorgang von F e r d i n a n d G r e g o r o v i u s , Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. 2 (1859, 3. Aufl., 1876, S. 246 Anm. 2), wo sogar vom Steigbügel des Papstes die Rede ist, mehrfach Stratordienst herauslesen wollen. Vgl. namentlich R u d o l f B a x m a n n , Die Politik der Päpste von Gregor I. bis auf Gregor VII., Bd. 1 (1868), S. 218; L u d w i g O e l s n e r , Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin (1871, in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.) S. 127 Anm. 4; W i l h e l m M a r t e n s , Die Römische Frage unter Pippin und Karl dem Großen (1881) S. 363; H e r m a n n G r a u e r t im Historischen Jahrbuch Bd. 4 (1883), S. 82 (zweifelhaft); E r n s t M a y e r in der Deutschen Zeitschrift für Kirchenrecht Bd. 14 (1904), S. 32 mit Anm. 1. Doch kann davon gar keine Rede sein; vgl. die folgende Anm. — Auch bei dem Empfang des Kaisers Konstans II. durch den Papst Vitalian in Rom (663) hatte kein Stratordienst stattgefunden. Vgl. die Vita Vitaliani im Liber pontificalis, hrsg. von T h . M o m m s e n (Mon. Germ, hist., Gesta pontificum Romanorum, Bd. 1) S. 186 ( D u c h e s n e I, 343); G r e g o r o v i u s II, 147f.; B a x m a n n I, 179. *) Der Versuch, aus dem Wort obsequium, das officium stratoris zu erpressen, scheitert schon daran, daß Liutprand dann ungefähr eine halbe Meile (d. h. über 700 Meter) weit das Pferd des Papstes geführt haben müßte, während der Stratordienst der folgenden Jahrhunderte nur wenige Schritte dauerte. Das obsequium filiale (vgl. W e r m i n g h o f f S. 47) ist die Gefälligkeit, Dienstbeflissenheit, die man dem Haupt der Christenheit schuldet, braucht aber mit Stratordienst gewiß nicht verbunden gewesen zu sein und hat an sich nichts mit ihm zu tun. Anderes, wie die dem Papst entgegengesandte Gesandtschaft, entspricht dem 753/54 und bei späteren Gelegenheiten geübten Brauch. 2 ) Vita Hludowici des sog. Astronomen cap. 26, SS. ( = Mon. Germ, hist., Scriptores) I I , S. 620, ZI. 41—43: Ad ultimum imperator miliario a monasterio processit sancti confessoris Remigii et tamquam beati Petri vicarium honestissime suscepit, descendentem equo excepit et ecclesiam intrantem manu propria sustentavit. Der Kaiser half also dem Papst beim Absteigen. Das aber ist kein Stratordienst; denn der Strator ging neben dem Pferd her und führte es am Zügel, wie uns das 754, 858, 1131 und 1155 ausdrücklich beschrieben wird. Auch Thegan cap. 16, der doch einen ziemlich ausführlichen Bericht über die Zusammenkunft hat, weiß nur, daß Kaiser und Papst vom Pferd stiegen (SS. II, 594, ZI. 7); vgl. die anderen Berichte bei J o h a n n F r i e d r i c h B ö h m e r , Regesta imperii I, Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern, neu bearb. von E n g e l b e r t M ü h l b a c h e r , 2. Aufl., Bd. 1 (1908), Reg. 633a. Irrig also L. W e i l a n d in der Zeitschrift f ü r Kirchenrecht Bd. 22 (1889), S. 309f. Max B u c h n e r in den Mitteilungen des Instituts f ü r öster-



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Ludwig „fing den vom Pferd absteigenden auf" (descendentem equo excepit). Dies weist auf ein Umfassen oder Stützen des Körpers, nicht dagegen auf ein Bügelhalten, das zu dieser Zeit, wie wir sehen werden, überhaupt noch nicht vorgekommen ist, und noch weniger natürlich auf ein Zügelführen: weder Marschall- noch Stratordienst ist 816 geleistet worden. — Etwas anders liegt der Fall von 1111. Da hören wir wirklich von einem Stratordienst, aber in einem Bericht, der selbst die Unmöglichkeit des Hergangs an die Hand gibt. Heinrich V. zog nach Rom, in der Absicht, sich zum Kaiser krönen zu lassen. Den festlichen Empfang, der ihm hier am 12. Februar bereitet wurde, beschreibt ein Vierteljahrhundert später Petrus Diaconus in der Chronik von Montecassino.1) Er hält sich dabei zunächst an einen durchaus zuverlässigen päpstlichen Bericht, nach dem er erzählt, wie der König feierlich in Rom einzog, mit Jubel empfangen wurde, vom Pferde stieg, und zu Fuß vor St. Peter gereichische Geschichtsforschung Bd. 34 (1913), S. 536, möchte mit diesem Besuch des Papstes im Frankenreich eine Erweiterung des ursprünglichen Kerns der Konstantinischen Schenkung in Verbindung bringen, veranlaßt durch den Bericht des Ermoldus Nigellus, der bei der damals (drei Tage nach der Begrüßung) erfolgten Krönung des Kaisers durch den Papst von einer Krone Konstantins spricht, sowie vielleicht auch durch diesen angeblichen Stratordienst. Vgl. Historisches Jahrbuch Bd. 42 (1922), S. 256f. Anm. 92 und B u c h n e r , Das Vizepapsttum des Abtes von St. Denis (1928) S. 88, dazu unten S. 21 über Stratordienst in der Konstantmischen Schenkung. Aber die Fälschung ist zweifellos in ihrem ganzen Umfang älter als 816, und einen Stratordienst kann man auch auf diesem Wege nicht wahrscheinlich machen. Noch weniger darf an ein Bügelhalten gedacht werden, das, wie sich zeigen wird, erst über drei Jahrhunderte später aufkommt; auch hält ja der, welcher einen Absitzenden mit den Armen auffängt, nicht den Steigbügel. — Zur Sache: B e r n h a r d S i m s o n , Jahrbücher des Fränkischen Reichs unter Ludwig dem Frommen (in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.), Bd. 1 (1874), S. 68, 72 Anm. 7; E d u a r d E i c h m a n n in der Zeitschrift der Savigny - Stiftung für Rechtsgeschichte Bd. 33, Kanon. Abt. 2 (1912), S. 5—11; A r t u r S c h ö n e g g e r in der Zeitschrift für katholische Theologie Jg. 42 (1918), S. 549f.; G e r h a r d L a e h r , Die Konstantinische Schenkung in der abendländischen Literatur des Mittelalters (Historische Studien, hrsg. von E. E b e r i n g , Heft 166, 1926) S. 12f. Petrus Diaconus, Chronica monasterii Casinensis lib. IV, cap. 37 (SS. VII, S. 779, ZI. 51 bis 57): Illic [am Tor der Stadt Rom] omnis Bomanae urbis citrus ex pontificis praecepto convenerat, et eum ex equo descendentem, usque ad sancti Petri gradus cum laudibus deduxerunt. Cum vero ad superiora graduum ascendisset, illic domnus papa cum episcopis pluribus, cum cardinalibus presbyteris et diaconibus, cum subdiaconibus et caeteris scolae cantorum ministris affuit. (Quem imperator ut vidit, de equo descendens procidit ad pedes eius, demumque exurgens in nomine Trinitatis in ore et fronte et oculis ei pacem dedit ac stratoris officium exhibuit.) Moxque dexteram pontificis tenens, cum magno populorum gaudio et clamore ad portam pervenit argenteam. Dieser Bericht wurde, mit Ausnahme des eingeklammerten Satzes, der Eigengut des Petrus Diaconus ist, wörtlich aus der „Relatio registri Paschalis I I . " entnommen: Const. ( = Mon. Germ, hist. Legum Sectio IV Constitutiones) Bd. 1, S. 147 nr. 99, ZI. 31—40; statt des eingeklammerten Satzes hat die Relatio: Ad cuius vestigia cum rex corruisset, post pedum oscula ad oris oscula elevatus est. Ter se invicem complexi, ter se invicem osculati sunt. Vgl. dazu G i e s e b r e c h t Bd. 3 (1868), S. 1154, 5. Aufl. (1890), S. 1211; W . M i c h a e l S. 45f. Anm. 6; D i e m a n d S. 68; G e r o l d Meyer v o n K n o n a u , Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V. (in den Jahrbüchern des Deutschen Gesch.) Bd. 6 (1907), S. 152 Anm. 26, S. 373 Anm. 20. - Petrus Diaconus dürfte diesen Teil seiner Chronik bald nach 1137 geschrieben haben; vgl. H e i n z Z a t s c h e k im Neuen Archiv Bd. 47 (1928), S. 174ff., besonders S. 183f., 186ff., 207, 212.



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führt wurde, wo der Papst ihn oben auf den Stufen erwartete, und daß Heinrich nun diese Treppe hinanstieg. Dann aber fährt Petrus Diaconus aus Eigenem, zum großen Erstaunen seiner Leser fort: sowie der König den Papst sah, stieg er vom Pferd, fiel ihm zu Füßen und leistete Stratordienst. Es bedarf keiner Worte über die Unmöglichkeit dieser Darstellung, nach der man annehmen müßte, daß Heinrich, der ja längst vom Pferd abgestiegen war, plötzlich wieder aufgesessen sei, um die Stufen zur Peterskirche hinauf zureiten, und daß auch der Papst vor dem Portal der Kirche zu Pferd gesessen habe. Die Erzählung ist nur insofern von Belang, als ihr Verfasser offenbar der Meinung war, daß zu einer erstmaligen Begegnung des deutschen Königs mit dem Papst Stratordienst gehöre. Das ist nicht uninteressant, da Petrus Diaconus zwischen den beiden historischen Stratordiensten von 1131 und 1155 geschrieben hat. Einen wirklich geleisteten Strator- oder Marschalldienst können wir vor 1155 also nur viermal nachweisen. Es ist sogar immer nur je e i n e Quelle, die uns davon erzählt. Was wir da hören, ist jedoch genug, um einen wesentlichen Unterschied zwischen den drei älteren Fällen von 754, 858 und 1095 und den beiden folgenden von 1131 und 1155 festzustellen. I n den älteren Fällen nämlich wurde nur das Pferd des Papstes am Zügel geführt, nicht auch der Steigbügel gehalten; es wurde also nach der Terminologie Gerhohs von Reichersberg nur Strator-, nicht auch Marschalldienst geleistet. Will man den Sinn der Handlungen erkennen, so ist es von Wichtigkeit, vorerst darüber volle Klarheit zu gewinnen und sich das, was wir über den Hergang im einzelnen wissen, einmal kurz vor Augen zu führen. Zunächst die Begegnung von 754. Es handelt sich um die berühmte Reise Stephans I I . ins Frankenreich, das erstemal, daß ein Papst die Alpen überstiegen hat. I m Spätherbst 753 war er über den Großen St. Bernhard gezogen; am .6. Januar 754 fand das viel besprochene 1 ), verheißungsvolle Zusammen1 ) Aus der Literatur seien genannt: Oelsner S. 127f.; Leop. v. Ranke, Weltgeschichte, Bd. 5, 2 (1884), S. 29; Gustav R i c h t e r , Annalen der Deutschen Geschichte im Mittelalter, Bd. 2, 1 (1885), S. 3f.; W. Michael S. 45; Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 2 (1890), S. 19f., 3./4. Aufl. (1912), S. 20; Wilhelm Sickel in der Deutschen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 11 (1894), S. 319f., 331ff.; Wilhelm Gundlach, Die Entstehung des Kirchenstaates (1899) S. 36f., 74ff.; Joh. Haller in der Historischen Zeitschrift, Bd. 108 (1912), S. 44f., 63ff.; Erich Caspar, Pippin und die Römische Kirche (1914) S. 12ff.; Heinrich Günter in: Forschungen und Versuche zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Festschrift Dietrich Schäfer dargebracht (1915) S. 8f.; E. Eichmann in d. Ztschr. d. Sav.-Stiftg. Bd. 37, KA. 6 (1916), S. 143£f., und im Hist. Jahrbuch, Bd. 37 (1916), S.426f.; Peter Rassow in der Zeitschrift für Kirchengeschichte Bd. 36 (1916), S. 499f.; A. Brackmann in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, Jg. 180 (1918), S. 402ff.; Karl H e l d m a n n in den Mitt. d. Inst, f. österr. Geschichtsf. Bd. 38 (1920), S. 541 ff.; Wilhelm L e v i s o n in der Historischen Vierteljahrschrift Bd. 20 (1920/21), S. 330ff. und in Gebhardts Handbuch der Deutschen Geschichte, 6. Aufl., Bd. 1 (1922), S. 215f.; Karl Rodenberg, Pippin, Karlmann und Papst Stephan II. (Hist. Studien, hrsg. von Ebering, H. 152, 1923), S. 5ff., 26f. — Die Quellen über die Zusammenkunft stellt Böhmer-Mühlbacher Reg. 73f. zusammen.



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treffen mit König Pippin zu Ponthion bei Vitry-en-Perthois statt. Die Papst vita im „Liber pontificalis" berichtet darüber. 1 ) Pippin, der den Papst bis dahin noch nie gesehen hatte, ist ihm entgegengezogen und stieg, als Stephan herangeritten kam, vom Pferd, warf sich in großer Demut zu Boden und ging dann als Strator (vice stratoris) eine Strecke weit neben dem Zelter des Papstes her, d. h. er führte das Pferd am Zügel. — Erst ein Jahrhundert später, 858, hören wir wieder etwas derartiges. Kaiser Ludwig II., der Sohn Lothars I. und Urenkel Karls des Großen, war schon vorher mehrfach mit Päpsten zusammengekommen; aber von Stratordienst verlautet dabei nichts, so wenig wie bei Karl dem Großen, seinen Söhnen und Enkeln. I m April 858 ist in Rom, in Anwesenheit Kaiser Ludwigs II., Nikolaus I. zum Papst gewählt worden. 2 ) Darauf begab sich Ludwig in die Umgebung, nach Quinto an der alten Via Flaminia (nördlich von Rom), hier suchte ihn der Papst nochmals auf, und bei dieser Gelegenheit, so erzählt wiederum die Papstbiographie im „Liber pontificalis"3), eilte der Kaiser ihm entgegen und führte zu Fuß das Pferd des Papstes einen Pfeilschuß weit am Zügel; ja später beim Abschied hat er das gleiche noch einmal getan. Also ein zweimaliger Stratordienst bei der gleichen Zusammenkunft, was durchaus singulär ist. Im übrigen wird man jedoch feststellen dürfen, daß die beiden sich zwar damals nicht zum erstenmal gesehen haben, daß es aber doch der erste Besuch des einen beim anderen gewesen ist, das erstemal, daß sie von verschiedenen Orten aus zusammenkamen, wohl das erstemal, daß auch der Papst zu Pferde war, und somit die erste Gelegenheit 1

) Vita Stephani II., bei D u o h e s n e , Lib. pont. I, 447; H a l l e r , Quellen S. 19; H e i n r i c h G ü n t e r , Die römischen Krönungseide der Deutschen Kaiser (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen, hrsg. von H. L i e t z m a n n , Heft 132, 1915), S. 3 nr. l a : Ipseque [Pippinus rex] in palatio suo in loco, qwi vocatur Ponticone, ad fere trium milium spatium descendens de equo suo, cum magna humilitate terrae prostratus, una cum sua coniuge, filiis et optimatibus, eundem sanctissirnum papam suscepit, cui et vice stratoris usque in aliquantum locum iuxta eius sellarem properavit. — Man darf wohl annehmen, daß die sellaris (ein mit einem Reitsattel versehenes Pferd) des Papstes ein Paßgänger (Zelter) gewesen ist. Daß es ein weißes Pferd war, wird in späteren Fällen verschiedentlich hervorgehoben; mehrfach dürfte unter equus ein Maultier zu verstehen sein. 2

) P h i l i p p J a f f e , Regesta pontificum Romanorum, 2. Aufl. von S. L ö w e n f e l d , F. K a l t e n b r u n n e r , P. E w a l d (2. Bde. 1885/88), Bd. 1, S. 342; G r e g o r o v i u s , 3. Aufl. (wie im folgenden immer), Bd. 3 (1876), S. 122f.; E r n s t D ü m m l e r , Geschichte des Ostfränkischen Reiches (in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.), 2. Aufl., Bd. 2 (1887), S. 52f.; H a u c k , 3./4. Aufl., Bd. 2, S. 549; E r n s t P e r e i s , Papst Nikolaus I. und Anastasius Bibliothecarius (1920) S. 24ff. 3

) Vita Nicolai I., bei D u c h e s n e , Lib. pont. II, 152: Kxcellentissimus quem [papam] cum vidisset augustus, obvius in adventum eius occurrit, frenumque cesar equi pontificis suis manibus apprehendens, pedestri more, quantum sagittae iactus extenditur, traxit . . . [Der Kaiser begleitet den Papst, als dieser nach dem Gottesdienst zurückreitet.] Ad quendam quidem cum pervenissent spaciosissimum itineris locum, imperator equo descendit equumque pontificis iterum, ut supra meminimus, traxit. Vgl. G r e g o r o v i u s III, 123; B a x m a n n , Bd. 2 (1869), S. 2; D ü m m l e r II, 53; P e r e i s S. 26. — Quinto, wo sich die Kirche des hlg. Leucius befand, und wo noch heute die Ruine Torre di Quinto steht, lag beim 5. Meilenstein, auf der Via Flaminia, etwas rechts vom Tiber, 2 km nordöstlich vom Ponte Molle, 6 km von der Peterskirche.

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zu einem Stratordienst, den Ludwig II. dem neuen Papst leisten konnte. — Und nun der dritte Fall: weit über zwei Jahrhunderte später, 1095. Konrad, der älteste Sohn Kaiser Heinrichs IV, 1087 zum König gekrönt und nach Italien gesandt, hier 1093 durch die päpstliche Partei zum Abfall vom Vater gebracht, traf im April 1095 zu Cremona zum erstenmal mit dem Papst •— es war Urban II. — zusammen. Darüber lesen wir in einem Bericht, den eine, der päpstlichen Kurie entstammende Feder aufgezeichnet hat, die kurze Notiz 1 ), daß der König dem Papst entgegengegangen ist und ihm Stratordienst (stratoris officium) geleistet hat. Meyer von Knonau in den „Jahrbüchern der Deutschen Geschichte" sagt 2 ): ,,Er ging dem Papst bei der Ankunft entgegen und hielt ihm den Steigbügel." Das ist aber unrichtig. Der Ausdruck stratoris officium ist zweifellos im strengen Sinn zu verstehen: Konrad führte das Pferd des Papstes am Zügel, etwas anderes ist bis dahin überhaupt noch nicht vorgekommen. Damit schließt die erste Periode des Stratordienstes. 36 Jahre später fand der Lütticher Tag statt. Lothar von Supplinburg war bis dahin noch nie mit einem Papst zusammengetroffen. Die römische Doppelwahl von 1130 stellte die Christenheit vor eine verantwortungsvolle Entscheidung. Innocenz II., der eine der beiden Erwählten, aus Italien vertrieben, bat selbst den deutschen König um die Zusammenkunft 3 ), und es war ein Auf sehen erregendes Ereignis, als er dann am Sonntag Oculi, dem 22. März 1131, wirklich in Lüttich, wo Lothar weilte, seinen Einzug hielt. Über den Empfang, der ihm hier bereitet wurde, berichtet ziemlich ausführlich Suger in seiner Lebensbeschreibung König Ludwigs VI. von Frankreich 4 ), und es ist sehr wahrscheinlich, daß der berühmte *) Kurialer Bericht, Const. I, 564 nr. 394: Anno dorn. ine. 1095, indictione tertia, 4. Idus Aprilis, veniente dom.no papa Urbano Gremonam, rex Chuonradus II. obviam procedens stratoris officio usus est. Danach B e r n o l d in seiner Chronik (SS. V, 463, ZI. 10f.): Chonradus rex, ßius Heinrici, dorano papae Urbano Cremonam venienti obviam progreditur eique stratoris officium exhibuit 4. Id. Apr. Vgl. über die Quellen G i e s e b r e c h t III, 1136 (5. Aufl., S. 1189); R i c h t e r Bd. 3, 2 (1898), S. 435f. mit Note d. 2 ) M e y e r v o n K n o n a u , B d . 4 (1903), S.449; ähnlich auch H e i n r i c h G e r d e s , Geschichte des Deutschen Volkes und seiner Kultur im Mittelalter Bd. 2 (1898), S. 298. Richtig Gieseb r e c h t III, 642 (5. Aufl., S. 665): „ergriff die Zügel des Zelters". 3 ) P h i l i p p J a f f é , Geschichte des Deutschen Reiches unter Lothar dem Sachsen (1843) S. 95f.; G i e s e b r e c h t , Bd. 4 (1875, 2. Aufl. 1877), S. 61; W i l h e l m B e r n h a r d i , Lothar von Supplinburg (1879, in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.) S. 343. 4 ) S u g e r , Gesta Ludovici regis cognomento Grossi cap. 31, hrsg. von A. M o l i n i e r in SS. XXVI, 58, ZI. 5—11, von dems. in der Collection de textes (Vie de Louis le Gros par Suger, 1887) S. 119: Cui [papae] cum imperator Loherius civitate Leodii, cum magno archiepiscoporum et episcoporum et Theuthonici regni optimatum collegio, celeberrime occurrisset, in platea ante episcopalem ecclesiam humillime seipsum stratorem offerans, pedes per medium sanate processionis ad eumfestinat, alia manu virgam ad defendendum, alia frenum albi equi aeeipiens, tanquam dominum deducebat. Descendente vero tota stacione, eum suppodiando deportans, celsitudinem paternitatis eius notis et ignotis clarifieavit. Die Gerte wird auch 1177 erwähnt: vgl. unten S. 11 Anm. 2. K a r l J o s e p h v. H e f e l e , Conciliengeschichte 2. Aufl., Bd. 5 (1886), S. 412, sieht in ihr zu Unrecht ein „Symbol



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Abt von St. Denis sich selbst im Gefolge des Papstes befunden hat. 1 ) Lothar erwartete den Papst an der Spitze einer stattlichen Versammlung auf dem Platz vor der Kathedrale. Hier „stellte er sich ihm (nach den Worten Sugers) demütigst als Strator zur Verfügung, eilte zu Fuß mitten durch den heiligen Zug zu ihm, ergriff mit der einen Hand eine Gerte, um die Menschen abzuwehren, mit der anderen den Zügel des weißen Pferdes und geleitete den Papst wie seinen Herrn". D. h. also, er leistete Stratordienst; und bis hierher bietet die Schilderung nichts besonders Neues. Doch nun folgt noch ein Satz: „Als aber der ganze Zug von den Pferden abstieg, da hob der König den Papst, unten am F u ß t r i t t stützend, herunter (eum suppodiando deportans) und machte so aller Welt die Hoheit seiner Vaterschaft b e k a n n t " (d. h. er machte dadurch bekannt, daß dies der wirkliche Heilige Vater sei). Das Verbum suppodiare kommt von podium = Tritt, Standort des Fußes, womit in unsrem Fall nur der Steigbügel gemeint sein kann. Es ist mithin kein Zweifel, daß damals, 1131, nach dem Stratordienst tatsächlich auch der Marschalldienst, das Steigbügelhalten, geleistet worden ist 2 ) ; und jene „älteren Fürsten" von 1155 hatten sonach recht, als sie ihrem König Friedrich Barbarossa versicherten, daß Lothar dem Papst den Stratordienst und das Steigbügelhalten geleistet habe. Über 1131 hätte man für den zweiten Teil dieser Dienstverrichtung freilich nicht hinaufgehen können.

3. Ehe wir uns der tieferen Bedeutung der beiden in Rede stehenden Dienstleistungen zuwenden, müssen wir noch eins fragen: wie verhält es sich denn n a c h dem J a h r 1155 mit ihnen? Die Antwort lautet, daß die Dinge nach 1155 ein völlig anderes Aussehen zeigen. H a t vor 1155 der König nur sehr selten den Stratordienst (zuletzt mit Marschalldienst) verrichtet, nachweisbar in den vier Jahrhunderten seit 754 nur gerade viermal, so wird das nach 1155 eine häufige und in keiner Weise mehr in die Augen fallende Sache. Gleich der Verteidigung der Kirche"; ebenso ders., Histoire des conciles, übers, von H. L e c l e r c q , Bd. 5, 1 (1912), S. 690. Vgl. auch die Stäbe von 1417, unten S. 18. 1 ) O t t o C a r t e l l i e r i , Abt Suger von Saint-Denis (Hist. Studien, hrsg. von E b e r i n g , H. 11, 1898) S. 29. 2

) Richtig G i e s e b r e c h t IV, 64 (2. Aufl., S. 63f.); auch G e r d e s , Bd. 3 (1908), S.591, und H a m p e , Kaisergesch. S. 97 („Marschalldienste"). J a f f e S. 97 und B e r n h a r d i S. 356 geben das suppodiare nur allgemein durch Hilfe beim Absteigen wieder. Andere reden überhaupt nur vom Zügelführen und lassen das suppodiare ganz unter den Tisch fallen. So v. Hef ele a. a. 0 . ; H a u c k 3-/4. Aufl., Bd. 4 (1913), S. 147; I. J a s t r o w und Gg. W i n t e r , Deutsche Geschichte im Zeitalter der Hohenstaufen, Bd. 1 (1897), S. 334; R i c h t e r , Annalen III, 2, 670f. Note a. Unglücklich ist hier W. M i c h a e l S. 46, 48, der für Lüttich 1131 nur Zügelführen anerkennen will, das Bügelhalten Lothars aber, das er wegen der Aussage der älteren Fürsten von 1155 nicht leugnet, auf die Zusammenkunft von Calcinaia 1133 (vor Lothars Kaiserkrönung) verweist. Unklar S i m o n s f e l d S. 683f., 685 Anm. 27.



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Friedrich Barbarossa hat 1160 zu Pavia bei der feierlichen Anerkennung Viktors IV. diesem ohne jedes Bedenken Strator- und Marschalldienst geleistet 1 ), recht ostentativ sogar; galt es doch wiederum, der Welt zu zeigen, welches der wirkliche Heilige Vater sei. Umgekehrt haben die Könige von Frankreich und England (Ludwig VII. und Heinrich II.), die Alexander III. anerkannten, zwei Jahre darauf diesem an der Loire bei Chouzy gemeinsam als Stratoren gedient, indem der eine zur Rechten, der andere zur Linken den Zügel des päpstlichen Pferdes führte 2 ); und das, obgleich beide den Papst schon vorher gesehen hatten. Und einige Monate später, im Februar 1163, hielt der französische König dem Papst auch den Bügel, als Alexander nach Paris kam, um ihm eine Prozessionsrose zu überreichen.3) Schon begann man sogar, anderen hohen Rundschreiben der Synode von Pavia (Febr. 1160), hrsg. von L. W e i l a n d in Const. I, 268f.; von M. D o e b e r l , Monumenta Germaniae Selecta, Bd. 4 (1890), S. 175; auch bei R a h e w i n lib. IV, cap. 80 (Ottonis et Rahewini Gesta FridericiI. imperatoris, hrsg. von G. W a i t z und B. v o n S i m s o n in den Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum ex Mon. Germ.hist., 3. Aufl., 1912, S.334): Ibi [an der Kathedrale von Pavia] religiosissimus imperator ante ianuas aecclesiae eum suscepit et descendenti de equo strepam humiliter tenuit. Dazu R a h e w i n lib. IV, cap. 78 (a. a. O., S. 328): Divus quoque imperator consuetam ei reverentiam et stratoris officium sicut Constantinus beato Silvestro humiliter pro foribus aecclesiae exhibuit. Der Verweis auf Konstantin (vgl. unten S. 21) zeigt, daß Rahewin keineswegs nur das Rundschreiben der Synode kannte, sodaß das Bügelhalten (das niemals auf Konstantin zurückgeführt worden ist) durch das Rundschreiben, das Zügelführen durch Rahewin belegt wird. — Vgl. H e r m a n n R e u t e r , Geschichte Alexanders I I I . und der Kirche seiner Zeit, 2. Aufl., Bd. 1 (1860), S. 121; H e f e l e V, 587 = H e f e l e - L e c l e r c q V, 2 (1913), S. 938; G i e s e b r e c h t V, 1 (1880), S. 251; W. M i c h a e l S. 48; J a s t r o w - W i n t e r I, 509. 2 ) R o b e r t u s d e M o n t e , Cronica (SS. VI, 512 ZI. 51—54): Kxinde parvo spacio inleriecto temporis Ludovicus rex Francorum et Henricus rex Anglorum super Ligerim apud Cociacum convenientes Alexandrum papam Romanum honore congruo susceperunt et usi officio stratoris, pedites dextra levaque frenum equi ipsius tenentes eum usque ad preparatum papilionem perduxerunt. — Vgl. R . P a u l i , Geschichte von England, Bd. 3 (1853), S. 29; R e u t e r I, 227; G i e s e b r e c h t V, 1, S. 344; H u g o R e i c h e l , Die Ereignisse an der Saone im August und September des Jahres 1162 (1908) S. 93. Die Szene fand Ende Sept. 1162 s t a t t ; gelegentliche Zweifel an der Nachricht beruhen auf einer falschen Deutung des Ortsnamens. Daß nicht nur der Kaiser, sondern auch Fürsten und geringere Personen dem Papst damals Strator- und Marschalldienst leisteten, ist unten S. 28 f. noch zu erörtern. 3 ) Boso bei D u c h e s n e , Lib. pont. I I , 408 (auch bei I . M. W a t t e r i c h , Pontificum Romanorum vitae, 2 Bde. 1862, I I , 393): Adveniente autem quadragesima, papa colloquium habiturus ad Parisiensem civitatem accessit. Set antequam civitatem ipsam intraret, rex tamquam vir pius et mitis cum baronibus et militibus suis per duas leugas ei occurrit. Quo viso statim descendit et ad streugam ipsius festinantcr concurrens humiliter deosculatus est pedes ipsius et statim ad oris oscula cum affectione fuit receptus. Vgl. R e u t e r I, 283. — Die geweihte goldene Rose, später auch Tugendrose genannt, wurde vom Papst alljährlich am „Rosensonntag" (Laetare) vergeben; das war 1163 am 3. März. Vgl. den Ordo Romanus X I § 36 bei J o h . M a b i l l o n , Museum Italicum Bd. 2 (1689), S. 135; dazu auch andere Ordines, so X I I § 17 (ebd. S. 176) und XV § 48 (ebd. S. 4 7 0 - 7 2 ) . Der Ordo X I ist vor 1143 verfaßt (ebd. S. 118), der Ordo X I I stammt von dem Kämmerer Cencius, dem späteren Papst Honorius I I I . (1216—27), der Ordo XV von Petrus Amelii de Brenaco, Bischof und Präfekt der vatikanischen Bibliothek im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts. Doch sind auch in den späteren Ordines ältere Vorlagen benützt. Vgl. B e r n h a r d i , Lothar S. 357; J o s e p h K ö s t e r s , Studien zu Mabillons Römischen Ordines (Diss. der



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Kirchenfürsten die gleiche Ehre zu erweisen. Als Heinrich IL von England im Juli 1170 bei Freteval in der Gegend von Vendöme eine trügerische Aussöhnung mit Thomas Becket, dem flüchtigen Erzbischof von Canterbury, vollzog, diente er diesem in ähnlicher Weise, indem er ihm beim Aufsteigen den Bügel hielt. 1 ) Und ebenso wurde 1177 der Friedensschluß Friedrich Barbarossas mit Alexander III. zu Venedig symbolisiert. Nach beendetem Gottesdienst half der Kaiser dem Papst beim Aufsteigen aufs Pferd, indem er ihm den Bügel hielt; dann wollte er den Stratordienst anschließen und das Pferd eine Strecke weit am Zügel führen, aber der Papst war nun auch freundlich und nahm den Willen für die Tat. 2 ) Man erkennt aus all dem, wie der Brauch rasch zu einer ziemlich häufig und ohne Bedenken geleisteten Ehrenerweisung geworden ist; Univ. Freiburg i. B., Münster i. W. 1905) S. 49, 54ff., 77ff. Urban V. gab 1368 die Rose an J o hanna I. von Neapel; E t i e n n e B a l u z e , Vitae paparum Avenionensium, n. Aufl. von G. M o l l a t , Bd. 1 (1914), S. 366. Später erhielt zweimal (1418 und 1452) auch der Deutsche König die Laetare-Rose; s. unten S. 19 Anm. 1 und 5. Vgl. N e u d e c k e r - Z ö o k l e r in der Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 17 (1906), S. 143f. Thomas Becket in einem Brief an Alexander I I I . ; Materials for the history of Thomas Becket, hrsg. von J . C. R o b e r t s o n (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores Nr. 67), Bd. 7 (1885), S. 332: Cum ergo equo desiliens me humiliarem ad pedes eius [Heinrici regis], ille arrepto scansili me coegit ascendere. Dazu W i l h e l m v. C a n t e r b u r y , Vita S. Thomae lib. I, cap. 77 (Materials Bd. 1, 1875, S. 84): Dumgue diu sermonem consererent, archiepiscopus subito equo descendens pedem regis osculaturus apprehendit. Ille pariter humilitate exhibita festinans desiliit in terram, apprehensoque stapho archiepiscopum equo imponens: Decet, ait, maiori minus dignumfamulari. Auch W i l h e l m F i t z s t e p h e n , Vita S. Thomae cap. 107 (Materials Bd. 3, 1877, S. 111): Ascensuropraebuitobsequium, orbemtenens, quo pes eius dexterteneretur. R a d u l f v o n D i c e t o in seinen Ymagines historiarum, die wieder von anderen ausgeschrieben wurden, hat den Vorgang sogar verdoppelt; Opera hrsg. von W i l l i a m S t u b b s (Rer. Brit. SS. Nr. 68), Bd. 1 (1876), S. 339: Cum autem rex et archiepiscopus secessissent in partem bisque descendissent et bis ascendissent, bis stapham rex tenuit archiepiscopo. — Vgl. P a u l i III, 82; F. I. B ü ß , Der heilige Thomas (1856), S. 606; R e u t e r , Bd. 2 (1860), S. 512. Freteval liegt am Loir, oberh. von Vendöme. 2

) Boso bei D u c h e s n e , Lib. pont. II, 440: Decantata itaque missa, eius [papae] dextram apprehendit imperator et extra ecclesiam usque ad alburn caballum tum conduxit, et streuguam sibi fortiter tenuit. Cum autem frenum acciperet et stratoris officium vellet implere, pontifex, quia iter usque ad mare nimis videbatur prolixum, pro facto hdbuit, quod afjectuose voluit exhibere. Man beachte, wie deutlich hier die beiden Dienste unterschieden sind! Schon vorher, beim Eintritt in die Markuskirche, hatte übrigens der Kaiser dem Papst mit einer Gerte den Weg gebahnt, ähnlich wie Lothar 1131, und auch das war ein Teil des Stratordienstes. So berichtet ein Augenzeuge, der Erzbischof Romuald von Salerno (SS. X I X , 453, ZI. 3—18): Imperator autem, ut humilitatem, quam corde conceperat, opere demonstraret, sumlo stratoris officio, pallium deposuit, manu virgam accepit, laicos de choro expulit et papae ad altare solemniter et processionaliter venienti viam tamquam ostiarius preparavit . . • [Dann nach Verlassen der Kirche:] Cumque equum suum album [papa] de more vellet ascendere, imperator ex alia parte accedens, strevam eius tenuit, et postquam equum ascendit, ipsum aliquantulum stratoris more per freni lora deduxit, quem papa benedicens ad hospitium redire permisit. Offenbar nahm also Romuald den Versuch Friedrichs, das päpstliche Pferd zu führen, f ü r ausgeführt. - Vgl R e u t e r , Bd. 3 (1864), S. 307; W. M i c h a e l S. 49; G i e s e b r e c h t , Bd. V, 2 (1888), S. 838f.; J a s t r o w - W i n t e r I, 561f. Die „Relatio de pace Veneta" (SS. X I X , 463, ZI. 7, auch Bullettino dell' Istituto storico Italiano No. 10, 1891, S. 15: imperator vero streviam illius tenuit) bringt den Hergang zu einem falschen Tag; vgl. G i e s e b r e c h t , Bd. 6 (1895), S. 543 f.



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und auch die mannigfachen Veränderungen in der äußeren Form, der Stratordienst bei Begegnungen, die keineswegs die erstmaligen sind, das Bügelhalten beim Aufsitzen und gegenüber anderen geistlichen Herrn, zeugen von der schwindenden Bedeutung und beginnenden Auflösung des alten Brauchs. Die weitere Entwicklung behielt die eingeschlagene Richtung bei. Vor allem wurde der Marschalldienst (fürs erste ohne den Stratordienst) jetzt einfach ein Teil des bei der Kaiserkrönung angewandten Zeremoniells. Er fand Aufnahme in den sogenannten 2. Ordo des Cencius (eine genaue Ordnung des Hergangs bei der Kaiserkrönung) ; und die alte, von Pertz begründete Ansicht, wonach dieser Ordo zu der Kaiserkrönung Heinrichs VI. von 1191 gehört und das damals zur Anwendung gekommene Zeremoniell enthält, dürfte trotz neuerer Hypothesen durchaus zu Recht bestehen.1) Nach diesem Ordo verlassen G. H. P e r t z in Mon. Germ, hist., Leges I I S. 187ff. (d'e Stellen über den Marschalldienst S. 192, ZI. 40f., 47f.). Ältere Drucke nennt D i e m a n d S. 148 Nr. 10. Neuer: Le Liber censuum de l'église Romaine, hrsg. von P a u l F a b r e und L. D u c h e s n e (Bibliothèque des écoles françaises d'Athènes et de Rome, Série II, nr. 6) Bd. 1 (1910), S. 6*; E i c h m a n n , Kirche und Staat I, 87f. Hier heißt es, nach Beendigung der kirchlichen Feier: Cum dominus papa venerit ad equum, imperator teneat stapham, et coronetur et intret in processionem . . . Quibus finitis imperator descendit et tenet stapham, domino papa descendente, deposita prius Corona. Derjenige, dem die Krone hier auf- und abgesetzt wird, ist der Papst (was mehrfach verkannt wurde). Der Kaiser h a t t e bei der Dienstleistung die Krone auf dem Haupt. — Aus der reichen Literatur über den Ordo und seine zeitliche Ansetzung nenne ich: G i e s e b r e c h t , 5. Aufl., Bd. 2 (1885), S. 665f., 688f.; T h e o d o r T o e c h e , Kaiser Heinrich VI. (1867, in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.) S. 186f. Anm. 3; G. W a i t z , Die Formeln der Deutschen Königs- und der Römischen KaiserKrönung (1872, aus den Abhandlungen der Gesellsch. d. W. zu Göttingen) S. 54; E r n s t S t e i n d o r f f , Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich III. (in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.), Bd. 1 (1874), S.315f. Anm. 1; J o s . S c h w a r z e r in den Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 22 (1882), S. 1 7 2 - 1 9 3 ; D i e m a n d S. 1 3 - 1 8 , 3 5 - 3 8 ; S e e l i g e r bei Waitz YG. 2. Aufl. VI, 233f. Anm. 4; J o s e p h B r a u n , Die liturgische Gewandung im Occident und Orient (1907) S. 457 Anm. 4; E i c h m a n n in Ztschr. d. Sav.-Stiftg. Bd. 33, KA. 2, S. 1 3 - 3 0 , ebd. Bd. 37, KA. 6 (1916), S. 152,175f.,179f., im Hist. Jahrbuch Bd. 39 (1919), S. 7 1 5 - 2 3 ; d e r s . in: Festschrift, Sebastian Merkle gewidmet (1922) S.84f., 91f.Anm. 18; ders., Der Kaiserkrönungsordo Cencius II., in: Miscellanea Francesco Ehrle Bd. 2 (Studi e testi Bd. 38, 1924); H e i n r i c h G ü n t e r , Die Krönungseide der deutschen Kaiser, in der Schäfer-Festschrift (oben S. 6 Anm. 1) S. 10—20; E v a S p e r l i n g , Studien zur Geschichte der Kaiserkrönung und -Weihe (Diss. Freiburg i. B. 1918) S. 16—19, 44f.; G e r d a B a s e l e r , Die Kaiserkrönungen in Rom und die Römer (1919) S. 109. Die Ansetzung des Ordo zu 962, f ü r die Diemand und namentlich Eichmann eingetreten sind, ist völlig unmöglich und beweist einen erstaunlichen Mangel an dem, was man Fingerspitzengefühl in der Forschung nennen kann. Schon Waitz bemerkte mit Recht, daß der Tenor der Formel in keiner Weise der Zeit der Fränkischen Kaiser entspreche. Und nun gar dem 10. Jahrhundert! Der Ordo gehört in eine Zeit, wo das Bügelhalten nicht mehr bei der ersten Begegnung zwischen König und Papst üblich war, also nach 1155; der damalige Konflikt wäre ja undenkbar, wenn das Bügelhalten nachher bei der Krönung doch zu leisten gewesen wäre. Dagegen stimmt alles aufs beste zu 1191, der Ausdruck electus imperator, der zuerst 1187 gebraucht worden ist ( H e r m a n n B l o c h , Die staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911, S. 18), die Gemahlin, der Papst C. und anderes. Der Ordo stellt eine Art Programm der Kurie dar; ob er genau so ausgeführt wurde, kann man mit Günter, Eva Sperling u. a. bezweifeln (vgl. auch W e r m i n g h o f f 45 Anm. 2) und dazu auf den angegebenen Tag (die dominico) verweisen; denn die Kaiserkrönung Heinrichs VI. fand am Ostermontag statt.



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Kaiser und Papst nach der Kaiserkrönung die Peterskirche, begeben sich zu den bereitstehenden Pferden, und hier steigt zunächst der Papst auf, wobei der Kaiser ihm den Bügel hält ; dann geht es in langer Prozession zum Lateran, und da dient der Kaiser dem Papst beim Absteigen abermals am Bügel. Also ein zweimaliger Marschalldienst, auf den man damals bei dieser Gelegenheit offenbar mehr Wert legte als auf das Zügelführen.1) Es ist nicht mehr die erste Begegnung zwischen König und Papst, an die der Dienst geknüpft wird, wohl aber die erste Gelegenheit, bei der der gekrönte Kaiser ihn dem Papst erweisen kann. So war der Hergang also 1191; so wahrscheinlich wieder 1209 bei der Kaiserkrönung Ottos IV., wo wenigstens das Bügelhalten beim Aufsteigen durch Arnold von Lübeck ausdrücklich verbürgt ist 2 ); so vermutlich auch bei der Kaiserkrönung Friedrichs II. 1220, über die uns freilich alle näheren Berichte fehlen.3) Und so konnte um die gleiche Zeit Eike von Repgow im ersten Artikel des Sachsenspiegels den Brauch, wonach der Kaiser dem Papst zu bestimmter Zeit den Stegreif zu halten hat, als eine Satzung buchen4); er sieht in ihm ein äußeres Zeichen dafür, daß die beiden Häupter der Christenheit sich im Bedarfsfalle gegenseitig ihre Hilfe zukommen lassen sollen. Und in den Bilderhandschriften des großen Rechtsbuchs ist die Szene auch bildlich wiedergegeben.5) 1 ) Wohl weil es der auffälligere und der sachlich notwendigere der beiden Dienste war; der Papst brauchte zum Reiten keinen Zügelführer, wohl aber beim Auf- und Absteigen einen Bügelhalter. Jedenfalls paßt es sehr gut zum Ordo Cencius II., daß Arnold von Lübeck zu 1209 nur von Bügelhalten spricht (s. die folgende Anm.). 2 ) Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum lib. VII, cap. 19 (SS. XXI, 249, ZI. 25—27): Cum igitur ventwm fuisset ad equos, imperator non immemor apostolice reverentie, que exhibenda est ipsorum vicario fideli et reverendo pape Innocentio, strepam ipsius devote apprehendit. — Vgl. E d u a r d W i n k e l m a n n , Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig (in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.), Bd. 2 (1878), S. 201; W. M i c h a e l S. 49; D i e m a n d S. 32f.; A c h i l l e L u c h a i r e , Innocent III., Bd 3: La papauté et l'empire (1906) S. 240; E i c h m a n n in KA. H, 3 2 - 34. 3 ) E d u a r d W i n k e l m a n n , Kaiser Friedrich II. (in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.) Bd. 1 (1889), S. I I I ; vgl. auch W. M i c h a e l S. 50. Zu Unrecht nehmen W i n k e l m a n n S. 109 und D i e m a n d S. l l f . , 22 an, daß ein Ordo von 1220 bei der Krönung Heinrichs VII. 1312 als Vorlage gedient habe; vgl. dagegen unten S. 14f. Anm. 3. Daß bei der Krönung von 1220 wieder der Ordo Cencius II. zugrunde gelegt wurde, ist um so wahrscheinlicher, als ja eben Cencius damals Papst (Honorius III.) war. 4 ) E i k e v o n R e p g o w , Sachsenspiegel, Landrecht Buch I, Art. 1 (Des Sachsenspiegels erster Teil oder das Sächsische Landrecht, hrsg von K. G. H o m e y e r , 3. Ausg., 1861, S. 153; K a r l Z e u m e r , Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, 2. Aufl., 1913, S. 59): Derne pavese is oh gesät, to ridene to bescedener tiet up eneme blanken perde, unde de heiser sal ime den stegerep hoMen, dur dat de, sadel nicht ne winde. Vgl. H a n s F e h r in der Ztschr. d. Sav.-Stiftg. Bd. 37 (1916), Germ. Abt. S. 29; E. E i c h m a n n im Hist. Jahrbuch Bd. 38 (1917), S. 721—24. — Der Satz des Sachsenspiegels ging dann auch in den Deutschenspiegel Art. 1 und in den Schwabenspiegel Landrecht Vorw. über. Der Spiegel deutscher Leute, hrsg. von J u l i u s F i c k e r (1859) S. 35; Der Schwabenspiegel, hrsg. von F. L. A. F r h r . v. L a ß b e r g (1840) S. 5. 5 ) Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hrsg. von K a r l v. A m i r a , Bd. 1 (1902), Tafel 7 und Beilage; vgl. Bd. 2, Teil 1 (1925), S. 137f. Auch an anderen Orten finden sich



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Nach dem Jahr 1220 ist es bekanntlich über zwei Jahrhunderte lang zu keiner, durch den Papst persönlich vollzogenen Kaiserkrönung mehr gekommen. Doch sind die Dienste, von denen hier die Rede ist, deswegen durchaus nicht in Vergessenheit geraten, und man besann sich jetzt auch wieder darauf, daß der Herrscher des „römischen" Reichs nicht nur den Bügel zu halten, sondern auch den Zügel zu führen habe. Wilhelm von Holland, der deutsche König von Papstes Gnaden, hat im April 1251 seinen mächtigen Schirmherrn Innocenz IV. zu Lyon besucht. Nicht bei der ersten Begegnung, aber bei einem großen Volksfest vor der Stadt, am Gründonnerstag, wo der Papst im Freien predigte, hat Wilhelm ihm damals „nach Sitte der Könige" beim Aufsteigen den Bügel gehalten und das Pferd am Zügel geführt, was offenbar der Schluß- und Höhepunkt der Veranstaltungen sein sollte. 1 ) Freilich hat man durchaus den Eindruck, daß bei diesem Akt der armselige Pfaffenkönig, der am gleichen Tag eine Bestätigung seiner Würde aus der Hand des Papstes entgegengenommen hatte, mehr geehrt war als der mächtige Herr der Christenheit, der sich die Huldigung seines Geschöpfes gefallen ließ! Der Dienst am Bügel ist außerhalb der Krönungszeremonie seitdem nicht mehr verrichtet worden (soweit wir erkennen können). Erst ein Vierteljahrhundert später kam es wieder zu einer Begegnung des Papstes mit einem deutschen König: Gregor X. und Rudolf von Habsburg trafen sich im Oktober 1275 zu Lausanne und nahmen hier fürs nächste Jahr die Kaiserkrönung in Aussicht. 2 ) Ein Strator- oder Marschalldienst scheint damals weder gefordert noch geleistet worden zu sein. Dagegen wurde für die Kaiserkrönung ein genaues Programm ausgearbeitet und hierbei, unter allerhand Änderungen der zuletzt üblichen Ordnung, nun auch ein Marschall- und Stratordienst vorgesehen, die Wiederholung des Marschalldienstes dagegen fallen gelassen. 3 ) Aus der Kaiserkrönung Rudolfs ist bekanntlich nichts geReproduktionen des Bildes, z. B. bei H a n s F e h r , Aus deutschen Rechtsbüchern (Voigtländers Quellenbücher, Bd. 33, 1912) S. 5, 34. !) Nicolaus von Curbio,Vita InnocentiilV., cap. 30, bei fitienne B a l u z e , Miscellanea, n. Aufl. v . l . D. M a n s i Bd. 1 (1761), S.201 (auch bei L. A. M u r a t o r i , Rerum Italicarum ScriptoresIII, 1 S.592i): Rex Alamaniae christianissirnus Guillelmus . .. ., ut moris est regurn, tenuit staßam eins [papae] et ipsum pariter adextravit. DasVerbum addextrare (von dexter, also: zur rechten Seite nebenhergehen) wird sehr häufig im Sinne von Zügelführen gebraucht. Zur Sache: J. F. B ö h m e r , Regesta imperii V., Die Regesten des Kaiserreichs 1198—1272, neu hrsg. von J u l i u s F i c k e r und E d u a r d W i n k e l m a n n (3 Bde 1 8 8 1 - 1 9 0 1 ) , Reg. 5033d; O t t o H i n t z e , Das Königtum Wilhelms von Holland (1885) S. 44; J o h a n n L o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters (1903) S. 125; H a u c k , Bd. 5, 1 (1911), S. 5. 2 ) J. F. B ö h m e r , Regesta imperii VI., Die Regesten des Kaiserreichs 1273—1313, neu hrsg. von O s w a l d R e d l i c h , 1. Abt. (1898), Reg. 4 3 8 b - 4 4 2 . Vgl. J. E. K o p p , Geschichte der eidgenössischen Bünde, Bd. 1 (1845), S. 119£f.; O t t o k a r L o r e n z , Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert, Bd. 2 (1867), S. 58ff.; 0 . R e d l i c h , Rudolf von Habsburg (1903) S. 192ff. 3 ) Hierher gehört nämlich ohne Zweifel der Ordo, auf den Clemens V. 1311 zurückgriff, gedruckt u. a. von P e r t z in Mon. Germ, hist., Leges II, 531, ZI. 36, —533, ZI. 32; W e i l a n d in



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worden. Aber der Ordo von 1275 blieb in Zukunft für die feierliche Handlung der Krönung des Kaisers maßgebend. Danach hat der gekrönte Kaiser nach dem Verlassen der Peterskirche dem Papst beim Aufsteigen den Bügel zu halten und sein Pferd eine kleine Strecke weit am Zügel zu führen; dann besteigt er das eigene Pferd, und nun geht der Zug nicht mehr den weiten (und bei der Aufsässigkeit der Römer gefährlichen) Weg zum Lateran, sondern nur bis zur Kirche S. Maria in Traspontina, die noch innerhalb der Leostadt, nahe der Engelsburg gelegen war.1) Hier gaben sich Kaiser und Papst den Abschiedskuß und trennten sich, „nach dem Körper, nicht nach dem Herzen", wie uns der Ordo versichert. Die beiden nächsten im Einvernehmen mit dem Papst veranstalteten Kaiserkrönungen (Heinrich VII. 1312, Karl IV. 1355 — diejenige Ludwigs des Bayern 1328 scheidet hier selbstverständlich aus —) sind von Kardinälen vollzogen worden, da der Papst in Avignon weilte; und hierbei hat zuerst Const. IV, 1 (1906), S. 6 0 9 - 1 1 ; E i c h m a n n , Kirche und Staat I I , 7 9 - 8 2 . Ganz ähnlich lauten die drei, v o n D i e m a n d S. 126—134 und S. 134—142 und von E i c h m a n n in Ztschr. d. Sav.-Stiftg. 33, KA. II, 37—42 gedruckten Ordines, die freilich zu jenem wie untereinander einige Varianten aufweisen. Alle diese Ordines bringen am Eingang den charakteristischen Titel rex in (Romanorum) imperatorem electus, der einen bemerkenswerten Unterschied gegenüber dem Ordo CenciusII. aufweist (oben S. 12 Anm. 1) und frühestens der Zeit Innocenz' I I I . angehören k a n n ; vgl. B l o c h S. 38. Man hat sich verschiedentlich Mühe gegeben, die Ordines zu den Krönungen von 1209 und 1220 aufzuteilen, und einige von ihnen, da es doch mehr als zwei sind, als „Privatarbeiten" bezeichnet; vgl. D i e m a n d S.22—34, E i c h m a n n i n K A . II, 32ff. Auch E m i l M i c h a e l , Geschichte des deutschen Volkes, Bd. 1 (1897), S. 283, Bd. 6 (1915), S. 139 stellt einen entsprechenden Ordo zu 1209 und läßt Bd. 6, S. 266 denselben Ritus 1220 wiederholen. In Wahrheit dürften nur verschiedene Formen oder Entwürfe des Ordo von 1275 vorliegen; denn die Ordines sind Vorschläge oder Programme und geben keine Gewißheit f ü r wirkliche und genaue Ausführung (vgl. oben S. 12 Anm. 1). Als sicher darf angenommen werden, daß 1275 bei den Verhandlungen über die Einzelheiten der Kaiserkrönung auch über einen zugrunde zu legenden Ordo gesprochen wurde, und daß Clemens V., als er 1311 die alte Krönungsordnung hervorsuchte, sich an einen Ordo von 1275 und nicht an einen älteren hielt. Drei der in Rede stehenden Ordines ziehen die Möglichkeit, daß auch die Königin gekrönt werden soll, in Betracht, ohne Gewißheit darüber zu haben, was gut zu 1275 stimmt. Daß der vierte ( E i c h m a n n in KA. I I , 37ff.) den Passus über die Königin nicht hat, könnte f ü r ihn mit E i c h m a n n an 1209 denken lassen, ist aber ebensogut aus den Arbeiten und Möglichkeiten von 1275 zu erklären, und man wird angesichts des mehr zu Cencius II. stimmenden Berichtes bei Arnold von Lübeck von 1209 besser absehen. Daß der Ordo bei D i e m a n d S. 134ff. aus einer Abschrift von 1276 stammt (ebd. S. 29). paßt gleichfalls zur Zuweisung zu 1275. — Die Stelle über die Dienste des Kaisers lautet in allen vier Ordines fast gleich: Missa finita pontificalem benedictionem reverenter accipiat et statim procedat (precedat D i e m a n d S. 132) ad locum, ubi debet summus pontifex equitare, ut cum ipse pontijex (summus pont. E i c h m a n n , KA. I I , 42) equum ascenderit, teneat stapedium seile eius et, arrepto freno, aliquantulum ipsum adextret (arr. fr. ipsum adextret usque ad principium viae sacrae, ebd., vielleicht ein Forderung, die auf Wunsch des Königs fallen gelassen wurde). x ) Die Kirche S. Maria in Traspontina oder Transpadina (Crespedim bei E i c h m a n n in KA. I I , 42 ist nur eine verderbte Form) lag nach Ausweis des Ordo Cencius I I . neben dem sog. „Terebinthus Neronis", einem Bauwerk in der Nähe der Engelsburg und der Porta Collina (Posterula castelli S. Angeli). Vgl. C a r l B u n s e n bei Ernst Platner, C. Bunsen, Ed. Gerhard und Wilh. Röstell, Beschreibung der Stadt Rom, Bd. 2, 1. Abt. (1832), S . 3 2 f . , 4 0 ; G r e g o r o v i u s IV, 56, 607f.; D i e m a n d S. 53, 95f.; K ö s t e r s S. 49; E i c h m a n n im Hist. Jahrbuch Bd. 45 (1925), S. 2 8 - 3 4 .

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Clemens V. vor der Krönung Heinrichs VII. entschieden, daß das Bügelhalten und Zügelführen nur dem Papst persönlich, nicht seinem Stellvertreter zu verrichten sei 1 ), und dem hat sich Innocenz VI. 1355 angeschlossen, so daß bei diesen beiden Krönungen also Marschall- und Stratordienst in Wegfall kamen. Der volle Ordo konnte erst zur Anwendung gebracht werden, wenn wieder einmal ein Papst persönlich den Kaiser krönte. Das aber hat erst im 15. Jahrhundert wieder stattgefunden. Außerhalb der Krönung ist freilich schon Karl IV. mehrmals mit dem Papst zusammengetroffen. Er hat im April 1346 Clemens VI. und im Mai-Juni 1365 Urban V. in Avignon besucht 2 ), ohne daß wir dabei von einem Stratoroder Marschalldienst etwas hören. Das erstemal war Karl allerdings noch nicht Deutscher König; es handelte sich bei der Zusammenkunft von 1346 ja gerade um die Vorbereitungen seiner Wahl. Aber das zweitemal wäre so gut wie 1251 zu Lyon Gelegenheit gewesen. Man erkennt eben auch hier, wie die festen Regeln bei dem ganzen, zu einer bedeutungslosen Zeremonie herabsinkenden Brauch im Schwinden waren. Denn zum mindesten vom Zügelführen kann man andererseits auch nicht sagen, daß es jetzt bereits auf das Zeremoniell der Kaiserkrönung beschränkt war. Nicht nur daß der Papst sich von allerhand anderen Personen damals gelegentlich Stratordienst leisten ließ.3) Auch 1

) Leges II, 534 = Const. IV, 613: Processus autem eiusdem imperatoris ad locum, ubi summus pontifex equitare deberet, et detentio stapedii seile eius et, arrepto freno, equi, cui Romanus pontifex insideret, adextratio officiique stratoris exhibitio, quia soli Romano pontifici competunt et presenciam ipsius exigunt corporalem, omictantur omnino. Vgl. W. Michael S. 50. Der Papst bezieht sieh hier auf die, oben S. 15 (14 Anm. 3) zitierte Stelle des Ordo von 1275 und erläutert die adextratio durch officium, stratoris; beides bezeichnet den gleichen Dienst. Ganz dieselbe Anordnung traf dann 1355 Innocenz VI. J . F. B ö h m e r , Regesta imperii VIII., Die Regesten des Kaiserreichs unter Kaiser Karl IV., hrsg. von A l f o n s H u b e r (1877) S. 508 Reg. 46; Iohannes Porta de Annoniaco, Liber de coronatione Karoli IV. imperatoris, cap. 14, hrsg. von R. S a l o m o n (1913, in den Scriptores rer. Germ, in usum schol.) S. 32. Vgl. E m i l W e r u n s k y , Der erste Römerzug Kaiser Karl IV. (1878) S. 109 Anm. 2. — Bei der unter besonderen Umständen vollzogenen Kaiserkrönung Ludwigs des Bayern 1328 sind derartige Dienste gar nicht in Betracht gekommen. 2 ) B ö h m e r - H u b e r S. 21f. Reg. 227a-232, S. 338fi. Reg. 4170a-4176. Vgl. E. Wer u n s k y , Geschichte Kaiser Karls IV. und seiner Zeit, Bd. 1 (1880), S. 407 fi., Bd. 3 (1892), S. 322 ff. 3 ) Stratordienst (Zügelführen, ohne Bügelhalten) wurde dem Papst in den Jahren von 1254 bis 1305 in vier Fällen geleistet. 1.) Okt. 1254 durch Manfred, Fürsten von Tarent, während Innocenz IV. über die Gariglianobrücke bei Ceperano ins Königreich Sizilien einritt. Nicolaus von Curbio cap. 41, bei B a l u z e - M a n s i I, 205, bei M u r a t o r i III, 1 S. 592; Nicolaus von Jamsilla bei M u r a t o r i VIII, 512 D, auch in Cronisti e scrittori sincroni Napoletani, hrsg. v. Giuseppe Del Re, Bd. 2 (1868), S. 124. Vgl. K a r l R o d e n b e r g , Innocenz IV. und das Königreich Sizilien (1892) S. 195; A u g u s t K a r s t , Geschichte Manfreds vom Tode Friedrichs II. bis zu seiner Krönung (1897) S. 26; L o s e r t h S. 141. — 2.) Aug. 1294 durch König Karl II. von Neapel und seinen Sohn Karl Martell, "Titularkönig von Ungarn, als Coelestin V. auf einem Esel seinen Einzug in Aquila hielt, wobei Karl zur Rechten, Karl Martell zur Linken des Papstes schritt. Opus metricum des Kard. Jacobus Gaietani Stefaneschi, in den Monumenta Coelestiniana, hrsg. von F r a n z X a v e r S e p p e l t (1921) S. 58 v. 55. Vgl T h e o d o r L i n d n e r , Deutsche Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern, Bd. 1 (1890), S. 109; H a n s S c h u l z in d. Ztschr. f. Kirchengeschichte, Bd. 17 (1897), S. 372. Ein angeblicher nochmaliger Stratordienst der Könige nach der

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Karl IV. hat diesen einen Teil der Ergebenheitsbezeugungen bald darauf in spon tanem Impuls verrichtet. Urban V. war 1367, dem Wunsch des Kaisers folgend, nach Rom zurückgekehrt; im folgenden Jahr trat Karl seinen zweiten Römerzug an, Urban ging ihm bis Viterbo entgegen, dann eilte der Kaiser voraus nach Rom, und hier hat er am 21. Oktober 1368 dem Papst einen feierlichen Empfang bereitet: er erwartete ihn an der Engelsburg, bei der alten Porta Collina, stieg bei seiner Ankunft vom Pferd und leistete ihm ohne vorherige Verabredung, nach eigenster Eingebung, Stratordienst, indem er den Zelter Urbans bis zur Peterskirche, also diesmal keineswegs nur eine ganz kleine Strecke weit, am Zügel führte.1) Ein großer Teil der Römer hat darüber geKrönung Coelestins (29. Aug.), wobei der Papst auf einem weißen Pferd geritten sei, ist unhistorisch (nachdemfolgenden konstruiert). Ihn erwähnt 1619Lelius Marinus de Maleo. Acta Sanctorum Maii, Bd. 4 (i685), S. 518. Ebenso dann W. D r u m a n n , Geschichte Bonifacius VIII. (2 Bde. 1852) I, 10; S c h u l z S.378. — 3.) Jan. 1295 durch dieselben beiden Könige nach der Krönung Bonifaz' VIII. in Rom. Jacobus Gaietani S. 101 v. 213—218. Vgl. D r u m a n n I, 20; L o s e r t h S. 208. — 4.) Nov. 1305 durch die Grafen Karl von Valois (Bruder König Philipps des Schönen von Frankreich) und Johann II. von der Bretagne, jener zur Rechten, dieser zur Linken des Papstes Clemens V., als er nach seiner Krönung zu Lyon auf einem weißen Maultier von der Kirche nach seinem Palast zog, wobei der Graf der Bretagne und mehrere andere Personen durch eine einstürzende Mauer ums Leben kamen. Fortsetzung des Wilhelm von Nangis, im Recueil des historiens des Gaules et de la France, Bd. 20 (1840), S. 592 D/E; Flores historiarum, hrsg. von H e n r y R i c h a r d s L u a r d [Rer. Brit. med. aevi scriptores 95], Bd 3 (1890), S. 126f. (auch SS. 28, S. 502); Chronographia regum Francorum, hrsg. von H. M o r a n v i l l e , Bd. 1 (1891), 5. 176. Vgl. G e o r g e s L i z e r a n d , Clement V. et Philippe IV. le Bei (These Paris 1910) S. 48. Neben dem Papst schritt damals auch ein scutifer, sodaß wir also kein Recht haben, in einem ähnlichen scutifer von 1383 (Theoderici de Nyem De scismate libri tres, hrsg. von G e o r g E r l e r 1890, S. 58) einen Strator zu sehen. — Manfred und die Könige von Sizilien und Ungarn waren Lehnsleute des Papstes, und Jacobus Gaietani S. 102 v. 219—222 will den Stratordienst von 1295 ausdrücklich mit der päpstlichen Lehnshoheit über das Königreich Sizilien begründen. Es ist aber kein Zweifel, daß das Zügelführen oft auch in Fällen, wo von einem vassalitischen Verhältnis keine Rede war, verrichtet wurde. So 1305. So auch im oströmischen Reich. In Nicaea hat 1258 Michael Palaeologus, der spätere Kaiser und Restaurator der griechischen Herrschaft in Konstantinopel, als „Großherzog", Regent und Vormund des unmündigen Kaisers JohannesIV. Laskaris dem orthodoxen Patriarchen Arsenios von Konstantinopel Stratordienst geleistet, indem er sein Maultier am Zügel führte. G e o r g i u s P a c h y m e r e s , De Michaele et Andronico Palaeologis lib. I, cap. 26, hrsg. von I. B e k k e r im Corp. Script, hist. Byz., Bd. 1 (1835), S. 72. — Worauf beruht das Gedicht Archibald Douglas von Th. F o n t a n e ? „Graf Douglas faßte den Zügel vorn und hielt mit dem Könige Schritt", wobei er sich dann erbietet, nicht mehr sein Seneschall, sondern nur noch kein Stallknecht (Strator) zu sein. *) Coluccio Salutati an Boccaccio, 8. April 1369; Epistolario di Coluccio Salutati, hrsg. von F r a n c e s c o N o v a t i , Bd. 1 (1891, in den Fonti per la storia d'Italia [Nr. 15], Epistolari secolo XIV.), S. 86f.: Urbanus pontificali apparatu candido equo impositus, frenum cesare baiulante, urbem invectus est . . . Salutati, der über das Schauspiel der Einmütigkeit von Kaiser und Papst sehr erfreut ist, betont den Jubel der Römer, vergißt aber doch nicht der Spötter. Dazu Ulman Stromer's Püchel Kap. 3, hrsg. von K a r l H e g e l in den Chroniken der deutschen Städte, Bd. 1 (1862), S. 31: do stund der kayser unter dem tor zu Rom ab von seym pferd und ging neben dem pobst und zewmt den (d. h. zeumte ihn, führte sein Pferd am Zaum) durch die stat zu Rom unczfür daz munster zu sant Peter und Pawl; daz heten dieRomer für ein groß smochheit dem reych. Ferner die erste Vita Urbani V. papae, bei B a l u z e , Vitae pap. Aven., n. Aufl. von M o l l a t I, 369: Der H o l t z m a n n , Der Kaiser als Marschall des Papstes.

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spottet, während andere sich an dem sichtbaren Zeichen der Eintracht zwischen den beiden höchsten Gewalten der Christenheit begeisterten. Karl selbst mochte glauben, einen alten Brauch zu beleben, wie das auch sonst seine Art war. I n Wahrheit zeigt doch auch dieser außergewöhnliche und in keinen festen Zusammenhang mit den früheren Diensten der Kaiser zu stellende Hergang 1 ) den Zerfall des ganzen Brauchs. Wieder etwas anders gestalteten sich die Dinge ein halbes Jahrhundert später unter König Siegmund, dem zweiten Sohn Karls IV. Er ist mehrmals mit Johann X X I I I . zusammengekommen, 1413 in Lodi, 1414—15 in Konstanz auf dem Konzil, ohne daß dabei jemals ein Strator- oder Marschalldienst in Frage gekommen wäre. Anders im November 1417 nach der Wahl Martins V. durch das vom Konzil bestellte Konklave. Diesem Papst, den er verehrte, hat Siegmund zweimal, nach der Wahl und nach der Krönung, Stratordienst verrichtet. Das erstemal (11. November) geschah es in plötzlichem Entschluß auf dem Weg des feierlichen Zugs, der den Gewählten vom Ort des Konklaves nach dem Dom führte: Siegmund schritt rechts, Herzog Ludwig der Bärtige von Bayern-Ingolstadt links neben dem Schimmel des Papstes, beide den Zügel in der Hand. 2 ) Es war die Freude über den Ausgang der Wahl und der Wunsch, dem Konzilspapst eine augenfällige Ehre zu erweisen, die den König zu dieser Handlung bewog. Zehn Tage darauf, am Tag der feierlichen Krönung Martins (21. November), wiederholte sich diese Szene vor dem Dom im Rahmen des vereinbarten Krönungszeremoniells. Nach Beendigung der Krönung bestieg der Papst abermals sein weißes, mit purpurner Decke geschmücktes Pferd, der König führte es rechts, der Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg links am Zaum, während beide in der anderen Hand einen Stab hielten, um das Volk abzuwehren, ähnlich wie einst König Lothar zu Lüttich. So schritten sie „in Kaiser erwartete den Papst in Rom ibique, scilicet in porta, que est iuxta Castrum 8. Angeli, de suo equo descendens stratoris vicem gessit ac usque ad basilicam beati Petri, pedester equi pape frenurn tenens, ipsurrt adextravit. Ähnlieh auch die zweite Vita, ebd. S. 389f. — Vgl. B ö h m e r - H u b e r S. 387 Reg. 4696f, Additamentum (1889) S. 757 Reg. 7274 g; G r e g o r o v i u s Bd. 6 (3. Aufl., 1878), S. 423; L i n d n e r Bd. 2 (1893), S. 75; L o s e r t h S. 323. 1 ) Er sollte natürlich lediglich eine Ehrenerweisung bedeuten, wie etwa bei den vorangegangenen, oben S. 16f. Anm. 3 erwähnten Fällen von 1254 (Manfred) und 1258 (Michael Palaeologus). Der Sinn für alte Formen, auch wo ihr Inhalt geschwunden war, tritt bei Karl IV. namentlich in den Beziehungen zu Italien und Burgund (Krönung zu Arles 1365) hervor. 2 ) U l r i c h v o n R i c h e n t a l , Chronik des Konstanzer Konzils, hrsg. von Michael Richard B u c k (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 158, 1882) S. 124; G e b h a r d D ä c h e r bei H e r m a n n v o n d e r H a r d t , Magnum Constantiense Concilium, B d . 4 (1699), S.1485. Vgl. J o s e p h A s c h b a c h , Geschichte Kaiser Sigmunds, Bd. 2 (1839), S. 301; H e f e l e , Conciliengesch., Bd. 7, 1 (1869), S. 329 = H e f e l e - L e c l e r c q , Bd. 7, 1 (1916), S. 480; L i n d n e r II, 302. Daß es sich dabei um einen plötzlichen Entschluß handelte, ergibt sich daraus, daß der Stratordienst erst mitten auf dem Weg begann, und daß damals, am 11. Nov., die Büttel des Papstes die silbernen „Trömel" (Stäbe) führten, um der Menge zu wehren, während zehn Tage darauf, wo der Dienst vorgesehen war, die beiden Stratoren Siegmund und Friedrich auch die dazu bestimmten Stäbe hatten.



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großem Schmutz" neben dem Papst einher.1) Den gleichen Dienst hatten auch sonst schon Könige, Prinzen und andere hohe Herren bei der Krönung des Papstes versehen2), und gewiß meinte damals niemand, daraus eine, dem deutschen Königtum abträgliche Folgerung ziehen zu dürfen. Und nun ist es auch wirklich noch dreimal zu einer, durch den Papst persönlich vollzogenen Kaiserkrönung gekommen. Man hielt sich dabei an die Ordnung, wie sie 1275 in Aussicht genommen und auch von den Avignoneser Päpsten des 14. Jahrhunderts in der Theorie festgehalten war3), so daß also Marschall- und Stratordienst in alter Weise wiederbelebt wurden. Siegmund 1433 in Rom 4 ), Friedrich III. 1452 in Rom und Karl V. 1530 in Bologna haben dem Papst beim Aufsitzen den Steigbügel gehalten und dann den Dienst am Zügel seines Pferdes angeschlossen, eine Zeremonie, bei der sich niemand etwas anderes als eine bedeutungslose Ehrenerweisung denken konnte. Ein paar leise Abwandlungen, die sich dabei noch einstellten, sind dafür charakteristisch. Papst Nikolaus V. ließ sich 1452 nach der Krönung zwar den Bügel halten, lehnte aber dann das Zügelführen mehrmals ab und erklärte schließlich, diesen zweiten Dienst nur in seiner Eigenschaft als Stellvertreter Christi empfangen zu wollen, „indem er mit einigen guten Worten die Ehre nicht für seine Person, sondern für den, dessen Statthalter er war, annahm".5) Noch einen Schritt *) U l r i c h v o n R i c h e n t a l S. 128; O d e r i o u s R a y n a l d , Annales ecclesiastici 1417, Martini V. annus I., § 2; H. v. d. H a r d t IV, 1490f.; A s c h b a c h II, 304; H e f e l e VII, 1 S. 330 = H e f e l e - L e c l e r c q VII, I S . 4 8 1 ; L i n d n e r a. a. O. — Am Sonntag Laetare (6. März) 1418 sollte Siegmund die geweihte Rose erhalten; da er erkrankt war, schickte der Papst sie ihm tags drauf in die Wohnung (vgl. oben S. 10f. Anm. 3). 2 ) Man denke an die Krönungen von 1295 und 1305 (oben S. 16f. Anm. 3). Zwei Könige hatten schon 1162 die Zügel des Papstes geführt /S. 10), dann auch 1294. Freilich ist es immerhin bezeichnend, daß König Philipp der Schöne von Frankreich, der bei der Zeremonie von 1305 anwesend war, nicht zu den Stratoren gehörte, sondern hinter dem Papst im Zug einherschritt. 3 ) Vgl. oben S. 1 4 - 1 6 . 4 ) Über die Krönung Siegmunds durch Eugen IV. berichtet G i a n F r a n c e s c o P o g g i o B r a c c i o l i n i , Deutsche Reichstagsakten Bd. 10 (1906), S. 841. Doch vgl. dazu R a y n a l d 1433 § 14; A s c h b a c h , Bd. 4 (1845), S. 118 mit Anm. 28. Siegmund führte das Pferd des Papstes etwa drei Schritte weit; die Behauptung Poggios, daß das nur wegen Podagras geschehen sei, und daß die früheren Kaiser den Zügeldienst bis zur Hadriansbrücke (dem Ponte S. Angelo) geleistet hätten, ist irrig. — Wie W. M i c h a e l in seiner sorgsamen Untersuchung S. 50 sagen konnte, bei den späteren Kaiserkrönungen (nach 1220) scheine von der Pflicht des Bügelhaltens (und Zügelführens) gar nicht mehr die Rede gewesen zu sein, ist unverständlich. Vgl. auch L i n d n e r II, 370; E i c h m a n n im Hist. Jahrbuch, Bd. 45, S. 49 (und zu der Behauptung von einem früheren Stratordienst bis zum Anfang der Via sacra oben S. 15 am Ende der Anm. 3 von S. 14). 5 ) Berichte über die Krönung vonl452 bei R a y n a l d 1452 §2; J o s e p h C h m e l , Geschichte Kaiser Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximilian I., Bd. 2 (1843), S. 725 mit Anm. 1 (hier sagt Goswinus Mandoctes, daß der Kaiser den Stratordienst verrichtete, licet papa sepius renuit). Vgl. L u d w i g P a s t o r , Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 1 (2. Aufl. 1891), S. 412; J o h a n n e s M a r t e n s , Die letzte Kaiserkrönung in Rom (Leipziger Diss. 1900) S. 68; V i k t o r v. K r a u s , Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters, Bd. 1 (1905), S. 294. — Die Kaiserkrönung fand am Sonntag Laetare (19. März) statt, und Friedrich erhielt dabei die geweihte Rose. Daß die Päpste mit den Worten freundlicher Bescheidenheit sich der Haltung

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weiter ging man bei Gelegenheit der zweiten Romfahrt Friedrichs III. (1468/69), wo der Kaiser abermals der beiden Dienste gedachte, obgleich es sich damals weder um eine Kaiserkrönung, noch um eine erste Begegnung zwischen Kaiser und Papst gehandelt hat. Es war am Neujahrstag 1469 zu Rom, als Friedrich bei einer feierlichen Prozession die Dienste dem Papst anbot; aber Paul II. lehnte beide so entschieden ab, daß es diesmal nicht zum wirklichen Vollzug gekommen ist.1) Es scheint, daß eine feste Abmachung damals nicht vorher vereinbart war, und man sieht auch hieraus wieder, wie wahllos, nach jeweiligem Gutdünken, die Dienstleistung in diesen Zeiten geübt wurde. Bei der letzten Kaiserkrönung schließlich, derjenigen Karls V. zu Bologna 1530, wählte man ein .Verfahren, das so etwa die Mitte zwischen dem Hergang von 1452 und dem von 1469 darstellte. 2 ) Als Clemens VII. nach dem Verlassen der Kirche sein Pferd bestieg, hielt Karl den Bügel, obgleich der Papst das wieder bescheiden ablehnte. Dann ergriff der Kaiser den Zügel des Pferdes, um den eigentlichen Stratordienst anzuschließen; aber nun erklärte der Papst ernstlich, daß er m e h r unter keinen Umständen dulden könne, und so blieb es bei dieser Andeutung des Zügelführens. Damit schließt die Geschichte unseres Brauchs. Nach 1530 ist es nicht mehr vorgekommen, daß ein Deutscher Kaiser dem Papst als Strator oder als Marschall gedient hat. Die beiden Verrichtungen sind zugleich mit der Kaiserkrönung verschwunden.

4. Vergegenwärtigt man sich diese äußeren Daten, so drängen sich verschiedene Fragen auf. Wir können sie in vier zusammenfassen. 1. Wie kam Pippin im Jahre 754 dazu, dem Papst Stratordienst zu leisten, und was bedeutete damals diese Handlung? 2. Ist der Dienst in den vier Jahrhunderten von 754—1155 wirklich nur in den wenigen Fällen verrichtet worden, in denen wir ausdrücklich von ihm hören, und wenn ja, warum gerade in diesen ? 3. Was bedeutet der Marschalldienst, das Bügelhalten, das 1131 zu dem Zügelführen näherten, die vor drei Jahrhunderten Gerhoh von Reichersberg gewünscht und Friedrich Barbarossa gefordert hatte, wird sich unten (S. 36, 37) ergeben; man erinnere sich auch des Hergangs von 1177 (S. 11). 1) Augustinus Patrizi, bei M u r a t o r i , Rer. Ital. Scriptores, Bd. 23 (1733), Sp. 213. Vgl. R a y n a l d 1469 § 3; G r e g o r o v i u s Bd. 7 (3. Aufl. 1880), S. 223 (irrig: bei der Weihnachtsprozession); P a s t o r Bd. 2 (2. Aufl. 1894), S. 401. 2 ) J e a n de V a n d e n e s s e , Journal des voyages de Charles-Quint, hrsg. von Gachard in der Collection des voyages des souverains des Pays-bas, B d . 2 (1874), S.93; H e n r i c u s C o r n e l i u s A g r i p p a , De duplici coronatione Caroli V., bei Simon Schard, Historicum opus, B d . 2 (1574), S. 1266f. = Schardius redivivus, Rerum Germanicarum Scriptores (1673) II, 272; I Diarii di M a r i n o S a n u t o , Bd.52 (1898), S. 674 (wo arrepto statt accepto zu lesen ist); R a y n a l d 1530 § 38f. ; G r e g o r o v i u s Bd. 8 (3. Aufl. 1881), S. 620; P a s t o r Bd. 4, 2 (1907), S. 386.



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hinzugekommen ist? Und 4. Wie erklärt sich der große Wandel nach 1155, weshalb werden von da an die Dienste so häufig und so bedeutungslos % Fragen, die man sich bisher kaum vorgelegt hat, auf die wir aber wohl in der Lage sind, Rede zu stehen. Wir beginnen mit der ersten von ihnen. Der älteste Stratordienst eines fränkischen Königs, derjenige, den Pippin am 6. Januar 754 zu Ponthion dem Papst Stephan II. geleistet hat, steht in engem Zusammenhang mit den Vereinbarungen, die damals zwischen König und Papst getroffen worden sind, und mit dem sog. „Constitutum Constantini imperatoris", der Konstantinischen Schenkung, die gleichfalls hierher gehört. Auch in dieser berühmten Fälschung ist nämlich von einem Stratordienst die Rede: Kaiser Konstantin der Große soll ihn, aus Ehrerbietung gegen den heiligen Petrus, dem Papst Silvester geleistet haben.1) Über die chronologische Ansetzung des Constitutum besteht noch immer kein volles Einvernehmen. Großen Eindruck machte, besonders auf die deutschen Forscher, eine Untersuchung von Scheffer-Boichorst, der die Fälschung wegen ihrer Formeln und Denkweise erst der Kanzlei Pauls I. (757—767), des Bruders und Nachfolgers von Stephan II., zuweisen wollte.2) Demgegenüber sind jedoch andere, sehr erhebliche Gründe, schon seit langem und immer wieder, insonderheit von Döllinger, Hauck, H. Böhmer und Kampers3), dafür geltend gemacht worden, r ) Den besten Text des Constitutum Constantini gab K a r l Z e u m e r in der Festgabe f ü r Rudolf von Gneist zum Doctor-Jubiläum (1888) S. 47ff. Danach H a l l e r , Quellen S. 241 ff. und K a r l M i r b t , Quellen zur Geschichte des Papsttums, 4. Aufl. (1924), S. 107ff.nr. 228; Teildruck bei E i c h m a n n , Kirche und Staat I, 113ff. Die Stelle über den Stratordienst des Kaisers in § 16 der Zeumerschen Einteilung (Haller S.248 ZI. 40f.); vgl. unten S.24 Anm. 3. Der ganze Passus ist Eigengut des Fälschers und nicht etwa aus den älteren Actus Silvestri entnommen; vgl. über das gegenseitige Verhältnis die lichtvolle Untersuchung von W i l h e l m L e v i s o n , Konstantinische Schenkung und Silvester-Legende, in den Miscellanea Francesco Ehrle, Bd. 2 (1924), S. 159ff, 2

) P a u l S c h e f f e r - B o i c h o r s t , Neuere Forschungen über die konstantinische Schenkung, in den Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. Bd. 10 (1889) u. 11 (1890), auch in seinen Gesammelten Schriften, Bd. 1 (Hist. Studien, hrsg. von E b e r i n g , H. 42, 1903). Danach u. a. L u d o M o r i t z H a r t m a n n , Geschichte Italiens im Mittelalter, Bd. 2, 2 (1903), S. 226f.; C a s p a r S. 185 Anm. 2; S c h ö n e g g e r , Die kirchenpolitische Bedeutung des „Constitutum Constantini" im frühern Mittelalter, Ztschr. f. kath. Theol., Jg. 42 (1918), S. 336f.; L a e h r (oben S. 5 Anm.) S. 1 Anm. 1. — Die Versuche, das Constitutum dem 9. Jahrhundert zuzuweisen, sind von S c h e f f e r - B o i c h o r s t schlagend widerlegt worden, und B u c h n e r , der sie modifiziert erneuern möchte (vgl. oben S. 4f. Anm. 2), hat keine Aussicht auf Erfolg. Ebensowenig sollte an dem römischen Ursprung der Fälschung noch gezweifelt werden. Vgl. auch L e v i s o n in Miscell. Ehrle II, 160. 3

) J o h . J o s . I g n . v. D ö l l i n g e r , zuerst in: Janus, Der Papst und das Konzil (1869), S. 142ff., danach bei Döllinger, Die Papst-Fabeln des Mittelalters, 2. Aufl. hrsg. von J . F r i e d r i c h (1890) S. 122ff. (während die 1. Aufl. 1863 für' 750—74, aber eher nach 754, eingetreten war) und bei Döllinger, Das Papsttum (1892, Neubearb. des Janus von Friedrich) S. 27ff. Ähnlich T h o m a s H o d g k i n , Italy and her invaders, Bd. 7 (1899), S. 151f.; H e i n r i c h B ö h m e r in der Realencyklopädie f. protest. Theol. u. Kirche, 3. Aufl., Bd. 11 (1902), S. 6f.; H a u c k II, 24 mit Anm. 1, 3./4. Aufl., S. 26 mit Anm. 1; F r a n z K a m p e r s im Hist. Jahrbuch Bd. 44 (1924), S. 245ff. Auch auf die letzte Arbeit von A. G a u d e n z i darf hier verwiesen werden. Denn so gewiß dieser Forscher in der Beurteilung der Texte und in dem Ansatz der Urfälschung zu Gregor II. (715—31)



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daß das Constitutum eben für die Reise Stephans II. ins Frankenreich, also zur Zeit der Vorbereitung dazu 753 in Rom, angefertigt worden ist. Und in der Tat: bei der engen Verwandtschaft der Bräuche und Anschauungen in der Kanzlei Stephans II. mit denjenigen unter Paul I., bei der verhältnismäßig geringen Kunde, die wir im übrigen von der Kanzlei Stephans haben, bei der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit, daß Diktatoren Pauls schon in der Kanzlei Stephans tätig gewesen sind, bei den diplomatischen Diensten, die Paul bereits seinem Bruder und Vorgänger geleistet hat, darf gegen die sonst in jeder Hinsicht wahrscheinlichste Ansetzung der Fälschung zu 753 aus den Erwägungen SchefferBoichorsts kein Einwand erhoben werden. Die Anfertigung der Konstantinischen Schenkung gehört zur Reise Stephans II. ins Frankenreich. Einer ihrer Hauptzwecke war, dem fränkischen König den Anspruch des Papstes auf die Rechtsnachfolge der römischen Kaiserherrschaft in Italien und der westlichen Hälfte des alten Imperiums zu begründen, den Anspruch also auf die päpstliche Herrschaft im Exarchat (mit Rom), und darüber hinaus — sagen wir einmal vorsichtig: den Anspruch auf eine Einwilligung des Papstes in das Bestehen des Langobardenreichs und des Frankenreichs. Daß es sich wirklich darum handelte, beweist eben der Stratordienst zu Ponthion. Denn Pippin leistete den Stratordienst, um unsere Frage gleich zu beantworten, als der neue Patrizius der Römer; er hat eben damals diesen Titel angenommen. Er leistete den Stratordienst gegenüber dem Papst als demjenigen, von dem wenigstens in der Theorie die oberste Gewalt im Westen floß. Um den Stratordienst und seinen Zusammenhang mit dem Patriziat zu verstehen, muß man seinen Blick nach Byzanz richten. Der Stratordienst stammt aus Byzanz. Hier hatte, wenn der Kaiser ausritt und wenn er zurückkehrte, der nQcoTooTQaxaiQ, also der oberste der Reitknechte, das Pferd des Kaisers eine Strecke weit am Zaum zu führen. 1 ) Bei festlichen Anlässen aber, geirrt hat (vgl. L e v i s o n in Misceli. Ehrle II, 160ff.), so war doch die Beziehung auf Stephan II. und seine Reise ins Prankenreich 753 richtig erkannt. Vgl. die Voranzeige im Rendiconto delle sessioni della accademia delle scienze dell' Istituto di Bologna, Classe di scienze morali, Serie I, Bd. 6 (1913), S. 5 9 - 6 1 ; Schmeidler im Neuen Archiv 39 (1914), S. 227 nr. 57. Das aus dem Nachlaß gedruckte Stück der unvollendet hinterlassenen Arbeit: Il costituto di Costantino, Bullettino dell' Istituto storico Italiano Nr. 39 (1919), enthält leider den Teil über Stephan II. nicht. — Unglücklich E. Mayer in Dt. Ztschr. f. Kirchenr. XIV, 6ff. (Entstehung nach der Konstantinopolitaner Synode von 754, vgl. H. B ö h m e r a. a. 0 . 7 ZI. 34ff.); auch H a n s v. Schubert, Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter (1921) S. 320f. (um 756). 1

) Codinus,DeofficialibuspalatiiConstantinopolitanicap.5,hrsg.vonImmanuelBekker (1839, im Corpus scriptorum hist. Byzantinae) S. 29; P a u l K l u c k h o h n , Die Ministerialität in Südostdeutschland (1910) S. 132f. Vgl. über die Stratoren und den Protostrator : Charles Du Frcsnesire Du Cange, Glossarium medii et infimae Graecitatis (2 Bde. 1688)II, Sp. 1463f., Gloss. med. et inf. Latinitatis sub voc. Protostrator und Strator; A. v. D o m a s z e w s k i in den Bonner Jahrbüchern, H. 117 (1908), S. 35, 39, 55, 64. Über die Rolle eines Strators bei der Ermordung Caracallas 217 berichten die Scriptores historiae Augustae, n. Ausg. von Herrn. P e t e r , Bd. I (1884), S. 186, 201 (Aelii Spartiani Caracallus 7 § 2, Iuli Capitolini Macrinus 4 § 8). Auch die



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und das ist für uns das Entscheidende, ließ der Kaiser diesen Dienst durch angesehene Patrizier versehen. Der byzantinische Chronograph Theophanes Confessor beschreibt uns eine Osterprozession der Kaiserin Irene von 798: „Die Kaiserin kam auf einem goldenen Wagen, der von vier weißen Pferden gezogen war und von vier Patriziern geleitet w u r d e " ; auch die Namen der vier hohen, mit dem Ehrentitel patricius geschmückten Beamten, die diesen Dienst versahen, werden uns genannt: Bardanes, Sisinnios, Niketas, Konstantinos Boilas. Offenbar führte jeder von ihnen eines der vier weißen Rosse am Zügel. — Pippin ist 754 Patrizius der Römer geworden, und zwar nicht erst im Sommer, wo er zusammen mit seinen Söhnen durch den Papst zu St. Denis zum rex et patricius gesalbt worden ist. 2 ) Denn diese Weihehandlung bedeutete nicht die Übernahme des Patriziats, so wenig wie diejenige des Königtums. Den Patriziat muß Pippin schon vorher aus der Hand des Papstes entgegengenommen haben; er war die Voraussetzung für die ganze Zusammenkunft und Schutzzusage, und als Patrizius hat Pippin dem Papst den Stratordienst zu Ponthion geleistet. Franken kannten Stratoren als Stall- oder Reitknechte. Lex Salica X § 4, X X X V § 6 (hrsg. von H e i n r i e h G e f f c k e n , 1898, S. 10, 34); F e l i x D a h n , Die Könige der Germanen, Bd. 7, 2 (1894), S. 238; L u d w i g S c h m i d t , Geschichte der deutschen Stämme, Bd. 1 (1918), S. 590. T h e o p h a n e s C o n f e s s o r , Chronographia, hrsg. von J o h . C l a s s e n im Corpus Script, hist. Byzantinae, Bd. 1 (1839), S.735, hrsg. von K a r l d e B o o r , B d . l (1883) S.474: jieofß&ev rj ßaoihaaa . . . im oyrjfiaxog yovoov enoxov/tivrj zsooaooiv mnois /.svxoig avooiievov xai vno teoodgcov jiazoixiojv xgazovfievov. Da Verbum XQOIXETV vertritt auch in der griechischen Übersetzung des Constitutum Constantini das Zügelführen beim Stratordienst; G a u d e n z i , II costituto S. 104: xai xQaxr/oavxeg xov ^aAivoti rov mnov avxov (= et tenentes frenum equi ipsius). — Des Ehrendienstes der Patrizier gedenkt E r n s t A. S t ü c k e l b e r g , Der Constantinische Patriciat (Züricher Diss. 1891) S. 37. 2

) B ö h m e r - M ü h l b a c h e r Reg. 76a. Vgl. O e l s n e r S. 155ff.; G. R i c h t e r , Annalen I I , 1 S. 4 mit Note b ; H a u c k , 3./4. Aufl. I I , 21 Anm. 2; E i c h m a n n , Kirche und Staat I, l f . nr. 1 u. 2; d e r s . in K A . VI, 149f.; C a s p a r S. 13f.; L e v i s o n in Gebhardts Handb. I, 214, 216; R o d e n b e r g , Pippin S. 27 Anm. 1; M a x B u c h n e r , Die Clausula de unctione Pippini (1926) S. 14fi., Vizepapsttum S. 9£f. (wobei aber die These von einer Fälschung und anderes abzulehnen ist). Über den Patriziat im allgemeinen vgl. J o h . J a k . R e i s k e bei Constantinus Porphyrogenitus, De cerimoniis (Ausg. im Corpus Script, hist. Byzantinae, 2 Bde., 1829/30) I I , 38, 68—72, 402; T h . M o m m s e n im Neuen Archiv Bd. 14 (1889), S. 483f. und S t ü c k e l b e r g a. a. O. (eine neue Untersuchung wäre wünschenswert). Über Pippin als Patrizius der Römer u. a. W. S i c k e l in d. Deutschen Ztschr. f. Geschichtswissensch. X I , 340ff. (gut); E . M a y e r S. 17f. Anm. 4 (mit der sicher unrichtigen Behauptung, daß Pippin den Patriziat vom byzantinischen Kaiser erhalten habe); C a s p a r S. 181—83; E r n s t S c h o e n i a n , Die Idee der Volkssouveränität im mittelalterlichen Rom (1919) S. 27. Die Rechtsgrundlage f ü r die Ernennung eines Patrizius durch den Papst war selbstverständlich das Constitutum, d. h. die Verleihung der Herrschaft im Westen. Speziell an den § 15 ( H a l l e r S. 248), wo den Klerikern der römischen Kirche die Fähigkeit, Patrizier und Konsuln zu werden, zugesprochen wird, dürfte dabei aber nicht zu denken sein, obgleich man nach P. E. S c h r a m m in d. Hist. Ztschr. Bd. 135 (1927), S. 462f. dazu versucht sein könnte. E s ist nicht richtig, daß der Papst nach diesem Passus selbständig Patrizier und Konsuln ernennen Vann (wie E . M a y e r S. 15—17 glaubt, der ebd. die ebenso irrige Ansicht vertritt, daß der Papst im Constitutum nur Italien und die Inseln, nicht auch die anderen Länder des Westens erhalte). Vgl. auch D ö l l i n g e r , Papst-Fabeln 2. Aufl. S. 86.



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Nun erhebt sich allerdings ein Bedenken. Wenn der Patrizius der Römer dem Papst als dem Nachfolger der römischen Kaiser diente, wozu dann die Erzählung des Constitutum, daß Konstantin der Große den Stratordienst dem Papst Silvester verrichtet habe ? Konstantin war doch kein Patrizius, sondern Kaiser! Wie konnte man dieses gar nicht passende Vorbild dem Patrizius Pippin vorhalten ? Der betreffende Satz in dem Constitutum paßt in der Tat nicht, aber das gilt auch noch in anderer Hinsicht; es ist nämlich schon mehrfach bemerkt worden 1 ), daß er den Zusammenhang des Textes peinlich unterbricht und sich als ein nachträgliches Einschiebsel zu erkennen gibt. Daran kann kein Zweifel sein; denn vorher und nachher ist von etwas ganz anderem in eng zusammengehöriger Weise die Rede, nämlich von dem Phrygium, der päpstlichen Mitra 2 ), die sich Silvester an Stelle der kaiserlichen Krone aufs Haupt setzen ließ. Man höre die Worte, die das Constitutum dem Kaiser in den Mund legt 3 ): „Wir setzten mit eigener Hand seinem geheiligtsten Haupt das Phrygium auf, das mit seinem weißen Schimmer auf die glanzvolle Auferstehung des Herrn hinweist, und indem wir den Zügel seines Pferdes ergriffen, leisteten wir ihm aus Ehrerbietung gegen den heiligen Petrus den Stratordienst, indem wir festsetzten, daß dieses Phrygium alle seine Nachfolger bei feierlichen Aufzügen zum Abbild der Kaiserherrschaft tragen sollen." Der Einschub mit dem Stratordienst ist offenbar. Aber man darf nach der handschriftlichen Überlieferung des Constitutum am Alter des eingeschobenen Satzteils nicht zweifeln: es handelt sich um einen Nachtrag, der nach einer ersten Fertigstellung des Textes hinzugefügt worden ist. Weshalb und auf wessen Veranlassung 1 Hier wird man über eine Hypothese nicht hinauskommen. Indes es sieht doch wirklich so aus, als wenn die Kurie durch diesen Zusatz gewisse Bedenken Pippins verscheuchen wollte. Pippin übernahm das Amt eines „patricius Romanorum", ein Amt, das ja eigentlich nur der byzantinische Kaiser vergeben konnte, dem bis dahin Rom gehört hat, das nun jedoch der Papst vergab, der unter Berufung auf die Konstantinische Schenkung als Rechtsnachfolger der Kaiser im Westen So von H. Böhmer S. 7, ZI. lff.; Kampers S. 248 Anm. 30. ) Zu Phrygium und Mitra vgl. Braun (oben S. 12, Anm. 1) S. 496f.; Robert E i s l e r , Weltenmantel und Himmelszelt (2 Bde. 1910) I, 64f.; K o n r a d B u r d a c h , Vom Mittelalter zur Reformation, Bd. 2, 1. Teil, 1. Hälfte (1913), S. 215, 234f.; Karl Sachsse, Tiara und Mitra der Päpste, in derZtschr. f. Kirchengesch. Bd. 35 (1914); E. Eichmann, Die Mitra des abendländischen Kaisers, in: Festschrift, Sebastian Merkle gewidmet (1922), mit Bedenken gegen eine Ableitung der Mitra aus dem Phrygium, die nicht überzeugen; Kampers im Hist. Jahrb. Bd. 39, S. 482f., Bd. 44, S. 247 Anm. 29. Das Phrygium, das nach dem Constitutum Constantini § 14 (Haller S. 247, ZI. 41) auch vom Kaiser getragen wurde, ist ein altes kosmisches Symbol. 2

3

) Ipse vero sanctissimus papa super coronam clericatus, quam, gerit ad gloriam beati Pelri, omnino ipsa ex auro non est passus uti corona, frygium vero, candido nitore splendidam ressurrectionern dominicam designans, eiws sacratissimo vertici manibus nostris posuimus, et tenentes frenum eqwi ipsius pro reverentia beati Petri stratoris officium, illi exhibuimus, statuentes, eundem frygium omnes eius successores pontifices singulariter uti in processionibus ad imitationem imperii nostri.



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auftrat. Pippin war bereit, diesen Anspruch anzuerkennen und durch den Stratordienst bei Übernahme des Patriziats sich augenfällig auf ihn zu stützen. Aber eine gewisse Gefahr, die darin lag, wird ihm nicht entgangen sein: ein päpstlicher Beamter wollte er denn doch nicht werden.1) Da beruhigte man ihn mit der Erfindung, daß auch Konstantin der Große seinerzeit dem Papst Stratordienst geleistet habe, und nahm zu diesem Zweck jenen kleinen Zwischensatz in das Constitutum auf. Ist dies richtig, so hat Pippin durch sein Bedenken den Amtsdienst in einen Ehrendienst verwandelt und so dem Königtum zu einem Erfolg verholfen, wie einen ganz ähnlichen vier Jahrhunderte später — wir werden weiter unten davon zusprechen haben (S. 37f:) — auch die kluge Diplomatie Friedrich Barbarossas davongetragen hat. Vorerst aber wenden wir uns unserer zweiten Frage zu.

5. Wie steht es mit dem Stratordienst in den vier Jahrhunderten nach 754? Haben die Könige ihn da wirklich nur in den wenigen Fällen geleistet, die wir nachweisen können, 858, 1095 und 1131 ? Die Antwort darauf lautet: vermutlich ja ! Die Geschichte des Stratordienstes in diesen Jahrhunderten wird nämlich wiederum erhellt durch die Geschichte der Konstantinischen Schenkung, wie sie uns, nach dem Vorgang von Döllinger und Schönegger, kürzlich am ausführlichsten durch Laehr dargelegt worden ist.2) Es wechseln da Zeiten, in denen das Constitutum nur wenig bekannt und kaum beachtet war, mit solchen, wo es im kirchlichen Interesse in den Vordergrund geschoben wurde ; und eben die Augenblicke einer erhöhten Aufmerksamkeit und Berufung auf das Constitutum sind es, in denen auch der Stratordienst wieder in die Erscheinung tritt. Die Konstantinische Schenkung hat zunächst etwa ein Jahrhundert lang, bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts, ein äußerst bescheidenes Dasein geführt, ist nur in dürftigen Spuren nachweisbar3), bis sie ums Jahr 850 Aufnahme in die berühmte Sammlung der Pseudoisidorischen Dekretale fand4), in diese zweite der großen kirchlichen Fälschungen. Der erste Papst, der sich ihrer bedient hat, war Papst Nikolaus I.5) Sollte es wirklich Zufall sein, daß eben jetzt, nach der 1 ) Es paßt dazu die Beobachtung, daß Pippin selbst den Patrizius-Titel nicht geführt zu haben scheint. Vgl. zuletzt Buchner S. 17 mit Anm. 62. 2) Döllinger, Papst-Fabeln (2. Aufl.) S. 88ff.; B u r d a c h S. 217fl.; Schönegger S. 352ff.; L a e h r S. 6ff, Eine Königsberger Dias, von J o h a n n a S i m a n o w s k i , Die konstantinische Schenkung in der Politik und Publizistik des Mittelalters (1925) ist nur im Auszug erschienen. 3 ) Döllinger S. 89; Schönegger S. 3 4 1 - 5 0 ; L a e h r S. 6 - 1 4 . 4) Decretales Pseudo-Isidorianae, hrsg. v. P.Hinschius (1863) S. 249ff. Vgl.Döllinger S. 73, 82; Schönegger S. 3 5 2 - 5 7 ; L a e h r S. 14f„ 27. 5 ) Hauck II (3./4. Aufl.), 557f.; A. V. Müller im Neuen Archiv Bd. 25 (1900), S. 652ff.; F e r d i n a n d Lot, Études sur le règne de Hugues Capet (1903) S. 142f.; E. Pereis, Papst Nikol. u. Anast. Bibi. S. 112f., 134, 220f., 273f. Vgl. auch Schönegger S. 551f.; L a e h r S. 18.



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Wahl Nikolaus' I. 858, uns in den Quellen zum erstenmal wieder ein Stratordienst entgegentritt, erwiesen eben diesem Papst Nikolaus I. durch Kaiser Ludwig I I . ? Man wird schwerlich an eine solche Zufälligkeit glauben wollen, sondern in dem Akt lieber einen programmatischen Vorgang erkennen, durch den der energische Papst von vornherein seine Stellung gegenüber dem folgsamen, wenig bedeutenden Kaiser im Sinn des Constitutums betont hat. Das Interesse an der Konstantinischen Schenkung, das sich auch in einigen schriftstellerischen Werken aus der Mitte des 9. Jahrhunderts bekundet 1 ), hat nicht lange angehalten. Schon in den Jahren der späteren Karolinger ebbte es wieder ab. Zur Zeit der sächsischen Kaiser wurde dem Constitutum nur eine außerordentlich geringe Beachtung geschenkt. 2 ) Und als Gerbert von Aurillac im J a h r 999, zum Papst erhoben, den Namen Silvester II. angenommen hat, da beugte Kaiser Otto I I I . jeder staatsgefährlichen Ausnützung der Silvesterlegende vor, indem er in einer berühmten, durch den Leiter der italienischen Politik dieser Jahre, Bischof Leo von Vercelli, verfaßten Urkunde die Konstantinische Schenkung ausdrücklich als Lügenwerk und Fälschung erklärte. 3 ) Kein Wunder, daß damals und noch lange darüber hinaus, in den Zeiten der Stärke des deutschen Kaisertums von Otto dem Großen bis Heinrich III., von Stratordienst keine Rede war. Das wurde anders im Zeichen der Reformkirche und des Investiturstreits. Erst jetzt bricht, wie Laehr sagt, „die große Zeit" der Konstantinischen Schenkung an. 4 ) Und wenn die Kirche dabei auch eine gewisse Vorsicht walten ließ und die Tatsache, daß nach dieser Urkunde die ganze Weltstellung des Papsttums auf der Schenkung eines weltlichen Kaisers beruhte, zu verwischen oder umzudeuten suchte, so hat sie im übrigen doch reichlichen Gebrauch von ihr gemacht und keine Folgerungen gescheut, die aus ihr gezogen werden konnten. Papst Leo IX. (1048—54) hat sich zuerst wieder auf das Constitutum berufen 5 ), Nikolaus I I . erschien auf der berühmten Lateransynode von 1059 1) D ö l l i n g e r S. 89f.; S c h ö n e g g e r S. 3 6 2 - 6 8 ; L a e h r S. 1 5 - 1 8 . 2

) L a e h r S. 19: „Zur Zeit der sächsischen Kaiser findet die Schenkung auffällig geringe Beachtung." Zu L a e h r S. 1 9 - 2 1 vgl. P. E. S c h r a m m in d. Hist. Ztschr. Bd. 135, S. 463 (zu Johann XIII. auch A. B r a c k m a n n ebd. Bd. 134, S. 250). 3 ) DO. III. 389 (auch bei E i c h m a n n , Kirche u. Staat I, 118f.). Vgl. G i e s e b r e c h t I (5. Aufl.), S. 727, 863f.; S c h ö n e g g e r S. 555f.; S c h r a m m in d. Hist. Ztschr. Bd. 129 (1924), S. 469f.; L a e h r S. 22,183f. Die Verfasserschaft Leos von Vercelli wurde erwiesen durch H. B l o c h im Neuen Archiv Bd. 22 (1897), S. 61 ff., 92ff. Über den in der Urkunde als Fälscher genannten lohannes diaconus cognomento Digitorum mutilus vgl. (außer den Werken des 17. Jahrhunderts von Jean Morin, Petrus de Marca und P. J. Cantel, die Schönegger S. 342, vgl. ebd. S. 333, 336, zitiert) D ö l l i n g e r S. 82; E r n s t D ü m m l e r , Kaiser Otto der Große (1876, in den Jahrbüchern der Deutschen Geschichte) S. 358; B l o c h S. 93: S c h ö n e g g e r S. 342; G a u d e n z i , II costituto S. 22; F e d o r S c h n e i d e r , Rom und Romgedanke im Mittelalter (1926) S. 131. 4 5

) L a e h r S. 24.

Zum folgenden ebd. 25f., 36ff.

) D ö l l i n g e r S. 90; S c h ö n e g g e r S. 5 5 7 - 5 9 ; G a u d e n z i S. 43ff.; L a e h r S. 2 4 - 2 6 .



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mit einer Tiara, über die eine kaiserliche Krone gelegt war 1 ), und Gregor V I I . h a t die Lehre, daß der P a p s t die kaiserlichen Abzeichen anlegen dürfe, in die ehernen Sätze des „Dictatus p a p a e " , seines kirchenpolitischen Bekenntnisses und Programms, aufgenommen. 2 )

Auch ging das Constitutum in die zahl-

reichen Canonessammlungen, die großen kirchlichen Rechtsbücher der Zeit, ein. 3 )

U n d so ist denn schließlich kein Zweifel, daß die gewaltige Territorial-

politik, mit der die Kurie damals ganze Königreiche ihrer weltlichen Hoheit unterwarf, die Rechtsgrundlage in der Konstantinischen Schenkung h a t t e . 4 ) Es

war selbstverständlich,

daß Heinrich IV.,

der beharrliche

Gegner

Gregors und seiner Nachfolger, alle diese aus dem Constitutum abgeleiteten Ansprüche des P a p s t t u m s nicht berücksichtigt h a t . Aber schon dem ersten Gegenkönig, Rudolf von Schwaben, h a t Gregor bei der W a h l von 1077 einen E i d abverlangt, der die Anerkennung der Konstantinischen Schenkung einschloß ; und 1081 bei der W a h l des zweiten Gegenkönigs, Hermanns von Salm, meldete er sich alsbald mit derselben Forderung. 5 ) — Gregor V I I . ist mit keinem der Gegenkönige zusammengetroffen. Wohl aber sein zweiter Nachfolger, der nicht minder herrschgewaltige P a p s t U r b a n II-, der 1095 die Cremoneser Zusammenkunft mit dem jungen, zum Abfall v o m Vater verleiteten König K o n r a d hatte. !) Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem, üb. VII, cap. 2 (SS. XI, 672 ZI. 5 - 8 ) . Man hat, wegen Benzos antipäpstlicher Einstellung, den Vorgang gelegentlich in Zweifel gezogen; so Meyer von Knonau, Jahrb. I (1890), S. 680f. Aber gewiß zu Unrecht. Vgl. Giesebrecht, Bd. 3 (5. Aufl. S. 45f., 1093f.); Sachsse S. 493fl.; Ad. Hofmeister in d. Hist. Ztschr. Bd. 114 (1915), S. 671f. ; Schönegger S. 559 Anm. 2; Laehr S. 30f. 2 ) Der Dictatus papae steht im Registrum Gregorii papae VII., Buch II, Nr. 55a, hrsg. von E. Caspar in Mon. Germ, hist., Epistolae selectae Bd. 2, 1 (1920), S. 201ff. (auch bei Mirbt, 4. Aufl., S. 146 nr. 278, Auszug bei Eichmann, Kirche u. Staat I, 113). Satz 8: Quod solus [Romanus pontifex] possituti imperialibus insigniis. Vgl. Döllinger S. 97; Schönegger S. 561 f.; Laehr S. 29f. Gregor VII. hat den Dictatus papae selbst verfaßt. Vgl. Wilhelm M. Peitz in den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien, Philos.-hist. Klasse, Bd. 165 (1911), 5. Abhandl. S. 2 6 5 - 8 6 ; Otto Blaul, Studien zum Register Gregors VII. (Straßburger Diss. 1911) S. 29—84; A u g u s t i n F l i e h e , La réforme Grégorienne, Bd. 2 (1925), S. 189 ff. 3 ) Döllinger S. 96; Schönegger S. 357—62; Laehr S. 28f. Es kann daher auffallen, daß das Dekret Gratians die Urkunde erst als Palea, d. h. unter den Nachträgen, bringt : Di. 96, c. 14; Corpus iuris canonici, hrsg. von Emil Friedberg, Bd. 1 (1879), Sp. 342ff. Vgl. Döllinger 5. lOlf.; Schönegger S. 590; Laehr S. 29. 4) Laehr S. 3 1 - 3 5 . 5 ) Von Zusagen Rudolfs wissen wir durch das Protokoll der römischen Fastensynode von 1080, Registrum Gregorii VII., Buch VII, Nr. 14a, hrsg. von Caspar a. a. O. Bd. 2, 2 (1923), S.484f., sowie durch den Brief Gregors anAltmann von Passau vom März 1081, Registrum IX, 3 (ebd. S. 575), der auch den Wortlaut des von dem neuen Gegenkönig zu verlangenden Eides enthält (ebd. S. 57öf.) ; dieser erwähnt ausdrücklich die Schenkungen Konstantins d. Gr. und Karls d. Gr. (von 774). Vgl. Giesebrecht (5. Aufl.) III, 434f., 1155 u. 530, 1166; Meyer von Knonau, Bd. 3 (1900), S. 8 mit Anm. 6, S. 366f. mit Anm. 33; Hugo J u n g n i t z , Der Kampf zwischen Regnum und Sacerdotium um die maßgebende Stellung auf den Reichsversammlungen von 1077 bis 1122 (Greifswalder Diss. 1913) S. 36 mit Anm. 2, S. 69; Schönegger S. 560f.; Caspar a. a. O., S. 575 Anm. 2; Laehr S. 35f. F l i e h e II, 21ff. hält den Eid für interpoliert; ihm folgt zu Unrecht E. V o o s e n , Papauté et pouvoir civil à l'époque de Grégoire VII. (1927).



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Und abermals werden wir feststellen: es ist ganz gewiß kein Zufall, daß eben bei dieser Gelegenheit, zum erstenmal seit langer Zeit, wieder ein Stratordienst nachweisbar ist. Erst damals ist er wieder verlangt und geleistet worden. Die ganzen, mit der Konstantinischen Schenkung zusammenhängenden Fragen gingen ein in den großen Kampf zwischen Staat und Kirche, Kaisertum und Papsttum. Daß dabei ein kräftiger, brutaler, rücksichtsloser Herrscher wie Heinrich V., der sich nicht scheute, den Papst und die Kardinäle gefangen zu nehmen und recht unglimpflich zu behandeln, der das Mathildische Gut gegen die Wünsche der Kurie an sich zu bringen verstand, und der im Wormser Konkordat die Lebensnotwendigkeiten des Reichs durchaus gewahrt hat, die Konstantinische Schenkung unbeachtet ließ und auch keinen Stratordienst leistete1), wird nicht wunder nehmen. Ebensowenig freilich, daß sein Nachfolger, Lothar III., der seine Regierung damit begonnen hat, daß er den Papst um Bestätigung seiner Wahl bat, und der auch sonst in seiner Kirchenpolitik Schwäche an Schwäche gereiht hat, sich in diesen Punkten umgekehrt verhielt. Ja mehr als das. Wir wissen schon: bei dem Einzug des Papstes Innocenz I I . in Lüttich 1131 wurde nicht nur Stratordienst, sondern zum erstenmal auch Marschalldienst geleistet. Lothar ist der erste König, der nicht nur das päpstliche Pferd am Zügel geführt, sondern auch dem Papst den Steigbügel gehalten hat. Und so kommen wir zu unserer dritten Frage: was bedeutet dieses Novum ?

6. Die Einführung des Marschalldienstes am Bügel des päpstlichen Pferdes im Jahre 1131 war, um es gleich zu sagen, eine höchst bedenkliche Neuerung. Ein Novum war dieser, vom Papst geforderte Marschalldienst überhaupt nur, was die Beteiligung des Deutschen Königs anlangt. Denn von anderer Seite ist dem Papst schon elf Jahre vorher der Bügel gehalten worden. Es versteht sich, daß der Papst unter seiner Dienerschaft auch wirkliche Stratoren hatte, Reitknechte, die den Dienst bei den Pferden versahen. Aber auch andere, höhere päpstliche Beamte wurden seit dem 12. Jahrhundert gelegentlich bei feierlicheren Anlässen, mehr ehrenhalber, zu ähnlichen Verrichtungen herangezogen. Eine Ordnung päpstlichen Zeremoniells aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts schreibt vor, daß der Stadtpräfekt in Rom bei der am Sonntag Laetare üblichen Prozession zum Schluß als Zügelführer neben dem Pferd des Papstes einherschreiten soll.2) Der Stadtpräfekt war ein päpstlicher Vgl. oben S. 5f. Zu den Charakteristiken Heinrichs V. bei G i e s e b r e c h t I I I , 984f., bei M e y e r v o n K n o n a u , Bd. 7 (1909), S. 342ff., usw. vgl. auch H e i n r i c h B a n n i z a v o n B a z a n , Die Persönlichkeit Heinrichs V. im Urteil der zeitgenössischen Quellen (Berliner Diss. 1927). 2 ) Ordo Romanus X I § 36 (oben S. 10 Anm. 3); daß der Präfekt dem Papst auch beim Absteigen behülflich war, wie B e r n h a r d i , Lothar S. 357 sagt, steht nicht im Text, und das Bügelhalten scheint erst später dazugekommen zu sein (Ordo X V § 48 S. 471). Nach Beendigung der



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Beamter, wie ja auch die Stratoren päpstliche Beamte waren. In anderen Fällen ähnlicher Art aber stellte sich nun zu diesem Stratordienst auch das Bügelhalten ein. Wir können es zuerst im Jahre 1120 nachweisen. Im August 1120 begab sich Papst Calixt I I . nach Benevent, um diese, durch äußere Feinde und innere Wirren bedrohte Stadt wieder enger an die päpstliche Herrschaft zu binden. Zwei Meilen weit zog das Volk von Benevent ihm damals entgegen, und als er ankam, versahen Bürger und Richter der Stadt einen Dienst an den Zügeln und Bügeln des Pferdes: „Die Füße des Papstes und die Zügel des Pferdes führten vier Bürger vom Ponte Leproso bis zur Porta S. Lorenzo, dann vier andere bis zur Bischofskirche, von da ab vier Richter bis zum ehrwürdigen beneventanischen Palast." 1 ) Es ist also noch nicht ganz die spätere Art, nach welcher der Dienst am Bügel erst beim Absteigen verrichtet wurde ; sondern der Hergang war offenbar der, daß rechts und links vom päpstlichen Pferd je ein Mann den Zügel führte und je ein anderer den Fuß des Papstes im Bügel hielt. Aber die Wurzel für die spätere Form ist ganz deutlich, und man darf zudem annehmen, daß der eine von den beiden Richtern, die an den Füßen des Papstes dienten, ihm dann auch beim Absteigen den Bügel gehalten hat. Päpstliche Untertanen und päpstliche Beamte waren es also, die zum erstenmal dem Papst neben dem Dienst des Strators auch den des Marschalls versehen haben. Vom Amt zum Lehen aber war in diesen Jahrhunderten des Mittelalters nur ein kleiner Schritt. Und so ist es nicht verwunderlich, daß solcher Dienst bald ganz besonders von den Vassailen gefordert wurde. Das geschah schon zwei Monate nach der eben geschilderten Szene dem Normannenherzog Prozession erhielt der Präfekt die Laetare-Rose. Über das Amt der Stratoren vgl. oben S. 22 f. Anm. 1; Mabillon, Museum Ital. II, 4; L. A. Muratori, Antiquitates Italicae medii aevi, Bd. 1 (1738), Sp. 116f. ; G r a u e r t im Hist. Jahrb. IV, 82. — Der römische Stadtpräfekt, ursprünglich ein kaiserlicher Beamter, dann lange Zeit hindurch ein Streitobjekt zwischen der kaiserlichen und der päpstlichen Gewalt, war in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zweifellos ein päpstlicher Beamter. Vgl. über ihn u. a. Giesebrecht, Bd. 1 (1855), S. 810f. = 5. Aufl. S. 875f.; Gregorovius Bd. 4 (3. Aufl. 1877), S. 148f., 344f., 463; ebd. Bd. 5 (1878), S. 17ff.; W. B e r n h a r d i , Konrad III. (1883, in den Jahrbüchern der Deutschen Geschichte) S. 457, 462f. ; Meyer von K n o n a u VII, 6f.; Louis Halphen, Études sur l'administration de Rome au moyen âge (1907) S. 16fF.; Theodor Hirschfeld im Archiv für Urkundenforschung Bd. 4 (1912), S. 473ff. und in den Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Bd. 16 (1914), S. 93ff. Aus Rahewin lib.IV, cap. 34/35 (a. a. O. S. 276, ZI. 23f., S. 278 ZI., 1 4 - 2 0 ) ist bekannt, daß in dem letzten Konflikt Friedrich Barbarossas mit Hadrian IV. (1159) die Frage, ob die römische Magistratur kaiserlich oder päpstlich sei, eine große Rolle spielte. Während seiner kurzen Herrschaft in Rom 1167 setzte Friedrich denn auch alsbald einen kaiserlichen Präfekten ein; Gieseb r e c h t V, 549f. Falco von Benevent, bei Muratori, Rer. Ital. SS. Bd. 5 (1724) S. 96 = Cronisti e scrittori sincroni Napoletani, hrsg. von Giuseppe Del Re, Bd. 1 (1845), S. 181: Pedes vero apostolici et habenas equi cives quatuor a Ponte Leproso usque ad portam S. Laurentii ducebant, deinde quatuor alii usque ad episcopium, ab episcopio autern quatuor indices . . . usque ad sacrum Beneventanum palatium detulerunt. Vgl. Meyer von K n o n a u VII, 161.



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Wilhelm von Apulien gegenüber. I m Oktober 1120 kam Herzog Wilhelm nach Benevent und ließ sich hier mit seinem Herzogtum als einem ligischen Lehen vom Papst durch eine Fahne belehnen. 1 ) Noch im gleichen Monat besuchte dann Calixt seinen Vassailen in der apulischen Grenzstadt Troja. Wilhelm ging mit seinen Großen dem Papst vor die Stadt entgegen und „geleitete ihn als Strator zu Fuß neben dem Sattel bis zur Kathedrale aufs Ehrenvollste." 2 ) Daß es sich hier um keinen einfachen Stratordienst (Zügelführen) gehandelt hat, legt schon die Hervorhebung des Sattels nahe. Und in der Tat, wie dieses Einherschreiten neben dem Sattel zu verstehen ist, zeigt mit aller Klarheit ein entsprechender Vorgang, der sich 1153 an ganz anderem Ort, nämlich in Antiochia, abspielte. Hier hat der Fürst Rainald von Antiochia dem dortigen Patriarchen Aimerich einen ähnlichen Dienst erwiesen: er führte ihn durch die Stadt, „indem er selbst zu Fuß ging und den vom Sattel hangenden Riemen in der Hand hielt". 3 ) Nicht den Zügel des Pferdes, sondern den Steigriemen, an dem der Steigbügel hängt, haben Wilhelm und Rainald also gehalten. Es ist ein Bügeldienst, und man darf auch hier wieder annehmen, daß er beim Absteigen zu einem Steigbügelhalten geworden ist. Wilhelm von Apulien war ein päpstlicher Vassall. Was aber bedeutete der Dienst Rainalds von Antiochia? Der Hergang von 1153 ist sehr lehrreich, namentlich wegen der außerordentlich seltsamen Begleiterscheinungen, die ihm vorausgegangen sind. Rainald hatte seinen Patriarchen nämlich vorher aufs gröblichste mißhandelt, um ihm seine reichen Schätze und damit die Grundlage seiner Machtstellung abzupressen. Er ließ dem angesehenen Haupt der Antiochener Kirche die Kleider ausziehen, ihn geißeln, in die Wunden ihm Honig streichen, und setzte ihn so der Sonne aus, so daß sich die Wespen, Bienen, Fliegen und andere blutsaugende Insekten auf den unglücklichen Patriarchen stürzten, bis er die Qual nicht mehr ertragen konnte und allem zustimmte, was man von ihm verlangte. 4 ) Dann aber, als er dergestalt zur !) R o m u a l d v o n S a l e r n o , Annales 1120 (SS. X I X , 417, ZI. 1 1 - 1 4 ) ; vgl. P a n d u l f , Vita Calixti II., bei D u e h e s n e , Lib. pont. II, 322 ( W a t t e r i c h II, 115f.); J a f f e - L o e w e n f e l d Reg. 6877, 6892. 2 ) R o m u a l d a . a . O . ZI. 20—22: AudiensilaqueGuillelmusduxeiusdempontificisadventum, obvius festinanter extra civitalem advenit cum primatibus suis; cui vice stratoris ipse pedes iuxta sellam usque ad ecclesiam episcopatus eiusdem civitatis ingenti cum Tumore deduxit. Vgl. M e y e r v o n K n o n a u a. a. O. 3 ) J o h a n n e s C i n n a m u s , Historien IV, cap. 18 (hrsg. v. M e i n e k e S. 182): avvoe[Rainald] ex nodos re ßaSiicov xal rov ex Tijs i