Adonis und Esmun: Eine Untersuchung zur Geschichte des Glaubens an Auferstehungsgötter und an Heilgötter [Reprint 2021 ed.] 9783112540947, 9783112540930


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German Pages 620 [618] Year 1912

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Adonis und Esmun: Eine Untersuchung zur Geschichte des Glaubens an Auferstehungsgötter und an Heilgötter [Reprint 2021 ed.]
 9783112540947, 9783112540930

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A D O N I S UND ESMUN EINE UNTERSUCHUNG

ZUR GESCHICHTE DES GLAUBENS AN AUFERSTEHUNGSGÖTTER UND AN HEILGÖTTER VON

WOLF WILHELM GRAFEN BAUDISSIN

MIT 10 TAFELN

LEIPZIG J. C. H I N R I C H S ' S C H E

BUCHHANDLUNG

1911

Das Recht der Übersetzung bleibt vorbehalten.

CONRAD VON ORELLI DEM JUGENDFREUNDE

Vorwort. A l s ich eine Reihe religionsgeschichtlicher Artikel in der Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche beim Erscheinen der dritten A u f l a g e zum zweiten Mal bearbeitete, einzelne auch neu hinzufügte, habe ich ein über das dort Mitgeteilte hinausgehendes Material gesammelt in der Hoffnung, diese Arbeit, die seit dem Jahr 1896 einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch genommen hat, zu einer einheitlichen Darstellung verwerten zu können. Wenn mir Zeit und Kraft geschenkt wird, dies Vorhaben auszuführen, mag das vorliegende Buch als eine A r t Programm gelten. Wie jene gesamte Arbeit ganz besonders Zusammenhängen der alttestamentlichen Religion mit den kanaanäischen Kulten und auch mit aramäischen nachgeht, behandelt dies Buch ein einzelnes Gebiet derartiger Berührungen. E s enthält die Studien, zu denen mich der Artikel „Tammuz" in der Encyklopädie veranlaßt hat. Sie haben eine Ausdehnung erlangt, die sie zur Aufnahme in die geplante allgemeine Darstellung phönizischer und aramäischer Gottheiten und Kulte ungeeignet macht. In diesen Studien haben mich spezielle Gesichtspunkte geleitet, die ich für sich allein zur Geltung zu bringen wünschte. In erster Linie kam es mir darauf an, die Entwickelung der Vorstellung eines Heilgottes aus der eines Auferstehungsgottes nachzuweisen. Diese Entwickelung erscheint in dem von mir behandelten Fall als die Fortbildung eines Gottes, der sein Leben durch den T o d hindurch bewahrt, zu einem Gott, der die Menschen aus dem in der Krankheit drohenden T o d e zum Leben führt. Die eine dieser beiden Gottesvorstellungen ist repräsentiert durch Adonis, die andere durch Esmun, der auf eine mit der des Adonis zusammenfallende ältere Vorstellung zurückweist. Mit den in diesen beiden Gottesgestalten erkennbaren Gedanken glaube ich die alttestamentliche Vorstellung von dem lebendigen Gott nach ihrer Entstehung kombinieren zu dürfen und vielleicht auch den alttestamentlichen Auferstehungsgedanken. E s scheint mir, als ob die bisher, so viel ich sehe, noch kaum bestimmt gestellte F r a g e nach dem Ursprung der Auffassung Gottes als des „lebendigen" auch über das Alte Testament hinaus von Bedeutung sei für Religionsgeschichte und Theologie und als ob die verbreitete Anschauung von dem Werden der Auferstehungshoffnung des Judentums wenigstens einer Ergänzung bedürfe.

VI

Vorwort.

Der hier gegebenen Darstellung liegen eine Reihe früherer Veröffentlichungen zugrunde. Erst ihre jetzt gegebene Zusammenfassung und die neuen Erwägungen, die damit in Verbindung stehn, konnten zu bestimmten Folgerungen für eine geschichtliche E n t w i c k l u n g führen. Im ersten Teil ist der schon angeführte Artikel „ T a m m u z " (1907) zu sehr erweiterter Gestalt umgearbeitet. Im zweiten Teile sind die Abschnitte I—V, 3 ein verbesserter und vermehrter Abdruck der Abhandlung „Esmun" in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Bd. LIX, 1905, der Abschnitt V, 4 eine Erweiterung des Aufsatzes: „Der karthagische Iolaos" in der PAUL KLEINERT zum siebzigsten Geburtstag dargebrachten Festschrift Philotesia 1907 und V , 5—7 eine Umarbeitung der Studie „Esmun-Asklepios" in den THEODOR NÖLDEKE zum siebzigsten Geburtstag gewidmeten Orientalischen Studien 1906. Im zweiten Teile sind besonders die Abschnitte V, 4, 3 und V, 5 im wesentlichen neu hinzugekommen. Die Einleitung ist ganz neu, ebenso, nur mit Verwertung weniger Fragmente aus den Vorarbeiten, der dritte und vierte Teil. Zur Begründung der Einzelheiten in der allgemein gehaltenen Einleitung verweise ich auf die Artikel der Realencyklopädie. Im ersten Teile habe ich das Material vollständig zu geben gesucht, das für eine Rekonstruktion des phönizischen Adonis in Betracht kommt. Eine erschöpfende Darstellung des gesamten Materials über Adonis habe ich nicht beabsichtigt. Sein Kult bei den Abendländern ist nur insoweit berücksichtigt worden, als er für jene Rekonstruktion in Betracht kommt. Eine andere Behandlungsweise würde aus dem Rahmen der Zusammenstellung mit Esmun, auf die es mir ankam, herausgefallen sein. Trotzdem wird kaum etwas Wesentliches von dem Adoniskult bei Griechen und Italikern fehlen; es ist nur an verschiedenen Stellen untergebracht. Eine Aufzählung der griechisch-römischen Bildwerke freilich mußte ich nach meinem Plan unterlassen. Soweit sie für den ursprünglichen Mythos in Betracht kommen, sind sie berücksichtigt. Der erste Teil berührt sich mit der in ihrer Art hervorragenden Monographie von J. G. FRAZER: Adonis, Attis, Osiris* 1907. Meine Darstellung hat, wie mir scheint, neben der von FRAZER ihre Berechtigung. FRAZER läßt die Beziehungen des Adonis zu Esmun ganz außer Betracht und die zu Tammuz fast ganz. E s kommt ihm mehr an auf die Geltendmachung seiner bestimmten Auffassung von der Entstehungsart des Adonismythos und verwandter Mythen und auf die Ermittelung direkter Nachwirkungen des Mythos selbst als, wie mir, auf die geschichtlichen Zusammenhänge des phönizischen Mythos und auf das, was an ihm die Grundlage ausmacht für seine Fortbildung in religiösen Vorstellungen. Daß ich mit FRAZER's Anschauung von der Entstehung des Mythos aus geschichtlichen Ereignissen nicht übereinstimme, konnte mich an dieser Stelle zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung nicht

Vorwort.

VII

veranlassen. Meine Polemik gegen diese Auffassungsweise ist eine stillschweigende. Über den Sinn des Mythos weiß ich mich in wesentlicher Übereinstimmung mit FRAZER; daß es nicht ebenso beim Kultus der Fall ist, beruht auf der Verschiedenheit unserer Anschauungen von der Entstehung des Mythos. Eine Untersuchung über die phönizischen Götter Adonis und Esmun kann nicht gegeben werden, ohne ihr Verwandtschaftsverhältnis zu dem babylonischen Tammuz zu berücksichtigen. Ich wiederhole nochmals was ich an verschiedenen Stellen dieses Buches deutlich genug ausgesprochen habe, daß meine Darstellung keinen Anspruch macht_ und machen kann, über Tammuz oder anderes Babylonisch-Assyrische Selbständiges und Neues zu bieten. Ich habe das von den Assyriologen Erarbeitete lediglich zu dem Zweck herbeigezogen, um Erscheinungen auf anderm als babylonisch-assyrischem Gebiet zu erklären. E s ist vielleicht nicht unangebracht, wenn ich noch hinzufüge, daß ich ebendeshalb Vollständigkeit in der Berücksichtigung babylonisch-assyrischer Aussagen und Anschauungen, die sich mit meinem Gegenstand berühren, nicht erstrebt habe. Ich habe unerwähnt gelassen was mir nicht oder doch zur Zeit noch nicht sicher konstatiert zu sein schien, besonders auch in sumerischen Texten. Das „zur Zeit noch nicht" wäre vielleicht in einzelnen Fällen schon während desDruckes zu modifizieren gewesen. E s steht in Aussicht, daß wir über den babylonischen Tammuz noch mehr erfahren werden als sich aus dem bisher bekannt gewordenen Material ergibt. V o n der demnächst bevorstehenden Veröffentlichung von Tammuztexten aus Nippur habe ich erst Kunde erlangt, als der Druck bis etwa zum ig. Bogen fertig war, und konnte nicht mehr darauf warten. Nach den vorläufigen Mitteilungen, die ich darüber unten S. 374, A n m k g . 5 auf Grund freundlicher A n g a b e n des Herausgebers machen konnte, wird für den dort erwähnten Punkt, welcher für meine Darstellung von spezieller Wichtigkeit ist, eine wesentliche Erweiterung des bisher Bekannten dadurch kaum erfolgen. A b e r ganz abgesehen von dieser nächsten Veröffentlichung wird ein Urteil über das Verhältnis der beiden phönizischen Götter zu dem babylonischen noch für längere Zeit abschließend nicht gegeben werden können. Trotzdem wird eine Monographie über Adonis und Esmun nicht verfrüht sein; denn, welches Ursprungs diese Gottheiten nun sein mögen, sie haben auf phönizischem Boden ihre selbständige Entwickelung, und es ist leider nicht zu erwarten, daß durch neue Funde unsere Kenntnis dieser Entwickelung wesentlich erweitert werden wird. A n dem Versuch einer Darstellung der bei den Phöniziern bestehenden Vorstellungen war es mir gelegen, weniger daran, ihre letzten Ausgangspunkte nachzuweisen, die noch im Dunkel liegen und sich wahrscheinlich niemals zu voller Deutlichkeit aufhellen lassen

VIII

Vorwort.

werden. A u c h für die hoffentlich noch wachsende Erkenntnis der Gestalt des T a m m u z wird es förderlich sein, wenn die damit irgendwie in Verbindung stehenden analogen Vorstellungen bei den Phöniziern nach Möglichkeit festgestellt werden. W e n n nicht E s m u n , so hat doch Adonis nicht nur zu Babylonien sondern deutlich bezeugt auch zu Ä g y p t e n und wahrscheinlich zu Kleinasien Beziehungen. Die zu Ä g y p t e n habe ich, so viel ich konnte, aufg e d e c k t , über die zu Kleinasien, d. h. zu dem phrygischen A t t i s , mich der größten Zurückhaltung befleißigt. W i r werden zweifellos nach den neuesten Entdeckungen auf kleinasiatischem Boden noch viel zu lernen und umzulernen h a b e n , w a s den Zusammenhang Kleinasiens mit den syrischen Landschaften betrifft. Vielleicht wird es dahin führen, daß weit bestimmter als ich es jetzt für möglich zu halten w a g t e , Nichtsemitisches gerade in den von mir behandelten Gottesvorstellungen konstatiert werden wird. Zur Zeit ist aber noch E n t s a g u n g in Kombinationen mit jenen Funden geboten. E s liegen schon einige bedenkliche Anzeichen dafür vor, daß die in Kleinasien gewährten neuen Einblicke in Völkerzusammenh ä n g e übereilte Zusammenstellungen und verwirrende Folgerungen für die Auffassung der Völkerverhältnisse in Syrien veranlassen werden. D e r Kombination des Adonis mit Attis sind dadurch feste Grenzen gezogen, daß Adonis nach anderer Seite mit T a m m u z und ferner noch mit Osiris zusammenhängt. Durch diese Verwickelung wird allerdings auch wieder die Sicherheit des Urteils über die Entstehung des Adonis erschwert. Für vielfache Hilfe in einzelnen F r a g e n s a g e ich herzlichen Dank. W a s ich von andern empfangen, habe ich, w o ich konnte, zu den betreffenden Punkten vermerkt. K e i n e m meiner Berater trete ich zu nahe, wenn ich hier für alle THEODOR NÖLDEICE nenne. Ich besitze in Briefen von ihm ein starkes Konvolut an Zusätzen und Verbesserungen zu fast allen meinen Artikeln in der Encyklopädie, die hoffentlich sämtlich noch einmal verwertet werden können. Für freundliche und reiche Unterweisung über A u s g a b e n griechischer und lateinischer Literatur kann ich meinen philologischen Autoritäten nur an dieser Stelle summarischen D a n k aussprechen. Professor FRIEDRICH KÜCHLER hat schon in Berlin und dann noch von Straßburg aus eine Korrektur der Fahnenabzüge mit mir gelesen. Verschiedene von ihm herrührende Bemerkungen habe ich mit seinem N a m e n aufgenommen, bin ihm aber darüber hinaus verbunden für freundliche Winke, die ich nicht registrieren konnte, besonders auf assyriologischem G e b i e t B e r l i n , Ostern

1911. WOLF WILHELM BAUDISSIN.

Inhalt Seile

Zur Transskription Literatur: 1. Adonis 2. Esmun Abkürzungen

. XII XIII XVII XIX Einleitung. Die Gottheiten der Phönizier.

I. II. HI. IV.

Begrenzung und Quellen Die Art der phönizischen Gottheiten Die Astarten Die Baale 1. Die Baale und die Natur 2. Die Baale und der Stamm V . Der jugendliche Gott VI. Die Idee des Lebens Erster

i 10 17 24 25 39 52 56 Teil.

Adonis. I. Die Heimat des Adoniskultus 1. Der Name Adonis 2. Der Adonis von Byblos und Aphaka 3. Verbreitung des Adoniskultus bei den Phöniziern II. Der babylonische und syrische Tammuz 1. Die Identifizierung des Adonis mit Tammuz 2. Der babylonische Tammuz 3. Tammuzkult bei den Judäern 4. Tammuz in der spätem Überlieferung E L Die Adonisfeste 1. Die Zeit der Adonisfeste . . . 2. Die Auferstehungsfeier für Adonis IV. Der Adonismythos 1. Adonisklage und Adonisgärten 2. Der Eber des Adonismythos 3. Die Deutung des Adonis als die Frucht

65 65 71 81 94 94 97 - 108 111 121 121 133 138 138 142 161

X

Inhalt. Seite

4. Adonis ein Frühlingsgott 5. Die Deutung des Adonis als die Sonne 6. Entstehung des Adonismythos V. Adonis und Osiris Zweiter

166 169 173 185

Teil.

Esmun. I. II. III. IV. V.

Der Name Esmun 203, Die Verbreitung des Esmunkultus 211 Die Bezeichnung des Gottes Esmun als' Asklepios-Aesculapius . . 219. Der Dionysos der phönizischen Münzen 231 Die Vorstellung von dem Gott Esmun 242 1. Esmun nach Inschriften, Münzen und altern griechischen Autoren 242 2. Esmun-Astart 259 3. Esmun-Melkart 275 4. Der karthagische Iolaos 282 5. Heilende Götter bei den Babyloniern und Westsemiten . . .310 6. Die kanaanäische heilende Gottheit und die Schlange . . . . 3 2 5 7. Der Esmunos des Damascius 339 Dritter Teil. Adonis, Esmun und Tammuz in ihrem Verhältnis zueinander.

I. Adonis und Esmun II. Adonis und Tammuz III. Esmun und Tammuz

*

345 352 372

V i e r t e r Teil. Adonis und Esmun und die alttestamentliche Religion. I. Jahwe der Erretter aus Krankheit und Tod 1 . Jahwe heilt 2. Jahwe „belebt" in Krankheit und Not 3. Krankenheilung als „Belebung" bei den Semiten II. Der Gedanke der Totenauferstehung im Alten Testament . . . . 1. Der Wiederbelebungsgedanke in Hosea c. 6, 1 f. 2. Der Gedanke der Totenauferstehung seit Ezechiel 3. Entstehung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens . 4. Das Leben der Pflanze 5. Herkunft des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens . . ID. Jahwe der lebendige Gott 1. Die Aussagen von Jahwe als dem lebendigen Gott . . . . 2. „Lebendiger Gott" in Personennamen 3. Die Wörter für „leben" im Sprachgebrauch bei den Semiten 4. Entstehung der Vorstellung von dem „lebendigen Gott" . . IV. Einfluß der Religion der Kanaanäer auf die der Israeliten . . Schluß

385 385 390 397 403. 403 416 . 426 433 . 439 450 450 466 . 480 . 486 .511 521

Inhalt.

XI Seite

Nachträge

528

Register: I. Generalregister . 531 II. Kultusorte 551 III. Semitische Wörter in Buchstabenschrift und Keilschrift-Wörter: 1. Semitische Wörter in Buchstabenschrift 554 2. Keilschrift-Wörter . . . . . . . . . . -555 I V . Erklärte Personennamen: 1. Namen in Buchstabenschrift 556 2. Namen in Keilschrift 558 V . Register der Stellen aus biblischer und außerbiblischer Literatur: 1. Bibel: a. Stellen mit Bildungen v o m Stamme ) zur Seite, eine Bezeichnung für das ohne Bewässerung befruchtete Land, die 1

Darauf hat

mit Recht,

vielleicht indessen mit zu großer

Bestimmtheit,

aufmerksam gemacht NOWACK, Theolog. Literaturzeitung 1908, Sp. 714 fr. Vgl. a b e r für einzelne Anklänge an babylonische Darstellungen in den Götterbildern, ohne den Versuch einer Datierung, VINCENT, Canaan d'après l'exploration récente, Études Bibliques, Paris 1907, S. 159fr. Dazu kommt, daß doch vielleicht die Darstellung der nackten Göttin, die unter den ältesten palästinischen Funden häufig vorkommt, babylonischer Herkunft ist. Überhaupt darf nicht übersehen werden, daß die bisherigen Ausgrabungen uns nur ein sehr partielles Bild geben, einmal durch ihre Beschränkung auf wenige Punkte und dann durch die Art der gefundenen Bilder, die fast nur den privaten Kult betreffen. Jedenfalls aber ist in den bekannt gewordenen kanaanäischen Bildern Abhängigkeit von Ägypten nicht zu verkennen und unbedingt sehr viel stärker und deutlicher bezeugt als ein etwa daneben vorkommender babylonischer Einfluß. Dieser kann auf andern Gebieten der Religion schon frühzeitig wirksamer gewesen sein, worauf GRESSMANN, Die Ausgrabungen in Palästina und das Alte Testament 1908 (Religionsgeschichtliche Volksbücher III, 10), S. 31 f. verweist. Immerhin steigt, soweit es statthaft ist, schon jetzt aus den Ausgrabungsfunden allgemeineSchlüsse zu ziehen, durch sie die Wahrscheinlichkeit, daß, von den Besonderheiten jedes einzelnen Falles abgesehen, im ganzen die Berührungen zwischen babylonischer und kanaanäischer Religion, die sich nicht durch die Assyrer und das neubabylonische Reich vermittelt denken lassen, weniger auf Entlehnung der Kanaanäer als auf ganz alten Zusammenhängen zwischen den Kanaanäern und Babyloniern beruhen. Allerdings mußEntlehnung auch schon lange vor der assyrischen Periode vorgekommen sein. A b e r die spezifisch babylonischen Gottesnamen „Ninib" und Nergal, die uns in der Periode der Amarna-Briefe auf kanaanäischem Boden begegnen, haben keine dauernden Spuren hinterlassen.

O b der Berg- und Ortsname Nebo von dem babylonischen

Gottesnamen abzuleiten ist, läßt sich mit Bestimmtheit nicht sagen; vgl. Artikel „ N e b o " P R E 2 , Bd. X, 1882, S. 461 f.; DALMAN, Zwanzig T a g e im Ostjordanland, Mittheilung, u. Nachr. des deutschen Palaestina-Vereins 1900, S. 23, Anmkg.

Begrenzung und Quellen.

5

allerdings nicht direkt auf einen Zusammenhang mit dem Kultus verweist, aber doch wohl nur aus dem Gottesnamen entstanden sein kann. W o bei Berührungen der phönizischen Religion mit der babylonischen und der im wesentlichen identischen assyrischen von „ursemitischen" Zusammenhängen nicht die Rede sein kann, ist damit die Priorität auf babylonischer Seite noch keineswegs konstatiert. Zunächst läßt sich annehmen, daß zwischen den semitischen Stämmen, die sich nachmals in Phönizien niederließen, und babylonischen Semiten einstmals ein engerer Zusammenhang bestanden hat als zwischen ihnen beiden einerseits und den Südsemiten andererseits. Ferner liegen — so in altbabylonischen Personennamen — nicht undeutliche Anzeichen dafür vor, daß auch die babylonisch - assyrische Religion von den Westsemiten her Einflüsse erfahren hat. Bestimmter läßt sich in einzelnen Fällen urteilen, wenn sich eine den Babyloniern und Kanaanäern gemeinsame Vorstellung findet, •die nach Inhalt oder Ausdruck einem semitischen Volke nicht anzugehören scheint. Hier hat man in erster Linie ihre Heimat in Babylonien zu suchen bei den Nachbarn der dortigen Semiten, den Sumerern, die einen tiefgehenden Einfluß auf die Kultur, speziell auch auf die Religion, der babylonischen Semiten ausgeübt haben. Daneben ist es für andere Gemeinsamkeiten zwischen Babyloniern und Kanaanäern denkbar, daß sie weder auf ursprünglichen Zusammenhängen noch auf Entlehnung beruhen, sondern auf nichtsemitischen Einwirkungen, die sich in sehr alten Zeiten auf Babylonien und Kanaan gemeinsam erstreckt haben können, ägyptische oder auch hettitische. In der Architektur wenigstens scheinen sich ägyptische Formen bei den Babyloniern nachweisen zu lassen. Hettitische Einwirkung auf Babylonien und besonders auf Kanaan stellt sich immer mehr als wahrscheinlich heraus. Möglicherweise auch haben Babylonien und Palästina gemeinsam schon vor der Berührung mit den Hettitern eine Vermischung ihrer Bevölkerung mit kleinasiatischen Elementen erfahren r . Wir wissen von der phönizischen Religion erst aus einer Zeit, als jene Wechselwirkungen zwischen Babylonien und Kanaan erfolgt waren. Trotzdem lassen sich charakteristische Unterschiede der phönizischen Religion von der babylonischen beobachten. Auffallend ist unter anderm, daß, während in dem babylonisch-assyrischen Religionssystem verhältnismäßig frühzeitig neben Sonne und Mond auch andere Gestirne eine hervortretende Stelle eingenommen haben, wir bei den Phöniziern nur für Sonnen-, vielleicht auch für Mondkult einige wenige Zeichen haben, die bis in höheres Altertum hinaufweisen. V o n alter kultischer Bedeutung •der eigentlichen Planeten oder irgendwelcher Fixsterne findet sich bei ihnen keine Spur. Dienst der Sterne, des „Himmelsheeres", scheint erst 1

Auf diese einstweilen noch wenig greifbare Möglichkeit wird unten 3. Teil, II

zurückzukommen sein.

6

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier I.

aufgekommen zu sein seit der Einwirkung der Assyrer auf die Völkerschaften Kanaans Wenn nicht etwa auch in die babylonische Religion, so sind bestimmt in die kanaanäische schon sehr frühzeitig ägyptische Elemente eingedrungen, wie sich aus den Resultaten der in den letzten Jahren vorgenommenen Ausgrabungen auf palästinischem Boden ergibt. Die Briefe von El-Amarna zeigen uns ein Abhängigkeitsverhältnis der kanaanäischen Stadtkönige Ägypten gegenüber, das diese Aufnahme ägyptischer Kultformen erklärt 1 . Auch der mögliche Einfluß der Hettiter ist schon erwähnt worden. Sie haben frühzeitig in Kanaan eine eingreifende Rolle gespielt. Wir dürfen nach den neuesten Funden auf kleinasiatischem Boden hoffen, endgiltig über Sprache und Religion dieses uns bis dahin noch rätselhaften Volkes aufgeklärt zu werden 2 . Ferner wird nach Anklängen in Geräten und Ornamenten zu denken sein an einen Einfluß, den kretisch-mykenische Kultur von Kreta her frühzeitig auch auf die Religion der Kanaanäer ausgeübt haben kann, wobei dann weiter zu fragen ist, welches Ursprungs die mykenischen Elemente wären. Sie könnten vielleicht durch die Philister vermittelt gedacht werden3. Allerdings ist eine dauernde Einwirkung auf die Religion der Völkerschaften, welche die Philister bei ihrer Einwanderung in Kanaan vorfanden, von ihnen kaum ausgegangen, da sie sich — wir wissen freilich nicht wie bald — offenbar den bei Kanaanäern und Aramäern bestehenden Kulten angeschlossen haben. Es gilt für unsere Kenntnis der spezifisch phönizischen Religion und Kultur wie für die der meisten Völker des Altertums: je weiter die sich mehrenden Entdeckungen ältesten geschichtlichen Materials uns zurückfuhren in die Anfänge, desto mehr wird deutlich, daß es sich nur selten 1

Die Beobachtung der Abhängigkeit der kanaanäischen Kultur von Ägypten

ist nicht neu.

Schon R e n a n , Mission, S. 70. 100 f. hat auf Grund seiner Funde in

der Umgegend von Arados nachdrücklich auf die Ägyptisierung Phöniziens aufmerksam gemacht; aber da er mit seinen Forschungen nicht in die Bodentiefe drang, hatten seine Ergebnisse keine Geltung für die ältesten Zeiten und ließen nur an die Periode denken, die der hellenistischen vorausgegangen war.

Wir wissen jetzt, daß

der ägyptische Einfluß am Anfang und am Ende der Geschichte Phöniziens anzusetzen ist.

Wahrscheinlich ist er niemals ganz unterbrochen worden.

Über die

Wechselbeziehungen zwischen Byblos und Ägypten s. unten 1. Teil, V. 2

Was F r a n z B ö h l , Die Sprache der Amarnabriefe (Leipziger semitistische

Studien, herausggb. von Fischer u. Zimmern, Bd. V, Hft. 2, 1909), S. 5öf. vermutungsweise ausspricht über den sprachlichen Einfluß der Hettiter auf Kanaan, ist sehr unsicher und kann zur Zeit noch nicht anders sein. 3

Vgl. zur Orientierung über einen etwaigen Zusammenhang der in palästinischen

Funden vorkommenden „ägäischen" Keramik mit dem Auftreten der Philister Fimmen, Zeit und Dauer der kretisch-mykenischen Kultur 1909, S. 83 f.

Begrenzung und Quellen.

7

um die einheitliche Entwickelung eines einzelnen V o l k e s handelt, d a ß vielmehr oft fast unentwirrbare Vermischungen sehr verschiedenartiger Nationalitäten vorliegen. In der Geschichte der phönizischen Kultur ist dies noch mehr der Fall als in der der meisten andern Länder, weil K a n a a n seiner geographischen L a g e n a c h nicht nur den Einflüssen der aufeinander folgenden großen R e i c h e des Altertums ausgesetzt war, sondern vielfach auch den Punkt bildete, w o die rivalisierenden M ä c h t e zusammenstießen. A u c h die Zeichnung eines Bildes der phönizischen Religion für die Zeit, w o eine A u f n a h m e altbabylonischer, ägyptischer und vielleicht hettitischer und mykenischer Elemente bereits erfolgt w a r , ist nur möglich mittels einer mühsamen und vielfach problematischen Rekonstruktion. Mancherlei L ü c k e n bleiben unausgefüllt. W a s wir aus älterer Zeit von der Religion der Phönizier wissen, beschränkt sich auf die Ergebnisse der A u s g r a b u n g e n in Palästina, die bisher mehr für den K u l t als direkt für den Gottesglauben ergiebig waren, auf wenige Andeutungen und Gottesnamen in den keilschriftlichen Briefen kanaanäischer D y n a s t e n aus den Funden von E l - A m a r n a , ferner im A l t e n Testament, in assyrischen Inschriften und auf einige zum Teil sehr alte Übertragungen phönizischer Gottesnamen nach Ä g y p t e n . Einzelne altbabylonische Personennamen, die westsemitischer Herkunft sind, können einige Auskunft geben über Religionsvorstellungen der Westsemiten, aber nicht unbedingt der K a naanäer 1 . W a s wir an phönizischen Inschriften besitzen, stammt, mit In dem Heiligtum der ägyptischen Bergwerke von Serabit auf der Sinai-Halbinsel hat FLINDERS PETRIE, Researches in Sinai, London 1906, S. 55 ff. Kultobjekte semitischer Herkunft finden wollen, die von Bewohnern der kanaanäischen Küste herrühren könnten und älter sein würden als alles, was wir sonst von kanaanäischer Religion wissen. Aber PETRIE'S Darstellung beruht auf vielen zum Teil sehr unwahrscheinlichen Hypothesen. Daß die Göttin Hathor, die in dem Tempel von Serabit verehrt wurde, die große Göttin der Semiten in ägyptischer Benennung war (S. 191 f.), ist nicht erwiesen. Aber nach einzelnen nicht ägyptischen Schriftzeichen (S. 129 ff.) haben Fremde in den Bergwerken gearbeitet. Vielleicht könnte man in einer der Inschriften von 9 Zeichen (PETRIE Fig. 138 und 139, die gleichen Zeichen noch mehrmals S. 129) 7 als phönizische Buchstaben ansehen, von denen die 4 ersten von rechts nach links zu lesen wären "inny, so BALL, A Phoenician inscription of B. C. 1500, Proceedings of the Society of Biblical archaeology, Bd. XXX, 1908, S. 243 f. Aber ich zweifle doch daran, ganz abgesehen von BALL'S nach PETRIE S. 132 angesetzter Datierung. Die Buchstaben würden etwa den Namen des südarabischen männlichen Gottes 'Attar wiedergeben; mit diesem Namen könnte schwerlich die Göttin Hathor der Bergwerke bezeichnet sein, wie BALL annimmt und wie man nach der Stellung jener Inschrift neben einer Dedikation an Hathor in ägyptischen Hieroglyphen in der Tat erwarten sollte. Jedenfalls ist mny nicht ein phönizischer Gottesname. Eher können unter den Funden die konischen Steine (S. 135 f.) auf Westsemiten hinweisen. Rezenu und 'Amu, die nach Kanaan deuten, werden unter 1

8

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier I.

wenigen Ausnahmen, erst aus der nachpersischen Periode. Auch die Inschriften, — neben einigen, die von Königen herrühren — meist kurze Votivinschriften von Privatpersonen, bieten an religionsgeschichtlichem Material nicht viel mehr als unvermittelt und formelhaft angewendete Gottesnamen. Einiger Inhalt und Zusammenhang läßt sich diesen dürren Namenserwähnungen geben aus gelegentlichen Mitteilungen griechischer und römischer Schriftsteller. Sie verwerten leider in den meisten Fällen eine schon vor ihnen vollzogene Identifizierung der phönizischen Gottheiten mit griechischen. Diese ist nicht immer konsequent und feststehend gewesen und dient vielfach nur dazu, die phönizische Vorstellung zu verschleiern oder zu trüben. Das ist auch bei Philo Byblius im ersten nachchristlichen Jahrhundert der Fall, dem für seine unter dem Pseudonym Sanchuniathon geschriebene Geschichte Phöniziens und seiner Götter noch reiches und wertvolles Material vorlag. Er hat es durch tendenziöse Deutung und willkürliche Vermischung fast unkenntlich gemacht 1 . Die Gesamtanschauung von der phönizischen Religion, die wir aus der Zusammenfassung der verschiedenen Nachrichten erlangen, bezieht sich auf eine Zeit, wo, abgesehen von jenen ältesten Vermischungen, noch weiterhin zahlreiche fremde Bestandteile aus den Berührungen mit dem neubabylonischen Reiche, mit dem Parsismus und mit der griechischen Welt in die Religion der Phönizier aufgenommen waren. E s bedarf noch mehr als auch auf andern Gebieten der alten Geschichte einer gewissen Divination, um aus dem Konglomerat der späten Nachrichten das herauszusuchen, was als alter Brauch und alte Vorstellung angesehen und zur Gewinnung eines Bildes der phönizischen Religion in ihrer Eigenart verwertet werden darf 2 . Der Reiz zur Beschäftigung mit dieser Religion liegt nicht zum kleinen Teil in den •den Begleitern ägyptischer Expeditionen nach

den Bergwerken genannt (S.

118).

W e l c h e r Zeit gerade die konischen Steine angehören, weiß ich nicht zu bestimmen; sie können älter oder jünger sein als die Kapelle des Sopdu, in der sie gefunden wurden (s. über deren Alter S. 104 f.). Die Denkmäler von Serabit beginnen mit dem A n f a n g der 4. Dynastie, mit Snofru, und enden mit dem A u s g a n g der 20. Dynastie, mit R a m s e s V I . (S. 96ff.), reichen also

etwa (mit Zugrundelegung von

EDUARD

MEYER'S Chronologie) von 2700 bis 1 1 0 0 v. Christo. 1

Trotzdem wird unsere Untersuchung vielfach auf Philo's

Angaben

Bezug

nehmen müssen. F ü r seine Beurteilung verweise ich auf den Artikel „Sanchuniathon" P R E . 3 , Bd. X V I I , 1906. 2

Daß sich nicht anders verfahren läßt, zeigt auch trotz des Titels die skizzierende

Darstellung von S. A . COOK, Religion of ancient Palestine in the second millennium B . C. in the light of archaeology and inscriptions, London 1908, die manche feine Beobachtungen enthält neben einzelnen im Positiven zweifelhaften

Kombinationen

und Rückschlüssen und namentlich auch im Negativen gewagten Behauptungen.

Begrenzung und Quellen.

9

Schwierigkeiten ihrer Rekonstruktion und der Notwendigkeit starker individueller Beteiligung des Beobachtenden an der Abschätzung und Zu.sammenfügung der vorgefundenen Trümmer. Aus alten, unmittelbaren und überreichen Quellen fließt uns eine jetzt Jahr für Jahr wachsende Kenntnis der babylonischen Religion zu. Die neu erlangte Kunde legt eine besondere Wertung der unverkennbar vorhandenen babylonischen Elemente in den Vorstellungen der Länder des Westens nahe. Zweifellos ist der babylonischen Religion vor der phönizischen eine allgemein religionsgeschichtliche Bedeutung zuzuerkennen. Nicht nur hat die phönizische Religion, so weit wir für ihre Erforschung zurückzugehn vermögen, in irgendwelchem Umfang Babylonisches aufgenommen, sondern das System des Götterglaubens, das frühzeitig in Babylonien gebildet werden ist, stellt an und für sich •durch seinen Reichtum eine interessantere Erscheinung dar als der unentwickelter gebliebene phönizische Kultus und Gottesglaube. Aber dieser besondern Bedeutsamkeit der babylonischen Religion gegenüber muß die nicht unwichtige Rolle, die auch der phönizischen im Entwickelungsgang der allgemeinen Religionsgeschichte zugefallen ist, aufs neue hervorgehoben werden. Israel und Juda haben erst verhältnismäßig spät, als ihr Gottesglaube schon fest ausgeprägte Formen erlangt hatte, unter dem direkten Einfluß Assyriens und Babyloniens gestanden; in kanaanäischer Umgebung und im Wechselverkehr mit den Kanaanäem hat dagegen die israelitische Religion angefangen, sich zu einer eigenartigen Größe zu entwickeln. Auch über Israel hinaus ist auf andern Gebieten Einwirkung der phönizischen Religion für alte Zeiten zu vermuten und für spätere zu konstatieren. Freilich scheint es, daß wir noch erfahren werden von bisher unbekannten Wegen, auf denen in ältesten Zeiten Orientalisches und zwar speziell Babylonisches durch Kleinasien hindurch dem fernem Westen zugegangen sein kann. Die Hettiter werden dabei als Vermittler zu denken sein. Die Phönizier dagegen haben ihre Kolonien nicht so tief in die Länder des Mittelländischen Meeres hineingeschoben, wie man früher auf Grund willkürlicher Ableitung von Ortsnamen aus dem Phönizischen annahm. Aber von ihren Niederlassungen an den Küsten aus sind doch auch sie zu einem nicht geringen Teile seit alten Zeiten Träger orientalischer Kultur nach dem Westen hin gewesen. Diese Beziehungen können auch die religiösen Vorstellungen der Westländer, über die Aufnahme einzelner Kulte hinaus, kaum unberührt gelassen haben, lange ehe von Syrien und zwar auch speziell vom Boden des alten Phöniziens aus in die hellenistische und römische Welt Einwirkungen auf die Religion des Abendlandes ausgingen. Neben diesen deutlichen späten Einwirkungen und weit mehr noch als sie verleiht hauptsächlich jene nicht minder sichere Bedeutung, die der phönizischen Religion durch ihren Einfluß auf die der Israeliten

IO

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier II.

zukommt, der Beschäftigung mit ihr die Berechtigung. In sich selbst kann sie nach dem, was wir von ihr wissen, mit ihren Kultbräuchen, die vielfach rohe Sinnlichkeit und blutige Grausamkeit bekunden, unsere Sympathie kaum erwerben, obgleich auch den für uns abstoßenden Riten religiöse Gedanken zugrunde liegen, die allgemeine Bedeutung haben und zum Teil der Tiefe nicht entbehren. Die Phönizier haben es, abgesehen von dem karthagischen Reiche, nie zu großem Staatenbildungen gebracht. Ihre Kulte blieben im wesentlichen Lokalkulte. Ihrem auf die praktischen Erfolge des Handels gerichteten Sinne scheint für religiöse Probleme Interesse und Befähigung gefehlt zu haben. Eben dadurch aber ist ihre Religion wichtig als eine der babylonischen gegenüber primitivere und ältere Form des Gottesglaubens bei den Semiten. Nur was wir als vormuhammedanisphe Religion der Araber zu rekonstruieren imstande sind, hat in einem gewissen Umfang Anspruch darauf, als der ältesten religiösen Anschauungsweise semitischer Völker noch näher stehend angesehen zu werden, weil die Araber am meisten auch die äußern Formen der alten Lebensweise bewahrt haben und im wesentlichen unberührt geblieben sind von Eindrücken aus der Fremde. Die Phönizier ihrerseits sind verhältnismäßig spät in ihre Sitze am Mittelländischen Meer eingewandert, haben dort eine uns unbekannte Bevölkerung vorgefunden, die nicht ohne Einfluß geblieben sein kann auf die Religion der Eingewanderten, und sind seit ihrer Niederlassung unausgesetzt in naher Berührung mit fremden Elementen geblieben. Dagegen sind wir über die phönizische Religion aus sehr viel früherer Zeit unterrichtet als über die arabische. Deshalb läßt sich nur aus einer Vergleichung der beiden Religionsformen eine Anschauung gewinnen von dem, was den ältesten Zeiten semitischer Stämme angehört haben kann. II. Die folgenden Blätter beschäftigen sich mit zwei speziellen phönizischen Gottesvorstellungen, für die ein Zusammenhang mit einem weitern religionsgeschichtlichen Gebiet sich nachweisen läßt. An Intensität und Umfang haben einzelne andere Gottheitsgestalten der phönizischen Religion einen Einfluß wohl noch mehr ausgeübt; aber bei den beiden, die hier zur Darstellung kommen sollen, darf wohl die Art der anscheinend geschichtlich vermittelten Ideenberührungen besonderes Interesse in Anspruch nehmen. Wie viel an den Vorstellungen von dem byblischen Gott, den die Griechen Adonis nannten, und von dem vorzugsweise in Sidon und Karthago bezeugten Esmun der Herkunft nach spezifisch phönizisch ist, hat man verschieden beantwortet. Aber welches Ursprungs immer diese Götter sein mögen, sie haben jedenfalls auf phönizischem Boden eine dem allgemein phönizischen Gottesglauben entsprechende Gestalt er-

Die Art der phönizischen Gottheiten.

II

halten. In dem Gott Esmun hat die zugrunde liegende Vorstellung eine eigenartige Entwickelung durchgemacht — und zwar bei den Phöniziern selbst — , die aus der ältesten Form etwas wesentlich Neues werden ließ. Gerade auch in dieser neuen Gestalt ist eine religionsgeschichtlich bedeutsame Erscheinung zu erkennen. Für die beiden genannten Gottesnamen können wir besser als für die sonst noch bekannten aus den uns überlieferten Nachrichten ein deutliches Bild bestimmter Gottesvorstellungen rekonstruieren, trotz der Lücken des vorliegenden Materials, die auch hier bestehn. Beide Vorstellungen sind einander nahe verwandt; man hat sie für identisch gehalten. Jedenfalls sind sie aus einer gemeinsamen Wurzel herausgewachsen. Es beruht schwerlich allein auf der Schweigsamkeit unseres geringen Materials für die Kenntnis der phönizischen Religion, daß wir in den meisten Fällen nur in sehr wenig deutlichen Linien ein Bild entwerfen können von der besondern Bedeutung der einzelnen Gottheiten. Wir haben von ihnen fast nur Namen, die über das Wesen des Gottes selten etwas Bestimmtes aussagen. Für den „Adonis" hat uns ausnahmsweise ein später griechischer Schriftsteller eine ausführliche Beschreibung seines Kultus erhalten, von Esmun ein noch späterer den Mythos erzählt. Ahnliche Nachrichten besitzen wir für andere Gottheiten nur in geringerm Umfang. Aber soviel ist doch für die gesamte phönizische Götterwelt aus den anscheinend parallelen Gottesnamen der einzelnen Kultstätten mit einiger Wahrscheinlichkeit zu ersehen, daß eine Verschiedenheit der Vorstellung sich mit den verschiedenen Namen nur in beschränktem Maße verband, daß die Differenzierung der einzelnen Gottheiten vielfach unbestimmt und fließend war. Es hat allerdings höchstens eine teilweise Berechtigung, wenn man unter den sehr verschiedenen Charakterisierungen der Religion der Phönizier ihr gelegentlich einen mehr pantheistischen als polytheistischen Charakter zugesprochen hat. Für die Vorstellung von der großen weiblichen Gottheit der Phönizier wäre diese Bezeichnung einigermaßen zutreffend. Aber die Göttin kommt trotz einer mehr oder weniger isolierten Stellung doch in den uns näher bekannten Kulten an keinem Orte für sich allein vor. Für die andern Gottheiten neben ihr — das sind vorzugsweise die als die Baale bezeichneten Götter — kann nur etwa der Schein entstehn, daß sie allgemein die Fülle der entweder in der Welt oder der auf der Erde wirksamen Kräfte in sich faßten. In Wirklichkeit haben nur einzelne Gottheiten der Phönizier, so eben vor andern die große Göttin, eine deutliche Beziehung zu kosmischen Kräften, kaum jemals ganz bestimmt zu einer einzelnen. Eben deshalb kann es so aussehen, als repräsentierten diese Götter die Kräfte der Welt überhaupt. Es ist keineswegs für jene Charakterisierung entscheidend, aber jedenfalls bedeutsam, daß sich unter den altphönizischen

12

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier II.

Gottesnamen keiner findet, der identisch wäre mit einer im Sprachgebrauch fortdauernden Bezeichnung eines bestimmten Naturgegenstandes oder einer bestimmten Naturkraft. Uberhaupt ist unter den nordsemitischen Gottesnamen, soviel ich sehe, nur einer, von dem dies gilt, der Name des babylonischen Sonnengottes Samas. Bei den Phöniziern ist der Name Sms für den Sonnengott erst spät nachzuweisen. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich zunächst nur soviel, daß den Phöniziern und im allgemeinen den Nordsemiten überhaupt der Zusammenhang einer Gottheit mit einer bestimmten Naturerscheinung nicht so deutlich bewußt war wie andern Völkern. Hierauf reduziert sich der Anschein deis Pantheismus. Bei den Phöniziern stehn neben solchen Gottheiten, die eine Naturkraft oder auch eine Zusammenfassung von Naturkräften zu repräsentieren scheinen, andere, für die sich, ohne daß eine Hinweisung auf ihren Zusammenhang mit kosmischen Gewalten vorläge, nur ersehen läßt, daß sie als Beschützer einer Stadt oder eines Staates gelten. Zweifellos hat man sich von ihnen vorgestellt, daß sie zum Nutzen ihrer Verehrer sich kosmische Kräfte dienstbar machten; daß sie aber in einen Wesenszusammenhang mit diesen gesetzt worden wären, läßt sich nicht mit voller Bestimmtheit erkennen. Daraus ergibt sich auch für diese Religion der Schein einer von anderer Seite allgemein für die semitischen Religionen behaupteten monotheistischen Tendenz. Auf die Frage, die sich mit geschichtlichem Verfahren nicht beantworten läßt, ob auch diejenigen Gottheiten der Phönizier, die nur Beschützer ihrer Verehrer zu sein scheinen, ihrem Ursprung nach dem Naturdienst angehören oder ob wir es hier mit Göttern zu tun haben, die von Hause aus nichts anderes waren als Schirmer eines menschlichen Gemeinschaftskreises, wird an späterer Stelle zurückzukommen sein Neben den Göttern haben die Phönizier gewiß ebenso wie ihre Verwandten, die Araber, Babylonier und Hebräer an Dämonen geglaubt, wirksame Wesen, deren Unterschied von den Göttern überall fließend war und sich nur etwa dahin bestimmen läßt, daß man sie wohl gelegentlich fürchtete, aber nicht wie die Götter mit einem auf Verehrung beruhenden Kultus bedachte. Es hängt zusammen mit der Art unseres Materials für die Kenntnis der phönizischen Religion, daß in ihr nur wenige und undeutliche Spuren des Glaubens an dämonische Wesen zu erkennen sind. Wie sich dieser Glaube in seiner uns bei andern semitischen Völkern vorliegenden Form zu der Entstehung des Götterglaubens verhält, läßt sich auf geschichtlichem Wege nicht ermitteln. Nur das Nebeneinander der Vorstellungen von Göttern und Dämonen ist zu konstatieren. Aber gerade unsere Spezialuntersuchung wird 1

S. unten Einleitung IV, 2.

uns doch zu Be-

Die Art der phönizischen Gottheiten.

13

obachtungen führen, die für das Verhältnis des Götter- und des Dämonenglaubens in ihrer Entstehung nicht indifferent sein können. Der von den Griechen „Adonis", d. i. „Herr", genannte Gott von Byblos gehört nicht zu den großen Göttern. Er ist überhaupt eigentlich kein Gott; er hat in älterer Zeit, wie es scheint, keinen selbständigen Kultus, hat keinen individuellen Namen. Beides, sein Erstehn und sein Absterben, in dem Hervortreten und Schwinden einer kosmischen Kraft erkannt, ist nicht an und für sich Gegenstand der Verehrung, sondern spielt im Kultus einer andern Gottheit eine Rolle. Ich möchte den Adonis nicht gerade einen Dämon nennen. Jedenfalls ist er andersartig als die Dämonen, die wir bei semitischen Völkern, den Arabern und Babyloniern, sonst kennen — von der Art der Dämonen der ältern Hebräer wissen wir nichts —; sie alle, nicht nur die Dämonen des Judentums, haben etwas, wenn nicht Teuflisches, so doch Koboldartiges an sich. Davon findet sich an Adonis gar nichts. Aber er ist eine der Gestalten, die kaum der Religion sondern mehr der volkstümlichen Weltanschauung angehören, wie sie wohl überall in altem Volksglauben vorkommen, bei den Griechen etwa einigermaßen analogerweise in einem Triptolemos oder Silen oder in jedem einzelnen Gliede des weitverzweigten Geschlechtes der Nymphen und der ihnen verwandten Gebilde. Adonis hat seinem Ursprung nach eine unverkennbare Beziehung zu jener andern Gestalt des phönizischen Glaubens, zu Esmun. Beiden liegt allem Anschein nach die Beobachtung ein und desselben Vorgangs in der Natur zugrunde. Auch Esmun ist keiner von den großen Göttern, aber zweifellos ein Gott. Er hat zu Sidon und Karthago einen ausgebildeten Kult und trägt einen Eigennamen, der ihn, obgleich er unverständlich oder mehrdeutig bleibt, jedenfalls als ein Wesen individueller Art charakterisiert. Esmun wird anzusehen sein als eine Fortbildung der Vorstellung, die als Adonis in unentwickelterer Gestalt auftritt. Hier haben wir in gradweiser Verschiedenheit Zwischenstufen zwischen den Kategorien der Dämonen und der Götter, das Aufsteigen einer identischen Gestalt von einer niedern Stufe zu einer höhern. Unsere Beobachtungen werden uns indessen nicht das Recht geben, zu behaupten, daß der Götterglaube eine entwickeltere Form des Dämonenglaubens darstelle — dann nämlich nicht, wenn man dabei an den Dämonenglauben denkt, wie er sich geschichtlich feststellen läßt. Aber jener Sachverhalt in unserm speziellen Falle legt allerdings die Anschauung nahe, daß beide, der Götterglaube und der Dämonenglaube der geschichtlichen Zeit, Weiterentwickelungen darstellen eines ursprünglich einheitlichen Glaubens an Wesen, die auf den Menschen oder seine Umgebung einen bestimmenden Einfluß ausüben. Dieser Glaube hätte sich in den beiden geschichtlichen Erscheinungsformen der Götter und der Dämonen nach zwei disparaten Seiten hin zerteilt Jedenfalls wird

14

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier II.

aus den angedeuteten Wahrnehmungen zu schließen sein, daß in urzeitlichen Vorstellungen der Götterglaube dem Dämonenglauben näher stand als er es in geschichtlichen Zeiten getan hat. Indessen kann es sich dabei nur handeln um das Verhältnis wirksamer Wesen zu den Erscheinungen der den Menschen umgebenden Welt und zu denjenigen Erlebnissen des Menschen, die von außen an ihn herantreten. In dem Verhältnis zu diesen Erscheinungen und Erlebnissen mögen die Urbilder der geschichtlichen Götter und Dämonen auf einer Linie gestanden haben. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Glaube an Mächte, die als den Menschen beeinflussend angesehen wurden, von Anfang an in einer zwiefachen Gestalt vorhanden war, als die Beugung vor einem überwältigenden Wesen, zu welchem der Mensch in eine persönliche Beziehung trat — das ist Gottesglaube —, und als die bloße nur etwa mit Furcht verbundene Anerkennung eines als wirksam geglaubten Wesens ohne ein persönliches Verhältnis zu ihm — das ist Dämonenglaube. Dieselbe Gewalt, die dem einen Menschen als Gott erscheint, kann dem andern ein Dämon sein. Gottesglaube und Dämonenglaube können deshalb von Anfang an nebeneinander bestanden haben, aus einer einheitlichen Weltanschauung heraus entstanden, die nur in dem Innenleben des Menschen eine unterschiedliche Stellung zu den von ihm wahrgenommenen Mächten hervorrief. Es wird von unbestimmbaren Faktoren in den Erlebnissen der Gemeinschaftsverbände abhängend gewesen sein, daß im Glauben der Stämme und Völker die Vorstellung eines dem Menschen gegenüberstehenden machthabenden Wesens zur Gottesvorstellung und die eines andern zur Vorstellung eines Dämons wurde. Eine Gottesvorstellung wird überall nur da Gemeingut geworden sein, wo ein Einzelner als Verkünder des von ihm erkannten Gottes aufgetreten war. Zu einer ein- für allemal abschließenden Unterscheidung zwischen Dämon und Gott ist, wie die beiden Gottesgestalten zeigen, von denen wir handeln, die volkstümliche Auffassung nicht immer so bald, in einzelnen Fällen vielleicht auch niemals gekommen. Solche Gestalten der alten Religionen, die ein Mittelglied zwischen Göttern und Dämonen zu bilden scheinen, können — dahin wäre unser Gedankengang zusammenzufassen — lediglich auf eine einzige Weltanschauung als die gemeinsame Grundlage der Vorstellungen von Göttern und Dämonen verweisen, nicht aber auf eine einzige Art der Stellung, die einstmals der Mensch den von ihm geglaubten außermenschlichen Mächten oder besser gesagt: wirksamen Wesen 1 gegenüber 1 Ich meine hiermit was man jetzt häufig als „Seelen" bezeichnet. Ich vermeide diesen Ausdruck, weil die Entstehung jener Vorstellung von machthabenden Wesen aus der von der animalischen Seele mindestens nicht überall erkennbar ist. Allerdings werden sie vorgestellt nach Analogie der im Tode dem animalischen Körper entschwebenden Seele; aber daraus läßt sich auf einen Zusammenhang der Entstehung

D i e Art der phönizischen Gottheiten.

15

eingenommen hätte. Die Frage, ob eine einzige A r t der Stellungnahme für den Anfang angenommen werden müsse, fällt zusammen mit der andern Frage, ob dem primitiven Menschen die Befähigung abzusprechen ist zur Eingehung einer persönlichen Verbindung mit einem ihm gegenüberstehenden machthabenden Wesen. Eben die Beantwortung dieser F r a g e ist es, die sich auf keinem geschichtlichen W e g e finden läßt. Wir müssen deshalb hier auf eine Antwort verzichten. Unter den Gottheiten der Phönizier — wenn wir nach dem eben Bemerkten im weitesten Sinne des Wortes von Gottheiten reden — sind es im Grunde nur drei T y p e n , die wir bestimmt unterscheiden können, ein gebietender männlicher Gott, eine Göttin und ein jugendlicher Gott. Nur wenige einzelne Gestalten dieser drei T y p e n — darunter wohl der Adonis von Byblos — stellen eine klare, einheitliche Form dar. Die meisten sind irgendwie komponiert. Wir müssen uns deshalb im wesentlichen darauf beschränken, die Summe der uns für die einzelnen T y p e n überlieferten Spezialgestalten in dem Zusammenhang und zugleich in der Verschiedenartigkeit ihrer besondern Formen als eine komponierte Gesamterscheinung aufzufassen. A b e r nicht nur die verschiedenen Gestalten innerhalb eines der drei T y p e n vermischen sich miteinander, sondern auch die T y p e n selbst gehn ineinander über. Statt von drei T y p e n ließe sich auch von drei Gruppen phönizischer Gottheiten reden. Namentlich für den „ T y p u s " des großen männlichen Gottes der einzelnen phönizischen Städte würde die Bezeichnung als einer Gruppe von Gottesvorstellungen anwendbar sein. Beobachten können wir die drei Gestalten in drei ständig miteinander verbundenen Gottheiten mit Sicherheit an keinem Kultusort. Eine deutlich beabsichtigte Anordnung vielleicht der Gesamtheit der karthagischen Gottheiten in Triaden bei Polybius läßt sich möglicherweise aus der bei den Griechen beobachteten Sitte erklären, speziell im Schwüre, wo diese Anordnung bei Polybius vorkommt, drei Götter anzurufen 1 . In Sidon bestand allerdings wahrscheinlich eine Dreiheit der im Kultus am meisten hervortretenden Gottheiten: Astarte, Baal von Sidon, Esmun, und in Byblos eine andere: El-Kronos, Baalat, Adonis. A b e r direkt nebeneinander genannt finden wir die drei Götter nicht. In Karthago ist vielleicht die Trias Tanit, Baal Hamman, Esmun, auch abgesehen von der Anordnung bei Polybius, zu erkennen, aber doch nur aus unsichern Indizien. Trotzdem läßt sich, weniger nach babylonischen als nach ägyptischen und hettitischen Analogien der Zusammenordnung von drei Gottheiten, vernach nicht unbedingt folgern.

E h e r dürfte man j e n e W e s e n allgemeiner als Geister

bezeichnen; aber sie wurden zweifellos ebensowenig unkörperlich vorgestellt wie die Götter des ältesten Gottesglaubens. 1

V g l . unten 2. Teil, V , 4, 1.

l6

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier II.

mutungsweise annehmen, daß im phönizischen Kultus die drei Gottheitstypen wirklich miteinander verbunden vorkamen 1 . Andererseits haben 1

In Babylonien finden sich die Triaden Anu, Ellil (Bel), E a ; Sin, Samas,

A d a d - R a m m a n ; Sin, Samas, Istar, vielleicht auch (ZIMMERN, KAT.3, S. 4i8f.) E a , Marduk und Feuergott.

A b e r etwas als charakteristisch Feststehendes ist die Zu-

sammenstellung von drei Gottheiten weder bei den Babyloniem noch bei den Assyrern, vgl. JASTROW, Die Religion Babyloniens und Assyriens, Bd. I, S. 244ff.

In Sidon

werden die drei Götter Astarte, Baal, Esmun, aber nicht in einer Reihe, in der Aschmunazar-Inschrift genannt.

Für Byblos nur Baalat-Aphrodite und Adonis (Tammuz)

nebeneinander in „ D e Syria dea" und bei syrischen Autoren (s. unten 1. Teil, I, 2), aber El-Kronos sicher zu ergänzen als ein dritter Hauptgott aus Philo Byblius (fr. 2, 17, S. 568).

Für eine karthagische Dreiheit: Tanit, Baal Hamman, Iolaos (Esmun)

kommt in Betracht die eine der Triaden bei Polybius (s. unten 2. Teil, V, 4, 1). Möglicherweise ist eine karthagische Trias nach der Vermutung V. DOMASZEWSKL's (Abhandlungen zur römischen Religion 1909, S. 149) auch zu erkennen bei Virgil, Aen. 4, 58: „legiferae Cereri Phoeboque patrique Lyaeo", vgl. unten 2. Teil, V , 4, 3. Zu Philadelphia-Amman findet sich die Trias Asteria, Herakles (Melkart), Asklepios (Esmun?), s. unten 2. Teil, V , 4,4. Die Trias des Bardesanischen Systems: der Vater des Lebens, die Mutter, deren Sinnbilder Sonne und Mond sind, und der „verborgene Sohn des Lebens" (BOUSSET, Hauptprobleme der Gnosis, Forschungen zur Religion und Literatur des A. u. N. Testaments, herausggb. von Bousset u. Gunkel, Hft. 10, 1907, S. 71), stammt sicher aus semitischem Kultus, vielleicht aus phönizischem, dann vermutlich mit Umstellung von „Mutter" und „Vater", wie es späterer Auffassungsweise entsprach. Der Helios von Edessa und seine beiden Paredren, Monimos und Azizos,

sind

nicht unbedingt als eine semitische Trias anzusehen, obgleich die beiden Trabanten semitische Namen tragen und der Helios aus dem altaramäischen Sonnengott entstanden sein wird; aber die Zusammenstellung jener beiden mit Helios könnte ihr Vorbild haben in Mithras mit zwei Jünglingsgestalten, vgl. Artikel „Sonne" PRE.3, Bd. X V I I I , 1906, S. 501, 1 4 f r . Diese Trias entspräche als die dreier männlicher Götter der Mehrzahl der babylonischen. Phönizier Geltung haben, männliche Götter handeln.

Sofern die scheinbaren Spuren von Triaden der

würde es sich hier überall um eine Göttin

und zwei

Die Trias von Hierapolis bei Lucian, D e Syria d e a

§ 33: Here, Zeus und ar||iriiov ist vielleicht nicht aramäisch-semitisch sondern ursprünglich hettitisch (vgl. EDUARD MEYER, Geschichte des Altertums, Bd. I, 23, 1909, S. 650f.).

Was USENER, Dreiheit, Rheinisches Museum, N. F., Bd. L V I I I , 1903,

S. 32 f. noch von Triaden semitischer Götter angibt, ist bedeutungslos.

Die „Triaden"

phönizischer Götter hätten einige Ähnlichkeit mit den Dreiheiten von Gottheiten, die den ägyptischen Lokalkulten alter Zeit angehören, aus einem Gott, einer Göttin und einem Gott-Sohn bestehend (s. über diese MASPERO, Etudes de mythologie et d'archéologie égyptiennes II, Bibliothèque égyptologique, Bd. II, Paris 1893, S. 386f.). Aber in Ägypten steht der Gott an erster Stelle, bei den Phöniziern wahrscheinlich ursprünglich die Göttin.

Die phönizische Trias ließe sich als das, was SÖDER-

BLOM (Vater, Sohn und Geist unter den heiligen Dreiheiten 1909, S. 5 ff.) nicht sehr deutlich „mythologische Dreiheit" (die der göttlichen Familie) nennt, doch nur bezeichnen für die spätere Auffassung; denn der Baal erscheint, wie wir sehen werden,

Die Astarten.

17

wir, am deutlichsten in Karthago, aber anscheinend auch an andern Orten, z. B. in Sidon, mehr als drei verschiedene Götternamen, die sich nicht alle als nur variierende Bezeichnungen von nicht mehr als drei einzelnen Gottheiten verstehn lassen. Der weitere Umfang des Götterkreises ist in diesen Fällen zum Teil gewiß aus dem Austausch der verschiedenen Kultstätten zu erklären. Jene drei Gestalten oder Typen trugen an den einzelnen Orten verschiedene Namen oder Epitheta und wurden dann bei Übertragung von einer Kultstätte auf die andere als verschieden von den ursprünglichen Gottheiten des Ortes angesehen. Daneben werden auch spontan neue Gottesvorstellungen entstanden sein durch Individualisierung bestimmter Seiten der drei Gottheitstypen. In der einen oder andern Weise wird es zu erklären sein, daß in Karthago neben der Astarte als eine von ihr unterschiedene und doch anscheinend nicht wesentlich andersartige Göttin die Tanit genannt wird. Könnten wir die Vorstellungen ermitteln, die den über jene Dreiheit überzähligen Gottheiten zugrunde liegen, so würden sie wahrscheinlich alle ebenso nur als Variationen oder Abzweigungen eines von den drei verschiedenen Typen zu erkennen sein. III. Unter den drei Typen der phönizischen Gottheiten erscheint in der uns geschichtlich bekannten Zeit nicht immer, aber doch in der Regel ein mit dem Epitheton Baal bezeichneter männlicher Gott als die Hauptgottheit, wenigstens für das Verhältnis zu den Verehrern. Die Frage, inwieweit er schon in den Anfängen der Religion dieselbe Stellung eingenommen habe, läßt sich verschieden beantworten. Deutlicher als der Typus dieses Gottes ist ausgeprägt der Charakter einer Göttin, die unter vielen verschiedenen Namen immer dieselbe zu sein scheint. Der Typus der Göttin wird deshalb besser an erster Stelle besprochen. Eine allen phönizischen Göttinnen zugrunde liegende identische Vorstellung ist nicht unbedingt nachzuweisen, weil wir von manchen nicht mehr als den Namen kennen. W o aber eine Andeutung über das Wesen der Göttin vorliegt, scheint es überall möglich zu sein, einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu erkennen. Am häufigsten kommt die weibfür alte Zeit nirgends deutlich als der Vater des jugendlichen Gottes; nur die Göttin wurde wohl ursprünglich in einem Mutterverhältnis zu diesem gedacht. E h e r könnte man hier von einer „Emanationsdreiheit" reden.

D a s Verhältnis des jugendlichen

Gottes zur Göttin ist deutlich das der Emanation; Verhältnis des B a a l zur Göttin das gleiche.

vielleicht war einstmals

das

W i r werden hierauf weiter unten (Ein-

leitung I V , 2) zurückzukommen haben. Die Götterdreiheiten bei den Babyloniern und Assyrem sind durchweg andersartig. SöDERBLOM's Unterscheidung

Einzelne darunter lassen sich vielleicht nach

als „vermittelnde"

(interzedierende) Dreiheiten

zeichnen. B a u d i s s i n , Adonis u. Eamun.

2

be-

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier III. liehe Gottheit trägt

sie

Anat,

vor

unter

dem

Namen Aschtart.

andere N a m e n oder Bezeichnungen,

in B y b l o s

Aschirat.

Baalat,

in d e r

Periode

An

so

bestimmten

mehrfach den

der A m a r n a - B r i e f e

vereinzelt

I m A l t e n T e s t a m e n t w e r d e n d i e v e r s c h i e d e n e n F o r m e n in d e m

Plural A s c h t a r o t

zusammengefaßt.

D i e Göttin erscheint speziell unter d e m N a m e n A s c h t a r t e n g e r e V e r b i n d u n g mit einem G o t t , als M u t t e r d e s L e b e n d i g e n . den

Orten Namen

Charakter

zum Ausdruck1. die Göttin

der

wie jungfräulich,

ohne

u n d gilt

Ihre ältesten bildlichen Darstellungen bringen

gebärenden

und

nährenden

Mütterlichkeit

deutlich

In der b e s o n d e r n Gestalt der k a r t h a g i s c h e n T a n i t

das Prädikat

eine

dennoch

„die große Mutter".

Wie

führt

der Entstehung

des

L e b e n s , s o g e w ä h r t sie a u c h s e i n e r E r h a l t u n g i h r e n S c h u t z .

Anat

einmal

a l s DTI tJJ,

auf

Cypern

' A ö r i v ä (d. i. A n a t )

in

einer

die Göttin allgemein o d e r — standen —

bilinguen

C d j r e i p a Niicr).

Inschrift bezeichnet

Damit

ist

wird

doch wohl gemeint,

daß

s o h a t es die g r i e c h i s c h e Ü b e r s e t z u n g ver-

s p e z i e l l d e n M e n s c h e n „ K r a f t d e s L e b e n s " ist, d. h . d a s L e b e n

g e d e i h e n l ä ß t , o d e r a u c h d a ß s i e „ K r a f t d e r L e b e n d i g e n " ist, d. h . i h n e n Kraft spendet2.

1

In

diese Vorstellungsreihe

gehört vermutlich auch

In den zu Teil Ta'annek gefundenen Bildern einer Göttin.

das

D a ß darin eine

Astarte dargestellt werden soll, ergibt sich daraus, daß eine dieser Figuren zweigehörnt ist, also d e m N a m e n

n'inB'» entspricht, s. SELLIN, Teil Ta'annek, Denk-

schriften d. Wiener A k a d e m i e , philos.-histor. Kl., Bd. L, 1904, 4, S. 50, Fig. 52.

Das

weibliche Geschlecht ist ebenfalls stark hervorgehoben in der Bronzestatuette einer gehörnten Göttin, die zu Gezer gefunden worden ist (MACALISTER, Report of the excavation of Gezer, Palestine Exploration Fund, Quarterly Statement 1903, S. 227 f.), gewiß ebenfalls eine Astarte. 2

Vgl. VINCENT, Canaan, S. i 5 9 f f

Die Inschrift (CIS. 95) ist j u n g , aus der Zeit Ptolemäus' I, bedient sich aber

doch gewiß einer alten Bezeichnung der Göttin.

Die griechische Übersetzung hat

vielleicht tj> und D'n getrennt und zugleich umgestellt, nämlich D^n,, L e b e n " in dem Sinne von „ H e i l " mit CdiTeipa wiedergegeben und tji „ K r a f t " in dem Sinne von „Überwindungskraft" mit N(KTI. D i e Wörter sind aber fraglos im Genetivverhältnis zu verbinden; dann ist zweifelhaft, ob DTI „ L e b e n " oder „ L e b e n d i g e " bedeutet.

Zu ver-

gleichen ist die alttestamentliche Bezeichnung Gottes als tj! des Frommen, d. h. als sein Schutz.

Danach wäre das Epitheton der Göttin so zu verstehn, daß sie den Leben-

digen oder dem L e b e n , nämlich dem der Menschen und vielleicht auch der Tiere, Kraft ist, indem sie die Lebendigen oder das L e b e n schirmt. A m ehesten ist vielleicht das Prädikat der Göttin zu erklären aus Ps. 27, 1, wo Gott von dem Dichter genannt wird ^rrtiyia, wenn nämlich tiyn von ttp abzuleiten sein sollte.

Keinenfalls ist die

Anat abstrakt bezeichnet als die „Lebenskraft", sondern mit DTI wird, ob es nun als wirklicher Plural oder als Abstraktum zu verstehn ist, das Gebiet genannt, dem die „ K r a f t " der Göttin zugute kommt.

Vielleicht klingt die hier zugrunde liegende

semitische Vorstellung noch nach in der Inschrift des „tribunus in praefecto" Donatianus zu Carvoran in Northumberland aus dem 3. Jahrhundert (BÜCHELER und RIESE, Anthologia Latina, II, 1, n. 24), wo von der karthagischen Cälestis gesagt wird: „lance

Die Astarten.

19

der Astarte des Berges Eryx beigelegte Epitheton D^n *pN, dessen erstes Wort freilich noch nicht sicher erklärt ist, dessen zweites sie aber deutlich mit dem Leben oder den Lebendigen in Verbindung bringt. Mit keiner bestimmten Naturmacht läßt sich die große Göttin identifizieren. Die griechischen Erklärer phönizischer Gottesvorstellungen haben sie vielfach als den Mond verstanden, der im Altertum allgemein als das Prinzip der Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit galt. Es können einzelne Spuren dahin gedeutet werden, daß die Göttin im lebendigen Volksglauben wirklich als der Mond gedacht worden ist. Vielleicht geschah das schon in sehr alter Zeit, wenn die Hörner, die sich an einigen der uns durch die Ausgrabungen in Palästina bekannt gewordenen Bilder einer weiblichen Gottheit finden, den Mond bedeuten sollten; nach der Form dieser Hörner ist das allerdings wenig wahrscheinlich. Ursprünglich war Astarte gewiß nicht der Mond, und niemals ging sie, wie ihre Identifizierung mit verschiedenen griechischen Göttinnen zeigt, im Mond auf. Sie ist im letzten Grund identisch mit der babylonisch-assyrischen Istar, ohne daß sich bis jetzt entscheiden läßt, wo das Urbild zu suchen ist. Istar wurde als die Göttin des Venussternes angesehen. Für die Astarte läßt sich in älterer Zeit diese Beziehung nirgends erkennen; erst spät, bei griechischen Schriftstellern, findet sie sich von der Istar auf die Astarte übertragen, und das Bild eines Sternes repräsentiert nun die phönizische Göttin. Etwas ursprüngliches wird die Verbindung mit dem Planeten auch für Istar nicht sein. Istar-Astarte ist zunächst keine siderische Potenz sondern ganz allgemein die gebärende Kraft der Natur. Wenn Istar von der Erde in die Unterwelt hinabsteigt, hört auf der Erdwelt alle Befruchtung auf; für gewöhnlich also wohnt nach dieser Vorstellung die Göttin auf der Erde. Die befruchtende Kraft hat man besonders in der Feuchtigkeit der Erde gesucht. Die Astarte-Aphrodite des Eryx spendet den Tau. Wie die durch ihn beförderte Fruchtbarkeit der Vegetation, ebenso wird auch die der Herden von der Astarte abgeleitet. Wollte man alte Vorstellung von ihr in einem bestimmten Namen ausdrücken, so dürfte man sie am ehesten etwa als Mutter Erde bezeichnen. Es lassen sich Spuren dafür finden, daß auf phönizischem Boden eine Unterweltsgöttin vorkam; auch sie könnte mit der als die Erde aufgefaßten Muttergöttin ursprünglich identisch gewesen sein, da die Fruchtbarkeit hervordringt aus den Tiefen der Erde. Im Alten Testament haben sich noch einzelne Reste von der Vorstellung der „Mutter Erde" erhalten. Man wird dabei für die ältesten Zeiten der Hebräer und Kanaanäer ebensowenig als für die Anfänge uitam et iura pensitans"; die Hinzufügung „et iura" gehört freilich durchaus nicht zu der altsemitischen Vorstellung von der Göttin.

a*

20 anderer Völker

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier III. an eine Vorstellung von dem Gesamtumfang

der E r d e

zu denken haben, sondern an den bestimmten Boden, dem der Einzelne oder der S t a m m angehörte.

D a ß das W o r t für „ E r d e " in den semiti-

schen Sprachen meist femininisch gebraucht wird, ist an und für sich nicht ausschlaggebend für eine Erdgottheit weiblichen Geschlechts; denn die Gottheit der E r d e könnte n a c h der bei den Westsemiten

gewöhn-

lichen Bezeichnung der Gottheiten von vornherein als „Herrin" und ebensogut als „Herr" der E r d e vorgestellt worden sein. A b e r wenn die E r d e als ein göttliches W e s e n oder wenn an eine in ihr wohnende Gottheit gedacht wurde,

so lag es freilich für die Semiten ebenso nahe als für

andere Völker, diese Gottheit dem Geschlecht nach weiblich zu denken, weil die E r d e

die Pflanzen wie aus dem Mutterschoß heraus gebiert.

A u f dieser Vorstellung wird also doch wohl das weibliche Genus auch des semitischen Wortes für die E r d e beruhen 1 . 1 Für die Vorstellung der Mutter Erde als auch bei den Semiten bestehend hat einiges beigebracht NÖLDEK.E, Mutter Erde und Verwandtes bei den Semiten, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. VIII, 1905, S. 161—166 im Anschluß an ALBR. DIETERICH'S umfassende Darstellung (in der erweiterten Form: Mutter Erde, ein Versuch über Volksreligion 1905). Vgl. DHORME, La Terre-mère chez les Assyriens, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. VIII, S. 550—552; LODS, La croyance à la vie future . . . dans l'antiquité israélite, Paris 1906, Bd. II, S. 117f.; L. KÖHLER, „Biblische Spuren des Glaubens an die Mutter Erde?" Zeitschr. f. die neutestamentl. Wissenschaft, Jahrg. IX, 1908, S. 77—80; W. DITTMAR, Zum Glauben an die „Mutter Erde", ebend. S. 341—344. Babylonische Personennamen, die zusammengesetzt sind mit irsitim(tum) „Erde", wie Abil-irçitim „Sohn der Erde" (bei H. RANKE, Early Babylonian personal names, The Babylonian expédition of the University of Pennsylvania, Sériés D: Researches and treatises, ed. Hilprecht, Bd. III, Philadelphia 1905, S. 59), Mâr-irsitim „Kind der Erde" (ebend. S. 122; UNGNAD, Untersuchungen zu den im VII. Hefte der Vorderasiatischen Schriftdenkmäler veröffentl. Urkunden aus Dilbat, BA. VI, 5, 1909, S. 103 ; POEBEL, Babylonian legal and business documents from the time of the first dynasty of Babylon chiefly from Nippur, The Babylonian expédition etc., Sériés A: Cuneiform texts, ed. Hilprecht, Bd. VI, 2, Philadelphia 1909, S. 134. 142), Mârat-irsitim „Tochter der Erde" (UNGNAD S. 103) können vielleicht nach Analogie der Personennamen, die aus abil „Sohn" oder mär „Kind" und einem Gottesnamen gebildet sind (s. darüber unten Einleitung IV, 2), darauf verweisen, daß einstmals irsitum im Wert eines Gottesnamens gebraucht wurde. Zu dem, was NÖLDEKE aus dem Alten Testament für die Vorstellung von der Mutter Erde mitgeteilt hat, weiß ich andere direkte Spuren kaum hinzuzufügen; von einzelnen noch weitern indirekten wird später zu reden sein (4. Teil, II, 5). Eine Erinnerung an die Vorstellung von der Erde als allgebärender Mutter ist im Alten Testament am deutlichsten wohl zu erkennen in der Gleichsetzung der Erde oder Unterwelt, wohin der Mensch nach dem Tode kommt, mit dem Mutterleib, aus dem er hervorgeht, Hio. 1, 21 und in der Bezeichnung des Mutterleibes als „das Unterirdische" Ps. 139, 15. Allerdings ist das tertium comparationis zunächst die Dunkelheit und Verborgenheit, die auch dem menschlichen Mutterleib eigen ist. Aber dieser erscheint hier doch wie substituiert für die Erde,

Die Astarten.

21

Es ist indessen auch denkbar, daß die große Göttin der Phönizier und der verwandten Stämme zunächst nicht in der Erde selbst erkannt wurde, sondern in einer der Erdwelt angehörenden Einzelheit, worin kindlicher Glaube eine Offenbarung der lebenspendenden Kraft erblickte, etwa in einer Quelle. Teilweise jedenfalls sind die Göttinnen der Kanaanäer Quellgottheiten gewesen. Wir dürfen wohl den Ortsnamen Baalat-be er auf palästinischem Boden von der Baalat eines Brunnens verstehn, und die Göttin von Aphaka im Libanon, deren Stern sich nach spät bezeugter Anschauung in die Quelle des Ortes senkte, war zweifellos ursprünglich eine Quellgöttin. Daß speziell Astarte als die Göttin der befruchtenden Feuchtigkeit des Erdbodens erschien, mag zu ersehen sein aus der arabischen Bezeichnung des ohne künstliche Bewässerung befeuchteten Landes mit ättarij. In bestimmten Kulten jedenfalls ist die Astarte — unter dem Namen Atargatis, der von astart abzuleiten ist — geradezu wie eine Wassergottheit aufgefaßt worden. Daneben scheint es besonders die weibliche Gottheit gewesen zu sein, deren Repräsentanten die „grünen Bäume" waren als Darstellungen des Wachstums, der Lebenskraft. — Zuletzt ist die Göttin dem irdischen Bereich entrückt worden. Die Römer bezeichneten die große Göttin von Karvon der der Mensch ursprünglich g e n o m m e n ist und wohin er zurückkehrt : Gen. 2, 7 ; 3 , 1 9 . Ps. 90,3 A ; 146,4. Koh. 12,7. Sap. 15, 8. Deutlicher noch, aber vielleicht nicht unabhängig von griechischem Einfluß, ist Sir. 40,1 : àtp' r||a^pac ¿Hô&ou éx Yocxpoc |ir|Tpôc aiirûiv 2aie R)|uipac ¿TRI xa und einem Gottesnamen zusammengesetzt sind, finden sich zahlreiche babylonische Namen, die aus warad „Knecht" und einem Gottesnamen bestehn, s. RANKE, Early Babylonian personal names, S. 174 fr. 251, wie ebenso, dem westsemitischen ntJK entsprechend, in babylonischen Frauen: namen amat „Magd" in Verbindung mit einem Gottesnamen vorkommt, s. ebend.

S. i82f. 221.

D i e Idee des Lebens.

59

eine hervortretende Bedeutung erlangt hat und ob ihre Verwertung bei Propheten und Psalmisten anzusehen ist als eine vergeistigende Umdeutung eines aus kanaanäischem Anschauungskreise Entlehnten. Kultsitten, die der Idee des Lebens entsprechen, treten bei den Phöniziern in einer Ausdehnung und mit einer Energie auf wie kaum anderwärts. Darstellung der Erzeugung des Lebens in der Ausübung des Geschlechtsaktes als eines kultischen Ritus, Aufnahme von Bräuchen der Trauer um das entschwundene Leben unter die Kulthandlungen, Opferung des Lebens geliebter Menschen sind der phönizischen Religion charakteristisch. A u c h die Beschneidung, die für die Phönizier bezeugt ist 1 , gehört hierher, da sie doch wohl ursprünglich irgendwie eine Weihe der Zeugungskraft ist. O b sie, wie Herodot (1. II,. 104) meint, bei den Phöniziern von den Ä g y p t e r n entlehnt oder aber einheimischer Brauch war, kann dabei unentschieden gelassen werden und läßt sich kaum entscheiden. Dieser Brauch gehört jedenfalls einem weitern Gebiet der Völkerwelt an; aber er paßt nach jener Auffassung hinein in die phönizische Anschauungsweise 2 . Die Entstehung des Lebens und sein Gegensatz, der Tod, stehn hier im Vordergrund der Beobachtung und des Interesses. Die Kinderopfer, die bei den Karthagern bis in späte Zeiten vorkommen 3 , sind nicht etwa gegen das Vorherrschen der Lebensidee in 1

S. dazu EDUARD MEYER, Zeitschr. f. d. alttestamentl. Wissenschaft, Jahrg.

X X I X , 1909, S. 152. 2

Opferung der Zeugungskraft, kultische Kastration, die anscheinend ebenfalls

in den Kreis dieser Riten hineingehören könnte, ist bei den Aramäern im Kultus von Hierapolis am Euphrat üblich gewesen, läßt sich aber fiir die Phönizier, so viel ich sehe, nicht nachweisen. Vielleicht ist dieser Brauch in Hierapolis auf althettitischem Boden, wie möglicherweise überhaupt der dortige Kultus, kleinasiatischen, hettitischen Ursprungs.

V g l . NÖLDEKE, Die Selbstentmannung bei den Syrern, Archiv f. Re-

ligionswissenschaft, Bd. X , 1907, S. 150fr.

Daß der phrygische Attiskult in dieser

Handlung gipfelt, unterscheidet ihn von dem Adonisdienst, mit dem er sonst viele Berührungen hat.

Der Attiskult ist nicht sowohl eine anbetende Verehrung des

Lebens und Wiederauflebens der Natur, die in Freude und Trauer sich äußert, wie der Adonisdienst und überhaupt die phönizische Religion, als vielmehr eine in Paroxysmus geübte Dahingabe dessen, was der lebenerzeugenden Gottheit verwandt ist, zum Zwecke der Vereinigung mit ihr — andere mehr Ekstase.

der eine Kult mehr Sympathie, der

W a s sich im Attiskult mit dem des Adonis berührt, m a g auf

geschichtlichen Zusammenhang verweisen.

Inwieweit es in seinen ersten Anfängen

semitisch oder kleinasiatisch ist, läßt sich zur Zeit kaum entscheiden (vgl. unten 3. T e i l , II).

Die dem

Attiskult charakteristische

Ekstase

m a g thrazischen Ur-

sprungs sein. 3 Ob die Kinderskelette unter Häusern aus altkanaanäischer Zeit, die durch die neuen Ausgrabungen in Palästina zutage gefördert sind, wirklich, wie jetzt meist geschieht, aus Kinderopfern abzuleiten sind (s. dafür die übersichtliche Dar-

6o

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier V I .

der Gottesvorstellung einzuwenden. Man hat sie verstanden als Zeugnis von einem dem Leben feindlichen Gott, und gewiß ist der Gott, der so verehrt wurde, dem Leben Gefahr bringend. A b e r jedenfalls zeigt die Dahingabe eines menschlichen Lebens als Opfer an die Gottheit, daß sie das Leben als ein großes Gut wertet. Der grausame Gott, der diese Dahingabe fordert, entspricht allerdings mehr der altsemitischen Gottesvorstellung als der spezifisch phönizischen. A b e r man konnte die Opferung menschlichen Lebens ansehn, wenn dies auch vielleicht nicht ihre ursprüngliche Bedeutung war, als Ausdruck des Dankes für die Spendung der Lebens- und Zeugungskraft an den Menschen. Deshalb waren die Menschenopfer speziell Kinderopfer, vielleicht meist Erstgeburtsopfer. E s erscheint übrigens fraglich, ob der Gott, dem die Kinderopfer zunächst galten, ein von Hause aus kanaanäischer Gott war. Diese Opfer werden nach einer bei Philo Byblius erhaltenen, gewiß alten Tradition speziell dem Kultus des „Kronos" von Byblos zugeschrieben, für den wir die Annahme ausländischen Einflusses naheliegend fanden 1 . Die Hervorhebung der Lebensidee in der Übertragung des Geschlechtlichen auf die Gottheit findet sich in volkstümlichen Bildern und Bräuchen der meisten oder vielleicht aller Völker des Altertums, überhaupt wohl aller Völker mit Naturdienst. Ganz besonders tritt in ägyptischen Götterbildern Hinweisung auf die Lebenserzeugung vielfach in phallischen Darstellungen hervor. Eine andersartige Beziehung zur Idee Stellung bei VLNCENT, Canaan, S. 188 ff.), ist mindestens für verschiedene Fälle zweifelhaft.

A u c h die unter einem Heiligtum gefundenen Kindergebeine müssen

nicht notwendig Opfer sein; es kann sich wohl um allgemeine Begräbnisstätten für Kinder handeln.

Vgl. EDUARD MEYER, Geschichte des Altertums, Bd. I, 22, S. 606

(dessen Begründung ich allerdings nicht durchweg zustimmen kann) und die zurückhaltenden Bemerkungen von G. BUCHANAN GRAY, T h e excavations at Gezer and religion in ancient Palestine, T h e Expositor, Series V I I , Jahrg. X X X V , 1909, S. 433 fr. Für einzelne Fälle m a g in Betracht kommen eine von FRAZER, Adonis 2 , S. 83 vorgeschlagene Erklärung.

Indessen die Funde von Gebeinen unter Mauern sind doch

wohl nur aus Gründungsopfern zu erklären (so auch GRAY a. a. O.). 1

E s läßt sich namentlich bezweifeln, ob die Opferung von Kindern im Feuer

von Hause aus dem kanaanäischen Baal galt.

Vielleicht gehörte sie dem Kultus

jenes anscheinend nicht ursprünglich kanaanäischen Gottes, des Hadad, an und ging von da aus in den Baaldienst über oder auch nur in den Kultus des Melkart von Tyrus. Mit diesem ist identisch der karthagische Baal Hamman, dem wahrscheinlich die Kinderopfer der Karthager galten.

H a d a d mag irgendwie

zusammenhängen

mit dem Gott, dem die Judäer unter dem Namen Melek Kinderopfer darbrachten, vgl. oben S. 35, A n m k g . 1.

A u c h scheint mir nach dem, was oben über die Funde

von Kindergebeinen bemerkt worden ist, noch einigermaßen zweifelhaft zu sein, ob die nicht durch Feuer vollzogene Opferung der menschlichen Erstgeburt altkanaanäische Sitte war. Die Hebräer könnten diesen Brauch möglicherweise unabhängig von den Kanaanäern in alter Zeit geübt haben.

Die Idee des Lebens.

61

des Lebens drückt bei den Ägyptern das allen Göttern, männlichen und weiblichen, häufig in die Hand gegebene Henkelkreuz aus, das Hieroglyphenzeichen für „Leben". Die Götter halten es gelegentlich dem begnadeten König entgegen und wollen damit offenbar dem oft für den König ausgesprochenen Wunsche langen Lebens Gewährung verleihen. Es ist sehr wohl denkbar, daß die Ähnlichkeit, die zwischen Vorstellungen der Ägypter und der Phönizier von der Gottheit als der lebengebenden oder auch als der lebenerhaltenden Kraft unverkennbar besteht, auf alten Zusammenhängen und dann wohl vorzugsweise auf ägyptischer Beeinflussung Kanaans beruht. Aber soviel ich sehe, ist es bei den Ägyptern, wo es sich um die Entstehung des Lebens handelt, mehr die zeugende männliche Kraft, die hervorgehoben wird, während bei den Kanaanäern der Gedanke an die gebärende weibliche überwiegt. Es darf dabei nicht unerwähnt gelassen werden, daß einzelne Hinweisungen auf das Geschlechtliche, die sich in andern Religionen finden, in der phönizischen fehlen. So ist aus alter Zeit höchstens ganz vereinzelt ein Beleg dafür bekannt, daß die heiligen Steine auch bei den Phöniziern als Phallen aufgefaßt wären. Es sind aber besonders die bildlichen Darstellungen der weiblichen Gottheit, von denen zu sagen ist, soweit sich nach den wenigen uns erhaltenen Gottesbildern aus alter und später phönizischer Zeit urteilen läßt, daß darin mit verschwindenden Ausnahmen die Nacktheit und Übertreibung des Geschlechtlichen durch keine ästhetischen Rücksichten auch nur primitiver Art abgeschwächt und die Aufdringlichkeit dieser Auffassungsweise nur wenig zurückgedrängt wird durch Hinzufügung anderer Züge, die das Wesen der Gottheit in anderer Weise bezeichnen. Es ist gewiß nicht zufällig, daß sich analoge Darstellungen des männlichen Geschlechts nur etwa für untergeordnete göttliche Wesen finden. Die Lebensentstehung wurde eben vorzugsweise der gebärenden Gotteskraft zugeschrieben 1 . Der männliche Stammes- oder Stadtgott stand, wie wir zu sehen glaubten, zu der Erzeugung des physischen Lebens kaum in einer direkten Beziehung, wurde auch bis in späte Zeiten, ehe Hellenisierungen der Götter aufkamen, anscheinend zumeist ohne Bild nur in dem heiligen Steine verehrt. Mehr als die uns in sehr geringen Resten erhaltenen Gottesbilder besagen die erwähnten Riten. Kultbräuche, die auf Entstehung des Lebens und ebenso andere, die auf seine Vernichtung hinweisen, haben sich zum Teil mit seltener Zähigkeit behauptet bis in die letzten Ausgänge phönizischen Volkstums, nicht gemildert durch 1

Dafür allerdings, daß die sogenannten Schalen oder Napflöcher an den heiligen Steinen auf palästinischem Boden als Darstellungen des weiblichen Geschlechts zu verstehn wären, findet sich keinerlei Anzeichen, und die Art der Anbringung der Löcher macht diese von anderer Seite vorgeschlagene Auffassung durchaus unwahrscheinlich.

62

Einleitung: "Die Gottheiten der Phönizier V I .

eine hohe materielle und geistige Kultur. Gerade die hierher gehörenden unsittlichen und barbarischen Greuel phönizischer Kulte haben den Apologeten der altchristlichen Kirche unter den Nachtseiten der Religionen der alten Welt vor andern willkommenen und mehrfach verwerteten Stoff geboten für ihre Schilderungen von der Schlechtigkeit des Heidentums. Nicht die einzelnen Vorstellungen von der Gottheit als der lebengebärenden und als der auferstehenden und nicht die einzelnen Riten, die darauf verweisen, sind etwas besonderes, die phönizische Religion von andern unterscheidendes, aber die Häufung, Isolierung und zähe Bewahrung dieser Einzelheiten sind an ihr charakteristisch. Selbstverständlich ist die Religion der Phönizier nicht in der einen Idee des Lebens aufgegangen. Jede Religion, auch die primitivste, äußert sich in einer Mannigfaltigkeit der Anschauungen und Gefühle, die sich nicht unter einem einzigen Gesichtspunkt zusammenfassen läßt. Von dem eigentlich religiösen Leben der Phönizier wissen wir fast gar nichts. E s soll also mit dem hier Gesagten nur zum Ausdruck gebracht werden, daß sich in den uns überlieferten Riten und Gottheitsprädikaten jene Auffassung von der Gottheit als die zentrale widerspiegelt. Auch die von uns hervorgehobene Idee läßt vielfache Variationen von sehr verschiedenartigem religiösen Werte zu. Kultbräuche und Gottesnamen für sich allein kennzeichnen noch nicht die Höhenlage der religiösen Auffassung. Diese kann unter oder über dem Niveau liegen, das durch jenen traditionellen Apparat charakterisiert wird. Mit seiner Vererbung von Generation zu Generation wechselt er die Bedeutung, und nur das ist bedeutsam für alle Zeiten der phönizischen Religion, daß sie niemals die ethische Kraft erlangt hat, auch jene Formen zu wandeln. In der Vorstellung von dem „großen" Gott der alten Hebräer ist der Gegensatz des Lebens und des Todes kaum vorhanden. Der Stammesgott erscheint bei den Hebräern von Anfang an in einer Unnahbarkeit, die ihn über den Zusammenhang mit dem Wechsel in den Erscheinungen des Erdenlebens hinaushebt, oder es gilt dies doch für diejenige Vorstellung des hebräischen Stammesgottes, an welche die Auffassung von Jahwe bei den Propheten anknüpft. Dabei kommt nicht in Betracht, ob man nun für althebräischen Gottesglauben vorzugsweise an einen Gewittergott denkt, was mir noch immer am nächsten zu liegen scheint, oder an einen Gott des irdischen, etwa des vulkanischen, Feuers mit seinen Begleiterscheinungen 1 . Auch in dem Glauben der 1

Wenn wirklich, wie behauptet worden ist, die Gewitter in Palästina nicht be-

sonders häufig und stark sind, so sind sie doch auf der Sinai-Halbinsel von außerordentlicher Heftigkeit (vgl. die Schilderung bei EBERS, Durch Gosen zum Sinai 2 , 1881, S. 442 ff.) und vermutlich ebenso in den andern umliegenden Wüstenländern, also in den Gegenden, in denen irgendwo der geschichtliche Sinai zu suchen ist.

Ein

Die Idee des Lebens.

63

A r a b e r v o r M u h a m m e d , s o w e i t w i r ihn a u s R e s t e n zu e r k e n n e n i m s t a n d e sind,

tritt j e n e r G e g e n s a t z

hervor.

zwischen

Leben

und T o d

nicht

A n d e n p h ö n i z i s c h e n B a a l e n g l a u b t e n w i r in d e m

G e w e b e d e r V o r s t e l l u n g v o n i h n e n als A u f z u g e t w a s zu erhabenen

Gott,

aber

mit

dem

Einschlag

jener

besonders

komplizierten von

dem

andersartigen

finden

Ge-

dankenreihe. Die

verschiedenartige

sammenhang

Ausprägung

dieser

Gedanken

mit den verschiedenartigen Verhältnissen

steht

in

der L ä n d e r ,

Zuin

d e n e n die R e l i g i o n e n d e r alten H e b r ä e r u n d d e r A r a b e r einerseits u n d d i e Religion denken

der Phönizier sind.

andererseits

in ihrer B e s o n d e r h e i t

D i e ältesten Gottesvorstellungen

e n t s t a n d e n zu

der Hebräer

sind

gewiß

n i c h t , w i e m a n e s z u w e i l e n a n g e n o m m e n h a t , e i n f a c h als ein P r o d u k t d e s W ü s t e n l e b e n s d e r h e b r ä i s c h e n S t ä m m e zu d e n k e n , a b e r d o c h s p i e g e l t s i c h in

ihrer

Lebens

Einfachheit der

und

Strenge

Wüstenbewohner

und

die

Monotonie

und

ihrer N a t u r u m g e b u n g

Herbigkeit

des

wider1.

Das

Gewittergott scheint bei allen Semiten verehrt worden zu sein. Bei den Nordsemiten tritt als solcher Hadad-Ramman hervor.

In der Zeit, wo die Hebräer Kanaan be-

wohnten, waren dort jedenfalls Vulkane noch weniger zu beobachten als Gewitter; vielleicht aber gab es Vulkane in ihren frühern Sitzen. Ein Gewittergott konnte als Herr des Feuers leicht mit einem Vulkangott identifiziert werden. 1

Für unsere religionsgeschichtliche Vergleichung ist es m. E. unwesentlich, ob

wir uns die Hebräer vor ihrer Einwanderung in Kanaan als nomadisierende Beduinen oder als Halbnomaden — so mit Nachdruck EERDMANS, Alttestamentliche Studien II, 1908, S. 38fr. — vorzustellen haben. Ich sehe nicht ein, wie man aus den Schilderungen der Genesis von der Lebensweise der Patriarchen, die sie allerdings deutlich genug als halbnomadische Schafhirten charakterisieren, eine Folgerung glaubt ziehen zu sollen auf die wirkliche Lebensweise der Hebräer bei und vor ihrer Einwanderung in Kanaan.

E s ist doch nicht ausgeschlossen, daß die Erzähler der Genesis das

Kolorit ihrer Darstellung andern Verhältnissen entlehnt haben als denen der Vorväter der Israeliten, weil die Verhältnisse, die sie zu ihren Schilderungen benützten, ihnen als antik erschienen. A b e r auch wenn die Hebräer bei der Einwanderung in Kanaan Halbnomaden waren — was sehr wahrscheinlich ist, da es den Übergang zum seßhaften Leben erklärt — , so waren sie eben als solche in ihren Anschauungen verschieden von den seit langer Zeit fest angesiedelten Kanaanäern, die schon damals auf einer nicht niedrigen Kulturstufe standen. Ob sich behaupten läßt, daß das wirkliche Nomadentum noch nachlebt, wenn nicht in den Erzählungen der Genesis, so doch in den bei Propheten und Dichtern erhaltenen Erinnerungen an die Vorzeit, wie G. A. SMITH („Have the Hebrews been nomads?" A reply to Professor Eerdmans, The Expositor, Series VII, Bd. V I , 1908, S. 2Ö9f.) annimmt, scheint mir allerdings zweifelhaft. Die gegen diese Annahme von EERDMANS (The nomads again, A reply to Professor G. A. Smith, The Expositor, Bd. VI, 1908, S. 35of.) erhobenen Einwendungen mögen berechtigt sein. A b e r das eigentliche Nomadentum ist die Vorstufe des Halbnomadentums. Kanaanäern.

Den Hebräern lag jene Kulturstufe noch näher als den

Die religiösen Vorstellungen, in welchen sie sich von diesen unter-

64

Einleitung: Die Gottheiten der Phönizier VI.

gilt auch für die altarabische Religion. Ebenso deutlich hängen jene Kultbräuche und Mythologumena der Phönizier, die sich auf Lebenserzeugung und T o d beziehen, zusammen mit den Verhältnissen Kanaans nach Erdboden und Klima. Schwerlich sind sie in diesem Land erstmals entstanden, sondern gewiß in ihren Anfängen mitgebracht aus frühern Sitzen der Stämme, die sich an der phönizischen Küste niederließen; aber die Ausbildung, in welcher die uns erhaltenen Nachrichten diese Bräuche und Anschauungen zeigen, haben sie doch auf kanaanäischem Boden erhalten. Der Wechsel zwischen Leben und T o d in der Natur tritt hier besonders stark und jäh hervor in dem plötzlichen Vertrocknen der Pflanzenwelt unter den Strahlen der Sommersonne und in dem üppigen Wiederaufleben des Grüns am Ende der Regenperiode. Die Beobachtung des Zusammenhangs der besondern Färbung religiöser Vorstellungen mit der Landesnatur ist nicht ohne W e r t , um in der alttestamentlichen Religion das Althebräische von dem den Kanaanäern Entlehnten zu unterscheiden. Vielleicht könnte man auf demselben W e g in einzelnen Punkten auch dahin gelangen, in dem den Phöniziern und Babyloniern Gemeinsamen Altkanaanäisches und Altbabylonisches auseinanderzuhalten. W a r das Land der Kanaanäer in besonderm Maße geeignet, in seiner Natur den Gegensatz von Leben und T o d zur Anschauung zu bringen, so hat dieser Gegensatz vielleicht doch — wofür unsere Untersuchung einige Hinweisungen bieten könnte 1 — schon seit alters in der Religion auch anderer semitischen Völker Gedankenverbindungen erzeugt, die sich nicht ganz ebenso im allgemein menschlichen religiösen Denken beobachten lassen. Wieviel die Phönizier für die Verwertung der Idee des Lebens aus altsemitischen Gedankenkreisen entnommen, wieviel sie dafür von den Ägyptern oder auch von den Babyloniern und vielleicht — wofür sich in Berührungen der Adonisvorstellung mit der des phrygischen Attis ein Anzeichen finden könnte 2 — aus kleinasiatischem Einfluß empfangen haben, jedenfalls haben sie mit ihrer Verwertung jener Idee eine neue religiöse Gesamtanschauung geschaffen. Sie unterscheidet sich unter den semitischen Religionen am meisten von der der alten Araber und der ältesten Hebräer, stellt sich aber auch neben der babylonisch-assyrischen Religion als eine selbständige Bildung dar. schieden, sind leicht aus dem Wüstenleben zu deuten und verweisen nirgends auf Kulturland, auch nicht auf Oasen. 1

S. unten 4. Teil, III, 2 ff.

2

Vgl. unten 3. Teil, II.

Erster Teil.

Adonis. I. Die Heimat des Adoniskultus. i. Der Name Adonis. Bei den Griechen wird, zuerst von Sappho, und später auch bei Lateinern der Gott "Abuuvic, „Adonis" genannt. Die Spuren seines von den Griechen und dann auch von den Römern geübten Kultus weisen für dessen Ausgänge deutlich über Cypern nach Phönizien und besonders nach Byblos. Der Name läßt sich nur verstehn als eine Gräzisierung des westsemitischen p K „Herr" oder ^IN „mein Herr" 1 . Neben der gewöhnlichen Form "Abaivic kommt vereinzelt auch vor "Abtuv 2 und „Adon"3. O b aber die Phönizier einen bestimmten Gott A d o n oder Adoni nannten, ist die Frage. In phönizischen Inschriften ist dieser Gottesname als solcher bis jetzt nicht nachgewiesen; pH, 'OIN werden für sich allein und in zusammengesetzten Personennamen fast überall deutlich nur als Gottheitsepitheta gebraucht. D a s Wort p K eignet ausschließlich den Phöniziern und Hebräern und wird auch bei den Hebräern auf die Gottheit angewendet; die andern semitischen Völker gebrauchen andere Epitheta, um die Herrscherstellung der Gottheit zum Ausdruck zu bringen. D a ß diese Gottesbezeichnung bei den Hebräern schon vor ihrer Niederlassung in Kanaan gebräuchlich war, läßt sich nicht ersehen; sie mögen 1

Ältere Erklärungen des Namens aus dem Griechischen sind so unmöglich,

daß sie einer Registrierung nicht mehr bedürfen; vgl. unten 3. Teil, II; ebenda und 1. Teil III, 1 über die Zeit der Aneignung des Adonis bei den Griechen. 2

Theokrit ed. Wilamowitz, Bucol. Gr., Idyll. 15, 149; Athenäus X I V , 18, 624b;

Epigrammatum anthologia Palat. VI, 275, ed. Stadtmueller I, S. 376

(Ka\ir usw., nicht BVÖJIK. 4 Belege bei ZIMMERN, KAT.3, S. 398, Anmkg. 2. Die Namen aus den Geschäftsurkunden bei JOHNS, Assyrian deeds and documents, Bd. III, Cambridge 1901, S. 548.

5*

68

Erster Teil: Adonis I, i.

des Gottesnamens stand. Dies Aduna der Amarna-Briefe ist, so viel ich sehe, der älteste Beleg für die Gottesbezeichnung pK 1 . Die Grenzlinie zwischen Gottheitsname und Gottheitsepitheton ist nicht immer bestimmt zu ziehen. Alttestamentliches "'¿'"IN und in Personennamen 'ädöni (so in 'Ädöni-räm „mein Herr ist erhaben") sind Ersatz des göttlichen Eigennamens, ebenso wahrscheinlich pK in dem Namen JWyttt auf einem hebräischen oder phönizischen Siegel (Comptes rendus AI. 1894, S. 340), worin J?ty doch wohl Verbum ist, wahrscheinlich = JW 2 . Auch das ursprünglich als Gottheitsprädikat gebrauchte ^JD vertritt zuletzt in phönizischen Personennamen wie Hannibal, „gnädig ist Baal" die Stelle des Namens eines bestimmten Gottes. Ein Unterschied im Gebrauch von pH und in der Anwendung auf die Gottheit besteht darin, daß ^JD in der Regel in Verbindung mit dem Namen des Kultusortes gebraucht wird zur Bezeichnung seines Besitzers 3, pN dagegen immer ohne eine genetivische Verbindung den Herrn schlechthin bezeichnet. Deshalb konnte pK leichter wie ein Eigenname angesehen werden; das scheinen die Griechen getan zu haben, deren "AÖUJVIC als Wiedergabe von P K oder ' O I K so gebraucht wird. In einer Inschrift aus Cirta findet sich: )DH ^nbl pN p i 6 „dem Herrn, dem Baal Adon, und dem Baal Hamman" (Repertoire n. 329). Hier müßte wohl das zweite pK als Eigenname zu verstehn sein; aber der Gebrauch zweier pK von verschiedenem Wert in unmittelbarer Folge, auch die Anwendung von tys als voranstehendem Epitheton ist auffallend und deshalb wohl eine Verstellung der Titel durch ein Versehen des Steinmetzen oder seiner Vorlage anzunehmen*. Bedeutsamer könnte sein, daß in einer lateinischen Inschrift aus der afrikanischen Provincia Proconsularis ein „Muthumbai Balithonis", d. i. p , also ein Punier, als „sacerdos Adonis" vorkommt (CIL. VIII, 1 2 n ) . Der punische Name des Priesters macht es wahrscheinlich, daß es sich um einen punischen Kult und einen im Punischen so benannten Gott handelt. Sonst kenne ich auf afrikanischem Boden nur noch eine Erwähnung des Adonis in einer lateinischen Inschrift aus dem Gebiet des

* PINCHES, Hymns to Tammuz, Manchester Memoirs, Bd. XVIII, S. 18, Anmkg. sieht als den ältesten Beleg für den „syrischen Adon, Adoni" an einen Siegelzylinder im Besitz des Lord Southeck, worauf keilschriftlich genannt wird Gisiin (?) aduni. Ich weiß nicht, wonach der Zylinder sich datieren läßt.

Aduni

ist jedenfalls Ge-

netiv zu dem Namen der Göttin Gestin oder Gestin-anna, die in den Tammuzliedern als Schwester des Tammuz erscheint (s. ZIMMERN, Tamüzlieder, S. 213). Ob aduni hier Gottesname ist, vermag ich nicht zu entscheiden. 1

PHILIPPE BERGER, Comptes rendus AI. a. a. O.: „celui qu'Adon secourt".

3 Vgl. oben S. 34 und Artikel „Baal" PRE.3, Bd. II, 1897, S. 325 ff. • Vgl. LlDZBARSKl, Ephemeris I, S. 40.

Der Name Adonis.

69

alten Neferis, die dem A n f a n g des dritten nachchristlichen Jahrhunderts angehört und nicht als punischer Herkunft zu erkennen ist. Sie beginnt: „ A d o n i aug. sac. pro salute Imp. Caes. L . Septimi Severi" (Comptes rendus A I . 1904, S. 555); N a m e n der Weihenden werden nicht genannt. Bei den K a r t h a g e r n scheint die Stelle des in B y b l o s verehrten A d o n i s im allgemeinen der sidonische Esmun eingenommen zu haben. Jedenfalls besagt auch das „ A d o n i s " der ersten Inschrift nicht, daß die Punier von Hause aus einen bestimmten Gott 0)118 nannten, sondern kann, auch unter der Voraussetzung, daß es sich hier um einen punischen Kult handelt, daraus zu erklären sein, daß die Punier in späterer Zeit n a c h dem Vorbild der Griechen und R ö m e r auf einen bestimmten Gott das Prädikat 0)3"IN speziell anwandten 1 . N e b e n der Bezeichnung „Adonis", die bei Griechen und Lateinern deutlich einem bestimmten Gott der Phönizier beigelegt wurde 2 , kennen wir keinen eigentlichen Eigennamen für eben diesen Gott. E s ist allerdings vermutet worden, daß sein Eigenname )Ötytm>j;l für die Mutter entstanden sein durch Mißverständnis

und Korrumpierung aus xooil „ A r e s " als dem Namen des frühern Liebhabers der Balti bei Pseudo-Melito? 2

Die ausgelassene Stelle handelt von der Bereitung bestimmter Brotkuchen

im Monat Tebet. 3

E s folgt ein Bericht über Herstellung von Bildern der Balti und ihre Be-

ziehungen zum Sterne Venus.

Die A n g a b e ,

daß ein Bild der Balti, des „Venus-

planeten", nach Arabien geschickt und der Venusplanet dort verehrt worden sei, beruht auf Kenntnis von der Verehrung der arabischen Göttin Al-Uzza als des Venusplaneten; für diesen wird sie von Isaak von Antiochia im 5. Jahrhundert erklärt. • S . unten 1. Teil, II, 1.

5 s. unten 1. Teil, I V , 2.

;6

Erster Teil: Adonis I, 2.

späteste Zeit der Hauptsitz des Balti-Kultus geblieben ist. Die Angabe Theodor's vom Tode der Balti über dem Leichnam des Tammuz wird nicht mehr sein als eine romanhafte Zutat. Von dem Zusammenhang des Mythos speziell mit Gebal und Aphaka weiß Theodor nichts mehr. Vielleicht hat aus der Darstellung des Theodor Bar Koni der syrische Lexikograph Bar Bahlul um die Mitte des 10. Jahrhunderts (s. v. ijo^ol., ed. Duval Sp. 2070') seine Angaben über Tammuz geschöpft, den er (s. v. Jujoji Sp. 35, 21 f.) für identisch mit Adonis erklärt. Er bezeichnet ihn nicht nur als einen Jäger sondern auch (was PseudoMelito nicht hat), ebenso wie Theodor, als einen Hirten. Eine Lokalität für den Mythos gibt er in keiner Weise an; aber seine Erwähnung der Balti als der Geliebten des Tammuz-Adonis verweist deutlich auf Byblos. Übereinstimmend mit Theodor berichtet er, daß Tammuz die Balti ihrem Mann entführte. Als dieser ausging, sie zu suchen, tötete ihn Tammuz. Aber in der Wüste traf diesen ein wildes Schwein und zerriß ihn. An den Tod des Adonis von Byblos hat ohne Frage Philo Byblius gedacht, wenn er von dem 'EXioûv KCiXoûnevoc "Yipicioc, der zusammen mit der öiiXeia XefO|iévri Bripoüö in der Gegend von Byblos wohnte (fr. 2, 12, S. 567), dem Vater des später Uranos genannten 'Emfeioc fj AUTÖXÖUUV und der Ge (fr. 2, I2f., S. 567), berichtet: èv cujußoXf) önpiwv TeXeuTticac dqpiepüüGrj (fr. 2, 13). Die Tiere, die ihn umbringen, sind Verallgemeinerung des Ebers, den wir bei Lucian als die Todesursache des Adonis angedeutet fanden und den der griechische Adonismythos fast allgemein in diesem Zusammenhang nennt1. Freilich nimmt es sich neben der bei den Griechen feststehenden Vorstellung von Adonis als einem schönen Jüngling seltsam aus, daß Philo den Hypsistos als Vater von Uranos und Ge bezeichnet. Die Vorstellung von Adonis als in der Jugendblüte gestorbenem ist fraglos alt, da nur so, wie wir weiterhin sehen w e r d e n d e r Mythos seines Todes eine Erklärung findet; Philo hat wahrscheinlich den Adonis mit einer andern Gottesvorstellung, vermutlich mit dem „Kronos" von Byblos, zusammengeworfen. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß er den Adonis 'EXioûv, d. i. nennt*. 1

V g l . CHWOLSON, Ssabier, B d . II, S. 206 f.

* S. unten 1. Teil, IV, 2.

3 S. unten I. Teil, I V , 4 und 6.

• Die Auslegung des 'EiuoCiv geradezu als Adonis, so viel ich sehe, zuerst bei RENAN, Mémoires de l'Institut, Acad. des Inscriptions, Bd. X X I I I , 2, S.ÎÔÇF. MOVERS, Artikel „Phönizien" S. 390 wollte in dem Eliun nur einen dem Adonis verwandten Gott erkennen, indem er den Kult des Eliun nicht nach Byblos selbst sondern in die „ N ä h e von Byblos" verlegte; aber itepi BüßXov bei Philo Byblius fr. 2, 12, S. 567 will doch wohl besagen, daß der Kult des Eliun und der Beruth nicht nur auf die Stadt Byblos beschränkt war.

Vielleicht beruht es auf Identifizierung des Adonis mit dem

Eliun-Hypsistos, daß in einem Orakel an die Rhodier bei Sokrates, Hist. ecclesiast. III, 23 (Migne, S G . 67, Sp. 448) Adonis bezeichnet wird als 06ôc néf9f. 2

Erster Teil: Adonis III, i.

122

und wieder daraus hervorsprossen 1 , was durchaus nicht zu der Angabe des Junis paßt. Nach dieser Deutung scheint er den Mythos auf die Aussaat im Spätherbst oder Frühling zu beziehen, und man sollte das Fest des Gottes in einer der beiden Jahreszeiten vermuten. An ein doppeltes Fest, etwa ein Todesfest im Juni und ein Auferstehungsfest im Spätherbst oder Frühling, denkt Hieronymus offenbar nicht, da er nur von einer einzigen „anniversaria solennitas" redet. Daß er mit Bezug auf das Sprossen der Wintersaat ein Fest im Spätherbst annimmt, ist ausgeschlossen. Die Bestellung der Wintersaat findet in Palästina nach dem Eintritt des Frühregens, also Ende Oktober bis Anfang Dezember, statt*. Für ein Adonisfest in dieser Jahreszeit haben wir sonst keine Spur, eher vielleicht für eines im Frühling Aber da Hieronymus als einzige Zeitbestimmung den Juni nennt, so bleibt doch das wahrscheinlichste, daß er ein Fest in diesem Monat meint und nur eines in diesem Monat, also etwa im Anfang des Monats Tammuz. Da ein Fest in dieser Jahreszeit sich auf das „revixisse" des Gottes nach der Deutung des Hieronymus nicht beziehen kann, so wird er es zunächst auf „occisus" bezogen haben. Allzuviel Gewicht ist indessen auf die Angabe des Hieronymus vom Juni nicht zu legen, da er vielleicht lediglich durch den Monat Tammuz, dessen Name ihn an den mit Adonis identifizierten Gott Tammuz erinnerte, auf den Juni (-Juli) geleitet wurde, ohne etwas Bestimmtes darüber zu wissen. Ob das Fest, von dem er redet, ein Fest des römisch-griechischen und byblischen Adonis oder des syrischen Tammuz war, läßt sich bei der Art, wie er von dem Gott als Tammuz oder Adonis spricht, nicht bestimmt ersehen 4 . Da er eine Feier des Wiederauflebens des Gottes nennt und diese im Kultus des babylonischsyrischen Tammuz wenigstens nicht sicher bezeugt ist, so liegt es näher, anzunehmen, daß er einen Kult meint, der dem von Byblos entsprach. Theodor Bar Koni nennt als die Zeit eines Trauerfestes für die Balti, die über dem Leichnam des Tammuz stirbt, den Monat Tammuz, d. i. Juni-Julis. Diese Angabe beruht auf einer Verwechselung mit dem Trauerfeste für den Tammuz. Obgleich nun Theodor den Tammuz für den Adonis von Byblos substituiert, ist es doch zweifelhaft, ob er das Fest im Juni-Juli aus dem byblischen Kultus kannte oder aus syrischem Tammuzkult. Letzteres ist für ihn als Syrer sehr wahrscheinlich 6 . 1

S. unten i. Teil, IV, 3.

2

BENZINGER, Hebräische Archäologie 2 , 1907, S. 139.

t Vgl. oben S. 83.

3

S. weiter unten,

5 S. oben S. 75.

6 Was für ein Fest Theodor Bar Koni meint mit der Klagefeier für die Balti im Monat Tebet oder Januar, vermag ich nicht zu sagen. E s ist zu beachten, worauf POGNON, Inscriptions semitiques, S. 182, Anmkg. I aufmerksam macht, daß der Monatsname Tebet im Syrischen sonst nicht vorkommt,

Die Zeit der Adonisfeste.

123

W e n n nicht aus dem Bericht des Hieronymus, so ergibt sich d o c h aus anderweitigen A u s s a g e n eine Feier der Feste, welche die Abendländer als d e m A d o n i s geltend ansahen, im Juni-Juli für Phönizien und Syrien mit einiger Sicherheit. Die A n n a h m e einer Feier im H o c h s o m m e r findet zunächst eine sehr bestimmte Bestätigung in den Adonisgärten, die für keine andere Jahreszeit passen als die der versengenden Sonne und doch wohl an dem Feste des Gottes zur V e r w e n d u n g kamen. Sie sind Plato allem Anschein nach nicht erst bei den Griechen a u f g e k o m m e n 1 . (Phaedr. 276 B) erwähnt ausdrücklich den S o m m e r als die Zeit, wo man die Adonisgärten besät; d a g e g e n kommt die A u s s a g e bei Theophrast (Hist. plant. V I , 7 , 3 ) : 'AßpoTovov . . Trpo|aocxeu6|i6vov (be) ev öcrpctKOic üjcirep 01 'Aöuuviboc k^ttoi t o u öepouc hier vielleicht nicht in Betracht, da t o ö öepouc sich nicht notwendig auch auf 'Abuuviöoc Krjiroi bezieht. A u s einer Darstellung des Ammianus Marcellinus ergibt sich, daß zur Zeit Kaiser Julian's im syrischen Antiochien ein Fest, das er als das F e s t des A d o n i s bezeichnet, vor dem A n f a n g des A u g u s t s gefeiert wurde. N a c h Ammianus (ed. Gardth. 1. XXII, 9, 14 f.) wurden, als Julian (im Jahre 362) in Antiochia einzog, dort in eben diesen T a g e n „annuo cursu conpleto" die „ A d o n e a " nach altem Ritus gefeiert, „amato Veneris, ut fabulae fingunt, apri dente ferali deleto". E s wurde ein trauriges Zusammentreffen in dem Umstand gesehen, daß Julian die Stadt betrat, als „ululabiles undique planctus et lugubres sonus audiebantur". A u s der A n g a b e „annuo cursu conpleto" hat man geschlossen, daß das F e s t gefeiert worden sei im Herbst unmittelbar vor d e m A n f a n g des syrischen Jahres, der in den S e p t e m b e r - O k t o b e r falle wie bei den Juden 2 . Allein die W o r t e „annuo cursu conpleto" beziehen sich gewiß nicht auf den Jahresschluß sondern auf die jährliche Wiederkehr des Festes 3 . W i r besitzen einen Brief Julian's (Epist. 52, Opp. ed. Spanh. 438 C, ed. Hertlein S. 562), der aus Antiochia datiert ist xrj tuiv KetXavöuiv A u y o u c t o u . A l s o war Julian vor d e m 1. A u g u s t in Antiochia angekommen. W e n n A m m i a n u s in eben diesem Zusammenhang die T ö t u n g des A d o n i s durch den E b e r so erklärt: „quod in adulto flore sectarum est indicium frugum", so verweist das nicht notwendig auf die Herbstlese sondern nach dem „sectarum" noch eher auf die vollendete Getreideernte. Diese Deutung, die schwerlich altsemitisch ist, nimmt wohl auf die Festzeit überhaupt keine Rücksicht. D a s F e s t fiel beim Einzug Julian's zusammen mit dem A u f g a n g eines „heilbringenden Sternes" („salutare sidus", Ammianus X X I I , 9, 14). A n welchen Stern dabei zu denken ist, läßt sich nicht ersehen —

1

Vgl. oben S. 87 ff. und unten 1. Teil, IV, 1.

So M o v e r s Bd. I, S. 206. Movers entnahm daraus und allein daraus ein Herbstfest, das von dem anderwärts gefeierten Sommerfeste zu unterscheiden wäre. 3 So LAGRANGE, Religions sémitiques2, S. 304, Anmkg. 1. 2

124

Erster Teil: Adonis III, i.

vielleicht an den Venusplaneten, den Stern der Istar, der Freundin des Tammuz, und später auch Stern der Astarte. Die Annahme eines Adonisfestes im Herbste wird aufzugeben sein \ Auch die Beschreibung des Adonisfestes zu Alexandria bei Theokrit (ed. Wilamow. Idyll. 15, 112) bezieht sich nicht notwendig auf den Herbst 2 , wohl aber entweder auf ihn oder auf den Hochsommer, da für die Festfeier das Vorhandensein von Früchten vorausgesetzt wird (uipia . . ., öca öpuöc öfKpa cpepovn — das sind nicht ausschließlich Eicheln sondern allgemein Früchte von Waldbäumen). Mit Unrecht hat man aus der Angabe Theokrit's (a. a. O. v. 102f.): "Aöumv dir' äevduu 5AxeT P O V T O C ¡iirivi buwbeKcxTUJi |ua\ciKai rcoöac AFAFOV Qpai auf ein Fest im zwölften Monat, also am Ende des mazedonischen Jahres, geschlossen. Die Worte wollen wohl nicht mehr besagen, als daß jeweils mit dem zwölften Monat, d. i. immer nach einem Jahre, Adonis wiederkehrt. — Ein von der Dichterin Praxilla aus Sikyon im 5. Jahrhundert erhaltener Vers, der davon redet, daß der zur Unterwelt hinabsteigende Adonis neben Sonne, Sternen und Mond r|5e Kai ¿ipaiouc CIKÜOUC Kai |Liri\a Kai öfxvac verläßt (Bergk, Poetae lyrici Graeci III, ed. 4, S. 566 n. 2), setzt vielleicht ebenso wie die Baumfrüchte bei Theokrit eine Trauerfeier für Adonis im Hochsommer voraus 3. Das Orakel des Apollo Clarius bei Macrobius nennt den höchsten Gott Iao nach einer nicht unwahrscheinlichen Konjektur dßpöv "Abtuviv ("Aöuuviv statt 'Ictuj't) als Gott des Herbstes (neTomiipou). Dies wäre aber kein Zeichen für eine Festfeier des Adonis im Herbst und lediglich daraus zu erklären, daß Adonis den spätem als Gott der Frucht galt 5 , wobei man zuletzt wohl an die Früchte der Herbstlese dachte statt an die Feldfrucht, die zunächst gemeint war. Übrigens ist die Darstellung bei Ammianus, von der wir hier ausgingen, nicht unbedingt auf den Adonisdienst zu beziehen, welcher zu Byblos seinen Mittelpunkt hatte. Aus der Vergleichung mit Isaak von Antiochia haben wir schon entnommen, daß in dem antiochenischen „Adonis" des Ammianus wahrscheinlich nicht der phönizische Gott sondern vielmehr der babylonische Tammuz zu erkennen ist, dessen bei den Syrern einheimischer Dienst sehr wohl auch in das griechische Antiochia eingedrungen sein kann 6 . War dies der Fall, so fiel zweifellos das antiochenische Fest in den Monat Tammuz. Ammianus kennt anscheinend 1 Gegen GREVE, De Adonide, S. 45, der für den ganzen Orient ein Herbstfest annimmt. 2 Wie NATALIS COMES, Mythologia, S. 349, 3Öf. annahm: „autumni fructus". 3 So DÜMMLER, Artikel „Adonis" Sp. 386.

• Die Konjektur stammt von LOBECK, vgl. Studien I, S. 214 f. s 6 S. oben S. 86. 95. S. unten 1. Teil, IV, 3.

Die Zeit der Adonisfeste.

125

ein Freudenfest nicht; dies würde damit übereinstimmen, daß ein Freudenfest für den babylonischen Tammuz mit Sicherheit nicht nachzuweisen ist. Weder aus der Zeit noch aus dem Charakter des Festes bei Ammianus dürfen dann direkt Folgerungen gezogen werden für den phönizischen Adonisdienst. Neben den Zeugnissen für ein Adonisfest im Sommer oder speziell im Juni-Juli kann vielleicht eine Aussage Lucian's für ein Fest im Frühjahr geltend gemacht werden. Nach der Schrift „De Syria dea" (§ 8) wurde zu Byblos das Fest des Adonis dann gefeiert, wann sich die Wasser des aus dem Libanon kommenden Adonisflusses, d. i. des Nahr Ibrahim, zu einer bestimmten Jahreszeit von der roten Erde rötlich gefärbt ins Meer ergossen. Man sagte dann, das Blut des im Libanon verwundeten Adonis sei in den Fluß entströmt. Die Erklärung ist gewiß volkstümlich; denn sie hat eine Analogie in der Angabe des Philo B y blius, daß, als Uranos von seinem Sohn Elos-Kronos entmannt wurde, sein Blut in die Quellen und Flüsse rann, die am Orte des Ereignisses flössen, und daß dieser Ort noch jetzt gezeigt werde (fr. 2, 22, S. 568). Lucian gibt nicht an, in welche Jahreszeit die Erscheinung fiel; als ihre Veranlassung nennt er oivej^oi Tptixeec, welche die rote Erde in den Fluß wehen. Aber dem Lucian mochte die Ursache der roten Färbung nicht genau bekannt sein; man sollte eher Regengüsse als die Veranlassung denken. Wirklich haben Reisende die rötliche Färbung des Flusses zur Zeit des Frühlingsregens beobachtet, im Anfang des Februars und am 17. März 1 . Aber auch dies ist nicht entscheidend 2 . E s ist wohl möglich, daß die Erscheinung auch zu andern Jahreszeiten vorkommt 3 , obgleich allerdings die Worte Lucian's ein mehrmaliges Eintreten nicht vermuten lassen. Keinenfalls will er die Zeit bezeichnen, wo etwa die Herbstregen den Adonisfluß rot färben*; denn um diese Jahreszeit hatte, wie wir aus der Erklärung des Adonismythos sehen werden 5 , ein Adonisfest keine Stelle. Man könnte aber auch für die Angabe Lucian's vielleicht an die Zeit des Hochsommers denken, nämlich daran, daß dann beim Schmelzen des Schnees auf dem Libanon der anschwellende Fluß von der roten Erde seiner Ufer rot gefärbt werde 6 . Mit irgendwelcher Bestimmtheit läßt sich aus Lucian's Aussage für die Zeit des Festes zu Byblos nichts ermitteln. E s ist dies sehr bedauerlich, da angenommen 1

RENAN machte die Beobachtung im Anfang Februar, MAUNDRELL am 17. März,

s. Studien I, S. 298. 2

MANNHARDT, Wald- und Feldkulte, Bd. II, S. 277 und FRAZER, Adonis 2 ,

S. 184 (vgl. S. 190, Anmkg. 2) schließen daraus auf ein Frühlingsfest. 3 V g l . GUTHE, Artikel „Sidonier" PRE.3, B d . X V I I I , 1906, S. 291, 10 f. • S o MOVERS Bd. I, S. 206F.; GREVE, D e A d o n i d e , S. 44.

5 S. unten 1. Teil, IV, 1

ff.

6

So SCHOLZ, Götzendienst, S. 228.

126

Erster Teil: Adonis III, i.

werden darf, daß am Hauptsitze des Adoniskultus die älteste Sitte der Festfeier bestehn geblieben war. Für Athen hat man geglaubt ein Adonisfest im März annehmen zu müssen. Diese Ansetzung stützt sich auf eine Darstellung des Aristophanes in der Lysistrata (v. 390ff.); als gleichzeitiger Zeuge verdient er unbedingten Glauben. Nach ihm fiel im Jahre 415 v. Chr. eine Volksversammlung der Athener vor dem Auslaufen der Flotte nach Sizilien zusammen mit der Adonisklage eines athenischen Weibes. E s beruht aber auf einem Irrtum, wenn man für die betreffende Ekklesia als Datum den 24. März berechnet hat; es scheint vielmehr eine spätere Versammlung gemeint zu sein. A u c h Plutarch (Alcibid. 18, 200; Nicias 13, 532) berichtet von dem Zusammenfallen der Adonien mit den Vorbereitungen zum Auslaufen der Flotte: jene Feiern mit Ausstellung von Bildern eines Toten und Beerdigungsriten, mit K l a g e n und Trauerliedern der Weiber seien als ein schlimmes Omen angesehen worden 1 . Das Auslaufen der Flotte erfolgte nach Thucydides (1. VI, 30) Gepouc |iiecoövTOC rjòn- D a mit scheint nach der bei den Griechen gewöhnlichen Berechnung der Jahreszeiten gemeint zu sein die Zeit etwa vom 9. Juni bis 8. Juli. Soviel ich sehe, kann man aus der A n g a b e bei Aristophanes nur ersehen, daß die Adonien vor dem Endtermin dieses Zeitabschnittes gefeiert wurden, aber nicht, wie lange vorher es der Fall war. Sie (können dann in den Juni oder in die ersten T a g e des Julis gefallen sein. Damit stimmt überein, daß Plato (Phaedr. 276 B), wie schon angeführt wurde, das Besäen der Adonisgärten, d. h. die Erinnerung an das plötzliche Sterben des Gottes, ausdrücklich in den Sommer verlegt. E s ließe sich allerdings denken j daß zwei Jahresfeste des Adonis in Athen üblich waren 2 ; ein Fest der Erscheinung (oder Auferstehung) des Gottes und ein anderes seines Todes wären nebeneinander wohl möglich. A b e r in den Angaben des Aristophanes und Plutarch einerseits, des Plato andererseits handelt es sich überall um das Gedenken an das Sterben des Adonis. Deshalb wird anzunehmen sein, daß die von Aristophanes und Plutarch gemeinte

1

A u s Plutarch's Angaben geht nicht hervor, daß die Adonien mit einer Volks-

versammlung zusammenfielen.

N a c h Alcibiad. 18 läßt sich als seine Meinung an-

nehmen, daß die Adonien erst auf die Volksabstimmung für Aussendung der Flotte und auf die Ausrüstung der Flotte folgten : 'Eimpriqpicaiaévou bè TOÜ iirmou Kai "fevo^vujv éfoi|iuuv udvxiuv irpòc TÓV SKUXOUV, oft XPNCTÀ itopfiv oùòè xà xr|c éopxf|c. 'Abwviiuv Yüp eie xàc r i p e t e èceivac KOOTIKÓVTUJV . . . .

In dem Bericht Nie. 13: OÌIK òXrfouc

bè Kai xà xwv rmepCùv, ¿v aie xàv cxó\ov é£éire|auov, ùiré0paxTev ' 'Abubvia yàp eìxov ai t w o ì x k xóxe . . . kann éiUir€|iiTov sich beziehen auf den Beschluß der Volksversammlung oder auf die spätem Stadien bis zum tatsächlichen Auslaufen der Flotte. 2

So CURTIUS, Griechische Geschichte, Bd. II 6 , 1888, S. 870, Anmkg. 139 („ver-

schiedene A k t e der Adonisfeier").

Die Zeit der Adonisfeste.

127

Feier nahe an die Zeit der Abfahrt der Flotte heranzurücken ist. Jedenfalls ist mit Sicherheit ein Schluß auf ein Frühlingsfest aus den mitgeteilten A n g a b e n nicht zu ziehen. Unbedingt deutlich und zuverlässig unter den Nachrichten über die Adonisfeier zu Athen ist nur das Zeugnis Plato's für die sommerliche Zeit der Adonisgärten, weil sie eben allein in dieser Jahreszeit möglich sind 1 . 1

D a s Urteil über die zeitliche Ansetzung der Adonien zu Athen hat sehr ge-

schwankt.

Zuerst nahm man nach dem Vorgang CORSINI'S, Fasti Attici, Bd. II,

S. 297fr. an, daß das Auslaufen der Flotte erfolgt sei zu der Zeit, wo das „mare aperiri" eintrat, also im Frühling (zustimmend MOVERS Bd. I, S. 2iof.).

Eine Feier

im S o m m e r erschloß aus der A n g a b e des Thucydides über das Auslaufen der Flotte zuerst, so weit ich sehe, ENGEL, Kypros, Bd. II, S. 562, später mit näherer Begründung aus derselben A n g a b e RAOUL ROCHETTE, Revue archeolog., Jahrg. V I I I , 1, S. 121.

A u f Grund der Darstellung des Aristophanes hat DROYSEN, Des Aristo-

phanes V ö g e l und die Hermokopiden, Rheinisches Museum, Jahrg. 1835, S. 161 ff. die Volksversammlung, welche die Aussendung der Flotte beschloß, als gleichzeitig mit den Adonien angesehen.

Aristophanes erwähnt nämlich eine R e d e des Demo-

stratos als zusammenfallend mit den Klagen der Adonien; dieser trat nach Plutarch in eben jener Versammlung auf. DROYSEN berechnete für die Volksversammlung und für die Adonien als Datum den 24. März.

Im Anschluß an ihn sind dann auch

CURTIUS a. a. O., KÄMMEL, Heracleotica, S. 19, GREVE, D e Adonide, S. 45 und diesem zustimmend ROSCHER, Artikel „Adonis" Sp. 74 wieder für ein athenisches Frühjahrsfest des Adonis eingetreten. Ich wage bei der komplizierten Beschaffenheit des in Betracht kommenden Materials,

das nur Fachmänner sicher überblicken

können, ungern das Aussprechen eines bestimmten Urteils. A b e r soviel erlaube ich mir zu behaupten, daß DROYSEN'S Berechnung mit einer irrigen Annahme beginnt und daß eben deshalb die Ansetzung der Ekklesia und der Adonien auf den 24. März nicht richtig ist.

DROYSEN S. 165 geht aus von dem T a g e der „morgenländischen

Feier der Adonien" bei Macrobius, Saturn. I, 21, 10: „a. d. octauum Kalendas Aprilis" (ed. Eyssenhardt).

A b e r Macrobius berichtet dies Datum nicht von den Adonien

sondern von den „Hilaria" des phrygischen Attis.

Ebensowenig ist es zulässig, mit

WÜNSCH, Frühlingsfest auf Malta, S. 27 f. ein Adonisfest am 24. März aus der andern A n g a b e des Macrobius, Saturn. I, 21, 6 zu entnehmen, die sich allerdings auf den Adonis bezieht: ,,sed cum sol emersit ab inferioribus partibus terrae, uernalisque aequinoctii transgreditur fines augendo diem, tunc est Venus laeta et pulchra uirent arua segetibus . . . " ; denn von einem Feste des Adonis zu dieser Jahreszeit ist hier nicht die R e d e sondern nur davon, daß dann die Rückkehr des Adonis anzusetzen ist. Allerdings wird die athenische Volksversammlung, welche die Expedition nach Sizilien beschloß, in den März oder spätestens in den Anfang April verlegt werden müssen um der Folge der weitern Ereignisse willen. Aber, wie schon andere gesehen haben, das Datum dieser Volksversammlung ist für die Zeit der Adonien nicht ausschlaggebend; denn es ist zweifelhaft, ob die von Aristophanes gemeinte R e d e des Demostratos identisch ist mit der von Plutarch berichteten. E r kann in einer spätem Ekklesia wieder aufgetreten sein (so MÜLLER-STRÜBING, Die attische Schrift vom Staat der Athener, Philologus, Supplementband IV, 1884, S. 79, Anmkg.), etwa in der

128

Erster Teil: Adonis III, i.

Das von Aristophanes und Plutarch Mitgeteilte ist die erste ausdrückliche Bezeugung für Adonisdienst in Athen. Eine Erwähnung der 'Abujvia findet sich bei Aristophanes schon in einem frühern Stücke (Pac. v. 420), wo sie neben die großen attischen Feste gestellt werden. Seinen Angaben schließt sich zeitlich jene A u s s a g e Plato's an, worin die Adonisgärten als eine allbekannte Einrichtung behandelt werden 1 . von DROYSEN S. 189 behandelten, die stattfand, als die Flotte bereits zur Abfahrt fertig war. W a s Aristophanes von der Rede des Demostratos angibt: "E\ef£ . . . irXeiv ¿c CiKeXiav würde in die Situation dieser spätem Versammlung passen, die sich mit dem Frevel der Hermenverstümmelung beschäftigte. Er war störend in die Vorbereitungen zur Expedition hineingefallen, und Demostratos könnte einer von den Rednern (DROYSEN S. 205) gewesen sein, die trotzdem die Abfahrt der Flotte durchsetzten. Das Datum des Sakrilegiums der Hermokopiden ist indessen für die Ansetzung der Adonien nicht entscheidend. Plutarch berichtet die bösen Omina dieses Ereignisses und der Klagefeier der Adonien nur als ungefähr gleichzeitig und zwar Nie. 13, 531 den Hermenfrevel vor der Angabe über die Adonien, Alcib. 18 aber nachher. •—Auch HOLM, Geschichte Siciliens, Bd. II, 1874, S. 407f. und FELLNER, Zur Chronologie und Pragmatik des Hermokopidenprocesses, Wiener Studien, Bd. I, 1879, S. 171 verwerfen die Folgerung der Frühlingszeit der Adonien aus Lysistr. 390FR. als nicht mit andern Angaben über die Adonien der Griechen übereinstimmend, HOLM mit der Annahme, daß die von Aristophanes gemeinte Rede des Demostratos später falle als die von Plutarch angedeutete. Ebenso setzen ROBERT in PRELLER'S Griech. Mythologie, Bd. 14, S. 362, Anmkg. 1 (wie schon PRELLER selbst), DÜMMLER, Artikel „Adonis" Sp. 385 und SCHOEMANN, Griechische Alterthümer, 4. Aufl. von LLPSIUS, Bd. II, 1902, S. 550 die athenischen Adonien in den Hochsommer, ferner BUSOLT, Griechische Geschichte, Bd. III, 2, 1904, S. 1283, Anmkg., der den Namen des Demostratos bei Plutarch an unrichtiger Stelle aus Aristophanes entnommen denkt, wogegen bei FREEMAN, Geschichte Siciliens, deutsche Ausg. von LUPUS, Bd. III, 1901, S. 92, Anmkg. 2 wieder die Adonien zusammenfallend gedacht werden mit der Volksversammlung, welche die sizilische Expedition beschloß. Lediglich mit Berufung auf Plato und die für Athen nicht entscheidende Darstellung beiAmmianus Marcellinus (s. oben S. 123) hatte STARK inK. F. HERMANN'S Lehrb. der gottesdienstlichen Alterthümer der Griechen 2 , 1858 §62 Anmkg. 34 die athenischen Adonien „im Sommer am Schlüsse des Jahres" angesetzt. 1 Um das Jahr 408 ist Aboivtc bezeugt als Name eines Atheners Corp. inscript. Attic. I, 324 c II, 36 f. Es ist aber zweifelhaft, ob dieser Name mit athenischem Adonisdienste zusammenhängt. Allerdings stellt er wahrscheinlich als Hypokoristikon den Gottesnamen oder das Gottheitsepitheton pN dar. Da aber der so benannte Athener bezeichnet wird als wohnhaft auf Malta ('Abdiviboc ¿|iMe\ITQ OIKOOVTOC), hatte er vielleicht in Berührung mit phönizischen oder punischen Bewohnern der Insel einen phönizischen mit p x zusammengesetzten Namen angenommen, worin p « wahrscheinlich allgemeines Gottheitsepitheton gewesen wäre. Im J. 302/1 v. Chr. bezeugt eine Inschrift aus dem Piräus die Prozession der Adonien als einen althergebrachten Brauch (DLTTENBERGER, Sylloge inscriptionum Graecarum 1883 n. 427, 9, S. 621).

129

Die Zeit der Adonisfeste.

Mit Unrecht hat man aus Angaben des Johannes Lydus (De mensib. I V , 44 [64], ed. Wuensch S. 116) entnehmen wollen, daß er ein Adonisfest im Frühjahr kenne 1 . Johannes Lydus sagt nur, daß Adonis der Mai sei und daß in seiner Tötung durch A r e s gleichsam der Frühling vom Sommer getötet werde. Danach wäre die richtige Jahreszeit für die K l a g e um den Adonis vielmehr der Sommer. D a Johannes L y d u s den Adonis als den Mai erklärt, so ist das Fest der Aphrodite auf Cypern am 2. April, das er erwähnt (1. IV, 45 [65], S. 119), nicht das Todesfest des Adonis, wie man etwa in Erinnerung an den T o d des Adonis durch einen Eber 2 aus dem für jenen T a g berichteten Opfer wilder Schweine entnehmen könnte. — A u c h aus der Kombination der Anemone mit dem Adonis 3 kann nicht auf ein Frühlingsfest des Adonis geschlossen w e r d e n D i e s e Blume wird ihm allerdings als einem Frühlingsgott 5 geweiht gewesen, aber erst später mit seinem Sterben kombiniert worden sein, indem man sie aus dem Blute des Adonis entsprossen dachte. A u f die Zeit seines Todes verweist sie nicht. Die rote Rose, die bei den Griechen ebenfalls als vom Blute des Adonis gefäpbt angesehen wird 6 , gehört eher dem Sommer an. Neuerdings ist als ein Moment für ein Frühlingsfest des Adonis geltend gemacht worden die Schilderung einer Feier auf Malta um das Jahr 1591 n. Chr. in den Biographien des Arabers Al-Bürini 7 . In dieser Feier hat man ein altes Adonisfest erkennen wollen, das von den Christen auf den Patron der Insel, Johannes den Täufer, bezogen worden wäre 8 . Nach 1

So MOVERS Bd. I, S. 209, der in sehr verworrener Darstellung, verschieden

für die einzelnen Kultusorte, ein zweifaches Adonisfest annahm, eines im Frühjahr oder im Beginn des Sommers und eines, bei den Syrern und Phöniziern, im Herbste. 2

Vgl. unten I. Teil, IV, 2.

4 So FRAZER, Adonis 2 , S. 184f. 6

3 S. oben S. 88. 5 Vgl. unten I.Teil, IV, 4.

FRAZER a. a. O., S. 185.

7 So WÜNSCH, Frtihlingsfest der Insel Malta, S. 19ff. ebend., S. iff. in Übersetzung von BROCKELMANN.

Die Stelle aus Al-Bürini

Der arabische Text des be-

treifenden Passus nach der Berliner Handschrift veröffentlicht von BROCKELMANN, Z D M G . LV, 1901, S. 221 f.

Abgesehen von dieser vermeintlichen Bezeugung eines

Frühlingsfestes hat WÜNSCH nur aus seiner zweifellos richtigen Beziehung des Adonismythos auf den wiederkehrenden Frühlingsgott geschlossen, daß die Auferstehung des Gottes im Frühjahr gefeiert worden sein müsse.

Das ist aber nicht mit Not-

wendigkeit anzunehmen, wenn Todes-und Auferstehungsfeier zusammengerückt wurden, wie es wenigstens für Byblos bezeugt ist; s. darüber unten 1. Teil, III, 2. 8

In meiner Beurteilung der Schrift von WÜNSCH schließe ich mich den Auf-

stellungen LÜBECK'S („Adoniskult und Christentum auf Malta") an in der Ablehnung der Zeitbestimmung des Festes aus der Bohnenblüte (LÜBECK S. 22 f.) und in der Beziehung der maltesischen Feier auf das Osterfest (LÜBECK S. 108 ff.). Letztere ist m. E. von LÜBECK überzeugend zur Geltung gebracht worden und liegt an und für B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

9

Erster Teil: Adonis III, i.

130

Al-Bürini wurde ein hochverehrtes „Götzenbild'' einmal in jedem Jahr in einen Garten „unter Bohnenblüten" geworfen — das könnte sich wohl auf die Zeit des Frühlings beziehen. Ein Mönch oder Priester erklärte dabei: „Euer Herr zürnt euch und ist von euch gegangen". Man blieb drei T a g e lang oder annähernd so viel in Trauer, Fasten und schlechter Kleidung; dann wurde das Bild in einer Prozession wieder geholt und an seine Stelle gebracht. — Die Deutung des „Götzenbildes" als Bild des Täufers scheint mir sehr zweifelhaft zu sein. Viel wahrscheinlicher ist, daß der muslimische Berichterstatter von einem Bilde Christi redet und die zu Ostern mit dem Bilde dargestellte Feier der Grablegung und Auferstehung beschreibt. Auf Christus paßt die Bezeichnung mit „euer Herr" besser als auf Johannes 1 . Dabei ist es wohl möglich, daß auf Malta, wie anscheinend in Griechenland und vielleicht noch sonst in den Mittelmeerländern, Bräuche der Adonisfeier unter die Karfreitags- und Ostersitten Aufnahme gefunden haben 2 . Von Adonisdienst auf Malta wissen wir freilich nichts. Aber die Insel war von Karthagern bewohnt und wahrscheinlich schon lange vor ihnen von phönizischen Kolonisten. Phönizische oder punische Kulte sind für Malta bezeugt 3 . Das „Werfen" des „Götzenbildes" unter Bohnenblüten läßt sich unvermittelt aus der Feier des Leidens Christi kaum erklären. An einen zufälligen Umstand bei dem Niederlegen des Christusbildes etwa in einer Kapelle, die von einem Garten umgeben gewesen wäre, hat der Berichterstatter doch wohl kaum gedacht; denn nach seiner Beschreibung scheint das Bild in die blühenden Bohnen hineingelegt worden zu sein. Sollte es vielleicht auf Malta wirklich Sitte gewesen sein, das Christusbild am Karfreitag in Bohnenblüten zu legen? Ein derartiger Brauch könnte etwa zusammengehangen haben mit der aus Malta berichteten Legende, daß die Schneckenbohne am Kreuze Christi hinaufrankte, sich in seine Wunden legte, das Blut aufsog und davon die Blutflecken erhielt 4 . Jedenfalls ist die Ausschmückung des Christusbildes mit Blumen in der Oster-

sich viel näher als die komplizierte Rekonstruktion eines Johannesfestes bei WÜNSCH. Im übrigen möchte ich für die Polemik LÜBECK's und für viele seiner positiven Behauptungen keineswegs eintreten. 1 Zu: „Euer Herr . . . ist von euch gegangen" bei Al-Bûrînî vergleicht LÜBECK a. a. O., S. 117. 127 nicht unberechtigt, wie mir scheint, die in den Responsorien bei der Grablegung des Kruzifixes oder des Allerheiligsten, nicht gerade auf Malta aber anderwärts, bezeugte Formel: „Recessit pastor noster". 2

V g l . b e i LÜBECK a. a. O., S. 120; VELLAY, A d ô n i s - T h a m m o u z , S. 181 f.; FRAZER,

Adonis 2 , S. 212ff. 3 S. darüber ALBERT MAYR, Die Insel Malta im Altertum, S. 120 ff. 4

S. 228.

DÄHNHARDT,

Natursagen,

Bd. II: Sagen zum Neuen Testament

1909,

Die Zeit der Adonisfeste.

zeit vielfach vorkommende Sitte 1 . Die Deponierung unter Blüten könnte aber in Malta und anderwärts möglicherweise aus einer Adonisfeier entlehnt sein. Direkt nachzuweisen ist freilich eine Kombination gerade der Bohnenblüte mit dem Adonisdienste nicht. Sie müßte wohl in diesen aus irgendeinem andern Kultus eingedrungen sein. Der speziell auf die Zeit der Bohnenblüte gegründete Beweis für ein Frühlingsfest ist nicht unbedingt überzeugend. E s läßt sich an eine bestimmte Bohnenart denken, die bis in den August hinein blüht®. Liegt in dem Feste von Malta und vielleicht auch anderwärts eine Verschmelzung von Adonis- und Osterfeiern vor, so handelt es sich allerdings um ein Frühlingsfest. Aber die zu einer andern Jahreszeit geübten Riten der Adonien können wegen ihrer Verwandtschaft mit Osterbräuchen in die Jahreszeit der christlichen Feier verlegt worden sein. Für die ursprüngliche Zeit des Adonisfestes ist, soviel ich sehe, aus jener maltesischen Feier auf keinen Fall etwas zu entnehmen. Im I i . Jahrhundert berichtet der französisch-jüdische Exeget Raschi von einem Brauche, 22 oder 15 T a g e vor Neujahr den Kindern einen Korb mit Erde zu füllen und mit Sämereien zu bestellen, der dann am Rüsttage des Neujahrsfestes von den Kindern in einen Fluß geworfen wurde '. E s ist das offenbar ein Rest der Sitte der Adonisgärten*. Die Ausübung der Sitte ist hier in den Monat vor dem jüdischen Neujahr, also in den August-September, verlegt, gewiß eine Verschiebung der ursprünglich einem frühern Monat angehörenden Übung, die darauf beruhen wird, daß man die Bedeutung nicht mehr verstand. Von mehreren Seitens sind die Trauerbräuche des von den Schiiten in Persien und Indien und noch sonst, wo Perser wohnen, gefeierten Husseinfestes 6 aufgefaßt worden als in Zusammenhang stehend mit dem Kultus des Adonis oder Tammuz. Einige Riten dieses Festes lassen sich nicht recht erklären aus der ihnen von den Schiiten beigelegten geschichtlichen Bedeutung der Erinnerung an die Schlacht von Kerbela und den Tod des Hussein, des Enkels Muhammed's, sodaß sie einen 1 Vgl. z. B. die Ausschmückung des Christusbildes der Karfreitagsprozession in orientalischen Gegenden mit Blumen nach den Angaben von LÜBECK a. a. O., S. 120. 2

V g l . L Ü B E C K a. a. O., S. 22.

3 J . LEVY, Neuhebräisches Wörterbuch, Bd. IV, S. 131. 4

FLEISCHER ZU L e v y a. a. O., S . 229.

5 LIEBRECHT, ZDMG. X V I I , S.4oof. ; EERDMANS, Der Ursprung der Zeremonien des Hosein-Festes, ZA. IX, 1894, S.280—307; MEISSNER, Babylonische Bestandteile in modernen Sagen und Gebräuchen, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. V, 1902, S. 2 3 0 — 2 3 3 . 6

Eine Beschreibung des in einem Dorfe bei Damaskus gefeierten Festes gibt VLOLET, Das Hussein-Fest am 29. April 1901, in: Der christliche Orient III, 1902, S. g f f . 9*

132

Erster Teil: Adonis III, i.

andern Ursprung zu haben scheinen. Das Fest wird am 10. Muharram gefeiert. Dies Datum beruht einfach auf dem geschichtlichen Ereignis; es ist der Todestag Hussein's. A n eine bestimmte Jahreszeit ist das Fest nicht gebunden, sondern wandert durch alle Jahreszeiten, da das muhammedanische Jahr ein reines Mondjahr ist. Für die Jahreszeit des T a m muz- oder Adonisfestes ist also nichts daraus zu entnehmen. Hussein ist gefallen am 10. Muharram des Jahres 61 der Hedschra, d. i. am 10. Oktober 680 n. Christo. Dieser T a g ist nach allem, was wir wissen, nicht der T a g eines bis dahin fortlebenden Adonisfestes gewesen. A b e r die Erinnerungsfeier des Todes Hussein's kann später einmal mit einem aus dem Adonisfeste stammenden Brauche zeitlich zusammengefallen sein. Daraus ließe sich eine Vermischung der Festsitten erklären. Im Grunde ist es indessen nur der Brauch, den S a r g des Hussein ins Wasser zu werfen, der sich deutlich mit einer Übung in den Adonien berührt, von der weiterhin die Rede sein soll Analogien hierzu liegen aber auch in andern Kulten vor 2 . Im übrigen erinnern die Selbstverwundungen am Husseinfest eher an Bräuche der Attisfeiern^ als an die Adonien. Jedenfalls wäre aus einem nicht ganz unmöglichen Zusammenhang zwischen Adonisund Husseinfest für die Jahreszeit des Adonisfestes gar nichts zu entnehmen. A u c h aus der Beschreibung der Adonisfeiern von Alexandria und Byblos bei Cyrillus Alexandrinus, die weiterhin zu besprechen sind 4 , ist über die Jahreszeit nichts zu ersehen. Mit Sicherheit bezeugt ist nur ein Fest im Sommer. Die Annahme, daß dieses in den Juni-Juli falle, wird auch nicht in Frage gestellt durch ein florentinisches Hemerologium, das für Seleucia in Pierien einen Monat Adonisius an Stelle des Augusts nennt. Die Giltigkeit dieses Kalenders, nach welchem nirgends datiert wird, ist zweifelhafts. Dasselbe Hemerologium läßt den Monat 0ajui£a, dessen Name dem des Adonisius zu entsprechen scheint, im Kalender von Heliopolis-Baalbek mit dem 23. August beginnen und 31 T a g e dauern 6 . D a es nicht zweifelhaft sein kann, daß der Monat Tammuz ursprünglich die Stelle hatte, die ihm der hebräisch-babylonische Kalender zuweist, d. h. dem Juni-Juli entsprach, so hat in jenen jüngern Kaiendarien eine Verschiebung dieses Monats stattgefunden. Wenigstens für die

1

S. unten 1. Teil IV, 1 und V.

2

Für eine von GOLDZIHER, Muhammedanische Studien, Thl. II, S.331 erwähnte

Vorstellung von Hussein ist wohl die dort registrierte angebliche Analogie in der Vorstellung von Adonis in Wirklichkeit nicht nachzuweisen. 3 Vgl. EDUARD MEYER, Geschichte des Altertums, Bd. I, 2 2 , S. 649. 4 S. unten 1. Teil, III, 2 und V . 5

IDELER, Handb. der Chronologie, Bd. I, S. 433 f.

6

Ebend. S. 440.

Die Auferstehungsfeier für Adonis.

133

ursprüngliche Stelle des Adonisfestes ist also daraus nichts zu entnehmen. Nur für Athen könnte man nach den Angaben des Aristophanes vielleicht an ein Adonisfest im Frühjahr denken. Nach eben dieser Darstellung wäre es der Tod des Adonis gewesen, den man im Frühjahr gefeiert hätte. Es läge hier dann Ubereinstimmung vor mit dem Datum, das sich aus dem Bericht Lucian's über die Jahreszeit des Todes des Adonis vielleicht gewinnen läßt 1 . Diese Folgerung aus der von Lucian berichteten Naturerscheinung fanden wir indessen ebenso unsicher als die Annahme eines Frühlingsfestes in Athen. Die Richtigkeit der letztern Annahme vorausgesetzt, wäre es doch denkbar, daß die Griechen durch irgendwelche Umdeutung der Beziehung des Festes aus dem Sommerfest ein Frühlingsfest gemacht hätten. Wenn wir richtig geurteilt haben, liegt aber keinerlei Veranlassung vor, die athenischen Adonien in einer andern Jahreszeit anzusetzen als im Hochsommer, auf den alle andern Nachrichten über das Fest verweisen. Bei der Darstellung des Adonismythos wird nochmals auf die Festzeit zurückzukommen sein 2 . Es wird sich uns dann ergeben, daß jedenfalls allein ein Fest im Hochsommer der Bedeutung des Todes des Adonis entsprach. Ein Frühjahrsfest für diesen Gott müßte ursprünglich eine andere Beziehung gehabt haben als auf seinen Tod.

2. Die Auferstehungsfeier für Adonis. In der Beschreibung des antiochenischen „Adonis"-Festes bei Ammianus Marcellinus 3 fanden wir keine Erwähnung eines auf die Klage folgenden Freudenfestes. Es wäre zu erwarten, daß Ammianus es genannt hätte, wenn es zu Antiochia gefeiert wurde, da dadurch der traurige Eindruck der den Einzug Julian's begleitenden Umstände gemildert worden wäre. Es läßt sich in der Tat bezweifeln 4 , daß die Auferstehungsfeier im syro-phönizischen Adonisdienst alt war, wie sie im Tammuzdienste vielleicht ganz gefehlt hat 5 . Wir fanden es allerdings nicht wahrscheinlich, daß der antiochenische „Adonis" des Ammianus der Adonis von Byblos ist, und glaubten darin die griechisch-römische Bezeichnung für den babylonisch-syrischen Tammuz zu erkennen. Aber auch Theodor Bar Koni, der doch mit seinem „Tammuz" den Adonis von Byblos meint, redet nur von einer Klage um ihn, nicht von einer Wiederbelebung 6 . 1

S. oben S. 125.

2

S. unten 1. Teil, I V , 5.

3 S. oben S. 123.

4 Mit LAGRANGE, Religions semitiques 2 , S. 303 f. 5

Bis jetzt ist ein Auferstehungsfest oder überhaupt ein Freudenfest im Tammuz-

kult nicht nachgewiesen, vgl. ZIMMERN, Gott Tamüz, S. 732, Anmkg. I. 6

S. oben S. 75.

Erster Teil: Adonis III, 2.

134

Lucian erwähnt das Aufleben des Gottes nur in einem Satze, der die fortgehende Schilderung des Trauerritus von Byblos unterbricht 1 . In den uns bekannten griechischen Riten des Adoniskultus kommt allein die Trauer zur Geltung, und durch die Beschreibung des Adonisfestes zu Athen bei Plutarch 2 scheint, ebenso wie für Antiochia nach den Angaben des Ammianus, ein auf die Trauer folgendes Freudenfest ausgeschlossen zu sein 3 . Dagegen ist dem Origenes eine Auferstehungsfeier für Adonis oder Tammuz, die ihm identisch sind, bekannt (Selecta in Ezechielem, Migne, S G . 13, Sp. 800): boKoOci YotP k o t ' eviauröv TeXerac Tivac rcoieiv, upüiTOv

jiev o h öprivoöciv aiixöv wc tsöviikotoc beurepov be öti xaipouciv ctt' aÜTuj ujc coro veKpwv dvacxavii. Für welchen Kultusort Origenes diese Auferstehungsfeier annahm, gibt er nicht an. Da sie sich im babylonischen Tammuzdienste nicht nachweisen läßt, gehört sie wohl dem phönizischen Adonisdienst an. Auch bei Hieronymus (zu Ez. 8, 13 f.) fanden wir* Bekanntschaft mit einer Freudenfeier, die das „revixisse" des Tammuz oder wahrscheinlicher des Adonis betraf. Er scheint damit einen Brauch zu schildern, der auf phönizischem oder syrischem Boden geübt wurde. Cyrillus von Alexandria redet in seiner ausführlichen Besprechung der Adonisfeiern zu Alexandria und Byblos (zu Jes. 18, if., Migne, SG. 70, Sp. 440 f.) von Einstellung der Klagen bei den Weibern von Byblos nach Eingang der Botschaft, daß der Gott wiedergefunden sei, und von 1

S. oben S. 73.

2

S. oben S. 126.

3 Es läßt sich freilich mit G r e v e , De Adonide, S.43 etwa urteilen, daß es für Plutarch (und ebenso für Ammianus) nur auf das Zusammenfallen der Trauerfeier mit einem bestimmten Ereignis ankam und daß dabei das nach einigen Tagen folgende Freudenfest der Auferstehung nicht in Betracht gekommen sei.

A b e r es ist doch

kaum zufällig, daß überall, wo von der Adonisfeier auf griechischem Boden die Rede ist, ein Auferstehungsfest nicht erwähnt oder auch nur angedeutet wird. Philodemos (Gomperz, Herkulanische Studien II, 1866, S. 16, 14) berichtet von dem Adonisdienst als charakteristisch nur den Tod des Adonis und die Klage um ihn: töv bä "A&uj(vtv oi) nXeicToi t£\€u(ti1iv)tci iroioOci, cd b(t ce)ßö|ievai iröXeic (Kai?) irEvBoöciv Ka8' (Skoc)tov ¿viauxov. Ebenso nur die Klage in dem anonymen christlichen Gedicht bei

BUECHELER und Riese, Anthologia Latina, I, i 2 , n. 4, 19: „Plangitur in templis iuvenis formonsus Adonis".

Das Fehlen einer Auferstehungsfeier könnte aber auf

einer Modifikation des Kultus bei den Griechen beruhen, weil den Griechen die Anschauung von einem immer wieder sterbenden und neu auflebenden Gott unverständlich geblieben sein wird.

Der sterbende Adonis ist ihnen kaum als ein Gott er-

schienen. Ein Heros wird bei ihnen zum Gott erhoben durch die Verleihung der Unsterblichkeit und wird dann mit einem Kultus bedacht. Adonis bleibt sterblich; darum gilt ihm nur eine Trauerfeier, die kein Kultus ist. • Oben S. 121.

Die Auferstehungsfeier für Adonis.

135

Freudenbezeigungen, die zu Alexandria bis auf seine Zeit stattgefunden hätten nach dem Vorbild der Freudenfeier der Aphrodite bei der Rückkehr des Adonis. Procopius von Gaza (zu Jes. c. 18, Migne, SG. 87, 2, Sp. 2140) wiederholt diesen Bericht nicht ohne Andeutung eines Zweifels an der Richtigkeit der letzten A n g a b e . D a g e g e n hat Theokrit in seiner eingehenden Beschreibung des Adonisfestes zu Alexandria (Idyll. 15) von einer Auferstehungsfeier überhaupt nichts. A u c h nicht ganz richtig hat man gesagt, daß bei ihm ein Freudenfest der Klagefeier voraufgehe. Nicht ein Freudenfest schildert er, sondern die bildliche Darstellung der Schönheit des Adonis, wie er auf dem Bette liegt zur Vereinigung mit der Aphrodite. W a s aber die Feiernden mit dem Gottesbilde vornehmen, besteht in der Wiederaufhebung dieser jetzt zu Ende gegangenen jährlichen Vereinigung, in dem Trauerzuge der Frauen Alexandriens, der eben jenes Bild als das eines Gestorbenen an das Meer geleitet. Nur die ausdrücklich ausgesprochene Hoffnung seiner Wiederkehr vertritt hier die Stelle des anderwärts bezeugten Freudenfestes. D a Lucian und Cyrillus den Adonis von Byblos mit Osiris in Verbindung bringen 1 , liegt die Annahme nahe, daß die Feier des Wiederauflebens des Gottes aus dem Osirisdienst in den des Adonis herübergenommen wurde und daß noch zu Theokrit's Zeit ein Freudenfest im Adonisdienste nicht bestand. A b e r doch ist der Glaube an die Auferstehung eines Naturgottes den Nordsemiten nicht fremd: er scheint sich zu finden in der Vorstellung von dem babylonischen Marduk und ist ausdrücklich bezeugt für die phönizischen Götter Melkart und Esmun, für letztern allerdings nur bei dem späten Damascius 2 . Für Melkart m a g man an der Korrektheit der A n g a b e des Menander bei Josephus, daß das Auferstehungsfest des tyrischen Herakles, d. i. Melkart, im Monat Peritios bis auf König Hiram zurückgehe (Antiq. VIII, 5, 3, ed. Niese § 1463), zweifeln; aber die efepctc des Gottes, von der er redet, auf die „Aufrichtung" des Tempels zu beziehen*, ist doch nicht wohl zulässig, namentlich da davon nicht gesagt werden konnte, daß Hiram sie irpuixoc, sondern nur daß er sie überhaupt bewerkstelligt habe. A u c h in dem wenigstens der Idee nach mit dem Adoniskult verwandten phrygischen Attisdienste gab es ein Auferstehungsfest. V o n diesem Kultus, nicht von dem des kurz vorher besprochenen Adonis, sagt Macrobius (Saturn. I, 21, 10): „simulationeque luctus peracta celebratur laetitiae exordium". Es muß hier dahingestellt bleiben, ob an diesem Punkt oder noch sonst im Attiskult ein geschichtlicher Zusammenhang mit dem Adonisdienste vorliegt. Er ist nicht unwahrscheinlich, läßt sich aber doch

1

Das Nähere unten 1. Teil, V.

2

S. unten 2. Teil, V, 7.

3 Vgl. Artikel „ B a a l " PRE.3, Bd. II, S. 332, 9ff. + So LAGRANGE, Religions sémitiques, S. 311, Anmkg. 1.

Erster Teil: Adonis III, 2.

136

nicht aus sichern Indizien nachweisen. Wir werden darauf noch zurückzukommen haben 1 . Im Grunde setzt schon das jährliche Trauerfest den Gedanken des Wiederauflebens des Gottes voraus. Dies Fest ist offenbar nicht oder doch nicht nur als ein Erinnerungsfest gemeint, sondern seine lauten Klagen, die das Sterben des Adonis wie etwas von den Klagenden im Augenblick erlebtes behandeln, beziehen sich auf das, was dem Gott in jedem Jahre wirklich widerfährt. Dann muß er auch in jedem Jahre wieder auflebend gedacht worden sein. Es ist also zuletzt nur das die Frage, ob das Wiederaufleben von Anfang an in besondern festlichen Gebräuchen zur Darstellung kam. Schon in der jährlichen Trauerfeier wird die darin vorausgesetzte Auferstehung mitgefeiert. Wir werden weiterhin im Alten Testament Aussagen begegnen, die vielleicht darauf verweisen, daß es eine Feier der Auferstehung des Adonis schon seit der Zeit der alttestamentlichen Propheten gab oder doch daß ihnen die Anschauung von einem Wiederaufleben des Gottes bekannt war*. Deshalb müßte, falls ägyptischer Einfluß auf den Gedanken der Wiederbelebung des Adonis oder auf ihre Feier vorliegen sollte, dieser Einfluß wohl schon in sehr alter Zeit ausgeübt worden sein, was durchaus nicht undenkbar wäre 3 . Wenn die Schrift „De Syria dea" von einem speziellen Auferstehungsfeste nicht deutlich redet, so ist doch gerade ihr Referat über den Glauben zu Byblos, daß der Gott am andern T a g e lebe, und über den Ritus: ¿c TÖV r|epa Trejuirouci (§ 6) so charakteristisch, daß es fraglos wirklich bestehendem Glauben und Ritus entspricht. Worin dieser Ritus bestand, läßt sich leider aus den mehrdeutigen Worten nicht entnehmen. Nur soviel geht doch wohl aus dem Ausdruck irefiTTOUCI hervor, daß Adonis irgendwie in sinnfälliger Darstellung aus der Unterwelt ans Tageslicht geleitet wird. Man kann dabei denken an eine Vornahme mit einem Gottesbilde, was wohl das wahrscheinlichste ist, oder an eine von menschlichen Personen aufgeführte Vergegenwärtigung des dem Gott einmal Widerfahrenen und immer aufs neue Widerfahrenden. Diese Darstellung scheint, da sie nur so kurz zur Erwähnung kommt, den einfachem und stillern Abschluß des mit komplizierten und geräuschvollen Bräuchen gefeierten eigentlichen Festes der Trauer gebildet zu haben. Charakteristisch ist jedenfalls in diesen Feiern, daß die Verehrung der Lebensmacht, als welche der Gott erscheint, weniger hervortritt in der Freude über das von ihm wiedergewonnene Leben als in der Heftigkeit der Trauer um das verlorene. Nach der Darstellung Lucian's fand die Auferstehungsfeier einen 1

S. unten 3. Teil, II.

3 Ü b e r die 1. Teil, V .

2

S. unten 4. Teil, II, 5.

Wechselbeziehungen

zwischen

Adonis- und Osiriskult

s. unten

Die Auferstehungsfeier für Adonis.

137

T a g oder auch einige Tage später statt als der Beginn der Trauerfeier 1 . Das ganze Fest wurde, wie sich uns als das wahrscheinlichste ergab, im Hochsommer gefeiert. Diese Jahreszeit paßte nur für die Todesfeier;, die Auferstehungsfeier gehörte korrekt, wie wir weiterhin sehen werden, in das Frühjahr. Auf jeden Fall hat in der Feier eine Zusammenschiebung des im Mythos zeitlich Getrennten stattgefunden. Dem Glauben, daß der Gott nicht im Tode bleibe, gab man sogleich nach der Todesfeier in einer — wenn das Fest wirklich in die Jahreszeit Juni-Juli fiel — antizipierenden Darstellung Ausdruck. Wollte man das ganze Fest in das Frühjahr verlegen, so hätte man umgekehrt an eine Antizipation des Todes oder auch an eine nachträgliche Vergegenwärtigung des vorangegangenen Todes zu denken. Wahrscheinlicher ist auch aus diesen Erwägungen für die Zeit des Festes der Hochsommer. Bei dem Gedenken an den Tod des Gottes fühlte man zur Beruhigung das Bedürfnis nach dem Ausdruck der Gewißheit, daß er aus dem Tode wiederkehren werde. Bei der Feier seines Neuerstehns in der Frühlingszeit hätte man sich kaum veranlaßt gefühlt, zur Geltung zu bringen, daß er bald wieder sterben werde oder daß die Auferstehung seinen Tod zur Voraussetzung habe. Aus dem allen ergibt sich, daß das von Lucian geschilderte Fest auf den Todestag des Gottes fiel, und so erklärt sich, daß die Auferstehungsfeier, die nur der Hoffnung Ausdruck gab, eine weniger hervortretende Stelle einnahm und an andern Orten anscheinend ganz gefehlt hat. 1

S. darüber unten 4. Teil, II, 1.

IV. Der Adonismythos. i. Adonisklage und Adonisgärten. In dem alljährlich gefeierten Sterben und Wiederaufleben des A d o n i s k o m m t offenbar ein sich mit jedem Jahr erneuendes V e r g e h n und Wiederaufleben in der Natur zum Ausdruck. Die Erinnerung an einen Heros würde entweder seines T o d e s Gedächtnis feiern oder seinen E i n g a n g zu einem neuen Dasein, aber nicht beides nacheinander, da in diesem Falle durch das neue L e b e n das vorangegangene Todesschicksal ein für alle Male überwunden wäre. Eine stetige Wiederkehr beider A k t e ist nur auf dem Gebiet der Natur zu beobachten. W e n n also die Auferstehungsfeier des Adonis alt sein sollte, was wir allerdings unsicher fanden, so haben wir es hier in dem uns geschichtlich bekannten Kultus zweifellos mit einem Naturgott zu tun. A b e r auch von der Auferstehungsfeier abgesehen, kann an der Bedeutung eines Naturgottes für Adonis so wenig gezweifelt werden als für T a m m u z 1 . Zunächst schon deshalb nicht, weil, wie wir glaubten urteilen zu müssen, das K l a g e f e s t einen derartigen Charakter hat, daß es als ein bloßes Erinnerungsfest sich nicht begreifen läßt. E s bezieht sich offenbar auf einen mit jedem Jahresfeste zusammenfallend gedachten V o r g a n g , also auf ein jährliches Sterben, das sich nur als in der Natur stattfindend denken läßt 2 . Sicher ist, daß die Griechen mit ihrem Brauche der Adonisgärten an die Vergänglichkeit der Vegetation erinnern wollten E s wird allerdings nicht überall das Verwelken sondern vielfach nur das rasche A u f sprossen der Adonisgärten erwähnt; aber jenes ist der notwendige E r f o l g des Besäens von Scherben. Ausdrücklich macht das Verwelken z. B. geltend Kaiser Julian (Conviv., ed. Spanh. 329 D, ed. Hertlein S. 423): x^oricavTci be

1

S. o b e n S. 100 ff.

2

Über eine andere Erklärung des Trauerritus aus Voraussetzungen für vorgeschichtliche Verhältnisse s. unten 1. Teil, IV, 6. 3 Vgl. oben S. 88 f.

139

A d o n i s k l a g e und A d o n i s g ä r t e n .

TaÜTa irpöc ÖXITOV aimKa cmoiuapaiveTai Ohne den Gedanken an das Verwelken wäre die K l a g e unverständlich, die, wie es scheint, bei den Griechen mit der Bepflanzung der Adonisgärten zusammenfiel 2 . Die Anlage dieser „Gärten" war keinenfalls ein erst bei den Griechen aufgekommener Brauch. Er scheint nach der Aussage Jesaja's (c. 17, iof.) im 8. vorchristlichen Jahrhundert in Kanaan bestanden zu haben 3 . In später Zeit werden die Kfjiroi des Adonis als „assyrische", d. h. syrische, Sitte erwähnt bei Philostratos (3. Jahrh. n. Chr., Vit. Apollon. VII, 32: Krirrouc, ouc 'Abwviöi 'Accupioi TT0t0ÖVTai)4. Die Beobachtung des raschen Verwelkens der „Blume des Feldes", des „Grases" oder der Blätter ist den Westsemiten geläufig, im Alten Testament als ein Bild des schnell vergehenden Menschenlebens verwertet (Jes. 37, 27; 40, 6f.; 64, 5. Ps. 90, 5f.; 103, 15. Hio. 14, 1 f.). Die Beziehung des Adonis auf das Absterben der V e g e tation ist zweifellos sehr alt, denn die Griechen werden diese Beziehung, da sie nur sie von Anfang an gekannt zu haben scheinen, von den Phöniziern überkommen haben. W a s die vereinzelt und erst spät bezeugte Sitte bedeutet, die Adonisgärten ins Wasser zu werfen, ist mir nicht zweifellos. Es ist dabei vom Meere die Rede (so Eustathius zu Odyssee A, 590, ed. Rom. S. 1701 5 ) oder von Quellen (so Zenobius, Centur. I, 49, Corp. Paroemiograph. Gr. ed. Leutsch u. Schneidewin I, S. 19) 6 . Das Werfen ins Meer könnte man als eine Darstellung der Vernichtung ansehen, sodaß dieser Ritus nur ein anderer Ausdruck für die Vergänglichkeit wäre, die man im Welken der Adonisgärten erkannte (so faßt die Sitte Eustathius auf als

1

V g l . Plutarch, S e r a num. vind. 17, 560 C. W e i t e r e B e l e g e für diese A u f f a s s u n g

b e i ENGEL, K y p r o s , B d . II, S. 549, A n m k g . 26; S. 55of., A n m k g . 30. 2

S. o b e n S. i2Öf.

4

I c h g l a u b e eine vollständige W i e d e r g a b e d e r zahlreichen A u s s a g e n ü b e r die

3 s . o b e n S. 87 ff.

A d o n i s g ä r t e n unterlassen zu sollen.

S i e finden sich g e s a m m e l t in d e n o b e n S. 88,

A n m k g . 1 g e n a n n t e n S c h r i f t e n und bieten in ihren V a r i a t i o n e n k e i n e n B e i t r a g zum V e r s t ä n d n i s des A d o n i s . LANGDON, S u m e r i a n a n d B a b y l o n i a n psalms, S. 301, A n m k g . 10 findet

eine H i n w e i s u n g auf „ A d o n i s g ä r t e n " in der B e z e i c h n u n g d e s T a m m u z in e i n e m

d e r H y m n e n als „ a tamarisk w h i c h in t h e g a r d e n h a s n o w a t e r to d r i n k " ; a b e r diese T a m a r i s k e ist deutlich nicht g e d a c h t als ein S t e c k l i n g , wie er in d e n K ä s t c h e n o d e r S c h e r b e n d e r A d o n i s g ä r t e n Platz hatte, sondern als ein i m B o d e n wurzelnder B a u m ; v g l . n o c h die Fortsetzung in d e m H y m n u s :

„eine W e i d e . . . ,

deren W u r z e l n aus-

gerissen s i n d " (oben S. 100). 5 W ö r t l i c h aus Eustathius e n t n o m m e n ist die D a r s t e l l u n g in d e r F ä l s c h u n g d e r d e r E u d o c i a M a c r e m b o l i t i s s a z u g e s c h r i e b e n e n Schrift V i o l a r i u m in d e m A b s c h n i t t TTepi 'Abumboc Kriuuiv (ed. F l a c h S. 42f.), auf d e r e n ü b r i g e A u s s a g e n ü b e r A d o n i s i c h nicht weiter verweise, d a sie nichts bieten, w a s uns nicht in e c h t e n Quellen n o c h erhalten w ä r e . 6

V g l . das o b e n S. 131 aus R a s c h i b e r i c h t e t e W e r f e n in die F l ü s s e .

Erster Teil: Adonis I V , 1.

140

öjaoioTiic des Todes des Adonis). Aber das paßt kaum auf das Werfen in die Quellen. Diese erscheinen überall, ganz besonders im semitischen Altertum, als Zeichen der Lebenskraft in der Erdwelt. Deshalb kann das Werfen in die Quellen nicht wohl angesehen werden als eine bloße Beseitigung. Noch weniger kann es gelten als eine Entsendung in die Unterwelt, aus der die Quelle hervorkommt 1 , da die Quelle die Gärtchen nicht in die Unterwelt versinken läßt, sondern sie entweder in sich bewahrt oder auch als Bach sie weiter führt. Ich bin nicht abgeneigt, mit andern 2 in jenem Brauch ein Zaubermittel zu erkennen, wodurch ein Einfluß ausgeübt werden sollte auf das Gedeihen der Vegetation. Der Adonisgarten, das Abbild des Vegetationsgottes, wird der Quelle als der Spenderin des Pflanzenwachstums übergeben, wie es scheint als ein Mittel, sie reichlich fließen zu machen oder ihr die Kraft der Befruchtung mitzuteilen3. Aber allerdings paßt diese Erklärung nicht auf das Werfen ins Meer, da das Meer den Semiten als das unfruchtbare Element gilt. Der Brauch, die Adonisgärten ins Meer zu werfen, hängt zweifellos zusammen mit einer Sitte des alexandrinischen Adonisfestes, das Adonisbild dem Meere zu übergeben Auch hier kann kaum die Vernichtung, das Sterben zum Ausdruck gebracht werden; denn das Bild, das ins Wasser geworfen wurde, hatte schon vorher den toten Adonis dargestellt. Aber dann ist nicht einzusehen, was das Werfen ins Meer überhaupt bezweckt Vielleicht ist das Meer hier an die Stelle der Quelle getreten mit Verkennung der Bedeutung des Ritus. Nach der Vereinzelung der Zeugnisse für das Werfen ins Wasser, sei es nun der Quellen oder des Meeres, ist es mindestens zweifelhaft, ob darin altphönizischer Brauch des Adonisdienstes vorliegt oder eine aus einem andern Kultus eingedrungene Übung. Begießen einzelner Bestandteile der Ernte mit Wasser und übergießen oder untertauchen eines bei der Ernte oder ihrer Vorbereitung beteiligten Menschen oder auch einer den Vegetationsgott darstellenden Person

1

Diese Auffassung bringt mir Dr. K Ü C H L E R in Vorschlag.

2

M A N N H A R D T , W a l d - und Feldkulte, Bd. II, S. 283. 288 und FRAZER, Golden

bough, B d . II 2 , S . 1 2 1 ; A d o n i s 1 , S. 194fr. MANNHARDT'S (S. 275) Voraussetzung, daß im Tammuzmythos T a m m u z von der Istar mit Lebenswasser besprengt werde, ist allerdings unsicher. 3 N a c h MANNHARDT wäre es ein ,,Regenzauber."

In dem Wachsenlassen der

Adonisgärten v e r m a g ich nicht, wie FRAZER es will, ebenfalls ein Zaubermittel zu sehen. Hier scheint mir nichts anderes vorzuliegen alsDarstellung eines Naturvorgangs, während mit dem Werfen ins W a s s e r , das die Nachbildung eines Naturvorgangs nicht sein kann, irgend etwas Neues hergestellt wird.

V o n der andern Seite wird

an den Adonisgärten als die Hauptsache angesehen das schnelle Aufwachsen des darin Gesäten; s. darüber unten 1. Teil, I V , 3. • S. unten 1. Teil, V .

Adonisklage und Adonisgärten.

141

kommt in volkstümlichen Bräuchen vieler Länder vor 1 . Vielleicht auch bezieht sich jener Zug im alexandrinischen Adonisdienste nicht auf Ernte oder Pflanzenwachstum. Möglicherweise stammt er aus dem Osiriskult 2 und wurde von dort aus auf Adonis und auf die Adonisgärten übertragen. Er hatte dann mit dem Werfen in die Quellen der Herkunft und Bedeutung nach nichts zu tun und bezog sich wohl ursprünglich auf die Vereinigung des als Nil gedachten Osiris mit dem Meere. Auf die ursprüngliche Bedeutung der Adonisgärten wird man jedenfalls aus den verschiedenen Bräuchen, die sich auf das Wasser beziehen, keine Schlußfolgerungen ziehen dürfen-3. Die ursprüngliche Bedeutung der Adonisgärten kann schon nach ihrer Beschaffenheit nicht zweifelhaft sein. Die Hinweisung auf das rasche Vergehn der Vegetation läßt sich von ihnen nicht abtrennen. Die Klage um Adonis als einen Gestorbenen wird im Hochsommer angestellt; auch die Adonisgärten bepflanzte man in Athen in derselben Jahreszeit*. Aus der Zusammenfassung der Bräuche und der Zeit ergibt sich unverkennbar, daß Adonis die Frühlingsvegetation bedeutet, die im Orient unter den Strahlen der Sommersonne vergehn muß. Johannes Lydus ist also im Rechte, der, wie schon erwähnt wurde®, den Adonis dem vom Sommer getöteten Frühling vergleicht. Daß er ihn speziell den „Mai" nennt, ist allerdings okzidentalisch gedacht; für Phönizien wäre eher an Februar und März als die Frühlingsmonate zu denken. 1

Belege

bei

MANNHARDT, Wald- und Feldkulte,

Bd. I,

S . 197.

355FF.; B d . I I , S. 2 6 5 ; F R A Z E R , G o l d e n b o u g h , B d . II 2 , S. I2IFF.

207. 214FR.

Noch mehr

ent-

spricht dem Brauche, die Adonisgärten ins Wasser zu werfen, die russische Sitte, eine mit Kleidern oder Schmuck behängte Birke, die in der Pfingstwoche gehauen wird, am Trinitatissonntag in fließendes Wasser zu werfen und ebenso Kränze und Laubgewinde hinterher, s. MANNHARDT a. a. O., Bd. I, S. 157fr. In vielen Gegenden verschiedener europäischer Länder werden die Träger des Maibaumes mit Wasser begossen, s. ebend. S. 162. 2

S. unten 1. Teil, V. Daß, wie LANGDON, Sumerian and Babylonian psalms, S. 327 annimmt, im Tammuzkult das Versenken eines Kästchens mit dem darin eingeschlossenen Gott in einen Fluß vorkam, wird von ZIMMERN, Gott Tamüz, S. 727, Anmkg. 2 bezweifelt. •3 ZIMMERN, Tamüzlieder, S. 214T bringt mit dem Brauche des Untertauchens in Wasser bei der Ernte in Zusammenhang die Aussage über Tammuz in einem der Tammuzlieder (S. 208, B Schluß): „als großer im Getreide taucht er unter und liegt (darin)"; aber, wie mir scheint, ist hier von einer Wasserprozedur nicht die Rede, sondern vom Untersinken im wogenden Getreidefelde (vgl. oben S. 114 f.). Über das versinkende Schiff des Tammuz der Tammuzlieder, worin man etwa eine Parallele erkennen könnte zu dem Werfen der Adonisgärten ins Wasser s. unten 3. Teil, II. 1 S. oben S. 123. 126.

S Oben S. 129.

142

Erster Teil: Adonis IV, 2.

2. Der Eber des Adonismythos. A u s einem Zuge des von den Griechen und Lateinern erzählten Mythos, wonach Adonis durch einen Eber seinen T o d findet, scheint sich noch deutlicher zu ergeben, daß er die Frühlingsvegetation repräsentiert. Indessen ist die ursprüngliche Zugehörigkeit dieses Zuges zum Adonismythos mindestens nicht zweifellos. Den Eber als die Todesursache des Adonis kennen wir für den Mythos des zu Byblos und im Libanon verehrten Adonis allein aus Lucian (Syr. dea 6), der nur sagt, daß sich die bekannte Geschichte mit dem Eber dort ereignet haben solle 1 . A u s dem Eber, der den Adonis tötet, ist bei Pseudo-Melito die Erzählung entstanden, daß Tammuz, d. i. Adonis, auf dem Libanon von Hephästos getötet wurde, als er Jagd auf Wildschweine machte 2 . Daß der Eber im Adonismythos der Griechen aus der Fremde stammt, würde sich deutlich ergeben, wenn wirklich den Adonisverehrern mit Rücksicht auf jenen Mythos das Schwein als unrein galt, eine Anschauung, die ganz und gar ungriechisch ist. Ich weiß aber die Kombination der Unreinheit des Schweines mit dem T o d e des Adonis nur zu belegen aus einer Erzählung bei Sophronius (SS. Cyri et Joannis miracula, Migne, SG. 87, 3, Sp. 3624), wo von einer Damascenerin Julia gesagt wird: Trpöc irXctvilv 'GWnviKriv caroKXivoucav,

Kai TauTfl ö i ä TÖV ' A ö i i m ö o c ,»9dvaTov

TOI Kpea

TrapaiTeköm

Tot ueta. Es wäre möglich, daß hier Scheu vor dem Schweinefleisch, die bei den Syrern allgemein bestanden haben kann, nur von dem christlichen Autor aus dem Adonisdienst erklärt wird 3. Belege für den Eber als Todesursache des Adonis ohne bestimmte Hinweisung auf eine phönizische oder syrische Vorstellung finden sich in großer Menge, aber auch sie erst verhältnismäßig spät. Die Bibliotheca Apollodor's (1. III, 14, 4) hat für die Erwähnung des Ebers des Adonis den Panyasis, aus dem sie sonst den Adonismythos schöpft, nicht zum Gewährsmann 4 . Das älteste Zeugnis ist etwa das des Nikan-

1

A u s der A n g a b e des Macrobius (Saturn. I, 21, 4), die den E b e r ausdrücklich

als die Todesursache des Adonis nennt, ist nicht zu ersehen, daß er diese Erzählung gerade in der Tradition von B y b l o s vorgefunden hat.

E r hat dies allerdings gewiß

ebensogut getan wie Lucian. 2

S. oben S. 74.

3 Die A n g a b e bezieht sich auf die Erzählung, daß die Heiligen der Julia verordnen, ihr krankes Söhnchen mit Schweinefett einzureiben, wobei der Gebrauch des unreinen Mittels als ein Zauber zu beurteilen ist nach der Darstellung von WEINREICH, Antike Heilungswunder (Religionsgeschichtl. Versuche u. Vorarbeiten, begründ. von A . Dieterich, Bd. V I I I , Heft 1, 1909), S. 115. 4

S. weiter unten.

Der Eber des Adonismythos.

143

d r o s ( u m 1 5 0 v. Chr.) b e i A t h e n ä u s (1. II, 80, 69).

Zunächst darauf wird

das

des Bion

drücklich dem

(ed. W i l a m o w . Idyll, i , 7 f . )

den E b e r

durch

einen

nennt, „Zahn"

aber offenbar verwundeten

folgen,

der zwar

a n ihn d e n k t ,

nicht

aus-

i n d e m er v o n

( ö ö ö v n Tuireic) A d o n i s

redet1.

A b e r s c h o n d e r D r a m a t i k e r D i o n y s i o s u m 4 0 0 v. C h r . b e z e i c h n e t e

nach

A t h e n ä u s d e n A d o n i s als cucrfpoc 2 .

doch

V o n der S c h w e i n e j a g d h a t er

w o h l nur b e r i c h t e t , u m d e n T o d d u r c h d e n E b e r einzuleiten. findet

sich

nicht

zählt,

daß A r e s

getötet habe.

selten

die G e s t a l t

eines E b e r s

a n g e n o m m e n und den

A u s d r ü c k l i c h bietet diese F o r m vielleicht zuerst

M a t e r n u s u m 3 4 6 n. C h r . (c. I X , 1, ed. Z i e g l e r S . 25)^.

1

Bei s p ä t e m

die G e s c h i c h t e v o n d e m E b e r in d e r F o r m

er-

Adonis Firmicus

S i e ist a b e r ä l t e r j

An weitern Belegen für den Eber kann ich noch angeben: Lykophron v. 833

(vgl. oben S. 72); Properz ed. Müller 1. III, 13, 54; Ovid, Metam. 10, 715f.; Hyginus, Fab. 248, ed. M. Schmidt S. 138; Valerius Probus zu Virgil's Bucol. 10, 18, ed. Keil S. 25; Cornutus, Theolog. Graec. compend. 28, ed. Lang S. 54f.; Plutarch, Quaest. convival. 1. IV, quaest. V, 3, 671 B ; Apologie des Aristides ed. Harris o., 23, Ubers. S. 44, griech. Text aus „Barlaam und Josaphat" S. 107; Theophilus, A d Autolyc. 1,9,

ed. Otto, Corp. apologetarum V I I I , S. 30: TixpuucKÖ(i£vov üird cuoc; Lac-

tantius, Div. institut. I, 17, Corp. scriptorum ecclesiasticorum Latinorum ig, S. 65: „etiamtum puer ab apro ictus occisus est"; Augustin, De civitate dei 6 , 7 , 3 , Migne, SL. 41,

Sp. 185: „Adonis aprino dente exstinctus";

Lactantius

Placidus,

Nar-

rationes fabularum, ed. Muncker 1. X , fab. 12 (aus Ovid); Idyll. Eic vcKpov Abumv unter dem Namen des Theokrit, bei BERGK, Anthologia lyrica 2 (1868), S. 5o8ff. n. IV, v. i f f . ( = Wilamowitz, Bucol. Gr., Append. XI, S. 126f.); „fragmenta adespota" bei BERGK a. a. O., S. S45 n. 79 (3. Aufl. 1883 S. 372 n. 79 A); ein Distichon unter dem Namen des Avitus, BUECHELER und RIESE, Anthologia Latina, I, i 2 n. 68; Scholion zu Ilias T, 197 B, ed. Dindorf Bd. I V ; Scholion zu Aristophanes, Acharn. v. 793; Eustathius zu Ilias X, 499, ed. Rom. S. 1283; ein später anonymer Mythograph in: Scriptores rerum mythicarum Latini tres, ed. Bode, Mythogr. III, 11, 17, S. 238f.: „ab apro interfectum solem, qui per Adonem designatur"; Theodor Bar Koni, s. oben S. 75; Bar Bahlul, s. oben S. 76.

Hierher gehört auch Ammianus Marcellinus ed. Gardth.

1. X X I I , 9, 15, obwohl wir oben S. 86. I24f. vermutet haben, daß der „Adonis" zu Antiochia, von dem er redet, der aramäisch-babylonische Tammuz ist; da aber Ammianus ihn mit dem den Okzidentalen bekannten Adonis identifiziert, überträgt er auf ihn den phönizisch-griechischen Mythos des Adonis.

Aus der Tötung des Adonis durch

den Eber ist später die Darstellung entstanden, daß ein Eber den Baum, in den die Mutter des Adonis, Myrrha, verwandelt war, spaltete und dadurch die Geburt des Adonis aus dem Baume veranlaßte, so bei Servius zu Virgil's Bucol. 10, 18. Plutarch (Sertorius 1,568), der zweiAttis unterscheidet, die beide von einem Eber umgebracht werden, einen arkadischen und einen syrischen, meint mit dem syrischen ohne Zweifel den Adonis (vgl. oben S. 84). 2

S. oben S. 79.

3 Ebenso Nonnus, Dionys. 41, 209f., vgl. 29, 135fF.; Cyrillus von Alexandria zu Jes. 18, 1 f., Migne, SG. 70, Sp. 440 und in der Wiedergabe seiner Aussagen Procopius

Erster Teil: Adonis IV, 2.

144

denn nur eine Variation davon wird sein die Erzählung des Ptolemaios Chennos (Hephaistion) unter Nero bis Nerva (bei Photius, Bibliotheca, Cod. 190, S. 243 H., Migne, SG. 103, Sp. 609), daß Apollon sich in einen Eber verwandelt und den Adonis getötet habe. Hier liegt nicht etwa eine ursprünglichere Form vor; denn die Kombination des Ebers mit Ares werden wir weiterhin ausreichend motiviert finden, während die mit Apollon es in keiner Weise ist 1 . Zur Beurteilung der Rolle, die der Eber im Adonismythos spielt, ist es notwendig, in weiterm Umfang auf die Bedeutsamkeit des Ebers und überhaupt des Schweines in den westsemitischen Religionen und darüber hinaus im vordem Orient einzugehn. Auf eine mythologische Bedeutung des Ebers bei den Phöniziern verweist wohl ein aus Phönizien stammender Skarabäus mit der Darstellung eines geflügelten Ebers 2 . Daß dieser zusammenhängt mit dem Eber, der den Adonis auf der Jagd tötet, machen allerdings die Flügel wenig wahrscheinlich. Sie deuten vielleicht auf eine Vorstellung von Heiligkeit des Schweines, die etwa als altphönizisch bezeugt sein könnte in dem schon oben aus Johannes Lydus berichteten Brauche auf Cypern, an einem Aphroditefeste wilde Schweine zu opfern. Mit dem Adonisdienste steht dies Opfer schwerlich in Zusammenhang, da seine Jahreszeit nicht paßt zu dem, was sonst von den Adonisfesten bekannt ist. Freilich bringt Johannes Lydus das Schweineopfer mit dem Mythos vom Tode des Adonis in Verbindung; das scheint aber seine eigene Kombination zu sein 3. Auf einer Felsskulptur zu Dschrabta bei Bhadidat östlich von von Gaza zu Jes. c. 18, Migne, SG. 87, 2, Sp. 2137; ebenso auch Johannes Lydus, De mensib. IV, 44 (64), ed. Wuensch S. 116 (vgl. IV, 45 [65], S. 119); Scholion zu Theokrit, Idyll. 3, 47. Servius läßt den Adonis sterben einmal durch den in einen Eber verwandelten Mars (zu Virgil's Bucol. 10, 18) und einmal durch den von Mars gesandten Eber (zu Virgil's Aen. V, 72: „cum ira Martis ab apro esset occisus"). Ein altes Scholion zu Lykophron v. 831 (ed. Scheer II, S. 266) nennt den Eber und Ares nebeneinander: àvctipeixai ù-rrà cuóc. oi bé cpaav ùttò "Apeaic év TiiuoXénu), und ähnlich berichtet Tzetzes zu Lykophron v. 831 (ed. Scheer a. a. O.), daß Ares entweder in Gestalt eines Schweines oder auf der Eberjagd den Adonis getötet habe. Nur den Ares nennt Aphthonius etwa im 4. Jahrh. n. Chr., Progymnasm. c. 2 (Rhetores Graeci, ed. Walz I, S. 62); ebenso, übereinstimmend mit Scholion zu Ilias E, 385 B, •ed. Dindorf Bd. III, Eustathius zu Ilias E, 387, ed. Rom. S. 561 und zu Odyss. A, 590, •ed. Rom. S. 1701 und Georgius Pachymeres geb. c. 1242, Progymnasm. c. 5 (bei Walz a. a. O., S. 558). Die Freude des „Mavortius" über den Tod des Adonis erwähnt das 2 anonyme Gedicht bei Buecheler und Riese, Anthologia Latina, I, i n. 4, I9f. 1

S. über Ptolemaios Chennos: G r e v e , De Adonide, S. 17.

2

M a n s e l l in der Gazette archéolog., Jahrg. IV, 1878, S. 50fr. ; daselbst zwei

•andere ähnliche Darstellungen eines Ebers sardinischer Herkunft. 3 Vgl. oben S. 129.

Schweineopfer sind auf griechischem Boden nicht ganz

Der E b e r des Adonismythos. Byblos

ist

Altar,

über

allerdings

dargestellt

dem

d a s nicht m e h r erkennbare Medaillon einer G o t t -

heit befindet1. Zeit

sich

die Hinzufuhrung

145 einer S a u

zu

einem

O h n e F r a g e ist d i e S a u als O p f e r t i e r zu v e r s t e h n .

der Skulptur

vermag

dargestellten Personen

ich

auch

aus

nicht zu erkennen.

E s ist m ö g l i c h ,

der

daß es sich

hier u m eine s p ä t v o n a u s w ä r t s e i n g e d r u n g e n e Sitte handelt. Opferszene auf phönizischem Boden

Die

der eigenartigen Kleidung Mit

dieser

stimmt jedenfalls nicht überein

was

P o r p h y r i u s ( D e a b s t i n . I, 14, e d . N a u c k , e d . 2 S . 9 7 ) b e r i c h t e t , d a ß w i e d i e Juden

so

auch

enthielten, Schwein

daß

die Phönizier weder

geopfert werde

überhaupt nicht gebe.

sich

in C y p e r n 2 und

des Genusses noch

des

in P h ö n i z i e n

Schweinefleisches den

Göttern

d a ß e s S c h w e i n e in a l l e n d i e s e n

ein

Ländern

D a Porphyrius aus T y r u s gebürtig war, so wird

selten, besonders im Kultus der Demeter und des Dionysos, s. PAUL STENGEL, Quaestiones sacrifícales (Bericht über das K. Joachimsthalsche Gymnasium

1878/79),

S. 27 ff.: D e nonnullis animalibus quae quibusdam deis immolari non licebat (über das Schwein S. 28f.); derselbe, Die griechischen Kultusaltertümer 2 , 1898, S. 108; für Demeter und K o r e vgl. DE VISSER, Die nicht menschengestaltigen Götter der Griechen, Leiden 1903, S. 161, Anmkg. 2.

Zu erwähnen wäre ferner noch unter anderm bei

Hesychius die "ApT€|uic év Zoí|auj s. v. KcnrpoqpdYOc, also eine Artemis, der E b e r geopfert wurden. Im Aphroditedienste war Ü b u n g oder Vermeidung des Schweineopfers schwankend.

Ein Scholion zu Aristophanes, Acharn. v. 793 verzeichnet es wie eine

Ausnahme, daß viele unter den Griechen der Aphrodite keine Schweine opfern, was aus einer Rücksicht auf die Geschichte des Adonis erklärt wird (nach Acharn. v. 793 scheint das Nichtopfern zu Megara Satzung gewesen zu sein; vgl. dagegen v. 792). Kallimachos bei Strabo 1. IX, 5,17, C. 437 f. (Callimachea ed. Schneider fr. 82b, Bd. II, S. 238fr.) erwähnt Schweineopfer im Dienste der Aphrodite Kastnietis,

der

Göttin des Gebirges Kastnion in Pamphylien, und bei Athenäus 1. III, 49, 95f. (Callimachea fr. ioo h , Bd. II, S. 355) ebensolche Opfer für die Aphrodite in A r g o s (vgl. für Argos Eustathius zu Ilias A, 417, ed. Rom. S. 853). Eustathius zu Dionysius Perieget. v. 852 (Geogr. Graeci minores, ed. C. Müller II, S. 366) berichtet von der Stadt Aspendos in Pamphylien: cuiliv öuciaic

iXdcKexai 'Aqppo&ÍTri, ö écri SepaiTEijeTai.

Andererseits finden wir in einer Inschrift von Lesbos, die älter zu sein scheint als aus römischer Zeit, die Satzung, daß auf dem Altar der Aphrodite, der Peitho und des H e r m e s kein Eber oder Schwein geopfert werde

(CAUER, Delectus inscriptionum

Graecarum 2 , 1883, S. 280 n. 435), und Pausanias (1. II, 10, 5) berichtet von dem Aphroditeheiligtum zu Sikyon, daß Schweine dort nicht geopfert wurden. Vgl. PRELLERROBERT, Griech. Mythologie, Bd. I*, S. 381, Anmkg. 2. Die Angaben über ein Verbot, der Aphrodite Schweine zu opfern, bei DE VLSSER a. a. O., S. 49 sind zu modifizieren. W o h l nur dies, daß für den Aphroditedienst bei Johannes Lydus von wilden Schweinen die R e d e ist, kann etwa auf nichtgriechische Sitte hindeuten.

A u f eine besondere

Wertschätzung des Schweines bei den Cypriern verweist ein Zitat aus Antiphanes bei Athenäus III, 49,95 f. (Comicorum Atticorum fragm. ed. Kock II, 1, S. 61 n. 126). 1

RENAN, Mission, Taf. X X X I und dazu S. 238 f.

2

Vgl. j e d o c h oben Anmkg. 3 zu S. 144, Schluß.

B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

10

146

Erster Teil: Adonis IV, 2 .

seine A n g a b e über die Phönizier für die Verhältnisse zu seiner Zeit kaum ganz

unrichtig

sein.

Möglicherweise

gehört

hierher

die

Bestimmung

eines Demetrius aus Askalon, der in der kürzlich auf Delos gefundenen Votivinschrift eines Altars für den Zeus Urios, die Astarte Palaistine und die Aphrodite Urania etwa aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert es für oü öejuiTov erklärt, irpocayeiv aiVeiov, rendus A I . 1909, S. 308).

Allerdings

UIKÖV,

ßoöc GnXeiac (Comptes

geht daraus noch

nicht hervor,

daß das Verbot, etwas vom Schweine darzubringen, speziell dem Kultus der Astarte Palaistine angehört 1 .

Immerhin ist diese das Schwein be-

treffende Satzung bei einem Manne, der aus Palästina stammte, bemerkenswert. kundet

In dem Nichtgenießen

und Nichtopfern

des Fleisches

be-

sich nicht minder als in seiner Opferung die Vorstellung von

einer religiösen Bedeutsamkeit des Tieres; bald ehrte man es als heilig, bald scheute man es als irgendwie verderblich.

Die bei den Hebräern

anscheinend sehr alte A n s c h a u u n g von dem Schwein als einem unreinen Tiere,

dessen Fleisch deshalb zu essen verboten sei, ist vielleicht die

Umkehrung einer ursprünglichen Vorstellung von Heiligkeit des Schweines, die entweder einstmals bei den Hebräern selbst bestand

oder

eher bei

einem andern Volke, von welchem sie sie kennen lernten 2 . Bestimmter 1

als bei

den Phöniziern ist bei den Aramäern

mytho-

CLERMONT-GANNEAU, dem wir die Mitteilung der Inschrift verdanken ( U n e

dédicace à Astarté Palestinienne découverte à Délos, Comptes rendus A I .

1909,

S. 307 fr.), denkt (S. 315 f.) die drei verbotenen Tiere auf die drei Gottheiten verteilt und der Astarte das Verbot des Schweines zufallend. 3

W i e alt bei den Hebräern die Anschauung von der Unreinheit des Schweines

ist, läßt sich nicht genau bestimmen. Für das Alter des Gesetzes von den reinen und unreinen Tieren ist seine Aufnahme im Deuteronomium nicht entscheidend.

Im

großen Zeremonialgesetz ist es eine von den einzelnen Torot (Lev. 11, 46), die jedenfalls zu den ältesten Bestandteilen dieses Gesetzbuches gehören und m. E . unbedingt als vorezechielisch und wahrscheinlich als sehr alt anzusehen sind.

Die T o r a von

den reinen und unreinen Tieren spiegelt gewiß im allgemeinen die bestehende Volkssitte wider.

A b e r sie verfahrt systematisierend und hat zur Herstellung des Systems

wahrscheinlich unter den unreinen Tieren solche rubriziert, die nach älterer Volkssitte nicht dafür galten.

Wenn indessen die eben ausgesprochenen Voraussetzungen

berechtigt sind, so ist keinenfalls erst im Gegensatz zu einer babylonischen Sitte das Verbot des Schweinefleisches entstanden. —

In Gezer hat MACALISTER (Report of

the excavation of Gezer, Palestine Exploration Fund, Quarterly Statement 1903, S. 321 ; 1904, S. 113) in dem dort ausgegrabenen Heiligtum Schweineknochen gefunden, die möglicherweise von Opfern herrühren.

D a ß die Knochen der neolithischen, vor-

semitischen Schicht angehören, wie MACALISTER annimmt, scheint mir aus seinen A n g a b e n über die Umgebung, in der sie gefunden wurden, nicht mit Sicherheit hervorzugehn.

Jedenfalls aber spricht der Fund dafür, daß es in Palästina eine Periode

gab, in der das Schwein nicht als unrein galt.

Die Schweineherde dagegen Matth.

8,30fr. Marc. S, 11 ff. Luc. 8, 32ff. beruht nicht sicher auf altpalästinischem Brauche.

Der Eber des Adonismythos.

147

logische und gottesdienstliche Bedeutsamkeit des Ebers, überhaupt des Schweines, zu erkennen. Es hat gewiß eine mythologische Grundlage, daß der dem Monat Tammuz vorausgehende Monat bei den Syrern den Namen hezirän, Monat des „Ebers", trägt. Besonders ist bemerkenswert, daß nach der Schrift „De Syria dea" (§ 54) zu Hierapolis am Euphrat Schweine weder geopfert noch gegessen wurden, was der Verfasser aus einer Scheu vor dem Tier erklärt (cuac be jnouvac ivafiac vo|uiüovTec), nach seiner Angabe andere dagegen aus der Heiligkeit des Tieres ableiteten (ipouc vo|ai£ouci). Dio Cassius (1. L X X I X , 1 1 ) und Herodian (l.'V, 6, ed. Mendelss. S. 144) berichten vom Kaiser Heliogabal, daß er sich des Schweinefleisches enthielt, wie Herodian sagt „nach dem Gesetz der Phönizier"; es war aber zweifellos syrischer, zu Emesa geltender Brauch, welchen Heliogabal, der einstmalige Priester des Gottes von Emesa, befolgte. In einer bei Suidas (s. v. Ao|uvivoc) aus Damascius berichteten Erzählung von dem Syrer Domninos, wonach Asklepios ihm als Kur das Essen von Schweinefleisch verordnet, wird angegeben, daß dies gegen das Gesetz der Syrer ist 1 . En-Nedim (Chwolson, Ssabier II, S. 42; ed. Flügel S. 326) gibt im Fihrist von einer Sekte der harranischen Ssabier an, daß sie an einem bestimmten Jahrestage den Göttern Schweine opferten und an diesem Tage (sonst also nicht) Schweinefleisch aßen. Irgendwelche aramäische Kultsitte im nachexilischen Palästina wird wohl geschildert in der Angabe eines nachexilischen Propheten (Jes. 66, 3) über Schweineblut als dargebrachte Opfergabe; der Brauch wird von den selben Personen geübt worden sein, an denen gleich darauf (v. 17, ebenso Jes. 65,4) gerügt wird, daß sie Schweinefleisch essen. — Man sieht, Vorstellungen von einer religiösen Bedeutsamkeit des Tieres haben auch hier die entgegengesetzten Wirkungen gehabt, daß man bald das Tier als heiliges opferte und dann unter Umständen auch aß, bald sich des Fleisches dieses Tieres enthielt. Dieses tat man, entweder weil man das Schwein von Anfang an als ein unreines Tier ansah oder auch deshalb, weil das Tier ursprünglich als ein heiliges und deshalb unberührbares galt 2 . Es ist aber doch deutlich, daß in den uns vorliegenden Zeugnissen sowohl für die Phönizier als für die Aramäer die der alttestamentlichen Auffassung entsprechende Charakterisierung des Schweines als eines unreinen Tieres überwiegt. Indessen, vom Alten Testament abgesehen, sind alle diese Zeugnisse aus später Zeit.

1

Ich verdanke die Stelle WEINREICH, Antike Heilungswunder, S. 113f.

Eine

Parallele dazu ist die Erzählung bei Sophronius oben S. 142. 2

E s ist hier vielleicht in der Anwendung auf ein und dasselbe Tier das zu be-

obachten, was WUNDT, Völkerpsychologie, Bd. II, 2, 1906, S. 245FR. als „entsagenden und genießenden Totemismus" beurteilt.

Die Bezeichnung „Totemismus" möchte

ich damit nicht auf diesen Fall angewendet haben.

10*

148

Erster Teil: Adonis IV, 2.

Zum Verständnis der Anschauung vom Schweine bei den Westsemiten muß auch die Beurteilung dieses Tieres bei den Ä g y p t e r n in Betracht gezogen werden. Von einem gewissen, bis jetzt nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt an finden wir auch bei ihnen die Anschauung von der Unreinheit des Schweines. Nach Herodot (1. II, 47) galt es bei den Ägyptern als ein unreines Tier ((aiapöv t]Tr|VTCü Oripiov eivcu), sodaß sie keinerlei Gemeinschaft mit den Schweinehirten hatten, und doch opferten sie der „Selene" und dem „Dionysos" Schweine. Der Unreinheit des Tieres wird auch hier eine bestimmte kultische oder mythologische Bedeutung zugrunde liegen, vielleicht ursprünglich die Anschauung von seiner Heiligkeit, da man daran zweifeln kann, daß die Vorstellung von seiner Unreinheit schon im ältesten Ä g y p t e n bestand. Jedenfalls hatten die alten Ä g y p t e r Schweineherden. In einem thebanischen Grabe des neuen Reiches ist eine Schweineherde dargestellt 1 . Allerdings geht daraus noch nicht unbedingt hervor, daß man Schweinefleisch aß und opferte. Bei Älian (De nat. anim. X, 16) ist eine Aussage des Eudoxos (4. Jahrh. v. Chr.) erhalten, worin er die ihm bekannte Vermeidung des Schweineopfers aus Schonung des Tieres erklärt, weil man die Schweineherden gebraucht habe zum Einstampfen des ausgesäten Getreides. A b e r es ist doch wenig wahrscheinlich, daß die Ä g y p t e r sich lediglich zu diesem Zwecke Schweineherden hielten, und so hat vermutlich Eudoxos zweierlei zeitlich oder örtlich getrennte Übungen, das Halten von Schweineherden und das Vermeiden des Schweineopfers und wohl überhaupt des Schweineschlachtens, miteinander kombiniert. Jedenfalls scheint auch nach seinen Angaben die Vorstellung von der Unreinheit des Tieres ein jüngeres Stadium in dessen Beurteilung zu repräsentieren 2 . Sie könnte möglicherweise von auswärts importiert sein. D a Herodot in jener A n g a b e mit dem „Dionysos" zweifellos den Osiris meint 3, so läßt sich mit seinem Bericht die A n g a b e Plutarch's in der Schrift „ D e Iside et Osiride" (c. 8, 353 F) zusammenstellen, wonach in Ä g y p t e n die Priester das Schwein für ein aviepov £wov hielten aber jährlich einmal an einem Vollmondstag ein Schwein geopfert und ge-

Aegypten und aegyptisches Leben im Altertum, Bd.

1

ERMAN,

2

E s ließe sich denken,

II,

S. 589.

daß das Schwein als das Tier des Gottes Set seinen

Charakter änderte mit der Umwandlung des Gottes selbst in einen feindlichen und schädlichen Gott.

Vgl.

LE

PAGE RENOUF,

Book of tlie d e a d , Proceedings of the

Society of Biblical archaeology, Bd. X V I I , 1895, S. 9. 3 Unter d e m ägyptischen Dionysos der Griechen ist ständig Osiris zu verstehn, s. unten 1. Teil, V . • A u c h Sextus Empiricus (Hypotyp. III, 223, ed. B e k k e r S. 173) berichtet von d e m 'loubatoc und ebenso von dem ägyptischen Priester: 8"1DN „Osiris hat bewahrt" in jener Bilinguis aus Malta als Name eines Tyriers und seines Vaters, wiedergegeben mit Zapamiuv (122 und 122 bis, Z. 2f.3) ; auf Cypern (52, 2); IDN-^fi (doch wohl verkürzt aus IDK-tys „Osiris hat getan" •) und 1DK"QJ> in Karthago (Comptes rendus AI. 1899, S. 562; "IDK"13J> ferner Répertoire n. 102, 4). Hierher gehört wohl auch der karthagische Personname piDK (CIS. 821, 4). Einmal scheint sich für den Namen Osiris die Schreibung "ltMt zu finden in einem Personnamen zweifelhafter Lesung, vielleicht n^BntPN, auf Cypern (65, if.). Für sich allein als Gottesname ist 1DK bis jetzt mit Sicherheit nicht nachgewiesen; vielleicht ist er zu lesen in einer noch nicht definitiv entzifferten Inschrift zu Umm-el-awamid: (Clermont-Ganneau, Recueil V , S. 377 5 ). Dagegen ist der komponierte Name "lûtobû auf Malta (CIS. 123bis, if.) bestimmt als Gottesname anzusehen 6 . A u f einer maltesischen Münze mit phönizischer Schrift findet sich ferner ein Bild der Osirismumie 7 . Osiris galt allgemein und schon frühzeitig bei den Griechen als identisch mit Dionysos 8 . Die oben angeführte Wiedergabe des Namens "1DN"T2J? mit Aiovucioc beruht auf dieser Identifizierung. A u c h der mit Adonis nahe verwandte Gott Esmun scheint in Phönizien dem Dionysos gleichgesetzt worden zu sein'. Einen Beleg dafür, daß dies auch für den Adonis von Byblos schon im Kultus der Fall war, kenne ich nicht; 1

Bei

RENAN:

Aßboucißoc (Aßöoucißou); die Verbesserung stammt von

CLER-

MONT-GANNEAU, R e c u e i l III, S. 145. 2

Zur Zeitbestimmung s. CIS. I, i, S. 152; ALBERT M A Y R , Die Insel Malta im Altertum, S. 101, Anmkg. 5. 3 Wozu LIDZBARSKI, Epigraphik, S. 224 vergleicht Carth. n. 265, 2 . * So PHILIPPE BERGER in den Comptes rendus am oben a. O . : „Palosir". S Vgl. LIDZBARSKI, Ephemeris II, S. 165ff.J Répertoire n. 504. 6 S. Artikel „Moloch" PRE.3, Bd. XIII, S. 281, 49fr.; ALBERT M A Y R , Die Insel Malta im Altertum, S. 123 f. 7 ALBERT MAYR, Die antiken Münzen usw., Programm des K. Wilhelms-Gymn. in München 1894, S. 8 n. 2; vgl. S. 9 n. 5. 8 Diodorus Sic. I, 13, 5 , 1 7 : TÔV nèv "Ocipiv |ae0ep|ir|v€u D^S DK nYlK d M ^ l 1 ? „meiner Herrin, der mächtigen Göttin Isis, der Göttin Astarte" (Lidzbarski, Ephemeris I, S. 158, Z. 2), und eine im Museum zu Kairo befindliche Statuette etwa aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert, welche die Isis sitzend darstellt, mit dem Horusknaben auf den Knieen, trägt eine phönizische Inschrift mit der Weiheformel „meiner Herrin, der Astarte" (Comptes rendus A I . 1904, S. 472). A u f Identifizierung der Baalat von Gebal mit der Hathor oder Isis in Inschriften und Skulpturen und auf die Münzen von Byblos, wo Isis selbst dargestellt erscheint oder die Baalat von Gebal als Isis, ist schon oben 1 hingewiesen worden. Vielleicht ist auf Münzen von Malta etwa aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert die Astarte zu erkennen in dem Kopf einer Isis 4 . A u f mauretanischen Münzen, die sich nicht sicher datieren lassen, scheint ein weiblicher Kopf die Isis darzustellen, die vielleicht auch hier mit der Astarte kombiniert zu denken ist 3 . W a s sich sonst noch auf westafrikanischem Boden, in Karthago und den umgebenden Landschaften, an Darstellungen der Isis findet, mag alles erst in der römischen Periode aufgekommen sein. Dagegen können in Sardinien Spuren des Isiskultus bis in die karthagische oder in vorkarthagische Zeit der Berührung mit den Phöniziern zurückreichen 4 . Zu Sulci ist ein Isisbild mit phönizischer Inschrift gefunden worden (CIS. 148), ein ähnliches Bild auch in Karthago 5 . 'Aß&nc als „eine sehr kühne Hellenisierung" nach Analogie von ©eiaicroKXiouc). Vielleicht kommt noch eine dritte Möglichkeit in Betracht: „ e s " in „ A b d e s " = tffN als Abkürzung von „ E s m u n " ; sie ist wenig wahrscheinlich, vgl. unten S. 203. — F ü r altem Kult der Isis auf syrisch-palästinischem Boden kommt nicht in Betracht eine Statue der Isis neben der einer €ipr|vri zu Mismie, dem alten Phäna, im Hauran.

Die

Statue gehört zu einem „praetorium viae", einem „Absteigequartier für die im Staatsauftrage Reisenden", das unter Marcus und Verus erbaut wurde.

Die Statue weist

also nur hin auf die Ausbreitung des Kultus der Göttin unter römischem Einfluß, s. darüber v. DOMASZEWSKI, D i e Inschrift eines Stationarius, Mitteilungen des Kais. Deutschen Archaelog. Instituts, Roemische Abteiig., B d . X V I I , 1902, S. 332f.

Eben-

sowenig gehört hierher die Inschrift eines Malchos v o m J. 142/3 n. Chr. aus Dscherasch, worin Statuen „ d e s Zeus, des großen Helios Sarapis, der Isis und der [Nejurripa, der in gemeinsamem Heiligtum zu verehrenden Götter" erwähnt werden (DALMAN, Einige Inschriften aus Dscherasch, Zeitschr. des Deutschen Palästina-Vereins, Bd. X X X I I , 1909, S. 222 f. und dazu BRUENNOW, Mitteilung, u. Nachr. d. Deutschen Palästina-Vereins 1910, S. 27). W a s DREXLER, Artikel „Isis" in R o s c h e r s Lexikon der griech. und röm. Mythologie, Bd. II, 1, Liefer. 20, 1891, Sp. 373ff. noch für Phönizien und Palästina angibt, ist alles recht unsicher und scheint ausnahmslos auf römische Zeit zu verweisen. 1

S. 195 f.

2

ALBERT MAYR, Die Insel Malta im Altertum, S. 126.

3 L . MÜLLER, Numismatique de l'ancienne Afrique, Bd. III, Kopenhagen 1862, S. 176 fr. 4

Für Westafrika s. DREXLER a. a. O., Sp. 417 fr., für Sardinien ebend., Sp. 392 ff.

s CIS. I, 1, S. 195.

Erster Teil: Adonis V.

202

Die Verbreitung des Isiskultus bei den Phöniziern wird teilweise Hand in H a n d g e g a n g e n sein mit der Ausbreitung des Osiriskultus, hat aber allem Anschein nach auch selbständige W e g e eingeschlagen und wird dann die A u f f a s s u n g des Osiris als eines phönizischen Gottes gefördert haben. D i e Bezeugungen des Osiris- und Isisdienstes bei Phöniziern erklären nur eine spätere Verschmelzung des Adonis mit Osiris. wandtschaftsverhältnis

in den Vorstellungen

A b e r das V e r -

der beiden Götter und die

geschichtlichen Beziehungen von B y b l o s zu Ä g y p t e n sind der A r t ,

daß

beides uns auf Zusammenhänge der Gottesvorstellungen verweisen kann, die bis in sehr hohes Altertum hinaufreichen. nochmals zurückzukommen sein 1 .

E s wird darauf später

Die Verschmelzung der beiden Götter

muß nicht unbedingt auf einer Analogie

der ihren A n f a n g e n zugrunde

liegenden Vorstellungen beruhen, zweifellos aber auf einer V e r w a n d t s c h a f t in den geschichtlich ausgebildeten Formen. Deshalb bestätigen die Übereinstimmungen der Osirisvorstellung mit der von uns gewonnenen A u f fassung von Adonis die Richtigkeit dieser A u f f a s s u n g in ihren allgemeinen Umrissen. D a g e g e n läßt sich im Detail nicht mit Sicherheit entscheiden, wie viel von

jenen Gemeinsamkeiten

auf beiden Seiten ursprünglicher

Besitz war, wie viel auf einer Assimilation beider Gottheiten nach ihrem geschichtlichen Zusammentreffen beruht. Keinenfalls gewinnen wir auf dem W e g e der Vergleichung mit Osiris eine geschichtliche Adonis2.

Erklärung

für die

Herkunft

der

Vorstellung

Dafür kann nur in Betracht kommen die A n a l o g i e ,

schen Adonis und T a m m u z besteht.

von

die zwi-

Diese zu beurteilen, ist erst möglich,

wenn vorher der dem A d o n i s nahe verwandte phönizische Esmun nach seiner Bezeugung und Bedeutung besprochen worden ist.

D a s Verhält-

nis des Esmun zu Adonis wird für die Bestimmung des Verhältnisses des A d o n i s zu T a m m u z als ein wichtiger Faktor in Betracht kommen müssen. Unten 3. Teil, II. DALMAN, Der Gottesname Adonaj, S. 14 nimmt an, „daß der phönizische Baal stellenweise mit dem ägyptischen Osiris verschmolzen war und dies der Anlaß wurde, ihm ein Sterben und Wiederaufleben zuzuschreiben, welches der Inhalt der griechischen Adonismythe wurde". Eine derartige Entstehung des „Adonis" ist ausgeschlossen durch die Abweichungen des Adonis- von dem Osiriskult: die Klage im Hochsommer, die Adonisgärten, die andersartige Vorstellung von Adonis als einem noch nicht zur Männlichkeit gelangten jugendlichen Gott, und dann vor allem durch den Zusammenhang des Adonis mit dem babylonischen Tammuz; denn für diesen ist eine Herausbildung aus dem Osiris nicht denkbar. Sollte wirklich die Entstehung, nicht nur die spätere Form, der Vorstellungen von Adonis und Tammuz mit der von Osiris zusammenhängen, so müßte dieser Zusammmenhang vor aller geschichtlichen Bezeugung der drei Götter liegen und könnte deshalb nicht von vornherein Osiris als der Urtypus angesehen werden. 1

A

Zweiter Teil.

Esmun. I. Der Name Esmun. Die volle F o r m des Gottesnamens ptPN haben phönizische Inschriften überliefert in nicht häufiger direkter Erwähnung des Gottes und in zahlreichen mit dem Gottesnamen zusammengesetzten Personennamen *. Daneben kommen vereinzelt in zusammengesetzten punischen Personennamen die Abkürzungen oder auch Verstümmelungen Üt^N (CIS. 719, 4 ^HEt^N; 668, 5f. DDJiötPK), \W ( 1 1 0 6 , 2 f . ; Répertoire n. 126, 1 pîWSN; C I S . 350, 3 JöBTOy) und vielleicht sogar B>K ( 3 2 9 , 2 337, 4 vor; dies t5W ist aber doch möglicherweise Abkürzung irgendeines andern Gottesnamens 3 . Die Verkürzung findet sich auch einmal als Bestandteil des zusammengesetzten Namens eines phönizischen Fremdlings in Ä g y p t e n (100 a p t m y ) . Für die Aussprache des Namens ist durch alle überlieferten Umschreibungen in der zweiten Silbe u (oder o) bezeugt. Schwankend dagegen ist die Umschreibung der ersten Silbe. Die herrschend gewordene Aussprache „ E s m u n " ist, soviel ich sehe, nur einmal bezeugt, und zwar sehr spät, nämlich bei Damascius, der "Eciiouvoc schreibt (bei Photius, Bibliotheca Cod. 242, S . 573 H . , Migne, S G . 103, S p . 1304^). Schon die Quelle des Damascius hat wohl das E gehabt, da seine Erklärung des Namens mit: êiri Trj Oépurç Tflc Zuurjc sich auf hebräisches CK „Feuer" zu beziehen scheint; diese Ableitung rührt schwerlich von Damascius selbst her. In einer lateinischen Inschrift aus Calama (Gelma) in Numidia Pro1

S. unten 2. Teil, II. „Abdes" als Name eines Sidoniers (s. oben S. 200, Anmkg. 4) gehört wohl nicht hierher. 3 Schwerlich ist 0K*ny gleichwertig mit DM13)) „Diener der Isis", da dagegen das maskulinische Verbum in WK^JiS spricht. 2

204

Zweiter Teil: Esmun I.

consularis kommt vor der Name eines Sufeten im Genetiv „Asmunis" (CIL. VIII, 5 306), offenbar ein Hypokoristikon. Ebenso wird unter den Bischöfen des karthagischen Konzils vom J . 4 1 1 ein Bischof Asmunius von Tiguala (in Byzacene) genannt 1 . Neben dieser Schreibung mit a am Anfang findet sich inschriftlich in zusammengesetzten Personennamen eine andere mit i oder u, nämlich zu A g b i a in Africa Proconsularis der Name „Abd-ismunis" im Genetiv (CIL. VIII, 1562) und ebenfalls als Genetiv in Sidon Aßö-uZnouvou (Waddington 1866 c). Dieselbe Aussprache des ersten Vokals noch in dem Namen [~rip-uc|iovoc als Genetiv in einer Inschrift aus Cypern (Revue archeolog., Nouv. Ser. X X V I I , S. 90'). In dem Genetiv ist ein Nominativ Hipuciiujv vorausgesetzt, sodaß also der Vokal der letzten Silbe von )DtyK mit tu, nicht wie sonst ausnahmslos mit ou, u umschrieben wäre. Nichts Sicheres ist zu entnehmen aus der Umschreibung des Namens in einer Bilinguis aus dem Piräus, da die Wortabteilung im Griechischen undeutlich bleibt, entweder EcujuceXiinou oder ZujuceXrinou als Genetiv (CIS. 1 1 9 , x). Die an erster Stelle gegebene Abteilung würde für die Aussprache „Esmun" geltend zu machen .sein; aus der noch weiter abgekürzten Form, die der an zweiter Stelle gegebenen A b teilung zugrunde läge, läßt sich nichts entnehmen für die Aussprache des vollständigen Gottesnamens. Die Aussprache mit e, i und u der ersten Silbe ist doch wohl anzusehen als Trübung einer ursprünglichen mit a , wie wahrscheinlich ebenso die Umschreibungen des phönizischen "¡btt mit „melk, milk" neben „malk". In Dioskurides* „De materia medica" (1. IV, 70, R V , ed. Wellmann II, S. 228) wird als der für die medizinische Pflanze „Solanum" von den Puniern ("Atppoi) gebrauchte Name angegeben öcTipc|aouvi|i 3. Darin ist 1

M A N S I , Collectio conciliorum, Bd. IV, Sp.97 A . Mit M A N S I ist nach dem Vorgang

von BALUZIUS (Collectio concil., Bd. I, Sp. 197) zu lesen „Asmunius", nicht „Sumnius" mit HARDUIN (Acta concil., Bd. I, Sp. 1080), da, wie mich Professor JÜLICHER belehrt, BALUZIUS den guten Cod. Colbertinus für seine Emendationen benutzt hat, während HARDUIN die ältern Editionen reproduziert. 2

Die Kenntnis der Inschrift verdanke ich Herrn Professor LIDZBARSKI.

3 Die frühern Ausgaben, so die von SPRENGLER, boten 4cTpecnouvi|I.

Diese

Lesung ist aber nach WELLMANN'S Handschriftenvergleichungen nirgends bezeugt. Die Stelle gehört nach seinen Angaben, ihm weiter zu erläutern vermag, lungen, (Ende

die nicht von des

Dioskurides

die ich aus brieflichen Mitteilungen von

zu der Reihe sondern

von

1. Jahrhunderts n. Chr.) herrühren.

der

Synonymenzusammenstel-

dem

Grammatiker

Pamphilos

Die

Handschriften

des Dios-

kurides mit den Synonymenlisten haben nach W E L L M A N N übereinstimmend dtcrpicliouvija, dagegen bietet unter den Handschriften der Synonymenlisten in einer ältern Redaktion Cod. Constantinopolitanus dTipcf^ouvijx und Cod. Neopolitanus äcTipcfiouvifi.

205

Der Name Esmun.

äcTtp sicher Umschreibung von *V5tn „Gras", und in cpouvi^ wird der Name des punischen Asculap, d. i. Esmun, zu erkennen sein 1 . Da eine Form (D)WDB>, oder auch (D^JWK, (D)UöPN als Name des Gottes selbst nicht vorkommt, wird c(nouvi|U, als Verkürzung von D'OIDB'N, eine Adjektivbildung "OIÖBW zur Voraussetzung haben. Daß Schluß-^ ist vielleicht willkürliche Zutat der Griechen wie in NetpöaXein, vielleicht auch eine punische Nominalendung wie in DtiHN neben BHN und D338 neben „Magon" 2 . Die Bedeutung des Namens scheint also zu sein „herba Asclepiaca", nicht „herba Aesculapii". Möglicherweise ist vor quouviju ein e ausgefallen, wie öfters vor c. Es könnte aber auch ein anderer Vokal ausgefallen sein oder die verkürzte Form ]öS!> für den Gottesnamen zugrunde liegen wie in den angeführten Personennamen. Für die Aussprache, ob „Esmun" oder „Asmun", ist also aus dem Pflanzennamen nichts zu entnehmen. Keilschriftlich findet sich der Gottesname in der Form (ilu) Ja-sumu-nu unter Gottesnamen von „jenseit des Stromes"* und allem A n schein nach als Samüna, Samünu in Personennamen: Samüna-aplu-iddin Samünu-iatüni, möglicherweise ferner als Samnu in den Personennamen „Samnu-ha . . und Sammi-huna*. Die einigermaßen auffallende Form

Ja-su-mu-nu6 wird daraus zu erklären sein, daß der Spiritus lenis (K) des 'a in der Aussprache „'Asmun" wie ein j gehört wurde'. Jedenfalls beDas 6 steht also nirgends. Die richtige Lesart ist zweifellos die des N. dcTipcjxouvi|i, die das offenbar zugrunde liegende w n am korrektesten wiedergibt. Den Pflanzennamen hat zuerst BOCHART, Geographia sacra, Chanaan II, 15 (Cadomi 1646, S. 842) als „legendum dcTip ¿quouvi" aus Ulbttfx YXn erklärt. Er verstand den Namen in dem Sinne „herba octavi" mit Annahme einer Grundform "•JBttiN für den Gottesnamen in der Bedeutung „octavus": „Ebraice dixeris TSn 'Snawn". Aber 'JIDPK kann schwerlich dem hebräischen Tn»n entsprechen. 1

2

Das

IJLI in dCTpecnouvin ( d c n p c n v o u v t n ) läßt sich n i c h t m i t H O M M E L

(Geo-

graphie u. Gesch. des alten Orients 2 , S. 161 f., Anmkg. 2) rechtfertigen als die Endung eines von dem Gottesnamen gebildeten pluralischen Nomens in der Bedeutung „Abend", also dcTpec|iouvi|i = „Gras des Abends, Nachtschatten", da die Bedeutung „Abend" sich nicht erweisen läßt, auch nicht aus D,3BB>« Jes. 59, 10. 3 WINCKLER, Altorientalische Forschungen, Zweite Reihe, Bd. I, Hft. 1, 1898, S. 12 f. 192. • JOHNS, An Assyrian doomsday book, Leipzig 1901, S. 63. 5 JOHNS, Assyrian deeds and documents, Bd. III, S. 268; vgl. ZIMMERN, KAT.3, S . 3576

An einen komponierten Gottesnamen ist nicht zu denken, da ein phönizischer

Gottesname Ja erst nachzuweisen wäre.

Ein Gottesname Ai,

den HOMMEL (Geo-

graphie u. Gesch. des alten Orients 2 , S. 161) vorschlägt, ist doch nicht = Ja und seine Existenz mindestens unsicher. 7 Professor JENSEN hat mir diese Vermutung bestätigt durch die Mitteilung:

206

Zweiter Teil: Esmun I.

stätigt die Umschreibung Jasumunu das a der ersten Silbe von Daß die Form samüna, samünu in den angeführten Personennamen wirklich den Gottesnamen wiedergibt, den die Phönizier ]ßti>K schrieben, ist bestimmt daraus zu entnehmen, daß der eine dieser Namen Samünuiatüni dem phönizischen Personnamen JiMDiPN genau entspricht. Die Form samüna, samünu repräsentiert eine kürzere Gestalt des Gottesnamens, womit sich vergleichen läßt die Abkürzung )ötP in Personennamen, ferner ¿ö) gebraucht wird von der Fettigkeit oder Fruchtbarkeit eines Landes oder eines Landesproduktes, des Brotes. Der Gott könnte benannt sein von der Lebensfülle der Natur oder eines einzelnen Naturgegenstandes als der in Lebensfülle Stehende, weil man in jener Lebensentfaltung sein Wesen und Wirken zu erkennen glaubte 6 . Auf die Kraft in dem Sinne von Macht, wie andere westsemitische 1

Ich behalte trotzdem die Aussprache Esmun bei, weil sie nun einmal gebräuch-

lich geworden ist, und habe nur entsprechend der Art meiner Transskription für andere inschriftlich vorkommende Personennamen geschrieben „Aschmunazar". 2

So viel ich sehe, hat zuerst E R N S T MEIER, Die Grabschrift des sidonischen

Königs Eschmun-dzer, Abhandlungen f. d. Kunde des Morgenlandes, Bd. I V , 1866, S. 15 diese Ableitung vertreten, der dabei IDtfN* (zu verbessern in ^ K * ) auffaßte in der Bedeutung „der Starke, Kräftige".

Vgl. GEORG H O F F M A N N , Neue und alte

Götter, Z A . X I , 1896, S . 2 2 7 : Ecuouvoc =

„fetter".

3 EWALD, Hebr. Sprache § 162 b. • CHEYNE, A dark passage in Isaiah, Zeitschr. f. d. alttestamentl. Wissenschaft, Jahrg. X X V , 1905, S. 172. s Diese Vergleichungen bei E . MEIER. 6

Ins Anthropomorphische übertragend, konnte man dann etwa den Namen ver-

stehn von dem Gesunden und auf den Gott der Gesundheit beziehen als den Gesund-

Zweiter Teil: Esmun I.

208

Gottesnamen, könnte das W o r t nach der Grundbedeutung des S t a m m e s „fett sein" kaum verweisen. Einigermaßen analog jener Bedeutung wäre der Gottheitsname H'TC'N, wenn er nämlich „die Glückliche" bedeuten und nicht vielmehr zunächst eine Bezeichnung

des

heiligen Pfahles sein sollte 1 .

mnti>y würde zu vergleichen sein,

A u c h der

Name

wenn er ursprünglich westsemitisch

ist und wenn er mit Itäty „reich sein" in Verbindung gebracht werden darf 2 .

Übrigens fällt unter den phönizischen Gottesnamen unter andern

besonders deutlich auch noch *)tän heraus aus der gewöhnlichen A r t , die Götter

lediglich mit Ehrentiteln zu benennen.

W i r werden

weiterhin

sehen, daß eine Hinweisung des Namens ptMt auf die Lebensfülle für die Vorstellung von dem Gott durchaus passend sein würde. D e m Philo Byblius fttt^N mit

ÖYÖOOC

schwebte offenbar die Erklärung des Namens

vor, da er den phönizischen Asklepios als den achten

Bruder der Kabiren bezeichnet (fr. 2, 27, S . 569^).

Direkt oder indirekt

aus Philo schöpfend, gibt Damascius* ausdrücklich für den N a m e n "Ec(aouvoc als von andern vorgetragen die Erklärung mit hat

unter den neueren vielfach Zustimmung gefunden.

das W o r t aber

ÖYÖOOC

an.

Sie

Allerdings ist

für die A c h t z a h l im Phönizischen )Dt5> wie im Hebräischen;

davon konnte schwerlich statt des hebräischen ^DB* als Ordinal-

zahl )öti>K gebildet werden.

Zu der Erklärung des Gottes als des achten

ist Philo oder sein Gewährsmann allem Anschein nach lediglich veranlaßt worden durch eine bestimmte lokale Verehrung einer A c h t z a h l von Gottheiten, zu der ihm Esmun zu gehören s c h i e n t D e r Gottesname ist kombiniert worden mit ^ y U — „ W a c h t e l " 6 .

Um

das zu begründen, muß zunächst nachgewiesen werden, daß der libysche Iolaos, in

dessen Mythos die W a c h t e l

identisch ist.

eine Rolle spielt, mit

Esmun

A u c h wenn es anzunehmen ist, w a s wir allerdings weiter-

hin mindestens

sehr naheliegend

finden

werden 7 , ist aber doch noch

nicht der N a m e des Gottes unbedingt von dem des V o g e l s abzuleiten 8 . Man konnte auch umgekehrt diesen V o g e l zum Tiere des Gottes IolaosEsmun

machen,

deshalb

weil

sein N a m e

mit

dem

des Gottes

zu-

macher, Asklepios; dies wäre aber keinenfalls die ursprüngliche Bedeutung des Gottesnamens, vgl. Studien I, S. 276, Anmkg. 2. 1 S. meine Dissertation Jahve et Moloch 1874, s - 2 4> Anmkg.; Artikel „Astarte" PRE.3, Bd. II, 1897, S. 159, 24 ff1 Jahve et Moloch, S. 24 t, Anmkg. 3 Es ist zu lesen öfbooc, nicht 6 ibioc, nach dem Zusammenhang und dem öfbooc bei Damascius. « S. oben S. 203. 5 s. unten 2. Teil, II und V, 1, 2. 6 DE LAGARDE, Anmerkungen zur griech. Übersetzung der Proverbien, S. 81 f. 7 S. unten 2. Teil, V, 4, 4. 3 So für diesen Fall ROBERTSON SMITH, Religion, S. 226.

Der N a m e Esmun.

209

sammenzuhängen schien, oder man konnte den V o g e l als dem Esmun heilig nach dem Gott benennen 1 . Allerdings wäre für die erste Erklärung die Analogie des arabischen Gottesnamens nasr „Geier" anzuführen; aber bei den Westsemiten weiß ich mit Sicherheit keinen Gottesnamen nachzuweisen, der ursprünglich ein Tiername wäre 2 . V o n andern Ableitungen des Gottesnamens darf abgesehen werden. Die vom Stamme HÖH'-3 hätte noch am meisten für sich; aber die Endung un, on an der Elativform wäre doch ohne sichere Analogie. Vergleichen ließe sich nur etwa pflK, wenn es von Hin4 abzuleiten ist. Indessen auch auf die oben vorgeschlagene Namenserklärung lege ich keinen Wert. E s wird hier ebenso wie bei andern Gottesnamen, die in einer einzigen Sprache isoliert vorkommen, am besten sein, auf eine Etymologie zu verzichten. Zudem kann es fraglich erscheinen, ob der Gottesname Esmun phönizisch oder überhaupt semitisch ist. E r könnte möglicherweise einen von den Phöniziern bei ihrer Einwanderung vorgefundenen Gott bezeichnen 5. Bei keinem andern semitischen V o l k ist ein entsprechender Gottesname nachzuweisen 6 . Wir werden indessen weiterhin sehen, daß Esmun seiner Vorstellung nach in Zusammenhang steht mit dem „Adonis" der Phönizier in Byblos und dem Tammuz der Sumerer und der baby1

So DE LAGARDE.

S. dagegen WELLHAUSEN, Reste arabischen Heidentums 2 ,

a

V g l . Z D M G . L V I I , 1903, S. 822f.

S. 10.

3 Vgl. Studien I, S. 276, Anmkg. 2.

4 Mit EWALD, Hebr. Sprache § 163 g. 5 WINCKLER, Zur phönicisch-karthagischen geschichte, Altorientalische Forschungen, Erste R e i h e , Hft. V, 1897, S. 437, Anmkg. 5 hält den Esmun von Sidon neben der „allgemein semitischen und phönicischen" Göttin Astarte, die von den Phöniziern bei ihrer Einwanderung mitgebracht worden, für „etwas eigentümliches" und ist geneigt, zu vermuten, „daß hiermit an einen alten, von den einwanderern vorgefundenen kult angeknüpft wurde". 6

D e r 'A6|aoveûc, den Strabo X V I , 1,3, C. 737 als den Vater des Gründers der

Stadt Arbela nennt (rà bè "Apßr)\A . . . Kxic|aa, uic cpaci, 'ApßriXou TOÛ 'A6noviu)c), hat gewiß nichts mit dem Gott Esmun, Asmun zu tun, wie LENORMANT, Quelques observations sur les symboles religieux des stèles puniques, Gazette archéolog., Jahrg. III, 1877, S. 32 annahm. Wären beide Namen zu identifizieren, so würde sich daraus doch noch nicht ergeben, daß Esmun auch ein babylonisch-assyrischer Gott war. — Der Ortsname Aschmunên in Ober-Ägypten hängt mit dem Gottesnamen Esmun schwerlich zusammen; er lautete ursprünglich „Schmun" (QUATREMÉRE, Mémoires géographiques et historiques sur l'Egypte, Paris 1811, Bd.I, S. 490 ff.) und entspricht dem altägyptischen Schmunu, d. i. Hermopolis, so genannt von der Achtzahl der Götter, der auch ein Gott Schmunu „die acht" entspricht

Ihn scheint MASPERO, Études de mythologie

et d'archéologie égyptiennes, II, S. 258 mit dem Esmun gleichzusetzen.

Der Wort-

anklang ist aber wohl als ebenso zufällig anzusehen wie der Anklang des Gottesnamens ÏOWK an das semitische Zahlwort matff. B a u d î s s i n , Adonis u. Esmun.

14

210

Zweiter Teil: Esmun I.

Ionischen Semiten 1 . Da wir nun den Namen Esmun als einen babylonischen nicht kennen, so liegt die Annahme nahe, daß er ein phönizischer Name für eine den babylonischen Semiten und den Phöniziern in der Grundform gemeinsame Gottesvorstellung ist, der in Babylonien, wahrscheinlich auf Grund der Identifizierung mit einem analogen sumerischen Gott, der sumerische Name Tammuz beigelegt wurde 2 . Unmöglich ist es aber nicht, daß eine von den Phöniziern bei ihrer Einwanderung mitgebrachte oder auch später ausgebildete Gottesvorstellung mit einer in Kanaan vorgefundenen verschmolzen und mit deren Namen bezeichnet wurde. Dafür läßt sich vielleicht geltend machen, daß der byblische „Adonis", der mit Esmun der Idee und auch der Herkunft nach zusammenzuhängen scheint, überhaupt keinen Eigennamen und der ebenfalls verwandte babylonische Tammuz keinen semitischen Eigennamen hat. Den Namen Esmun könnte der den Nordsemiten gemeinsame Gott an einzelnen Orten Kanaans erhalten haben durch die Verschmelzung mit einem eben dort angetroffenen Lokalgott der vorphönizischen Landesbewohner. Jedenfalls scheint, wenn ein Zusammenhang des Esmun mit dem Adonis-Tammuz wirklich anzunehmen ist, der Name Esmun erst auf kanaanäischem Boden in bestimmten Lokalkulten von den Phöniziern gebraucht worden zu sein. 1

Vgl. unten 3. Teil, I u. III.

2

Vgl. unten 3. Teil, II.

IL Die Verbreitung des Esmunkultus. Die ältesten Zeugnisse für den Namen des Gottes Esmun haben wir keilschriftlich aus dem siebenten vorchristlichen Jahrhundert. Darunter ist am genauesten zu datieren die Erwähnung des Gottes Ja-su-mu-nu im Vertrag Asarhaddon's mit König Baal von Tyrus 1 . Daß Jasumunu zu den Göttern speziell von Tyrus gehörte, ist aus dem Texte nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Allerdings wird er unmittelbar hinter Mi-il-kar-ti genannt, womit, falls diese Lesung wirklich korrekt sein sollte2, nur Melkart, der Stadtgott von Tyrus, gemeint sein kann. Möglicherweise sollen aber in dem Vertrag nicht ausschließlich tyrische Gottheiten genannt werden. Ebenfalls dem 7. Jahrhundert gehört an der keilschriftliche Name Samüna-aplu-iddin3 in der Umgegend von Harran. Daß der Namensträger ein Phönizier war, läßt sich nicht ersehen. Wahrscheinlich ist ferner dem 7. Jahrhundert zuzuweisen der keilschriftliche Name Samünu-iatüni4, der dem phönizischen JlViDti'K entspricht und kanaanäischer Herkunft sein muß. In phönizischen Inschriften ist der Gottesname pt5>K, abgesehen von Personennamen, die ihn enthalten, bezeugt zu Sidon, auf Cypern, zu Karthago und auf Sardinien. In Sidon kennen wir mindestens zwei verschiedene Könige, die nach dem Gott den Namen Aschmunazar trugen. Ein „König der Sidonier" Aschmunazar bezeichnet sich in seiner Grabinschrift als Sohn Tabnit's und Enkel Aschmunazar's, Königs der Sidonier (CIS. 3, i f . 13 f.), und Tabnit, „König der Sidonier", nennt in seiner Grabinschrift als seinen Vater Aschmunazar, den „König der Sidonier" (Lidzbarski, Epigraphik, S. 417, Z. if.). Mit Aschmunazar, dem Vater Tabnit's, scheint identisch zu sein der „König der Sidonier" Aschmunazar, der Vater der Amaschtart, der Mutter jenes Aschmunazar II (CIS. 3, 15), sodaß also Tabnit seine Schwester zur Gemahlin gehabt hätte. Aschmunazar II hatte nach seiner Grabinschrift in Gemeinschaft mit seiner Mutter dem Esmun einen 1

S. oben S. 205. 3 S. oben S. 205.

2

ZIMMERN, KAT.3, S. 357, Anmkg. 3 äußert Zweifel.

* S. oben S. 205. 14*

212

Zweiter Teil: Esmun II.

Tempel erbaut (3, 17). O b die Quelle En-Jidlal, wo Esmun nach eben dieser Inschrift (Z. 17) verehrt wurde, sich bei dem Tempel Aschmunazar's befand, läßt die Unsicherheit der Deutung von Z. 17 (Di ^T-JV t n p Uff nicht entscheiden. Die Zeit dieser Inschriften ist noch nicht übereinstimmend festgestellt. Man kann für Aschmunazar II schwanken zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und der Zeit unmittelbar nach Alexander 1 . Neuerdings ist bei Sidon in mehreren Exemplaren gefunden worden eine Inschrift des Königs Bodaschtart, der darin seinen Vater nicht nennt und zu seinem Titel „König der Sidonier" als persönliche Bezeichnung nur noch hinzufügt „Enkel Aschmunazar's, des Königs der Sidonier". E r berichtet, daß er „seinem Gott, dem Esmun" (]öt?i6 ^Kb) „diesen Tempel" (A3) gebaut habe. Vielleicht handelt es sich um den selben Tempelbau wie bei Aschmunazar II, der dann von dem einen König angefangen, von dem andern fortgesetzt worden wäre. O b wir dabei den Bau Aschmunazar's an die erste und den Bodaschtart's an die zweite Stelle zu rücken hätten, bleibt zunächst zweifelhaft. A u c h läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit entscheiden, ob Aschmunazar, der Sohn Tabnit's und Enkel Aschmunazar's, und Bodaschtart, der Enkel Aschmunazar's, zu derselben Familie gehören und ob, was dann wahrscheinlich wäre, der gemeinsame Großvatersname dieselbe Person bezeichnet. Bodaschtart könnte möglicherweise einer frühern Periode angehören. Sein Esmuntempel stand nach den aufgefundenen Resten, aus denen die Inschriften stammen, nördlich von dem heutigen Saida in der Richtung nach Beirut. Die Ruinenstelle liegt am linken Ufer des Nahr el-Auwali in einem Baumgarten, der den Namen Bostan-esch-schech trägt. Zu der eben besprochenen, in mehreren nahezu identischen Exemplaren vorliegenden Bauinschrift Bodaschtart's ist noch hinzugekommen eine Inschrift, die in einem ersten Exemplar im J. 1902, in neun andern zum Teil vollständigem im J. 1904 ebenfalls in den Tempelresten von Bostanesch-schech gefunden wurde. Sie nennt als ihren Urheber den „König Bodaschtart", dessen Namen sie die bis jetzt noch nicht vollständig aufgeklärte A n g a b e D3TC 31?» 3^5 3rpp13 331 oder 'S 'ü aböirP pIS 331 hinzufügt. Weiterhin wird Bodaschtart als „Enkel Aschmunazar's, des Königs der Sidonier" bezeichnet und berichtet, wie in der andern Inschriftenserie, daß er diesen Tempel seinem Gott Esmun erbaut habe 2 .

1

S. über die Datierung LIDZBARSKI, Ephemeris II, S. 158f. ; EISELEN, Sidon,

A study in Oriental history (Columbia University Oriental studies, Bd. IV, New York 1907), S. 148 ff. 2

Aus denVerhandlungen über die Inschriften aus demEsmuntempel, die zerstreut

in verschiedenen Zeitschriften geführt worden sind (eine vollständige Angabe der Literatur s. Répertoire zu n. 765), nenne ich für die zuerst gefundene Serie von Bau-

213

Die Verbreitung des Esmunkultus.

Zu Bostan-esch-schech ist außer den phönizischen Inschriften auch der Rest einer Inschrift in ägyptischen Hieroglyphen gefunden worden, der nichts weiter enthält als einen Teil des K a - N a m e n s des K ö n i g s Achoris, des zweiten K ö n i g s der neunundzwanzigsten Dynastie (400—387 v. Chr.) 1 . D a sich nicht ersehen läßt, wie diese Inschrift hierher gekommen ist, lassen sich aus ihr Schlüsse für das A l t e r des Esmuntempels nicht ziehen. Der

Gottesname

nicht

ein Bestandteil

des

Namens

eines

Menschen, scheint ferner zu erkennen zu sein in zwei Weihinschriften aus d e m sidonischen Esmuntempel, w o vor )!3ti>K eine L ü c k e ist (Mitteil, d. Vorderasiat. Gesellschaft 1904, 5, S . 34 n. 3 und S. 39 n. 13 2 ). A u ß e r in diesen sidonischen Inschriften und sonst noch in wenigen komponierten Personennamen3 ist der Gottesname föt?« bis jetzt im phönizischen Mutterland nicht nachzuweisen. A u f C y p e r n ist er bezeugt in dem Doppelnamen einer Gottheit mp'?ö"]öiä'N, der mehrmals in Votivinschriften vorkommt (CIS. i 6 b ; 23; 24), nirgends vollständig lesbar, aber in dem einmaligen „ . . p^D 'OIN^" (n. l 6 b ) d o c h sicher so zu ergänzen. In K a r t h a g o ist der Gottesname direkt und vollständig nur bezeugt durch den komponierten Gottesnamen mnti>S>")ötä>N (CIS. 245, 3f.). Die Inschrift, die ihn enthält, rührt her von einem Priester der Gottheit Esmun-Astart; diese hatte also ein Heiligtum zu K a r t h a g o . Wahrscheinlich ist ferner ein Esmuntempel zu K a r t h a g o erwähnt in einer karthagischen

inschriften Bodaschtart's die auf die frühern Veröffentlichungen verweisenden Besprechungen von CLERMONT-GANNEAU, Recueil V , S. 217fr. (vom J. 1902) und LIDZBARSKI, Ephemeris II, i, S. 49ff. (vom J. 1903) und für das erste Exemplar der zweiten Serie neben der ersten Veröffentlichung von PHILIPPE BERGER, Découverte d'une nouvelle inscription du temple d'Echmoun, à Sidon, Comptes rendus A I . 1903, S. i54ff. noch CLERMONT-GANNEAU, Recueil V , S. 366f. ; V I , S. 162fr.

Sämtliche bisher

im Esmuntempel gemachten Funde sind zusammengestellt von Frhrn. V. LANDAU, Vorläufige Nachrichten über die im Eshmuntempel bei Sidon gefundenen phönizischen Altertümer, Mitteil. d. Vorderasiat. Gesellschaft, Jahrg. I X , Jahrg. X ,

1905, 1.

1904, 5 und

Diese Darstellung enthält wichtige über die frühern hinaus-

gehende Mitteilungen des Leiters der Ausgrabungen MACRIDY-BEY.

Ich verweise

in meinen A n g a b e n über die neueren Funde hierauf. V g l . dazu CLERMONT-GANNEAU, Recueil V I , S. 337 ff. (Les nouvelles dédicaces phéniciennes de Bodachtoret). 1

v. LANDAU, Mitteil. d. Vorderasiat. Gesellschaft 1904, 5, S. 64fr., vgl. daselbst

Taf. X I I .

Meine Kenntnis über die Hieroglyphen der Inschrift verdanke ich Herrn

Professor WIEDEMANN.

V o n den weitgehenden Kombinationen, die v. LANDAU

a. a. O. an diesen Fund geknüpft hat, kann ich nichts akzeptieren. * Die Inschrift n. 3 schon bei LAGRANGE, R e v u e Biblique internationale, Bd. XI, 1902, S. 524f. 3 S. unten S . 2 i 5 f .

Zweiter Teil: Esmun II.

214

Weihinschrift (252, 4f.), deren ] . . K D2 sich kaum anders als zu 1"D JötMt „Tempel des Esmun" ergänzen läßt 1 . Die Inschrift enthält die Weihung eines Dieners ("DJ?) des } . . N FD. Aus Sardinien besitzen wir die schon erwähnte 2 bei dem Dorfe Pauli Gerrei nördlich von Cagliari gefundene Trilinguis, welche die Weihung eines „salarius" Kleon für den Gott Aescolapius-AcKXriTn6c-]12t5>N enthält (CIS. 143, 1). Sie wird nach ihren griechischen und lateinischen Schriftzügen um 180—150 v. Chr. angesetzte D a s späte Zeugnis des Damascius* bezeichnet Berytos als Sitz des Kultus des "Gqaouvoc oder 'AcKXipnoc. D a wir aber sonst dafür keine sichern Zeugnisse haben, so kann diese Aussage zweifelhaft erscheinen. Sie könnte auf ungenauer Verwendung einer Angabe bei Strabo (1. XVI, 2, 22, C. 756) beruhen, wonach zwischen Berytos und Sidon ein 'AcK\r)7noO aXcoc lag. Diese Angabe scheint sich auf den Esmuntempel Bodaschtart's zu beziehen, dessen Ruinen jetzt ausgegraben worden sind. Indessen mag es doch mit der Verehrung des Esmun zu Berytos seine Richtigkeit haben. Vielleicht ist dafür geltend zu machen die Darstellung auf einer Münze von Berytos mit dem Bilde des Kaisers Heliogabal. Sie zeigt auf dem Revers im Kreise sitzend acht Gestalten, die man schon seit lange, wohl mit Recht, als die Kabiren gedeutet hat 5 . In der Achtzahl könnte „Asklepios", d. i. Esmun, einbegriffen sein, den Philo Byblius als den „achten" zu bezeichnen scheint. E r bringt allerdings nur die Kabiren, nicht den Asklepios, mit Berytos in Verbindung, indem er sagt, Kronos habe Berytos dem Poseidon und den Kabiren (Kaßeipotc 'Afpoiaic T€ Kai 'AXieuav) gegeben (fr. 2, 25, S. 569). Daraus aber, daß er an anderer Stelle (fr. 2, 27, S. 569) den Asklepios als achten (1. oybooc 6 ) Bruder der „sieben" Kabiren nennt, ergibt sich, wie es scheint, daß er auch den Asklepios, d. i. Esmun, zu der Stadt Berytos in eine Beziehung setzen wollte. In der Angabe solcher lokaler Beziehungen darf Philo als zuverlässig angesehen werden. Aber die Deutung des Namens Esmun als „der achte" ist schwerlich richtig?; Damascius, der sie kennt und wie Philo den Esmunos als „achtes Kind" 2 So mit den Herausgebern des CIS. Oben S. 206. 3 In den jüdisch-aramäischen Papyri von Elephantine kommt der komponierte Name vor, wie es scheint, als Gottesname. Mitteilungen darüber von Professor SACHAU, dem ich diese Kenntnis verdanke, sind demnächst zu erwarten. Zu 1

vgl. oben S. 30, Anmkg. 1. Ich bezweifle, daß in dem ÖBK der Gottesname ]üWK zu erkennen ist, da diese Abkürzung bisher nur in Karthago nachgewiesen ist. Eher vielleicht könnte man an den Gottesnamen Nfi^N (s. S. 215) denken. Allerdings kommen gerade in Elephantine Personennamen vor, die den Gottesnamen )öt?« enthalten, s. unten S. 218, Anmkg. 4. 4 S. oben S. 203. S Rouvier III, S. 303 n. 585. 6 S. oben S. 208, Anmkg. 3. J S. oben S. 208.

Die Verbreitung des Esmunkultus.

215

des S a d y k o s (Sydek) bezeichnet, kann beides direkt oder indirekt aus Philo entlehnt haben. Deshalb wäre es möglich, daß die A u s s a g e Philo's und auch das Miinzbild, wenn es wirklich die Kabiren darstellt, nur auf irgendwelchen Zusammenhang der Kabiren mit Berytos verweist und E s m u n von Philo lediglich deshalb als achter zu den Kabiren gerechnet worden ist, weil ihm der N a m e in dem Sinne „der achte" zu der von ihm mit R e c h t oder Unrecht angenommenen A c h t z a h l der Kabiren zu passen schien. D a ß nämlich die Kabiren, abgesehen von Esmun, sieben an Zahl waren, wie Philo angibt, ist, soviel ich sehe, aus anderm Zeugnis nicht zu entnehmen (ebensowenig ihre Achtzahl). D a ß Esmun zu den acht gehört, ist aus dem Münzbild nicht zu ersehen. Soweit es die kleinen Figuren erkennen lassen, tritt keine von ihnen irgendwie vor sieben andern hervor. Wir werden indessen weiterhin 1 noch ein A n zeichen finden, das deutlicher auf Esmunkult zu Berytos zu verweisen scheint, und ferner eine andere A u s s a g e Philo's (fr. 2, 12, S. 567) zu besprechen haben 2 , die unabhängig von der Etymologie des Namens „ E s m u n " den Asklepios zu den Kabiren in eine Beziehung zu setzen scheint. D e n Gott Esmun wollten frühere 3 erkennen in d e m N a m e n Nli^N, der im alttestamentlichen K ö n i g s b u c h (II, 17, 30) genannt wird für eine Gottheit des aramäischen Reiches Hamat. Die Identifizierung beruhte darauf, daß in der Aschmunazar-Inschrift statt des jetzt erkannten jOt^S gelesen wurde Qti>N. Allerdings sind wir in karthagischen Personennamen der Verkürzung DtPK für begegnet, und die Vokalisation von ND^N steht nach dem abweichenden AcevaG in L X X L keineswegs fest. D a in der U m g e g e n d von Harran Samüna in einem Personnamen auf den Gott Esmun verweist 4 , könnte etwa dessen Kultus auch bei den A r a mäern in H a m a t bestanden haben. A b e r da die F o r m DBW nur in K a r t h a g o bezeugt ist, wird die Identifizierung der Gottheit A s i m a mit Esmun wenigstens einstweilen abzulehnen sein. V o n der Gottheit A s i m a wissen wir weiter nichts als die A n g a b e des Königsbuches, daß sie verehrt worden sei von Kolonisten aus H a m a t auf d e m Boden des alten R e i c h e s Samarien s . Erweitert wird unsere K u n d e von der Verbreitung des Esmunkultus durch die Personennamen, die mit dem Gottesnamen gebildet sind. In Sidon fanden wir den N a m e n "UJTiDtS'N mehrfach belegt für zwei oder mehr K ö n i g e 6 . A u ß e r d e m kommen in Inschriften aus Sidon noch

1 S. unten 2. Teil, I V . 2 S. unten 2. Teil, V, i, 2. 3 M. A . LEVY, Phönizische Studien I, 1856, S. 27ff.; ALOIS MÜLLER, Sitzungsber.

d. Wien. Akad., philos.-hist. Cl. X L V , S. 509. 511 f. « S. oben S. 211. 6

S. oben S. 211.

5 s. Artikel „Asima" P R E . 3 , B d . II, 1897, S. 133.

216

Zweiter Teil: Esmun II.

je einmal die Namen ]nno[ti>K] (Répertoire n. 297) und [flÖtMTDy (Mitteil. d. Vorderasiat. Gesellschaft 1904, 5, S. 37 n. 8) vor, einmal Aßbu£|uouvou 1 und in einer Inschrift aus dem Piräus als N a m e eines Sidoniers D^täTißB'K (CIS. 119, i). D a n n findet sich im phönizischen Mutterland noch in Umm-el-awamid der N a m e ptJWUJJ (8, 2). Auf Cypern ist Jßti>K in Personennamen häufig. Hier begegnet uns der N a m e pfcrißtPK, daneben umgestellt ]ßB>K_n[K], ferner die früher zuweilen als Gottesname verstandene F o r m "fllN'ißB'N. Daß dieser N a m e ein Personname ist, geht aus seiner deutlichen Anwendung als N a m e eines Cypriers in einer karthagischen Inschrift hervor 2 . Weiter kommen auf Cypern vor die Namen [flbrrißtPK (CIS. 71), );V-2Bt5>N (52, i^), -JfitPK •W ( 4 7 , 5 ; 70), r t o r a o » « (60, 2; vgl. 6 3 , 3 ) , ^r-aöWK ( 5 0 , 1 ) , ]o»H-Ta (57, 3), p t n m j f (47, If.; 59, 1 f-; 68, i ; 86 A, 14); vgl. noch „. . . ißtä>K" (73, 1). Dazu kommt ferner der schon erwähnte 4 cyprische N a m e rripucjuiuv. Zahlreich sind Personennamen mit )ßti*N in K a r t h a g o vertreten. A u s ihrer großen Verbreitung ist zu sehen, von welcher Bedeutung der Esmunkult in K a r t h a g o gewesen sein muß. Die Belege für diese N a m e n mehren sich durch immer neue Funde. Ich gebe im folgenden was mir zur Zeit aus Veröffentlichungen bekannt ist. Nur durch die Zahl der Belege kann die Bedeutung des Kultus zur Anschauung gebracht werden. Andere werden wohl schon jetzt mein Material vervollständigen können 5 . D e r N a m e 'O'WißB'K für einen Cyprier in einer karthagischen Inschrift wurde schon erwähnt. Ferner finde ich folgende N a m e n : ^irJBtPK (CIS. 168, 2; 243, 3 [ytora . . .]; 381 a , 2; 407, 3; 920, 5f.; IO59, 3; 1207, 3; 1249,3; 1404, 4; 1458, 3f. zweimal; 1555, 1 f.; 1811, 3f.; 1881, 2), auch in der F o r m ^ r r ß t P K (719,4); p^iri»t2>K (753, 5f.); KßmßBW oder vielleicht zu lesen Dßmßti>M (1591, 2); pvafitPK (269,4; 388, 4; 992, 3; 1016,1 ; 1076, 2; 1078,3; 1241, 5f.; 1306,3; 1341, 3f. ; 1468,3; 1501,4; Carth. 219, 5f.; Comptes rendus AI. 1901, S- 168); D»jnDB>K (CIS. 564, 5; 6 3 0 , 5 ; 914, 2ff. zweimal; 956, 3f.; 1091, 4f.; 1461, 3; 1732; 1789, 3; Carth. 143, 3f.; Répertoire n. 99, 4f.; Comptes rendus AI. 1903, S. 197f.; Lidzbarski, Ephemeris II, S. 181 [?]), auch in der F o r m O t y - m K (CIS. 668, 5f.); D"?S-Sßtt>K (Lidzbarski, Ephemeris I, S. 24f., Z. 7); ^ T O « (CIS. 197, 4; 1289, 3); W J O » [ K ] (449, 4); pMTOK (881, 3f.), auch in der F o r m pBMDK (1106, 2 f . ; Répertoire n. 126, 1); JÖtyN"13 (CIS. 1

S. oben S. 204.

2

Die Belege s. oben S. 67.

3 Vielleicht noch einmal, s. CLERMONT-GANNEAU, Recueil III, S. 75. • Oben S. 204. S Woher H. P. SMITH, Old Testament and Semitic studies in memory of W . R. Harper, Bd. I, S . 44 den phönizischen Personnamen „Eshmunyada'" hat, weiß ich nicht.

Die Verbreitung des Esmunkultus.

2x7

956, 3; 961; 1391, 3; Répertoire n. 667, S); )DtäW"lJ (Comptes rendus AI. 1905, S. 172; A r d el-Kheraïb n. 8 5 ' ) ; (CIS. 183,2; 187, 3ff- zweimal; 188, 3; 294, 3; 906, 5f.; 945, 2; 956, 2; 968, 5; 972, 2ff. zweimal; 984, 2f.; 9 9 2 , 2 ; 1043,3; 1045, 3f.; 1079,4; 1085,2; 1147, 4f.; 1152,3; 1161, 3f.; 1183,3; 1249,4; 1265, 3f.; 1271, 3f.; 1284,4; 1296,2; 1298,5; 1311,4; 1 3 2 3 , 2 ; 1337, 3f.; 1344-3; 1361,2; 1373.3; 1380; 1401,2; 1419,4; 1426,4; 1435,3f-; 1437.4; 1454, AU 1461.2; 1 4 6 9 , 2 ; 1483,3; 1 4 9 0 , 2 ; 1493,3; 1496,4; 1503 zweimal; 1525, 2 f . ; 1539, 3 f.; 1565, 3 f.; 1897, 4; Comptes rendus AI. 1899, S. 562; Repertoire n. 99, 4; 360, 2ff,, gefunden in Avignon, dreimal; Lidzbarski, Ephemeris II, S. 57 [Z. 4]. 178. 179; vgl. S. 184, Z. 7f.); DUtys-nny statt p t M m y (Lidzbarski a. a. O., S. 177, Z. 26), in abgekürzter Form (CIS. 350, 3 zweimal, das eine Mal ]»[ty]"OJ>), daneben BWTay vielleicht eine andere Abkürzung desselben Namens (329, 2); dazu dann noch, ebenso abgekürzt, (337, 4); ferner unvollständiges „. . . JûffK" oder „ p t ? « . . ." in einer Reihe von Inschriften (170,1; 272,4; 1078, 3 und öfters). Auf einer zu K a r t h a g o gefundenen Bronzezimbel ist vielleicht zu lesen: )[? . . . n . . t£> 2 (Comptes rendus AI. 1901, S. 598 ), was doch wohl einen Personnamen repräsentieren würde. A u c h außerhalb der Stadt K a r t h a g o in den zugehörigen und benachbarten L a n d s c h a f t e n sind Personennamen mit vertreten. Wir nannten schon für Agbia den Namen „Abdismunis" (Genetiv) 3 . Ferner k o m m t IDBWDy vor in einer neupunischen Inschrift aus Gelma, d e m alten Calama (Bulletin archéolog. du Comité des travaux historiques et scientifiques 1893, S. 71 n. 1, 2 f.), wo wir schon dem N a m e n „ A s m u n i s " (Genetiv) begegnet sind*. D e r in der karthagischen Inschrift CIS. 294, 3 genannte scheint einer Stadt des Namens Diyti' anzugehören, womit vielleicht Cirta bezeichnet ist; der N a m e "D$? ist außerdem für die alte Hauptstadt Numidiens zu belegen durch Inschriften aus Cirta selbst (CIS. I, 1, S. 296; Répertoire n. 335, 2 f.; Neopun. 99, 4 f.5). In Mauretanien ist zu Scherschel, dem alten Jol und römischen Cäsarea, ein karthagisches Gewichtstück gefunden worden mit dem N a m e n (Schröder, Phön. Sprache, S. 258) und eine neupunische Inschrift, die den N a m e n p B W i a y enthält (Neopun. 130, 2 6 ). 1

MERLIN U. DRAPPIER, L a nécropole punique d'Ard el-Kheraïb à Carthage, Notes et documents publiés par la direction des antiquités et arts (Gouvernement Tunisienne), III, Paris 1909, S.73. AusPIFFKU ist vielleicht abgekürzt P I , LIDZBARSKI, Ephemeris II, S. 180. 2

Die Lesung nach LIDZBARSKI, Ephemeris I, S. 299.

3 S. oben S. 204.

4 S. oben S. 204.

s Annuaire de la Société archéolog. de Constantine i860—61, Taf. 6, X I V . 6

Z D M G . X X X , S. 285.

218

Zweiter Teil: Esmun II.

Bei so zahlreichen punischen Personennamen mit jat^N ist auffallend, daß sich aus dem christlichen Afrika einzig der einmal vorkommende Name „Asmunius" 1 nachweisen läßt 2 . Die Vereinzeltheit wird daraus zu erklären sein, daß die afrikanische Kirche „die spezifisch christlichen Namen leidenschaftlich protegiert hat" 3. Sporadisch kommen Personennamen mit )DtS>N noch in andern phönizischen Kolonien vor, nämlich auf Sardinien: DÖJTiDtfN (CIS. 139, 2), p B t t m (154, 1), löt?K"DJ> ( 1 4 3 , 2 ; 156, 3f.), auf der Insel Gaulus: "DJ? ptVK (132, 5f. zweimal), in Massilia: l ö B W n (165,2. 19), im Piräus außer dem schon erwähnten Namen eines Sidoniers ü'ptyjati'K noch ( 1 1 9 , 2 ) und ptä^'-Dy (118; 121). Wohl als Namen von Phöniziern, die vereinzelt oder vorübergehend sich in Ä g y p t e n aufhielten, kommen auf einer ägyptischen Schale aus Präneste vor "ly'iDti'B (164) und in Ä g y p ten zu A b y d o s ( i o o b ) , ]DB>K"ny (ic>3c; 109), auch in der a Form pty-TSJ? (iOO ), ferner „ . . . i W K " (110), zu Ipsambul (113, 1) und [flötSWiy ( i i i , 1). Krug-Aufschriften aus Elephantine in aramäischer oder spätphönizischer Schrift weisen mehrmals Personennamen auf, die den Gottesnamen enthalten 4 . 1

S. oben S. 204.

1

Ich habe diesen Beleg von MOVERS überkommen, der auch seinerseits mehr

nicht kannte. 3 Worauf mich Professor JÜLICHER hinweist. 4

Eine Veröffentlichung dieser im Besitz der Berliner Königlichen Museen befind-

lichen Krug-Inschriften durch Professor SACHAU ist demnächst zu erwarten.

Soweit

ich sie habe einsehen können, bieten die Namen mit ptS>N nur Zusammensetzungen, die schon bekannt waren.

III. Die Bezeichnung des Gottes Esmun als Asklepios - Aesculapius. Unsere Kenntnis von der Verbreitung des Esmundienstes wird erheblich erweitert, wenn wir seine Identifizierung mit Asklepios-Äsculap ins A u g e fassen. Die zerstreuten Angaben über diese Gleichsetzung zusammenzustellen, wird auch deshalb nicht ohne Wert sein, weil sich daraus die allgemeine oder doch weitverbreitete Anerkennung der Identifizierung ergibt und diese für die Auffassung des Gottes Esmun nicht bedeutungslos sein kann. Allerdings kenne ich für die Bezeichnung als Asklepios oder Äsculap nur zwei direkte Zeugnisse; recht groß aber ist die Zahl der indirekten. Inschriftlich kommt die ausdrückliche Gleichsetzung ein einziges Mal vor in der schon erwähnten 1 sardinischen Trilinguis, deren Widmung lautet: „ . . . Aescolapio Merre, Acidryinun Mrjppri, mND pt^N1? pttb". Aus später Zeit, dem 6. Jahrhundert n. Chr., haben wir ein zweites Zeugnis, das des Damascius 2 , der als einheimisch-phönizischen Gott von Berytos anführt: o "€c|uouvoc, ov 'AacXrimöv ¿purjveüouciv. Zwischen diesen beiden steht ein drittes, der Ergänzung bedürftiges Zeugnis bei dem 64 n. Chr. geborenen 3 Philo Byblius. E r nennt in der schon oben* besprochenen Stelle den 'AciN wir schon mehrfach hingewiesen haben®, hat die Gleichsetzung dieser Götter gewiß nicht aufgebracht; sie wird überhaupt nicht auf Sardinien entstanden sondern dort entlehnt sein aus Karthago, zu dessen Besitzungen Sardinien gehörte. A l s die Inschrift verfaßt wurde, war, wie der Gebrauch des Lateinischen vermuten läßt, die Insel wohl schon in den Besitz der Römer übergegangen; aber in der Inschrift zeugt noch von karthagischem Einfluß die Bezeichnung des Jahres nach Sufeten, obgleich sie sich schwerlich auf karthagische Sufeten bezieht. Die Gleichsetzung des Esmun mit Aescolapius-'AcK\r)Tn6c wird in dieser Inschrift wie etwas feststehendes behandelt. Gewiß war sie schon längst in Karthago gebräuchlich. Zwei lateinische Inschriiten aus Sardinien (CIS. zu n. 143), die sich hervorheben lassen, da sie in der selben Gegend gefunden worden sind wie die Trilinguis, in Cagliari, enthalten eine Weihung für Aesculapius (CIL. X, 7552; 7553 [ „ . . sculap .."]). A u c h hier m a g unter dem römischen Gottesnamen Esmun zu verstehn sein. Allerdings in einer dritten Inschrift, ebenfalls aus Cagliari: „ . . . vicus Martis et Aesculap[i]" (CIL. X, 7604) scheint „Mars" nicht gerade auf karthagischen Kult zu verweisen. Für Karthago selbst bezeichnen griechische und lateinische Schriftsteller einen der Hauptgötter als Asklepios oder Aesculapius. Sie nennen so den Gott eines Tempels im alten Karthago. „Asklepios-Aesculapius" ist hier also die Bezeichnung eines punischen Gottes. Ebenso wird für die römische Stadt ein Tempel des Äsculap genannt. D a in Karthago inschriftlich einmal der komponierte Gottesname mnti>jr)l3ti>i und Aiovucioc für einen Tyrier (s. überhaupt zu der Identifizierung des Osiris mit Dionysos oben S. 199 f.). Osiris kann nun sehr wohl mit Esmun identifiziert worden sein, wie er tatsächlich mit Adonis (s. oben S. 185 fr.) und wie Adonis mit Dionysos identifiziert worden ist (s. oben S. 199 f.). Auch nach andern Analogien der Identifizierung verschiedener Gottheiten mit ein und demselben griechischen Gott ist die Annahme durchaus zulässig, daß Dionysos bald als dem Osiris und bald als dem Esmun entsprechend angesehen wurde. Osiris, Adonis und auch, wie sich uns weiterhin ergeben wird, Esmun sind alle drei Gottheiten des neu erstehenden Lebens.

Der Dionysos der phönizischen Münzen.

235

daß zu Sidon, wo wir Esmunkult in hoher Blüte bezeugt finden, der Dionysos auf den Münzen so viel reichlicher vertreten ist als auf denen von Tyrus. D a s ist der Deutung dieses phönizischen Dionysos, wenigstens des Dionysos von Sidon, als Esmun günstig 1 . Auf Münzen von Orthosia kommt Dionysos Pogon wiederholt vor seit 20 v. Christo 2 . Wir haben für diese Stadt keine Spuren, die einen Zusammenhang ihres Dionysos mit Esmun nahe legen könnten. E s wird gewiß anzunehmen sein, daß seit der griechischen Periode griechische Gottheiten in Phönizien Aufnahme fanden, auch ohne daß man in ihnen nur eine andere Form der einheimischen Götter zu sehen glaubte. Ebenso sind auch anderwärts und besonders seit der hellenistischen Periode völlig neue Gottheiten in die Religion eines Volkes aufgenommen worden. S o könnte man den Dionysos der phönizischen Münzen eben einfach als den aus Griechenland importierten Gott ansehen wollen. Im allgemeinen aber befestigt sich mir durch die Untersuchung der Details je länger desto mehr die Anschauung, daß auf phönizischem Boden die griechischen Gottheiten zumeist nur eine neue Form der alteinheimischen sind. Wenn die griechischen Götternamen und -Bilder auf Münzen und in Inschriften des hellenisierten Phöniziens nichts anderes bedeuteten als eben griechische Götter, so hätte man es hier mit dem singulären Falle zu tun, daß nicht nur einzelne fremde Gottheiten akzeptiert wurden, sondern eine ganze neue Götterwelt den alten Glauben bis auf wenige dazwischen stehn bleibende Reste ver-

1

Kein Gewicht möchte ich legen auf einen Bericht bei dem späten Achilles

Tatius (Leuc. I I , 2, Erot. Script. Gr. ed. Hercher I, S. 58fr.), auf den CLERMONTGANNEAU, Recueil V I I , S. 171 hingewiesen hat.

E r handelt von speziellen Be-

ziehungen des Dionysos TipoTpufaioc zu der Stadt Tyrus.

Dort sei ihm ein Fest ge-

feiert worden, da die Tyrier den Gott sich ganz speziell zueigneten und erzählten, daß der Wein zuerst zu Tyrus von Dionysos den Menschen gespendet worden sei, als er dort von einem Hirten gastfreundlich aufgenommen wurde.

Diese Angaben

zeigen, daß man im 5. Jahrhundert von einem tyrischen Kult wußte, der sich auf den Weinbau bezog und deshalb als Dionysoskult ansehen ließ.

Ob es sich dabei

um einen altphönizischen Kult handelt oder um den in Syrien weit verbreiteten des arabischen Dionysos, des Dusares, oder um den griechischen Dionysos, läßt sich nicht entscheiden ; die letzte Annahme ist wohl die wahrscheinlichste. Als alt tyrisch möchte zu vermuten sein eine dem Bericht des Tatius zugrunde liegende Erzählung von der Erfindung des Weinbaus (vgl. Gen. 9, 20), worin die Erfindung zu Tyrus lokalisiert worden wäre.

Auf eine derartige Sage mag sich ein möglicherweise ebenfalls

alteinheimisches Winzerfest bezogen haben, das man nachmals mit dem Dionysos der Griechen kombiniert hätte.

Mit Esmun hat der Dionysos des Tatius schwerlich

etwas zu tun, da eine Beziehung des Esmun speziell zum Weinbau nicht zu erkennen und in hohem Grad unwahrscheinlich ist. 2

R O U V I E R I V , S . 1 4 8 ff. n. 867 ff.

236

Zweiter Teil: Esmun I V .

drängte. Aber Philo Byblius ist in seiner Meinung von der Identität der phönizischen und griechischen Götter nur verständlich, wenn diese Anschauung lange vor ihm aufgekommen und die herrschende geworden war. Man sieht aus seinen spärlichen Angaben doch deutlich genug, daß die alten phönizischen Götternamen neben den griechischen bestehn blieben und mit ihnen promiscue gebraucht wurden. Die Bilder und zum Teil die Namen der Götter waren griechisch geworden; die Vorstellung von den Göttern kann die alte geblieben sein. Diese Annahme stößt um so weniger auf Schwierigkeiten als durch die griechischen Götterbilder nur zum Teil alteinheimische Darstellungen der Götter verdrängt worden sind. Durch die Ausgrabungen zu Gezer und Teil Ta'annek wissen wir jetzt allerdings, daß figürliche Darstellungen der weiblichen Gottheit bei den Kanaanäern seit sehr alter Zeit vorkamen. Aber das am meisten verbreitete Gottheitszeichen im vorgriechischen Phönizien wird bis zuletzt wohl noch immer der heilige Stein und die Säule, nicht ein Menschenbild, gewesen sein, ebenso wie im Kanaan der alttestamentlichen Zeit. Die griechische Menschenform der Götter konnte demnach als ein neues Erklärungsmittel der alten Auffassung angesehen werden. Ebenso erschienen die griechischen Götternamen nach irgendeinem Wortanklang nur als andere Formen der altphönizischen oder konnten als neue Beinamen neben den alten aufgefaßt werden. In anderer Weise läßt sich das rasche und ausgedehnte Aufkommen griechischer Gottheiten auf phönizisch-palästinischem Boden seit dem Beginn der hellenistischen Periode kaum begreifen 1 . Der Sachverhalt ist hier ein anderer als bei der Annahme fremder Götter durch die Israeliten der vorexilischen Periode. Diese blieben in der Regel auch unter dem Einfluß fremder Kulte bei dem nationalen Namen Jahwe für ihre Gottheit, dachten sie aber in der Art eines der „Baale". Das ist hier daraus zu erklären, daß die Vorstellung der Baale Kanaans der althebräischen Religion näher stand als die des Jahwe der Propheten. Die griechische Religion aber war ihrem Wesen nach für die Phönizier eine völlig fremde; deshalb werden sie den Formen dieser Religion ihre eigenen Vorstellungen untergelegt haben. Das Fehlen einer Kombination mit einheimischem Kultus ist speziell 1

LAGRANGE (Religions sémitiques 2 , S. 458, A n m k g . 3) hat richtiges im Sinne,

wenn er urteilt, daß SCHÜRER (Geschichte des jüdischen Volkes, B d . I I 3 ,

S. 21 ff.

[4. Aufl. S. 27ff.]) die Hellenisierung der Kulte auf palästinischem Gebiet, die mit der auf phönizischem parallel geht, an der Hand der Münzen und Inschriften überschätzt habe.

A b e r an dem bezeugten U m f a n g griechischer Gottesnamen läßt sich

nichts mindern oder steigern, und SCHÜRER hat im Grunde nichts anderes getan als diesen U m f a n g zu konstatieren. sierung ging.

Eine zweite F r a g e ist die, wie tief die Helleni-

Der Dionysos der phönizischen Münzen.

237

für den D i o n y s o s v o n S i d o n nicht anzunehmen, weil das dauernde Hervortreten

dieses

Dionysos

Vorstellung verweist. dabei denken den

läßt,

byblischen

auf eine

im Volksbewußtsein

tief

eingewurzelte

D i e einzige einheimische V o r s t e l l u n g , an die

ist d i e d e s E s m u n ,

„Adonis"

nicht denken können.

den

wir

d a wir für S i d o n

mit

Dionysos

identifiziert

E s ist n o c h d a r a u f h i n z u w e i s e n , d a ß P h i l o B y b l i u s

G e l t u n g bringt, d e n D i o n y s o s nach

dem

Zeugnis in

der

Sidon,

S c h w e i g e n Philo's

daß

hat,

man

diesen

Beinamen^.

2

§302.

Kult

e i n e s „ D i o n y s o s " in

Bedeutung

einem Dionysos

läßt

oder

Frage,

gehabt sich

die M ü n z e n als D i o n y s o s

den Esmunos

TTctidv

1

hohe

D a s ist a u f f a l l e n d , d a

nämlich den N a m e n Asklepios.

namen

Die

nicht nennt.

Münzbilder

eine

von

er für d e n G o t t , den Namen

als A s k l e p i o s

TTaidüv 2 b e i ;

wie

an

fanden1,

unter d e n m a n c h e r l e i g r i e c h i s c h e n G ö t t e r n a m e n , die er für Phönizien

wenigstens

sich

und T y r u s

es

zu

wie

erklären

daraus

interpretiere,

wenn

Phönizien, wird.

legt

führte

derselbe

Das

erklären,

darstellen, einen

Damascius,

Asklepios

sei,

haben

zur doch

der ihm auch

Gott

daß

andern

berichtet, den

Bei-

Dionysos

bald

als

S. oben S. 19g f. TTaiuuv liest WESTERMANN im Anhang zu Diogenes Laert. ed. Cobet S. 144 D e r T e x t lautet nach der A u s g a b e von IMMAN. BEKKER: f) &è [Astronoe] TII)

ird6ei uepiaXtncaca, Kai TTaiâva Ka\écaca,Tôv veavi'cKOv [den Esmunos], il) TE Zuuofövuj eipfiij àvaZujirupr|caca 6eôv éiroiricev KT\. D a s K o m m a nach KaXécaca ist zu streichen (WESTERMANN'S A u s g a b e streicht alle drei Kommata) und die Umstellung von TÔV VÊOVÎCKOV hinter àvaZwrnjpr|caca nach Codex B nicht nötig. Ohne sie läßt sich die Auss a g e nicht mit TIELE (Anciennesreligions, S.308: „ a v e c l'aide d e P a e a n " ) undEDUARD MEYER (Artikel „ E s m u n " in Roscher's Lexikon) verstehn in dem Sinne: „die Göttin ließ ihn durch Paion wieder erwärmen". E b e n s o auch DUSSAUD, Notes, S. 155: „ L a déesse, affligée, appela Paion et, réchauffant le jeune homme, elle le rappela à la vie". Diese Übersetzung des nicht nach B geänderten Textes ist, wie mir ein Gräzist bestätigt, nicht möglich wegen des xe.

Die Annahme von CLERMONT-GANNEAU,

Recueil V I I , S. 172Î., daß nach veavicKov ein V e r b u m ausgefallen sei, erscheint mir überflüssig und willkürlich.

Ü b e r d i e s sieht man nicht ein, was der gerufene Paian

zu tun hätte, da doch die Göttin alles selbst tut.

D a ß dem Esmunos mit Hilfe des

gerufenen Paian seine von ihm selbst vernichtete Männlichkeit wiedergegeben werde (so CLERMONT-GANNEAU a. a. O.), ist kaum eine notwendige Ergänzung; das Verlorene kann als selbstverständlich mit der Wiederbelebung restituiert zu denken sein, oder auch es k a m dem Bericht eben nur auf die Wiederbelebung an.

D a s ist um

so eher anzunehmen als die Selbstverstümmlung vermutlich ein dem Esmunmythos ursprünglich fremder Zug ist, der aus dem Attismythos herübergenommen wurde; vgl. unten 2. T e i l , V, 7.

Unmittelbar auf das êuoiricev a m Schlüsse des oben ge-

gebenen Zitates folgt im selben Satz: "Gcnouvov ûitô OOIVÎKUUV lîjvonacnëvov.

Das

scheint in einem Parallelismus mit KaXécaca zu stehn: die Göttin nannte ihn Paian, die Phönizier dagegen Esmunos. 3 WELCKER, Griech. Götterlehre, Bd. II, 1860, S. 611. 745.

Zweiter Teil: Esmun IV.

238

Asklepios und bald als Dionysos aufgefaßt wurde, wird weiterhin aufzuwerfen sein1. Zunächst sei nur der Gedanke abgelehnt, auf den man etwa verfallen könnte, dies darauf zurückzuführen, daß Dionysos gelegentlich als heilender Gott gedacht worden ist2. Diese Auffassung ist wohl aus den dem Gott beigelegten Prädikaten 'AXeSi'KtxKoc und 'AKECIOC3 oder auch AOctoc, Auouoc4 entstanden, die ihm allgemein als dem erquickenden Freudebringer und Befreier gegolten haben werden. Wo man sie speziell von einem Krankenheiler verstand, war das doch zunächst ein untergeordnetes Moment in der Vorstellung des Gottes. Erst in der Zeit des untergehenden Heidentums, als die Sehnsucht nach Erlösung von Krankheit und Tod die Welt des römischen Reiches erfüllte, erschien auch Dionysos-Liber gleich vielen andern Göttern als ein eigentlicher Heilgott. Wohl aber dürfen wir aus jenen Beinamen des Dionysos entnehmen, daß es schon früher nicht unmöglich war, in ein und derselben Gottheit zugleich Züge des Dionysos und des Asklepios zu finden. Wahrscheinlich ist die Identifizierung des Esmun mit Dionysos, wenn wir sie annehmen dürfen, nicht aus der mit Asklepios hervorgegangen sondern unabhängig von ihr entstanden, sei es schon vorher oder später. Die Gleichsetzung mit Asklepios scheint in Phönizien niemals populär geworden zu sein. Darauf weist die Seltenheits des Asklepios in Inschriften aus Phönizien hin. Daß sich, so viel ich sehe, nur vier Münzen finden, auf denen Asklepios vorkommt6, spricht nicht für Verbreitung der Identifizierung. Für ihre Popularität vollends kommen diese Münzen nicht in Betracht und kann nur etwa die Weihinschrift für Asklepios aus dem Esmuntempel zu Sidon geltend gemacht w e r d e n 7. Bei der Weihinschrift für Asklepios auf der Insel Ruad und der Grabinschrift für einen Asklepiospriester zu Duma ist durchaus nicht sicher, daß hier wirklich unter dem Asklepios Esmun zu verstehn ist. Der eine Beleg oder auch die drei wollen nicht viel besagen als Beweise für Volks1

S. unten 2 . Teil, V, i, 5.

2

W E L C K E R a. a. O . , S . 5 7 7 ; PRELLER-ROBERT, Griech. Mythologie, Bd. H , S. 710. Vgl. die Darstellung auf einer marmornen Votivtafel aus einem Bacchustempel bei LuiGI B I O N D I , Monumenti Amaranziani, S. 132t., Taf. XLI: eine Schlange, die sich um zwei Fußsohlen windet, mit der Inschrift: ,,[K]alandio pro sua salute donum [L]ibero Kalliniciano". Zu den Fußsohlen in Dedikationen für Heilgötter als Zeichen „pro itu et reditu", d. h. der erfolgreichen Reise zum Heiligtum, s. AMELUNG, Ex-voto an Asklepios, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. VIII, 1905, S. 157fr. 3 WELCKER a. a. O . , S . 6 1 1 . + W E L C K E R a. a. O . , S . 578F. ; PRELLER-ROBERT a. a. O . , S . 7 0 9 ^ S Sie ist schon O. G R U P P E (Griech. Culte, S. 3 7 8 ) aufgefallen. 6 S. oben S. 2 2 0 f. 7 Von der oben S. 2 2 0 , Anmkg. 5 genannten Goldplakette mit dem Asklepiosbild sehe ich ab.

Der Dionysos der phönizischen Münzen.

239

tümlichkeit der Identifizierung. Was wir sonst von dieser Gleichsetzung aus Phönizien wissen, beruht auf der Anschauung abendländischer Autoren, auch die Benennung des Haines und Flusses bei Sidon nach Asklepios. Namentlich die des Flusses ist gewiß nicht volkstümlich gewesen, sondern im Volksmund wird sich eine ältere Benennung nach dem einheimischen Esmun, die ohne Frage jener Angabe zugrunde liegt, ebenso erhalten haben wie die phönizischen Namen der Städte trotz ihrer griechischen oder lateinischen Umbenennung. Auch daß der „Sidonier", mit dem sich Pausanias unterhielt 1 , von einem phönizischen „Asklepios" wußte, besagt nicht, daß Esmun allgemein und ausschließlich mit Asklepios gleichgesetzt wurde. Dionysos kommt auf den Münzen von Sidon vor seit 1 1 1 v. Chr. oder um einiges früher, auf den Münzen von Tyrus schon seit Seleucus IV, also seit 187 —175 v. Christo. Asklepios ist auf den Münzen von Marathos erheblich früher dargestellt, in den Jahren 226 und 224 v. Chr.; abgesehen von den schwer zu datierenden beiden Inschriften, der einen aus dem Esmuntempel in Sidon 2 und der andern auf der Insel Ruad, begegnet er uns nach jenen beiden vereinzelten Bezeugungen auf phönizischem Boden durch zwei Jahrhunderte hindurch nicht, bis er wieder vorkommt bei Strabo und dann in dem Münzbild unter Caracalla und Alexander Severus. Bei diesem Sachverhalt ist es sehr zweifelhaft, ob schon auf jenen beiden altern Münzen Esmun gemeint ist mit dem Asklepios. Daneben haben wir seit dem ersten Viertel des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts die vielen Dionysosbilder. Daraus geht zweifellos hervor, daß die Gestalt des Dionysos auf phönizischem Boden populärer war als die des Asklepios. Dagegen fanden wir die Identifizierung des karthagischen Esmun mit Asklepios in zahlreichen Zeugnissen bekundet seit der sardinischen Trilinguis aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Christo. Man könnte dies vielleicht daraus erklären, daß diese Identifizierung in Karthago aufkam und von dort nach dem phönizischen Mutterland übertragen wurde, etwa durch Schriftsteller, denen wie dem Strabo die hohe Bedeutung des karthagischen Asklepios-Esmun bekannt war. Aber wir dürfen aus der großen Zahl der inschriftlichen Zeugnisse für den Namen Aesculapius auf punischem Boden in Vergleich mit der geringen der Belege für 'AcKXrjmöc auf phönizischem keine Schlußfolgerung ziehen, weil wir überhaupt ein so viel reicheres inschriftliches Material für Afrika besitzen. Da der Asklepios auf phönizischem Boden durch die Münzen von Marathos früher bezeugt ist als auf punischem, so liegt es immerhin, trotz der zweifelhaften Herkunft des Asklepios dieser

1

S . oben S. 221.

2

Ü b e r die Datierung s. oben S. 220, Anmkg. 1.

keinenfalls älter als die zugehörige phönizische.

Die griechische Inschrift ist

240

Zweiter Teil: Esmun IV.

Münzen, näher, die Identifizierung im phönizischen Mutterland entstanden zu denken. Sie scheint hier indessen — wenn auf Marathos als den Ort der ersten Bezeugung Gewicht gelegt werden darf — abseits von den Mittelpunkten des Verkehrs entstanden und deshalb gegenüber der, wie ich annehmen möchte, herrschenden Auffassung des Esmun als Dionysos nicht recht aufgekommen zu sein. Keinenfalls aber darf man aus jener verschiedenen numerischen Stärke der Bezeugung des A s klepios in Afrika und in Phönizien entnehmen, daß überhaupt die Bedeutung des Esmun als Heilgott sich selbständig bei den Puniern gebildet hätte. Wir werden weiterhin sehen, daß diese Bedeutung des Gottes entweder direkt altkanaanäischer Vorstellung entspricht oder doch ihre Wurzeln hat in altkanaanäischer Anschauungsweise 1 . Einen bestimmten Beweis dafür, daß neben der deutlich bezeugten Interpretation des Esmun als Asklepios auch die als Dionysos üblich gewesen ist, können wir nicht erbringen 2 . Eine Wahrscheinlichkeit aber dieser Deutung liegt darin, daß der Dionysos in Phönizien gerade da vorkommt, wo Esmun zu erwarten ist, und daß sich für die Orte, wo der Dionysos sich findet, kein anderer phönizischer Gott nennen läßt, dem er entsprechen könnte. Wir werden weiterhin sehen, daß die Gleichsetzung des Esmun mit Dionysos für die Vorstellung von diesem Gott mindestens ebenso berechtigt wäre als die mit Asklepios. In der Identifizierung mit Dionysos würde sein Wesen sogar in umfassenderer Weise zum Ausdruck gebracht als in der mit Asklepios, der nur eine einzelne Seite der Vorstellung von Esmun wiedergibt. S o lange die weite Verbreitung des Dionysos in den phönizischen Münztypen nicht 1

S. unten 2. Teil, V, 6.

2

Ich bemerke dies — wie ich es auch früher nicht anders angesehen habe —

ausdrücklich mit Bezug auf die Einwendungen, die von DUSSAUD, Journ. des Savants 1907, S. 40 f. gegen meine Identifizierung des Esmun mit dem Dionysos der Münzen gemacht worden sind.

Meine Deutung des Esmun entnehme ich nicht aus seiner

Gleichsetzung mit Dionysos sondern zunächst lediglich aus seinem Verhältnis zu der Astarte, aus seiner Bezeichnung als „Sohn" eines andern Gottes und seiner Identifizierung mit Asklepios.

Die Richtigkeit der Deutung scheint mir bestätigt zu werden

durch die Zusammenstellung von Krankenheilung und Auferstehung oder Neubelebung aus dem Tod in, wie es scheint, allgemein nordsemitischer, jedenfalls babylonischer und alttestamentlicher Anschauung, wovon unten 2. Teil, V, 5 und 4. Teil, I die Rede sein soll.

Die nur als möglich und einigermaßen wahrscheinlich angenommene Auf-

fassung des Esmun als Dionysos wird von mir lediglich geltend gemacht, um zum Ausdruck zu bringen, daß auch sie für eine Erklärung des Esmun als eines Gottes des erwachenden Naturlebens sprechen würde. — Übrigens habe ich die Beurteilung des Verhältnisses des Esmun-Asklepios zu dem „Esmun-Dionysos", wie ich sie in Z D M G . L I X vorgetragen hatte, nicht ganz unwesentlich modifiziert auf Grund der beiden Münzen von Marathos (oben S. 221), auf die ich erst Z D M G . L X , 1906, S. 245 aufmerksam gemacht habe.

Der Dionysos der phönizischen Münzen.

241

a u f a n d e r m W e g e i n e E r k l ä r u n g findet, darf, m e i n e ich, ihre H e r l e i t u n g aus d e m Esmunkult mit d e m A n s p r u c h

auf W a h r s c h e i n l i c h k e i t

geltend

g e m a c h t w e r d e n E s k o m m t d a f ü r n o c h in B e t r a c h t , d a ß e i n e Identifizierung des A d o n i s

von

Byblos

stellern v o l l z o g e n w o r d e n i s t 2 . Adonis

und E s m u n

fallen s c h e i n e n 3 .

mit D i o n y s o s

von

n a c h ihrer u r s p r ü n g l i c h e n A u f f a s s u n g z u s a m m e n z u -

d. i. d e m D i o n y s o s , b e g e g n e n Übertragung

Esmun der

Schrift-

F e r n e r w e r d e n wir a n s p ä t e r e r S t e l l e bei Virgil unter

Göttern, die v o n d e n Karthagern verehrt w e r d e n , karthagischen

griechischen

Wir w e r d e n nämlich weiterhin sehen, daß

zu

entsprechen

Identifizierung

d e m „pater Lyaeus",

d e r hier n a c h d e m Z u s a m m e n h a n g scheint.

des Esmun

Darin

wäre

mit D i o n y s o s

dann auch

dem eine nach

K a r t h a g o zu e r k e n n e n . 1 Identifizierung des E s m u n noch mit einer dritten Gottheit scheint mir nicht nachweisbar zu sein. CLERMONT-GANNEAU (Recueil V, S. 380) entnimmt Gleich-, Setzung des E s m u n mit Hermes-Mercur aus einer von d e m arabischen Schriftsteller Sâleh ibn J a h j a in seiner Geschichte Beiruts zitierten A n g a b e , daß zu Sidon das

Heiligtum des ^Lks-, d. i. des Planeten Mercur, war. Mit Sicherheit geht die Identifizierung aus dieser Mitteilung keinenfalls hervor; denn einmal muß unter d e m hier genannten T e m p e l nicht g e r a d e d e r des E s m u n verstanden w e r d e n , d a Sidon außer diesem doch auch noch andere T e m p e l b e s a ß , und dann kann die A n g a b e eines arabischen Schriftstellers für sich allein nicht als sichere Auskunft über die Auffassung einer phönizischen Gottheit angesehen werden. Im Altertum scheint m a n vielmehr von den phönizischen Göttern in der R e g e l den Gott pDN oder pD mit H e r m e s - M e r c u r gleichgesetzt zu haben. — Auch aus 'Gpueî ['H]paK\eî in einer Inschrift von Delos (2. oder 1. vorchristliches J a h r h u n d e r t ) , die drei auf Delos ein Gymnasium b e s u c h e n d e Orientalen, darunter ein Sidonier u n d ein Tyrier, gestiftet h a b e n , kann ich die von CLERMONT-GANNEAU (Recueil V, S. 288Î) vermutete „équivalence de l ' E c h m o u n phénicien et d e l ' H e r m è s hellénique" nicht entnehmen. D a ß j e n e r D o p p e l n a m e d e m cyprischen E s m u n - M e l k a r t entspreche, wie CLERMONTGANNEAU meint, ist durch nichts n a h e gelegt, besonders da H e r m e s und H e r a k l e s sehr oft nebeneinander genannt werden u n d , miteinander v e r b u n d e n , auch anderwärts P a t r o n e eines Gymnasiums waren, ohne daß wir Veranlassung h ä t t e n , an eine phönizische Vorstellung zu denken. Vgl. unten 2. Teil, V, 3 zu 'ÊpjiripaKXfic. 2

S. oben S. 199 f.

B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

3 S. unten 3. Teil, I.

* S. unten 2. Teil, V, 4, 3.

l6

V. Die Vorstellung von dem Gott Esmun. i . Esmun nach Inschriften, Münzen und altern griechischen Autoren. Für einen Gott, der mit Asklepios-Äsculap gleichgesetzt wird, ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß er ein heilender Gott war wie dieser. E s wäre aber doch immerhin möglich, daß die Identifizierung auf der Beobachtung einer andern Gemeinsamkeit beruht. Ein zweifelloses direktes Zeugnis dafür, daß auch Esmun ein Heilgott war, besitzen wir nicht 1 . Leider haben bis jetzt die Ausgrabungen im Esmuntempel zu Bostan-esch-schech für das Verständnis der Vorstellung von dem Gott kein neues Material geliefert. Überhaupt ist über die Natur dieses Gottes keinerlei deutliche Aussage auf uns gekommen vor der des Mythos von Esmun, den in später Zeit die Vita Isidori des Damascius erzählt hat, woraus uns bei Photius ein Auszug erhalten ist 2 . Dieser Mythos enthält in unverkennbarer Entlehnung mancherlei nichtphönizische Elemente. Inwieweit sie einen Kern umschließen, der phönizisch ist und sich wirklich auf Esmun bezieht, muß erst konstatiert werden. Deshalb sehe ich von dem Mythos bei Damascius zunächst ab. Erst wenn alle ältern Aussagen geprüft sind und auf der — wie sich herausstellen wird — sehr schmalen Grundlage, die sich aus ihnen gewinnen läßt, mit Hilfe paralleler Aussagen aus dem Altertum ein Bild rekonstruiert ist, darf an den Mythos des Damascius herangetreten werden mit der F r a g e , ob sich etwas in ihm auf das so gewonnene Bild beziehen und vielleicht zu seiner Vervollständigung verwerten läßt 3 . Zunächst mache ich lediglich den Versuch, aus den direkten Aussagen vor Damascius die Grundlage zu gewinnen, deren ein weiteres rekonstruierendes Verfahren bedürftig ist. Den einzelnen Zeugnissen wird 1 LIDZBARSKI (Ephemeris II, S. 160) findet auf Grund sehr unsicherer Ergänzung in einer Inschrift aus dem Esmuntempel die Weihung von zwei Gliedmaßen erwähnt und denkt dabei an einen Geheilten. 2

S. oben S. 203.

3 S. unten 2. Teil, V, 7.

Esmun nach Inschriften, Münzen u. altern griechischen Autoren.

243

mit Geduld schrittweise nachzugehn sein, bis wir unter vielen, die eine Auskunft versagen, zuletzt doch wohl eine Gruppe von Aussagen finden, welche eine bestimmte Vorstellung geltend machen und dadurch geeignet sind, den Ausgangspunkt für Kombinationen zu bilden. Aus Damascius erwähne ich jetzt nur die Züge, welche direkt mit dem übereinstimmen, was wir aus andern Quellen entnehmen. Auch von der Annahme, daß Esmun identisch sei mit dem Iolaos, den Polybius (1. VII, 9, 2 f.) unter den karthagischen Göttern nennt, sehe ich einstweilen ab 1 . 1. Der Name ptPK ist nach Bedeutung und Ableitung unsicher, ebenso das Epitheton niNö, „Merre", Mrjppri in der sardinischen Trilinguis (CIS. 143, I). Man hat vorgeschlagen, es abzuleiten von fTIN als identisch mit "pK in dem Sinne „verlängern" und es dann zu verstehn von dem „lebenverlängernden" Gott 2 oder auch von ITH als Participium activum Iphil in der Bedeutung: „der [Schmerzens]linderer" 3 . Das erstere geht kaum an, da rflN für "pK nicht vorkommt und die Ergänzung des „Lebens" als des zu verlängernden nicht selbstverständlich wäre. Aber auch die Ableitung von fin in dem vorausgesetzten Sinne hat nicht viel Wahrscheinlichkeit, da dies Verbum vom Mildern des Schmerzes sonst nicht gebraucht wird. Besser haben andere das Wort von HIN „wandern" abgeleitet als Participium Piel = hebr. n"]MD*4 („Merre" = rn«ns). Der Name könnte dann entweder „Wanderer" oder „Geleiter" bedeuten, schwerlich: „einer, der Gäste (freundlich) aufnimmt", „hospitalier" 6 . Die Bedeutung „Geleiter" würde auf jeden Gott passen; bei dem „Wanderer" könnte man etwa an den Stab des griechischen Asklepios denken, den man verstanden hat als das Abzeichen des hilfreich von Ort zu Ort wandernden Arztes 7. Aber diese möglichen Bedeutungen des ÎTIKD sind viel zu unsicher, um daraus etwas zu folgern für das Wesen des Esmun, sei es sein ursprüngliches sei es das durch die Identifizierung mit Asklepios bestimmte. Allerdings die Aussage derselben Trilinguis: WSI X^p y ] m (Z. 1 f.) läßt sich kaum anders verstehn als: „er [Esmun] hat gehört seine [des salarius Kleon] Stimme, hat ihn geheilt" — dieser Passus ist im Lateinischen und Griechischen nicht wiedergegeben. Von Heilung könnte freilich etwa bildlicherweise die Rede sein im Sinne von Errettung, die sich 1

S . darüber unten 2. Teil, V , 4.

2

S o die Herausgeber des C I S .

3 So LIDZBARSKI, Epigraphik, S . 305. 4

S o M. A . L E V Y , Phönizisches Wörterbuch

1864 s. v.;

HALÉVY,

Mélanges

d'épigraphie, Paris 1874, S. 88; NÖLDEKE, Z D M G . X L I I , 1888, S . 4 7 2 . 5 So HALÉVY.

6

S o L E Y Y und HALÉVY.

1 So P R E L L E R - R O B E R T , Griech. Mythologie, Bd. I 4 , S. 525. Diese Deutung ist nicht sehr wahrscheinlich, da der „ S t a b " des Asklepios in den bildlichen Darstellungen durchaus nicht wie ein Wanderstab auszusehen pflegt. 16*

Zweiter Teil: Esmun V, i, i.

244

jedem Gott zuschreiben läßt. Indessen auch die bildliche Redeweise setzt die Vorstellung eines Gottes voraus, der sich als krankheitheilender bekundet hat. A b e r wieder Heilung von Krankheit kann gelegentlich einmal jedem Gott zu verdanken sein, der deshalb nicht gerade speziell ein Heilgott sein muß. D a g e g e n läßt der Umstand, daß eine Mineralquelle sich in der N ä h e der Fundstelle der sardinischen Inschrift befindet 1 , allerdings vermuten, daß sie eine Heilquelle des Gottes, dieser also im speziellen Sinn ein Heilgott war. A b e r die sardinische Inschrift setzt E s m u n ausdrücklich gleich mit A s c u l a p - A s k l e p i o s . Deshalb ist hier nicht zu ersehen, ob dem Esmun die Bedeutung als Heilgott von Hause aus eigen oder ihm etwa zugeflossen ist aus dieser Identifizierung. Zu Sidon befand sich ein Heiligtum des Esmun an der Quelle EnJidlal, und der Esmuntempel Aschmunazar's lag auf oder an einem Berge (CIS. 3, 17); die Ruinen des T e m p e l s zu B o s t a n - e s c h - s c h e c h liegen an einem B e r g a b h a n g . D i e T e m p e l des E s m u n - A s c u l a p zu K a r t h a g o und N e u - K a r t h a g o lagen auf Höhen 2 . Ebenso befanden sich in den A s klepiosheiligtümern vielfach Quellen, nicht immer Mineralquellen3, und in der R e g e l waren die T e m p e l auch des Asklepios auf Bergen erbaut. A n griechischen Einfluß ist für die Ortswahl der sidonischen Esmunheiligtümer nicht zu denken. Andererseits ist aus der Quelle und dem B e r g e dieser Heiligtümer weder zu ersehen, daß Esmun ein Heilgott war wie Asklepios, noch kann darin der A u s g a n g s p u n k t der Identifizierung gefunden werden; denn Quellorte und B e r g e waren die gewöhnlichen Lokalitäten für die Heiligtümer der westsemitischen Gottheiten überhaupt. Heilige Quellen speziell als Heilung spendend anzusehen, ist allerdings bei semitischen Völkern verbreitet gewesen. Eine Quelle des Ortes Palmetum (4>OIVIKÜJV) an der K ü s t e der Maranitä am arabischen Meerbusen galt nach dem aus A g a t h a r c h i d e s geschöpften Bericht des Diodorus Siculus (1. III, 43, 1, 210 4) als Heilung spendend, und die Pilger, die sich dort alle fünf Jahre zu einer Festfeier zusammenfanden, nahmen von d e m W a s s e r mit nach Hause, wie die A r a b e r es heute tun mit dem W a s s e r des Zemzem-Brunnens neben der K a a b a . Bei Ezechiel (c. 47, 9) bewirkt der Fluß, dessen Quelle im Heiligtum des endzeitlichen Jerusalem liegt, L e b e n und Heilung (INST), wohin er k o m m t , für alle lebenden

1

CIS. I, i, S. 187.

2

S. oben S. 2 2 3 f r . 230.

3 Zu dem in den altern Abhandlungen über Asklepios Gesammelten ist hinzuzufügen die Quelle Glava-Panega bei einem neuerdings ausgegrabenen Asklepiosheiligtum in Bulgarien, die noch heute vom Volk als heilig und heilend angesehen wird, s. GAWRIL KAZAROW, Zum Asklepioskult bei den alten Thrakern, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. XI, 1908, S. 574. S.

4 S. dazu EDUARD MEYER, Die Israeliten und ihre Nachbarstämme 100 f.

1906,

Esmun nach Inschriften, Münzen u. altern griechischen Autoren.

245

W e s e n . D i e Quelle En-Jidlal bei einem Heiligtum des Esmun ist also, wenn auch keineswegs beweisend für seine Bedeutung als Heilgott, so d o c h dazu sehr passend. In jenem N a m e n der Pflanze Solanum bei den Puniern acnpc^iouvifi „ K r a u t des E s m u n " 1 ist kein sicheres Kennzeichen dafür zu finden, daß Esmun von Hause aus ein Heilgott war, obgleich diese Bezeichnung gewiß mit der Heilkraft der Pflanze zusammenhängt, also den Gott, dessen N a m e n die Pflanze führt, als einen göttlichen A r z t ansieht. In der Schrift „ D e medicaminibus herbarum", die dem Apulejus zugeschrieben wird, in Wirklichkeit freilich viel jüngern Ursprungs ist, wird ein Mythos berichtet, w o n a c h Apollo diese Pflanze gefunden, dem Ä s c u l a p gegeben und ihr den N a m e n Apollinaris beigelegt hat (c. 23, Parabilium medicamentorum scriptores antiqui, ed. I. C. G. A c k e r m a n n , Norimb. 1788, S . 181). D e m n a c h läßt sich fragen, ob die punische Benennung der Pflanze nicht etwa auf einen griechisch-römischen M y t h o s und lediglich wieder auf die Identifizierung des Esmun mit Asklepios zurückzuführen ist. E b e n dieselbe Unsicherheit besteht für die Behauptung jenes Sidoniers bei Pausanias 2 , der Asklepios der Phönizier bedeute die den Menschen und Tieren zur Gesundheit notwendige Luft. A u c h hier kann möglicherweise, obgleich der Sidonier den phönizischen Asklepios bestimmt von dem griechischen unterschieden wissen will, an eine A n schauung gedacht werden, die in Phönizien unter griechischem Einfluß aufgekommen war. 2. D a ß bei Philo Byblius „Asklepios", d. i. Esmun, neben den sieben Kabiren als der „achte" und als Sohn des CUBEK oder CUÖUK (fr. 2, 27, S . 569; vgl. fr. 2, 11, S. 567) genannt wird, gibt uns keinen direkten A u f schluß über seine Bedeutung. D e r „achte" beruht, wie wir schon vermuteten^, wohl nur auf einer Etymologie Philo's oder seines Gewährsmannes*. 1 4

S. oben S. 204 f.

2

S. oben S. 221.

3 Oben S. 208. 214 f.

Nach Clemens Alexandrinus (Cohort. V, 58 P, Migne, SG. 8, Sp. 169; Fragm. philosophorum Graecorum ed. Mullach. III, S. 114, fragm. 4) bezeichnete der „Kapxibövioc" Xenokrates neben den sieben Planetengöttern einen „achten" als TÖV ¿K u o i v T w v aÜTÜjv c u v e c r i i i T a KÖcfxov. Da Kapxi&ovioc sicher aus KaXxi&övioc entstanden und der bekannte Xenokrates von Kalchedon gemeint ist, so kann sich diese Aussage, wenigstens wenn sie wirklich von Xenokrates stammt, schwerlich, wie man öfters gemeint hat (aufgebracht hat es wohl MOVERS Bd. I, S. 528), auf Esmun als den „achten" beziehen, mit dem Xenokrates sich kaum beschäftigt hat. Überdies hat A L O I S MÜLLER (Sitzungsber. d. Wien. Akad., philos.-hist. Cl. XLV, S. 503 f.) für die Parallelstelle bei Cicero, De nat. deor. 1,13, 34, wo Xenokrates ausdrücklich als „condiscipulus" des Aristoteles bezeichnet wird, also als der Kalchedonier gemeint ist, nachgewiesen, daß hier zwar von acht Göttern die Rede ist, derjenige aber „qui ex omnibus sideribus, quae infixa caelo sunt, ex dispersis quasi membris simplex sit pu-

246

Zweiter Teil: Esmun V , i, 2.

In der Zusammenstellung des Esmun mit den Kabiren ist allerdings kaum eine willkürliche Erfindung Philo's sondern eher die Wiedergabe einer wirklich zu seiner Zeit bei den Berytiern bestehenden Anschauung zu erkennen. Irgendwelcher tatsächliche Zusammenhang der Kabiren von Berytos mit dem Asklepios des Philo Byblius, d. i. Esmun, ergibt sich nämlich, wie es scheint, daraus, daß Philo an anderer Stelle (fr. 2, 12, S. 567) berichtet, von den Dioskuren oder Kabiren oder Korybanten oder Samothrakern, die von S y d y k abstammten, seien andere gezeugt worden, 01 xai ßoTccvac eupov, Kai Trjv TUIV baKeTdjv iaciv Kai eTiujödc. Hier stammen also die ersten Ärzte von den Kabiren ab. D a s kann auf einen wirklich im Kultus von Berytos bestehenden Zusammenhang des Esmun-Asklepios als des göttlichen Arztes mit den Kabiren verweisen. E s ist das um so eher anzunehmen als Philo an dieser Stelle von A s klepios nicht redet, jene A n g a b e von den ersten Ärzten also nicht auf einer erst von Philo oder einem etymologisierenden Vorgänger geschaffenen Verbindung des Asklepios als des „achten" mit den Kabiren zu beruhen scheint 1 . W o h l aber m a g die Kombination des Esmun mit den Kabiren speziell der Stadt Berytos angehört haben. W e d e r zu Sidon noch zu Karthago findet sich eine Spur dafür. Vielleicht liegt eine Entlehnung von auswärts vor. Zu Pergamon scheint dem Kultus des Asklepios ein Kult der Kabiren vorangegangen zu sein®. Jedenfalls hilft uns irgendwelcher Zusammenhang mit den Kabiren nichts zum Vertandus deus" nur einer von den acht Göttern ist, nicht gerade der achte der Reihenfolge, wie bei Clemens.

Cicero fügt nämlich hinzu: „septimum Solem adiungit, octa-

vamque L u n a m " . Die Bezeichnung als „achter" haftet hier also an keiner bestimmten der acht Gottheiten, a m wenigsten an dem „simplex putandus deus", dem vermeintlichen Esmun. 1

Die Stelle handelt überhaupt nicht von Esmun.

In fr. 2, 12 ist am E n d e der Geschichte der Erfinder die A b s t a m m u n g der

ersten Ärzte von den Kabiren angegeben.

Dann folgt die Erzählung von der A b -

stammung des Uranos und die lange Geschichte der Uraniden, und in dieser fr. 2, 20.27, S. 568f. nennt Philo zum ersten M a l e den Asklepios, den achten Bruder der Kabiren.

W ä r e dessen Zusammenhang mit den Kabiren nichts als eine etymologi-

sierende Erfindung Philo's oder seiner Quelle, dann wäre doch zu erwarten, daß er den Asklepios als den achten Bruder schon in fr. 2, 12 eingeführt hätte, wo er dann die Ableitung der Ärzte von den Kabiren auf eben diesen Einfall gründen würde.

Die

Nichterwähnung des Asklepios an dieser Stelle spricht dafür, daß der Zusammenhang der Kabiren mit den Ärzten auf einer feststehenden Zugehörigkeit des Asklepios zu den Kabiren beruht. Dieser Sachverhalt, wenn er von uns richtig aufgefaßt wird, hilft uns nichts zum Verständnis des E s m u n , ist aber wichtig für die Beurteilung Philo's. Dann beruhen seine A n g a b e n über die Erfinder nicht durchweg auf willkürlichen Einfallen sondern wenigstens zum Teil auf Reflexionen über die Kulte der einzelnen Städte oder auf überlieferten Göttergeschichten. 2

W . WROTH, Asklepios and the coins of Pergamon, T h e Numismatic chronicle,

Series III, Bd. II, 1882, S. i o f .

Esmun nach Inschriften, Münzen u. altem griechischen Autoren.

247

ständnis des Esmun, da wir doch nicht wissen, wie die Kabiren in Berytos vorgestellt wurden. V ä t e r der Ärzte sind sie bei Philo wohl lediglich auf Grund eben ihrer Verbindung mit Esmun-Asklepios. Es ergibt sich also aus den A n g a b e n Philo's mit einiger Wahrscheinlichkeit nur das eine, daß schon vor ihm in Berytos Esmun als ein Gott der A r z t e gedacht wurde. D a s könnte aber auch hier auf seiner Identifizierung mit Asklepios beruhen. In der Bezeichnung des „Asklepios" als Sohn des Zubéx oder ZubÙK bei Philo Byblius, des ZdbuKOC bei Damascius m a g etwas Richtiges enthalten sein. Dafür spricht die Übereinstimmung und, weil diese auf Abhängigkeit beruhen könnte, noch mehr der Umstand, daß diese A n g a b e als eine Erfindung Philo's oder seines Gewährsmannes sich kaum verstehn läßt. Erfindungen in seinen genealogischen A n g a b e n haben sonst eine sehr durchsichtige Tendenz. Allerdings aber ist ein phönizischer Gott Z u b & oder ZubuK mit Sicherheit nicht nachzuweisen 1 . Ein südarabischer Gottesname p"!S scheint gesichert zu sein, und für einen entsprechenden westsemitischen lassen sich wenigstens einige W a h r scheinlichkeitsmomente geltend machen. Erinnerung an den Kultus eines Gottes p l ï zu Sidon wird man vielleicht 2 darin erkennen dürfen, daß in arabischer Überlieferung Sidon als Sohn des S a d a k â oder Sadikâ ( i l i ' ^ o ) , des Sohnes Kanaan's, erscheint K D e r N a m e des Planeten 1 LAGRANGE (Religions sémitiques', S. 421, Anmkg. 4) stellt einen phönizischen Gott PNS in Frage; PHILIPPE BERGER, Comptes rendus AI. 1903, S. 158 tritt für den Gottesnamen ein. Es läßt sich aber nicht mit ihm dafür geltend machen der cyprische Königsname "[baplï; denn darin ist wahrscheinlich JHS Verbum und "jbß Gottesname, vgl. irrpis mit dem Nomen p"iü in appellativem Sinne. Für einen Gott pis kann auch nicht angeführt werden die eine Inschriftenserie aus dem Esmuntempel von Sidon (s. oben S. 212). Man hat darin lesen wollen )n,p1S als Personnamen: „Sdk hat gegeben". Aber eine zuerst und wiederholt von CLERMONTGANNEAU geltend gemachte andere Verbindung der Buchstaben hat, obgleich auch bei ihr Schwierigkeiten bleiben, die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Er liest (Recueil V, S. 366f.; VI, S. 162 ff. 337 ff.; ebenso LIDZBARSKI, Ephemeris II, S. 155): "j^ö "ibüliv pis p l und versteht den Anfang der Inschriften neuerdings (VI, S. 349): „ L e roi Bodachtoret — et (avec) le prince héritier Yatan-milik — roi des Sidoniens . . .". Diese Lesung hat den Vorzug, daß sie die Schwierigkeit des

durch die Verbindung des ersten "jbo mit )JV beseitigt. Die parenthetische Erwähnung des „Erbprinzen" vor dem Titel des Königs ist freilich auffallend. 2

M i t CLERMONT-GANNEAU, R e c u e i l V, S. 207 ff.

3 Darauf möchte ich nicht mit CLERMONT-GANNEAU (a. a. O., S. 257) Gewicht legen, daß der Bergstock, auf dem der Nähr el-Auwali bei Sidon, nach CLERMONTGANNEAU identisch mit dem Fluß Asclepius, entspringt, bei alten arabischen Geographen Dschebel Siddîkâ genannt wird. Wir hätten nach seiner Meinung in diesen geographischen Namen als mythologischen eine Zusammenstellung des Asklepios, d. i. Esmun, mit Sydyk. Aber bei der vielfachen Anwendung und mannigfachen Be-

Zweiter Teil: Esmun V, 1,3.

248

Jupiter p"H bei den Rabbinen ist nicht unbedingt ein Beweis für einen entsprechenden Gottesnamen; denn etwa nur der glückbringende Planet als solcher könnte so benannt sein nach der Bedeutung „Heil" für das hebräische p^X. A b e r der kanaanäische Personname im A l t e n T e s t a ment p I S ' ^ K (Jos. 10, 1), der ebensowenig als sein Pendant p"i:p3t?0 erfunden sein wird, bedeutet doch wohl eher: „(mein) Herr ist [der Gott] S e d e k " als: „mein Herr [oder: der Herr] ist g e r e c h t " 1 ; denn pH oder mit Suffix 'OIK ist im Phönizischen in der R e g e l Gottheitsepitheton, nicht für sich allein stehende Gottesbezeichnung 2 . D a g e g e n kann bedeuten: „(mein) K ö n i g ist [der Gott] S e d e k " und ebensogut „mein K ö n i g [d. i. Gott, mein König] ist g e r e c h t " oder mit i als Nominalendung: „[der Gott] Mlk ist gerecht". Vielleicht ist zu vergleichen der N a m e Rab-zid[k]i in den Amarna-Briefen (ed. Knudtzon n. 170, 37, S. 678 f.3). — Bei unserer völligen Unkenntnis über die Bedeutung des Gottes Sdk hilft uns indessen ein Zusammenhang des Esmun mit ihm zum Verständnis des Esmun ebensowenig als der Zusammenhang mit den Kabiren. 3. D a s Epitheton pH, das Esmun in der sardinischen Trilinguis (CIS. 143, I niKD ]öt8>*6 pN1?) und mit dem S u f f i x , das er in der V e r bindung von mit mp"?D auf Cypern ( i 6 b ; 23 [ m j p b ö „seinem Herrn, dem Esmun-Melkart") erhält, besagt gar nichts, da es allgemeines Gottheitsepitheton ist. W o h l aber wird in der Dedikationsformel der sidonischen Inschriften, und zwar gleichlautend in der Inschrift Aschmunazar's und in den beiden Inschriftenreihen Bodaschtart's, dem Esmun ein sonst nicht vorkommendes Prädikat beigelegt: tHp JCtiX^. Die von anderer Seite ausgesprochenen Bedenken g e g e n die L e s u n g lassen sich beseitigen, obgleich sonst das W o r t als Gottheitsepitheton im Westsemitischen nicht nachzuweisen und im Phönizischen bis jetzt überhaupt nicht gefunden ist. E s entspricht fraglos in der Bedeutung des hebräischen W o r t e s im deutung der Bildungen vom Stamme pIS ist es sehr zweifelhaft, ob in jenem Bergnamen ein Gottesname zu erkennen ist. Vgl. Studien I, S. 15, Anmkg. 1. Vgl. oben S. 66f., aber auch die S. 67 angeführten vereinzelten Personennamen mit ]1K, 'adüni als einem Gottesnamen. Schwerlich aber kann in dem südarabischen Personnamen pilttjy und dem anscheinend gleich gebildeten altbabylonischen Ammi-z{§)aduga ( R A N K E , Early Babylonian personal names, S. 35. 65) in pis etwas anderes als das Verbum erkannt werden. 1

2

3 WlNCKLER n. 125, 37, S. 236f. liest Ben-zidki. 4 Durch die letzten Funde scheint die Lesung "W festzustehn. Zuerst war auch vorgeschlagen worden, nt» zu lesen, was sich unschwer als ein Gottheitsepitheton verstehn ließe, vgl. das alttestamentliche 1B>.

Esmun nach Inschriften, Münzen u. altern griechischen Autoren.

249

Sinne von „Fürst" babylonischem sarru als einem Epitheton verschiedener Götter und dem keilschriftlichen Namen der Göttin von Harran Sarratu (hebräisch tn:P („der den Esmun fürchtet"?), als „Schützling des Esmun" pKWU, Tr|puc)na)v, als „Mutter" oder wohl eher „Magd des Esmun" ptSWöN, wahrscheinlich statt Jß^ilON. Für die Namen JötSWn und -J^öti»« ist die Bedeutung ganz unsicher. Zu diesen 17 Namen kommt als wahrscheinlich hierher gehörend noch hinzu ttwtyö „tt'K hat getan". Vielleicht ist ferner in einer karthagischen Inschrift ein weiterer Name zu lesen KöMiOtyK, vielleicht aber auch DömöBW = DöJHöPK. Die Bedeutung von KBm»t?M wäre dunkel; vermutlich stände KDn irrtümlich statt frOH „Esmun ist gnädig". Alle diese Namen besagen für die besondere Vorstellung von Esmun gar nichts, da sie fast alle, mit vielleicht alleiniger Ausnahme von im Phönizischen oder doch im Alten Testament Pendants mit Anwendung anderer Gottesnamen haben. Der Name "JJPiÖB'K „Esmun hat bestimmt" hat vielleicht eine Parallele in alttestamentlichem "HJ?"1 oder l i y , das freilich auch zum Stamme mj> gehören kann wie "HJJ in 'WIJ?. Jedenfalls ist die A u s s a g e von IJPiöti'K so allgemein als möglich, ebenso die von JDtiWli'1, wo die Bedeutung „der den Esmun fürchtet" doch ziemlich sicher ist. 5. Trotz des Schweigens unserer Quellen über das Wesen des Esmun läßt sich doch einiges Wenige über seine Stellung unter den phönizischen Gottheiten aus unserm Material direkt entnehmen. O b in Karthago der Tempel des Aesculapius-Esmun auf der Akropolis 3 sich, wie man oft vermutet hat, in der unmittelbaren Nachbar1

Ich habe pKlftWK, »SHUtt»« und pttWlK als einen einzigen Namen gezählt,

dagegen JBEWD und

als selbständige Namen, obgleich das erstere möglicher-

weise Nebenform von 'tmj? sein könnte und das zweite von PRAETORIUS (Phönizische Namen auf wird.

Z D M G . L V I I I , 1904, S. 633) als Nebenform von

angesehen

Gegen diese Annahme scheint zu sprechen der altbabylonische Name

Rammdtt, s. RANKE, Early Babylonian personal names, S. 110. 233, Anmkg. 5. * S. oben S. 21;

ff.

3 S. oben S. 223 ff.

Islik-

Esmun nach Inschriften, Münzen u. ältern griechischen Autoren.

251

schaft des Tempels der großen karthagischen Göttin befand, ist zweifelhaft, da sich die L a g e des Tempels der Göttin bis jetzt mit Sicherheit nicht nachweisen läßt 1 . A b e r in lateinischen Inschriften fanden wir den Äsculap direkt nach dieser Göttin, der Cälestis, genannt 2 , und schon die Verehrung des Esmun auf der Akropolis beweist seine Wichtigkeit für den karthagischen Staat. Daraus ergibt sich zweifellos, daß er nicht ein Spezialgott der Heilkunst war, sondern eine allgemeinere Bedeutung hatte, in der nur eine bestimmte Seite auf heilende Wirksamkeit bezogen werden konnte. A b e r der Name des höchsten Gottes ist JOl^N in Karthago nicht gewesen. Nicht nur erscheint der karthagische Äsculap als der Cälestis nachgeordnet, sondern aus allen unsern Nachrichten über die karthagische Religion gewinnt man den Eindruck, daß unter den männlichen Göttern der höchste der Rangordnung nach der Gott war, der als Kpovoc oder „Saturnus" bezeichnet wird und wohl identisch war mit dem von andern „Herakles" genannten Gott. Mit „Herakles" jedenfalls ist gemeint der „ B a a l " mit dem Namen Melkart, den man auch kürzer milk und am häufigsten Baal Hamman nannte 3 . Diesem Gott oder, wenn die angeführten Bezeichnungen nicht alle einen einzigen meinen, diesen Göttern hat Esmun im R a n g offenbar nachgestanden. A u c h in Sidon war er nicht der höchste Gott, denn Aschmunazar nennt, offenbar als von Esmun verschieden, den „ B a a l von Sidon", dem er ebenfalls einen Tempel erbaut hat (Z. 18). Wie der karthagische Äsculap seinen Platz hinter der Cälestis hat, so stand der Esmun von Sidon anscheinend der Astarte nach; Aschmunazar nennt die Erbauung eines Astartetempels vor der des Esmuntempels, dagegen die Erbauung eines andern Astartetempels nach der des Tempels für den Baal von Sidon (Z. 1 6 ff.). Esmun verdankt die hervorragende Stellung, die er auf der Akropolis Karthagos einnimmt, wahrscheinlich seiner Kombination mit der großen Göttin Karthagos, der „Cälestis". Sie war allem Anschein nach die am höchsten verehrte unter den Gottheiten Karthagos und ebenso Astarte in Sidon, wo der Baal nur etwa in seiner Eigenschaft als der eigentliche Stadtgott, der „Baal von Sidon", einen gewissen Vorrang gehabt haben mag. König Tabnit bezeichnet in seiner Inschrift sich und seinen Vater als Priester der Astarte (Lidzbarski, Epigraphik, S . 4 1 7 , Z. 1 f.). In der Aschmunazar-Inschrift wird die Königin Mutter Amaschtart eine Priesterin der Astarte genannt (Z. I4f.) und Astarte als „unsere Herrin'" bezeichnet (Z. 15). A u c h ein König Bodaschtart von Sidon (wir wissen nicht, ob er identisch ist mit dem Erbauer des Esmuntempels) hat nach einer Inschrift „seinem Gott, der Astarte" (Tr\Wj}b "^[K]1?) eine Weihung

1

V g l . unten 2. Teil, V , 2.

1

S. oben S . 223.

3 S. Artikel „ M o l o c h " P R E . 3 , B d . X I I I , S. 289, 9 ff. und unten 3. Teil V , 4, 1.

252

Zweiter Teil: Esmun V , i, 5.

dargebracht (CIS. 4, 5). Aus alledem geht deutlich hervor, daß Astarte für den sidonischen Staat eine besonders hohe Bedeutung hatte, eine höhere als Esmun. Von griechischen Schriftstellern wird der phönizische „Asklepios" als der Sohn eines andern Gottes bezeichnet, bei Philo Byblius als Sohn des Sydek oder S y d y k 1 und ebenso bei Damascius als Sohn des Sadykos. Jener Sidonier bei Pausanias (1. V I I , 23, 7 f.) bezeichnet den Asklepios — er behauptet damit eine spezifisch phönizische Auffassung auszusprechen — als einen Sohn des Apollon, d. i. nach seiner Auslegung: der Sonne. In dem Sohnesverhältnis eines Gottes kann an und für sich lediglich das Bewußtsein einer wirklichen oder gedachten geschichtlichen Folge der Kulte zum Ausdruck kommen Aber für Esmun ist es zweifellos, daß er nicht in die Reihe der großen phönizischen Götter gehört, die von den Griechen als „Zeus" oder „Kronos" bezeichnet werden. Bei Esmun wird also in der Bezeichnung als Sohn ein Verhältnis der Unterordnung zum Ausdruck kommen. Von Vätern jener großen Götter, des El oder auch der verschiedenen Götter, die schlechthin als der Baal bezeichnet werden, wissen wir nichts. Sie gelten in den mit ihren Namen gebildeten Personennamen als „der Vater" oder doch als Vater ihrer Verehrer 2 . Wenn Philo Byblius auch dem KronosE1 einen Vater zuweist, den Uranos, so geschieht das lediglich nach griechischem Vorbild. Esmun seinerseits steht offenbar als „Sohn" in einer Reihe mit Göttern zweiten Grades bei den Westsemiten, dem Adonis von Byblos und dem ursprünglich, ehe er in der Baalvorstellung aufging, wahrscheinlich ebenfalls dem höchsten Gott untergeordnet gedachten Melkart-Herakles von Tyrus. Diese „Söhne" unter den Göttern werden den „Vätern" gegenüber als jugendlich vorzustellen sein. Bei Melkart und Adonis bezieht sich die Jugendlichkeit darauf, daß sie neu zum Leben erstanden sind. Sie sind nicht immer da, sondern werden in jedem Jahre neu geboren3. Dasselbe wird für Esmun zu vermuten sein. Auch er also scheint nach jenen Analogien ein Gott des Naturlebens zu sein. Freilich muß bemerkt werden, was sich für Esmun aus den angeführten Zeugnissen deutlich genug ergibt, daß alle unsere Nachrichten über genealogische Verhältnisse der phönizischen Götter aus später Zeit stammen. Wie alt diese Anschauungsweise ist, läßt sich bei der Spärlichkeit alter Quellen für die phönizische Religion nicht sagen.

1

S. oben S. 245.

' V g l . oben S. 39 f.

E s ist sicher nicht zufällig, daß ein N a m e 'Abi-'asmun bis

jetzt nicht gefunden worden ist. 3 Für Adonis s. oben S. 1 3 3 ff. 177 ff. Auch für Melkart ist das selbe anzunehmen, da ihm ein jährliches Auferstehungsfest gefeiert wird, wonach auch er ursprünglich zu den jugendlichen Göttern zu gehören scheint; vgl. oben S. 33. 135.

Esmun nach Inschriften, Münzen u. altern griechischen Autoren.

253

In Babylonien kommen genealogische Verhältnisse der Gottheiten schon sehr früh vor, werden aber doch auch hier nichts ursprüngliches sein. Daß man wenigstens in später Zeit bei den Phöniziern bestimmte Götter als „ S ö h n e " ansah, muß indessen ebenso wie überall da, wo diese Stellung sich nicht oder nicht nur aus einer geschichtlichen Reflexion ableiten läßt, in einer vorgefundenen Auffassung dieser Götter begründet gewesen sein. Insofern dürfen allerdings jene Zeugnisse für eine alte Anschauung von diesen Göttern, Esmun wohl eingeschlossen, als jugendlichen geltend gemacht werden. A u f Münzen des Septimius Severus, des Caracalla und des Geta finden sich Bilder, die möglicherweise den karthagischen Esmun darstellen 1 . Esmun wäre hier jugendlich aufgefaßt. E s ist aber doch zweifelhaft, ob die Münzbilder wirklich ihm gelten. Die Münzen zeigen eine nackte Gestalt, die als Äsculap oder doch als ein mit dem Äsculap verschmolzener Gott kenntlich ist an dem schlangenumwundenen Stabe, welchen sie in der Hand hält; von den gewöhnlichen Darstellungen des Asklepios oder des Aesculapius ist sie dadurch verschieden, daß zwei große Schlangen sich zu beiden Seiten der Figur emporrichten. Der Gott ist auf zweien dieser Münzen deutlich oder doch anscheinend bartlos dargestellt*; wenigstens auf einer ist die Bartlosigkeit nicht zweifellos 3 . A b e r auch der griechisch-römische Heilgott wird nicht so selten bartlos abgebildet 4 . Seit der zweiten attischen Schule und seit Skopas kommt Asklepios in jugendlicher Gestalt vors. Unsicher ist ferner die Beziehung der Münzen auf Afrika. Äußere Anzeichen für die Prägung in Afrika

1

S. Tafel V, n. 3—5.

Die Beziehung des Gottesbildes auf Esmun ist aufgestellt

worden von BABELON, „ L e s monnaies de Septime Sévère, de Caracalla et de Géta relatives à l'Afrique", Rivista Italiana di numismatica, Bd. X V I , 1903, S. 157fr. und Comptes rendus AI. 1904, S. 231 ff. 2

Tafel V, n. 3 und 4 (mit Kopf oder Büste des Septimius Severus).

3

Tafel V, n. S (mit Büste des Geta).

4

Auf diese Darstellung des Gottes der Münzbilder ist deshalb nicht so starkes

Gewicht zu legen, wie es BABELON tut. 5 AMELUNG, Die Sculpturen des Vaticanischen Museums, Bd.-I, 1903, S. 30; vgl. KJEI.LBERG, Asklepios, mythologisch-archäologische Studien, Sprâkvetenskapliga Sällskapets, Upsala förhandlingar 1894—1897 (Upsala Universitets Arsskrift), S. 104 (Separatabzug II, S. 35). Das wohl noch ältere Kultbild in Sikyon stellte den Asklepios als unbärtigen Jüngling dar, s. KJELLBERG a. a. O., S. 71 (II, S. 2). Auf einer Großbronze des Galba (HENRY COHEN, Description historique des monnaies frappées sous l'empire romain, Bd. I 2 , Paris 1880, S. 336 n. 265), von der sich ein Exemplar im Berliner Königlichen Münzkabinett befindet (ich verdanke die Kenntnis der Münze Herrn Professor DRESSEL), ist Äsculap in nackter jugendlicher Gestalt dargestellt mit dem Schlangenstab in der Hand.

Zweiter Teil: Esmun V , i, 5.

254

liegen nicht vor 1 . Ich kann nicht finden, daß aus innern Gründen mehr zu entnehmen ist als die Möglichkeit der Beziehung auf Afrika. Sie liegt allerdings für Münzen des Septimius Severus, der ein geborener Afrikaner war, nahe. Er hat sich um das J. 204 speziell mit Afrika beschäftigt, und es ist wahrscheinlich, daß er sich nach 202 in Afrika aufgehalten hat 2 . Das ist aber, soviel ich sehe, nicht entscheidend für seine Münzen mit dem „Asculap", die aus dem J. 207 stammen 3. — Solange die zweifelhaften Punkte nicht klargestellt werden, können diese Münzbilder als beweisendes Material für die Auffassung des Esmun nicht verwertet werden. Wir werden aber weiterhin noch sehen, daß die Verbindung des Gottesbildes der Münzen mit zwei Schlangen seine Beziehung auf Esmun sehr nahe legt 4 . Mit mehr Wahrscheinlichkeit läßt sich ein Bild des Esmun erkennen auf einer schon obens in Erwägung gezogenen Münze von Berytos, auf dem A v e r s mit dem Bilde Heliogabal's, auf dem Revers eine jugendliche nackte Gestalt, die zwischen zwei aufgerichteten Schlangen steht 6 . D a es nach den oben? besprochenen Angaben oder Andeutungen über Esmunkult zu Berytos naheliegt, bei einem Gottesbild dieser Stadt an Esmun zu denken, so mag die Beziehung des Münzbildes auf ihn berechtigt sein. Die Stellung eines Gottes zwischen zwei Schlangen kommt selten vor. Deshalb könnte man etwa von dieser Münze aus einen Rückschluß machen für die Bedeutung der Figur zwischen zwei Schlangen auf jenen Münzen des Septimius Severus, des Caracalla und des Geta. Der Schlangenstab, den die jugendliche Figur jener anscheinend afrikanischen Münzen trägt, würde hinzugefügt worden sein auf Grund 1

N a c h mündlicher Mitteilung von Professor DRESSEL.

A u c h BABELON be-

hauptet nicht, daß Prägung in Afrika anzunehmen sei. ä

Diese Beziehungen des Kaisers zu Afrika hat BABELON, Rivista, S. 159fr. nach-

gewiesen. 3 W . WROTH (Apollo with the Aesculapian staff, T h e Numismatic chronicle, Series III, Bd. II, 1882, S. 301 ff.), der eine dieser Münzen (mit K o p f des Caracalla; bei BABELON, Rivista, S. 170 n. 21, ohne Abbildung) besprochen hat, findet darin keine Beziehung auf Afrika und deutet die Gottesfigur anders. Die Gottesfigur dieser Münze (bei WROTH Taf. X I V n. 1) ist identisch oder nahezu identisch mit der Gottesfigur der bei BABELON, Rivista, Taf. III n. 12 (unsere T a f e l V , n. 5) abgebildeten Münze mit Büste des Geta.

A u s der nicht photographischen W i e d e r g a b e des Münz-

bildes bei WROTH läßt sich Bartlosigkeit des Gottes, die er, wenn die Abbildung korrekt ist, mit Recht annimmt, nicht sicher konstatieren. • S. unten 2. Teil, V, 6. 6

5 S. 233 f.

BABELON (Comptes rendus A I . a. a. O.) stellt dies Münzbild mit den auf

Afrika zurückgeführten zusammen und hält auch die Figur der Münze von Berytos für einen Esmun. 7 S. 214 f.

Esmun nach Inschriften, Münzen u. altern griechischen Autoren.

255

der Verschmelzung mit dem römischen Äsculap, für den der Schlangenstab charakteristisch ist. In dem Bilde der Münze von Berytos könnte sich eine altphönizische Auffassung des Esmun erhalten haben neben der schon früher auf den phönizischen Münzen vereinzelt vorkommenden Darstellung des griechischen Asklepios, und von hier aus gewönne dann die Deutung des Dionysos der phönizischen Münzen auf Esmun an Wahrscheinlichkeit; denn das Bild der Münze von Berytos hat, wie schon bemerkt wurde, am meisten Ähnlichkeit mit einer Dionysosgestalt. Aber die Darstellung zwischen zwei Schlangen ist nicht unbedingt ein Anzeichen für phönizische Herkunft. Auf einer Münze von Zakynthos aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert scheint in einem Knaben zwischen zwei geringelt sich aufrichtenden Schlangen, mit denen er spielt, der junge Asklepios dargestellt zu sein 1 . Sonst freilich kenne ich auf griechischem Boden keinen Asklepios zwischen zwei Schlangen. Immerhin bietet unter Vergleichung der Münze von Zakynthos die von Berytos keinen ganz sichern Ausgangspunkt, um in dem Gott zwischen zwei Schlangen den phönizischen Esmun zu erkennen. Wie die an Dionysos erinnernde jugendliche Gestalt auf dieser Münze, so könnte man auch sonst die Darstellungen des Dionysos auf den Münzen der phönizischen Städte, wenn man sie nach unserm Vorschlag auf Esmun beziehen will, zum Teil ansehen als ein Zeichen für jugendliche Auffassung des Esmun. Ich finde in diesen Dionysosbildern freilich nichts, was von gewohnter griechischer Darstellung abwiche; auch tritt Jugendlichkeit nicht überall hervor. Der Gott ist bald bartlos, bald bärtig dargestellt. Dionysos wurde in der altern griechischen Kunst, soweit ich mich habe unterrichten lassen, häufig bärtig dargestellt 2 . Ganz abgesehen von den besprochenen Münzen ist die Auffassung des Esmun als eines jugendlichen Gottes kaum zweifelhaft. Bei Damascius stimmt mit unsern Beobachtungen überein seine Schilderung des Esmunos als eines schönen Jünglings, der von der Göttermutter Astronoe geliebt und zum Gott erhoben wird 3. Zu einer weitem Charakterisierung, die sich den bisher gewonnenen anschlösse, würde die Gleichsetzung Esmun's mit Dionysos, wenn sie 1 Catalogue of the Greek coins in the British Museum, Bd. Peloponnesus von GARDNER, London 1887, Taf. XIX, 16. Ich verdanke die Kenntnis dieser Münze Herrn Dr. REGUNG am Berliner Königlichen Münzkabinett, wo sich ein Exemplar befindet. Daß sie nicht mit GARDNER a. a. O., S. 96 auf den mit den Schlangen kämpfenden Knaben Herakles zu beziehen ist, hat v. SALLET, Zeitschr. f. Numismatik, Bd. XVIII, 1892, S. 197 in überzeugender Weise gezeigt. Daß sie, wie er vorschlägt, auf den Asklepios zu beziehen sei, ist mit irgendwelcher Bestimmtheit nicht zu ersehen. Ich weiß aber auch meinerseits keine andere Deutung. 2

Nach WELCKER, Griech. Götterlehre, Bd. II, S. 6i6f. sogar immer. 3 S. unten 2. Teil, V, 7.

256

Zweiter Teil: Esmun V , 1, 5.

berechtigt sein sollte, Veranlassung geben. Sie würde zeigen, was wir schon aus der Stellung Esmun's in Karthago entnommen haben, daß die Vorstellung von ihm eine allgemeinere war als die eines speziellen Heilgottes. Bei den offenbar vielfach sehr äußerlichen Gründen für die Gleichsetzung phönizischer Gottheiten mit griechischen wäre die Veranlassung zu einer Identifizierung Esmun's mit Dionysos nicht allzu tief zu suchen. Aber auch in Phönizien konnte man in Dionysos den Repräsentanten der ausbrechenden Lebensfreude nicht verkennen. In dem Parallelismus dieser Vorstellung mit der der Wiedergewinnung des Lebens durch den heilenden Gott könnte das Motiv zu finden sein für die Deutung ein und desselben Gottes als Dionysos und als Asklepios 1 . Es wird uns aber weiterhin wahrscheinlich werden, daß eine Auffassung des Esmun als des Gottes des erwachenden Naturlebens die ursprüngliche und die Bedeutung als Heilgott erst daraus hervorgegangen ist 2 . In dem bisher von uns beobachteten scheint darauf zu verweisen seine Darstellung als „Sohn", als jugendlicher Gott. Auch Dionysos ist nicht nur allgemein ein Gott der Lebensfreude sondern speziell ein Gott des erwachenden Lebens, der im Menschen und in der Natur neue Kräfte weckt. Ob man daran gedacht hat, wenn man in Phönizien ihn wirklich dem Esmun gleichsetzte, ist zweifelhaft; aber schon eine Übereinstimmung des allgemeinen Charakters, wohl eben in der Lebensfreudigkeit, kann dafür ausreichend erschienen sein. Ist Esmun wirklich speziell ein Gott des erwachenden Naturlebens, so wird von ihm wie von Adonis die Vorstellung bestanden haben, daß er zeitweilig entschwindet, um dann wiederzukehren. Sollte sich vielleicht darauf seine Bezeichnung mit mND nach der Erklärung „Wanderer" beziehen und hinweisen auf sein Kommen, Gehn und Wiederkommen? Ob für Esmun und andere ihm verwandte Gottesgestalten der Kanaanäer der Zusammenhang mit dem erwachenden Naturleben, der neuen Vegetation, zu verstehn ist von dem Erwachen des Frühlings nach dem Winterschlaf oder von dem Erwachen nach der Sommerdürre mit der beginnenden Regenzeit, läßt sich allgemein nicht beantworten und am wenigsten speziell für Esmun. Es mag in den einzelnen Fällen bald an die eine, bald an die andere Jahreszeit zu denken sein. Für Adonis glaubten wir mit Bestimmtheit an das Erwachen der Natur im Frühling denken zu müssen. Es ist nicht notwendig, daß unsere für ihn gemachten Beobachtungen auch für Esmun gelten. Der Auffassung als Vegetationsgott mag bei Esmun, wie wir es für 1

BAETHGEN, Beiträge, S. 44 hat das Richtige vermutet, wenn er den Esmun

als den „Gott der Lebenskraft und der Heilung" bezeichnet. er nicht. 2

S. unten 2. Teil, V , 7.

Eine Begründung gab

Esmun nach Inschriften, Münzen u. altern griechischen Autoren.

257

Adonis angenommen haben 1 , vorangegangen sein eine mehr konkrete, die ihn gegenwärtig dachte in einem einzelnen Naturgegenstand oder umschränkten Naturbereich, woran das Wiederaufleben nach dem A b gestorbensein beobachtet wurde. D i e Vorstellung von Vegetationsgöttern gehört bei den Phöniziern zweifellos den Anfangszeiten an, wie wir, noch mehr als aus den bis dahin besprochenen Nachrichten über A d o n i s , weiterhin aus seinem Zusammenhang mit dem babylonischen T a m m u z werden entnehmen müssen 2 . D a wir freilich direkt nicht wissen, ob die spezielle Vorstellung des Gottes Esmun schon in ältesten Zeiten vorhanden war, scheint es keine Berechtigung zu haben, über eine primitive Bedeutung vor jener allgemeinen des erwachenden Naturlebens zu reflektieren. W i r werden aber später sehen, daß die Vorstellung von Esmun durch ihren Zusammenhang mit der von A d o n i s und T a m m u z allerdings für ihren Ursprung auf hohes Altertum verweist Die einstmalige Bedeutung als ein Baum, wie wir sie für eine Seite der T a m m u z vorstellung und ebenso für Adonis nicht unwahrscheinlich gefunden haben, ließe sich sehr wohl denken als der A u s g a n g s p u n k t eines Lebensgottes, dem man krankheitheilende K r a f t zuschrieb 4 . Die Babylonier kennen einen heilkräftigen B a u m von Eridu 5 . Bei Ezechiel (c. 47, 12) wachsen an dem Tempelstrome des endzeitlichen Jerusalem Bäume, deren Blätter zur Arznei 6 dienen. Die in den Blättern zutage tretende Lebenskraft des B a u m e s ist hier als Heilung wirkend gedacht. D a s ist nur eine Spezialisierung der bei den Nordsemiten weitverbreiteten Vorstellung v o m Lebensbaume, die im A l t e n Testament in der F o r m vorkommt, daß der Genuß der Früchte des B a u m e s L e b e n bewirkt'. Krankheitheilung faßten die » Oben S. 173fr.

2

S. unten 3. Teil, I I .

3 S. unten 3. Teil, I und I I I . * Aus der Bedeutung speziell des Esmun als das erwachende Naturleben läßt sich nicht mit voller Bestimmtheit ersehen, daß er von Hause aus eine tellurische Bedeutung hatte,

obgleich

es allerdings von vornherein

wahrscheinlich ist.

Das

Naturleben könnte durch den A u f g a n g oder W e c h s e l eines Gestirns bestimmt gedacht sein. B e i Adonis ist die tellurische Bedeutung deutlich durch die K l a g e ; diese läßt sich, so wie sie lautet, nur auf das Absterben des Erdenlebens beziehen, mit dem also der Gott stirbt.

Für Esmun wissen wir von einer K l a g e nichts.

W i r werden aber sehen,

daß es nicht möglich ist, die Ursprünge der Vorstellung von Esmun und der von Adonis zu trennen (s. unten 3. Teil, I). Sollte wirklich der N a m e 1 0 » « auf die Lebenskraft verweisen (s. oben S. 207 f.), so paßt das am besten auf die neu erstehende V e g e tation und etwa speziell auf einen einzelnen B a u m , .eine einzelne Pflanze oder auch ein abgegrenztes Bereich der Pflanzenwelt als ein grünendes oder blühendes. 5 ZIMMERN, Gott Tamüz, S. 7 1 5 . 6

nann, vgl. Sir. 38, 4 m s n n =

(pdpiiaKa.

7 S. darüber W Ü N S C H E , D i e Sagen v o m Lebensbaum und Lebenswasser ( E x Oriente lux, herausggb. von Winckler, Bd. I, 1905), S. 1 ff. B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

17

258

Zweiter Teil: Esmun V, I, 5.

Nordsemiten auf als L e b e n s v e r l e i h u n g I n der neutestamentlichen Apokalypse (c. 22, 2) findet sich die Vorstellung der Heilung durch die Blätter des SuXov Cuurjc (vgl. noch Sir. 38, 5). Nach heutigem syrischem und arabischem Glauben erlangen Kranke, die ein Stück von ihrem Zeug an einen heiligen Baum hängen, dadurch Heilung 2 . Die Beduinen in Moab lassen den grünen Zweig eines heiligen Baumes über den Körper oder die Arme streifen, um von einer Krankheit befreit zu werden oder eine neue Kraft zu erlangen. Zwei oder drei Blätter eines heiligen Oelbaumes zu Kerak bringen, auf die erkrankten Körperteile gelegt, Heilung. Oder man schläft, um Genesung zu finden, im Schatten eines heiligen B a u m e s 3. Vielleicht nicht nur die Beobachtung der Wachstumskraft des Baumes hat ihn als Leben oder Heilung bringend erscheinen lassen, sondern auf den Baum überhaupt wurde dazu noch etwa übertragen was von einzelnen Bäumen und andern Pflanzen gilt, daß sie nach praktischer Erfahrung heilkräftig wirken. Auch an die Pflanzen ist doch wohl gedacht in der Aussage des Buches Sirach (c. 38, 4), daß Gott „aus der Erde Heilmittel schafft". Der babylonische Mythos kennt neben dem Lebensbaum ein Lebenskraut'». Auch auf Grund der heilkräftigen Wirkung von Pflanzen konnte ein Vegetationsgott zum Heilgott werden. Soviel scheint mir schon aus dem Material, das ich bereits gegeben habe, deutlich zu sein: Esmun ist eine Naturgottheit, die erst, nachdem eine bestimmte Stadt ihren Kultus angenommen hatte, zu einer Schutzgottheit des Volkes wurde, so in Karthago. Wäre Esmun von Hause aus ein nicht naturalistisch aufgefaßter Stammesgott, so bliebe seine Charakterisierung als „Sohn" unerklärlich und ebenso seine Stellung zur Astarte. Sie läßt sich wohl nur verstelin, ebenso wie wir es für die Stellung des Adonis zur Baalat auszuführen versucht haben 5 , als die Verbindung des Repräsentanten der sich erneuenden Natur mit der großen Mutter alles Lebendigen 6 . Auch für Astarte glaubten wir in einzelnen ihrer verS. unten 2. Teil, V, 5 und 4. Teil, I. Für die Sitte, Stücke der Kleidung speziell zum Zwecke der Krankenheilung an heilige Bäume zu hängen, s. die oben S. 175, Anmerkg. 3 für das Behängen der 1

2

h e i l i g e n B ä u m e zitierten A n g a b e n b e i CURTISS, JAUSSEN, MASPERO u n d SCHWALLY.

Nach CURTISS S. 96 f. nimmt man zum Zwecke des Geheiltwerdens auch einen Fetzen des Zeuges vom heiligen Baum an sich. Übrigens binden die Araber zur Heilung von Krankheit Zeugstoffe nicht nur an heilige Bäume sondern auch an das Grab eines Weli, eines Heiligen, s. JAUSSEN S. 306. Auch die heiligen Bäume werden zu einem Weli in eine Beziehung gesetzt. Jenes Anbinden ist allgemein Ausdruck der Huldigung, der Pietät. 3 JAUSSEN a. a. O., S. 331 f. + ZIMMERN, KAT.3, S.S23f.; derselbe, Zum Streit um die „Christusmythe", S. 54 f. 5 S. oben S. 177 ff. 6 Bei den Griechen sind heilungsmächtige Heroen zahlreich bezeugt, s. ROHDE,

259

Esmun-Astart.

schiedenen Gestalten denselben Entwickelungsgang von einer Naturgottheit zur Stammes- oder doch Stadtgottheit annehmen zu müssen. Einiges Weitere läßt sich für die Vorstellung von Esmun zunächst noch entnehmen aus den Zusammenstellungen des Namens pt?« mit den Gottesnamen mntl>y und mpbtt zu komponierten Gottesnamen. Allerdings ist es zweifelhaft, inwieweit es sich dabei um eine eigentliche Erläuterung des Wesens des Esmun durch den andern Gottesnamen handelt. Das wird für mnti'J>"pEW bei dem verschiedenen Genus der Namen geradezu ausgeschlossen sein. Eher könnte es für die Zusammenstellung mp 1 :»- )DtJW in Betracht kommen. Aber schon die bloße Zusammenfassung mit der Astarte in dem Doppelnamen Esmun-Astart muß, wenn ihr auch keine eigentlich epexegetische Bedeutung beizulegen ist, irgendwelches Licht auf die Vorstellung des Gottes Esmun werfen. 2. Esmun-Astart. In einer karthagischen Weihinschrift für die Gottheiten Tanit und Baal Hamman bezeichnet sich der die Weihung darbringende Abdmelkart als m r w j m r K jro, als Priester der Gottheit Esmun-Astart (CIS. 245, 3 f.). Eine Zeitbestimmung der Inschrift ist nicht möglich, soweit nicht der Gebrauch altpunischer Sprache und Schriftzüge eine gewisse zeitliche Grenze setzt. Sicher bringt die doppelte Gottheitsbezeichnung dieser Inschrift nicht die Vorstellung eines zur Einheit einer androgynen Gottheit verschmolzenen Götterpaares 1 zum Ausdruck. Die beiden Namen können schwerlich als einander koordiniert angesehen werden: „Esmun-Astarte". Dafür wüßte ich keine Analogie im Phönizischen oder Hebräischen. Die hebräische Sprache jedenfalls kann zwei Nomina nicht anders als im Status constructus zu einer Einheit verbinden. Die im Phönizischen mehrfach vorkommenden Doppelnamen für Psyche3, 1903, Bd. I, S. 185 ff.; Bd. II, S. 351 f. Aber für Esmun weist kaum etwas auf seine Bedeutung als Heros, wie denn überhaupt in ältesten Zeiten die semitischen Religionen, wenigstens die westsemitischen, schwerlich Heroen nach Art der griechischen gekannt haben. Auch die Heroen des babylonischen Mythos scheinen doch von den griechischen verschieden zu sein. Sie nehmen, wenn ich recht sehe, mehr als diese und zwar dauernd eine Mittelstellung zwischen Göttern und Menschen ein und stehn wenigstens zum Teil auch ihrerseits, wie die Götter, nicht außer Zusammenhang mit Naturkräften. Überdies kann semitischer Ursprung der babylonischen Heroen zweifelhaft erscheinen. Am wenigsten ist auf semitischem Boden das Sohnesverhältnis zu einem Gott die Hinweisung auf ein Verhältnis wie das des griechischen Heros zu einem Gott. Dagegen, daß die dem Esmun verwandte Gestalt des Adonis als Heros aufzufassen wäre, s. oben S. 138. 1

S o RENAN, CIS. I, 1, S. 328; BAETHGEN, Beiträge, S . 47T. 17*

2Ô0

Zweiter Teil: Esmun V , 2.

Gottheiten könnten etwa Nachahmungen doppelter Gottesnamen in einer andern Sprache sein, wo die Verbindung zu einem eigentlichen Kompositum zulässig war. An das Babylonische wird man kaum zu denken haben; wirkliche Doppelnamen der Götter scheinen sich hier nicht nachweisen zu lassen \ In Ägypten kommen seit dem mittlem Reiche „Vermischungen" der Götter vor, die zu Doppelgestalten namentlich des Sonnengottes, wie Chnum-Re, Sobk-Re und Amon-Re, führten 2 . Ebendort finden sich noch „andere ähnliche Kombinationen sehr häufig und besagen immer, daß die beiden Götter als ein Gott gedacht sind. Dagegen kommt es in Ägypten niemals vor, daß ein Gott auch den Namen einer Göttin oder eine Göttin den eines Gottes mit dem eigenen Namen verbände" K Für den Doppelnamen mfit5>J>")Dti>N scheint sich also weder in Babylonien noch in Ägypten eine Analogie zu finden. Eine absolut sichere Analogie der Verbindung eines männlichen und weiblichen Gottesnamens gibt es, so viel ich sehe, auch auf phonizischem Boden nur noch in der ebenfalls in Karthago vorkommenden Gottheit rDfriX. Sie wird erwähnt in drei Weihinschriften (CIS. 247, 5; 248, 4; 249, 4 f.) ; davon gelten zwei der Tanit und dem Baal Hamman, während in der einen ein Name der Gottheit, der die Weihung gilt, nicht erhalten ist. Der Stifter wird in allen dreien als „Diener des Tempels [der Gottheit] r o m s " bezeichnet. Undeutlich ist eine nähere Bestimmung, die in den drei Inschriften unmittelbar auf ÎUmx folgt: mjJû, vielleicht „Megarensis" von dem Meyapa genannten Stadtteil Karthagos 4 . Sd ist als männlicher Gottesname bezeugt durch die Personennamen IfPIX, ISJJV, dazu kommt noch worin in doch wohl Verbum ist. Außer nJJVtS entspricht dem Doppelnamen mntyjJ"]ûtî>N anscheinend noch das wiederholt vorkommende nfltfJJ'T^û ; ich vermute jedoch mit andern, daß es durch Abschleifung der Femininendung aus mntPyTD^O entstanden ist. Analog, aber mit umgekehrter Stellung des männlichen und des weiblichen Gottesnamens, wäre CDD'imPy in der Mescha-Inschrift, wenn hier nämlich "WJ> im Werte von mnti>J7 steht. In dem Namen der aramäischen Göttin nnjnnj? ist der erste Teil inj? femininisch aufzufassen; daß aber der zweite maskulinisch, steht mindestens nicht fest5. Gottesbezeichnungen, die aus zwei männlichen Gottesnamen 1

Professor J E N S E N teilte mir brieflich mit: „ I c h glaube, mit Sicherheit sagen

zu können, daß es eigentliche D o p p e l n a m e n für Gottheiten, jedenfalls aber solche, die aus einem männlichen und einem weiblichen zusammengesetzt sind, [im Babylonisch-Assyrischen] nicht gibt". 2

ERMAN, Die ägyptische Religion* S. 7 1 .

3 N a c h persönlicher Mitteilung von Professor ERMAN. 4

N a c h der Vermutung der Herausgeber des C I S .

5 Vgl. oben S. 158, Anmkg. I ; ferner DUSSAUD, Notes, S . 8 2 f . und ebenda noch über den südarabischen Gottesnamen 'Allât-'Attar, der deutlich aus einem weiblichen

Esmun-Astart.

2ÔI

zusammengesetzt sind, kommen mehrfach und deutlich in phönizischen Inschriften v o r ' . A u c h in N a c h a h m u n g einer fremdländischen Bezeichnungsart müßten die K a n a a n ä e r doch das Verhältnis der verbundenen Gottesnamen zueinander sich zurechtgelegt haben nach der Ausdrucks weise ihrer eigenen Sprache. E s lassen sich nun nicht etwa Zusammenstellungen, die im Hebräischen vereinzelt vorkommen, wie p ^ ? "V33 „der mächtig-gerechte", auch nicht "lßä vuxôrjjuepov 2 vergleichen. In diesen Fällen handelt es sich um eine Addierung: „mächtig und zugleich gerecht", „ T a g und N a c h t zusammen". N a c h dieser Analogie würde rnntyjrjÖtPN nicht als eine einzige Gottheit zu verstehn sein, sondern als ein Götterpaar- 1 . Man sähe dann nicht ein, warum hier das verbindende 1 fehlt, das in 31J7 ausgelassen ist, um die Zeitdauer zusammenfassend zum Ausdruck zu bringen. Überdies würde das Götterpaar als solches umgekehrt pttW m W J J genannt worden sein, da A s t a r t e die größere der beiden Gottheiten ist. D e r eine Teil eines Doppelnamens könnte unter Umständen als Apposition zu dem andern angesehen werden. D a s wird aber nicht möglich sein, wenn beide N a m e n wirkliche Eigennamen sind, also — auch abgesehen von dem verschiedenen Geschlecht — in unserm Falle. W i e ]DtS>N ist doch auch mnt5>J? ein Eigenname, obgleich es beinahe in dem appellativen Sinne „Göttin" gebraucht werden kann; aber gerade und einem männlichen Namen zusammengesetzt ist. DUSSAUD, Les Arabes en Syrie avant l'Islam, Paris 1907, S. 133 fügt zu dieser Gruppe komponierter Gottesnamen noch hinzu den Namen 'Azîz-Lât, den ich nicht nachzuweisen vermag. Möglicherweise besteht aus einem weiblichen und einem männlichen Gottesnamen der in karthagischen Inschriften zweimal vorkommende Doppelname einer Gottheit "Itan "ODO. Darin bezeichnet "ITSN vielleicht die ägyptische Göttin Hathor (LIDZBARSKI, Epigraphik, S. 272), und zweifellos ist 12DQ ein Gottesname, wie sich aus den Personennamen 13DBU und 1IDD"DJ> ergibt, von denen der erste mehrmals in Karthago, der zweite in Sidon (Sid. 4, LIDZBARSKI a. a. O., S. 418) vorkommt. Ob aber 13DD, wie es allerdings der Form nach den Anschein hat, eine männliche Gottheit bezeichnet, ist doch noch zweifelhaft, so lange wir weiteres über diesen Gottesnamen nicht wissen. In der Weiheformel l^BJßl? nintsj»1? zu Karthago (Répertoire n. 5, 1 f.) handelt es sich vielleicht um eine einzige, doppelt bezeichnete Gottheit, aber nicht um einen zusammengesetzten Gottesnamen, da b zwischen den beiden Namen wiederholt ist. 1 S. unten 2. Teil, V, 3. Ob der Name in den jüdisch-aramäischen Papyri von Elephantine (s. oben S. 214, Anmkg. 3) in eine von beiden Kategorien gehört, muß einstweilen unentschieden bleiben. In bNJV3 ist nach dem BaixuXoc des Philo Byblius jedenfalls ein männlicher Gott zu erkennen.

EWALD, Hebr. Sprache § 270 d. 3 So DUSSAUD (Journ. des Savants 1907, S. 42; Les Arabes en Syrie, S. 133), der vorschlägt, n"iJ"iB>y JDtfK aufzufassen als „unis par une copule latente". 2

Zweiter Teil: Esmun V, 2.

2Ö2

in Karthago ist iTlOB'J? ohne weitere Hinzufügung Bezeichnung einer speziellen Göttin neben der Tanit. Ein aus dem Verhältnis der Apposition entstandener Doppelname scheint mir im Phönizischen oder Hebräischen einzig in der Weise denkbar zu sein, daß der eine Teil als Epitheton des andern aufzufassen ist. Das ist nur möglich, wenn er kein Eigenname ist 1 . Da in mntPJTpiyM der zweite Teil als femininischer Eigenname nicht Epitheton zu dem ersten maskulinischen Eigennamen sein kann, wird diese Verbindung als ein Status constructus anzusehen sein: „Esmun der Astarte". Allerdings kommen im Phönizischen und Hebräischen sonst zwei Personennamen auch nicht im Status constructus verbunden vor. Man kann hebräisch nicht ausdrücken: „der Jonatan David's". Es wird also in dem aus zwei Eigennamen komponierten Gottesnamen zwischen den beiden Namen das erste Glied eines Status constructus zu ergänzen sein, in unserm Fall etwa: „der Genosse, der Gemahl oder Geliebte, der Sohn". Die Ergänzung eines Zwischengliedes in der an und für sich etwa möglichen Bedeutung „der Vater" oder dergleichen ist für das bekannte Verhältnis der beiden Gottheiten ausgeschlossen. Eine allerdings nicht vollständig entsprechende Analogie einer derartigen Auslassung bildet das alttestamentliche filKiS niiT, wo nur als erstes Glied des Status constructus ein Eigenname steht, in dem Sinne des erläuternden Vib^ nirr. Auch fi'lFltS'j?, wenn so mit dem masoretischen Texte zu lesen ist, dann jedenfalls unter Voraussetzung eines Singulars 'p rnpiB'ji, wäre einigermaßen analog, obgleich hier appellativische Verwendung von r r w y in Betracht kommen kann. In J? „die Astarte von Paphos". Da1

vor.

Derartige Doppelnamen für Gottheiten kommen vielleicht im Babylonischen Professor JENSEN schrieb mir; „ E s gibt wohl Namen wie Istar-nimru

,Istar- (der) Panther', Istar

niphu

d. i. ,Istar- (das) Aufleuchten'.

Namen sind einer andern Deutung fähig. ,Istar (Göttin) des Sturmes', Istar

Angesichts von Namen wie Istar-zc

d. i.

tiese d. i. ,Istar (Göttin) der Löwen', die mit den

eben genannten zusammen stehn, ist es gar nicht unmöglich, daß das u in nimru niphu

d. i.

Aber auch diese

zur Nominativendung der ganzen nimr-

und

und niph- enthaltenden Verbindungen

dient und somit diese bedeuten ,Istar (Göttin) der Panther' und ,Istar (Göttin) des Aufleuchtens'." — Der assyrische Personname Samsi-Adad darin überhaupt samsi

gehört nicht hierher. Wenn

aufzufassen ist als Gottesname, so liegt hier nicht eine Zu-

sammenfassung von zwei Gottheiten sondern vielmehr ihre Identifizierung vor: „mein Samas ist Adad".

Jedenfalls aber schimmert die appellative Bedeutung von

durch: „meine Sonne ist Adad".

samas

Esmun-Astart.

263

nach wird Zusammenstellung im Status constructus auch für zwei Gottesnamen nicht unmöglich sein1. Als „Esmun der Astarte" kann kaum mit Auffassung des Genetivs als einer epexegetischen Bestimmung bezeichnet sein ein Esmun, der Züge der Astarte in sich aufgenommen hätte in der Weise, daß er zugleich als männlich und weiblich zu denken wäre. Überall ist in den angeführten Fällen eines anscheinend im Status constructus stehenden Eigennamens ein Zwischenglied zu ergänzen: „Jahwe (der Herr) der Heerschaaren", „Astarte (die Besitzerin) der beiden Hörner" oder „(die Göttin) des Ortes Karnajim", „Betlehem (die Stadt) Judas", „Rsp (der Gott) des Ortes Mkl". Eben diese anscheinend notwendige Ergänzung eines Zwischengliedes auch in „Esmun der Astarte" schließt die Auffassung des Genetivs in epexegetischer Bedeutung aus. Gegen eine in dem Status constructus zum Ausdruck gebrachte Verschmelzung der beiden Gottheiten scheint weiter zu sprechen, daß wir in zwei schon oben 2 angeführten lateinischen Inschriften, die von karthagischen Gottheiten reden, eine Zusammenstellung des Äsculap, d. i. des Esmun, mit der Cälestis finden, worin beide durch das dazwischen stehende „et" als eine Zweiheit charakterisiert sind. Die Cälestis steht hier an erster Stelle, erscheint also als die höhere Gottheit, wie das wahrscheinlich in dem Doppelnamen mflti>}r'[Dti>K ebenso für die Astarte der Fall sein würde nach der Auffassung „Esmun der Astarte". Es wäre also, falls jene lateinische Zusammenstellung korrekt und analog sein sollte, an ein Verhältnis der Unterordnung, nicht der Verschmelzung, zu denken, wie das wahrscheinlich auch in andern Fällen der Verbindung eines männlichen und eines weiblichen Gottesnamens bei den Westsemiten anzunehmen sein wird. Überhaupt läßt sich eine androgyne Gottheit bis jetzt in den altsemitischen Religionen mit Sicherheit nicht nachweisen 3. Wir werden den Doppelnamen 1

Vgl. aus dem Arabischen Beispiele der Determination eines Eigennamens durch ein folgendes N o m e n im Genetivverhältnis bei RECKENDORF, Artikelhafter Gebrauch des Personalpronomens und Verwandtes im Semitischen, ZDMG. LIV, 1900, S. 135. 2

S. 2 2 3 .

3 S. EDUARD MEYER,

Ueber einige

semitische

Götter,

ZDMG. XXXI,

1877,

S. 730 ff.; derselbe, Encyclopaedia Biblica, Bd.III, Sp.3751; DILLMANN, Über Baal mit dem weiblichen Artikel, Monatsber. d. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1881, S. 603 ff.; vgl. Artikel „Astarte" P R E . 3 , B d . II,

S . 1 5 6 f . , a u c h S T Ü B E in ROBERTSON SMITH'S R e -

ligion, S. 348f., Anmkg. 804. Aus dem doppelten, dem weiblichen und gelegentlich männlichen, Geschlecht der babylonischen Istar und dem Nebeneinander der Göttin Astarte bei den Kanaanäern und des Gottes 'Attar bei den Südsemiten ergibt sich nicht mit Notwendigkeit oder irgendwelcher Wahrscheinlichkeit eine ursprüngliche mannweibliche Auffassung, sondern die beiden geschlechtlich differenzierten Formen und Auffassungen des Gottesnamens können immer voneinander getrennt bestanden

Zweiter Teil: Esmun V, 2.

264

Esmun-Astart, obgleich er nicht altbezeugt ist, aus altkanaanäischen Vorstellungen erklären müssen, weil schon in der Mescha-Inschrift die einigermaßen analoge Verbindung ti'ÖD iricy vorkommt. Sie wird am einfachsten verstanden als eine abgeschliffene Form statt K>ö3"mnB>J?1 mit Abstoßung des fl der Femininendung oder auch als femininische Verwertung der Form "TOy nach Analogie des babylonischen Istar und des aramäischen inj? in nnjnfijj. Die einfachen religiösen Anschauungen der Mescha-Inschrift geben jedenfalls keinerlei Veranlassung, an die komplizierte Vorstellung einer aus zwei verschiedenen Gottheiten, einer weiblichen und einer männlichen, zusammengeflossenen Gottheit zu denken 2 . Repräsentiert nmt5'J?")Dti'N einen Status constructus, so läßt sich das Genetivverhältnis als Bezeichnung der Zusammengehörigkeit in verschiedener Weise erklären. Am einfachsten denkt man zunächst hier und auch in den andern analogen Fällen an die Verehrung der einen Gottheit in einem Tempel oder an einer Kultstätte der andern als Genosse dieser andern Gottheit, in unserm Fall an die Verehrung des Esmun im Tempel der Astarte. Nicht etwa umgekehrt an die Verehrung der Astarte im Tempel des Esmun 3, sodaß „Esmun der Astarte" bedeuten würde: derjenige Esmun, welcher sich von andern Göttern dieses Namens dadurch unterscheidet, daß er ein Genosse der ihm in seinem Tempel beigesellten Astarte ist. Natürlich kann das zweite Glied eines Status constructus als das bestimmende ebensogut den untergeordneten Teil bezeichnen (wie in fYIK2X jr)D6yN als einer androgynen widerlegt zu sein; denn „Caelestis" und „Aesculapius" sind durch das verbindende „et" als verschiedene Gottheiten charakterisiert. In der Bezeichnung rnnti>j;"pt!>N ist aber nicht etwa ein verbindendes 1 als durch ein Versehen des Steinmetzen ausgefallen zu denken; denn bei Trennung beider Gottesnamen würde die Astarte voranstehn, ebenso wie die Cälestis. Man könnte freilich in der lateinischen Verbindung durch „et" eine nur ungefähr und ungenau entsprechende Wiedergabe der punischen Zusammenstellung vermuten, eben nur den Ausdruck der Zusammengehörigkeit. Aber da die eine lateinische Inschrift von einem „sacerdos" beider Gottheiten herrührt, die andere allem Anschein nach von einem geborenen Karthager, so ist doch anzunehmen, daß die durch das „et" ausgedrückte Unterscheidung beider Gottheiten sich mit der punischen Anschauungsweise wirklich deckt. Die enge Verbindung der Astarte mit Esmun ist kaum anders zu verstehn als dahin, daß in Esmun das von der Astarte ausgehende 1

Dieser Identifizierung stimmt zu DUSSAUD, Les Arabes en Syrie, S. 133.

275

Esmun-Melkart.

Leben zur Erscheinung kommt. Das Genetivverhältnis „Esmun der Astarte" bezeichnet den Esmun als Genossen der Astarte und damit als irgendwie an ihren Eigenschaften partizipierend, ohne daß doch die eine Gottheit in der andern aufginge. Es genügt nicht, nur an die örtliche Gemeinsamkeit des Kultus zu denken; hätte nur sie vorgelegen, so würde man sich auf die Bezeichnung des Götterpaares als eines solchen: „Astart und Esmun" beschränkt, aber schwerlich die Zusammengehörigkeit genetivisch: „Esmun der Astarte" zum Ausdruck gebracht haben. Diese Stellung zur Astarte würde Esmun kaum erlangt haben, wenn er nicht von Hause aus in irgendwelchem Sinne Repräsentant des in der Natur oder im Menschen neu erwachenden Lebens war. So scheint mir allerdings der Doppelname Esmun-Astart geeignet, die Vermutung von der Bedeutung des Esmun, die wir aus anderweitigen Beobachtungen gewonnen haben, zu bestätigen 1 .

3. Esmun-Melkart. Daß der komponierte Name mp^D'JDtPN, den wir in cyprischen Votivinschriften fanden 2 , ein Gottesname ist, nicht etwa Name eines Menschen, zeigt deutlich die Weiheformel „ . . pbû )ûtw6 (CIS. i 6 b ; vgl- 2 3)- 1° diesem Doppelnamen ließe sich etwa mp'PO als ein Epitheton verstehn, was es ursprünglich ist: „Stadtkönig", also: „Esmun, der Stadtkönig". Analog ist der in Karthago vorkommende Gottesname rnp^D'tS (256, 3f.). Er entspricht, da HS in Personennamen für sich allein als männlicher Gottesname vorkommt vollständig der andern Komposition. Ist in diesen beiden Doppelnamen mp^û Epitheton, so würde es wohl ebenso aufzufassen sein in einem dritten Doppelnamen, der auf einem vielbesprochenen Siegelstein aus Tyrus vorkommt, Trïp'PÛ 1

E s scheint mir nicht zulässig, mit DUSSAUD (a. a. O.) anzunehmen, daß die

beiden Namen „arbitrairement" verbunden sind, „simplement parce que les divinités occupent le même sanctuaire". tum

verehrt

gehabt

haben.

wurden,

Daß zwei Gottheiten in demselben Heilig-

muß in jedem

Dieser

einzelnen Fall

einen bestimmten

könnte allerdings in dem Umstand liegen, daß

irgendwelche Erlebnisse des Volkes

Grund durch

oder eines Einzelnen die Zusammenstellung

zweier Gottheiten sich nahe legte, ohne daß sie zueinander in einer Beziehung ständen.

Gegen diese Erklärung der Verbindung Esmun-Astart spricht nicht die

Beobachtung, daß die Zusammenstellung, wenn sie mit der andern „Caelestis et Aesculapius" identisch ist, nicht auf ein einziges Heiligtum beschränkt war.

Auch

eine zufällig einmal geschichtlich veranlaßte gemeinsame Verehrung zweier Gottheiten konnte von einem Heiligtum auf andere übertragen werden.

Entscheidend

gegen jene Auffassung ist allein das Genetivverhältnis Esmun-Astart, das denn auch von DUSSAUD in Abrede gestellt wird, indem er eine asyndetisch koordinierte Zusammenstellung annimmt. 2

S. oben S. 213.

Hiergegen s. oben S. 261. 3 S. oben S. 260. 18*

Zweiter Teil: Esmun V , 3.

276

(Levy, Siegel u. Gemmen, S . 3 1 ) , also: „der Stadtkönig Rezeph". Dabei wäre aber auffallend, daß mpbn dort voran- und hier nachsteht. Inschriftlich und auf Münzen wird der Titel dem Namen des menschlichen Königs immer vorangestellt, wenn nicht der Stadtname dabei steht 1 . Deshalb ist in der zweite Name schwerlich als Epitheton aufzufassen. Dazu kommt für alle drei Doppelnamen, daß mp^E anscheinend schon frühzeitig ganz wie ein Eigenname behandelt worden ist, sodaß seine appellativische Verwendung in den komponierten Gottesnamen auffallend wäre. Auch für diese Doppelnamen wird vielmehr wie für mnli'jrjöii'N an ein Genetivverhältnis zu denken sein, weil nach dem oben* ausgeführten eine andere Art der Verbindung in einer semitischen Sprache nicht möglich erscheint. E s liegt dann auch hier am nächsten, die Doppelbezeichnung zurückzuführen auf die Verehrung des einen Gottes im Tempel oder an der Kultstätte des andern In Babylonien kommt gemeinsame Verehrung zweier männlicher Götter vor. Dagegen weiß ich auf phönizischem Boden die Verehrung zweier männlicher Gottheiten in einem gemeinsamen Tempel nicht nachzuweisen. Auch bei den abgöttischen Israeliten, die Jahwedienst und fremdländischen Kult kombinierten, läßt sich die gemeinsame Verehrung Jahwe's und eines andern Gottes am selben Kultusorte kaum erkennen, sondern Jahwedienst scheint mit dem Dienst eines fremdländischen Gottes in der Weise verbunden gewesen zu sein, daß Jahwe mit diesem verschmolzen wurde, sodaß sein Wesen in dem des Baal oder Malk oder anderer Gottesformen mehr oder weniger aufging. Ebensowenig wie der kombinierte Kultus zweier männlicher Gottheiten lassen sich aus zwei männlichen Namen bestehende Doppelnamen einer Gottheit bei den Westsemiten in höherm Altertum nachweisen. Der Gottesname Astar-Kemosch der Mescha-Inschrift repräsentiert schwerlich zwei männliche Gottheiten; Astar ist hier gewiß als Femininum zu verstehn 4 . A m wenigsten gehört die alttestamentliche Gottesbezeichnung Jahwe Elohim hierher; denn darin ist DVfrN nicht Eigenname. E s steht aber an und für sich der Annahme einer gemeinsamen Verehrung auch zweier männlicher Gottheiten in einem einzigen Tempel durchaus nichts im Wege, am wenigsten für späte Zeiten, denen

1

DE VOGÛÉ, Mélanges d'archéologie orientale, Paris 1868, Appendice, S. 8.

Vgl. für den Gottesnamen: Jes. 6, 5 MtOS mrp ^isn.

Während auch im Alten Testa-

ment ^ ü dem Königsnamen nachgestellt ist bei Verbindung mit dem Volks-, Landesoder Stadtnamen, steht ohne diesen das Epitheton Tjbfân dem Königsnamen voran (Jes. 6, 1) oder nach (ISam. 18,6); bei der Stellung hinter dem Namen ist das Epitheton nicht als Titulatur behandelt. 1

S. 259 ff.

* S. oben S. 264.

3 Vgl. PiETSCHMANN, Geschichte der Phönizier, S. 185 f.

Esmun-Melkart.

2 77

die Gottesnamen Esmun-Melkart usw. vermutlich angehören. Vielleicht ist aber in dem auf aramäischem Boden zu Sendschirli für das 8. Jahrhundert bezeugten Gottesnamen ^>N331, einem Kompositum aus 3 3 1 und ebenso wie der zweite auch der erste Bestandteil ein ursprünglich selbständiger Gottesname. Bis jetzt ist freilich 3 3 1 als solcher mit Sicherheit nicht nachgewiesen. Man wende nicht gegen die Auffassung des einen mit mpVo zusammengesetzten Doppelnamens, als Genetivverhältnis „Melkart des Rezeph" in dem Sinne: „der im Tempel des Rezeph verehrte Melkart" ein, es sei nicht anzunehmen, daß in Tyrus, auf dessen Kultus der Name doch wohl verweist, der eigentliche Stadtgott Melkart im Tempel eines andern Gottes verehrt worden sei. Der Stadtgott konnte an dem Tempel eines andern minder verehrten Gottes partizipieren, weil er zu diesem in irgendwelcher Beziehung gedacht wurde, ohne daß dadurch seine höhere Stellung beeinträchtigt worden wäre. E s ist nicht anders, wenn in der Kirche, die einem bestimmten Heiligen geweiht ist, auch die Mutter Gottes neben diesem Heiligen verehrt wird. Jedenfalls ist die eben vorgeschlagene Erklärung besser als die das Verhältnis umkehrende Auffassung des Genetivs in dem Sinne: „der Melkart, welchem Rezeph als ein mitverehrter Gott beigegeben ist". Sie erscheint mir gezwungen, ebenso wie die entsprechende Auffassung des Doppelnamens JYlflti>JJ",)öti>K. Auch für die Verbindung zweier männlicher Gottesnamen aber wird die Anschauung von der Stellung der beiden Gottheiten zueinander nicht beeinflußt J durch die verschiedene Auffassung des Genetivverhältnisses. Bezeichnen wirklich die drei Doppelnamen die Verehrung des einen Gattes an der Kultstätte des andern, so fragt sich doch noch, welche Vorstellung man mit der Vereinigung verband. Für MelkartRezeph könnte etwa das Sohnesverhältnis in Betracht kommen. Für Esmun-Melkart scheint es zunächst dadurch ausgeschlossen zu sein, daß Melkart als der alljährlich neugeborene Gott ursprünglich ebenso wie Esmun zu den jugendlichen Göttern gehört oder nach semitischer Ausdrucksweise zu den „Söhnen", den Göttern zweiter Ordnung. Wäre das nicht der Fall, so würde er mit einem der großen griechischen Götter und schwerlich, wie es fast allgemein geschehen ist, mit einem Heros, dem Herakles, identifiziert worden sein. Aber Melkart ist, am deutlichsten in Karthago in der nach allem Anschein ihm entsprechenden Gestalt des Baal Hamman und auch schon in Tyrus als „Melkart, Baal von Tyrus", an die Stelle des höchsten Gottes emporgerückt und konnte dann sehr wohl als Vater eines andern Gottes gelten. Bei Pausanias (1. X, 17, 2) wird als Führer einer libyschen Ansiedlung auf Sardinien genannt Capöoc ö Maxr|piboc, 'HpaKXeouc e7T0V0|uac9£vT0C inrö AiximTI'UJV T6 Kai Aißuaiv. Hier ist Maxripic eine auch sonst ähnlich vorkommende Verstümmelung von „Melkart"; Melkart-Herakles erscheint hier

2;8

Zweiter T e i l : Esmun V , 3.

also als Vater und könnte es etwa auch dem Esmun gegenüber sein. Wir werden weiterhin cyprischen bildlichen Darstellungen begegnen, in denen Esmun als jugendlich bartlos und neben ihm Melkart-Herakles als gereifter bärtiger Mann dargestellt zu sein scheinen 1 . Mit dem Sohnesverhältnis einer Gottheit zu der andern kann in altsemitischen Religionen ungefähr das bezeichnet werden, was unsere theologische Sprache als das Verhältnis des Offenbarenden zum Offenbarten ausdrückt. Im Alten Testament heißen die Mittler zwischen Jahwe und der Erdwelt, die Engel, „Söhne Gottes". Danach könnte die Zusammenstellung mp^D")ötMt dahin aufzufassen sein, daß Esmun gedacht wäre als Offenbarer des Melkart 2 . Ebenso könnte man etwa in dem Namen Esmun-Astart die untergeordnete Stellung, die Esmun der Astarte gegenüber einnimmt, und die Verbindung, in welche er mit ihr eintritt, auf die Vorstellung eines Offenbarungsgottes zurückführen Ich trage aber doch Bedenken, diese theologische Verhältnisbestimmung auf phönizische Gottheiten anzuwenden, für die sie, wie mir scheint, direkt nirgends bezeugt ist. Und von dem Offenbarungsverhältnis abgesehen, auch das Sohnesverhältnis ist für Esmun dem Melkart gegenüber weit weniger wahrscheinlich als der Astarte gegenüber, wo es durch die Allgemeinheit ihrer Auffassung als der mütterlichen Gottheit nahe gelegt ist. Der Doppelname i j ä v m p b ö , zusammengehalten mit und spricht wegen der verschiedenen Stelle des fllp^D g6gen die Auffassung der einen der beiden verbundenen Gottheiten als der offenbarenden oder des Sohnes. In mp^ö'JöiiW und mpbcfTC wären Esmun und Sd die Söhne des Melkart, in läViVlp^Ö Melkart seinerseits der Sohn; Melkart nähme also auch der Bedeutung nach in diesem Falle die umgekehrte Stellung ein als in den andern, was kaum anzunehmen ist. Die phönizischen Götter scheinen nach den sehr einfachen Götterordnungen dieser Religion nur Väter oder Söhne und kaum einer zugleich Vater und Sohn gewesen zu sein 4 . Jene Aussage des Pausanias, die den Sohn des Makeris, d. i. des Melkart, der seinerseits ein Sohn ist, als einen Menschen oder Heros ansieht, kann nicht als entscheidend für phönizische Gottesvorstellung gelten, am wenigsten für nicht speziell punische. Wir werden besser auf eine nähere Bestimmung des Verhältnisses zwischen Esmun und Melkart in der Doppelgestalt des Esmun-Melkart verzichten und uns auf die Annahme beschränken, daß die Gottesnamen miteinander verbunden sind auf Grund der Anschauung, daß der eine Gott als Genosse des andern an dessen Eigenschaften partizipiert, wie 1

T a f e l V I I und V I I I ; s. dazu unten 2. Teil, V , 4, 3.

2

Als Offenbarer des Melkart, ohne dabei an das Sohnesverhältnis zu denken,

faßt den Esmun auf PHILIPPE BERGER, L'ange d'Astarte, S. 51 f. i S o PHILIPPE BERGER a . a . O .

« V g l . o b e n S. 252 f.

Esmun-Melkart.

279

wir dies ebenso für den Doppelnamen Esmun-Astart angenommen haben. Da für die Paare männlicher Namen das Geschlecht eine Schwierigkeit nicht bildet, könnte man in diesen Fällen etwa an eine Verschmelzung der beiden Götter zu einem einzigen Gott denken 1 . Es ist das aber nicht notwendig, und wenn die Auffassung als Genetiv: „Esmun des Melkart", „Sd des „Melkart", „Melkart des Rezeph", wie mir scheint, geboten ist, nicht einmal wahrscheinlich; denn der Genetiv bringt doch eine Unterscheidung trotz der Verbindung zum Ausdruck. Deshalb wird bei der bloßen Zusammengehörigkeit zu verbleiben sein, wie wir das für Esmun-Astart glaubten tun zu müssen unter Vergleichung des Paares „Caelestis et Aesculapius" 2 . Einigermaßen analog diesen Doppelnamen in der Auffassung als Status constructus ist auf italischem Boden die Gottesbezeichnung „Hercules Iovius" (Dessau, Inscript. Latinae selectae n. 3431 „Hercio Iovio"; n. 3432 „Herculi Iovio" 3). Das von einem Gottesnamen gebildete Adjektiv entspricht hier dem zweiten Gottesnamen als Genetiv in den semitischen Doppelnamen 4 . 1

Wie es BARTON, Joum. of Biblical Literature, Bd. X X , S. 24f. tut, indem er die Verbindung nicht als ein Genetivverhältnis auffaßt. Ebenso nimmt DUSSAUD, Les Arabes en Syrie, S. 133 neben einer Klasse von komponierten Gottesnamen, welche zwei in einem gemeinsamen Tempel verehrte Gottheiten in asyndetischer Weise als eine Zweiheit bezeichnen sollen, eine andere Klasse an, wo „les deux noms divins sont réunis par suite de leur grande affinité et ne visent qu'un seul objet. Ainsi nous disons Aphrodite-Astarté . . . " . Ich verstehe nicht, wie DUSSAUD in diesem Zusammenhang sagen kann: „II n'est nullement nécessaire que les deux termes soient du même genre". Werden die beiden Namen als identisch gedacht, dann müssen sie es doch auch im Geschlecht sein. Ebenso wie DUSSAUD über die Doppelnamen seinerzweiten Klasse, urteilt über die Zusammenstellung zweier männlicher Gottesnamen auch G. JAHN, Das Buch Daniel, S. 123 und, wie es scheint, für die aus zwei Gottesnamen bestehenden Namen überhaupt H. P. SMITH, Old Testament and Semitic studies in memory of W. R. Harper, Bd. I, S. 48, obgleich diese Erklärung doch für Doppelnamen, die aus einem männlichen und einem weiblichen Namen bestehn, unmöglich ist. Gegen die Annahme der zweiten Klasse von komponierten Gottesnamen bei DUSSAUD habe ich überhaupt das schon oben S.259fr. bemerkte einzuwenden, daß mir für eine derartige Verbindung zweier Namen im Hebräischen und Phönizischen keine sprachliche Analogie vorzuliegen scheint. 2

Daß Melkart und Esmun in ihrer Verbindung wirklich ein Paar darstellen und Esmun-Melkart nicht als ein einziger aus zwei Gottesvorstellungen entstandener Gott aufzufassen ist, wird uns weiter unten (2. Teil, V, 4, 3) noch wahrscheinlicher werden durch cyprische Silberschalen, die Melkart-Herakles und Esmun-Iolaos als zwei verschiedene, aber in gemeinsamer Tätigkeit auftretende Gestalten darzustellen scheinen. 3 Worauf mich Professor HIRSCHFELD aufmerksam gemacht hat. 4

CLERMONT-GANNEAU (Recueil V, S. 153 f.) stellt mit den phönizischen Doppelnamen für Gottheiten in Parallele das griechische Kompositum 'Ep|ir)paKÀf|C und ist

280

Zweiter Teil: Esmun V, 3.

Verschmelzung zweier Götter scheint auf ägyptischem Boden hervorgegangen zu sein aus dem Bestreben, die Gottheiten verschiedener Städte zu vereinigen l . Daneben mag sich darin, unabhängig von irgendwelchen mehr politischen Motiven, ein religiöses Verlangen nach Zusammenschließung des Disparaten in der Götterwelt geltend gemacht haben. Beide Motive sind wohl auch für die Doppelgestalten der phönizischen Götterwelt wirksam gewesen; inwieweit mehr das eine oder das andere, für Esmun-Melkart, läßt sich nicht ersehen. Überall aber wird die Verbindung der Gottesnamen dahin zu verstehn sein, daß der eine Name durch den andern eine Ergänzung erhalten soll. Das setzt irgendwelches Verwandtschafts- oder Gemeinschaftsverhältnis voraus. Esmun ist offenbar eine Ergänzung zur Astarte, und ihre Zusammenstellung beruht wahrscheinlich auf einer ursprünglichen oder doch alten Abhängigkeit der Vorstellung des Esmun von der der Astarte. Für Melkart und Rezeph könnte eine Ähnlichkeit etwa gefunden werden in einer Beziehung beider auf Sonne oder Feuer. Die Bedeutung der Zusammenstellung von Sd und Melkart läßt sich nicht beurteilen, da wir von der Art des Gottes Sd nichts wissen. Für eine Verwandtschaft zwischen Esmun und Melkart kann nicht in Betracht kommen, daß in dem Vertrag Asarhaddon's mit dem König Baal von Tyrus „(der Gott) Milkarti" und „(der Gott) Jasumunu" unmittelbar nebeneinander genannt werden, falls die Lesung Mi-il-kar-ti überhaupt gesichert ist2. Das kann auf lediglich lokaler Gemeinschaft beruhen. Jedenfalls aber gehört Esmun und ursprünglich auch Melkart zu den jugendlichen Göttern. Eine Zusammenstellung in dem Sinne, daß man den einen Gott als dauernd zu dem andern gehörend auffaßte, läßt sich wohl denken. Melkart, dessen Auferstehungsfest zu Tyrus gefeiert wurde, ist ein Gott des alljährlich neu geneigt, darin geradezu eine W i e d e r g a b e des Esmun-Melkart zu erkennen auf Grund seiner Anschauung, daß Esmun auch mit Hermes identifiziert worden sei. Allein da 'Epnr|paK\fjc Bezeichnung ist für eine H e r m e mit dem Kopf des H e r a k l e s , wie man in derselben W e i s e auch von Herm-athene, Herm-ares, Herm-eros redete, so ist in dem Kompositum, das sich auf eben j e n e Darstellungsweise bezieht, ein Zusammenfließen der beiden Gottheiten nicht ausgedrückt (vgl. STOLL, Artikel „ H e r m a t h e n e " in Roscher's Lexikon der griech. u. röm. Mythologie, Bd. I, Liefer. 14, 1889 und ebenda SCHERER'S Artikel „ H e r m e s " Sp. 2358, 36fr.).

Die Inschrift eines Ziegels aus d e m

Theater von Taormina in den Inscriptiones Italiae et Siciliae ed. Kaibel n. 2396, 2, die identisch zu sein scheint mit C I G . 5648, EPMAHPAKI wird mit KAIBEL ZU lesen sein Epjiä, 'HpoKX^oc, sodaß die beiden auch sonst sehr oft nebeneinander genannten Götter als eine Zweizahl erscheinen.

D e r Ziegel stammt vermutlich aus einem dem

H e r m e s und dem Herakles als den Patronen des Gymnasiums (s. PRELLER-ROBERT, Griech. Mythologie, Bd. I 4 , S. 415, A n m k g . 4) geweihten Räume.

Vgl. oben S. 241,

A n m k g . 1. 1

V g l . ERMAN, Die ägyptische Religion 1 , S. 71.

3

S. oben S. 211.

Estnun-Melkart.

erwachenden Naturlebens, in der geschichtlichen Bezeugung speziell des Sonnenlebens. So kann seine Verbindung mit Esmun darauf verweisen, daß dieser eine analoge Bedeutung hatte, und wir dürfen vielleicht den Doppelnamen Esmun-Melkart als eine Bestätigung dieser schon ausgesprochenen 1 Vermutung ansehen. In dem cyprischen Personnamen "'¿"IKiöifK2 könnte man etwa eine Zusammenfassung des Esmun mit dem Adonis von Byblos erkennen, wenn man den Namen als ein Hypokoristikon verstehn wollte: „Esmun des Adonis". Die Verbindung des Esmun mit Adonis würde wie die mit Melkart auf Verwandtschaft der Gottes Vorstellung beruhen: auch Adonis ist — und er viel deutlicher als die beiden andern Götter — der Repräsentant des neu erwachenden Naturlebens. Als eine Zusammenstellung von zwei Gottesnamen verstanden, würde also auch der Personname "'iliOöiMt unserer Vermutung über die Bedeutung des Esmun zur Stütze dienen können. Aber ein aus einem doppelten Gottesnamen bestehendes Hypokoristikon ist an und für sich wenig wahrscheinlich und wäre auf phönizischem Boden, so viel ich sehe, ohne Analogie 3 . Zudem muß es noch immer als zweifelhaft angesehen werden, ob die Phönizier den Gott von Byblos wie mit einem Eigennamen benannten oder nur die Griechen dies allgemeine Gottheitsepitheton als den Eigennamen eines bestimmten Gottes auffaßten. Abgesehen davon ist es unter Vergleichung anderer mit pK oder "OTK gebildeter Personennamen wahrscheinlich, daß ''¿IN in dem Namen 'OltODiPN nichts anderes ist als das Gottesepitheton: „Esmun ist mein Herr". Das ist um so mehr wahrscheinlich als gerade auf Cypem die Weiheformel [mjp^D'ptPNb „seinem Herrn, dem Esmun-Melkart" vorkommt und daneben die Personennamen pNMMPK und )fitä>tm[N]*, worin nach Analogie anderer Namen mit pK dies nur Epitheton sein kann: „Esmun ist Herr". In dem bis hierher besprochenen sind, so viel ich sehe, mit Ausnahme der späten Darstellung des Damascius, alle Aussagen zur Geltung gebracht, die sich direkt auf Esmun beziehen oder zu beziehen scheinen. Es erübrigen nun noch Vorstellungen, die zu der von Esmun in einer Beziehung zu stehn scheinen. Ehe wir zu ihnen Übergehn, mögen die 1

2 Oben S. 252. S. oben S. 67. 3 Wenn derartige Doppelnamen als Personennamen wirklich vorkämen, so läge es näher, sie nicht als Hypokoristika aufzufassen sondern anzunehmen, daß Gottesnamen überhaupt ohne Ergänzung eines Zusatzes als menschliche Personennamen gebraucht wurden, um den Namensträger unter den Schutz der betreffenden Gottheit zu stellen. So H. P. SMITH, Old Testament and Semitic studies in memory of W. R. Harper, Bd. I, S. 44f.

• S. oben S. 67.

282

Zweiter T e i l : E s m u n V, 4, 1.

wenigen Erkenntnisse zusammengefaßt werden, die wir bis dahin über das Wesen des Esmun gewonnen zu haben glauben. E s sind folgende: er gehört zu den jugendlichen Göttern, den „Söhnen"; er erscheint mit Astarte, der Göttin der gebärenden Naturkraft, eng verbunden und zwar ihr untergeordnet; er wird zusammengestellt mit Melkart, dem Gott des auferstehenden Naturlebens, und, wie uns schien, identifiziert mit Dionysos, dem Gott, der neue Lebenskräfte erwachen läßt. Danach war Esmun ein Gott zunächst des Neuauflebens der Naturwelt im Wechsel der Jahreszeiten. Seine Identifizierung mit Asklepios scheint darauf hinzuweisen, daß er als der Gott der sich neubelebenden Natur zum Heilgott der Menschen geworden ist, der aus todbringender Krankheit zur Gesundheit neuen Lebens führt. V o n den eben aufgezählten Beobachtungen sind wenigstens zwei unbestreitbar, die Stellung neben Astarte und die Identifizierung mit Asklepios. Schon diese beiden Punkte könnten vielleicht genügen, um die gegebene Charakterisierung des Gottes zu gewinnen. D a ß jene beiden Vorstellungen, die des Gottes der erwachenden Natur und die des heilenden Helfers für die Menschen, bei den Westsemiten und wohl auch bei den Babyloniern miteinander verbunden wurden und daß die des Heilgottes aus der jenes Naturgottes entstanden war, wird sich uns weiterhin aus alttestamentlichen und babylonischen Aussagen ergeben. A u s ihnen wird zu entnehmen sein, daß beide Vorstellungen bei den Westsemiten bis in hohes Altertum hinaufreichen — freilich ohne daß sich direkt konstatieren läßt, inwieweit und seit wann sie auf den Gott Esmun bezogen wurden. V o r dem Versuch dieser Darstellung ist zunächst der griechische Name 'löXaoc für eine karthagische Gottheit zu erklären, womit allem Anschein nach Esmun gemeint ist. Die zuletzt besprochene Zusammenfassung von Esmun und Melkart in dem Doppelnamen Esmun-Melkart scheint uns die Erklärung für den Namen 'loXctoc auf karthagischem Boden zu bieten. Seine Deutung von dem Gott Esmun wird unserer Auffassung der Vorstellung von diesem zur Stütze dienen.

4. Der karthagische Iolaos. I. Bei Polybius (1. V I I , 9, I ff.) wird in dem Vertrag zwischen Hannibal und Philipp von Mazedonien als eine der den Bund schützenden Gottheiten löXaoc genannt. Nach verschiedenen Vorgängern glaube ich, darin einen andern Namen für Esmun erkennen zu sollen und dafür auf einen von den frühern noch nicht genügend verwerteten Umstand aufmerksam machen zu können'. 1

Zuerst von MOVERS B d . I , S. 536ff., dann von DE LAGARDE, Griech. Ü b e r -

setzung der P r o v . , S. 81 f. (vgl. schon PAUL BOETTICHER [de Lagarde], R u d i m e n t a

D e r karthagische Iolaos. Die Für

Quelle

des

die K o r r e k t h e i t

andere Bürgschaft

Polybius

für

die

283

Vertragsurkunde

ist

unbekannt.

der Überlieferung ihres W o r t l a u t s h a b e n wir

als

dessen Glaubwürdigkeit

nach

Form

und

In d e r D i k t i o n m a c h t er d e n E i n d r u c k einer Ü b e r s e t z u n g ' ; d a s w i r d a l s o in p u n i s c h e r S p r a c h e teil ü b e r

die K o r r e k t h e i t

der Frage, Namen

o b die darin

tragen,

dieser F r a g e

d e s I n h a l t s ist e n t s c h e i d e n d

die

einem

Gottheiten guten Teile

n a c h der B e d e u t u n g des Iolaos zu

entsprechen. mit

Die

Original

Für das

Ur-

Beantwortung

genannten Gottheiten, die sämtlich

punischen

ist z u

g e s c h r i e b e n g e w e s e n sein.

keine Inhalt.

griechische

Beantwortung

d e r A n t w o r t a u f die

Frage

geben.

Z u n ä c h s t ist f ü r i h n w i e f ü r alle a n d e r n G o t t h e i t e n i n d e m

Vertrag

z u f r a g e n , o b e r ü b e r h a u p t a l s ein k a r t h a g i s c h e r G o t t g e m e i n t ist.

Die

mythologiae Semiticae, Berlin 1848, S. 29) ist 'löXaoc bei Polybius als ein anderer N a m e für den in K a r t h a g o verehrten Esmun erklärt worden.

Ohne nähere Be-

gründung haben diesen Iolaos ebenso aufgefaßt STARK, Mythologische Parallelen, Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Gesellsch. d.

Wissenschaften,

philol.-hist. Cl., B d . V I I I , 1856, S. 46f., BAETHGEN, Beiträge, S.4Öf. und PiETSCHMANN, Geschichte der Phönizier, S. 187 f.

Identität des Esmun und Iolaos fand ALOIS

MÜLLER, Sitzungsber. d. Wien. A k a d . , philol.-hist. Cl., B d . X L V , S. 521 mit Rücksicht auf eine Darstellung des Eudoxos (s. unten 2. Teil V, 4, 4) wahrscheinlich und versuchte eine Erklärung des Namens 'löXaoc als eines phönizischen.

O. GRUPPE,

Griech. Culte, S. 380 ff. nimmt an, daß in der Darstellung des Eudoxos und auch auf Sardinien der N a m e 'löXaoc für den des Esmun substituiert worden sei.

AuchTlELE,

Geschichte der Religion, Bd. I, S. 268, sah in dem Iolaos des E u d o x o s eine griechische Bezeichnung des Esmun. keine Rücksicht.

Auf die Polybiusstelle nehmen die drei zuletzt genannten

W e d e r die von MOVERS noch die von DE LAGARDE vorgetragene

Begründung der Identifizierung des Iolaos bei Polybius mit Esmun ist überzeugend. Die Annahme, daß 'löXaoc die gräzisierte F o r m eines in Karthago gebräuchlichen, sei es libyschen, sei es phönizischen, Gottesnamens sei, hat zunächst nicht viel Wahrscheinlichkeit und bedarf einer Erklärung der Anwendung dieses Namens für Esmun, die von den beiden genannten nicht gegeben worden ist. Sie läßt sich, obgleich wir jetzt mehr Material für den vermuteten N a m e n besitzen, ohne eine direkte Kombination des Esmun mit dem griechischen Iolaos nicht geben. V o n Polybius abgesehen, findet sich keine geradlinige Spur dafür, daß der in Karthago so häufig erwähnte E s m u n oder ,,Aesculapius" mit dem N a m e n 'löXaoc oder einem daran anklingenden einheimischen bezeichnet worden ist.

E s besteht die andere, von BAETHGEN geltend

gemachte Möglichkeit, daß Polybius oder seine Quelle aus eigener Willkür den griechischen N a m e n 'löXaoc für den phönizischen

substituiert habe. BAETHGEN

hat aber keine ausreichende Erklärung dafür g e g e b e n , wie diese Substituierung veranlaßt wäre. 1

Die Beobachtung, daß in dem Instrument Ausdruck und Stil dem in griechischen

Urkunden dieser A r t Gebräuchlichen durchaus nicht entspricht, verdanke ich der Mitteilung eines auf diesem Gebiet besonders kompetenten Beurteilers, des Herrn Professor KEIL in Straßburg.

284

Zweiter Teil: Esmun V, 4, 1.

Karthager können eine Formel aufgesetzt haben, die gleichlautend von beiden Seiten beschworen werden sollte und deshalb die göttlichen Bundeszeugen für beide Seiten gemeinsam nannte. Nach der uns vorliegenden Form der Urkunde, worin es von den göttlichen Bundeszeugen heißt (§ 3): evocvriov TtdvTuuv Geüuv, ocoi KotTexouct Kapxn&ova' ¿vavTiov öeaiv TrävTUJv, öcoi MoiKeöoviav Kai Tr)V ot'XXriv 'QXaöa Kaiexouct, ist es möglich und sogar wahrscheinlich, daß die genannten Gottheiten nicht ausschließlich karthagische sind, sondern zum Teil griechische 1 . Die Anordnung sämtlicher Gottesnamen in Triaden, die aus derartiger Gruppierung semitischer Gottheiten herrühren könnte®, ist nicht entscheidend dafür, daß alle bei Polybius genannten Gottheiten als karthagische anzusehen sind, da es feststehende griechische Sitte war, bei drei Göttern zu schwören 3 . Jedenfalls ist es zweifelhaft, ob karthagische Götter genannt sein sollen in der ersten Trias: Zeus, Hera und Apollon, noch mehr, ob in der dritten: Ares, Triton, Poseidon; eher verweist auf phönizische Vorstellungen die vierte: Helios und Selene und Ge. Keinem Zweifel aber kann es unterliegen, daß in der zweiten Trias karthagische Götter gemeint sind: 6ai|uu)v Kapxn&oviujv und Herakles und Iolaos; die Erwähnung des baifiiuv Kapxtl&oviujv gibt hier Sicherheit, und 'HpotKXrjc ist die stehende Wiedergabe des auch in Karthago verehrten Hauptgottes der Mutterstadt Tyrus. E s ist danach mit Bestimmtheit anzunehmen, daß ebenso unter dem an dritter Stelle genannten 'loXaoc ein karthagischer Gott verstanden werden soll. Da der baifiujv Kapxr|boviujv neben 'HpaKXrjc als von diesem verschieden aufgeführt wird, kann man für jenen nicht an den Hauptgott von Tyrus und wohl auch von Karthago, den Melkart, denken, der eben in dem 'HpctKAflc zu erkennen ist. Der baijauuv Kapxr)bovi(Juv ist, worauf schon oben 4 hingewiesen wurde, wahrscheinlich identisch mit dem „genius Carthaginis" in der Inschrift jenes Legaten der dreizehnten Legion in Dacien, des Olus Terentius Pudens Uttedianus (CIL. III, 993): „Caelesti 1 E s scheint mir unberechtigt zu sein, daß WINCKLER (Altorientalische Forschungen, Erste Reihe, S. 442f.) die Worte in der überlieferten Form der Urkunde, welche von mazedonischen Göttern reden, als einen Zusatz streicht und von vornherein in den aufgeführten Göttern nur karthagische suchen will. Auch EDUARD MEYER (Artikel „Phoenicia" in der Encyclopaedia Biblica, Bd. I I I , Sp. 3749) versteht sämtliche von Polybius aufgezählten Gottheiten als karthagische. Den Iolaos läßt er unbestimmt. Aber auch wenn wir den Vertrag in der Form vor uns haben, wie ihn die Karthager aufgesetzt hatten — was anzunehmen sein wird — , ist es wohl möglich, daß in dem von ihnen aufgestellten Wortlaut auch die Gottheiten genannt wurden, die von der andern vertragschließenden Macht angerufen werden sollten. J

Vgl. oben S. 15 ff. 3 USENER, Rheinisches Museum, N. F., Bd. L V I I I , S. 1 7 f .

4

S. 273.

285

D e r karthagische Iolaos.

augustae et Aesculapio augusto et genio Carthaginis et genio Daciarum" 1 . D a die „Caelestis" dieser Inschrift, wie wir zu sehen glaubten 2 , die Astarte zu sein scheint und die „Caelestis" hier von dem „genius" unterschieden wird, so ist wohl auch an Astarte für den bcti|uu)v nicht zu denken. Sie war, wie wir oben geurteilt haben, die höchste unter den weiblichen Gottheiten Karthagos, aber nicht die eigentliche Stadtgöttin. Die mit der Turmkrone dargestellte Göttin scheint Tanit zu sein. Diese wird in zahlreichen Inschriften in stehender Verbindung mit dem Gott ]ÖH genannt. Fast immer steht dabei M3D voran. Die Zusammenstellung legt die Vermutung nahe, daß in dem bei Polybius unmittelbar nach dem bai|uuuv Kapxiöoviuuv genannten 'HpaKXfjc der Baal Hamman der Inschriften zu erkennen ist. Dieser wird also identisch sein mit dem Gott, der in Tyrus ständig Melkart oder Herakles genannt wird. Dafür kann der Umstand geltend gemacht werden, daß m p b ö sich zwar nicht selten als Bestandteil punischer Personennamen findet, aber — wenn ich nichts übersehe — bisher nicht unter den selbständig vorkommenden punischen Gottesnamen zu belegen ist. Die Identifizierung des Herakles bei Polybius mit dem Baal Hamman wird noch weiter dadurch wahrscheinlich gemacht, daß auf dem schon oben 3 erwähnten in Algerien gefundenen Silberband zwei Götterbüsten den Mittelpunkt bilden, von denen die eine weibliche die Stadtkrone trägt, also dem öaij.'.uiv Kapxiöoviujv entsprechen wird, die andere männliche Widderhörner hat, also der im römischen Afrika häufig vorkommende Jupiter A m m o n ist, der hier mit dem punischen Baal Hamman verschmolzen zu denken ist 4 . Die Identität des „genius Carthaginis" in jener Inschrift und ebenso die des bcti'ntuv bei Polybius mit der Tanit läßt sich allerdings bezweifeln und ist bezweifelt worden s. A b e r da wir

1

S. oben S. 223.

2

Oben S. 263. 268.274.

3 S. 269 f.

4

Vgl. oben S. 269.

5 DUSSAUD, Journ. des Savants 1907, S. 42 bestreitet die Identität des „genius Carthaginis" in der dacischen Inschrift mit der Tanit und für die römische Periode überhaupt die Unterscheidung der Cälestis und Astarte von der Tanit. jenen „genius Carthaginis" für „une entité distincte".

E r erklärt

E h e r könnte man annehmen,

der „genius Carthaginis" sei eine freie Bildung des Verfassers der Inschrift (so AUDOLLENT, Carthage Romaine, S. 377f., Anmkg. 9), wie der „genius Daciarum" es zweifellos ist.

A b e r dies Kompliment für die Dacier ist doch wohl in der vor-

liegenden F o r m ausgedrückt nach Analogie einer feststehenden Vorstellung von dem „genius Carthaginis", da bei Polybius unter dem hai^wv KapxriboviiDv eine bestimmte Gottheit zu verstehn ist. Unter dieser Bezeichnung m a g man allerdings nicht überall eine von der Cälestis verschiedene Gottheit verstanden haben.

Die

Bezeichnung

freilich bei Salvian (De gub. dei VIII, 2, 9, Corp. scriptorum ecclesiasticorum Latinorum 8, S. 194f.): „ . . . Caelestem illam scilicet Afrorum daemonem dico . . ." besagt dafür nichts; denn er würde j e d e Gottheit eines heidnischen Volkes dessen „ D ä m o n " genannt haben.

A u c h den Gott von Delphi nennt er einen Dämon (De

286

Zweiter Teil: Esmun V, 4, 2.

zu Karthago in der Göttin mit der Turmkrone irgendeiner speziellen Stadtgöttin begegnen und der allem Anschein nach ihr entsprechende bai'iuujv Kapxi&oviujv bei Polybius in der zweiten Trias an erster Stelle steht, haben wir in dieser Stadtgottheit fraglos eine der hohen karthagischen Göttinnen zu erkennen. Ob diese nun als Tanit oder als Astarte oder als beides zugleich zu bestimmen ist, ist für unsere Frage nach der Bedeutung des Iolaos schließlich gleichgültig. E s genügt die Konstatierung, daß in den beiden ersten Gestalten der Trias korrekt irgendeine karthagische Göttin und der Gott Melkart bezeichnet sind, um daraus die Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, daß auch mit dem dritten Namen ein bestimmter karthagischer Gott gemeint sein werde*. V o n vornherein ist wahrscheinlich, daß kein anderer Gott gemeint ist als Esmun. Dieser muß mit irgendeinem Namen in dem Vertrag bezeichnet sein, da er als ein spezieller Schutzgott Karthagos nicht fehlen konnte. E s ist aber kaum möglich, ihn unter einem der andern Namen zu erkennen, und wir werden weiterhin sehen, daß nach dem bai|HUJV und "HpaKXrjc der gerade für ihn angemessene Platz unter den karthagischen Gottheiten ist. Der Name 'loXaoc ist allerdings für Esmun nicht nachweisbar. Erst auf Grund der Beziehung des Iolaos bei Polybius auf ihn liegt eine Berechtigung vor, den 'loXaoc einer Aussage des Eudoxos ebenfalls als Esmun auszulegen. Niemals kommt sonst 'loXaoc als Bezeichnung eines karthagischen Gottes vor, wohl aber mehrfach für einen sardischen Heros. D a sich Sardinien lange Zeit in einem Abhängigkeitsverhältnis Karthago gegenüber befand und da unsere Quellen den sardischen Iolaos mit libyscher Kolonisation auf Sardinien in Verbindung bringen, wird zunächst nach der Herkunft dieses sardischen Iolaos zu fragen sein. 2. D e r sardische Iolaos erscheint in Verbindung mit Herakles, wie auch der Iolaos der Griechen überall, mit Variationen der Einzelheiten, als Kampfgefährte des Herakles auftritt. A l s solchen nennt ihn schon gub. dei V I I , 101, S. 188: „ . . . testimonio scilicet etiam Delfici daemonis, qui quasi princeps philosophorum sicut daemoniorum erat").

A b e r von den Lateinern wird

nicht immer zwischen der Cälestis und der Tanit unterschieden (s. oben S. 273 f.). B e i dem Legaten d a g e g e n , dem jene Inschrift angehört, darf man, da er zweifellos punischer Herkunft war, Auseinanderhaltung der Astarte und der Tanit voraussetzen und danach seine beiden Gottheitsbezeichnungen auf diese beiden Göttinnen verteilen. 1

Die Identifizierung der beiden ersten Gottheiten der Trias mit Tanit und

Baal H a m m a n schon bei BAETHGEN, Beiträge, S. 46, aber ohne Begründung.

Den

bainwv definierte nicht wesentlich anders EWALD, Ü b e r die Phönizischen Ansichten von der Weltschöpfung (Abhandl. d. Gesellsch. d. Wissensch, z. Göttingen, philol.hist. Cl., Bd. V , 1851—1852), S. 25 als die Astarte.

287

Der karthagische lolaos.

seine wohl älteste Bezeugung in dem „Schild des Herakles" bei Hesiod (v. 74ff.)> w o e r a l s fivioxoc des Herakles erscheint. Eine mehrfach erhaltene Darstellung läßt den lolaos mit den Söhnen des Herakles nach Sardinien kommen und dort Niederlassungen gründen (so Strabo V, 2, 7, C. 225; Diodorus Sic. IV, 29f., 273fr.; V, 15, 341 f.; Aristoteles, Mirabil. 100; vgl. Pausanias VII, 2, 2; X, 17, 5) 1 . Strabo, Diodor und die „Mirabilia" des Aristoteles verlegen die Ankunft des lolaos ausdrücklich vor die Besitzergreifung der Insel durch die Karthager. Die Einwohner Sardiniens brachten ihm nach Diodor (1. IV, 30, 2 f., 274 f.) in spätem Zeiten göttliche Ehren dar und nannten ihn 'loXaov TraTepa. Nach Pausanias ist lolaos auf Sardinien gestorben (1. IX, 23, 1) und noch zu seiner Zeit verehrt worden (1. X, 17, 5: 'loXaoc rrapa TUIV oiKriropuuv exei TI|iac). Aus der Bezeichnung des lolaos als 7raxr|p bei Diodor scheint sich zu ergeben, daß er identisch ist mit dem SARD PATER auf einer sardinischen Münze2. Eine Angabe des Pausanias wird uns weiterhin die Identität bestätigen. Auch Sardus Pater wird als eine Gottheit gedacht, da ein sardinischer Ortsname XapboirctTopoc iepov vorkommt (Ptolemäus, Geogr. 3, 3, ed. C. Müller I, S. 375). Daß es auf Sardinien eine Gottheit gab, die man lolaos nannte, geht mit besonderer Deutlichkeit hervor aus der Angabe des Solinus (c. 1, 61, ed. Mommsen, ed. 2 S. 14, 12f.), daß dem Grabe des auf Sardinien verehrten lolaos ein Tempel beigefügt war („sepulcro eius templum addiderunt"). Die Angaben über einen Kult des lolaos auf Sardinien sind beachtenswert. Es ist schwerlich anzunehmen, daß hier ein Kult des griechischen Heros bestanden hat. Auf griechischem Boden wissen wir, abgesehen von einem Heroon des lolaos zu Theben (Pausanias IX, 23, 1) und einem Altar der Alkmene und des lolaos in Athen (Pausanias 1,19, 3), nichts von einer ihm dargebrachten gottesdienstlichen Verehrung. Wahrscheinlicher ist, daß ein vorgriechischer sardischer Gott um einer Namensähnlichkeit willen mit dem griechischen Heros gleichgesetzt wurde. An einen durch die Karthager nach Sardinien gekommenen phönizischen Gott ist dabei kaum zu denken, da unsere Nachrichten die Kolonisation des lolaos als vorkarthagisch ansehen. Die Angaben der Griechen setzen 1

Aus dem Material für das Vorkommen des lolaos in den mit Karthago in

Berührung stehenden Gebieten soll hier nur zur Geltung gebracht werden was auf einen Zusammenhang mit Esmun Bezug haben kann.

Das Material speziell über

die Kolonisation des lolaos auf Sardinien findet sich am vollständigsten zusammengestellt bei MOVERS, Phönizier, B d . II, 2, S. 562 ff. Ich gebe daraus nur das an, was für die Beurteilung des Namens 'löXaoc in Betracht kommt. 2

S. die Münze bei ECKHEL, Doctrina numorum, Bd. I, 1792, S. 27of.

Schon

MÜNTER, Relig. d. Karthager 2 , S. 1 1 5 war geneigt, die Identifizierung zu vollziehen; vgl. desselben „Sendschreiben an . . . Friedrich Creuzer, über einige sardische Idole", Kopenhagen 1822, S. 1 1 ff.

288

Zweiter Teil: Esmun V, 4, 2.

den Iolaos auch auf Sardinien in eine Beziehung zu Herakles. Dabei ist auf diesem Boden zweifellos an den phönizischen Melkart zu denken 1 , und jene Nachrichten bekunden entweder neben der griechischen auch eine phönizische Kolonisation der Insel in der Zeit vor der Eroberung durch die Karthager 2 oder beruhen doch auf einer Vermengung griechischer und phönizischer Elemente auf Sardinien in der Anschauung der spätem Zeit. D a wir aber einen an den Namen 'loXaoc anklingenden Gottesnamen zweifellos phönizischer Herkunft nicht kennen und A n zeichen für eine vorkarthagische libysche Kolonisation auf Sardinien vorliegen 3, so ist es möglich, daß der sardische „Iolaos" auf einen Gottesnamen libyscher Herkunft verweist und der libysche „Iolaos" bei den Sarden oder auch schon in Afrika zu dem phönizisch-karthagischen Melkart-Hcrakles in eine Beziehung gesetzt wurde. A u f afrikanischem und auch noch auf anderm, mit Afrika in Verbindung stehendem Boden begegnen uns Namen, die an das griechische 'loXaoc anklingen und vielleicht aufzufassen sind als abgeleitet von einem Gottesnamen. A u f der Identifizierung dieses Gottesnamens mit dem griechischen 'löXaoc könnte die Aufführung des Iolaos unter den Göttern Karthagos bei Polybius beruhen Mit Sicherheit ist ein entsprechender Name im Bereich der Machtsphäre Karthagos allerdings nicht nachzuweisen. E s ist dafür angeführt worden tyS'^K'' p in einer Inschrift aus M'deina in der Nähe des alten „oppidum Altiburitanum" in Numidia Proconsularis. Die Inschrift ist in Buchstaben geschrieben, die zwischen den punischen und neupunischen 1

S. weiter unten über Sardos als Sohn des Makeris, d. i. Melkart.

1

Nach CURTIUS, Griechische Geschichte, Bd. I 6 , 1887, S. 440 wäre aus den

Angaben „Abhängigkeit griechischer Colonisation von den Phöniziern" zu entnehmen. 3 Die Alten haben die Sarden teilweise für Libyer erklärt (Pausanias X, 17, 2), andere für anderes.

Eine sichere Entscheidung läßt sich kaum fällen; vgl. EDUARD

MEYER, Geschichte des Altertums, Bd. I, 2A, S. 724. Es scheint sich aber doch eine nähere Verwandtschaft der Nuraghen auf Sardinien mit megalithischen Grabbauten Nordwestafrikas, die dem libysch-berberischen Stamme zuzuschreiben sind, nachweisen zu lassen. Man will in gemeinsamen Eigentümlichkeiten der sardinischen und nordwestafrikanischen turmartigen Bauten eine Verschiedenheit von analogen Denkmälern, die unter mykenischem Einfluß entstanden sind, finden. S. darüber ALBERT MAYR, Die vorgeschichtlichen Denkmäler von Sardinien, Globus, Bd. L X X X V I , 1904, S. 135 f. * Schon vor MOVERS ist von MONTER, Relig. d. Karthager®, S. I l 4 f . erkannt worden, daß der 'löXaoc des Polybius in irgendwelchem Zusammenhang mit dem sardischen Heros dieses Namens steht.

Aber wie Polybius dazu gekommen wäre,

den sardischen Heros nach Karthago zu verpflanzen und unter die Hauptgötter der Stadt zu versetzen, hat er nicht verständlich gemacht. Der von ihm hervorgehobene Umstand, daß Sardinien „die erste und wichtigste Provinz" des karthagischen Staates war, ist keine ausreichende Erklärung.

Der karthagische Iolaos.

289

in der Mitte stehn (Altibur. 2, 2 1 ). Freilich läßt sich denken an die andere Möglichkeit, työzu lesen 2 . Der N a m e työ'^K kommt in Byblos vor; auf punischem Boden sind Personennamen, die mit gebildet sind, selten. Ich weiß dafür nur zu nennen auf Sardinien (CIS. 147, 6) und toanû in Karthago (406, 3) neben dem wiederholt vorkommenden nbtonn. Der Name tys^N wäre danach allerdings auf punischem Boden möglich. E s ist aber in der Inschrift von M'deina durch nichts indiziert, daß von mehreren Söhnen 032) die Rede sei, und an und für sich näher liegend, daß es sich nur um einen handelt. Die Lesung ist jedenfalls die wahrscheinlichere. Ein Gottesname könnte etwa auch enthalten sein in „ . . . p" einer punischen Inschrift von der Insel Gaulus (CIS. 132, 4, vgl. Z. 5) und in dem Personnamen „ . . . einer neupunischen Inschrift aus Maktar, d. i. Mactaris in Africa Proconsularis östlich von Altiburos (Bulletin archéolog. du Comité des travaux historiques et scientifiques 1889, S. 100, Z. 1). Damit ist vielleicht zu kombinieren der Name des Großvaters des „ . . . in der Inschrift aus Maktar (Z. 2), obgleich er mit J> statt des 8 geschrieben ist: DJ^y. Mit diesem Namen ist gewiß identisch der karthagische Personname DiV (CIS. 863, 5). E r kommt noch in einer neupunischen Inschrift vor, deren Herkunft ich nicht anzugeben vermag (Levy, Phöniz. Studien III, S. 67 n. 7: p tymty Der Wechsel von S und JJ und auch das Fehlen des Gutturals steht für späte Zeiten einer Identifizierung nicht im Wege, auch für ältere nicht, wenn es sich um einen nichtphönizischen Namen handeln sollte. Dann ist noch hierherzustellen der Personname Dr6}T in einer neupunischen Inschrift aus Maktar (Bulletin archéolog. etc. 1901, S. 325) 3. Hierher könnte ferner etwa gehören ein libyscher Name (Journ. Asiatique, Sér. V I I , Bd. IV, S. 395 f.). Für die Inschrift, die ihn enthält, kann ich den Fundort nicht angeben. Sie lautet: IHDID ^itö 1 „Marmar, Sohn des Masilal. Ialau" 4 . E s handelt sich hier dem A n schein nach nicht um einen Gottesnamen sondern um einen mensch1

PHILIPPE BERGER, Note sur la grande inscription néo-punique et sur une autre

inscription d'Altiburos, Journ. Asiatique, Sér. VIII, Bd. IX, 1887, S. 469. 2

S.

Die Einwendung ist gemacht worden von NÖLDEKE, ZDMG. X L I I , 1888,

471.

3 Vgl. Dnr, doch wohl „Jahwe ist vollkommen".

Répertoire n. 163: „loi ac-

complit". 4

So nach HALÉVY'S Transskription und Übersetzung, Etudes berbères, Journ.

Asiatique a. oben a. O. (1874). B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

E r schreibt „Ialaou". 19

290

Zweiter Teil: Esmun V , 4, 2.

liehen Personnamen, der aber aus einem Gottesnamen entstanden sein kann. Ferner ist noch aufmerksam zu machen auf einige Namen in lateinischen Inschriften aus Afrika, nämlich „Ialnoati" (Genetiv) CIL. VIII, 280; „Iolitana" n. 9 3 4 1 ; „Iolitan(us)" n. 9767 1 . E s ist zu beachten, daß die Inschrift n. 9341 gefunden worden ist in Mauretania Caesariensis und zwar in der Nähe von Scherschel, d. i. Jol, und n. 9767 ebenfalls in Mauretania Caesariensis (zu Arzew, d. i. Portus Magnus); n. 280 gehört der Provincia Byzacena an. In zweien dieser Inschriften ist der Name wie ein Personname behandelt: n. 280 „DMS Ialnoati aug(uris) vici" und n. 9341 „Iolitana pro salute Flori". Dagegen scheint es sich in n. 9767: „ . . . arisi quir. Iolitan . . ." um den Beinamen eines Mannes des Namens „ . . . arisius" zu handeln; wahrscheinlich wird damit die Herkunft aus einem Orte bezeichnet. Daß es sich in dem „Iol", ty*1 dieser Namen irgendwie um einen altafrikanischen, sei es punischen, sei es, was näher liegt, libyschen Namen handelt und daß damit der sardische 'loXaoc zusammenhängt, ist nicht unwahrscheinlich. Dann könnte jenes ^JT nur als ein Gottesname aufgefaßt werden. Dazu kommt noch der alte Ortsname „Iol" für das heutige Scherschel, das römische Julia Cäsarea in Mauretanien, der einen Gottesnamen repräsentieren könnte. Die einheimische Schreibung des Namens steht allerdings nicht fest. Im nördlichen Numidien sind Münzen gefunden worden, deren Schrift ^ gelesen und auf die Stadt Jol bezogen worden ist 2 . Die Münzbilder bieten keinen Anhalt für die Herkunft, nur allgemein für die Beziehung auf Afrika in der Darstellung eines weiblichen Kopfes, der nach dem Elefantenfell als seinem Schmucke die „Africa" darzustellen scheint^. Besonders zu beachten möchte sein, daß, wie in Westafrika und 1

N Ö L D E K E a. a. O. hat auf diese N a m e n hingewiesen.

2

L . M Ü L L E R , Numismatique de l'ancienne Afrique, B d . III, S. 73. 138.

Der

Ortsname Jol kommt am ehesten in Betracht unter den von MOVERS B d . I, S. 5 3 7 f.; Bd. II, 2, S . 556 ff. geltend gemachten Belegen für einen von der libysch-phönizischen Bevölkerung Afrikas verehrten Gott oder Heros, dessen N a m e n man gräzisiert 'lö\aoc ausgesprochen habe. 3

E i n punischer oder libyscher Gott Jol dürfte als nachgewiesen gelten, wenn

die A n g a b e von MOVERS Bd. I, S . 538 richtig wäre, daß „Iolus" bei Apollodor II, 7, 8, 2 genannt werde als Sohn des Herakles und der «¿p0ri, worin Cirta, die Hauptstadt Numidiens, zu erkennen sein soll. A b e r an der betreffenden Stelle ist nicht von einem Iolus, sondern von einem'lößrjc (oder i>E loßric, zu emendierenAeiößric) die R e d e . Später, B d . II, 2, S . 506, hat denn auch MOVERS immerhin besser diesen 'lößric gedeutet = „ I u b a " , „ I u b a l " (nach ihm ='löXctoc).

A b e r Kerthe, eine der Thespiaden,

hat schwerlich etwas mit Cirta zu tun und dann ,,'lößric" auch wohl nicht mit dem punischen oder libyschen „ I u b a " .

D e r karthagische Iolaos.

291

Sardinien, so auch auf der Insel Gaulus (in dem Namen „ . . . to^p") sich die Spur eines Gottesnamens erhalten zu haben scheint. Für die Nachbarinseln Malta und Gozo, das alte Gaulus, mag sich aus ihren vorgeschichtlichen Altertümern eine libysche Bevölkerung erschließen lassen. Die ältesten Bauten auf den Inseln haben Ähnlichkeit mit denen Sardiniens 1 , wo eine libysche Bevölkerung von den Alten angenommen worden und sehr wohl denkbar ist. Hier wie dort läßt sie sich als wirklich vorhanden allerdings kaum nachweisen 2 . A b e r Spuren eines Gottesnamens to\ ^ begegnen jedenfalls nur da, wo möglicherweise eine libysche Bevölkerungsschicht anzunehmen ist. Alle scheinbaren Spuren für einen Gottesnamen, der dem sardischen 'löXaoc zugrunde liegen könnte, sind zweifelhafter Art. A u c h wenn die Lesungen feststehn sollten, ist doch große Zurückhaltung geboten, namentlich für die Beurteilung des in Gaulus, da wir auf anderm Boden ähnlich lautenden semitischen Personennamen begegnen, die mit 'loXaoc in keiner Weise zusammenhängen können, überhaupt nicht Gottesnamen repräsentieren. E s kommt vor ein südarabischer Personname toi und in nabatäischen und Sinai-Inschriften itol (ouaeXoc), in SinaiInschriften und edessenisch toi 3. Damit hängt doch wohl zusammen der alttestamentliche Name tol\ Er mag als häufig vorkommender Personname ausgelegt worden sein „Jahwe ist Gott", scheint aber in den Listen der Chronik teilweise auch als Name von Geschlechtern verstanden werden zu müssen und war dann schwerlich ebenso gemeint sondern eher mit jenen nichthebräischen Namen identisch. D a s wahrscheinlichste ist, daß er ursprünglich bedeuten sollte „effugiens" nach dem arabischen wäHl4. Derselbe Name könnte auch in dem der Inschrift von Gaulus erkannt werden. Leider läßt sich nicht mit Sicherheit beurteilen, ob in der Inschrift von Gaulus Z. 4 to"1 der vollständige Name ist oder eine Fortsetzung hatte, die wahrscheinlich ein zu 1 ALBERT MAYR, Die Insel Malta im Altertum, S. 59 ff. toi als 2 Die Ähnlichkeit der Bildung des weiblichen Körpers Figurenkönnte auf Malta Subjekt gehörendes Verbum gebracht haben würde 5 . in Dann tos und L i b yGottesname e n , worauf hingewiesen worden ist, kann für Libyer auf Malta kaum in hier innur sein 6 . Betracht kommen; diese Bildung entspricht, so viel ich sehe, den weiblichen Körpern der Steinidole aus ägäischer Kultur und scheint von ihr ausgegangen zu sein. 3 Belege bei LIDZBARSKI, Epigraphik, S. 261; ST. A. COOK, Glossary of the Aramaic inscriptions, Cambridge 1898, S. 44 f. * V g l . GRAY, Hebrew proper names, London 1896, S. 153 f. 281; BAUDISSIN, Studien, I, S. 223.

D e r syrische Personname ^.lo ist doch wohl aus dem Arabischen

entlehnt, wofür sein Vorkommen in Edessa spricht. 5 S. dazu C I S . I, 1, S. 163. 6

A n die Namenbildungen mit ty' klingt doch wohl nur zufällig an der alt19*

Zweiter Teil: Esmun V , 4, 2.

292

Dies alles gibt keine Gewißheit. Der einzige sichere Beleg für die Bedeutung von b«1 als Gottesname wäre jenes tysb«'', wenn wirklich so zu lesen und abzutrennen ist. Die verschiedenen Formen, in denen der Name des griechischen Heros vorkommt, sind neben 'loXaoc dorisch 'loXac, ionisch 'loXetuc1, daneben FiöXaFOC auf einer äginetischen Vase, „Violeus", etruskisch „File" 2 . In Hesiodischen Stellen, in der Theogonie und im „Schild" besitzt der Name 'loXaoc einen konsonantischen Anlaut, ist also mit Digamma-Anlaut zu sprechen 3. Gab es einen punischen oder libyschen Gottesnamen so mochte man darin in älterer Zeit wohl einen Anklang finden an die Aussprache des 'loXaoc mit Digamma, indem das konsonantisch anlautende FI dem konsonantisch ausgesprochenen 11 im Anlaut, = j, einigermaßen zu entsprechen scheinen konnte. Nach griechischen und lateinischen Transskriptionen ist allerdings im Phönizischen anlautendes 11 meist wie i ausgesprochen worden. Aber das ist doch wohl nur eine spätere Art der Aussprache gegenüber der hebräischen als j. Die Gleichsetzung 'löXaoc, d. i. FIOXOFOC, mit einem b y könnte also wohl am besten als schon in alter Zeit entstanden gedacht werden, wo man noch das Digamma aussprach 4 . testamentliche N a m e DbjT für einen Sohn Esau's, der sich allerdings ebensogut von einem Stamme b y als von einem Stamme nbp ableiten läßt.

Vielleicht gehört er zu

der Gruppe von Namen, die Steinbock (b»;) bedeuten (s. über sie NÖLDEKE, Beiträge zur semitischen Sprachwissenschaft 1904, S. 82), während das mit einem Zusatz (anscheinend einem Verbum) versehene b y der neupunischen Inschriften dem Anschein nach ein Gottesname ist. — F ü r Liebhaber vager Kombinationen böte sich die Gelegenheit, b y für einen altphönizischen Gottesnamen zu erklären, in einer Zusammenstellung mit dem alttestamentlichen bP'ba, worin andere schon längst einen Gottesnamen finden wollen. 1

Ich verzichte darauf.

STOLL, Artikel „Iolaos" in Roscher's Lexikon der griech. u. röm. Mythologie,

Bd. II, 1, Liefer. 19, 1891. 2

PRELLER, Griech. Mythologie, Bd. 113, 1875, S. 284, Anmkg. 4; KRETSCHMER,

Die griechischen Vaseninschriften 1894, S. 44. 96 f. 3 S. den Nachweis bei ALOIS RZACH, ZU den Nachklängen hesiodischer Poesie, Wiener Studien, Jahrg. X X I , 1899, S. 214. * Die Form FIÖXCIFOC als Grundform für 'löXaoc widerlegt noch nicht die Vermutung von EWALD , Abhandl. d. Gesellsch. d. Wissensch, z. Göttingen, philol.-hist. Cl., Bd. V, S. 25, A n m k g . 2 und ALOIS MÜLLER, Sitzungsber. d. Wien. A k a d . , philos.hist. Cl., Bd. X L V , daß der griechische N a m e 'löXaoc aus phönizischem [n]by> entstanden sei.

Geschriebenes b y würde allerdings gewiß nur mit I . . und nicht mit

FI . . wiedergegeben worden sein, aber gesprochenes g e g e b e n werden.

konnte wohl so wieder-

Anscheinend erst später hat man den konsonantischen Charakter

des anlautenden ' durch i ausgedrückt: 'kpocoXu|aa, 'lepo|aßaXoc; älteste W i e d e r g a b e scheint t zu sein, z. B. ioixa, vgl. 'IcpaiqX. — Hiermit soll aber keineswegs der Herleitung des 'löXaoc aus dem Semitischen das W o r t geredet werden, und jedenfalls

Der karthagische Iolaos. Wenn 'löXaoc lässig

auch

alle

scheinbaren

anklingenden sind1,

ist,

punischen

wie

293

inschriftlichen

oder

mir scheint,

Spuren

libyschen

doch

für

für

einen

Gottesnamen

Sardinien

ein

an

unzuver-

alter

nicht

g r i e c h i s c h e r , vielleicht also afrikanischer Gottes- o d e r H e r o e n n a m e lichen K l a n g e s

anzunehmen

um

der A r t

dort mit O r t s n a m e n kombiniert wird. h i e ß e n die B e r g b e w o h n e r

und

'loXaeia

Nach

genannt

b'ovv

Dazu

stimmt

Kai K'rß, mag er nun von fittTD „Erz" oder von B'ni „Schlange" abzuleiten s e i n k l ä r t uns über diese Bedeutung nicht auf. Daraus aber, daß die Erzählung des Buches Numeri, die dem jetzt gewöhnlich als das elohistische bezeichneten Erzählungsbuche, einer ephraimitischen Quellenschrift, anzugehören scheint 4 , dem Schlangenbild jenen Charakter beilegt, ergibt sich, daß zu der Zeit, wo diese Erzählung entstand, den Israeliten die Schlange als das Tier einer heilenden Gottheit galt. Wir haben keine Veran1

Vgl. Studien I, S. 288 f.

2

So unter andern CHEYNE, Artikel „Nehushtan" in der Encyclopaedia Biblica

von Cheyne u. Black, Bd. III, 1902. 3 S. darüber Artikel „Schlange, eherne", PRE.3, Bd. X V I I , 1906, S. 581 f. 4

F ü r das elohistische B u c h scheint in Num. 21, 4—9 entscheidend D'ni?« v. 5,

das sich schwerlich auf einen Redaktor zurückfuhren läßt.

D a g e g e n ist nirp v. 6 ff.

sehr wohl als redaktionelle Überarbeitung zu verstehn. Die Herkunft des Abschnittes ist immerhin nicht ganz sicher.

Zu beachten ist a b e r , daß die Berichte und Aus-

sagen von Jahwe als dem heilenden im Pentateuch vielleicht alle dem elohistischen Buch angehören; vgl. unten 4. Teil, I, 1.

Zweiter Teil: Esmun V , 6.

326

lassung, die Erzählung zu spätem Überarbeitungen jener Quellenschrift zu stellen; denn ganz unabhängig von dem Urteil über die Herkunft des Abschnittes Num. 21, 4 ff. läßt sich die Erzählung nur entstanden denken zu einer Zeit, wo die Verehrung der ehernen Schlange bestand, also vor ihrer Beseitigung durch Hiskia. V o n der zeitlichen Ansetzung des Referats aus wird für die Entstehung der Erzählung noch um einiges zurückzugehn sein; denn in ihrer vorliegenden Form ist nicht das Schlangenbild selbst wirksam — wie das doch wohl für eine ursprüngliche Gestalt der Erzählung als eines eigentlichen Mythos anzunehmen ist — sondern der Wille Jahwe's, der sich des Bildes als eines Mediums bedient. In dem Umstand, daß das Bild dem Mose zugeschrieben wird und nicht wie die Mazzebe von Betel in die Patriachengeschichte verwoben worden ist, wird eine Erinnerung daran zu erkennen sein, daß die Israeliten die göttlich verehrte Schlange nicht wie die durch die Patriarchensage geheiligten Objekte an der Stelle vorgefunden hatten, wo sie von ihnen angebetet wurde, daß dieser Kultus also dorthin übertragen worden war. Diese Darstellung könnte etwa darauf beruhen, daß die Israeliten den Schlangendienst bei der Einwanderung mitbrachten, sei es aus der arabischen Wüste, sei es aus Ägypten. In Südarabien sind Bruchstücke von kleinen Bronzeschlangen gefunden worden 1 , die gewiß irgendwelche religiöse Bedeutung hatten. A u s welcher Zeit sie stammen, scheint sich nicht erkennen zu lassen; ebensowenig weisen sie irgendwie auf eine heilende Gottheit hin. Mir ist überhaupt kein Anzeichen dafür bekannt, daß die Schlangen von den Arabern, denen sie allerdings als Erscheinungsform der Geister, der Dschinn, gelten, mit krankheitheilender K r a f t ausgestattet gedacht worden wären 2 . Freilich mögen unter solchen Quellen in Arabien, welche als 1

In der Kollektion Glaser, s. D. H . MÜLLER, Südarabische Alterthümer im

kunsthistorischen Hofmuseum, W i e n 1899, S. 6 4 t , n. 136. 137.

Die Stücke haben

eine Höhe von 0,085 und 0,072 M.; der mittlere Teil hat einen „ H e n k e l " und das Vorderteil ein Loch im Kopfende, doch wohl zum aufhängen. 2

Professor NÖLDEKE schreibt mir, er bezweifle sehr, „daß in Arabien die

Schlange als Heilwesen vorkomme". — Eine Ausnahme könnte bilden eine zu Rahejne (Rähine) in Ägypten von Moslimen verehrte Schlange.

GOLDZIHER (Le culte

des saints chez les Musulmans, R e v u e de l'histoire des religions, Jahrg. I, B d . II, 1880, S. 311—315)

berichtet über sie, im wesentlichen nach den

Beobachtungen

POCOCKE'S, daß sie als Krankheiten heilend gilt und daß ihr bis auf Pococke's Zeit Opfer dargebracht wurden.

Allerdings bringt die bestehende Vorstellung sie in

Verbindung mit dem Scheich Haridi, dessen Grab zu Rahejne von Moslimen als das eines Heiligen verehrt wird.

Man könnte deshalb urteilen, daß nicht die Schlange

als solche hier ein heilendes Tier sondern der Heilige ein Krankenheiler ist und unabhängig von dieser Tätigkeit die Gestalt einer Schlange annimmt. D a aber die Ver-

Die kanaanäische heilende Gottheit und die Schlange.

327

von Schlangen bewohnt gelten, Heilquellen sein 1 . A b e r die S c h l a n g e wird bei den semitischen wie bei andern Völkern zu den Wasserquellen überhaupt in eine Beziehung gesetzt; es beruht dies darauf, daß die S c h l a n g e sich gern an feuchten Orten aufhält und aus der Erde hervorzukommen scheint, wie die Quelle daraus hervorbricht 2 . Man könnte andererseits an eine Entlehnung des Nechuschtan aus Ä g y p t e n denken w o die Schlange allgemeines Gottheitszeichen war. A b e r speziell als das Tier einer heilenden Gottheit k o m m t sie hier in alter Zeit nicht vor 4 . In dieser Bedeutung scheinen also die Israeliten die heilige S c h l a n g e weder aus der arabischen W ü s t e noch von den Ä g y p t e r n überkommen zu haben; mindestens für die Bedeutung wird eine andere Herkunft anzunehmen sein. A u c h ist es nicht wahrscheinlich, daß die eherne Schlange von den Judäern oder irgendeinem hebräischen S t a m m e bei der Einwanderung in Kanaan mitgebracht wurde; denn sie gehört schwerlich höchstem Altertum an. D a g e g e n spricht ihr vereinzeltes Vork o m m e n und namentlich auch die Art ihrer Rechtfertigung durch die ehrung der Schlange und die des Grabes als getrennte Akte auftreten, hat man doch den Eindruck, daß vielmehr ein alter Schlangenkult erst nachträglich mit der Verehrung eines Heiligen kombiniert worden ist. Allein da der Ort dieser Schlangenverehrung in Oberägypten liegt, so ist sehr fraglich, ob er arabischen Ursprungs ist. Vielleicht hat man hier den Rest eines ägyptischen Kultus zu erkennen, wie schon WILKINSON (A second sériés of the manners and customs of the ancient Egyptians, London 1841, Bd. II, S. 55) vermutet hat (vgl. noch MASPERO, Études de mythologie et d'archéologie égyptiennes, II, S. 412, Anmkg. 2). — Unter den Denkmälern von Petra kommt wiederholt die Darstellung einer Schlange vor. Es ist unverkennbar, daß sie hier wenigstens zum Teil als heiliges Tier gemeint ist, besonders in einem Relief, das die Schlange über einem Altar zeigt (DALMAN, Petra und seine Felsheiligtümer 1908, S. 76). Ob diese Schlangenbilder auf arabische oder auf aramäische Vorstellungen zurückgehn, läßt sich einstweilen nicht beantworten, ebensowenig ob die Schlange sich etwa auf einen Heilgott bezieht. 1

J. H. MORDTMANN, Bemerkungen zu den palmyrenischen Inschriften, ZDMG.

X X X V I I I , 1884, S. 587; ROBERTSON SMITH, R e l i g i o n , S. 130. 2

S. Artikel „Drache zu Babel" PRE.3, Bd. V, 1898, S. 10 f. 3 So unter andern RENAN, Histoire du peuple d'Israël, Bd. I, Paris 1887, S. 146. 178 f. 4

Die Göttin Merit-seger wurde im neuen Reich als die Schutzpatronin der thebanischen Nekropolis von den dortigen Beamten und Arbeitern verehrt. Wie alle Göttinnen, die keine feststehende Gestalt haben, wird sie als Schlange dargestellt. Zu den Heilgottheiten kann man sie nicht zählen, obgleich sie wohl auch einmal einem, der zu ihr betete, Heilung gesandt hat. Nach einer Inschrift hat sie einem, der sich gegen sie vergangen hatte, Krankheit zur Strafe gesendet und ihn dann auf sein Flehen wieder gesund gemacht (nach einer persönlichen Mitteilung von Professor ERMAN; vgl. MASPERO a. a. O., S. 402 ff.: „La déesse Miritskro et ses guérisons miraculeuses" und dazu ERMAN, Die ägyptische Religion®, S. 92 f.).

328

Zweiter Teil: Esmun V, 6.

Zurückfiihrung auf Mose. Wäre sie wirklich uralt gewesen, so hätte sie ihre Rechtfertigung irgendwie in sich selbst getragen, d. h. ihre Anbetung würde nicht, wie es Num. 21, 4 fr. geschieht, auf ein entschuldigendes Mißverständnis zurückgeführt worden sein; wahrscheinlich hätte man sie, wie die Teraphim, aus der Heimat der Erzväter hergeleitet. Das Schlangenbild war also wahrscheinlich nach der Niederlassung Israels in Kanaan aus der Fremde entlehnt worden. A m nächsten liegt es, anzunehmen, daß das Schlangenbild bei den Israeliten, wie zumeist oder vielleicht allgemein die fremdländischen Kultformen der vorassyrischen Periode, von den Kanaanäern her oder doch durch deren Vermittelung überkommen war. Ein erst von den Assyrern entlehntes Bild hätte man nicht schon zur Zeit Hiskia's auf Mose zurückführen können. Etwaige Zusammenhänge der ehernen Schlange mit ägyptischen Vorstellungen ließen sich bei jener Annahme sehr wohl erklären, da Ägypten, wie wir mehrfach zu konstatieren oder zu vermuten Gelegenheit hatten, schon frühzeitig auf die kanaanäische Religion Einfluß ausgeübt hat. War das israelitische Schlangenbild von den Kanaanäern her entlehnt, so wird von diesen wohl auch seine Bedeutung als Bild der heilenden Gottheit herstammen, da sich keine Veranlassung und bis jetzt keine Möglichkeit bietet, diese Bedeutung von anderwärts her abzuleiten, sich auch nicht annehmen läßt, daß sie sich spontan bei den Israeliten gebildet habe. Die bei ihnen entstandene Legende von dem Nechuschtan ist nur zu verstehn, wenn sie jene Bedeutung des Bildes als bereits vorgefunden zur Veranlassung hatte 1 .

1

Die Erzählung Num. 21, 4fr. hat FRAZER, Golden ß o u g h , Bd. II 2 , S. 427

kombiniert mit dem weitverbreiteten Glauben, daß eine Tierplage sich beseitigen lasse durch Herstellung eines Abbildes des Plagetiers. WEINREICH, Antike Heilungswunder, S. 168, Anmkg.3 mag meine frühere Behauptung (Nöldeke-Festschrift, S. 740, Anmkg. 1), bei dem von FRAZER referierten Glauben scheine „ursprünglich doch wesentlich zu sein, daß das Abbild beseitigt wird, was bei der ehernen Schlange nicht stattfindet", mit Recht angefochten haben: das Abbild wird nicht in allen analogen Fällen beseitigt, vielmehr ist gelegentlich seine Erhaltung von Wichtigkeit.

Ich will

nicht darauf insistieren, daß eben in diesen Fällen das Ursprüngliche verwischt sein könnte.

Die eine oder die andere Beurteilung kommt aber nicht in Betracht für die

Richtigkeit der oben gegebenen Auffassung des ehernen Schlangenbildes als des Bildes einer heilenden Gottheit.

Hat es nicht von Anfang an diese Bedeutung ge-

habt, so hat es sie doch später erlangt; denn bis auf Hiskia brachten die Judäer dem Nechuschtan Opfer dar.

Es steht also fest, daß die Judäer eine Heilgottheit in

Schlangengestalt kannten, und nur das kann fraglich sein, wie diese zu der Schlangengestalt gekommen war.

Die Schlange, wenn zunächst Bild der Plage, könnte später

als Darstellung der Gottheit angesehen worden sein.

DES ist aber jedenfalls nicht

aus dem Anschauungskreise der Erzählung Num. c. 21 zu entnehmen.

Vielmehr er-

D i e k a n a a n ä i s c h e h e i l e n d e Gottheit und die S c h l a n g e .

329

Gab es wirklich einen von den Kanaanäern verehrten heilenden Gott, der als Schlange dargestellt wurde, so läßt sich doch aus keinem direkten Zeugnis entnehmen, daß dies gerade Esmun war 1 . E s werden aber weiterhin Darstellungen zu erwähnen sein, die dem Anschein nach die Schlange als das Tier speziell des punischen „ Ä s c u l a p " , d. i. des Esmun, zeigen. Sonst weiß ich überhaupt bei den Phöniziern die Schlange nicht nachzuweisen als das Tier einer Heilgottheit und auch nicht bei den Babyloniern als eine Gottheit darstellend in ihrer Eigenschaft als heilende 2 . Vielleicht aber ergibt sich eine Hinweisung der Schlange auf Heilkraft aus einem modernen syrischen Märchen, worin der Schlangenkönig drei Erschlagene ins Leben zurückruft mit dem Lebenswasser, das eine der Schlangen für ihn geholt h a t A u c h hier ist die Schlange wohl zunächst Repräsentantin des Wassers; aber die Totenerweckung erinnert doch nach jenen Aussagen über babylonische Gottheiten als „ T o t e belebend" an babylonische und vielleicht in weiterm Umfang semitische Vorstellungen vom Heilgott. Bei der Gleichsetzung des Esmun mit Asklepios ist es jedenfalls von vornherein nicht unwahrscheinlich, daß Esmun durch die Schlange repräsentiert wurde und auch dadurch eine Veranlassung bot, ihn mit Asklepios gleichzusetzen; denn die Schlange war die stehende Beigabe

scheint hier die A n s c h a u u n g v o n d e m S c h l a n g e n b i l d als e i n e m h e i l e n d e n (göttlichen) als d a s p r i m ä r e ; denn nicht die E r r i c h t u n g d e s S c h l a n g e n b i l d e s s c h a u e n d e s B i l d e s ist das die H e i l u n g b e w i r k e n d e .

sondern das An-

A l s o inhäriert die h e i l e n d e K r a f t

d e m B i l d u n a b h ä n g i g v o n d e r S c h l a n g e n p l a g e . D a s A n s c h a u e n d e s B i l d e s k a n n nicht ein erst v o m E r z ä h l e r zu der volkstümlichen G e s c h i c h t e h i n z u g e f ü g t e r Z u g sein, denn g e r a d e d a d u r c h erscheint d a s B i l d selbst als i m Besitz d e r h e i l u n g b r i n g e n d e n K r a f t , w ä h r e n d d e r E r z ä h l e r diese d e m v o m B i l d u n t e r s c h i e d e n e n J a h w e zuschreibt.

Auch

in d e n F ä l l e n v o n h e i l u n g b r i n g e n d e m A n s c h a u e n eines „ H e i l t u m s " , die WEINREICH S . 169 f. aufzählt, h a n d e l t es sich nicht u m d a s A n b l i c k e n d e s B i l d e s einer P l a g e s o n d e r n eines B i l d e s , d a s h e i l e n d e K r a f t an u n d für s i c h besitzt; es k o m m t hier eine P l a g e in B e t r a c h t , die zu d e m Bild in keinerlei B e z i e h u n g steht. 1

Ü b e r phönizische M ü n z e n aus C o s s u r a mit d e m B i l d eines G o t t e s , d e r eine

S c h l a n g e in d e r H a n d hält, s. Studien I, S. 276 f.

D a s Bild d e s A s k l e p i o s mit e i n e m

S t a b e , d e r von einer S c h l a n g e u m w u n d e n ist, auf d e r o b e n S. 220, A n m k g . 5 erw ä h n t e n s e h r v e r d ä c h t i g e n G o l d p l a k e t t e w ü r d e a u c h unter V o r a u s s e t z u n g d e r E c h t heit nichts b e s a g e n ; und T e l e s p h o r o s —

denn die F i g u r e n

der Plakette —

sind u n v e r k e n n b a r g r i e c h i s c h .

neben Asklepios

Hygieia

A u s d e r o b e n S . 220 e r w ä h n t e n

M ü n z e v o n Sidon aus d e r Kaiserzeit, die das B i l d d e s A s k l e p i o s mit d e m S c h l a n g e n s t a b e zeigt, ist für phönizische V o r s t e l l u n g e n nichts zu entnehmen. 2

D a s ist a u c h nicht deutlich d e r F a l l b e i d e r Gottheit v o n D 6 r — eine S c h l a n g e n -

gottheit und „ H e r r ( o d e r Herrin) d e s L e b e n s " , s. ZIMMERN, K A T . 3 , S. 505, A n m k g . 10. 3 PRYM u n d S o c i N , S y r i s c h e S a g e n ' u n d ^ M ä r c h e n 1881, S . 121 f.

Zweiter Teil: Esmun V , 6.

33°

oder geradezu die Darstellung des griechischen Asklepios. Schlangen wurden in seinem Heiligtum zu Epidauros gehalten und der Gott in Gestalt einer lebenden Schlange um 300 v. Chr. von dort nach Rom geholt. Zu K o s ist durch Herondas um 260 v. Chr. (Mim. IV, 90 ff., ed. Crusius, ed. 2 S. 36 f.) die Sitte bezeugt, dem öpdKuuv einen neXavoc in seine Höhle darzureichen; mit diesem Worte wird eigentlich bezeichnet „ein kleiner Kuchen oder T e i g aus feinem Mehl, gemischt mit Honig und Mohn". Der „ K u c h e n " scheint zu Herondas* Zeit allerdings umgewandelt gewesen zu sein in ein Geldstück, das in einen Thesauros hineingeworfen wurde *. A b e r die Bezeichnung des Geldstückes setzt als ältere Sitte voraus die Fütterung einer lebendigen Schlange. D a wir nun wissen, daß in einem bei den Judäern bestehenden und anscheinend von den Kanaanäern her entlehnten Kultus die Schlange den Heilgott repräsentierte, so läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, daß auch bei den Phöniziern der Gott, den man nachmals mit dem griechischen Heil- und Schlangengott identifizierte, durch die Schlange dargestellt wurde. Die F r a g e nach dem Alter dieser vermuteten phönizischen Vorstellung von einem Heil- und Schlangengott läßt sich aus dem bisher geltend gemachten Material nur nach der zeitlichen Ansetzung für die Entstehung der Legende von der ehernen Schlange (Num. 21, 4 ff.) dahin beantworten, daß diese Vorstellung in die vorassyrische Periode zurückgeht. Daß sie von Hause aus phönizisch ist, ist daraus nicht zu ersehen. Sie könnte dem Babylonismus entstammen aus der Zeit seines Einflusses auf Kanaan vor der Einwanderung der Hebräer. A u f babylonischem Boden fehlt es nicht an Abbildungen von mythischen Schlangen und Hinweisungen auf eine Schlangengottheit. D a indessen eine K o m bination mit der Schlange — so viel ich sehe — für die babylonische Vorstellung heilender Gottheiten als solcher bis jetzt nicht vorliegt, so ist speziell in der Anschauung der Erzählung von der ehernen Schlange keine Veranlassung gegeben, an Entlehnung einer israelitisch-kanaanäischen Vorstellung von der heilenden Gottheit aus Babylonien zu denken. E s wird weiterhin unter anderm Gesichtspunkt diese F r a g e nochmals aufzunehmen sein 2 . In der Erzählung des Buches Numeri wird das heilende Schlangenbild auf oder an einem Di, d. i. einer Stange, errichtet. Diese A r t der Aufstellung dient hier dazu, das Bild sichtbar vor die A u g e n der Volksmenge in der Wüste zu bringen, entspricht aber wahrscheinlich auch der A r t , wie das Kultbild der Schlange wirklich aufgestellt war. U m 1

So nach RUDOLF HERZOG, AUS dem Asklepieion von Kos, Archiv f. Religions-

wissenschaft, Bd. X, 1907, S. 205 ff. 2

S. unten 3. Teil, III und 4. Teil, I, 3.

Die kanaanäische heilende Gottheit und die Schlange.

33^

dieses sichtbar zu machen, mußte die Schlange irgendwie emporgehoben erscheinen. D a s Vorkommen eines derartigen Kultbildes auf phönizischem Boden wird nahezu erwiesen durch eine längst bekannte, aber noch nicht genügend beachtete Abbildung. E s ist schon oben die Rede gewesen von einem in Algerien gefundenen Silberband, dessen reicher Bilderschmuck, obgleich keine Inschrift ihn begleitet, zweifellos punischer Herkunft ist'. Neben zwei Götterbüsten in der Mitte, die wahrscheinlich die Tanit und den Baal Hamman darstellen, ist auf beiden Seiten je eine Schlange abgebildet, die sich an einem Pfahl emporwindet. Der eine Pfahl hat auf seiner Spitze einen kurzen Querbalken, um den sich das Kopfende des Tieres schlingt. E s liegt nahe, in der Schlange eine Hinweisung auf den in Karthago neben Tanit und Baal Hamman hochverehrten „Aesculapius" und dann doch wohl auf den punischen Esmun zu erkennen 2 . Freilich zeigt sich in andern Bildern des Silberbandes griechischrömischer Einfluß. A b e r die beiden Pfähle sind viel zu dick und säulenartig, um sie für den Stab des griechischen Asklepios halten zu können; auch durch den einen Querbalken wird das unmöglich gemacht. Allerdings scheint für die Beziehung des Schlangenbildes auf den einzelnen Gott Esmun-Äsculap zunächst die Doppelung der Schlange Schwierigkeiten zu bereiten. E s wird auf diese Zweizahl noch mehrmals zurückzukommen sein. Vielleicht war die Zweizahl der Schlangen dem Esmun charakteristisch. Indessen auch sonst kommt Doppelung eines Gottesbildes nicht selten vor 3. Hier konnte sie um so eher indiziert erscheinen, wenn Tanit und Baal Hamman als die Hauptgottheiten und Esmun als ihnen untergeordnet zur Anschauung gebracht werden sollten. Vielleicht weil Esmun nicht als dritter erscheinen durfte, wurde er aus dem Mittelpunkt entfernt durch die Stellung auf beiden Seiten. Eben deshalb dann auch nicht ein Bild des Gottes selbst sondern des ihm heiligen Tieres. A b e r auch wenn speziell an Esmun nicht zu denken wäre, so dient doch die Übereinstimmung dieser Abbildung eines punischen Kultobjekts mit der Beschreibung des Nechuschtan in Num. 21, 4 ff. unserer Vermutung zur Bekräftigung, daß der Nechuschtan die Nachahmung irgendeines kanaanäischen Kultbildes war.

1

S. darüber oben S. 269 f. und dazu Tafel V I .

2

So PHILIPPE BERGER, Gazette archeolog., Jahrg. V , S. 135 f.; Jahrg. VI,

S. 169, der auch auf das Zusammenstimmen mit dem Schlangenbild von Num. 21,4 ff. schon hingewiesen hat. unserer Ära.

E r datiert das Denkmal aus der Zeit nach dem Beginn

A n christlichen Einfluß auf die Darstellung der Schlangen

(vgl.

Joh. 3, 14 f.) ist nach dem Charakter der» übrigen Bilder des Silberbandes nicht zu denken. 3 Belege bei USENER, Rheinisches Museum, N. F., Bd. L V I I I , S. 189 ff.

Zweiter Teil: Esmun V , 6.

332

Die Darstellung auf dem Silberband ist nicht etwa ägyptisch beeinflußt. Allerdings haben wir auf ägyptischem Boden eine einigermaßen analoge Darstellungsweise: in Abbildungen zu Philä finden sich Stangen, die am obern Ende im Rechteck mit einem Seitenholz versehen sind (nicht mit einem nach beiden Seiten vorstehenden Querholz, wie auf dem Silberband) und als Träger einer langen Reihe von heiligen Tieren und Symbolen dienen, darunter auch eine Schlange. A b e r diese Schlange ringelt sich nicht an der Stange empor sondern bewegt sich oben auf dem Seitenholz in Windungen 1 . Eher ist mit der Abbildung des Silberstreifens in Parallele zu stellen eine Darstellung aus Ninive mit zwei Schlangen an Stangen hinter einem Altar, vor dem eine Opferhandlung beginnt, als ob sie den Schlangen gelte 2 . O b aber wirklich diese Schlangen als Gegenstände der Verehrung anzusehen sind, ist mir doch zweifelhaft, da sie an den Stangen mit Stricken oder Stäben befestigt zu sein scheinen und vielleicht in Verbindung stehn mit einem W a g e n , der sich hinter ihnen befindet. Bemerkenswert könnte sein die Gemeinsamkeit der Zweizahl der Schlangen auf dem Silberband und in der Abbildung aus Ninive. Zu vergleichen ist etwa noch die Darstellung auf einer Steatitvase Gudea's aus Telloh : zwei geflügelte Drachen, die einander gegenüber aufgerichtet stehn, halten mit den Vorderklauen jeder eine Stange mit einem Griffe; zwischen den beiden Stangen winden sich zwei aufgerichtete Schlangen umeinanderK In diesen Drachen sind die Tiere des Gottes Ningiäzida zu erkennen der mit einem Drachenkopf auf jeder Schulter dargestellt wird. Er steht mit dem Gott Tammuz in Verbindung. Drachen und Schlangen werden ihn als Unterweltsgott charakterisieren 5 . A u f einem Siegelzylinder aus Carneol mit hettitischen Schriftzeichen hat man die Darstellung einer Schlange an einer Stange gefunden 6 . V o r dem so gedeuteten Bilde steht eine menschliche Figur, anscheinend 1

ROSELLINI, I Monumenti dell' Egitto, Bd. I I I , Pisa 1844, Mon. del culto,

Taf. X X I ; vgl. Taf. X X I I . 1

LAYARD, Nineveh and its remains, London 1849, Bd. II, S. 469.

3 DE SARZEC, Découvertes en Chaldée, Paris 1884 fr., Taf. 44. * D a s scheint mir EDUARD MEYER, Sumerier und Semiten, A B A . 1906, S. 44 ff. nachgewiesen zu haben. 5 V g l . oben S. 103, Anmkg. 4. 6

So W . H. WARD, der Besitzer des Siegels, der in einer Mitteilung „Nehustan",

American Journ. of archaeology, Sériés II, Bd. II, 1898, S. 162—165 zuerst auf das Siegel aufmerksam gemacht hat.

V g l . unsere T a f e l X , n. 1. In der Beischrift sieht

P. JENSEN zwei Ländernamen, MESSERSCHMIDT dagegen Götternamen, s. MESSERSCHMIDT, Hethitisches, Orientalistische Litteratur-Zeitung

1899, Sp. 325 ff. und

Corp. Inscriptionum Hettiticarum, Mitteil. d. Vorderasiat. Gesellschaft, Jahrg. V , 1900, 4, S. 40.

Die kanaanäische heilende Gottheit und die Schlange.

333

in anbetender Stellung; hinter dieser befindet sich eine Säule, die einen Halbmond trägt. In der fraglichen Darstellung ist ein dreieckiger Fuß, der zu einer Stange gehören könnte, deutlich zu erkennen. Daß der bandartige Gegenstand, der über diesem Fuße zwei Schleifen bildet, vielleicht um eine nicht sichtbare Stange herum, wirklich eine Schlange ist, halte ich nicht für ganz sicher; er hat einen Kopf, der wie ein Hirschkopf aussieht. Es erscheint mir also noch zweifelhaft, ob wir es hier wirklich mit einem Pendant zu der Schlange an einem nés bei den Israeliten zu tun haben. Daß aber die beiden Schlangen des algerischen Silberbandes den punischen Äsculap andeuten, würde noch wahrscheinlicher gemacht durch die schon oben 1 erwähnten Münzen des Septimius Severus, Caracalla und Geta, wenn sie sich nämlich wirklich auf Afrika beziehen sollten. Auf den Münzen fanden wir dargestellt, in einem Tempel stehend, einen nackten, auf zweien dieser Münzen deutlich oder doch anscheinend bartlosen Gott, der den schlangenumwundenen Stab des Äsculap in seiner Hand hält und von zwei sich aufrichtenden Schlangen umgeben ist. Da zwei Schlangen neben dem Schlangenstab in altgriechischen Darstellungen des Asklepios nicht vorkommen2, so wäre unter der Voraussetzung der Beziehung dieser Münzen auf Afrika kaum daran zu zweifeln, daß die beiden Schlangen speziell dem punischen Äsculap, also dem Esmun, angehörend Ich vermag aber nicht einzusehen, was den Zusammenhang der Münzen mit Afrika erweisen soll außer eben das Gottesbild, dessen Deutung als punischer Äsculap erst festzustellen wäre. Dürfte man sie als gesichert annehmen, so könnte dann etwa auch die unbekleidete Figur zwischen zwei Schlangen auf einer schon oben besprochenen Münze von Berytos mit dem Bilde Heliogabal's (auf dem Revers ,,Col[onia] Iul[ia] Aug[usta] Fel[ix] Berjytus]") den Esmun dar1

S. 253 f.

2

A u f der oben S. 255 erwähnten Münze von Zakynthos scheint allerdings auch

der griechische Asklepios mit zwei Schlangen dargestellt zu sein; aber hier fehlt der Schlangenstab.

In der Zusammenstellung der beiden Schlangen und des Schlangen-

stabes auf den „afrikanischen" Münzen scheint diese Häufung zu erklären zu sein aus der Kombination von Momenten verschiedener Herkunft, dem Schlangenstabe des Asklepios und den beiden Schlangen des Esmun. 3 Die beiden Schlangen, die BABELON für die eine Münze auf der Giebelspitze des Tempels und die Drachen, die er auf dessen E c k e n als Akroterien annimmt, sind zweifelhaft. — W i e für diese Münzen die Deutung des Gottes als Äsculap-Esmun nicht unmöglich ist, so könnte etwa auch der Gott neben einer aufgerichteten Schlange,

den ein in Algerien gefundenes Basrelief zeigt, mit F R .

LENORMANT

(Quelques observations sur les symboles religieux des stèles puniques, Gazette archéolog., Jahrg. I I I , 1877, S . 33) und BABELON (Comptes rendus A I . 1904, S. 237) als Esmun zu deuten sein.

334

Zweiter Teil: Esmun V , 6.

stellen 1 . Spuren fiir Esmundienst in Berytos haben wir, unabhängig von dieser Münze, gefunden 2 . Vielleicht ist für die Beurteilung der ehernen Schlange der Judäer als eines von den Kanaanäern entlehnten Kultbildes geltend zu machen ein kleines Bronzebild einer Kobra-Schlange, das im Bereich des zu Gezer ausgegrabenen Tempels gefunden worden istJ. Die Schlange ist in gestreckter Form mit roher Naturalistik dargestellt. Da sie sich nicht als ein zu irgendeinem praktischen Gebrauch bestimmtes Gerät erkennen läßt, scheint sie kultische Bedeutung zu haben. Sie ist nach Form und Größe keinenfalls als ein zur Anbetung bestimmtes Gottesbild anzusehen, sondern eher als eine Art Amulet. Abgesehen aber etwa von der Rohheit der Arbeit, läßt sich, so viel ich sehe, hohes Alter der Figur nicht erkennen. E s ist deshalb kaum mit Bestimmtheit zu sagen, daß die Darstellung altkanaanäisch ist. E s kann hier die Nachahmung eines fremdländischen Kultbildes vorliegen. Eine in Form und Größe sehr ähnliche Bronzeschlange anscheinend sehr hohen Alters ist in Susa unter den Ruinen eines kleinen Tempels gefunden worden 4 . Die Schlange an der Stange in der Erzählung des Buches Numeri erinnert an das Attribut des Asklepios, den Stab, um den sich eine Schlange windet*. Die Stange in jener Erzählung könnte die dem Bedürfnis des Mythos entsprechende Vergrößerung eines Stabes sein, den das Kultbild der Gottheit in der Hand hielt — oder wohl besser umgekehrt: das Gottheitszeichen einer Stange mit der Schlange, zuerst für sich allein bestehend, konnte, der Gottheit in die Hand gegeben, zum Stabe reduziert werden. Die Ubereinstimmung zwischen dem Bilde der Erzählung des Buches Numeri und dem Attribut des Asklepios in der Kombination der Stange oder des Stabes mit der Schlange ist immerhin auffallend, da andern Gottheiten, wie der Hygieia, eine Schlange

1

S o BABELON, Comptes rendus A I . 1904, S. 233 ff., s. unsere Tafel V , n. 2. A u s

andern Erwägungen glaubten auch wir oben S. 2 3 3 f . 254f. in dieser Darstellung mit einiger Sicherheit den E s m u n zu erkennen.

Dann ließen sich von hier aus Rück-

schlüsse machen auf die „afrikanischen" Münzen. D a g e g e n können zwei oben S. 162 und ebend. A n m k g . 4 besprochene Darstellungen des Triptolemos syro-phönizischer Herkunft, die zwei Schlangen in Verbindung mit dem Gott bringen, nicht auf die Schlangen des Esmun gedeutet werden, da dem griechischen Triptolemos die Zusammenstellung mit zwei Schlangen eigentümlich ist. 2

S. oben S. 2 1 4 f.

3 MACALISTER, Report of the excavation of Gezer, Palestine Exploration Fund, Quarterly Statement 1903, S . 222 f. mit Abbildung. VINCENT, Canaan, S . 175, vgl. S. 1 1 7 . 5 Die Analogie ist schon C. A . BÖTTIGER (Die heilbringenden Götter 1803, Kleine Schriften, Bd. I, 1837, S. 98 f.) aufgefallen.

Die kanaanäische heilende Gottheit und die Schlange.

335

einfach in die Hand gegeben wird. Die Übereinstimmung kann aber doch durch spontane Entwickelung auf beiden Seiten entstanden sein. Daran, daß hier ein alter direkter Zusammenhang der Darstellung des Asklepios und eines kanaanäischen Schlangengottes vorliege, ist deshalb schwerlich zu denken, weil, so weit ich mir gestatten darf auf diesem Gebiet ein Urteil auszusprechen, der schlangenumwundene Stab des Asklepios kaum als sehr alt anzusehen ist. Nach der Beschreibung des Pausanias (1. II, 27, 2) stellte das von Thrasymedes (4. Jahrhundert) geschaffene heilige Bild zu Epidauros den Gott dar auf einem Throne sitzend und in der einen Hand einen Stab haltend, die andere über dem K o p f einer Schlange. A u f Münzen von Epidauros 1 ist der Gott dargestellt sitzend und die eine Hand über einer aufgerichteten Schlange haltend, in der andern Hand einen Stab. Diese Münzbilder entsprechen genau der Beschreibung des Pausanias vom Bilde des Thrasymedes. A u f einer Münze von Pergamon 2 reicht der Gott, sitzend, einer aufgerichteten Schlange eine Schale, und der Stab steht für sich allein hinter ihm. A u f einer Münze von Trikka in Thessalien, das vielleicht Ausgangspunkt des Asklepioskultus w a r , hält der Gott, sitzend, den Stab in der einen Hand und reicht mit der andern einer aufgerichteten Schlange einen Vogels. Daneben erscheint auf Münzen von Epidauros1», K o s s und Pergamon 6 eine Schlange für sich allein auf der einen Seite der Münze neben Darstellungen des Asklepios auf der andern Seite. Bei den jüngsten Ausgrabungen auf K o s sind im Asklepieion „viele Fragmente von marmornen Schlangen gefunden worden, die nicht zu Stäben gehören, darunter eine ganze Anzahl Fragmente einer kolossalen, sehr sorgfältig gearbeiteten Schlange, nach dem Stil etwa 4. bis 2. Jahrhundert v. Christo"'. Freilich findet sich andererseits auf Münzen, namentlich häufig auf Münzen von Pergamon, seltener auf denen von Epidauros 8 und

1

Catalogue of the Greek coins in the British Museum, Bd. Peloponnesus n. 7

(autonom) ; 29. 30 (Antoninus Pius). 2

S. unsere Tafel X, n. 2—4.

Catalogue etc., Bd. Coins of Mysia von WROTH 1892, n. 73 (Attalus II).

3 Catalogue etc., Bd. Tessaly to Aetolia von GARDNER 1883, n. 17 (autonom). • Catalogue etc., Bd. Peloponnesus n. 27 (autonom). S. unsere T a f e l X , n. 5. 5 Catalogue etc., B d . Coins of Caria, Cos etc. von HEAD 1897, n. 119 fr. 192 fr. (autonom); 201 (Kaiserzeit). S. unsere Tafel X, n. 6. V g l . RUDOLF HERZOG, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. X, S. 214 und ebend. Taf. I, 4. 6

MIONNET, Médailles antiques, B d . II, Paris 1807, S. 589 n. 495 ; Suppl., Bd. V ,

1830, S. 421 n. 872f.; S. 422 n. 874 (Kistophoren); Catalogue etc., B d . Coins of Mysia n. 84 (Königszeit); 232 f. (Kaiserzeit).

S. unsere Tafel X, n. 7.

7 Briefliche Mitteilung von Professor RUDOLF HERZOG. 8

MIONNET B d . II, S. 238 n. 62. 64 (autonom).

Zweiter T e i l : Esmun V , 6.

336

Kos x , der schlangenumwundene Stab, entweder in dem Bilde des Gottes mit dem Schlangenstab in der Hand oder auch neben einer Darstellung des Asklepios auf derselben Münze. Dieser schlangenumwundene Stab kommt schon auf autonomen Münzen vor. Unter den Münzbildern von Kos mag das eines stehenden Asklepios, der sich auf den Schlangenstab stützt, aus dem zweiten oder ersten vorchristlichen Jahrhundert2, die Wiedergabe eines Kultbildes sein. Da aber zu Epidauros und wohl auch auf Kos die lebendige Schlange als Erscheinung des Gottes galt, so ist wahrscheinlich doch sein ältestes Bild das in dem Typus von Trikka, Epidauros und Pergamon erhaltene mit der Schlange, die sich nicht um den Stab windet, und die Kombination von Schlange und Stab wird das spätere sein 3. Auf den jüngern Münzen von Pergamon verdrängt der Schlangenstab die auf den ältern auch für sich allein dargestellte Schlange. A u s den erhaltenen Statuen will man allerdings den Typus des Gottes mit dem Schlangenstabe bis in sehr frühe Zeit zurückverfolgen, ebenso hoch hinauf aber auch Darstellungen, wo die Schlange vom Stabe getrennt erscheint4. Es ist unter diesen Umständen jedenfalls 1

Catalogue etc., Bd. Coins of Caria, Cos etc., Taf. X L V , 6, dazu S. X C V , f.;

n. 177 ff. (autonom); 202. 204 f. (Kaiserzeit); 241 (Hadrian); vgl. 215 f. (Kaiserzeit). 2

E b e n d . Taf. X L V , 6.

3 Ebenso urteilt, wie ich nachträglich sehe, über das Alter des Schlangenstabes im Verhältnis zu der vom Stabe getrennten Schlange THRAEMER, Artikel „Asklepios" in der Real-Encykl. von Pauly-Wissowa, Halbbd. IV, 1896, Sp. 1682. * E s liegt nicht etwa so, daß auf den Reliefs der sitzende Gott mit der g e ringelten Schlange und dem von ihr getrennten Stabe neben sich, d a g e g e n in Reliefs und Statuen der stehende Gott mit dem Schlangenstabe dargestellt würde. A u c h bei den Bildern des stehenden Gottes kommt die Trennung von Schlange und Stab vor. KJELLBERG, Asklepios, S. 89 fF. (II, S. 20 ff.) denkt für den Typus mit dem Schlangenstab an Bezeugung aus dem 5. Jahrhundert.

Sichere Anhaltspunkte liegen für eine

so bestimmte Datierung jedenfalls nicht vor. In der Rekonstruktion der ältern T y p e n aus Nachbildungen ist auch hier große Vorsicht geboten. B e i zwei Statuen (DE CLARAC, Musée de sculpture antique et moderne, Paris 1826ff., Taf. 293, n. 1148 im Louvre und Taf. 550, n. 1161 in Neapel; PANOFKA, Asklepios und die Asklepiaden, A B A . 1845, Taf. III, i ; V I , 6; vgl. S. 310), die anscheinend auf das selbe Vorbild zurückgehn, umwindet das eine Mal (in der Statue zu Neapel) die Schlange den Stab des stehend dargestellten Gottes, während das andere Mal (in der Statue des Louvre) Stab und Schlange getrennt dargestellt sind: die Schlange ringelt sich am Boden (über ihre Ergänzungen s. FROHNER, Notice de la sculpture antique du Musée National du Louvre, Paris 1878, n° 401, S. 370). Diese Statue weist KJELLBERG (S. 112 [II, S. 43]) dem 5. Jahrhundert, der E p o c h e des Kolotes, zu. Sicher scheint mir auch diese Zeitbestimmung nicht zu sein.

Eine andere Statue des stehenden Asklepios (CLARAC

Taf. 550, n. 1160 A), die nach KJELLBERG (S.88 [II, S. 19]) „stilistisch auf das vierte Jahr-

Die kanaanäische heilende Gottheit und die Schlange. denkbar, daß die V e r e i n i g u n g

von Schlange

und S t a b

337

rein

künstlerisch

m o t i v i e r t ist. D e r v o n einer S c h l a n g e u m w u n d e n e „ T h y r s o s s t a b " a u f K i s t o p h o r e n v o n P e r g a m o n wird wohl, w e n n es sich hier wirklich u m einen T h y r s o s stab

und

handelt1, sonst

nicht eine

das

lediglich

um

Nachahmung

in s p ä t e r Z e i t

eine b e s o n d e r e F o r m des

verschiedentlich

schlangenumwundene Skeptron2.

des

Asklepiosstabes

A s k l e p i o s s t a b e s sein, ebenso wie andern

Gottheiten

noch

beigelegte

F ü r die D a t i e r u n g der K o m b i n a t i o n v o n

hundert zurückgehen" m a g , hält nicht den Schlangenstab, sondern die Schlange ringelt sich an einem Baumstamm empor.

In dem Asklepieion von K o s , im Vor-

raum der Thermen, ist eine lebensgroße Asklepiosstatue gefunden worden, die eine nicht um den Stab geringelte Schlange neben sich hatte (RUDOLF HERZOG, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. X ,

S. 214).

Zu vergleichen sind noch die Statuen bei

CLARAC Taf. 547, n. 1163 ( R o m : Asklepios mit einer Schlange in der H a n d , ohne Stab) und ebend. n. 1153 (Florenz: Asklepios mit einer sich gerade aufrichtenden Schlange, ohne Stab). 1

W . WROTH, T h e Numismatic Chronicle 1882, S. 18 f. sieht darin einen As-

klepiosstab. 2

ROSELLINI, Monumenti del culto, Taf. X V I I I , 3 ist eine Gottheit abgebildet,

die einen von einer Schlange umwundenen Stab in der Hand hält.

Die folgenden

Mitteilungen darüber verdanke ich Herrn Professor H. SCHÄFER: „ D e r Gott ist der T h o t h der nubischen Stadt Pnubs. Zeit des Tiberius an.

Die Abbildung ist aus Philä und gehört der

D a der schlangenumwundene Stab in älterer Zeit auf ägyp-

tischem Boden nicht vorkommt, so liegt wohl auch hier eine Nachahmung des Asklepiosstabes vor.

Dafür spricht, daß dieser Thoth manchmal das Beiwort erhält:

,der zu d e m , welcher ihn ruft, kommt', das auf einen Heilgott hinweist.

Dagegen

kommen seit alter Zeit Göttinnenszepter vor, die von einer Schlange umwunden (und gekrönt) sind" (eine Darstellung aus der Kaiserzeit a. a. O. Taf. X I X , 2; eine viel deutlichere aus der Zeit Ramses' III bei LEPSIUS, Denkmäler aus A e g y p t e n , Abtheilung I I I , Bd. V I I , Bl. 217, Fig. f).

„Diese Szepter beruhen auf dem Bilde der

Göttin von Unterägypten Buto als Schlange auf einem Papyrus, der , Wappenpflanze' Unterägyptens.

Bedeutung und F o r m der Darstellung schließen einen Zusammen-

hang mit dem Asklepiosstab aus." Die

Nebeneinanderstellung

der Abbildungen

bei PANOFKA a. a. O . ,

Taf.

V I I I , 7. 8 und 1. 4 legt eine Vergleichung des Stabes des Asklepios oder eines Asklepiaden auf dem dort wiedergegebenen Gemmen- und d e m Vasenbild mit d e m ägyptischen Götterstabe, wie ihn jener Thoth in der Hand hält, nahe. Hier und dort an dem Stab eine Krücke.

Die Schlange fehlt auf der G e m m e und der V a s e wie

an d e m gewöhnlichen ägyptischen Götterstabe.

W e n n hier wirklich an einen Zu-

sammenhang zu denken wäre, so würde er als die N a c h a h m u n g eines ägyptischen T y p u s auf der G e m m e und der V a s e zu beurteilen sein, die für die Herkunft des Asklepiosstabes nichts besagen müßte. haupt in Betracht zu kommen.

A b e r die Ähnlichkeit ist zu gering, um über-

Die charakteristische F o r m des uralten ägyptischen

Götterstabes ist in jenen griechisch-römischen Darstellungen nicht zu B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

22

finden:

die

33«

Zweiter Teil: Esmun V, 6.

Schlange und Stab ergibt sich daraus nichts, was unsere Aufstellungen modifizieren könnte. Wenn das durch die Erzählung des Buches Numeri als alt bezeugte Schlangenbild an der Stange keinen geschichtlichen Zusammenhang mit dem Asklepiosstabe zu haben scheint, so kann doch die Abbildung eines kanaanäischen Gottes als Schlange an einer Stange neben anderm Veranlassung gegeben haben zu seiner Identifizierung mit Asklepios, seitdem der Schlangenstab dessen Attribut war. Wir dürften dann für jene kanaanäische Schlangengottheit um so mehr an Esmun denken, weil eben er tatsächlich mit Asklepios identifiziert worden ist. Nach der Bedeutung der Stange in dem Bilde der heilenden Schlange im Buche Numeri ist nicht zu fragen, wenn die Stange nichts anderes war als das Mittel, die Schlange sichtbar zu machen. Auch eine Erklärung dieser Verwendung der Schlange als der Darstellung des heilenden Gottes wird besser unterlassen, da bei sehr verschiedenen Völkern die Schlange in Verbindung mit der Heilkunst vorkommt 1 . Daß man den Nechuschtan, was immer seine Herkunft und ursprüngliche Bedeutung gewesen sein mag, als das Bild eines Heilgottes ansah, läßt sich, wenn man doch deuten will, zunächst aus jener Anschauung von der Schlange als der Repräsentantin der Wasserquelle erklären. Diese ist Spenderin der Lebenskraft 2 und damit zugleich der H e i l k r a f t E s wird sich uns weiterhin noch eine andere Erklärung der Schlange nahe legen, die sich mit der eben gegebenen kombinieren läßt*. Sie hängt zuGestalt des Tierkopfes für die Krücke und die Verzweigung des Stabes am untern Ende. 1 S. Beispiele bei FRAZER, Pausanias's Description of Greece, Bd. III, S. 66 f. 2 Vgl. für das häufige Vorkommen der Quellen in dieser Bedeutung im Alten Testament Studien II, S. 148fF. und für das „Lebenswasser" in Babylonien ZIMMERN, Lebensbrot und Lebenswasser im Babylonischen u. in der Bibel, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. II, 1899, S. 167. 173. Die Stadtgottheit der babylonischen Stadt Der, eine Schlangengottheit, wird als „Herr (oder Herrin) des Lebens" bezeichnet, ZIMMERN, KAT3, S. 505, Anmkg. 10. Über Lebenswasser auf indogermanischem Boden vgl. ROHDE, Psyche, Bd. 113, S. 390, Anmkg. Es ist beachtenswert, daß hier das Lebenswasser seine Stelle in der Unterwelt zu haben scheint, wie wohl auch in Babylonien; s. dafür, woran ich von Professor KÜCHLER erinnert werde, Istar's Höllenfahrt, Rev. 33 ff., KB. VI, 1, S. 88 f. Vgl. unten S. 342.

3 Vgl. Taf. I, s bei PANOFKA a. a. O. (Münze von Gythium mit Kopf der Julia Domna), wo neben Asklepios eine Schlange aus einem Brunnen herauszukommen scheint. • Bei der gnostischen Sekte der Peraten sind nach Hippolyts Darstellung (bei BOUSSET, Hauptprobleme der Gnosis, S. 124) die drei Grundkräfte: Vater, Sohn und ö\r). Der „Sohn" wird als „das Wort" oder „die Schlange" bezeichnet. BOUSSET vermutet darin und überhaupt in der bei gnostischen Sekten weit verbreiteten „Auf-

Der Esmunos des Damascius.

339

sammen mit unserer Auffassung von der ursprünglichen Bedeutung des Esmun, die uns weiter bestätigt wird durch ihre Übereinstimmung mit der bei Damascius erhaltenen Erzählung seines Mythos.

7. Der Esmunos des Damascius. Die einzige Überlieferung, die von dem Wesen des Gottes Esmun direkt redet, der von Damascius (bei Photius, Bibliotheca, Cod. 242, S. 573 H.; Migne, SG. 1 0 3 , Sp. 1304 f. 1 ) erzählte Mythos, kennt die Identifizierung des "Eciuouvoc mit Asklepios und enthält vielleicht noch in einem andern Namen eine Hinweisung auf ihn als Heilgott, scheint sich aber sonst nach dem ersten Eindruck auf diese Bedeutung des Gottes nicht zu beziehen. Der späten Zeit des Damascius wegen dürfen wir seine Darstellung nur insoweit für die Erkenntnis alter Vorstellungen verwerten, als seine Aussagen mit besser bezeugten Zügen der phönizischen Religion in Übereinstimmung befunden werden. Damascius bezeichnet den Asklepios von Berytos als „nicht griechisch oder ägyptisch sondern einheimisch phönizisch"; man „interpretiere" nämlich als Asklepios den Sohn des phönizischen Sadykos, den Esmunos. Ein schöner Jüngling, wurde er nach dem Mythos auf der J a g d von der Göttermutter Astronoe erblickt und mit Liebe verfolgt. Ihr entfliehend, hieb er sich mit einem Beile das Zeugungsglied ab, wurde von der Göttin durch „die lebenbringende Wärme" ins Leben zurückgerufen und zum Gott gemacht, von den Phöniziern Esmunos genannt ¿Tri Tr) Oepjuq Tric Zuuflc. Nach andern aber bedeute sein Name „der Achte". Unwahrscheinlich ist die zweite, auf Philo Byblius zurückgehende Namenerklärung und unverständlich die erste, wo der Gewährsmann des Damascius anscheinend hebräisches BW „Feuer" im Sinne hatte als an den Namen Esmun anklingend; es scheint dabei der Gedanke zugrunde zu liegen, daß Esmun selbst ein Repräsentant der „Lebenswärme" sei, der zu unsern Vermutungen über die Bedeutung des Gottes stimmen würde. Eine von Damascius nicht verstandene Anspielung auf den Heilgott, den TTatdv der Griechen, wird darin liegen, daß in einer allerdings nicht zweifellosen Lesart nach der Selbstverstümmelung des

fassung der erlösenden und rettenden Macht als Schlange" die „Herübernahme und Vergeistigung irgend eines, vielleicht phönizischen, Schlangenkultus".

E s ist wohl

möglich, daß hier eine Reminiszenz zu erkennen ist an Esmun, den jugendlichen Gott oder „Sohn". 1

S. 144, § 302 der Ausgabe der Vita Isidori des Damascius von Westermann

in: Diogenes Laert. ed. Cobet. 22*

Zweiter Teil: Esmun V, 7.

340

Esmunos von der Astronoe berichtet wird: TTaiäva KaXecaca TÖV vea1 VI'CKOV, „sie nannte den Jüngling Paian" , was der Berichterstatter anscheinend dahin auffaßt, daß sie, TW Tidöei TrepiaXfricaca, ihn als einen „Klagegesang" bezeichnet habe. In dem Mythos selbst sind mehrere Züge aus andern Mythenkreisen entlehnt. Die Astronoe als nrjTrjp 6ediv entspricht der Kybele, und danach wird die Selbstentmannung aus dem Attismythos stammen 2 . Die Wiederbelebung durch Astronoe erinnert gewiß nicht zufällig an die des Osiris durch Isis. Nicht sicher dagegen gehört zu den entlehnten Zügen die Bezeichnung des Esmunos als Jäger. Sie könnte allerdings auf den griechischen Asklepios zurückgehn, der wiederholt als Liebhaber der Jagd geschildert wird. Auch der zu Byblos verehrte Adonis ist ein Jäger. Bei ihm haben wir diesen Zug nicht für ursprünglich halten k ö n n e n E h e r ist er von Esmun auf Adonis übertragen worden. Bei Esmun entspricht diese Darstellung einer in seinem Wesen begründeten Auffassung, die ihn als Bekämpfer von wilden Tieren und Ungeheuern denkt«. Die Charakterisierung als Jäger kann danach bei ihm einheimisch phönizisch sein. Die Quelle des Damascius war nicht unorientiert über wirklich phönizischen Kultus und Gottesglauben. Auch das allerdings ist vielleicht nicht korrekt, daß Berytos als Sitz des phönizischen Asklepioskultus genannt wird. Von einer Verehrung dieses Gottes zu Berytos wissen wir sonst nichts Zuverlässiges, wenn nicht etwa die oben 5 erwähnte Münze von Berytos ihn darstellt und die Aussage des Philo Byblius über den Asklepios von Berytos 6 darauf verweist; die Angabe des Damascius kann darauf beruhen, daß nach Strabo (1. X V I , 2, 22, C. 756) zwischen Berytos und Sidon ein 'AciN3 — , wird mit dieser A u f f a s s u n g bis zur Unrichtigkeit auf die Spitze getrieben. V e r schiedene zweifellos alte Erzählungen und Darstellungen im Alten Testament bekunden deutlich, daß den Hebräern der Gedanke an gelegentliche Beziehungen der Abgeschiedenen zu den auf Erden Lebenden geläufig war, daß sie also eine der irdischen Leiblichkeit entbehrende Fortdauer des Menschen sich allerdings vorstellen konnten. V o n einer den T o d überdauernden Gottesgemeinschaft ist d a g e g e n den Hebräern in alten Zeiten nichts bekannt. Im A l t e n T e s t a m e n t ist vielleicht nicht der Glaube an Auferstehung des einzelnen Menschen, wohl aber allem A n schein nach der Gedanke an Auferstehung älter als die Hoffnung auf ein persönliches Fortleben in der Gottesgemeinschaft. D a n n ist also jener Gedanke nicht aus dieser Hoffnung heraus entstanden. V o n ihr wissen H o s e a , Ezechiel und noch Deutero-Jesaja nichts. Ebensowenig scheint sie abhängig zu sein von der Voraussetzung der Auferstehung. Einzelne Psalmisten, wenn auch vielleicht keiner von ihnen geradezu die Hoffnung einer den T o d überdauernden Gottesgemeinschaft ausspricht, haben d o c h — besonders der Dichter des L X X I I I . Psalms — den Gedanken der Gottesgemeinschaft als des höchsten Gutes erfaßt, als ob es überhaupt kein A b g e b r o c h e n w e r d e n dieser Gemeinschaft durch den T o d g e b e , und bringen dies zum A u s d r u c k , ohne dabei auch nur auf die Möglichkeit der Auferstehung hinzuweisen. A u c h außerhalb des A l t e n Testaments hat man sich auf semitischem B o d e n eine Fortdauer des Verkehrs mit der Gottheit ohne Wiederherstellung der irdischen Leiblichkeit vorgestellt. In der H a d a d - Inschrift des aramäischen K ö n i g s Panamu von Sam'al aus dem 8. Jahrhundert ist, wie es scheint, die A u s s a g e gesichert, daß „die Seele (5P33 = hebr. Panamu's essen und trinken wird mit [dem Gott] H a d a d " (Z. 17. 21 f., Lidzbarski, Epigraphik, S. 441). E s ist hier für uns gleichgültig, ob dabei zu denken ist an ein Fortleben der tJ>32 im eigentlichen Sinn oder ob mit t5>23 die Persönlichkeit des Panamu bezeichnet werden soll. In j e d e m Fall ist dabei doch wohl zu denken an eine Vereinigung mit H a d a d in einer jenseitigen Daseinsform. D a das Essen und Trinken der T o t e n ägyptische Vorstellung ist und gerade zu Sendschirli in einer Abbildung dargestellt wird n a c h ägyptischer A r t 1 , so könnte wohl in der F o r m der von Panamu ausgesprochenen Hoffnung und dann vielleicht auch in seiner Vorstellung von der Seele ägyptischer Einfluß vorliegen. A b e r auch die Babylonier reden von essen und trinken der 1

Vgl. ERMAN, Die ägyptische Religion 2 , S. 215 f.

428

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 3.

Toten, allerdings in anderer Weise als die Hadad-Inschrift In den ägyptischen Gräberbildern handelt es sich nicht um essen und trinken des Toten in Gemeinschaft mit einer Gottheit sondern um gespeistwerden des Toten durch seine Hinterbliebenen. Die Vorstellung des Essens und Trinkens in Gemeinschaft mit der Gottheit scheint also in der Hadad-Inschrift nicht aus Ä g y p t e n entlehnt zu sein. Jedenfalls zeigt jene Hoffnung Panamu's, daß der Auferstehungsgedanke für semitische Auffassung nicht das notwendige Korrelat der Erwartung einer Fortdauer der Gottesgemeinschaft über den T o d hinaus ist; denn von Auferstehung weiß offenbar Panamu nichts. E s wird demnach nicht richtig sein, daß die Hoffnung auf ein persönliches Fortleben den Auferstehungsgedanken erfordert habe. Der Auferstehungsgedanke hat im Alten Testament zunächst — so bei Ezechiel und ebenso, wenn die Stelle hierher gehört, Hos. 6, 1 f. — keine religiöse Bedeutung und hat sie erst erhalten, als er nachmals mit der Hoffnung einer fortdauernden Gottesgemeinschaft in Verbindung gebracht wurde. Schon deshalb ist die Entstehung dieses Gedankens nicht daraus abzuleiten, daß ohne Wiederherstellung der Leiblichkeit dem Hebräer eine den T o d überdauernde Gottesgemeinschaft undenkbar gewesen wäre. E s scheint mir überhaupt nicht möglich, den Auferstehungsgedanken aus einer Besonderheit der alttestamentlichen Psychologie zu erklären — nur ist er natürlich in seiner Ausbildung durch sie beeinflußt worden. Eher ließe sich etwa nach der im Alten Testament wiederholt vorkommenden Vorstellung von der Krankenheilung als einer Errettung aus dem T o d annehmen, daß diese als Bild oder Hyperbel gemeinte Rückkehr des Menschen in wiederhergestellter Leiblichkeit den Gedanken einer Rückkehr aus dem Grabe zu neuem Leibesleben erzeugt habe. Wenn in Hos. 6, 2 wirklich von Auferstehung die Rede ist, so wird sie hier gedacht als eine Parallele zu der Wiederbelebung, d. h. nach dem erörterten Sprachgebrauch zu der Genesung: „ e r wird uns beleben — wird uns aufstehn lassen". A l s nur einen andern Ausdruck für das Nichtüberlassen der Seele an die Scheol, d. h. das Nichtsterbenlassen (Ps. 16, 10), fanden wir die hyperbolische Aussage: „du hast 1

Auf hierher gehörende Stellen macht mich Professor KÜCHLER aufmerksam.

Gilgamesch-Epos, Tafel XII, VI, 11 f., KB. VI, 1, S. 264f. ist offenbar an Speisung der Toten durch die Hinterbliebenen gedacht.

Anders ist das Essen der Toten in

„Istar's Höllenfahrt", Obv. 8, KB. VI, 1, S. 80f., wo es von den Bewohnern des Totenreiches heißt, daß „Erdstaub ihre Nahrung, Le[hm] ihre Speise".

Damit soll zu-

nächst wenigstens nur gesagt sein, daß es dort nichts anderes gibt. Wie das Trinken reinen Wassers, von dem Toten ausgesagt Gilgamesch-Epos, Tafel XII, VI, 2, K B . V I , 1, S. 264f., zu verstehn ist, scheint mir dunkel zu sein, jedenfalls als etwas erquickliches.

Entstehung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens.

429

heraufgeführt aus der Scheol meine Seele" (Ps. 30, 4). Danach könnte es allerdings scheinen, als ob der Auferstehungsgedanke entstanden wäre durch eine Spezialisierung oder Ausmalung der Vorstellung der Genesung als einer Todesüberwindung. Allein dann bleibt noch immer die Frage, wie Dichter oder Propheten dazu kamen, gerade diese Ausmalung zu wählen, die doch nicht auf einer am Menschenschicksal gemachten Beobachtung beruht. Überdies sind jene nicht im eigentlichen Sinne gemeinten Aussagen in den Psalmen und auch in I Sam. 2, 6, wenn diese Stelle hierher gehört 1 , von einer Uberwindung der Scheol möglicherweise so spät, daß sie den Auferstehungsglauben schon zur Voraussetzung haben könnten. Namentlich aber ist gegen die Entstehung des Auferstehungsgedankens aus einer Weiterführung des bildlichen oder hyperbolischen Ausdrucks für die Wiederherstellung des Kranken einzuwenden, daß bei dieser Ableitung als nächste Weiterentwickelung zu erwarten wäre die Bildung der Hoffnung einer individuellen Auferstehung, während diese in Wirklichkeit erst einer spätem Zeit angehört als die von Ezechiel ausgesprochene Erwartung einer Auferstehung des Volkes. Darum läßt sich der Auferstehungsgedanke nicht, wenigstens nicht allein und nicht direkt, erklären aus der Beobachtung des göttlichen Tuns, wie es in der Leitung des Menschenlebens, nämlich in der Bewahrung vor Todesgefahr und der Errettung aus ihr, sich offenbart. Wohl aber bleibt noch die Frage zu beantworten 2 , ob nicht die Auffassung der Krankenheilung als der Errettung aus einem Todeszustand, d. h. einer Todesgefahr, oder — in dichterischer Darstellung — als einer Heraufführung aus dem Totenreich und der Gedanke der Auferstehung aus dem Tode, die sich so nahe berühren, ihrer Entstehung nach miteinander zusammenhängen. Noch weniger als aus der Beobachtung der Errettung aus todbringender Krankheit und anderer Todesgefahr kann der Auferstehungsgedanke entstanden sein als Verallgemeinerung aus dem Glauben, daß in einzelnen Fällen durch Propheten Tote wieder lebendig gemacht worden seien (I Kön. 17, 22. II Kön. 4, 35; 8, 1. 5; 13, 21). Vielmehr hat dieser Glaube, wobei es sich um wunderbare Ausnahmen handelt, weder den Auferstehungsglauben zur Voraussetzung noch eigentlich überhaupt mit dem Auferstehungsgedanken etwas gemeinsam. Die Totenerweckungen erfolgen alle unmittelbar nach dem Tode. Nur in einem Falle handelt es sich dabei um eine Rückkehr aus dem Grabe und wird der Ausdruck Dlp (in Verbindung mit V^JV^J?) gebraucht (II Kön. 1 3 , 2 1 ) . Aber der Verstorbene war erst eben in das Grab gelegt; in den andern Fällen geschieht die Wiederbelebung auf dem Totenbett. Dem Tode wird damit gewissermaßen nur Einhalt getan; er ist noch nicht perfekt ge1

Vgl. oben S . 393.

2

S. unten 4. Teil, II, 5.

430

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 3.

worden. Die schon entflohene Seele (tl'Si) freilich zur Wiederbelebung des Verstorbenen nach I Kön. 17, 21 f. „zurückkehren"; aber es wird zu denken sein, daß sie noch in erreichbarer Nähe war, sich noch nicht ganz von dem Körper getrennt hatte 1 . Wiederauftreten von Bewohnern des Totenreichs zu zeitweiliger Erscheinung auf Erden wird in dem Glauben an Totenbeschwörungen angenommen, der bei den Hebräern wie wohl bei allen Völkern uralt ist. Eine Erzählung von dauernder Rückkehr eines Gestorbenen — wie die der Alkestis — kommt im Alten Testament nicht vor; ich kenne eine derartige Erzählung in semitischen Mythen oder Sagen überhaupt nicht. Bei der Alkestis handelt es sich um ein Außerordentliches, und die Vorstellung ist die, daß das Totenreich sich weigert oder daß es ihm verwehrt wird, sie aufzunehmen. In den Beschwörungen des Alten Testaments ist nur von wieder entschwindenden Totengestalten die Rede. Charakteristisch heißt es von der Erscheinung des toten Samuel, daß sie „aufsteigt", nämlich aus der Unterwelt (I Sam. 28, 13; vgl. v. 11), nicht daß sie aufsteht (Dlp) wie die aus dem Grab Auferstehenden. Auch wird nur gesagt, daß die Beschwörerin die Erscheinung aufsteigen sieht; welcher reale V o r g a n g dies Sehen veranlaßt, bleibt in Dunkel gehüllt. A u s dieser Vorstellung konnte sich schwerlich die wesentlich andersartige von einer Rückkehr aus dem Grabe zu dauerndem Leben entwickeln 4 . D a s Eigentümliche, die jüdische und persische Vorstellung der Auferstehung von den Anschauungen, wie es scheint, aller andern Völker Unterscheidende ist dies, daß die Verstorbenen, und zwar in irgendwelchem weitern Umfang, zu vollem leiblichem Erdenleben zurückkehren. Überdies ist gegen die zuletzt in Betracht gezogene Möglichkeit einer Herleitung des Auferstehungsgedankens ebenso wie gegen die früher erwähnten einzuwenden, daß im Alten Testament der Gedanke an eine Auferstehung des Einzelnen später auftritt als der an eine Auferstehung des Volkes. A b e r auch damit ist nichts erklärt, daß man sagt, als gegensätzliches Pendant zu dem den Propheten seit Arnos und Hosea geläufigen Bilde von einem Sterben Israels habe sich der Gedanke an eine darauf folgende Wiedererrettung Israels versinnlicht in dem Bilde der Auf-

1

Vgl. oben S. 412 ff. über die 3 Tage.

2

SCHWALLY, Das Leben nach dem T o d e , S. 114f. denkt an „Beziehungen

zwischen der Auferstehung und der Totenbeschwörung" als „nicht nur für die historische Betrachtung vorhanden" sondern anscheinend „auch von den Beteiligten selbst empfunden".

W a s er dafür geltend macht, ist sehr unsicher und betrifft nicht das

Alte Testament sondern syrische Literatur.

Für die angeführten späten Belege

ließe sich sehr wohl an eine Kombination von zwei ursprünglich getrennten Anschauungen denken.

Entstehung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens.

431

erstehung l ; denn der Gebrauch des Bildes setzt die Beobachtung irgendwelcher Auferstehung oder den Glauben daran voraus, wie das Bild des Sterbens des Volkes auf der Beobachtung am Menschen beruht. Der Auferstehungsgedanke kann, wie mir scheint, wo immer er aufkam, nur entstanden sein als eine Übertragung aus dem Naturleben. Es ließe sich vielleicht an das periodische Verschwinden und Wiederkehren eines Gestirns, des Mondes oder eines Sternes, am nächtlichen Himmel oder auch der Sonne in ihrem täglichen Laufe denken. Für diese Entstehung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens wäre etwa darauf zu verweisen, daß in der babylonischen Religion das Verschwinden und Wiederauftreten von Gestirnen wenigstens in späterer Zeit gelegentlich so aufgefaßt wird, als stiege ein Gott in die Unterwelt hinab und wieder herauf 2 . Aber die Art, wie im Alten Testament die Auferstehung vorgestellt wird als ein Wiederaufstehn aus dem Grab in der Erde, läßt hier eher an eine Analogie zu dem Absterben und Wiederaufsprossen der aus der Erde hervortretenden Vegetation denken. Überhaupt ist es mir zweifelhaft, ob astrale Bedeutung für babylonische Auferstehungsmythen, soweit von solchen die Rede sein kann, als ursprünglich anzusehen ist, da diese Mythen auf die Sonne, der sie zum Teil zu gelten scheinen, nicht recht passen; denn die Sonne nimmt im Laufe des Jahres wohl ab, aber entschwindet doch in keiner Jahreszeit ganz. Eher ließe sich an das täglich stattfindende Entschwinden und Wiederkehren der Sonne denken; aber die Feste der Auferstehungsgötter bei Babyloniern und Phöniziern — auch der Sonnengötter Marduk, sofern er hierher gehört, und Melkart — feiern ein jährliches Ereignis. Vielleicht ist hier überall eine tellurische Bedeutung als ursprünglich anzusehend Ursprünglich tellurische Bedeutung einer in die Unterwelt hinabsteigenden Gestirngottheit schimmert noch durch in der Einwirkung, welche die Hadesfahrt der Sterngöttin Istar auf die Erdwelt ausübt. Deutlich liegt die tellurische Bedeutung vor in dem Mythos vom Sterben und wohl auch Auferstehn des babylonischen Tammuz und vom Sterben und Auferstehn des phönizischen Adonisl

1 „Ganz von selbst" versinnlicht, wie H. SCHULTZ, Alttestamentliche Theologie 5R 1896, S. 595 meinte. 2 Eine deutliche Belegstelle aus der Arsacidenzeit bei ZIMMERN, KAT.3, S. 388. Sie betrifft den als identisch mit Sämas aufgefaßten Nergal. Nach BEER, Der biblische Hades, Festgabe für Holtzmann, S. 24, Anmkg. 2 wurzelt der Auferstehungsglaube bei den Babyloniern, denen er ihn zuschreibt, in Astralmythen; die Totenauferstehung „steht in Parallele zu dem Wiederaufleben des Sonnengottes [Marduk] im Frühling". 3 Vgl. oben S. 107 f.

* Die Ägypter scheinen die Sonne mit jedem Abend sterbend und mit jedem

432

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 3.

Im Anschluß daran, daß die Vegetation alljährlich in den alten Formen neu wird, scheint bei den Israeliten der Gedanke aufgekommen zu sein an eine Erneuung des erstorbenen Menschenlebens in den alten körperlichen Formen. Die Naturreligion glaubte in der Vegetation das Sterben und Wiederaufleben eines individuellen Wesens, eines Gottes, zu beobachten. Diese Auffassung legte es nahe, nach einer Erneuung auch der menschlichen Persönlichkeit in ihrer irdischen Erscheinung zu fragen. Das alte Israel scheint in der prophetischen Periode diese Frage gekannt zu haben, hat aber höchstens in bildlicher Verwertung auf die F r a g e die bejahende Antwort gegeben. Die Aufwerfung der F r a g e ist anzusehn als ein Rest oder ein Reflex der Naturreligion. Unsere weitere Darstellung wird verständlich zu machen suchen, inwiefern dem alttestamentlichen Auferstehungsgedanken eher die Anschauung von dem wiederkehrenden Vegetationsleben als die von einem wiedererscheinenden Gestirn zugrunde liegt. Vielleicht beruht es noch auf einer Ahnung des Zusammenhangs zwischen dem Auferstehungsgedanken und dem Wiedererstehn der Pflanzenwelt, daß in jener späten apokalyptischen Darstellung des Buches Jesaja (c. 26, 19) die Hoffnung der Auferstehung der Frommen begründet wird mit den Worten: „denn Tau des Lichtes ist dein [Gottes] Tau, und die Erde gebiert Schatten". Wie die Pflanzenwelt durch Vermittelung des belebenden T a u s , so werden die Totenschatten durch Gottes lebenschaffende K r a f t aus dem Schöße der Erde wiedergeboren. Die Beziehung auf das Neusprossen der Vegetation wäre noch deutlicher, wenn man rfllN zu übersetzen hätte: „ T a u der Kräuter" statt „Tau des Lichtes", was nicht unmöglich ist, aber weniger wahrscheinlich. Die Auffassung „ T a u des Lichtes ist dein T a u " bringt auf Grund der feststehenden Vorstellung von dem belebenden Licht eine direkte Begründung zu dem Wiederaufleben der Toten; dagegen müßte zu „ T a u der Kräuter" die Bedeutung des Taus als des die Kräuter belebenden hinzugedacht werden 1 . Eine parallele Vorstellung liegt vor bei einem Morgen eine neue Sonne erstehend oder die alte aus dem T o d e zum Leben zurückkehrend gedacht zu haben, s. MASPERO, Études de mythologie et d'archéologie égyptiennes, II, S. 25 f. 28. Die primäre unter diesen beiden Vorstellungen ist doch wohl die von einer neuen Sonne jedes neuen Morgens, sodaß es sich hier ursprünglich nicht um eine „Auferstehung" handeln würde. 1

Uber das Fortleben der aus Jes. 26, 19 entnommenen Vorstellung von der

Spendung des Taus für die Gebeine der Verstorbenen in der nachalttestamentlichen jüdischen Literatur und über den aus dem Judentum vom Islam entnommenen „ R e g e n der Auferstehung" s. GOLDZIHER, Wasser als Dämonen abwehrendes Mittel, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. X I I I , 1910, S. 45 f., wo die alttestamentliche

Vor-

stellung mit Recht nicht mit der Abwehr von Dämonen in Verbindung gebracht wird.

433

D a s L e b e n der Pflanze.

nachexilischen Propheten (Jes. 66, 14), der von der Erfrischung durch die Freude sagt, daß die Gebeine „sprossen wie frisches Grün". 4. Das Leben der Pflanze. Die Auffassung der im Frühjahr aus dem Erdreich neu hervorsprossenden Pflanze als eines aus dem Tod auferstehenden Wesens mußte den Hebräern und den ihnen verwandten kanaanäischen Völkerschaften nicht schwer fallen, wie wir entnehmen dürfen aus dem, was das Alte Testament voraussetzt über die Existenzweise — man darf korrekter Weise nicht sagen: das Leben — der Pflanze. Eben dasselbe wird auch Anschauung der Phönizier und der andern Kanaanäer gewesen sein 1 . Daß diese Völkerschaften ebenso wie andere Völker des Altertums die Pflanze, wenn auch wohl nicht geradezu als ein lebendiges Wesen, so doch wenigstens in einzelnen Fällen als die Hülle oder Herberge lebendiger Wesen betrachteten, zeigt der Glaube, daß ein Baum eine Gottheit sei oder mit einer Gottheit zusammenhänge. Diese Vorstellung liegt dem im Alten Testament oft erwähnten Kultus unter grünen Bäumen bei den abgöttischen Israeliten, den Erzählungen von Gottesoffenbarungen unter Bäumen und der Bezeichnung heiliger Stätten durch Bäume zugrunde. Der altsemitische Gottesname und der Baumname TK mit den diesem verwandten Bezeichnungen I^K, )1i>N, r6l$, H^K stehn doch wohl in einem nicht nur etymologischen Zusammenhang. Eine hervortretende Rolle heiliger Pflanzen in der phönizischen Religion ist daraus zu ersehen, daß Philo Byblius von einer der ersten Generationen der Menschengeschichte berichtet: „Diese heiligten zuerst die Gewächse (ß\otCTr||uaTa) der Erde und hielten sie für Götter und beteten diese an" (fr. 2, 4, S. 565). Wie tief eingewurzelt der alte kanaanäische Baumkult war, zeigt sich an den noch jetzt im palästinischen Syrien verehrten Bäumen, die als Wohnort eines Heiligen gelten®. Werden die Pflanzen als etwas Göttliches angesehen oder doch mit den Göttern in Verbindung gebracht als ihr Wohnort oder ihre Erscheinungsform, so wird man wohl auch ihre Existenzweise wie die der Götter gedacht haben nach Analogie des menschlichen oder animalischen Lebens. Die Götter werden etwa in den Pflanzen wohnend gedacht worden sein wie die Seele im Leibe. Im griechischen Altertum 1

F ü r das folgende s. die Belege Studien II, S. 184 ff. 2 2 3 fr.

beurteile ich jetzt wesentlich anders als damals. —

Den Sachverhalt

V g l . R O B E R T S O N SMITH, R e -

ligion, S. 93 f. 2

Viele Beispiele bei

Curtiss,

Ursemitische Religion, passim; vgl.

Coutumes des A r a b e s au pays de M o a b , S . 3 3 0 ff. B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

28

Jaussen,

Vierter Teil: Adonis u . E s m u n u. die alttestamentliche Religion II, 4.

434

hat man gelegentlich den Pflanzen ausdrücklich seelische Regungen zugeschrieben 1 . D a s Geschlecht der Dryaden legt Zeugnis ab für eben diese Vorstellung oder doch dafür, daß, wie es bei den Hamadryaden deutlich ist, beseelte Wesen an das Leben des Baumes gebunden gedacht wurden 2 . Bei den Ägyptern ist eine analoge Vorstellung vom Lebendigsein der Pflanze vielleicht zu erkennen in dem Glauben, daß die abgeschiedenen Menschen im Jenseits sich vorübergehend nicht nur in Tiere sondern auch in Pflanzen, besonders in den Lotus, verwandeln können 3. Daß im Alten Testament den Pflanzen eine Seele zugeschrieben werde, läßt sich nicht nachweisen. Man hat eine Pflanzenseele erwähnt gefunden im Buche Jesaja c. 1 0 , 1 8 , wo gesagt wird, daß Wald und Baumgarten „von der Seele bis auf das Fleisch" vernichtet werden sollen; aber da Wald und Baumgarten hier Bild für Assur sind, liegt zweifellos eine Vermischung der bildlichen Aussage von Pflanzen mit der eigentlichen von den Assyrern als Menschen vor. Dagegen ist vielleicht die Lebenskraft des Menschen wie ein Pflanzensaft gedacht im X X I I . Psalm, wo v. 16 in dem vorliegenden, aber wahrscheinlich zu verbessernden T e x t e vom Vertrocknen der Lebenskraft Orü, wohl statt ^Sn) geredet wird, wie Psalm X X X I I v. 4 "Iti6 des Menschen, etwa sein „Mark", als den Sitz des Lebens nennt. Danach wäre in der ersten Stelle, wenn der T e x t beizubehalten sein sollte, die Lebenskraft der Pflanze aufgefaßt als analog der des Menschen, bei dem sie als „Seele" bezeichnet • wird. Geradezu an eine Seele der Pflanze denken allem Anschein nach die alttestamentlichen Schriftsteller nicht. Eine Seele und ein Verhältnis zum göttlichen Lebensgeist wird für die Tiere ganz ebenso angenommen wie für den Menschen, wird aber für die Pflanzen nie genannt. Niemals auch ist von einem Lebensgeist — Iii"! — der Pflanzen die Rede. Dies entscheidet allerdings nicht dagegen, daß in ihnen eine Seele gedacht worden wäre; denn die Vorstellung von der Seele als der individualisierten Ruach gehört wie die ganze A n schauung von der Ruach als dem einheitlichen Lebensprinzip relativ

1

R O H D E , Psyche, Bd. 113, S. 1 7 7 , Anmkg. 3 ;

S . 195, Anmkg. 2.

Vgl. zu

der Entstehung der Vorstellung von einer lebenden Seele der Pflanze W U N D T , Völkerpsychologie, Bd. II, 2, S. 4 1 7 . 2

Vgl. Mythen verschiedener indogermanischer Völker, in denen die Menschen

als B ä u m e erscheinen oder die Bäume wie Menschen behandelt werden oder in denen es sich um eine Baumseele handelt, bei MANNHARDT, Wald- und Feldkulte, Bd. I, S. 7 ff.; Bd. II, S. 20ff. 3 WLEDEMANN, Die Unsterblichkeit der Seele nach altägyptischer Lehre, Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande, H f t . L X X X V I , 1888, S . 6 1 ; ERMAN, Die ägyptische Religion 2 , S. 103. 1 1 6 .

Das Leben der Pflanze.

435

später Zeit an. Die R u a c h , der Hauch, ist überall eine Kraft, die bew e g t , sich selbst oder ein anderes; deshalb haben die Pflanzen keine Ruach, weil sie bewegungslos am Boden haften. A b e r auch eine Nephesch kann den Pflanzen kaum jemals zugeschrieben worden sein; denn niemals wohl hat man ganz vergessen, daß auch damit eigentlich der Hauch oder Odem bezeichnet wird, den die Pflanzen doch nicht besitzen. Verschiedene Beurteilung des Tier- und des Pflanzendaseins liegt ferner der Darstellung in der Kosmogonie der Genesis (c. i) zugrunde, wo Gott die Tiere schafft, während er die Pflanzen von der Erde hervorbringen läßt. A b e r neben dieser systematisierenden Auffassung hat bei den Hebräern, wie sich aus dem allgemein semitischen Baumkultus vermuten läßt, gewiß eine volkstümliche bestanden, die mit bestimmten Pflanzen lebende W e s e n irgendwie zu einer Einheit verbunden dachte und in allen Pflanzen eine dem Leben verwandte Kraft annahm. Ausdrücklich von einem Leben der Pflanze ist freilich im Alten Testament niemals die R e d e 1 . Nur das Tier ist ¡TO, ein Lebewesen; für die Pflanze hat das alttestamentliche Hebräisch keine generelle Bezeichnung. A u c h liegt nicht unmittelbar die Anschauung von einer dem Leben analogen K r a f t der Pflanze der alttestamentlichen Vergleichung des Menschenlebens mit ihr zugrunde; das häufige Vorkommen dieser Vergleichung ist aber doch ein Zeichen dafür, daß man in Erscheinung und Entwickelung der Pflanze etwas dem Menschenleben Entsprechendes und wohl noch mehr, etwas ihm Verwandtes, erkannte. E s ist den Hebräern und überhaupt den Semiten vielleicht noch in weiterm Umfang als andern Völkern geläufig, die Nachkommenschaft zu bezeichnen als „ S a m e n " 1 und den einzelnen Nachkommen als „Sproß". D a s Geschlecht wird ebenso wie wohl überall gedacht als ein Baum, dessen Wurzel der Stammvater ist (Jes. I i , i). In zahlreichen alttestamentlichen Stellen werden die Großen und Mächtigen unter den Menschen als hochragende und starke Bäume dargestellt. Der gesegnete Mann wird verglichen einem an der Quelle gedeihlich wachsenden Baume. Schon oben 3 haben wir mit der Anschauung vom Welken der Frühlingsvegetation als dem Sterben eines Gottes verglichen die im Alten Testament häufig vorkommende Beobachtung der Hinfälligkeit der Blume des Grases, die in

1

In Ps. 58, 10 ist es mindestens unsicher und kaum wahrscheinlich, daß 'n

„lebendig" sich auf 1BK „Dorn" bezieht.

Wäre es der Fall, so bedeutete es doch

nur „frisch" im Gegensatz zu „verdorrt", nicht aber „in Lebenskraft stehend"; denn es ist von einem abgehauenen Dornzweig die Rede. 1

Vgl. NÖLDEKE, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. VIII, S. 164 ff.; ÜHORME

ebend. S. 552. 3 S. 139. 28*

436

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 4.

der Hitze des Tages und der Jahreszeit verdorrt; damit wird ein Bild gegeben von der Vergänglichkeit des Menschenlebens. Wie nahe es dem Hebräer lag, die Bäume nach Art belebter Wesen zu denken, zeigt noch die allerdings auf bewußter Personifikation beruhende Parabel Jotam's (Rieht. 9, 8 ff.) von den Bäumen, die sich einen König wählen (vgl. II Kön. 14,9), wie überhaupt aus jener Auffassung von den Pflanzen ihre Verwertung in der Fabel hervorgegangen sein wird. Wie bei den Hebräern hatte auch auf babylonisch-assyrischem Boden die Pflanzenfabel eine Stätte. Ein Fragment einer solchen Fabel in der Form eines Wettstreites zwischen Bäumen ist aus der Bibliothek Asurbanipal's bekannt geworden. Neuerdings hat sich konstatieren lassen, daß von den Babyloniern oder Assyrern her die Pflanzenfabel zu den Griechen gekommen ist, die sie ursprünglich nicht kannten 1 . Die in dieser Art der Fabel vorliegende Auffassung der Pflanzen oder doch der Bäume als Typen für die Menschen ist also speziell bei den Nordsemiten zu Hause. Wenn die Entwickelung der Pflanze nach Analogie des menschlichen Lebens gedacht wurde, so lag es nahe, umgekehrt auch den Menschen sich nach Analogie der Pflanze vorzustellen. In ihrem Wiederaufleben im Frühling oder nach der Dürre ließ sich ein Symbol erkennen für eine Erneuung auch des Menschenlebens. Wir finden etwas wie eine derartige Hoffnung für den Menschen bei verschiedenen Völkern verbunden mit der Beobachtung des Wiederergrünens der Pflanzen. In Athen wurde am dionysischen Frühlingsfeste der Anthesterien auch dem chthonischen Hermes und den Geistern der Verstorbenen ein Opfer dargebracht; um dieselbe Zeit feierten die Griechen anderwärts Anthesphorien der Kore mit sammeln von Blumen und winden von Kränzen. Die Unterweltsgöttin wurde dabei als wieder wie vor ihrer Entrückung von der Erde an den Blumen sich erfreuend vorgestellt. Ebenso dachte man an jenem Allerseelenfeste der Anthesterien die Seelen der Verstorbenen aus dem Hades für eine Weile zum Licht emporstrebend, indem sie, wie es scheint, mit den aus der Erde heraustreibenden Keimen und Blüten des Frühlings zusammengestellt wurden 2 . Hierher ge-

1

S . darüber D I E L S , Orientalische Fabeln in griechischem

Gewände,

Inter-

nationale Wochenschrift f. Wissenschaft, Kunst u. Technik, Jahrg. I V , 1910, Sp. 993ff.; ebend. Sp. 999 für jenes keilschriftliche Fragment eine Übersetzung von DELITZSCH und dessen Berichtigung

der ältern Angaben bei A . J E R E M I A S ,

Izdubar-Nimrod,

Eine altbabylonische Heldensage 1891, S. 28. 2

Griech.

L. PRELLER, Mythologie,

Demeter und Persephone Bd.

I*,

S. 405. 7 8 5 ;

1837,

S. 228 ff.; PRELLER-ROBERT,

WÜNSCH,

Frühlingsfest

auf

Malta,

S. 43 ff. (dessen Bestimmung des Charakters des Anthesterienfestes allerdings nicht unbeeinflußt ist durch seine Annahme einer Kombination dieses Festes mit dem ver-

D a s Leben der Pflanze. hört

auch

die w e i t bei

verschiedenen Völkern

daß Pflanzen aus Gräbern hervorwachsen1. den W u n s c h Regen

daß

die G r ä b e r

erfrischt w e r d e n , denken

das Wasser auch

ausdrücken,

an

hier wie

das

Grün,

dabei

in a n d e r n F ä l l e n das

auf

dem

437 verbreitete

Anschauung,

A r a b i s c h e D i c h t e r 2 , die ihrer L i e b e n

mit

vielleicht an eine R e i n i g u n g , bewirken solle,

Grabe

wachsen

die

aber doch

werde;

ihnen d a n n wahrscheinlich d a s Bild eines Fortlebens der

oft

reichlichem wohl

dieses

ist

Verstorbenen

D e u t l i c h e r ist d i e B e d e u t u n g d e r g r ü n e n F a r b e in d e m d e m

Muhammed

z u g e s c h r i e b e n e n W o r t e , d a ß die S e e l e n der im K a m p f e für den

Glauben

meintlichen Adonisfest auf Malta). Vgl. noch ZELLER, Die Philosophie der Griechen, T l . I, 15, 1892, S. 57 f., A n m k g . 6. D a ß der N a m e der äv0ecrripta mit ävöoc „Blüte" zusammenhängt, ist nicht sicher.

Eines Zusammenhangs des griechischen

Aller-

seelenfestes mit dem Sprossen der Vegetation ist nicht gedacht bei ROHDE, Psyche, Bd. 13, S. 235 ff. 1

Literatur darüber bei HEPDING, Attis, S. 119, Anmkg. 4.

2

D i e arabischen Anschauungen nach NÖLDEKE, Artikel „Arabs" in Hastings'

E n c y c l o p a e d i a of religion, Bd. I, S. 672. 3 Die wie es scheint, bei den Arabern sehr alte Sitte, Wasser auf das Grab auszugießen, erklärt als eine Abwehr gegen Dämonen GOLDZIHER, Archiv f. Religionswissenschaft, Bd. X I I I , S. 43 ff., wo aber S. 45 auch für den Gedanken des „Tränkens und Labens der lechzenden Gebeine" B e l e g e aus der arabischen Literatur angeführt werden. In dieser Ausdrucksweise werden die im Grabe ruhenden Gebeine wie Pflanzen vorgestellt, d. h. als identisch mit den wie die Pflanzen durstenden Totengeistern.

Ich muß gestehn, daß ich überhaupt von der Beziehung des über

das

Grab ausgegossenen Wassers auf die abzuwehrenden Dämonen noch nicht so ganz überzeugt bin. D i e von GOLDZIHER mitgeteilten Aussagen der A r a b e r weisen jedenfalls nicht direkt darauf hin, wohl aber darauf, daß das Wasser die Vegetation über dem Grabe fördere.

B e i den Babyloniern ist, worauf mich Professor KÜCHLER auf-

merksam macht, ausgießen von Wasser auf dem Grab ein wesentlicher Teil der dem Toten schuldigen Pietät (s. DELITZSCH, Handwörterbuch, S. 479 s. v. npJ).

Die Be-

urteilung dieser Leistung macht den Eindruck, daß das Wasser als dem Toten direkt erfreulich gedacht wird, d. h. daß es ihn tränken, nicht den, daß es ihn oder sein Grab von einem Dämon befreien soll.

Auch sonst ist mir die Ursprünglichkeit der

Beziehung der verschiedenen Manipulationen mit Wasser auf eine Abwehr der Dämonen zweifelhaft.

Allerdings kommt es auf islamischem Boden vor, daß ein Ster-

bender mit Wasser beträufelt oder ein Toter und seine U m g e b u n g damit besprengt wird (GOLDZIHER S. 39 ff.). W i e mir scheint, ist aber auch hier nicht überall an eine Abwehr der Dämonen zu denken, bei dem Sterbenden und so auch bei anderer Verwendung des Wassers eher wieder an seine belebende Wirkung.

Daneben ist

das Wasser überall ein Reinigungsmittel und wird in alttestamentlichen und andern Riten vielfach auch da angewendet, wo es sich um irgendwelche Beseitigung einer nicht physischen Verunreinigung handelt.

Insofern diese in bestimmten Fällen als

von Dämonen veranlaßt angesehen wird, schützt diese Reinigung gegen sie. dies scheint mir überall eine sekundäre Vorstellung zu sein.

Aber

438

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 4.

Gefallenen im Magen von Vögeln des Paradieses aufbewahrt werden, die von grüner Farbe sind. Das Pflanzengrün und davon überhaupt die grüne Farbe sind Bild des Lebens. Deshalb repräsentiert die Pflanze in ihrem ganzen Dasein die Lebenskraft. In der alttestamentlichen Paradiesesgeschichte verleiht ein Baum durch den Genuß seiner Frucht die Gabe ewigen Lebens. Dieser Baum wird ein außeralttestamentliches Vorbild haben. Bei den Babyloniern kommt die Vorstellung von einem Lebensbaum oder von Lebensbäumen vor 1 . Vielleicht gehört hierher der auf den Abbildungen sehr oft dargestellte heilige Baum der Babylonier, obgleich sich von ihm, so viel ich sehe, nicht bestimmt nachweisen läßt, daß er Lebenszeichen war 2 . Unverkennbar dagegen waren dies, aber kaum mit einem Hinweis auf die Fortdauer des Lebens sondern wohl allein auf die Lebensentstehung, die heiligen Bäume der kanaanäischen Aschera; wir haben uns diese Göttin wie die Astarte als Lebensspenderin vorzustellen. Entweder von den heiligen Bäumen, den ihr geweihten Äscheren, hatte sie den Namen, oder auch umgekehrt die Bäume trugen den Namen der Göttin. Mit diesen Beobachtungen über allgemein antike und speziell alttestamentliche Auffassung vom Wesen der Pflanze soll in unserm Zusammenhang nicht die Vermutung ausgesprochen sein, daß die Vertreter der alttestamentlichen Religion aus ihrer eigenen Anschauung von der Pflanze heraus die Vorstellung der Auferstehung gebildet hätten. D a s ist wenig wahrscheinlich, am wenigsten, daß die Propheten, bei welchen wir dem Auferstehungsgedanken begegnet sind, ihn auf diesem W e g e gefunden hätten. W a s die alttestamentlichen Propheten von sich aus geben, beruht auf einer innerlichen Gottesgemeinschaft und einer von da ausgehenden Beurteilung der Geschichte ihres Volkes, weniger auf einer Versenkung in Naturvorgänge und auf deren Deutung. Anzunehmen aber ist, daß den alttestamentlichen „Theologen" das Verständnis nicht abging für eine ihnen etwa von auswärts zukommende oder möglicherweise in althebräischem Volksglauben wurzelnde Anschauung, die im Verwelken und Wiederaufblühen der Pflanzen das Sterben und A u f erstehn eines Lebens erblickte. E s bedurfte zu diesem Verständnis nicht der Vorstellung der einzelnen Pflanze als eines lebenden Wesens, die sich, wie wir zu sehen glaubten, im Alten Testament nicht bestimmt nachweisen läßt, wohl aber der Vorstellung von einem Leben, das sich in der gesamten Pflanzenwelt offenbare. A l s bei den Israeliten der Gedanke an eine Auferstehung ihres Volkes aufkam, ist ihnen schwerlich 1

S. oben S. 103, Anmkg. 4; S. 104, Anmkg. I; vgl. S. 257 f.

2

Das „Lebenskraut" der Babylonier (vgl. oben S. 258) gehört wohl nicht hier-

her, wenigstens nicht direkt; denn — so viel ich sehe — stellt es nicht in sich die Lebenskraft dar, sondern es bewirkt Leben in der Weise wie Medizin Heilung bringt.

H e r k u n f t des alttestamentlichen A u f e r s t e h u n g s g e d a n k e n s .

439

der Glaube an eine Auferstehung in der Natur bekannt gewesen in der primitiven Form des Glaubens an das Wiederaufleben einer einzelnen Pflanze als eines göttlichen Wesens sondern eher in der entwickeitern Gestalt des Glaubens an eine Auferstehung der Vegetation überhaupt.

5. Herkunft des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens. Welche spezielle Naturreligion es gewesen wäre, aus der das A l t e Testament die Anschauung der Erneuerung der Vegetation als einer Auferstehung entnommen hätte, ist nicht von vornherein mit Bestimmtheit zu beantworten. Die A n g a b e des dritten T a g e s in der Schrift Hosea (c. 6, 2) schien uns auf einen Kult zu verweisen, in welchem am Ende einer dreitägigen Frist die Auferstehung des gestorbenen Gottes gefeiert wurde. A b e r diese Kombination ist in verschiedenen Beziehungen unsicher. Wir werden unabhängig von ihr die Antwort auf die F r a g e nach dem Woher des alttestamentlichen Gedankens der Auferstehung aus dem T o d e zu beantworten haben. Daß diesem Gedanken Rudimente althebräischer Religion zugrunde liegen, ist wenig wahrscheinlich. Uberlebsel einer solchen Anschauung als einer althebräischen sind im Alten Testament nicht zu erkennen. Und auch deshalb ist anzunehmen, daß der alttestamentliche Auferstehungsgedanke aus einer andern Religion entlehnt ist, weil er zunächst nur im Bilde verwertet wird und zugleich — deutlich wenigstens bei Ezechiel — die Anschauung besteht, daß diesem kein realer V o r g a n g entspricht. Hätten wir es mit einem Rest aus althebräischer Naturreligion zu tun, so würde das, was einmal realistisch gemeint gewesen war, wahrscheinlich in einer andern Form auch fernerhin realistisch verstanden, jedenfalls nicht nur negiert worden sein. Die gesamte ältere israelitische A n schauung bis über das Exil hinaus schließt aber den Glauben an eine leibliche Auferstehung innerhalb der Menschheit geradezu aus. Ferner ist die in den Prophetenschriften vorliegende Anwendung des A u f erstehungsgedankens auf eine Wiederherstellung des Volkes nicht die Umbildung einer mythologischen Vorstellung sondern nur etwa übertragene Verwertung dieser Vorstellung als einer feststehenden. Damit scheint sie charakterisiert zu sein als für die Hebräer zwar verständlich, aber nicht lebendig, also wohl als aus der Fremde gekommen. Zunächst wäre es dann naheliegend, an einen Zusammenhang des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens mit Vorstellungen des Osiriskultus und -Mythos zu denken. Gerade dann würde am ehesten der dritte T a g in Hosea c. 6, 2 zu seinem Rechte kommen können. Bei den Ä g y p t e r n gehört die Erwartung einer körperlichen Wiederherstellung nach dem T o d e hohem Altertum an; sie hängt zusammen mit uralten Bestattungssitten. A b e r der Herleitung des alttestamentlichen Auf-

440

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 5.

erstehungsgedankens aus Ägypten steht eine sehr bestimmte Differenz entgegen. In dem Auferstehungsglauben, wie ihn spätere alttestamentliche Aussagen bezeugen, handelt es sich um eine Auferstehung zu irdischem Leben. Die nach dem Buche Daniel aus dem Erdenstaub zu ewigem Leben Auferwachenden (c. 12, 2) sollen an der Herrlichkeit des messianischen Reiches teilnehmen, und dieses ist ein irdisches. In der Apokalypse des Buches Jesaja (c. 26, 19) gebiert die Erde die Schatten, d. h. sie gehn aus der Erde hervor, und es wird nicht erwähnt, daß sie nicht darauf blieben. Auch im Bilde bei Ezechiel (c. 37) werden die Leichengebeine in dem Tale, das natürlich auf der Erde zu suchen ist, mit neuem Fleische bekleidet. Dagegen handelt es sich im Osirismythos nicht um eine Auferstehung zu irdischem Leben. Osiris lebt allerdings wieder auf und zwar im Besitz seiner frühern Körperlichkeit; auch gab es Gräber des Osiris, aus denen er nach der Wiederbelebung in den Tempel einziehend gedacht wurde 1 . Aber er wird in der ältesten Form des Mythos nach der Wiederbelebung aus einem König der Menschen ein König der Toten und herrscht in dieser Eigenschaft sei es im unterirdischen Totenreich sei es im Himmel 2 . Auch der Fromme, der den Osiris verehrt, lebt nach altägyptischer Anschauung wieder auf im Besitz seines Körpers; aber er muß fort von der Erde, steigt in dem neuen Leben zum Himmel empor 3 . Wenn man sich dagegen das Wiederaufleben des phönizischen Adonis ausmalen darf, so handelt es sich bei ihm als dem Vegetationsgott, wie im israelitischen Auferstehungsgedanken, um ein Wiederauftreten zu bleibendem Verweilen auf der Erde: mit jedem Frühjahr wird die Vegetation wieder neu auf der Erde; sie steigt aus deren Schöße, der Unterwelt, zur Oberfläche hervor — mythologisch ausgedrückt: der Vegetationsgott kehrt aus dem Totenreich zurück in das irdische Land der Lebendigen. Diese Vorstellungsweise steht dem alttestamentlichen Auferstehungsgedanken näher als die ägyptische. 1

Vgl. oben S. 408, Anmkg. 2.

2

ERMAN, Die ägyptische Religion 2 , S . 40ff.

•3 Ebend. S. 1 1 1 ff. Eine unter den verschiedenen ägyptischen Anschauungsweisen von der Wiederbelebung

des Toten scheint sie allerdings ebenso wie die

jüdische Auffassung zu denken als ein „ E r w a c h e n des in die Gruft gesenkten irdischen Körpers" (WLEDEMANN, Die Toten und ihre Reiche im Glauben der alten Ä g y p t e r 3, 1 9 1 0 , S . ig f.), also als eine irdische Auferstehung.

Die Verschiedenheit aber be-

steht, soviel ich sehe, überall, daß die grundlegende alttestamentliche Anschauung von einer endzeitlichen Wiederkehr der Toten zu einer Erneuung des frühern Lebens auf der E r d e in Ä g y p t e n fehlt. ein anderes Reich.

Die Toten erwachen hier, um hinüberzugehn in

E s ist kaum anzunehmen, daß sich aus einer Entlehnung des

ägyptischen Wiederbelebungsgcdankens jene verschiedenartige alttestamentliche E r wartung entwickelt hätte.

Herkunft des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens.

441

Der Mythos der Wiederbelebung des Osiris ist allerdings in später Zeit deutlich zusammengestellt worden mit dem Erwachen der Vegetation. Das ergibt sich aus jener Darstellung, die das Getreide aus seinem Leichnam herauswachsen läßt 1 . Vielleicht war dies in der T a t die ursprüngliche Bedeutung seines Erstehns zu neuem Leben, dann nämlich, wenn Osiris wirklich, wie sich vermuten läßt, in frühester Zeit als ein Baum gedacht wurde 2 . War aber dies die älteste Meinung vom Wiederaufleben des Osiris, so war sie damals, als in Israel zuerst der Auferstehungsgedanke auftauchte, bei Ezechiel oder auch bei Hosea, schon seit sehr langer Zeit zurückgetreten hinter jener andern Auffassung, die an das Erwachen des Gottes zu einem jenseitigen Leben dachte. Jene späten Darstellungen des Wiederbelebtwerdens in der Form sprossender Pflanzen sind schwerlich zu beurteilen als mit Bewußtsein konservierte Überreste einer ältesten Auffassungsweise vor der Ausbildung des Osirismythos und wollen vielleicht nur besagen, daß der Gott nach Analogie der Pflanze zu einem neuen Leben erwache. In der komplizierten Vorstellung von Osiris mag der Gedanke eines jenseitigen Fortlebens aus andern Voraussetzungen heraus entstanden sein als die Anschauung von der Wiederkehr des Adonis. Jedenfalls bildet der alttestamentliche Auferstehungsgedanke eine genauere Parallele zu dem Mythos des Adonis — und damit gewiß auch zu einem analogen des Esmun — als zu dem des Osiris nach der Auffassung von ihm, die uns in direkten Aussagen vorliegt und schon zur Zeit der alttestamentlichen Propheten bestanden hat. Sehr wohl möglich, aber kaum nachzuweisen ist, daß die ägyptischen Vorstellungen vom Wiederaufleben aus dem Tode das Judentum in der weitern Entwickelung des Auferstehungsgedankens beeinflußt haben. Ebenso haben wir es bei den Wechselwirkungen, die zwischen dem Kultus von Byblos und dem Osiriskult bestanden, nicht unmöglich gefunden, daß die Feier — nicht der Gedanke — der Wiederbelebung aus dem Osiriskult in den des Adonis hinübergenommen wurde. Es könnte dies schon sehr frühzeitig der Fall gewesen sein 3 . So könnte wohl durch Vermittelung des etwa ägyptisch beeinflußten Adonisdienstes, schwerlich aber durch direkte Herübernahme aus Ägypten, der alttestamentliche Auferstehungsgedanke schon in seiner Entstehung mit ägyptischem Glauben zusammenhängen. Als Resultat scheint sich zu ergeben, daß der alttestamentliche Gedanke der Totenauferstehung seiner Form nach in derselben Naturanschauung wurzelt, die bei den Phöniziern die Vorstellung von einem wiederauflebenden Gott erzeugt hat, am deutlichsten in dem Mythos

1

S. oben S. 191.

2

S. oben S. 174 t

3 S. oben S. 135 f.; vgl. S. 408, Anmkg. 2.

442

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 5.

des Adonis. Ob man dabei gerade an ihn oder Esmun für die alttestamentliche Anknüpfung zu denken hätte, ist nicht von vornherein deutlich. E s könnte etwa scheinen, daß in Hos. 6, 2 eine Anspielung vorliege an das Auferstehungsfest, das dem Melkart von Tyrus gefeiert wurde. Für ihn ist eine Feier seines „Auferwachens" früher bezeugt als für Adonis. Dafür allerdings, daß im Melkartkult die Feier des Auferwachens auf den dritten T a g nach einer Todesfeier gefallen wäre, haben wir keinerlei auch nur indirekte Hinweisung. Auch für den Adonis können wir diesen Termin der Auferstehungsfeier höchstens vermuten. Trotzdem ist für den alttestamentlichen Auferstehungsgedanken mit mehr Wahrscheinlichkeit als an einen Zusammenhang mit dem Melkartkult an eine Herkunft aus dem Adonis- oder dem Esmunkult zu denken, weil die Auferstehung des Volkes und nachmals des einzelnen Menschen in der alttestamentlichen Vorstellung von einem Heraufsteigen aus dem Grab eher, wie wir zu sehen glaubten, gedacht ist nach Analogie der wiedererstehenden Vegetation, die aus dem Schöße der Erde hervortreibt, als nach Analogie der wiederkehrenden oder ihren Lauf neu aufnehmenden Sonne. Schon zur Zeit Hosea's ist aber Melkart kaum mehr — was wir als das Ursprüngliche vermutet haben — auch seinerseits als Vegetationsgott sondern seit lange, wenigstens vorwiegend, als Sonnengott angesehen worden 1 . Aus eben dem Grunde, den wir gegen eine Herleitung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens aus dem Melkartkult geltend machen, scheint auch eine direkte Ableitung aus dem babylonischen Mardukkult ausgeschlossen zu sein. Davon und von der Möglichkeit der Herleitung aus dem Tammuzkult wird besser am Schluß dieser Darstellung geredet werden. Vielleicht ist mehr als eine Ideenassociation darin zu erkennen, daß in der Schrift Hosea c. 6, I ff. unmittelbar nach der Schilderung der Heilung, Wiederbelebung und Auferstehung des Volkes Jahwe, der dies bewirken wird, nicht nur unter dem Bilde des aufsteigenden Morgengrauens sondern auch des das Land erquickenden Regens dargestellt wird, speziell des Spätregens (v. 3), der im März oder April fällt. Das ist die Frühlingszeit, wo die Natur aufersteht, wo die Phönizier den Gott des Naturlebens aus dem Totenreich wiederkehrend dachten. Wenn Jesaja, wie wir nach dem Vorgang anderer wahrscheinlich gefunden haben 2 , die Sitte der Adonisgärten kannte, so könnte wohl auch Hosea von der Feier der Wiederbelebung des Gottes Kunde gehabt haben. Freilich stände die Vorstellung von der Auferstehung des Gottes am dritten T a g e nicht in Übereinstimmung mit der andern, die wir fiir den Adonis glaubten voraussetzen zu müssen, daß nämlich der Gott im 1

Vgl. oben S. 25. 33.

2

Oben S. 87 ff.

Herkunft des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens.

443

Hochsommer in das Totenreich hinabsteigt und von dort erst mit jedem neuen Frühjahr wiederkehrt. Hier liegt mehr als ein halbes Jahr zwischen dem Todes- und dem Auferstehungstage. Eben diese Differenz besteht aber, ganz abgesehen von der Annahme der drei Tage, unter allen Umständen zwischen dem Mythos und der in der Schrift „De Syria dea" berichteten Auferstehungsfeier, die unmittelbar auf die Todesfeier folgte. Im Kultus ist nebeneinander gerückt was im Mythos auseinanderfiel 1 . Die Darstellung in Hos. 6, 2, wenn sie auf den Adonis anspielt, hält sich an den Kultbrauch 2 . Wir dürfen und müssen aber annehmen, daß die Vorstellung einer Auferstehung aus dem Tode, wenn sie bei den Israeliten von auswärts entlehnt war, in einer fortlebenden althebräischen Anschauungsweise eine Anknüpfung fand, die ihr Verständnis ermöglichte. Ich wüßte nicht, wo anders die Anknüpfung zu suchen wäre als in der bei den verschiedensten Völkern und, wie es scheint, auch bei den Hebräern und andern Semiten aus uralter Zeit stammenden Vorstellung von der gebärenden und wiedergebärenden Kraft der „Mutter Erde" 3. Als eine vergeistigte Form dieser alten Vorstellung scheint aufgefaßt werden zu dürfen der Gedanke, welcher der spezifisch alttestam entlichen Religion — man darf in diesem Falle sagen: alttestamentlichen Theologie — angehört, von dem sich immer erneuenden Kreislauf der Aussendung der göttlichen Ruach, d. i. des Lebensodems, seiner Rückkehr zu Gott und der Aussendung neuen Odems (Ps. 104, 29 f.). Diese an Pantheismus streifende Anschauungsweise späterer alttestamentlicher Zeit von dem Verhältnis der göttlichen Ruach zu dem Leben der Welt ist ein heterogenes Moment neben der allgemeinen Entwickelung der alttestamentlichen Gottesidee, die mehr und mehr zu einer scharfen Trennung von Gott und Welt hinstrebt. Woher immer jene Vorstellung stammen mag 4 — die mit ihr einigermaßen künstlich verbundene Anschauung von dem Kreislauf ist ihr im Grunde widerstrebend. Die kosmische Ruach, die der Vorstellung von der göttlichen zugrunde liegt, d. i. der Wind oder Hauch, setzt kein Anderes aus sich heraus und zieht es noch weniger in sich zurück. Die Vorstellung von der Kreislaufbewegung der göttlichen Ruach als des Lebensprinzips im Menschen und in der Natur scheint gebildet zu sein nach Analogie der Erde, die die Pflanzen gebiert, den Samen wieder in sich aufnimmt und dann neue Pflanzen hervorbringt. Jene Bildung auf Grund dieser Beobachtung würde auf ein Fortleben der alten Auffassung der Erde als der gebärenden deuten. Wenn bei den Hebräern und vielleicht noch im nachexilischen Judentum — wofür sich einzelne Spuren geltend machen lassen — 1

V g l . oben S. 136 f.

3 Vgl. oben S. 19 f.

2

Vgl. oben S. 4 1 5 , Anmkg. 3.

4

V g l . darüber unten 4. Teil, III, 4.

444

Vierter T e i l : A d o n i s u. E s m u n u. die alttestamentliche Religion II, 5.

die spezielle Anschauung nicht ganz verloren gegangen war, daß die Erde auch der Menschen Mutter sei, so lag es nahe, nach Analogie des Lebens der aus der Erde erzeugten Pflanze auch für den Menschen dem Geborenwerden ein Wiedergeborenwerden gegenüberzustellen 1 . In der Tat schildert die spät nachexilische Apokalypse im Buche Jesaja (c. 26,19) die Auferstehung mit den Worten: „die Erde gebiert Schatten". Der Glaube an ein Wiedergeborenwerden der einzelnen Menschen hat sich bei den Israeliten aus der alten Anschauungsweise nicht sofort gebildet und überhaupt nicht direkt hieraus entwickelt. Dieser Auferstehungsglaube tritt, unter Vermittelung, wie es scheint, jener außerisraelitischen Kultbräuche und ihrer zunächst bildlichen Verwertung, erst in später Zeit hervor, als die Vertiefung des religiösen Lebens nach einer Fortdauer des Menschen über den Tod hinaus verlangte und die Vorstellung von einem irdischen Reiche der Vollendung es forderte, sich diese Fortdauer zu denken in der Form einer Wiederkehr in das irdische Leben. Auch für die späte Zeit, in der dieser Glaube auf jüdischem Boden aufkam, wäre seine Entstehung kaum verständlich, wenn er nicht seine Wurzeln hätte in einer altvolkstümlichen Vorstellungsweise. Dafür, daß diese auf dem von uns geltend gemachten Gebiet zu suchen ist, ist ein deutliches Zeichen die Unmöglichkeit, für jene Hoffnung eine andere deutliche Ausdrucksform in der Sprache zu finden als die, welche entlehnt ist von der wiedersprossenden Saat (I Korinth. 1 5 , 3 6 f r . 2 ) . Eben die alte Anschauung von der Erde als der gebärenden und wieder1

Z u der Kombination des Menschenlebens mit dem Naturleben als einer all-

gemein verbreiteten vgl. W U N D T , Völkerpsychologie, B d . II, 3, 1909, S . 645 f., der aber von einem „ F o r t l e b e n der S e e l e " und nicht von Auferstehung redet.

Gegen

die Kombination des Fortlebens der Seele mit dem Naturleben scheint mir überall zu gelten was ROHDE, Psyche, B d . 1 3 , S. 290 fr. bezüglich der Eleusinischen Mysterien über das Unzutreffende der „ A n a l o g i e " ausführt.

D u r c h seine Polemik gegen die

„ N a t u r s y m b o l i k " wird aber nicht getroffen die Auffassung des Naturvorgangs

als

eines Analogons zur „Palingenesie" oder Auferstehung des Menschen. 2

Nicht g e r a d e als ein Analogon

Ahuramazda's,

zur Auferstehung,

die unter seinen W e r k e n

mit

der

aber als eine Leistung

Auferstehung in Parallele ge-

stellt werden könne, wird das A u f g e h n des Samenkorns im Bundehesch angeführt ( X X X , 5,

W E S T , Pahlavi texts

translated, Bd. I ,

S. 122).

CLEMEN,

Religions-

geschichtliche Erklärung des N e u e n Testaments, S. 1 3 5 urteilt richtig, daß daraus ein Abhängigkeitsverhältnis bei Paulus nicht zu entnehmen ist.

D a diese Parallele

im Bundehesch neben vielen andern steht, ist sie hier auch kein Beweis für die Entstehung des Auferstehungsgedankens aus der

Beobachtung

am Samenkorn.

Sie

ist unter allen den andern aufgeführten Parallelen die am meisten zutreffende, paßt aber doch auf den persischen Auferstehungsglauben nicht ebensogut wie auf den jüdischen.

Herkunft des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens.

445

gebärenden scheint es den Israeliten lange vor dem Aufkommen des Glaubens an individuelle Auferstehung ermöglicht zu haben, den den Hebräern offenbar ursprünglich fremden Gedanken der Auferstehung bildlich zu verwerten, wie es in der Schrift Hosea und deutlicher noch bei Ezechiel der Fall ist. Die bildliche Verwertung hat ihrerseits der Hoffnung auf eine leibliche Auferstehung die Bahn gebrochen. Wenn wir auf unsere Entwickelung zurückblicken und zu resümieren versuchen, so sind zwei alttestamentliche Anschauungsweisen zu konstatieren, die doch wohl der Entstehung nach miteinander zusammenhängen. In der nicht oft vorkommenden Vorstellung von Jahwe als einem Gott, der aus schwerer Krankheit wie aus einem Tode herausführt, glaubten wir wiederzuerkennen die phönizische, wahrscheinlich auch babylonische Vorstellung einer Gottheit, die durch Überwindung des Todes das Leben neu schenkt. In der ältesten bildlichen Verwendung des Auferstehungsgedankens im Alten Testament meinten wir bestimmter zu sehen eine Entlehnung speziell aus dem phönizischen Glauben an einen auferstehenden Gott. Der Auferstehungsgedanke und die Vorstellung von dem heilenden, wiederbelebenden Gott stehn in Hos. 6, 1 f. nebeneinander, wie sie sich in der phönizischen Vorstellung von einem Auferstehungs- und Heilgott verbunden finden. Das legt eine gemeinsame Beeinflussung jenes Gedankens und jener Vorstellung im Alten Testament von kanaanäischer Seite nahe. Die Anschauung von Jahwe als dem heilenden ist vielleicht althebräisch, aber gewiß unter kanaanäischem Einfluß verstärkt oder im Ausdruck umgebildet worden. Die Vorstellung von Jahwe als einem Gott, der heilt wie ein Arzt, gehört der Berührung mit einem Kulturvolk an. Für speziell kanaanäischen Einfluß spricht neben der Anwendung des Ausdrucks S S I auf Jahwe die Zusammenstellung Jahwe's mit dem Schlangenbild einer anscheinend kanaanäischen Heilgottheit. Die Bezeichnung des Geheiltwerdens mit „am Leben bleiben" oder „Wiederaufleben" ist altsemitisch. Die Vorstellung des Wiederauflebens aber als einer Auferstehung wird im Alten Testament zuerst nur gelegentlich bildlich verwertet. Vielleicht, meinten wir, geschieht dies in Hos. 6, 2 auf Grund der Beobachtung eines bestimmten kanaanäischen Kultus. Ein Hinweis auf eine datierbare Zeit ist in dieser Art der Verwertung direkt nicht zu erkennen. In unserer Darstellung ist eines als gesichert anzusehen, daß nämlich in alttestamentlichen Aussagen von der Gottheit die Ausdrücke „heilen, beleben, aus der Scheol heraufführen" in einem Zusammenhang stehn. Die Stellen Ps. 30, 4. Deut. 32, 39. I Sam. 2, 6 kommen hierfür vor andern in Betracht. Nach unserer Auffassung von Hos. 6, 2 wird weiter synonym mit jenen Ausdrücken gebraucht „auferstehn lassen". Für diese Kombination der Heilung und der Auferstehung gibt es keine

446

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 5.

Parallele im persischen Auferstehungsglauben, wohl aber im Semitismus, vielleicht auf babylonischem Boden, sicherer auf phönizischem in der Gottesgestalt des Esmun. Die Beobachtung des Zusammenstimmens in den alttestamentlichen Gedanken von Krankenheilung und Auferstehung mit phönizischen oder phönizisch-babylonischen Vorstellungen bekräftigt unser Urteil 1 , daß der alttestamentliche Auferstehungsgedanke — es sei noch einmal gesagt: ganz abgesehen von dem A u f k o m m e n der Hoffnung einer persönlichen Auferstehung — nicht persischen sondern semitischen Ursprungs ist. Wir haben zu zeigen versucht, daß die Form des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens der phönizischen Anschauung von dem auferstehenden Vegetationsgott entspricht. E s wurde dabei eine babylonische Einwirkung auf die kanaanäische Vorstellung angenommen 2 . Alttestamentliche Aussagen von Jahwe wie: „er tötet und macht lebendig" schienen uns nicht außer Verbindung zu stehn mit dem babylonischen Götterprädikat „ T o t e lebendig machend". Wir dachten die Gemeinsamkeit vermittelt durch den kanaanäischen Heilgott, der babylonische Momente in sich aufgenommen habe. Demgegenüber ist noch die F r a g e aufzuwerfen, ob nicht statt dieses komplizierten Zusammenhangs eine direkte babylonische Einwirkung auf jene alttestamentlichen Aussagen und damit auf die Entstehung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens anzunehmen sei. Die hier vor andern in Betracht kommenden Aussagen können alle spät sein, Ps. 30,4 und die andern verwandten Psalmenstellen, vielleicht auch I Sam. 2, 6, nach exilisch; Deut. 32, 39 ist doch wohl deutlich aus der Zeit der chaldäischen Herrschaft. Für Hos. 6, 1 f. ist die Echtheit bestritten. Die nicht zahlreichen Stellen, die von Jahwe einfach aussagen, daß er „belebt" in dem Sinne, daß er heilt 3 , sind ihrer Zeit nach, unsicher. E s wäre also vielleicht nach der zeitlichen Stelle dieser Aussagen möglich, den in ihnen enthaltenen Gedankenzusammenhang der Einwirkung Babyloniens in der Periode des neuen Reiches zuzuschreiben, und dies könnte als das einfachere erscheinen. Dieser W e g der Herleitung hätte — da sich von der Vorstellung einer Auferstehung in der Menschheit bis jetzt keine Spur bei den Babyloniern gefunden hat* — zur Voraussetzung, daß für einen babylonischen Gott die Anschauung von seiner Auferstehung aus dem T o d e bestand. A b e r auch angenommen, daß für Marduk wirklich an eine Rückkehr aus dem T o d e geglaubt wurde — was bis jetzt zweifelhaft bleibt — , ist dieser W e g der Erklärung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens doch kaum einzuschlagen. In der alttestamentlichen Auferstehungshoffnung fanden wir die Vorstellung von einem Aufstehn 1

Oben S. 418

ff.

' Oben S. 378 fr.

3 S. oben S. 391 f.; vgl. aber S. 394f.

4

Vgl. oben S. 425.

Herkunft des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens.

447

aus dem Grab im eigentlichen Sinn als ein feststehendes und deshalb zweifellos ursprüngliches Moment. Für diese Vorstellung kann, wie wir zu sehen meinten, ein Vegetationsgott, der mit den Pflanzen aus dem Schöße der Erde zurückkehrt, Vorbild sein. Der Sonnen- oder doch Lichtgott Marduk kann es schwerlich sein. Wir haben allerdings die Vermutung ausgesprochen 1 , daß auch er einstmals ein Vegetationsgott gewesen sei. E r war es aber jedenfalls längst nicht mehr, als die Judäer mit den Babyloniern in Berührung kamen. Die Griechen (Ctesiae fragm. ed. C. Müller 29, 2 1 , S . 50; Strabo X V I , 1 , 5 , C. 738; Älian, Var. hist. 1 3 , 3) erzählen von einem Grabe (xdcpoc oder |ivfj]ua) des BeXixavct oder BfjXoc zu Babel, d. i. des Marduk, das Xerxes besichtigt oder das er zerstört habe. Wenn diese Angabe nicht nur auf einem Mißverständnis beruht, so ist das Grab natürlich eine Vergegenwärtigung des Todes des Gottes gewesen. Wie man sich sein jährliches Neu-Erscheinen vorgestellt hätte, wäre daraus nicht zu ersehen. Dachte man ihn als den Sonnen- oder auch Lichtgott, so könnte sein Wiedererscheinen nur aufgefaßt worden sein als ein Vorgang, der sich am Himmel vollzog. Jedenfalls stand er nicht auf, so wie der kanaanäische Vegetationsgott, zu neuem irdischen sondern zu himmlischem Dasein. Seine Auferstehung wäre die Wiederkehr des Gestirns oder des Lichtes zu seiner vollen Kraft 2 . Wohl aber liegt im babylonischen Tammuzkult ebenso wie im Adonisdienste die Vorstellung vor von einem Gott, der aus der Unterwelt zum Dasein auf der Erde zurückkehrt. Aber auch an Tammuz ist die Entstehung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens kaum 1

Oben S. 107 f.

2

An der Beziehung des Ausdrucks tabü auf eine „Auferstehung" des Marduk

zweifelt ZIMMERN auch noch neuerdings (Zum Streit um die „Christusmythe", S . 46). E r bezieht das „Aufstehn" auf Marduk's Erhebung „von seinem gewohnten Göttersitz im Tempel Esagil", glaubt aber allerdings (ebend. S. 48) ein „inschrifdich noch nicht ausdrücklich" zu belegendes Hinabgehn

zur

„Wiedererscheinen"

Unterwelt annehmen zu müssen.

Dies

des Marduk nach einem Wiedererscheinen

wäre,

wenigstens später, auf die „zunehmenden T a g e " , also auf den Sonnenlauf bezogen worden.

Dann läge hier die Vorstellung einer Auferstehung im eigentlichen Sinne

nicht oder doch nicht mehr vor.

Überdies ist es doch wohl noch überhaupt zweifel-

haft, ob der für das Mardukfest gebrauchte Ausdruck tabü in dieser Anwendung wirklich das „Aufstehn" im Sinne von hebräischem Dlp bezeichnet (so J E N S E N , K B . V I , 1, S. 306; vgl. dazu ZIMMERN, K A T . 3 , S. 3 7 1 ) oder nicht vielmehr im Sinne von atü,

KS1, was nach andern Anwendungen als möglich erscheint, auf den „ A u s z u g "

des Gottes, nämlich eben jenen kultischen Prozessionsakt, zu beziehen ist.

Wenn

aber tabü einen mythischen Vorgang bezeichnen sollte, könnte es vielleicht zu verstehn sein von dem „Heraustreten" der Sonne aus ihrem abnehmenden Stadium oder von ihrem „Aufstehn" aus diesem als ein Darniederliegen gedachten Zustand.

448

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion II, 5.

anzuknüpfen. In seinem Kultus scheint der Auferstehungsgedanke keine hervortretende Rolle gespielt zu haben. W o Tammuz zum ersten Mal auf palästinischem Boden bezeugt ist, bei Ezechiel, wird' allein der Klage um ihn gedacht, und jedenfalls Ezechiel hat den Auferstehungsgedanken, mit dem er sich beschäftigt, von dorther nicht empfangen. Ferner war nach allem, was wir wissen, in Tammuz die Kombination eines Auferstehungsgottes und eines Heilgottes jedenfalls nicht in dem Maße vorhanden, wie es für Esmun — ebenso allerdings wahrscheinlich auch für Marduk — anzunehmen ist. Die Kombination aber von Auferstehung und Wiederbelebung oder Heilung schien uns für die Anfänge des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens erkennbar zu sein 1 . Diese Erwägungen sind es, die uns veranlassen, von einer direkten Ableitung des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens aus Babylonien abzusehen und an kanaanäische Vermittelung zu denken 2 . Dazu kommt, daß die der Auffassung Jahwe's als eines Gottes, der „belebt", parallele Vorstellung von ihm als einem Gott, zu dessen Wesen es gehört, daß er „heilt", nach sichern Spuren, was nochmals hervorgehoben sei, einem westsemitischen Kulturvolk und nicht den Babyloniern entlehnt worden ist, also doch wohl den Kanaanäern. Dann ist die israelitische Gottesvorstellung in Berührung gekommen mit dem kanaanäischen Glauben an eine heilende Gottheit. Diese war in der Gestalt des Esmun ein auferstehender Gott. Steht mit ihm der alttestamentliche Auferstehungsgedanke in Zusammenhang, dann ist es wahrscheinlicher, daß seine Aufnahme in älterer als daß sie in späterer Zeit erfolgte, weil die Anknüpfung an kanaanäische Vorstellungen bei den Vertretern der Jahwereligion mehr und mehr hinter einer rein gegensätzlichen Stimmung zurücktrat. In der Tat scheint die Art, wie Ezechiel den Auferstehungsgedanken anwendet, eine schon bestehende Bekanntschaft mit diesem Gedanken vorauszusetzen. Ebenso scheint mit Gedanken und Ausdruck der Stelle 1

F ü r eben diese Ideenverbindung liegt in der Osirisvorstellung keinerlei An-

deutung vor. 2

Sollte wirklich der persische Auferstehungsglaube babylonische Vorstellungen

zur Voraussetzung haben, so wäre er, wie schon oben S. 4 2 1 , Anmkg. 2 als eine Möglichkeit dargestellt wurde, eine Fortbildung des babylonischen Götterprädikats „Tote lebendig machend". Ebendieses dachten wir von Einfluß auf die kanaanäische Vorstellung eines Auferstehungs- und

Heilgottes.

Die Verschiedenheit

des alt-

testamentlichen Auferstehungsglaubens von dem persischen, der eigentlich nur ein Glaube an Wiederbelebung ist (s. oben S. 420f.), würde dann darauf beruhen, daß dieser direkt hervorging aus der babylonischen Aussage von den Göttern, jener ebenfalls mit ihr zusammenhing, aber durch die Vermittelung des kanaanäischen Vegetationsgottes,

der als aus der Unterwelt wieder erstehend und zugleich als

heilend, d. h. neubelebend, angesehen wurde.

Herkunft des alttestamentlichen Auferstehungsgedankens.

449

des Buches Hosea, mit ihrer bildlichen A u s s a g e von der heilenden und auferweckenden Tätigkeit Jahwe's die Herkunft dieser Stelle von dem Propheten Hosea sehr wohl vereinbar zu sein. Der Umstand, daß hier, wenn wir den Wortlaut richtig verstanden haben, die drei Ausdrücke für die errettende Tätigkeit Gottes, heilen, beleben, auferstehnlassen, sich nebeneinander in synonymer Bedeutung finden, spricht jedenfalls dafür, daß diese Aussage zeitlich noch nicht weit entfernt ist von der Entstehung jener Ausdrücke aus einer ihnen gemeinsam zugrunde liegenden Vorstellung. Die Annahme aber, daß als diese Vorstellung anzusehen sei die eines kanaanäischen Auferstehungs- und Heilgottes, ist unabhängig von dem Urteil über die Authentie der Hosea-Stelle.

B a u d i s s i n , Adonis u. Esmua.

29

III. Jahwe der lebendige Gott. i. Die Aussagen von Jahwe als dem lebendigen Gott. Jahwe errettet aus Krankheit und T o d , bringt Auferstehung aus der als ein T o d gedachten Krankheit und zuletzt aus dem T o d e selbst. E r bekundet sich dadurch als den, der mächtig ist, Leben zu erhalten und zu erneuen. Die F r a g e ist weiter aufzuwerfen, ob mit dieser Vorstellung von der Gottheit, und dann etwa auch mit der kanaanäischen eines Auferstehungsgottes, der Herkunft nach in einem Zusammenhang steht die alttestamentliche Bezeichnung Jahwe's als lebendiger Gott. Zunächst mögen die Aussagen von Jahwe als dem lebendigen Gott registriert werden. Nur soweit es sich aus dem Zusammenhang deutlich ergibt, in welchem Sinne sie zu verstehn sind, soll dies sogleich hinzugefügt werden. In einigen alttestamentlichen Aussagen stellt die Bezeichnung Jahwe's als n«n crrfts oder "fl D ^ K ihn ausdrücklich in Gegensatz zu den Göttern der Heiden: I Sam. 17, 26. 36. II Kön. 1 9 , 4. 1 6 ( = Jes. 37, 4. 17). Jer. 1 0 , i o x . Die Götzen werden dementsprechend Jer. 16, 18. Ps. 106, 28 1

Ebenso auch in der spätem jüdischen Literatur: Bei u. Drache 5. 25 (Theodot.): 6EÒC ZCtiv und Sibyll. 3, 763 (6 Zwv); derselbe Gegensatz auch Jubil. 2 1 , 4 erkennbar {amläk hejäw, „deus vivens"), vgl. v. 3. In andern Stellen ist 6 Etliv KÜpioc (II Maklc. 7, 33) oder 6 KÜpioc ZCDv (ebend. 15, 4), 6eòc £wv (III Makk. 6, 28; amläk hejäw Jubil. 1 , 2 5 ) allgemeine Bezeichnung des wahren Gottes, ohne daß der Gegensatz direkt hervorträte. Auch im Neuen Testament, in der Paulinischen Sprache, wird ©eòe Zdiv in jener gegensätzlichen Verwendung gebraucht II Kor. 6,16. I Thess, 1, 9; vgl. Rom. 9, 26. II Kor. 3, 3. — Analog würde sein die Bezeichnung Gottes als des lebendigen im Gegensatz zu den von den Beschwörern befragten Totengeistern, wenn Jes. 8, 19 mit D^nn im Gegensatz zu D'iitìn Jahwe gemeint sein sollte (so nach älterm Vorgang KLEINERT, Theol. Studien u. Kritiken, Jahrg. L X V I I I , S. 700). Ich kann aber die Ellipse von nur sehr unwahrscheinlich finden; D"Bfnp, für sich allein von Gott gesagt, rechtfertigt diese Auslassung nicht, da tfnp allgemein verbreitete Bezeichnung des Wesens Gottes ist.

Die Aussagen von Jahwe als dam lebendigen Gott.

45 1

als Leichname oder Tote bezeichnet 1 . Ob sie dabei und auch sonst überall, wo ihnen Jahwe als der lebendige gegenübergestellt wird, gedacht sind als solche, die „nicht sehen und nicht hören und nicht essen und nicht riechen" (Deut. 4, 28. Jes. 44, 9. Ps. 115, 5 ff.; 135, 16f. Dan. 5, 23), ist nicht von vornherein deutlich. Die ursprüngliche Meinung der Gegenüberstellung wird sich erst weiterhin aus einer Feststellung der Bedeutung des Stammes ¡ITI entnehmen lassen. In andern Aussagen wird Jahwe der lebendige Gott genannt ohne ausdrückliche Hervorhebung jenes Gegensatzes, so D^n D\"it?K Deut. 5,23. Jer. 23, 36 und VJ Jos. 3, 10. Hos 2, 1. Ps. 42, 3; 84, 3. E s ist aber auch hier teilweise einigermaßen deutlich, daß die Aussage im Sinne desselben Gegensatzes gemeint ist, so etwa Hos. 2, 1. W o dieser Gegensatz sich aus dem Zusammenhang nicht ergänzen läßt, ergibt sich aus diesem nicht immer überhaupt eine bestimmte Deutung des Lebendigseins Jahwe's. In den Stellen Ps. 42, 3; 84, 3 wird Sehnsucht nach dem „lebendigen" Gott ausgesprochen; die Verfasser der beiden Psalmen möchten ihn finden können im Tempel, zu welchem der Zugang ihnen irgendwie, wahrscheinlich durch Deportation oder Verbannung, verwehrt ist. Hier scheint mit jener Gottesbezeichnung zum Ausdruck gebracht zu werden das Bewußtsein der im Kultus gewonnenen innerlichen Erfahrung von Gottes Beziehung zu dem Frommen®. Ein einziges Mal, Ps. 18, 47 = II Sam. 22, 47, findet sich das als Schwurformel häufig vorkommende m r P ' ^ nicht zwar als Aussage, aber als Wunsch oder Ausruf: „ E s lebe Jahwe!" oder „Lebendig Jahwe!" 3 . V o n Gottes Lebendigsein redet sonst noch Hio. 19, 25: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt — , n — , und als letzter wird er über dem Staube stehn". Ferner ist in dem vorliegenden T e x t e von Gen. 16, 14 in der Benennung des Brunnens mit W y 6 die Bezeichnung obgleich ein Gottesname nicht dabeisteht, zweifellos von der Gottheit zu verstehn, die sich bei diesem Brunnen offenbart hatte. Der Schwur beim lebendigen Jahwe: ffi "pS, als- den, „dessen Name gepriesen ist in Ewigkeit" (Belege bei LlDZBARSKI, Epigraphik, S. 153; Repertoire n. 719. 761, vgl. n. 720). Besonders CUMONT ist (zuletzt Religions orientales 2, S. 191 ff.) für diese Herleitung des Prädikats „aeternus" 32*

500

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion III, 4.

spricht nur scheinbar dem äGdvaTOC der Griechen. Mit dem griechischen Epitheton wird ausgedrückt, daß die Götter wie von den Leiden des Lebens so auch von dem Todesleiden frei sind. An sie tritt der Tod nicht heran. Es ist das eine Seite ihrer Auffassung als der jüeia Zujovrec. In der Vorstellung semitischer Religionen von der Überwindung des Todes durch die Gottheit liegt dagegen der Gedanke ihrer Macht über den Tod, der eben durch das Prädikat „aeternus" zum Ausdruck gebracht wird. Dies „aeternus" verdeutlichen die Worte: Was unterscheidet Götter von Menschen? Daß viele Wellen Vor jenen wandeln, Ein ewiger Strom: Uns hebt die Welle, Verschlingt die Welle, Und wir versinken.

Die Antwort ist mehr semitisch als griechisch gedacht, insofern das „vor jenen" ausdrückt, daß der Wechsel die Götter wohl berührt, daß sie ihn aber überdauern. Den griechischen Göttern kommt der „Strom" überhaupt nicht nahe. Für die semitische Auffassung der göttlichen Ewigkeit dagegen ist charakteristisch die Bezeichnung Gottes als p^RJJ im Buche Daniel — „der uralte, heilige Vater". Die Bezeichnung blickt in die Vergangenheit zurück: Gott ist der Alte, weil er immer war. Mit dieser Auffassung der Gottheit stimmt überein die Benennung des El von Byblos mit Kpovoc und des karthagischen Baal Hamman mit Kpovoc oder „Saturnus". Für die griechischen Götter gibt es keinen Wechsel der Zeiten; sie beharren in Lebensblüte. Der alttestamentliche Gott aber im Buche Daniel, und so der semitische Gott überhaupt, bleibt nicht unbeeinflußt von dem, was an ihm vorübergeht. Jener ist alt, weil es an ihm vorübergegangen ist; aber es kann ihn nicht überwältigen, er überwindet es und bleibt immer der alte. Die Götter der Phönizier und wohl auch die der Babylonier, welche als jugendlich gelten, werden eben damit als nicht in die Reihe der großen Götter gehörend aufgefaßt 1 . eingetreten. Daß in Palmyra jene Gottesbezeichnungen aus dem Judentum herübergenommen seien, ist L i d z b a r s k i , Ephemeris I, S. 257 f. anzunehmen geneigt. Übrigens bezeichnet schon in den Amarna-Briefen (ed. Winckler n. 152, Z. 6, S. 278 f.; ed. Knudtzon n. 155, Z. 6, S. 634 f.) Abimilki von Tyrus den Pharao als (ilu)Sama.s dari[ tu?n\ „ewige Sonne". B e z o l d , Amarnabriefe, London 1892, p. LXII, note 1 vergleicht den mir nicht bekannten Namen CGMGC GIAAM. Wie es mit der Ableitung des Prädikats „aeternus" stehn mag, jedenfalls ist es die Fortführung des Gedankens, den die alte semitische Gottesbezeichnung „lebendig" zum Ausdruck bringen wollte. Vgl. oben S. 178 f. 340 f. Dabei ist in Betracht zu ziehen der hier möglicherweise vorliegende kiemasiatische Einfluß, vgl. oben S. 363, Anmkg. 2; S. 369 f. 1

Entstehung der Vorstellung von dem „lebendigen Gott".

50r

Jene Bezeichnung „aeternus" ist für die orientalischen Götter aufgekommen zu einer Zeit, wo sie mit den Gestirnen, besonders mit der Sonne, zusammengestellt wurden, und bezieht sich darauf, daß diese Himmelsmächte in unveränderlicher Gleichmäßigkeit ihre Bahnen ziehen über dem Wechsel des irdischen Lebens 1 . Sie scheinen zu entschwinden und kehren mit stetiger Regelmäßigkeit wieder; immer überwindet in ihnen das Leben den Tod. A b e r die Vorstellungsweise von der Gottheit, die sich in den Prädikaten „invictus" und „aeternus" ausspricht, ist in ihren Anfängen älter als die Kombination der Götter ausschließlich mit Sonne und Sternen. Sie wird zurückreichen in die Zeiten, wo noch die Götter auch in der irdischen Natur gesucht wurden, in der die einzelnen Erscheinungen des Erdenlebens überdauernden K r a f t der Natur, die in neuen Erscheinungen hervortritt. Obgleich nicht unbedingt frei vom Todeslose, bekundeten schon diese Götter in der Vorstellung semitischer Stämme eine größere Lebensmacht als die vom Tode verschonten Götter anderer Völker. V o n jener Auffassungsweise aus ist der Gottesglaube bei semitischen Völkern im Laufe seiner Entwickelung dazu gelangt, der Gottheit Ewigkeit zuzusprechen, wie wir dies in alttestamentlichen Aussagen deutlich genug gefunden haben. Der W e g , auf dem semitische Religionen diese Auffassung erreicht haben, ist ein anderer als der, auf welchem die Griechen zu der Vorstellung von der Unsterblichkeit der Götter kamen. Bei diesen handelt es sich um ein kampfloses Beharren, bei den Semiten um eine Lebensbehauptung in Überwindung des Todes. Wenn die Auffassung von der Gottheit als der den T o d überwindenden Lebensmacht den semitischen Völkern des Altertums allgemein angehört haben m a g , so tritt sie doch ganz besonders, wie wir zu sehen glaubten, in der phönizischen Religion mit Bestimmtheit zu T a g e . Im Alten Testament wird der möglicherweise althebräische Gedanke, daß Gott „lebendig" sei, doch erst verhältnismäßig spät eigentlich religiös verwertet. Das kann darauf hinweisen, daß dies Theologumenon, wenn es nicht vielleicht von den Kanaanäern her geradezu entlehnt wurde, doch erst durch die Berührung mit ihnen größere Bedeutung erlangte, zunächst wohl in volkstümlicher Vorstellungsweise. Haben wir richtig gesehen, so bringt auch die alttestamentliche Vorstellung vom Lebendigsein Gottes ursprünglich zum Ausdruck den Gedanken der Lebenskraft mit spezieller Beziehung auf die Lebensdauer. A u c h der sinaitische Personname V1"6N, wenn er als ¿ ¿ v j T aufzufassen ist, wurde gewiß verstanden in futurischem Sinne: „der am Leben bleiben möge" 2 , 1

Das hat CUMONT, Religions orientales', S. 191 ff. richtig gesehen und schön

ausgesprochen. 2

E r ist bei dieser Erkenntnis stehn geblieben.

S. oben Anmkg. 6 zu S. 467.

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die altfestamentliche Religion III, 4.

502

und eben dies wäre die Bedeutung des häufigen Personnamens Yi1, wenn er nicht als Abkürzung eines theophoren Namens anzusehen sein sollte. Zunächst als den dauernden wird die Bezeichnung Jahwe's als des lebendigen Gottes ihn den andern Göttern gegenübergestellt haben, denen seine Verehrer diese Lebensmacht nicht zusprachen. Sie nannten J a h w e so als den Gott, auf den allein sie ihre Hoffnung setzen konnten. Wohl erst die spätem haben den Gegensatz allgemein verstanden von der K r a f t der Lebensäußerung und dem Fehlen dieser K r a f t 2 . Vielleicht aus dem so gedachten Gegensatz heraus mag sich dann zuletzt herausgebildet haben jene Auffassung, die wir am deutlichsten in zwei daß Jahwe sich als den lebendigen Psalmenstellen zu finden glaubten Gott bekunde in seiner Betätigung, wie die Psalmisten dies zu erkennen scheinen auf Grund seines persönlichen Verhältnisses zu dem Frommen. Nicht dagegen schien uns die A u s s a g e , daß J a h w e ein lebendiger Gott sei, den Gedanken zum Ausdruck zu bringen, daß die Gottheit der Welt das Leben gibt. Daß es wirklich so liegt, läßt sich vielleicht verdeutlichen durch weitere Vergleichung einer alttestamentlichen Vorstellung, auf deren Verhältnis zu der des lebendigen Gottes wir schon einmal 4 hingewiesen haben, nämlich der Vorstellung von der Ruach Gottes als dem göttlichen Lebensodem in seiner Beziehung zu dem Leben der Welt. In dieser speziellen Anwendung ist im Alten Testament erst 'recht spät von der Ruach die Rede, wohl schon früher von einer nicht anthropomorphisch als Gottes Lebensodem gedachten lebensetzenden R u a c h , so in der Kosmogonie der Genesis (c. 1 , 2 ) — die auch in diesem .Detailzug auf eine ältere Vorlage zurückgehn wird — und bei Ezechiel (c. 37) in der Schilderung der Belebung der Totengebeine durch die Ruach. Bei Ezechiel zeigt das Herbeigerufenwerden der Ruach von den vier Winden der E r d e , daß die Vorstellung eine naturalistische Grundlage hat. Die Ruach ist hier und ebenso die Ruach Gottes in der Kosmogonie, wo sie über dem Urmeer schwebt, gedacht nach Analogie der kosmischen K r a f t des Windes. W o die Grundlage der Auffassung von der Ruach als dem kosmischen Lebensprinzip zu suchen ist, läßt sich schwer bestimmen. D a sie in beiden erwähnten Formen erst spät vorkommt, ist an eine althebräische Anschauung kaum zu denken und steht es offen, eine Entlehnung anzunehmen. Im Assyrisch-Babylonischen ist von dem Hauche oder speziell dem „guten" Hauche des Marduk oder auch eines andern Gottes als einer K r a f t die Rede, die sich den Menschen mitteilt und sie belebt5. A u c h die Phönizier müssen in analoger Weise einen leben1

S. oben S. 467. 468, Anmlcg. 4.

3 Oben S. 451. 453.

4

2

Vgl. oben S. 450t.

Oben S. 443; vgl. S. 460.

s ZIMMERN, K A T V , S . 526; d e r s e l b e , Z u m S t r e i t u m d i e „ C h r i s t u s m y t h e " , S. 56.

Entstehung der Vorstellung von dem „lebendigen Gott".

503

schaffenden Hauch gedacht haben. Gewiß in Zusammenhang mit jener babylonischen Vorstellung ist bei ihnen — was sich, so viel ich sehe, für die Babylonier nicht nachweisen läßt — der Hauch oder Wind als kosmogonisches Prinzip aufgefaßt worden. So viel dürfen wir aus den uns in vielfach überarbeiteter Gestalt griechisch erhaltenen phönizischen Kosmogonien entnehmen, wo kosmogonische Kräfte bezeichnet werden mit dem Namen irveupa und verwandten Benennungen, die dem semitischen n n zu entsprechen scheinen. In den verschiedenen Kosmogonien, die Philo Byblius zusammengearbeitet hat, stehn in der einen das Ttveu|ua (fr. 2, 1, S. 565) und in einer andern der KoXtria av€|ioc (fr. 2, 5, S. 565) an der Spitze der Kräfte, die die Welt erzeugen; daneben spielen noch, auf das nveufja der ersten Kosmogonie folgend, die otve^oi eine Rolle (fr. 2, 4, S. 565). Damit sind zu vergleichen 'Ar|p und Aupa in der sidonischen Kosmogonie des Eudemos bei Damascius; sie stehn in der zweiten Reihe der Kräfte des Anfangs (Damascius, De primis principiis ed. Kopp, S. 385; ed. Ruelle I, S. 323). In anderer Weise stellt die phönizische Kosmogonie des Mochos bei Damascius (a. a. O.) an den Anfang der Weltentstehung AiGrjp und 'Arip, wobei AiGnp etwa der Ruach der alttestamentlichen Kosmogonie entsprechen könnte, 'Arip eher etwa, wenn man überhaupt unterscheiden darf, die Stelle einnimmt, die dort dem freilich sehr andersartigen Tohuwabohu zugewiesen ist. Zwischen dem Paar Aiörjp und 3Ar|p und dem darauf folgenden OüXtunoc (wohl D^iy) wurden nach Mochos in einer speziellen Form der Darstellung noch eingeschaltet "Avenoc 6 eic, Aiy; und N O T O C . Uberall kommen hier Wind und Luft als die Kräfte des Uranfangs zur Geltung. Die Vorstellung von ihnen steht doch wohl in einem Verwandtschaftsverhältnis zu der von der Ruach bei Ezechiel in c. 37, deutlich jedenfalls zu der Ruach in der alttestamentlichen Kosmogonie. Ob die Phönizier sich desselben Wortes Hl! bedienten wie die Hebräer, läßt sich mit Sicherheit nicht nachweisen, ist aber kaum zu bezweifeln 1 . Die Babylonier haben dies Wort nicht und bezeichnen den göttlichen Hauch mit säru (hebr. r n ^ , rnj?D „Sturm"). Vielleicht darf in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht werden, daß in den Amarna-Briefen Ammunira von Berut und Zimriddi von Sidon den Pharao nennen „Hauch meines Lebens" sa-ri baläti-ia (ed. Winckler n. 128,2, S. 238f. usw.; n. 147,2, S. 266f. usw.; ed. Knudtzon n. 141, 2, S. 592 f. usw.; n. 144, 2, S. 600f. usw.) und daß

1

W e g e n des allgemeinen Zusammenhangs des Hebräischen und Phönizischen.

Das Wort nn ist vielleicht enthalten in dem phönizischen Personnamen n"i31« in einer Inschrift aus Memphis (CIS. 97, 2), der aufzufassen sein könnte in dem Sinne NN IJLK „longanimis" (so die Herausgeber des CIS. nach M. A. LEVY).

504

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion III, 4.

ebenso von dem „ H a u c h e " des Pharao als belebendem die Rede ist in Briefen des Abimilki von Tyrus (ed. Winckler n. 150, 22 ff.; S. 272f.; ed. Knudtzon n. 149, 22ff., S. 6i6f.) und des Iapalji von Gezer (ed. Winckler n. 206, 18 ff., S. 330 f.; ed. Knudtzon n. 297, 18 ff., S. 892f.). Damit wollen doch wohl die kanaanäischen Fürsten sagen, daß sie ihr Leben von und in dem Pharao haben. D e r Ausdruck ist eine Übertragung dessen, was von der Gottheit dem Menschen gegenüber gilt, ebenso wie die daneben stehende und in den Amarna-Briefen auch sonst häufige Bezeichnung des Pharao als „meine Sonne". Der lebenschaffende Hauch ist dabei, ebenso wie im Alten Testament schon in älterer Zeit (Gen. 2, 7) der in den Menschen eingehende O d e m (fiOBfa D^H), anthropomorphisch als Odem der Gottheit gedacht. Allerdings bleibt bei dem Hofstil jener Briefe zweifelhaft, ob Ausdruck und Vorstellung als spezifisch kanaanäisch angesehen werden d ü r f e n I m Babylonischen scheint sich die Übertragung der Vorstellung vom Lebenshauche der Götter auf einen König, überhaupt auf einen Menschen, nicht zu finden2. Die Bezeichnung des Pharao als „ S o n n e " kann aber einem ägyptischen Vorbild entsprechen, und vielleicht hat auch der Lebenshauch des Pharao — soweit ich eine Vermutung aussprechen darf, ohne sie näher begründen zu können — und etwa noch sonst die Vorstellung von dem Lebensodem bei den Phöniziern ein ägyptisches Vorbild oder ist doch unter ägyptischer Beeinflussung entstanden. V o n dem Verhältnis der Menschen zu Osiris heißt es in einem Hymnus an diesen Gott: „sie leben von deinem A t e m , sie [essen] vom Fleische deines Leibes", und in demselben Hymnus wird noch weiter von Osiris gesagt: „Du speist die Luft aus, die zwischen deiner Kehle ist, in die Nase der Menschen" Freilich handelt es sich in diesen ägyptischen Aussagen nur um ein Verhältnis des göttlichen Lebensodems zu dem des Menschen, nicht wie in den phönizischen Kosmogonien um den Hauch als Lebensprinzip der Welt. A b e r als solches wird der Hauch doch wohl deshalb gedacht, weil er im Menschen und im Tiere Lebensäußerung ist. Es ist möglich, daß die alttestamentliche Vorstellung von der lebenschaffenden Ruach kanaanäischem oder babylonischem oder auch ägyptischem Vorbild ihren Ursprung verdankt. Bei einem ägyptischen Vorbild wäre an Vermittelung durch die Kanaanäer zu denken. Baby1

V g l . in einem Briefe des Pharao den allerdings sehr unsichern Passus: „Mein

Antlitz sche[n]kt dir [Le]ben" (EI-Amarna-Tafeln ed. Knudtzon n. 99, 17, S. 448 f.), wo es sich um eine ägyptische Vorstellung zu handeln scheint. 2

Vgl. ZIMMERN, Zum Streit um die „Christusmythe", S. 56.

3 E s ist der von uns schon wiederholt zitierte Hymnus, niedergeschrieben auf einem Ostrakon zur Zeit des Ausgangs des neuen Reiches, ERMAN, Ä Z . X X X V I I I , S. 33. 32-

E n t s t e h u n g der V o r s t e l l u n g v o n d e m „ l e b e n d i g e n G o t t " .

5°5

Ionische, phönizische und ägyptische Vorstellungen stehn sich hier so nahe, daß sich für Beeinflussung der alttestamentlichen Anschauungsweise von einer bestimmten Seite im allgemeinen schwer entscheiden ließe. Die Anschauung vom göttlichen Lebensodem im Menschen kann vielleicht bei allen diesen Völkern, auch bei den Hebräern, altvolkstümlich sein. D a g e g e n m a g die Ruach der alttestamentlichen Kosmogonie und dann wohl überhaupt die Ruach als kosmisches Lebensprinzip speziell auf phönizischen Ursprung verweisen 1 . Die Ruach des Alten Testaments wird in der Kosmogonie und auch sonst nicht als das einzige Prinzip des Anfangs gedacht, wie ebensowenig in den phönizischen Kosmogonien das TtveO|na oder Ai6r|p, sondern überall nur als Ausgangspunkt des Lebens in dem, was auf Erden ist; die Erde ist nach Gen. c. i als ein Selbständiges neben der Ruach vorhanden. D e m höchsten Altertum kann auch die phönizische Vorstellung von der Entstehung des kosmischen Lebens aus dem „uveO^a" nicht angehören, da sie sich nicht zusammenschließt mit der uralten Anschauung von einer allgebärenden irdischen Gottheit; denn der Lufthauch kommt aus den überirdischen Räumen. In der alttestamentlichen Kosmogonie ist ein Rest jener ältesten Auffassungsweise darin erhalten, daß die Pflanzen, und nur noch sie, die an der Erde festgewachsen sind, ihr ganzes Dasein durch eine Hervorbringung aus dem Erdenschoß erhalten; Tier und Mensch, die sich frei bewegen, empfangen von dort nur den Stoff, nicht das Lebensprinzip, das in ihnen direkt durch den göttlichen Willensspruch entsteht 2 . A b e r nach der A u s s a g e Gen. 1 , 2 von der über der Wasserfläche des Anfangs schwebenden Ruach Gottes wäre auch in die Erde die Kraft, die die Pflanzen erzeugt, erst hineingelegt worden durch die Ruach. E s liegt hier in Bestandteilen verschiedenen Ursprungs unter der D e c k e der Darstellung von dem erschaffenden Gotteswort, welche die letzte Fassung der Kosmogonie beherrscht, eine Zusammenarbeitung vor der alten kaum noch verstandenen Anschauung von der gebärenden Erde und der spätem von

1

lichen

A u f die phönizische D a r s t e l l u n g als „ n ä c h s t e Parallele" zu der alttestamentvon

der R u a c h

als

„Urheberprinzip

des a l l g e m e i n e n , k o s m i s c h e n

m a c h t a u f m e r k s a m V O L Z , D e r G e i s t G o t t e s und

Lebens"

die v e r w a n d t e n E r s c h e i n u n g e n i m

A l t e n T e s t a m e n t 1910, S. 48. 2

An

N u r v o n d e n Pflanzen heißt es Gen. 1, 12, d a ß die E r d e sie „ h e r v o r b r a c h t e " .

der E n t s t e h u n g der L a n d t i e r e v . 24 ist allerdings mit ä h n l i c h e m A u s d r u c k

wie

v. 11 b e i den Pflanzen die E r d e beteiligt g e d a c h t , die das eine wie das andere herv o r b r i n g e n „soll".

E s heißt a b e r nicht, daß die E r d e daraufhin die T i e r e

hervor-

b r a c h t e , sondern n a c h v. 25 „ m a c h t " E l o h i m die T i e r e , was von den Pflanzen nicht g e s a g t wird.

D i e B e t e i l i g u n g der E r d e bei der E r s c h a f f u n g der L a n d t i e r e wird also

darauf b e s c h r ä n k t zu d e n k e n sein, d a ß sie aus irdischem S t o f f e g e b i l d e t werden.

506

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion III, 4.

der R u a c h als dem allgemeinen Lebensprinzip.

Es

ist dasselbe Neben-

einander zweier Auffassungsweisen, das auch bei den spätem Phöniziern bestanden zu haben scheint in der nicht aufgegebenen Vorstellung von der allgebärenden Göttin und der andern von dem „imO|aa". stellung

von

der gebärenden

Erde

mußte mit

Die V o r -

der Entwickelung

des

alttestamentlichen Monotheismus abgestreift werden; die von dem allbelebenden H a u c h e ließ sich damit vereinbaren, indem sie in Erweiterung der alten A n s c h a u u n g

von der Entstehung

des menschlichen L e b e n s -

odems aus dem H a u c h e Gottes anthropomorphisch auf die Gottheit angewendet wurde (Ps. 104, 2 9 f.) 1 . D e r Gedanke

von

dem „lebendigen" Gott kommt in der alttesta-

mentlichen K o s m o g o n i e , die doch eine Darstellung von der Entstehung des L e b e n s in der Welt ist, mit keinem W o r t e zur Geltung. wenig

wird

die Bezeichnung

Gottes

als

,

n , wie

wir zu

Ebenso-

konstatieren

glaubten, irgendwo sonst im Alten Testament angewendet, um aus dem Lebendigsein

Gottes

leiten 2 .

zeigt

Das

die Existenz doch

wohl,

des Lebendigen

daß die

in der W e l t

Vorstellung

von

dem

abzuleben-

digen Gott nicht zur Erklärung des kosmischen L e b e n s dienen konnte. Sie

konnte

es

nicht,

weil

sie

sich

nicht,

wie

die

Vorstellung

von

der R u a c h , auf eine von der Gottheit ausgehende Lebenskraft bezieht, sondern auf ihre Lebensbehauptung 3.

S i e ist im Alten Testament

auf-

Vielleicht ist es noch ein Nachklang der alten Vorstellung von der gebärenden Erde (vgl. oben S. 19 f.) und ihrer Kombination mit der lebenerzeugenden Ruach (s. oben S. 443), daß im Hebräerevangelium der Geist, die Ruach, als Mutter Christi erscheint. 1

2 Allerdings hat nach alter Anschauung der Mensch den Lebensodem von der Gottheit Gen. 2, 7. Aber Gott wird auch hier nicht als bezeichnet. E s ist auch nicht von seinem lebendigen Hauche die Rede sondern von einem Hauche des Lebens (n"n nB12>J), den er mitteilt, d. h. von einem Hauche, welcher Leben wirkt (vgl. oben S. 456 ff.). Die Vorstellung ist hier zuletzt die selbe, die wir oben S. 56 f. für die phönizische Muttergöttin zu erkennen glaubten: sie gebiert Leben, scheint aber nicht als „lebendige" bezeichnet, auch kaum im phönizisch-hebräischen Sinne des Wortes „lebendig" so gedacht worden zu sein.

3 In der manichäischen Kosmogonie allerdings wird der Demiurg bezeichnet als „der Lebendige Geist" ( J L U U jjuoi, Z Û J V TTveOna, „Spiritus Vivens", s. C U M O N T , Recherches sur le Manichéisme I, S. 20f.). Der Name könnte etwa dahin verstanden werden, daß der Geist lebendig heißt, weil er der Welt'das Leben gibt (das wäre eine Verwendung von Eiîiv wie im Johannesevangelium, vgl. oben S. 458, Anmkg. 2); aber der „Lebendige Geist" des Manichäismus gibt nicht der Welt das Leben sondern gestaltet die Welt, sodaß auch hier „lebendig" aufgefaßt werden kann in dem Sinn „am Leben bleibend, ewig" und wohl in diesem Sinn aufgefaßt werden muß, da dem „Lebendigen Geist" in der ersten Schöpfung vorangeht die „Mutter des Lebens" (a. a. O., S. 14). Von ihr stammt das Leben der Welt (vgl. oben S. 21, Anmkg.).

Entstehung der Vorstellung von dem „lebendigen Gott".

507

gekommen ohne eine Reflexion über die Entstehung des kosmischen Lebens. E s ist das nicht gerade ein Zeichen für besonders hohes Alter der Vorstellung von dem lebendigen Gott; denn jene Reflexion reicht bei Hebräern und Kanaanäern bis in älteste Zeiten zurück; schon die ganz alte Vorstellung von der gebärenden Gottheit beruht auf ihr. Wohl aber kann der Mangel jener Reflexion in der Vorstellung von dem lebendigen Gott die Entstehung dieser Vorstellung auf dem Boden der Naturreligion wahrscheinlich machen; denn für die bewußte Unterscheidung Gottes von der Natur ist ein Nachdenken über die Entstehung der Welt die Voraussetzung. Die Vorstellung von dem lebendigen Gott weist keine monotheistischen Züge auf trotz ihrer spätem Verwertung in monotheistischem Sinne. Eben dies scheint ein Recht zu geben, sie als aus der Naturreligion herübergenommen anzusehen und zwar zu einer Zeit, wo der Gottesbegriff auf israelitischem Boden eine spezifisch monotheistische Ausprägung noch nicht erhalten hatte. In ihrer ursprünglichen, im Alten Testament umgebildeten Form faßt diese Vorstellung das göttliche Leben auf als identisch mit dem kosmischen. Die Gottheit ist hier, wenn wir richtig gesehen haben, gedacht als die Kraft in der Natur, die lebendig bleibt trotz des Sterbens der einzelnen Erscheinungen. Aus der Religion der ältesten Hebräer kann diese Vorstellung schwerlich stammen. In dem erhabenen, unnahbaren und furchtbaren Gott jener Religion scheinen, obgleich auch er von der Natur nicht bestimmt unterschieden wurde, die Gegensätze des Lebens und Todes keine Stelle oder doch keine hervorragende Bedeutung gehabt zu haben. Deshalb wird für die Auffassung Gottes als des lebendigen an eine Entlehnung zu denken sein. Analogien speziell in der phönizischen Religion legten es uns nahe, auch für diese Vostellung an kanaanäischen Einfluß auf die Entwickelung der Religion der Israeliten zu denken. Die alttestamentliche Religion hat von der Vorstellung des lebendigen Gottes die naturalistische Form der Todesüberwindung abgestreift, die Vorstellung selbst aber beibehalten. Auch im Alten Testament ist Gott „lebendig" im Unterschied vom Totsein. Als die Toten, die zu Jahwe in einem Gegensatz stehn, dachte die monotheistische Religion die andern Götter. Sie dachte zugleich — und damit blieb sie noch viel enger in Zusammenhang mit der ursprünglichen Vorstellung — Gott auch als „lebendig" in dem Sinn „am Leben bleibend" mit der Hinzufügung „für immer", ntyb (Deut. 32, 40). Von hier aus können vielleicht die Bestimmungen des alttestamentlichen Kultusgesetzes, wonach in der Fülle des Lebens stehn muß, was der Gottheit dargebracht wird, und vom Kultus ausgeschlossen ist, was mit dem Tod in Berührung steht, in einzelnen Zügen eine neue Beleuchtung empfangen. Mit der uralten Vorstellung der Hebräer von

508

Vierter Teil: Adonis und Esmun u. die alttestamentliche Religion III, 4.

dem erhabenen Gott ließ sich der Gedanke der Todesüberwindung der Gottheit vereinbaren, nicht aber der in einzelnen kanaanäischen Kulten geltend gemachte ihres zeitweiligen Gestorbenseins. Dieser Gedanke wurde bei der Herübernahme der Vorstellung von einem K a m p f e der Gottheit mit dem T o d ausgeschieden und damit auch alle jene Kultbräuche abgelehnt, die auf das Sterben der Gottheit Bezug hatten. E s m a g , wenn auch gewiß nicht allein, so doch zum Teil auf diesem Prozeß der Ausscheidung beruhen, daß alles das, was zum T o d e führt oder zu dem T o d in einer Beziehung steht, im alttestamentlichen Kultusgesetz als im stärksten Grade verunreinigend gilt Damit würde, wenn wirklich die alttestamentliche Vorstellung von dem lebendigen Gott zu der phönizischen Religion in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, zusammenhängen eine Wandelung auch der Färbung oder Stimmung in der Vorstellung des lebendigen Gottes. Der phönizische Adonisdienst hat nach allem, was wir davon wissen, einen ernsten und trüben Charakter gehabt. Das Sterben des Gottes stand im Vordergrund der Anteilnahme seiner Verehrer. Der Z u g der Trauer, im Tammuz- und Adonisdienste gleichmäßig vorherrschend, unterscheidet diese Naturkulte in charakteristischer Weise von den sonst analogen Frühlings- und Erntefesten auf indogermanischem, besonders auf germanischem Boden. In diesen tritt die ernste Seite zurück. E s beruht dies darauf, daß hier mehr das Erwachen und Reifen des Naturwachstums gefeiert wird als sein Absterben. D a s Erlöschen des Naturlebens im Winter tritt auf okzidentalischem Gebiet nicht so plötzlich ein wie sein Versengtwerden durch die Sonne im Orient. D a s Wiederaufleben des Gottes ist im Tammuz- und Adonisdienste nicht eigentlich Gegenstand der Freude geworden wie in dem analogen kleinasiatischen A t tiskult sondern ist nur anzusehen als ein Trost in der Trauer. Uberhaupt ist die phönizische Religion ihrer Idee von dem Leben der Gottheit kaum froh geworden. So wenig wir von der innern Entfaltung dieser Religion wissen, so ist doch als ihr eigentümlich deutlich erkennbar ein Z u g des Ernstes und der Finsterkeit in ihren Kulten und Gottesvorstellungen auch über den Adonisdienst hinaus. Dieser Zug tritt besonders hervor in der Häufigkeit der Kinderopfer. Sie gelten, wie wir meinten, der Gottheit, die Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft spendet, aber eben damit bedrückende Leistungen des Dankes fordert. A u c h die Ausübung des Geschlechtsaktes im Kultus erscheint bei den Phöniziern nicht oder doch nicht überall unter dem Gesichtspunkt der Lust; für die Weiber, die sich ihr im Adonisdienste zu unterwerfen hatten, ist dies nach der Darstellung der Schrift „ D e Syria dea" eine ihnen auferlegte Buße. Diese Züge ernster Stimmung, denen sich noch mehr hinzufügen ließen, stehn teilweise in Zusammenhang mit der altsemitischen Auffassung von der Gottheit als erhaben und streng, haben aber

Entstehung der Vorstellung von dem „lebendigen Gott".

509

daneben auch teilweise einen dieser Auffassung nicht ganz entsprechenden elegischen Charakter und treten bei den Phöniziern in solcher Stärke und Verbreitung hervor, daß sie ihre Religion von den Religionen der verwandten Völker, die der Babylonier nicht ausgenommen, unterscheiden. Der auch dem Tammuzmythos eignende elegische Zug steht bei den Babyloniern vereinzelt da, und, mehr als wir es von dem Tammuzkult wissen, kommt in den Formen des Adonisdienstes geradezu ein Schwelgen in der Trauer zur Geltung, das in diesem Kultus den Griechen fremdartig erschien und doch eben durch seine Neuheit und zugleich Verständlichkeit die griechischen Weiber zu bestricken vermochte. Andere, mehr heitere Züge werden daneben der phönizischen Religion nicht gefehlt haben. E s ist uns unbekannt, ob nicht das Auferstehungsfest des Melkart von Tyrus als ein Freudenfest gefeiert wurde. Auch den kanaanäischen Erntefeiern hat es nach dem, was wir aus den ihnen sicher nachgebildeten israelitischen Festen entnehmen können, an Freude und Lust nicht gefehlt. Der Gott E s m u n , der die durch Krankheit dem T o d e Geweihten nach seinem Vorbild ins Leben zurückruft, wurde gewiß gedacht als ein erfreuender Gott. Aber — das scheint deutlich zu sein — nicht speziell das Fortleben der Gottheit über das Sterben hinaus ist den Phöniziern zu einem Gegenstand dauernder Freude geworden. Im Adonisdienste jedenfalls blieben sie haften an der Vorstellung des Sterbens und beklagten dieses mit jedem Jahre neu trotz der Gewißheit, daß der Gott nicht im T o d e bleibe. Im Alten Testament dagegen erweckt der Gedanke an den lebendigen Gott, der nicht, wie der wiederauflebende Gott bei den Phöniziern, auch seinerseits dem T o d unterworfen gedacht wird, nur freudige und siegesgewisse Empfindungen. Eben dieser Gedanke wird den Frommen Israels Bürgschaft dafür, daß ihr Gott sie nicht verläßt, daß er größer ist als alle vergänglichen Mächte. Der Gedanke des lebendigen Gottes, erweitert zu der Vorstellung eines sich persönlich betätigenden Gottes, gibt ihnen zuletzt die Gewißheit, daß sie mit ihrem Gott in einen Wechselverkehr zu treten vermögen wie von Person zu Person. In der Hoffnung des spätem Judentums auf eine Auferstehung des einzelnen Menschen ist eine Fortentwickelung der vielleicht altsemitischen und, wie wir zu sehen glaubten, in besonders ausgeprägter Form phönizischen Anschauung von dem Lebendigsein der Gottheit, das den T o d überwindet, zu erkennen. Die alten semitischen Religionen, deutlich wenigstens die babylonische und die phönizische, haben die Gottheit insoweit auch außerhalb ihrer selbst den T o d überwindend gedacht, als sie in Krankheitsfällen dem T o d entreißt. Mit Bezug darauf nannten die Babylonier bestimmte Götter mubalüt miti „Tote lebendig machend".

510

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion III, 4.

An eine bleibende Überwindung des Todes des Menschen dachten sie nicht, ebenso wie bei den Israeliten zunächst ein Lebendigsein der Gottheit geglaubt wurde auf Grund einer seit den Tagen der Vorzeit gemachten Beobachtung ohne bestimmte Formulierung des Gedankens der Ewigkeit der Gottheit. Wie die spätem oder spätesten Entwickelungsformen überhaupt der semitischen Religionen das Lebendigsein der Gottheit in absolutem Sinne verstanden, hat das Judentum die Wiederbelebung des Menschen durch die Gottheit nicht nur in einzelnen Krankenheilungen erkannt, sondern als ein Zurückrufen aus dem Tod aufgefaßt, das bleibende Giltigkeit hat. Vielleicht sind dabei fremde Einflüsse, von den Persern her, nicht unbeteiligt gewesen; aber die Grundlage dieser Hoffnung ist für das Judentum im Semitismus selbst zu suchen. Sie ist gegeben in der altsemitischen Auffassung von der Gottheit. Der jüdische Auferstehungsglaube ist nicht wie die griechische Unsterblichkeitshofifnung ein Resultat der Anschauung vom Wesen des Menschen — die Auffassung von der Seele kommt hier gar nicht in Betracht — sondern ein Erzeugnis des Gottesglaubens, des Glaubens an die Macht der Gottheit, die zwar vor der Allmacht des Todes nicht bewahrt, aber sie überwindet. Bei Ezechiel wird die Wiederbelebung der Totengebeine unter den Gesichtspunkt gestellt, daß Gott auch das kann, was unmöglich erscheint.

IV. Der Einfluß der Religion der Kanaanäer auf die der Israeliten. Es sind drei Vorstellungen, denen wir auf alttestamentlichem Gebiet nachgegangen sind: die Krankenheilung durch Jahwe wird als ein Wiederbeleben aus dem Tode gedacht; in der Bildersprache einzelner Prophetenschriften wird der Gedanke einer Auferstehung auf die Wiederherstellung des Volkes Israel angewendet; seit älterer Zeit ist von Jahwe als dem lebendigen Gott die Rede, und in späterer wird seine Eigenart, die ihn von den „andern Göttern" unterscheidet, ausgedrückt mit eben der Aussage, daß er ein lebendiger Gott sei. Rein althebräisch ist schwerlich eine von diesen drei Vorstellungen. Die von Jahwe als dem Krankenheiler schien uns nicht an sich, aber in der Art, wie sie im Alten Testament zum Ausdruck kommt, in einer geschichtlichen Beziehung zu stehn zu babylonischen Aussagen von der heilenden Gottheit, deren Kenntnis den Hebräern, wie wir annahmen, durch die Kanaanäer übermittelt wurde. Diese alttestamentliche Vorstellung wird danach nicht der vorkanaanäischen Zeit der Hebräer angehören. Nicht ebenso deutlich sind die beiden andern als unter kanaanäischem Einfluß ausgebildet zu erkennen. Den Auferstehungsgedanken glaubten wir aus der Auffassung des Wiederauflebens in der Natur als eines Vorgangs im Leben der Gottheit ableiten zu sollen. Den Gedanken, daß Jahwe ein lebendiger Gott ist, dachten wir gleichfalls zurückgehend auf den Glauben an die in der Natur wirksame oder waltende Gottheit, die den Wechsel der Erscheinungen überdauert. Die Beobachtung des wiedererwachenden oder beharrenden Lebens in der Natur konnten die Hebräer schon als Nomaden und Wüstenbewohner machen, wie sie in allen Stadien der Kultur und in allen Ländern gemacht werden kann. Es ist aber doch auffallend, daß teilnehmende Versenkung in das Wiederaufleben der Natur und die Vorstellung des in dem Wechsel von Leben und Tod beharrenden Daseins der Gottheit allem Anschein nach die Phönizier in besonderm Grade beschäftigt hat. Wir dürfen ein Vorwiegen dieser Naturbetrachtung bei ihnen

512

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion I V .

entnehmen aus der Art ihres Adonisdienstes und ihrer Vorstellung von dem Gott Melkart. Das hängt, wie wir schon ausgesprochen haben 1 , zusammen mit den Verhältnissen des Landes, in welchem sich die Phönizier niedergelassen hatten, vielleicht auch mit einer Einwirkung, die von kleinasiatischem Kultus ausgegangen sein könnte 2 . Bei den Phöniziern hat sich nun, wie wir in der Entwickelung der Bedeutung des Esmun darzustellen versuchten, die Vorstellung von einem Gott, der aus dem Tode zu neuem Leben ersteht, ausgebildet zu der Anschauung von diesem Gott als einem Heilgott, der aus dem Tode zum Leben, nämlich aus der Krankheit zur Gesundheit, führt. Eben dieser Auffassung entspricht die von Jahwe als dem heilenden. Deshalb ist es wahrscheinlich, daß alle drei von uns behandelten alttestamentlichen Anschauungen durch die Anschauungsweise, die den Hebräern auf kanaanäischem Boden vertraut geworden war, wenn auch nicht als etwas absolut Neues erzeugt, so doch zur Entwickelung getrieben worden sind. Ob die in Kanaan vorgefundene Auffassungsweise, von der hier gehandelt wurde, in ihren Einzelheiten von Hause aus phönizisch war, bleibt, auch abgesehen von der Möglichkeit eines kleinasiatischen Einflusses, ungewiß. Jene Auffassungsweise hat jedenfalls, auch über eine allgemein semitische Grundlage hinaus, in mehr als einem Punkte — nicht in allen — Berührung mit Babylonischem. Bei den Babyloniern hat der Gedanke eines Wechsels von Leben und Tod in der Gottheit nicht gefehlt. Aber auch wenn alle Gemeinsamkeiten in diesem Anschauungskreis aus einer Abhängigkeit der Phönizier von den Babyloniern zu erklären sein sollten, nehmen doch die hier besprochenen Vorstellungen in der phönizischen Religion eine andere Stelle ein als in der babylonischen, weil sie, um dies noch einmal auszusprechen, in der babylonischen Religion in ihrer Bedeutsamkeit abgeschwächt werden durch andersartige Auffassungsweisen, die daneben bestehn. Deshalb dürfen jene Vorstellungen in ihrem Zusammenhang untereinander und in ihrem Werte für die religiöse Gesamtanschauung als spezifisch phönizisch angesehen werden und kann hier von einem Verhältnis der alttestamentlichen Religion speziell zu der phönizischen die Rede sein. In dem Versuch dieser Darstellung von Beziehungen zwischen der kanaanäischen Naturreligion und alttestamentlichen Vorstellungen kann das Problematische der Einzelheiten niemand mehr bewußt sein als dem Verfasser. Daß in der Geltendmachung der Idee des Lebens allgemeine Zusammenhänge vorliegen, scheint mir aber deutlich zu sein. Dieser Eindruck behauptet sich unabhängig von dem Stehn oder Fallen des Nachweises eines Zusammenhangs in den einzelnen Punkten. 1

Oben S . 63 f.

a

Vgl. oben S. 369 f.

Der Einfluß der Religion der Kanaanäer auf die der Israeliten.

513

In irgendwelcher Weise wird hier, wie ich es erstrebt habe, ein Doppeltes zu erreichen sein: eine Deutung alttestamentlicher Vorstellungen in ihrer Entstehung aus kanaanäischem Anschauungskreis und ebenso umgekehrt eine Deutung der kanaanäischen Anschauung aus den alttestamentlichen Fortbildungen. Neben den alttestamentlichen Anschauungen, die sich, wie wir es für ein bestimmtes eng abgegrenztes Gebiet darzustellen versucht haben, mit kanaanäischen in einer solchen Weise berühren, daß sie in der uns vorliegenden Form von ihnen abhängig zu sein scheinen, stehn andere, bei denen dies nicht der Fall ist. Die Möglichkeit der Rekonstruktion einer ältesten Form oder auch ältester Formen der Religion bei den Hebräern gründet sich auf die Ausscheidung jener Elemente aus diesen. Wenn man diese Scheidung zu vollziehen sucht, was erst sehr allmählich auf Grund von Einzeluntersuchungen geschehen kann, wird sich, so viel ich sehe, immer mehr herausstellen, daß die alttestamentliche Entwickelung der Religion Israels, wie sie sich in der Predigt der Propheten vollzieht, die ältesten Religionsformen der Hebräer vor ihrer Berührung mit den Kanaanäern zum Ausgangspunkt und Fundament hat. Was wir in unserer Darstellung besprochen haben, sind Seitenlinien, die neben der Hauptlinie der Entwickelung hergehn. Der hohe und strenge Gott des Arnos und Jesaja, der die Beobachtung seines Rechtes fordert und neben seiner Erhabenheit andere Größe nicht bestehn läßt, der schreckliche Gott der alten Sagen Israels, der sein verzehrendes Feuer vom Himmel entsendet und nicht geschaut werden kann, ohne den Schauenden zu verderben, berührt sich wohl mit einzelnen Zügen in der Gottesvorstellung der Kanaanäer 1 ; aber dies Gottesbild steht nicht im Mittelpunkt der kanaanäischen Religion, wie es für die Vorstellung von der Gottheit als der lebenspendenden und lebenbewahrenden der Fall ist. Bei Jesaja dagegen ist die Vorstellung des Heiligen, Göttlichen der des Furchtbaren und Verderbenden so verwandt, daß er „heilig halten" in Parallele stellt mit: „eine Furcht und einen Schrecken sein lassen" und „Heiligtum" mit „Stein des Anstoßens und Fels des Straucheins" (c. 8, 13 f. *). In diesen spezifisch alttestamentlichen Zügen dürfen wir Momente aus der ältesten Religion der Hebräer erkennen. Die alttestamentliche Gottesvorstellung hat niemals vollständig die eines Gottes

1

Vgl. zu diesen Zügen der Gottesvorstellung als altsemitischen oben S. 57 f.

1

Vgl. Studien, II, S. 84. 89.

Die für WMpn und BHpD (beides auch L X X ) vor-

geschlagenen Emendationen scheinen mir der Darstellung ihre eigentliche Pointe zu nehmen.

Das sonst so nicht gebrauchte EhpD ist in dem vorausgehenden lttMpn

motiviert, für das die hier durch den Zusammenhang geforderte Bedeutung nicht zu beanstanden ist.

Übrigens bleibt, auch wenn die beiden Wörter geändert werden,

der Gedanke, auf den es uns ankommt, gesichert durch D3K11Ö und DSX^JID. Baudissin, Adonis u. Esmun. 33

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Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion IV.

des Zornes überwunden. Darin wird ein altsemitischer Zug zu erkennen sein. Mescha redet mit dem selben Ausdruck, den das Alte Testament gebraucht, von dem Zürnen seines Gottes. Die ganze alttestamentliche Entwickelung zu einem Abschluß als Gesetzesreligion wäre ohne das Vorwiegen dieser Auffassung nicht denkbar. Aber die Gottesvorstellung der Propheten weist andere von diesem Gedankenkreis abweichende Züge auf, die eines erlösenden Gottes. Zweifellos ist in ihrer Aufnahme und Ausgestaltung die religiöse Individualität der einzelnen Propheten wirksam gewesen. Hosea und Jeremia haben solche Züge mehr als Arnos und Jesaja. Andererseits hängt es mit den veränderten Zeitverhältnissen zusammen, daß sie bei Deutero-Jesaja einen viel breitern Raum einnehmen als bei allen vorexilischen Propheten. Aber vorbereitet worden ist die neue Auffassungsweise gewiß durch Vorstellungen, die in die israelitische Volksreligion eingedrungen waren aus der kanaanäischen. Der Erlösungsgedanke im alttestamentlichen Gottesbegriff erinnert an den phönizischen Gott, der Heilung bringt in Krankheitsnot. Die Vorstellung von diesem Gott wird im phönizischen Pantheon nicht isoliert bestanden haben. Sie muß zusammenhängen mit einer allgemeinen Auffassung von der Art der Götter. Die vielen phönizischen Personennamen, die von Hilfe und Gnade der Gottheit reden, bestätigen diese Annahme. In der Natur dieser Götter, die nicht so ausschließlich wie der Stammesgott oder die Stammesgötter der alten Hebräer erhaben sind über die Menschenwelt und das Menschenleben sondern in ihrer Gesamtheit mehr oder weniger das in der Welt pulsierende Leben darstellen, ist es begründet, daß sie das individuelle Dasein zu fördern und zu erhalten suchen. Bei den Babyloniern ist es besonders Marduk, der als gnädiger und barmherziger Gott gilt. Da sich verschiedene Spuren finden von dem Einfluß der Vorstellung dieses Gottes auf die Religion der Westsemiten, so ist es wohl möglich, daß die Anschauungen der Kanaanäer von der Gnade der Gottheit durch Berührungen mit dem Mardukkult Anregungen empfangen haben. Analoge Züge werden auch in der Gottesvorstellung der ältesten Hebräer nicht ganz gefehlt haben, wie sie in keiner Religion vollständig fehlen. Die alten Araber hatten einen Gott Jaghuth, dessen Name „Helfer" bedeutet 1 . Als helfend wird die Gottheit irgendwie in allen Religionen gedacht. Uberall hilft sie in einzelnen Fällen oder in vielen. Aber ein Besonderes ist es, wenn die Hilfeleistung als 1 In safa'itischen Personennamen kommen mehrfach entsprechende Aussagen von der Gottheit vor, die wir als arabischen Ursprungs ansehen dürfen, wie bstabo und ^tna (LiTTMANN, Semitic inscriptions, S. 122); vielleicht sind sie nicht in allgemeinem Sinne zu verstehn: „Gott befreit, erlöst" sondern von einem bestimmten Falle: „Gott hat befreit, erlöst".

Der Einfluß der Religion der Kanaanäer auf die der Israeliten.

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das Wesen der Gottheit erscheint, wie es für die Gestalt des phönizischen Esmun angenommen werden darf. Deshalb ist es wahrscheinlich, daß bei den Hebräern die uralte Anschauung von einem Gott, der beisteht und fördert, unter kanaanäischem Einfluß weitergebildet wurde. D e r Übergang der Hebräer vom Nomadentum zum Leben der A c k e r bauer, der sich vollständig erst auf kanaanäischem Boden vollzog, veranlagte sie, aus dem Kultus des Gottes des Landbaus, des Baal, Feste und Riten aufzunehmen in den Dienst ihres alten Stammesgottes. In der neuen Lebensweise mußten sie sich weit mehr als früher von der Gnade der Gottheit abhängig fühlen, die im Gedeihen von Aussaat und Ernte deutlicher noch zu erkennen war als im Wachstum der Herde. Unter dieser Einwirkung wurde der W e g gebahnt, auf dem aus dem nur beistehenden Gott zunächst ein Gott wurde, der im physischen Leben des Menschen und seiner Umgebung Schädigendes fern hält, und dann bei den Propheten und mehr noch bei den Psalmisten ein Gott, der auch im geistlichen Leben, sei es durch Lehre, sei es durch Gnade, das Übel überwindet, ein erlösender Gott. Die Übertragung aus dem physischen Gebiet in das geistigreligiöse wird spezifisch oder doch vorzugsweise alttestamentlich sein. Die alte Vorstellung von der absoluten Größe Jahwe's ist durch die Aufnahme des neuen Momentes nicht aufgehoben oder auch nur modifiziert sondern dem Erweis dieser Größe ein anderes Gebiet angewiesen worden. Bei dem alten Jesaja dokumentiert sie sich noch darin, daß Jahwe andere Größe neben sich nicht duldet (c. 2, 6ff.), bei Deutero-Jesaja zeigt sie sich in der Unerschöpflichkeit der Hilfe Jahwe's für sein Volk, darin, daß er „nicht müde und nicht matt" wird und aus seiner Fülle immer neue K r a f t den auf ihn Hoffenden mitteilt (c. 40, 28 ff.). Die beiden Anschauungsweisen, die von dem erhabenen und die von dem erlösenden Gott, fließen bei diesem Propheten zusammen: sein Gott ist ein Erretter, weil er zum Helfen die Macht hat und zugleich weil er gerne hilft. In diesem Sinne stellt er die Bezeichnung Gottes als des „Heiligen Israels", d. h. des erhabenen Gottes Israels, zusammen mit der andern als „Erlöser" (^Ni) oder „Erretter (JptflÖ) Israels" (c. 41, 14; 43, 3. 14 usw.) und zeigt durch die einmalige offenbar damit parallele Nebeneinanderstellung von „König Israels" und „sein Erlöser" (c. 44, 6), wie er die Bezeichnung als „Heiliger" versteht. Ebenso liegt eine Kombination von beiden Auffassungsweisen vor in der vorzugsweise nachexilischen Anschauung von dem Volke Gottes als dem der Elenden und Armen: Gott ist groß und will die Menschen klein haben; zugleich liebt er es, dem Geringen zu helfen. Diese Auffassungsweise ist zur Herrschaft gekommen in den Erlebnissen der exilierten Judäer und unter den Folgen des Exils; aber sie ist nicht allein zeitgeschichtlich veranlaßt. Die Phönizier, bei denen wir die Anschauung von dem helfenden 33*

516

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion IV.

Gott betont zu finden glauben, sind, so viel wir ersehen können, dabei kaum hinausgekommen über die Beziehung von Vorgängen des Wiederauflebens und Errettetwerdens, die sich in der Natur oder im äußern Menschenleben abspielen, auf die Gottheit. Aber daneben haben doch auch sie vielleicht — wenn es erlaubt ist, aus dem Wenigen, was wir wissen, Folgerungen zu ziehen auf einen weitern Umfang des vereinzelt Bezeugten — ein auch persönliches Verhältnis und eine innerliche Gemeinschaft zwischen der Gottheit und dem Menschen gedacht. Ob dies bei ihnen mehr der Fall war als wir es sonst bei den Semiten neben ihrer Auffassung von der erhabenen Gottheit für die volkstümliche Anschauungsweise annehmen dürfen, läßt sich aus unserm Material nicht beurteilen. Unsere Nachrichten über die phönizische Religion sind zu dürftig, als daß sie auf Fragen nach dem innern religiösen Leben eine direkte Antwort geben könnten. Eine Parallele zwischen den Phöniziern einerseits und den Babyloniern und Assyrern andererseits ist auf diesem Gebiet wegen der Ungleichheit des Materials völlig ausgeschlossen. Als Ausdruck eines innerlichen religiösen Verhältnisses kommen kaum in Betracht die nur seltenen Fälle, wo in den phönizischen Inschriften ein Einzelner einen Gott als seinen Gott bezeichnet 1 . Dasselbe kommt wohl in allen Religionen vor und besagt an und für sich nicht mehr als daß der Betreffende ein Verehrer dieser Gottheit ist. Ohne Analogien in andern semitischen Sprachen sind auch alle wirklich hierher gehörenden Einzelheiten nicht. Zu den phönizischen Namen Ohelbaal, Ohelmilk, die den Verehrer als Wohnstätte, Zelt der Gottheit bezeichnen, finden sich einzelne Parallelen außer im Alten Testament auch bei den Südarabern. Aber die Häufigkeit der mit 12 und einem Gottesnamen gebildeten Personennamen im Phönizischen, die den Menschen als Schützling, eigentlich als Gastfreund, der Gottheit bezeichnen, läßt sich etwa für ein stärkeres Vorwiegen der Auffassung von dem Verhältnis zur Gottheit als einem innerlichen anführen. Analogien zu dieser Namenbildung finden sich freilich auch im Arabischen. Ebenso hat der Name „Iddobal", d. i. „Geliebter Baal's", ein Pendant im Südarabischen (^NTll) und in den Safa-Inschriften (^Kll). Die Namen ^VJ?, d. i. "EvuXoc, und 'IvißaXoc „Auge El's, Baal's" bezeichnen doch wohl den Namensträger als einen solchen, auf den das Auge der Gottheit gerichtet ist. Ihnen entsprechen analoge Namen bei den Aramäern, Babyloniern und Arabern 2 . Soweit sich hier überhaupt bei den einzelnen 1

„seinem Gott" CIS. 90, I ; 94, 4; ferner in den Esmun-Inschriften Bodaschtart's (s. oben S. 212). Analoge Bezeichnungen der Astarte s. oben S. 42, Antnkg. 2.

* I'nilu als Name eines Königs von Hamat, worauf mich Professor KÜCHLER aufmerksam macht, in den Annalen Tiglat-Pileser's III, Z. 151 (Keilschrifttexte Tiglat-

Der Einfluß der Religion der Kanaanäer auf die der Israeliten.

517

Völkern Differenzierungen der Auffassungsweise erkennen lassen, kann es sich, solange wir auf dem Boden der Naturreligion bleiben, immer nur um eine stärkere Betonung der einen oder der andern Seite der Gottesvorstellung handeln, der von der Erhabenheit der Gottheit oder der von ihrer Herablassung zum Menschen. Etwa der Umstand, daß unter dem Wenigen, was wir von der Religion der Phönizier wissen, sich gerade auch einzelne Äußerungen eines innerlichen Verhältnisses zur Gottheit erhalten haben, kann vielleicht dafür geltend gemacht werden, daß der Ausdruck eines solchen Verhältnisses in der praktischen Religiosität speziell der Phönizier einen breitern Raum eingenommen hat. Die Züge der Grausamkeit in der phönizischen und überhaupt in der kanaanäischen Religion, besonders die Kinderopfer, deuten wohl auf eine Grausamkeit auch der Gottheit; aber diese Opfer sind trotzdem in der Hingabe eines Persönlichen, und zwar eines geliebten Menschenlebens, der rohe Ausdruck einer starken Empfindung von einem persönlichen Verhältnis zur Gottheit. Andeutungen eines derartigen Verhältnisses, wenigstens leise Andeutungen, fehlen kaum in irgendeiner Religion ganz. Sie zeigen überall, daß der Gottesglaube, der sie aufzuweisen hat, nicht aufgeht in Naturdienst oder in Stammesreligion. In der altisraelitischen Religion, wie sie noch im Alten Testament als im Volke lebendig bezeugt ist, liegt es mit dem Nebeneinander des Naturalistischen, des Nationalen und des Persönlichen nicht anders als bei den Phöniziern und den übrigen Verwandten der Hebräer. Aber die Fortbildung der Religion durch die Propheten hat das Naturalistische und bis zu einer gewissen Grenze auch das Nationale abgestreift in einem Umfang oder, besser gesagt,

Pilesers III., ed. Rost, S. 26 f.); Ini-Sin „Auge des Sin", s. dazu C. F. LEHMANN, ZDMG. L, 1896, S. 317; {ilü)Sin-im-m&tim „Sin ist das Auge (in) des Landes", UNGNAD, Untersuchungen zu den im VII. Hefte der Vorderasiat. Schriftdenkm. veröffentl. Urkunden, S. 110; WELLHAUSEN, Reste arabischen Heidentums1, S. 6. — Es ist vielleicht charakteristisch, daß unter den phönizischen Personennamen, die von einem persönlichen Verhältnis zu der Gottheit reden, so viel ich sehe, keine vorkommen, welche eine weibliche Gottheit betreffen (die Bezeichnungen der Astarte als „meine, seine Herrin" oder „seine Gottheit" mit Bezug auf einen einzelnen Menschen kommen hier kaum in Betracht). Für die babylonisch-assyrische Istar liegt es wesentlich anders. Die „Astarte" ist über die Bedeutung einer Naturkraft kaum hinausgekommen. Vgl. oben S. 42 über den fast gänzlichen Mangel von ethischen Zügen in der Vorstellung dieser Göttin. Die zahlreichen phönizischen Personennamen, die von einer Gottheit, und zwar auch von weiblichen Gottheiten, aussagen, daß sie gnädig sei, gehören nicht hierher; denn es braucht nicht mehr darin zu liegen als daß die Gemeinschaft oder auch der Einzelne der Göttin ein Geschenk irgendwelcher Art zu verdanken hat.

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Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion IV.

mit einer Intensität, wie wir es in den Religionen nicht beobachten können, unter deren Einfluß die israelitische Volksreligion gestanden hat, auch nicht in der babylonisch-assyrischen. Die treibende Kraft dieser Umbildung war die ethische Beurteilung, die in der prophetischen Predigt im Unterschied von all den andern Religionen, mit denen Israel in Berührung kam, nicht nur als ein Gesichtspunkt neben andern sondern als der einzige geltend gemacht wurde. Diese Entwickelung der alttestamentlichen Religion hat sich nicht vollzogen, ohne daß, nach dem durch die Kanaanäer vermittelten babylonischen Einfluß, später auch direkt zuerst die Assyrer und dann die Babylonier mit ihren Vorstellungen und Ideen auf die Israeliten einwirkten. Auch aus dem ägyptischen Reiche, mit dem die Israeliten durch ihre ganze Geschichte hindurch vielfach in Berührung kamen, werden, abgesehen von ägyptischen Bestandteilen in der Religion der Kanaanäer, aller Wahrscheinlichkeit nach auf direktem Wege Momente des Gottesglaubens und der Weltanschauung bei ihnen Aufnahme gefunden haben. Das begrenzte Gebiet unserer Untersuchung gab uns keine Veranlassung, auf die unmittelbaren Beziehungen zu Assyrern, Babyloniern und Ägyptern, die mannigfaltiger Art gewesen sein werden, einzugehn. Was die Israeliten sich auf religiösem Gebiet von den Kanaanäern angeeignet haben, wird vorzugsweise zur Zeit ihrer Verschmelzung mit den Kanaanäern bei der Einwanderung in Palästina aufgenommen worden sein. Diese Aufnahme erfolgte unter wesentlich andern Verhältnissen als die spätere von Assyrischem, Babylonischem und vielleicht auch Ägyptischem; sie war nur ein Bestandteil der Aneignung der Kultur, die sich bei einem noch auf niedriger Kulturstufe stehenden Volke vollzog. Deshalb müssen wir uns den kanaanäischen Einfluß auch auf dem Gebiet der Religion viel intensiver vorstellen als den der andern Völker. Vereinzelt haben sich die Israeliten auch noch später von den Phöniziern auf religiösem Gebiet beeinflussen lassen. So in der Salomonischen Zeit, als der Tempel von Jerusalem nach dem Muster des tyrischen Tempels des als Sonnengott gedachten Melkart erbaut, und nachmals, als der Kultus des Baal von Tyrus, d. i. eben des Melkart, unter Ahab in Ephraim und von dort aus in Juda eingeführt wurde. Ebenso haben doch wohl Beziehungen zu den Phöniziern das Neuaufleben der alten Sitte der Kinderopfer unter Ahas veranlaßt. Die Entwickelung der prophetischen Religion hat vorwiegend, fast ausschließlich, eine gegensätzliche Stellung zu diesen spätem Berührungen mit Kanaanäischem eingenommen. Es ist aber doch denkbar, daß der Auferstehungsgedanke, dem wir in der Schrift Hosea zu begegnen glaubten, erst in der prophetischen Periode aus phönizischen Vorstellungen geschöpft wurde, wenn er wirklich mit ihnen in Verbindung steht. Die Schrift Hosea verwertet diesen Gedanken

D e r Einfluß der Religion der Kanaanäer auf die der Israeliten.

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nur im Bilde. Ähnlichen Ursprungs mögen einzelne andere Bilder der prophetischen Sprache sein. Neben dem Gewinn, den die Beobachtung religiöser Vorstellungen der Kanaanäer für das Verständnis des Werdens der alttestamentlichen Religion bringen kann, erhält auf der andern Seite durch alttestamentliche Parallelen Inhalt und Leben, was uns von phönizischen oder allgemein kanaanäischen Religionsvorstellungen überliefert ist. Direkt wissen wir davon wenig, und fast alles uns Bekannte gehört späten Zeiten an. Im Alten Testament finden wir zweifellos Gedankengänge, die sich berühren mit den uns aus später Zeit für die Phönizier überlieferten A n deutungen. Daraus ist zu ersehen, daß diese Andeutungen auch für sehr viel ältere Zeiten gelten, nicht als ob sie unvermittelt und unverändert auf frühe Zeiten bezogen werden dürften, aber in dem Sinne, daß das spät Bezeugte in alten Anschauungsweisen seine Wurzeln hat. A u s dem, was wir als alttestamentliche Parallelen zu den Vorstellungen des phönizischen Adonis und Esmun darzustellen versucht haben, geht noch nicht hervor, daß der Adoniskult von Byblos, wie wir ihn aus der Schrift „De Syria dea" kennen, und die Vorstellung von Esmun, wie Damascius sie uns darstellt und wie wir sie aus der Gleichsetzung mit Asklepios entnehmen zu müssen glaubten, bereits zur Zeit der alttestamentlichen Propheten bestanden. Das würde sich ergeben, wenn sich wirklich die A u s s a g e Jesaja's (c. 17, 10 f.) auf die Adonisgärten, die der Schrift Hosea (c. 6, 2) auf die Auferstehungsfeier des Gottes von Byblos, das Schlangenbild in der Pentateucherzählung (Num. c. 21) auf die dem Esmun heilige Schlange bezieht. D a s alles erscheint uns als möglich, ist aber doch keineswegs sicher. Sicher ist aber, daß uns im Alten Testament die Vorstellung von einer heilenden, aus dem T o d errettenden Tätigkeit der Gottheit, der zunächst bildlich angewendete Gedanke der Auferstehung, die Idee des Lebens der Gottheit begegnet. D a s sind Gedanken, durch die uns die Gestalten des Adonis und Esmun-Asklepios in den Darstellungen der späten griechischen Autoren verständlich gemacht werden. In allen diesen Anklängen handelt es sich um die Idee des Lebens. Sie bildet in den Vorstellungen von Adonis und Esmun zweifellos den Mittelpunkt. Beide Götter stellen ursprünglich das Vegetationsleben dar, zunächst in seiner Vergänglichkeit. In der Heftigkeit der K l a g e um den T o d des Adonis offenbart sich das Gefühl des Zusammenhangs des Menschen mit dem Naturleben und zugleich eine besondere Wertung des Lebens überhaupt. D a mit jedem neuen Jahre die K l a g e erneuert wird, ist als die zugrunde liegende Vorstellung nicht zu verkennen, daß der Gott mit jedem Jahre wiederkehrt, mag das nun in einer besondern Feier zum Ausdruck gekommen sein oder nicht. S o ist Adonis anzusehen als ein Gott, der in sich das Leben durch den T o d hindurch

520

Vierter Teil: Adonis u. Esmun u. die alttestamentliche Religion IV.

bewahrt. In Esmun ist diese Vorstellung dahin weitergebildet, daß er erscheint als ein Gott, der die von ihm selbst erfahrene Lebenserhaltung andern mitzuteilen vermag, daß er ein krankheitheilender Gott geworden ist. M a g die letzte Grundlage dieser Vorstellungen auf semitischem Boden entstanden oder etwa von den Sumerern her oder auch vielleicht teilweise aus Kleinasien entlehnt sein, in ihrer uns vorliegenden Form erscheint die Anschauung von jenen beiden Gottheiten als integrierender Bestandteil der phönizischen Religion und paßt durchaus in den allgemeinen Vorstellungskreis dieser Religion. Wir haben anzudeuten versucht*, daß in ihr die Idee des Lebens eine zentrale Stelle einnimmt Die „Astarte" erschien uns als die Gebärerin des Lebendigen und der Stammesgott Baal zugleich als Spender der Erzeugnisse des in der Natur waltenden Lebens, speziell des Erntesegens. E s sei nochmals hervorgehoben, daß damit nur ein einzelner Gesichtspunkt für die Auffassung der phönizischen Gottheiten festgehalten ist. Für A d o nis freilich kommt kaum ein anderer Gesichtspunkt in Betracht, wohl aber verschiedene andere für die kompliziertere Gestalt des Esmun und eine noch viel größere Zahl für die der „Astarte" und des Baal. Unsere Darstellung wollte nur darauf hinweisen, daß die Idee des L e bens in verschiedener Weise bei all diesen Gottheiten zur Geltung kommt.

1

Oben S. 56 ff.

Schluß. W a s an den Gedanken, die in den Gestalten des Adonis und Esmun ihren Ausdruck finden, religionsgeschichtlich eine bleibende Bedeutung zu erlangen imstande war, sehen wir zunächst im Alten Testament: Gott der Erlöser, die aus dem T o d erneute Gottesgemeinschaft, der lebendige Gott. Diese Gedanken erscheinen in der alttestamentlichen Religion und von ihr übermittelt im Christentum in einer Form, die — so wie die Gedanken hier zur Geltung gelangen, denn es bestehn auch noch in andern alten Religionen Analogien — ihre Wurzeln zu haben scheint in dem Vorstellungskreise der kanaanäischen Völkerschaften. A u c h noch über das Alte Testament und seine Vermittelung hinaus ist die Bedeutsamkeit der beiden von uns behandelten Gottesgestalten in der Religionsgeschichte unverkennbar. E s ist allbekannt, welche Verbreitung der Adonisdienst in den Ländern des Westens erlangt hat. Nicht gerade an Höhepunkten der religiösen Entwickelung dieser Länder begegnen wir seinen Spuren sondern mehr in den Tiefen. Viel niedriges, der Sinnenlust dienendes Wesen hat sich, schon aus dem Mutterland überkommen, mit dem Adonisdienste verbunden. W a s aber in der Ausbreitung dieses Kultus eine treibende K r a f t war, ist doch nicht das Gemeine gewesen, das sich mit ihm verband. Die weite Verbreitung, die der Adonisdienst in der alten Welt gefunden hat, erklärt sich daraus, daß in dem Ersterben und Wiederaufleben des Gottes die Darstellung ebendieses Wechsels in der den Menschen umgebenden Natur erkannt wurde. Dieser Wechsel erscheint dem Menschen als ein Bild der ununterbrochenen Folge von Geburt und T o d und verursacht eine A u f und Niederbewegung auch des innern menschlichen Lebens. Vielleicht auch haben sich, wie in weitem Umfang an den Mythos des Osiris und möglicherweise aus ihm entlehnt, an den des Adonis Hoffnungen eines Neuerwachens des Menschenlebens aus dem T o d e geknüpft 1 . In dem

1

Auch im Attiskult finden sich Spuren einer Jenseitshoffnung, s. CUMONT,

L e s religions orientales 2 , S. 89f.

522

Schluß.

uns Überlieferten treten solche Hoffnungen nicht hervor; vielmehr scheint der Zug der Trauer und Klage das Übergewicht in den Festriten der Adonien gehabt zu haben an allen Orten, wo sie gefeiert wurden. Auf christlichem Boden hat der Adoniskult anscheinend einen Einfluß ausgeübt auf die volkstümliche Gestaltung der Osterfeier in bestimmten Gegenden 1 , und auch das Bild der Pietà geht wohl in der Komposition auf abendländische Darstellungen des toten Adonis im Schöße der Aphrodite zurück2. Der „verborgene Sohn des Lebens", der von Ephram unter den höchsten „Göttern" des Bardesanischen Systems genannt wird neben dem Vater des Lebens und der Mutter 3 , scheint dem Adonis oder dem Esmun zu entsprechen und mag mit den beiden andern Äonengestalten direkt einer altphönizischen Göttertrias nachgebildet sein. Daß der Adoniskult mit seiner Todes- und Auferstehungsfeier einen Einfluß ausgeübt habe auf die Entstehung oder auf die Form des christlichen Glaubens an den Auferstandenen, ist wiederholt angenommen, aber noch an keinem Punkte nachgewiesen worden. Keine Kombinationen haben es bisher wahrscheinlich gemacht, daß in den Kreisen des palästinischen Judentums, wo man zuerst den Glauben an den Auferstandenen bekannte, Vorstellungen des Adonisdienstes lebendig gewesen sein sollten4. Der Tammuz- oder Adonisdienst, der bis auf Kaiser Constantin in Betlehem getrieben wurde, wie Hieronymus berichtet, ist nach dessen Angabe erst unter Hadrian aufgekommen zu denken s. Auch daß Vorstellungen aus dem Adoniskult schon vor der Entstehung des Christentums im Judentum Aufnahme gefunden hätten und durch diese Vermittelung in die christliche Gemeinde gelangt wären, läßt sich aus unsern Nachrichten nicht ersehen. Bei der Angabe des dritten Tages für die Auferstehung oder der Auferstehung nach drei Tagen mag man an eine überlieferte Zahl zu denken haben 6 . Für den Ado1

Vgl. oben S . 130 f.

2

Man beachte das pompejanische Bild aus dem Hause des Chirurgen, R e a l

Museo Borbonico, B d . I V , Neapel 1827, T a f . X V I I . 3

Vgl. oben S . 16, A n m k g .

* Dies nahm an, ohne Argumente dafür anzugeben, VÖLLERS, Die Weltreligionen in ihrem geschichüichen Zusammenhange 1907, S. 147 ff. 5 V g l . oben S. 83.

Die Zeitbestimmung: „ A b Hadriani temporibus usque ad

imperium Constantini per annos circiter centum octoginta"

bezieht sich offenbar

nicht nur auf die Verehrung der zunächst genannten Bilder des Jupiter und der Venus in Jerusalem sondern ebenso auf den nach ihnen angeführten Kult des „ T h a muz" oder „ A d o n i s " in Betlehem.

D a die Zeitangabe dort zweifellos ganz richtig

ist, liegt keine Veranlassung vor, sie für den Kult in Betlehem zu beanstanden. 6

V g l . G U N K E L , Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des Neuen

Testa-

Schluß.

523

nisdienst haben wir die Auferstehungsfeier am dritten T a g e nach der Todesfeier vermutet; bezeugt aber ist für ihn diese Zahl der Tage nicht, wie mit variierender Berechnung allerdings im Osiris- und Attiskult. Kann man den dritten T a g für die Auferstehung Jesu I Korinth. 1 5 , 4 nicht ausreichend erklären aus einer Kenntnis der Grabes- und Erscheinungsgeschichten, die bei Paulus vorauszusetzen wäre, und hängt er, wie es dann anzunehmen sein wird, zusammen mit einer feststehenden Anschauung von einem Auferstehungstage, so läßt er sich, wie mir scheint, am einfachsten ableiten aus der Hoffnung der Auferstehung am dritten T a g im Buche Hosea (c. 6, 2) 1 . Von dieser Aussage glaubten wir allerdings vermuten zu dürfen, daß sie ihrerseits auf eine Adonisfeier verweise. Die Auferstehung nach drei Tagen in den Leidensweissagungen Marc. 8, 31; 9, 31; 10, 34 usw. ist vielleicht von der Nennung des dritten Tages zu trennen, obgleich ein Schwanken zwischen beiden Angaben sich möglicherweise auch hier aus einem ungenauen Gebrauch des Ausdrucks „nach" erklären läßt 2 . Die drei Tage können aber, wie zuletzt wohl auch die Erwartung der Auferstehung am dritten Tage bei Hosea, ausgehn von der Vorstellung einer Bedeutsamkeit der drei Tage nach dem Tode des Menschen, die in persischer und jüdischer Anschauung bezeugt ist 3 . Über die Beobachtung eines Wechsels in der Auffassung des Endpunktes der dreitägigen Zwischenzeit zwischen Tod und Auferstehung oder Tod und endgültiger Trennung der Seele vom Körper ist in verschiedenen Anschauungskreisen, wo es sich um diese Zwischenzeit handelt, nicht hinwegzukommen. ments 1903, S. 79 ff.; BRÜCKNER, D e r sterbende und auferstehende Gottheiland in den orientalischen Religionen und ihr Verhältnis zum Christentum (Religionsgeschichtl. Volksbücher, herausggb. von Schiele, I. Reihe, Hft. 16) 1908, S. 37f. Zurückhaltender bezeichnet PFLEIDERER, D a s Christusbild des urchristlichen Glaubens in religionsgeschichtlicher Beleuchtung 1903, S. 69, A n m k g . das Schwanken der „neutestamentlichen Ostersage" zwischen „ a m dritten T a g e " und „nach drei T a g e n " als eine „sehr beachtenswerte Parallele" zu den differierenden Bestimmungen des Auferstehungstages im Attis- und Osiriskult. 1

Anders GUNKEL a. a. O . , S. 80.

A b e r nachdem der Glaube an Jesu Auf-

erstehung da war, allerdings nicht vorher, konnte sehr wohl mit dem Verfahren zeitgenössischer E x e g e s e Hos. 6, 1 f. als eine Weissagung auf den Messias verstanden und aus dieser Stelle die Dreizahl der T a g e für seine Auferstehung

entnommen

werden. 2

Die oben S. 415 f. gegebene Erklärung des ungenauen Gebrauchs ist aller-

dings für den Morgen des dritten T a g e s nicht zutreffend. •5 V g l . oben S. 412 ff. Für die ganze F r a g e das Material bei CLEMEN, Religionsgeschichtliche Erklärung des Neuen Testaments, S. 146 ff. Zu den drei T a g e n der Auferstehung vgl. auch JOHANNES WEISS, Jesus von Nazareth Mythus oder Geschichte? 1910, S. 34 ff.

Schluß.

524

Auf die weitere Frage, ob die Auffassung von dem Gestorbenen und Auferstandenen in der Paulinischen Christologie zum Verständnis ihrer Entstehung der Herleitung aus dem Kultus eines Auferstehungsgottes bedürfe 1 , ist hier nicht einzugehn. Ist die Aufwerfung der Frage überhaupt berechtigt, was sich nur aus eingehender Beurteilung der Paulinischen Theologie ersehen ließe, so gibt sie, da Adonis und Esmun nicht die einzigen auferstehenden Götter sind, keine Veranlassung, an einen Zusammenhang gerade mit ihrem Kultus zu denken. Mit Stätten, wo ihr Kult bestand, ist eine Berührung des Paulus, die einen derartigen Einfluß auf seine Theologie gehabt haben könnte, nicht ersichtlich2. Paulus kannte mit den Jüngern Jesu dessen Tod als ein geschichtliches Ereignis. Für den Gedanken eines sterbenden Heilandes bedurften sie eines religionsgeschichtlichen Vorbildes nicht. Aber freilich, auch wenn sie ebenso zu dem Glauben an Jesus als den Wiedererstandenen, Fortlebenden ohne ein solches Vorbild gelangten, so ist doch die Formulierung des Bekenntnisses zu ihm als dem gestorbenen und auferstandenen Gottessohn in der Paulinischen und überhaupt in der altchristlichen Theologie entstanden nicht als ein voraussetzungsloses Novum sondern inmitten einer Welt, die mit dem Gedanken eines sterbenden und auferstehenden Gottes bekannt war. Das Dogma der altchristlichen Theologie von dem Gottmenschen hat sich unter dem Einfluß des Hellenismus gebildet; der sterbende Gottmensch der christlichen Lehre aber ist vorbereitet durch die Anschauung orientalischer, speziell auch semitischer Religionen von Göttern, die durch den Tod hindurchgehn und insofern zu Gottmenschen werden 3. 1

V g l . G U N K E L a. a. O . , S. 89 ff., besonders S. 92.

Speziell an Beeinflussung

durch den „syrisch-phönizischen Adoniskult" denkt für „die Christusvorstellung, insbesondere in ihrer paulinischen Ausprägung" unter andern ZIMMERN, Zum Streit um die „Christusmythe", S. 23. 2

PFLEIDERER, Religion und Religionen 1906, S. 2 2 3 f. und BRÜCKNER a. a. O.,

S. 3 7 verweisen für einen Zusammenhang zwischen christlichem Glauben und orientalisch-heidnischem auf Antiochien, das speziell auch für Paulus in Betracht kommen würde.

A b e r der Gott, um den es sich hier nur handeln könnte, war allem Anschein

nach nicht Adonis sondern Tammuz erstehungsfeier

nicht nachweisbar

(s. oben S . 86), in dessen Kultus eine Auf-

ist.

A u c h von Alexandrien könnte wohl

etwa aus Osirisfeiern ein Einfluß ausgegangen sein; im alexandrinischen kult hat eine Auferstehungsfeier in älterer Zeit gefehlt (s. oben S . 1 3 4 f.).

nur,

AdonisDaneben

wäre nur noch an R o m zu denken, doch lediglich etwa an seinen Attiskult.

Aber

weder Alexandria noch R o m können für die Entwickelung der Paulinischen Christologie in Betracht kommen. 3 REITZENSTEIN, Die hellenistischen Mysterienreligionen 1 9 1 0 , Attis, Adonis sind M e n s c h e n

S. 6:

„Osiris,

gewesen, gestorben und als G ö t t e r auferstanden"

und etwas anders ebend. S. 46: „die menschgewordenen und gestorbenen Götter

Schluß.

525

Für Esmun haben wir keine direkten Spuren der Ausbreitung seines Kultus über die Grenzen Phöniziens und seiner Kolonien hinaus. Wohl aber darf man vermuten, daß die weite Verbreitung und hohe V e r ehrung, die im synkretistischen Zeitalter und besonders in den Kulten der Kaiserzeit die heilenden Gottheiten gefunden haben, nicht ohne

Attis, Osiris, Adonis".

Allerdings im Mythos, wie ihn die Griechen erzählen, er-

scheinen sie als Menschen: Adonis ist ein Königssohn, und Esmun, sein Pendant, wird nach seiner Wiederbelebung von der Astronoe erst zum Gott gemacht.

Auch

schon der Tammuz der babylonischen Hymnen ist auf dem W e g e , aus einem Gott in einen Menschen umgewandelt zu werden (vgl. oben S. 373).

A b e r für die alte

Auffassung sind Adonis, Attis und am deutlichsten Osiris Götter, die sterben.

Die

Gottheit des Adonis läßt sich freilich als eine nicht vollkommene bezeichnen (vgl. oben S. 178f. 500), und ähnlich liegt es vielleicht mit Attis; aber als Menschen oder auch als menschgewordene Götter wurden Adonis und Attis ursprünglich nicht gedacht

Sie repräsentieren offenbar eine Naturkraft, die als ein göttliches oder

doch übermenschliches Wesen aufgefaßt wurde.

Diese alte Auffassung hat sich, wie

mir scheint, im Kultus bis auf die spätesten Zeiten auch bei den Griechen erhalten, da im Adonis- und Attiskult (weniger deutlich bei Osiris) die Todesfeier mit bestimmten Erscheinungen in der Natur zusammenhing und, wie wir zu beobachten meinten (oben S. 136. 138), nicht als eine bloße Erinnerungsfeier aufzufassen ist.

In

den analogen Riten des Husseinfestes, die ursprünglich nichts anderes als eine Erinnerungsfeier ausdrücken, fehlt das Gebundensein an Naturerscheinungen (vgl. oben S. 131 f.).

So kann ich nicht anders urteilen als daß Osiris, Adonis und Attis aller-

dings sterbende Götter und zu vergleichen sind mit dem sterbenden Gottmenschen der altchristlichen Theologie.

Auch diesem liegt schwerlich überall zugrunde die

Vorstellung von einem Menschen, der erst durch die Auferstehung zum Gott wird. — Ich weiß selbstverständlich, daß mit den oben ausgesprochenen Bemerkungen über

Neutestamentliches nach

keiner Seite

nach einem Zusammenhang mit dem

hin etwas getan ist für die Frage

Adonisdienste.

Sie kann aber nur vom

Neuen Testament aus als dem Ausgangspunkte beantwortet werden.

Dies zu unter-

nehmen, würde aus dem Rahmen der von mir dargebotenen Untersuchung herausfallen, die nur etwa Materialien vorlegen kann für die Beantwortung jener Frage. Ich habe aber in meinen Schlußbemerkungen nicht unterlassen wollen und auch nicht wohl unterlassen können, auf die Einflüsse hinzudeuten, die für den Adoniskult über das Alte Testament hinaus angenommen worden sind.

Es darf und muß doch

wohl gesagt werden, daß mehr als Andeutungen bisher auch von der Seite noch nicht gegeben worden sind, die mit Bestimmtheit für einen Zusammenhang neutestamentlicher Vorstellungen mit dem Adonisdienst eintritt.

Von den in der jüngsten

Zeit geführten Verhandlungen über die F r a g e , ob und inwieweit das Urteil über die Geschichtlichkeit des Jesus der Evangelien von Analogien in der Adonisvorstellung abhängig zu machen sei, muß ich hier ganz schweigen, da ihre Berücksichtigung nicht hineingehört in die von mir unternommene Darstellung der Entwickelung bestimmter Kulte und der religiösen Vorstellungen, die in ihnen sich offenbaren und aus ihnen sich herausgebildet haben.

526

Schluß.

den Einfluß des Orients zustande gekommen sind. Neben ägyptischen mögen dabei phönizische Vorstellungen und, durch sie vermittelt, auch babylonische wirksam gewesen sein. W a s sich im spätesten Äsculapkult an mystischen Zügen findet, hat vielleicht mehr im Orientalismus als in griechischen Vorstellungen seinen Ausgangspunkt. Zu der Ausgestaltung christlicher Lehre tritt die Vorstellung von dem Heilgott Esmun vielleicht nur durch die Vermittelung des Alten Testaments in eine Beziehung. Allerdings, wenn wir einzelne Züge, die zueinander gehören, aber nirgends zusammen erscheinen, zu einer einheitlichen Vorstellung von dem Wesen des Esmun verbinden dürfen, so wird er, der jugendliche Gott, der dem höchsten Gott untergeordnet ist, der stirbt und wieder auflebt, der als Heiland der Kranken und Wiedererwecker der Toten gilt, in seiner durch die phönizischen Kolonien und namentlich von Karthago aus wohl weiter ausgebreiteten Kombination mit Asklepios ein nicht unwesentliches Moment gebildet haben bei der Entstehung einer Heilshoffnung im untergehenden Heidentum. Die Sehnsucht der W e l t des römischen Reiches nach Erlösung von Krankheit und T o d , die den heilungbringenden Gottheiten das Epitheton ZuuTrjp beilegte und ihren Kultus mächtig werden ließ, hat dem Christentum die W e g e geebnet. Die Sprache der altchristlichen Theologie in ihren Aussagen von dem erschienenen Heiland, der sich selbst als den Arzt für die Kranken bezeichnet hatte, weist bemerkenswerte Anklänge auf an die Form jener Sehnsucht. Die Entstehung dieser Analogien wird nicht ohne den Einfluß geschichtlicher Berührungen vorzustellen sein. A b e r nachzuweisen ist eine speziell für die Vorstellung des Esmun nach dieser Richtung hin bestehende Berührung nirgends. Sie mag trotzdem nicht gefehlt haben. Derartigen Zusammenhängen gerade für diesen Gott nachzugehn, ist dadurch erschwert oder unmöglich gemacht, daß die Besonderheit des Esmun sich in dem ihm beigelegten Namen A s klepios-Asculap verliert. D a s für die allgemeine Geschichte der Religion Wichtigste an den Vorstellungen von Adonis und Esmun ist wohl weniger ihre direkte Nachwirkung in einzelnen Erscheinungen auf nichtphönizischem Boden als die Erkenntnis, die wir aus diesen Vorstellungen gewinnen von der Bedeutsamkeit der Idee des Lebens in der phönizischen Religion. Diese Idee hat dem Anschein nach von Phönizien aus — gewiß nicht allein, aber doch wohl zu einem guten Teile von dort aus — die Gestalten auch nichtphönizischer orientalischer Götter beeinflußt, wie sie in den Zeiten des Synkretismus dem Abendland vermittelt wurden. Ebendiese Idee scheint für die Welt des römischen Reiches den Göttern des Morgenlandes einen wesentlichen Reiz verliehen zu haben, und zwar nicht nur der Gedanke von der Gottheit als der Gebärerin des Lebens sondern auch und ganz besonders der andere von dem bleibenden Leben der

Schluß.

52 7

Gottheit, der speziell den syro-phönizischen Göttern das Prädikat „aeternus" beilegte1. In dem Gedanken von der lebengebärenden Göttin fand man eine Befriedigung für die Erkenntnis, in dem andern von der den Tod überwindenden Lebenskraft der Gottheit eine Sicherheit für den Glauben. In anderer Weise als in den Ausgängen des griechisch-römischen Gottesglaubens und in noch deutlicherm Zusammenhang mit Phönizien ist die einstmals in der Natur gefundene Idee des Lebens über ihren Widerklang im Alten Testament hinaus wirksam gewesen bis in das Neue hinein. Besonders in den Johanneischen Schriften, aber auch in den meisten übrigen, wird das im Evangelium angebotene Heil bezeichnet als das Leben. Das Leben in diesem Sinne wird überall im Neuen Testament als ewiges Leben gedacht, und die Ausdrücke £wrj und Zujr) ctttimoc wechseln als gleichwertig2. Das entspricht durchaus dem altsemitischen Gebrauch der Ausdrücke für „leben" in dem Sinne von „am Leben bleiben" und der Bedeutung, die wir für das Adjectivum haj „lebendig" in der Anwendung auf die Gottheit zu erkennen glaubten: „am Leben bleibend" in dem Sinne von: „den Tod überwindend". Auf ebendieser Auffassung des Lebendigseins beruhen vor andern Gottesvorstellungen die des Adonis und des Esmun. 1

V g l . oben S . 499 und für den Eindruck, der von dem Prädikat „aeternus"

ausging, CUMONT, L e s religions orientales', S. 191 ff. 2

Zwi*! und luir) aiilmoc promiscué gebraucht Joh. 3 , 3 6 ;

5, 3 9 f . ; 6, 5 3 f . und

ebenso bei den Synoptikern Zwi®! im W e r t e von lu)f) aiibvioc Matth. 19, 17 (vgl. c. 2 5 , 46). Marc. 9, 43. 45 (vgl. c. 10, 17) und bei Paulus Rom. 5, 17 f. (vgl. v. 21).

Nachträge. Zu S. 8, Anmkg. 2. Vgl. noch S. A. COOK, Notes on the old Canaanite religion, The Expositor, August 1910, S. m — 1 2 7 . Zu S. 20, Anmkg. i, Z. 13 v. o. Als weiterer Beleg für den Namen M&r-irsitim ist nachzutragen: THUREAU-DANGIN, Lettres et contrats de l'époque de la première dynastie babylonienne (Musée du Louvre, Département des antiquités orientales), Paris 1910, S. 35. Inhaltlich neues Material für die von mir behandelten religiösen Gedanken in babylonischen Personennamen habe ich in dieser Veröffentlichung nicht gefunden, wohl aber weitere Belege für das schon Mitgeteilte. Ich gebe daraus ferner folgendes an: Zu Zu Zu Zu

S. S. S. S.

40, Anmkg. 1, Z. 6 v. o. A-bi-l-li und A-bi-ì-li-su S. 11. 45, Anmkg. 2, Z. 2 v. o. Istar-um-mi S. 31. 313, Z. 5 ff. v. u. und S. 316, Z. 6 ff. v. o. (' ilu)Da-mua-zu 316, Z. 7 v. o. Sin-azu S. 41.

S. 20.

Zu S. 399, Anmkg., Z. 24ff. v. o. (ilu)Marduk-mu-ba-lii( S. 34, (ilu)Ninib-mu-ba-U-it S. 38, (ilu)Sin-mu-ba-li-it S. 43, (ilu)Samas-mu-baliit S. 45. Zu S, 400, Anmkg., Z. 1 v. o. (ilii)Samas{Uta)-zi-mu (Samas-napistìì) S. 46. Zu S. 400, Anmk., Z. 6 v. o. iilü) Nanna (r) zi m u (Nanna[r\-napistîi) S. 37. Zu S. 455, Z. 16 f. v. o. Bâ-sa (ilu)Samas S. 17, Ba-si-ilum S. 18. Zu S. 455, Anmkg. 1, Z. 3 ff. v. u. Sum-ma-ilum-!a-(ilu)Samas S. 47. Zu S. 472, Anmkg. 4, Z. 1 ff. Ad-di-li-ib-lu-ut S. 12. Zu S. 472, Anmkg. 4, Z. 4 v. o. I-ba-lu-u( S. 24. Zu S. 66, Anmkg. 4. byib p i ò auch in der oben S. 266, Anmkg. 2 angeführten punischen Inschrift (dort ist Z. 4 „jungen" zu streichen) von Siagu bei dem heutigen Bir-bou-Rekba. S. jetzt ein Faksimile der Inschrift bei MERLIN in der oben S. 488, Anmkg. 1 genannten Abhandlung, S. 22. Zu S. 74, Z. 17 ff. v. o. Professor NÖLDEKE schlägt mir brieflich vor, vor dem „weil" (VO^JD) ein O „und" einzusetzen und das « vor „tötete" zu streichen, sodali mit „tötete" der Nachsatz beginnt : „und weil sie . . . Ehebruch begangen und ihr Gatte Hephästos sie überrascht hatte und eifersüchtig auf ihn geworden war, (kam er und) tötete er den Tammuz usw." Zu S. 74, Anmkg. 4. Der Text jetzt nach andern Handschriften veröffentlicht: Theodorus Bar Könl, Liber Scholiorum, Pars prior, ed. Addai Scher (Corp. scriptorum christianorum orientalium, Scriptores Syri, Textus, Sériés secunda, t. L X V , Paris 1910), S. 312 f. Für den Namen der Mutter der Baiti findet sich S. 312, 9 die Variante .CBBA*;!. Zu S. 97 f., Anmkg. 3 ist zu der Literatur hinzuzufügen die inzwischen erschienene, oben S. 152, Anmkg. 1 genannte Schrift von ZIMMERN S. 34—37. 62 f. (vgl. dazu oben S. 314, Anmkg. 3), ferner J. DYNELEY PRINCE, A hymn to Tammuz, The American Journ. of Semitic languages and literatures, Bd. X X V I I , 1, Oktober 1910, S. 84—89 (dieser Hymnus aus Cuneiform Texts from the British Museum X V , plates 20. 21).

Nachträge.

529

Zu S. 118, Z. 4 v. o. Professor NÖLDEKE bezeichnet mir brieflich nach einer Kollation von NIESE als LA. einer Florentiner Handschrift Ga^iEa, Gau und einer zweiten Florentiner Handschrift ©ctiaouSric (sie), 0an a . Meine Angabe über die LA. der Leidener Handschrift bestätigt NÖLDEKE als richtig nach einer ihm vorliegenden K o l l a t i o n DE GOEJE'S.

Zu S. 118, Anmkg. 4. Die nicht gefundene Stelle ist die oben S. 117, Anmkg. 6 zitierte (Bd. III, S. 42 f.). Zu S. 142 fr.

Über

d a s S c h w e i n als „ T a b u " vgl. THEODOR W Ä C H T E R , R e i n -

heitsvorschriften im griechischen Kult (Religionsgeschichtl. Versuche u. Vorarbeiten, b e g r ü n d . v o n A . D i e t e r i c h , B d . I X , H f t . 1, 1 9 1 0 ) , S. 82—87.

Unter d e m von ihm

beigebrachten Material kommt für die Anschauung vom Schweine bei den Phöniziern in Betracht S. 84 die von mir übersehene Stelle des Silius Italicus 3, 22 f., wonach im Kult des Herakles von Gades, d. i. des Melkart, das Schwein für unrein galt: , , . . . limine curant Saetigeros arcere sues". Zu S. 154, Anmkg. 5. CLAY hat später (Amurru the home of the Northern Semites, Philadelphia 1909, S. 199 ff.) r®UN erklärt = EN-M&shtu (M&shtu ursprünglich Femininum) als Namen der Gottheit des Berges „ Mäshu" im Amoriterland (vgl. ebend. S. 77). Zu S. 206, Z. 12 f. v. u. Zu den griechischen Formen des Gottesnamens ist zu vergleichen: ERNST SCHMIDT, Kultübertragungen (Religionsgeschichtl. Versuche u. Vorarbeiten, begründ. von A. Dieterich, Bd. VIII, Hft. 1, 1910), S. 39 f. Zu S. 264, Anmkg. 3 von S. 263 (Z. 1 ff.). Über die bärtige Istar vgl. JASTROW, Religion Babyloniens, Lieferg. 16, 1911, S. 633, Anmkg. 4. Zu S. 274, Z. 3 v. o. Daß die Tanit von Siagu als Cälestis bezeichnet wurde, wie MERLIN in der oben S. 488, Anmkg. I angeführten Abhandlung S. 10 annimmt, geht aus der lateinischen Inschrift, die sich auf der Terracotta-Figur einer auf einem Löwen stehenden Göttin findet, nicht mit Sicherheit hervor. Es ist nicht zu ersehen, daß diese Figur die Tanit darstellt, die allerdings zu Siagu nach der dort gefundenen punischen Inschrift ein Heiligtum hatte. Auch die von MERLIN vorgeschlagene Deutung des Anfangs der lateinischen Inschrift A C S • als „C(aelesti) A(ugustae) s(acrum)" ist, obgleich wahrscheinlich richtig, doch nicht unbedingt feststehend. Zu S. 312, Anmkg. 3. Die beiden Stellen, für die auf Bd. XXIX der Babylonian expedition verwiesen wurde, finden sich in dem inzwischen erschienenen Bande, Part 1: Sumerian hymns and prayers to god Nin-ib from the Temple library of Nippur, Philadelphia 1911, S. 45, Z. 13 f. und S. 51, Z. 34. Zu S. 330, Z. 2ff. v. o. des

Asklepioskultus

aus

Zur Beurteilung der Tradition von der Übertragung

Epidauros

nach

Rom

vgl. E R N S T

SCHMIDT,

Kultüber-

tragungen, S. 31—46: „Die Übertragung des Asklepios nach Rom". Zu S. 335f. Zu den Münzen von Pergamon: v. FRITZE, Die Münzen von Pergamon, Anhang zu ABA. 1910, S. 39—41- 47—54- Der oben S. 335, Anmkg. 2 angeführte Typus des sitzenden, einer Schlange eine Schale darreichenden Asklepios Baudissin, Adonis u. Esmun. 34

53°

Nachträge.

ist wiederholt vertreten, v. FRITZE sieht S. 40 f. eine auf königlichem Gelde vorkommende Form dieses Typus (in Berlin, bei v. FRITZE Taf. I, 29), worin also der Schlangenstab nicht vorhanden ist, an als Nachbildung einer Kultstatue von Phyromachos aus der Regierungszeit Eumenes' II, hält es aber S. 48 für möglich, daß der zuletzt überwiegende Typus des stehenden Gottes mit SchlaDgenstab einer Statue entspricht, die schon zur Königszeit neben der andern vorhanden gewesen wäre. Vgl. darüber weiteres bei V. FRITZE, Asklepiosstatuen in Pergamon, Nomisma, herausggb. von H. v. Fritze und H. Gaebler, Hft. II, 1908, S. 19fr. — Zu oben S. 335, Anmkg. 6 sind aus v. FRITZE, A B A . a. a. O. hinzuzufügen folgende Darstellungen einer Schlange für sich allein ohne Stab, auf der andern Seite ein Asklepiosbild: Taf. I, 15. 42f.; III; 25 f. 30; IV, 1 (vgl. auch die Schlange im Felde neben Asklepioskopf III, 25; IV, 2 S. 45), auf der andern Seite oder auch neben der Schlange ein Telesphoros: 111,24; VIII, 5. v. FRITZE S. 41. 53 f. will wohl mit Recht auch in der Schlange ohne eine direkte Hinweisung auf den Asklepios sein heiliges Tier erkennen Taf. I, 23. 32. 38; III, 23. 27. 29; IX, 9—12. Zu S. 358, Anmkg. 4, Z. 1. Der Name Eabani scheint besser mit UNGNAD (U. und GRESSMANN), Das Gilgamesch-Epos (Forschungen zur Religion und Literatur des A. u. N. Testaments, herausggb. von Bousset u. Gunkel, Hft. 14, 1911), S. 75f. gelesen zu werden Engidu. Z. S. 408, Anmkg. 2. Auf eine Stelle in einem späten Zauberpapyrus des Britischen Museums (Greek papyri in the British Museum ed. Kenyon, Bd. I, London 1893, n° 46, S. 73, Z. 260—266) werde ich aufmerksam gemacht durch REITZENSTEIN, Hellenistische Mysterienreligionen, S. 213. Hier ist von „drei Tagen und drei Nächten" die Rede, die Osiris (hier ecir| [?] genannt) in den Fluten des Stromes (vgl. oben S. 186. 197) gewesen ist. Allerdings wird nicht gesagt, daß Osiris nach den drei Tagen wieder belebt ward, sondern daß sie seiner Aufnahme in die Wogen des Meeres vorangingen. Zu S. 415, Anmkg. 4. SAMTER, Geburt, Hochzeit und Tod 1911, S. 33, Anmkg. berichtet von einem auf Naxos und Kalymnos herrschenden Glauben, daß man nach einem Todesfall den Kehricht nicht auf die Straße werfen dürfe, „denn die Seele weilt noch drei Tage im Hause und könnte mit dem Kehricht hinausgeworfen werden". Zu S. 437, Anmkg. 3, Z. 11 ff. v. o. Die Bedeutung des Ausgießens von Wasser auf das Grab als Tränkung des Toten scheint mir deutlich hervorzugehn aus dem von FRIEDR. DELITZSCH, Das Land ohne Heimkehr 1911, S. 19. 39 Mitgeteilten. Daraus freilich, daß bei den Babyloniern das Trinken „klaren Wassers" von den Toten ausgesagt oder ihnen gewünscht wird, darf wohl kaum, wie DELITZSCH meint, gefolgert werden auf eine Belohnung „besonderer Guttaten und Tugenden auf Erden im Jenseits". Zu S. 493, Z. 11 ff. v. u. Die zentrale Stellung, die das Suchen nach dem Leben im Zusammenhang des Gilgamesch-Epos einnimmt, ist mit Recht hervorgehoben worden von GRESSMANN, Das Gilgamesch-Epos, S. 147 fr. 154. Die darin deutlich hervortretende tiefgehende Sehnsucht nach einer Überwindung des Todesloses lehrt für den Unterschied zwischen Göttern und Menschen nicht mehr als daß das ewige Leben, das die Götter besitzen, für den Menschen unerreichbar ist

Register. Ä , ä stehn unter Ae, ae. — A = von der vorhergehenden Seite herüberg e n o m m e n e Anmerkung. — (M) = nur durch Münzen belegt.

I. Generalregister. A Abibaal in Byblos, phön. Inschrift 194 f. 'Aßdjßac 87, 1. 354 f. A b r a h a m 89. 90 A. — U n d heiliger B a u m 487, 2. — F ü r s p r e c h e r in Krankheit 315. IAbydos, phön. Inschriften 218. Achoris, in einer Inschrift 213. A c k e r b a u : Göttinnen des Ackerbaus 166.— S. auch Adonis 7, E r n t e , Korndämon. A d a d 16, 1. — S. auch A d d u , H a d a d , Ramman. A d a p a 311, 4. 493 f. A d d u 7 1 , 2. 317. — S. auch H a d a d , Ramman. A d o n 65. 170. "Abwv 65. A d o n a j ( ^ N ) 35,1. 68. A d o n e a 123. d&oivriic 168, 1. 'Abiima 128. Adonis, Fluß 71—73. 80 f. 125. 197,4. Adonis, Gott iof. 13. 15. 55. 58. 70. 1. Der N a m e 28. 39. 65—71. 281. 348. 359. 363f. 528. — Beinamen s. *Aßdißac, 'Au), Taöac, r i f T P a c , TifTPIc, Kiptc, TTuYHaiujv. 2. Kultus: Charakter des Kultus 508 f. — Fest (Adonien) 126—128. 131. 183. 352, 2; s. auch Adonea. — Festzeit 121—133. 169. 171—173.352. — Stern des Festes (?)

123 f. — Klage, Trauerfeier 84. 86. 93. 110, 4. n 9 f - 123- 126. 133 f. 136—139. 141. 163-166. 257,4. 352. 371. 384. 519. 525 A, — ihre D a u e r 408. — Flöten 354 f. — Kult der Weiber 120. 126. I34f. 189. 352. — Preisgebung der W e i b e r 73. 179. — Totenopfer 184, 1. 408. — Adonisgärten s. Adonisgärten. — Die Anemone 88. 129. — Bild ins M e e r geworfen 140. 188. 196. 197, 4. — Wiederfindung 134 f. 189. — Auferstehungsfeier s, 3, — Auferstehungstag 409. Opferkult(?) 177. — „Adoni aug. sac." 69. 177. — T e m p e l 177. — „sacerdos Adonis" 68 f. 177. B a u m des Adonis 188; s. auch E r i k a . — Phallus 179 f. — G r ä b e r 72. 74. 78, 7. — H ö h l e 78, 7. 83. 3. Mythos: Kind 152 f. 167. 178 f. 347. 366. — Jüngling 167. 180. 202, 2. 252. 347. 355. — dßpöc 124. — J ä g e r 79. 152 f. 166 f. 180. 34°- 355- — Hirt 166 f. 180. 355. — J a g d des Adonis (Tammuz) auf wilde Schweine 74. 142. — Sein T o d 74. 76. 142. 182— 184. 257, 4. 349. 372; s. auch Sühnopfer. — Ciste (Truhe) 90 A. 152 f. 167. 349. 365—367. 368 A ; s. auch Ciste, — oder U r n e 365,1, — in der Kunst 365,1.— Streit der Göttinnen, in der Kunst 365,1. — T o d durch den E b e r s. E b e r , — durch einen B ä r e n 78. 79 A. 80. 152. — 34*

532

Register I.

Blumen aus seinem Blute 369 A, — die Rose 129. — Auferstehung (Wiederaufleben), Auferstehungsfeier 133—137. 171 f. 190 f. 371. 408 f. 431. 440-443. 486. 519—521. 4. Zusammenstellungen: Adonis und Aphrodite (Baalat, Balti, Astarte) 73. 80-82. 84. 114. 118. 135, 152. 167. 169. 177 f. 1 8 0 - 1 8 2 . 189. 258. 349. 352f. 361. 368A. 371 f. 382; s. auch Balti, — und Kythereia 200, — und Venus 79f. 153 (Venös). 361 f., — und Isis 200, — und Persephone 74 (Phersephatte). 152. 153 (Prosepnai, Prosepna). 169. 349. 353. 354, 1. 365 f. 368 A , — und Apollon 144, — und Ares 114. 117. 129. 143 f. 5. Gleichsetzungen und Identifizierungen : Mit Attis 77 A, — Dionysos 199 f. 231, 1. 234, 7. 241, — Hades 84, — Harpokrates 153. 167. 178, — Horus 153. 167. 177, — Osiris s. 6, — Tammuz s. 6, — Triptolemos 162. 6. Analogien und Zusammenhänge: Attis 59,2. 64. 135 f. 185. 200. 360 f. 369—371. — Esmun 69. 202. 209 f. 231,1. 241. 281. 344-351- 355- 375 f- 378. 382f. 400. — Osiris 135. 141. 154. 164. 174 f. 178 f. 185—202. 234,7. 309 A. 348. 365— 367. 368 A. 409. — Tammuz 58. 85. 94—97. 133. 142. 143, 1. 164. 185. 202. 257. 344- 347. 350—37I. 375- 378. 382f. — „Knecht Jahwe's" 424, 1. 7. Deutungen: Ein Baum oder eine Pflanze 173. 181. 257. — Vegetationsgott 81. 139 f. 173. 191. 257. 345. 348f. 352. 355. 370. 519. Frühlingsgott 141. 160. 166—170. 256. 382. — Die Frucht 114. 124. 161—166. 354. — Getreidegott 78. 161. 164 f . — Erntegott 115, 1. 167. — Ackerbaugott 162. — Die Sonne 106,1. 1 6 9 - 1 7 3 . 8. Verbreitung: „Assyrer" 169. 362 f. — Etrusker 83. 118. 182,2: s. auch Atunis. — Griechen 83. 360. 362. 364, 2. — Karthagisches Afrika 68 f. 83. — Phönizien 71—81. 83—93. — Römer 83. 361. — S. auch II Alexandria, Amathus, Antiochia, Aphaka, Argos, Athen, Betlehem,

Byblos, Cypern, Kanopos, Libanon, Perge. Ob aramäischer Herkunft? 362. 383f. 9. Bilder: Felsskulpturen von Ghineh und Maschnaka 78 f. — Relief; Vasen aus Unteritalien 365, i. — In Pompeji 522, 2. — Etruskische Spiegel 153, 1. 361. — Als Jäger 80 A. 10. Fortbildungen und Anklänge: Auferstehungshoffnung (?) 521 f. — Osterbräuche 130 f. 522. — Pietà 522. — Auferstehung Jesu 522 f. — Paulus und die Auferstehung Jesu 524. — Sterbender und auferstehender Gottmensch 524. S. auch bkepujc, Widderhörner. "Abujvic, Personname 69,1. 128, 1. Adonisgärten 88 f. 110,4. 120,2. 123. 126— 128. 138 f. 141. 152 f. 160. 165. 169. 179. 202,2. 442. — „Assyrischer" (syrischer) Brauch 139. — Ins Wasser geworfen 131. I39—I4I- 188. 197,4. 365,2. Adonisius, Monat 132. Adrammelech 35, 1, Aè s. Ea. Ägypten, Einfluß auf Babylonien 5, — auf die Religion der Israeliten 518, — auf Kanaan 4, 1. 5f. 33. 55. 59. 61. 64. 192t ; s. auch Byblos. — Ägypter und Semiten 192. 368A. — S. auch Heilgötter, Leben, Namen, Triaden. 'Ar|p, kosmogonisch 503. Äsculap, dominus 229. — sanctus 249. — kriegerischer 221,3. 299 f- 315, 1. Cälestis und Äsculap 225. 250 f. 263. 268 f. 272. 274. 275,1. 279; s. auch II Henschir el-Ust. — Äsculap und Jupiter Dolichenus 228. 322 f., — und Hygia, Salus s. Hygia. In Africa Proconsularis 223. 229. — InDacien 223. 269. — Im Hauran 299. — In Mauretanien 229. — In Numidia Proconsularis 228. — In Provincia Numidia 228 f. S. auch Asklepios, Esmun 6, Schlange 4, II Gadara, Karthago, Kefr-el-Mà, Öa, Philadelphia, Sardinien. aeternus 499—501. 527. Agbia, lat. Inschrift 204, 217. Agros 77. 'AipÓTric 77.

Generalregister. Agruèros 77. Ahab 518. Ahas 518. Ahnenkult 45 f. Aidiv 488. aidivtoc, 0£òc 499. Ai8r|p, kosmogonisch 503. 505. Aksum, Königstitel 43, 2. 'A\&ii|uioc, "AXboc 489, 3. Alektrona s. II Ialysos. Alkestis 430. Al-Làt, arabische Göttin 51. Allat s. II Palmyra. — Allat-'Attar 260,5. Alte der Tage, der, 341. 500. Altiburos (M'deina), pun. Inschrift 288 f. Al-Uzza 51. 75,3. 120. Am'aschtart, sidonische Königin 2II. 251. Ama-usumgal-an-na 107, 5. Ambrosia 494. 'Ammin s. Philadelphia. Ammoniter, Religion 2 f. Amon (Ammon), Amon-Re 194. 260. 310,3. — S. auch Baal Hamman, Jupiter (Hammon). Amoriter, und Babylonien 155 A. Amos 513 f. — S. auch V. 'Amu 7,1. Anaitis 87. Anammelech 35, I. .Anat 52. — D-n tv my, 'ABnva Iiiftetpa NÌKri s. II Cypern. — Kriegsgöttin 23- 457Androgyne Gottheiten 259. 263. 274. äv£|ioi, kosmogonisch 503. Anemone s. Adonis 2. àvÌKirroc 498 f. Anthesphorien 436'. Anthesterien 436. 437 A. An ti, sein Grab 192. Anu 16,1. 101. 317. Anubis 187. 'Aili, 'Ailiioc 82. Aphaka, Tempel 363. — S. auch II. Aphrodite, Urania s. II Delos. — Aphrodite und Adonis s. Adonis 4. — Bei den Etruskern 118. — S. auch Astarte, Baiti, Schwein 7. 8. 10, Venös, Venus, II Aphaka, Byblos, Cypern, Eryx. Apollinaris s. Apollo. Apollo, aeternus 499, 2. — Clarius 124. — Und die Pflanze Apollinaris 245.

533

Apollon, "A|iiuKX.aToc s. II Cypern (II»"!). — S. auch Adonis 4, Asklepios, II Sidon. Araber, Religion 10. 57 f. 63. — Göttinnen 51. — Heilige Steine 32. — S. auch Heilende Tätigkeit, leben, Namen, Südaraber. Arados (Ruad), griech. Inschrift 220. Aramäer, Religion 2. — S. auch Heilende Tätigkeit, leben, Namen. Ares s. Adonis 4, Eber, Tammuz 4. Arnis (Arinos?) 75. 528. Artemis s. II Elymais, Samos. Arzew s. Portus magnus. Aschera 51. 208. 438. Äscheren 176. 438. Aschirat 18. 51. Aschmunazar, verschiedene Könige 211 f. — Phön. Inschrift 22. 211 f. 248 f. 251. 265. 270. Aschmunen in Ägypten 209,6. Aschtar-Kemosch s. Astar-Kemosch. Aschtarot 18. Aschtart s. Astarte. Asclepius, Fluß 220. 239. 247,3. Asima («0^8) 214,3. 2 I 5Asklepios 147. — Totenerwecker 341. 401, 1. — Jäger 340. — Sein Tod 343, 3. — Aeovroöxoc s. II Askalon. — Zeile 'AcKXrimöc 322. Asklepios und Astarte 232f., — und die Kabiren 214 f. 234. 245-247. Bilder des Asklepios und des Aesculapius 225. 229. 253. 299. 335 f. 337 A. 529 f., — bartlos 253, — als Kind (M) 255. — Stab 243. 335 f. 3 3 7 , 2 , — schlangenumwundener s. Schlange 5. Der phönizische Asklepios: Sohn des Apollon 252. — Bei Damascius 247. 252. 339 f., — Pausanias 221. 245. 252. 342, — Philo Byblius 237. 245—248. 252. S. auch Äsculap,Esmun6, Schlange 4, II Arados, Berytos, Epidauros, Karthago, Kos, Marathos, Neu-Karthago, Pergamon, Sidon, Trikka, Zakynthos. Assyrer, Einfluß auf die Religion der Israeliten 518, — der Kanaanäer 6. — S. auch Babylonien, Triaden. Astar-(Aschtar-)Kemosch (t?D3--intfi) 3. 49. 260. 264. 276. Astarte (Aschtart, mnwy) 4. 2 1 - 2 5 . 28. 31. 34. 36. 42. 45-49- 5if- 55- 5». 82. 181.

534

Register I.

209,5. 258 f. 516,1. 517A. 520. — Der S. auch Adonis 6, Drei Tage, Eber, Name mnt?j> 208. 261 f. — Astarte Esmun 7, Tammuz 5. Palaistine s. II Delos. — Verhältnis zu Atunis (Atunis) 153, 1. 361. Attar 4, 22, 1. 263, 3, — zu Istar 4. „au" phön. 484. 19. 58. Auferstehung. Bätyl der Astarte 231, — Taube 38,— 1. Auferstehungsgedanke im Alten Wagen 220. 231—233. 265. — Astarte Testament: und Adonis s. Adonis 4, — und Baal Im B. Hosea403—416.426. 428. 5 i 8 f . — 270, — und Esmun s. Esmun 5, — und Bei Ezechiel 416—418. 423—426. 428. Asklepios 232 f., — und Dionysos 510. — Bei Deutero-Jesaja 417 f. 423. 232 f. Auferstehung als Erwachen 406. 419. Astarte von Sidon als Himmelsastarte 422, — als Wiederbelebung 405 f. — und als Stadtgöttin 270. — Astarte als Auferstehung des Volkes Israel 401. Ceres 304, — als Isis 201. 403. 416 f. 430 f. 439. Astarte der Philister 23. Auferstehung und dauernde GottesS. auch Aphrodite, Asteria, Astronoe, gemeinschaft 426-428, — und Heilung Cälestis, Göttin, Himmelskönigin, Tanit, 407. 428 f. 445. 448 f., — und TotenVenus, II Byblos, Cypern, Eryx, Karerweckung 429 f. — und Wiederaufthago, Malta, Memphis, Paphos, Sidon, leben der Vegetation 432 f. 436-439. III rnnwy. 442. 444 f- 447Asteria 74, 6. 305. 307 f. — Astarte als Der Auferstehungsgedanke des A . T s , Asteria 266. 307. — S. auch II Philaund Ägypten 439—441, — und Babylodelphia. nismus 446, — und Adonis- oder EsacTipC|avouvi|i 204—206. 245. munkult 440—442. 446. 448. 519, — und Mardukkult 442. 446 f., — und MelkartAstronoe 255. 265. 339 f. — Als Kybele kult 442, — und Tammuzkult 447 f. 34°Asur (Asur) 45. 317. 2. Auferstehungsglaube: Atar-Ate, Atargatis (nn-nnp) 21. 158, 1. In Ägypten 440. 521. 260. 264. Im Alten Testament 393, 3. 405—407. Ate 158, 1. 418. 509f., — Auferstehung und Messiasäödvafoi, die Götter 492. 500. reich 421. 444, — zwiefache 423. — Altes Testament und Parsismus 418 'Aörivä s. Anat. —423. 'AOjxoveiic 209,6. In Babylonien(?) 315,2. 425. 431,2. 'Attar 7,1. — S. auch Allat, Astarte. Im Parsismus 418—423, — Auf'attarij 4. 21. erstehung und Samenkorn 444,2. —• Attis, tfipiCTOC 77 A. — Charakter des Persischer Auferstehungsglaube und Kultus 59,2. 371. 384. — Verbot des Babylonismus 422 A . 448, 2. Brotes 114. — Fest 132. 525 A, — Auf3. Auferstehungsgötter: erstehungsfest 135. 370. 409. 508. — In Babylonien 376—378. — In Phönizien Jenseitshoffnungen 521,1. 378. — Gestirngötter, Sonnengötter, Hirt 355,4. — Tod durch SelbstVegetationsgötter auferstehend 431. — entmannung 156. 237, 2. — Von einem S. auch Adonis 3, Attis, Esmun 4, Granatbaum gezeugt, in eine Pinie verHeilgötter, Horus, Marduk, Melkart, wandelt 173. — Blumen aus seinem Osiris 2, Tammuz 3. Blute 369 A. 4. Auferstehung Jesu s. Adonis 10. Als Dionysos 200. — Vegetations5. auch Drei Tage, Mond, Regen. gott 370. Arkadischer 84. 143, 1. — Lydischer Autochthon 50. 76. 156, 2. — Syrischer 84. 143, 1. — ,,avo" phön. 484. Attis und der Kult von Hierapolis am Azizos 16,1. Euphrat 158.

Generalregister.

B Baal 4. 11. 17. 22. 58. 181. 202,2. 341. 520. — Der „Besitzer" 28. — Tellurische Bedeutung 27—33. — Erntegott 27. 41. 57. 166. — Stammesgott 39—49. 53 f. 57. — Ethische Momente 41 f. Baal von Harran s. II Sam'al. — Baal-Schamem, Himmelsbaal 26. 33; s. auch II Sardinien, Umm-el-awamid. — Baal-Samin, Baal-schamen s. Be'elsemin. — Baal Tamar 176, 2. Kultus des Baal (Melkart) in Ephraim und Juda 518. — Einfluß der Baalvorstellung auf Jahwe, Jahwe als Baal 176. 236. 276. 515. Baalsland 27. 41. S. auch Esmun 5, II Berytos, Libanon, Tarsus, Tyrus, III i?ja. Baal Hamman 66. •— Als Herakles 233. 285. 303 f., — Kronos 233, — Phöbus 304. — Verhältnis zum Ammon 269. 273. 285. — S. auch Esmun 5, Herakles, Jupiter (Hammon), Kronos, Melkart, Tanit, II Cirta, Jol, Karthago, III i»n. Baalat (rÄJO) 25. — Baalat-be'er 21. — Baalat von Byblos 70, — nbt kpnj 70. 195, — als Hathor 195 f., — als Isis 196. 198. 200. — S. auch Adonis 4, Balti, Bêlit, Göttin, II Byblos. Bâau 488. Babylonien: babylonische und assyrische Religion 5. 9. 58. — Herkunft religiöser Vorstellungen 357, 1. 358. — Einfluß auf die Religion der Israeliten 518, — auf Kanaan 3—5. 33. 55. 64. — S. auch Auferstehung 2. 3, Heilgötter, leben, Namen, Sterbende Götter, Triaden. Bacchus, als Heilgott 238, 2. Bär 78. 79 A. 80. 152. Bätylien 30. — S. auch Astarte. Baiti-ilê 30, 1.

535

Mächtige als starke Bäume, das Geschlecht als ein Baum 435. Gottesbäume, heilige Bäume 21. 37, 1. 176 f. 433. 488 A. —[Babylonischassyrischer heiliger Baum 297. 438. — Kultus unter Bäumen 433.435. 488 A. — Baum Wohnort eines Heiligen 433; s. auch Weli. — Heilkräftige Bäume 257 f. 373, 1. S. auch Adonis 7, Attis, Lebensbaum, Myrrhenbaum, Myrte, Ningiäzida, Osiris 1, Tammuz 3. 6, Weli, Zypresse. Be'el-semin (Baal-schamen, Baal-Samin) 116. 470. — S. auch Baal(-Schamem), II Palmyra. Beelzebub 119.

Bei, bei, babylonischer Gott 4. 28. 29, I; s. auch Ellil, — palmyrenischer 318 f. 499, 4. — Gott der „Chaldäer"j322, 4. Belit 70. — belit sa-gubla 70. — Belit-seri 353, 4BeÄixavä 447. Bf|\oc 447. Berge, als Kultstätten, Berggötter 26.37, 1. 38. — S. auch Höhen. Bripoii0 76. Berytos, Münzen 214 f. 233 f. 254f. 300. 333. 340. — S. auch II. Bes 296—298. Beschneidung 59. Betel s. Mazzeben. Bilder, Götter-, kanaanäische 4, 1. Bir-bou-Rekba (Siagu), lat. Inschrift 529. — Pun. Inschrift 266,2. 528. Blitz 26. — S. auch Gewittergott. Bodaschtart I und (?) II von Sidon, phön. Inschriften 212. 248 f. 251 f. 265. Bohnenblüten 129, 8. 130 f. Bol 318 f. Borimos 197, 4. Bostan-esch-schech (Sidon), Esmuntempel daselbst 212 f. 242. 244. — Griech. InBakuXoc 30. 261,1. — S. auch III schrift 219 f. — Hieroglyphen-Inschrift Baidur 492. s. Achoris. — Phön. Inschriften 212 f. Balti (Baltin) 70. — Balti-Aphrodite, Toten215 f. 247,1. klage um Adonis 78 f. 367. — S. auch Brot, verboten und Kultobjekt 114—117. Tammuz 4, II Aphaka. Buräk s. Constantia. Banu-Hiläl 43, 2. Bardesanes s. Triaden. Burdsch Dschedid (Karthago), ÄsculapBatna, Silberband 269 f. 285. 331—333. statue 225. — Pun. Inschrift 267. 272. Baum: Bäume als Menschen 434, 2. — Buto s. Schlange 4.

536

Register I.

Byblos (Gebal, Dschebeil, Gebeil) 34. 349. — kbn 193. 195. — kbnt 194. — (Kepuna) 70.193.195.—kpnwt 194. Griech. Inschriften 77 A. — Hieroglyphen-Inschrift 194 f. — Phön. Inschriften 34; s. auch Abibaal, Jechawmelek. Byblos und Ägypten 192—196. 202. 367. 368 A. — Kulte 35,1. 383. S. auch Baalat, II Byblos. Ägyptisches Byblos 188. -Byrsa in Karthago 225. 271 f. Byzacena, lat. Inschrift 290.

ziehungen zu Karthago 299, 6. — S. auch II.

D

daemon 285, 5. Dämonen 12—15. — Und Krankheiten 301,2. 374. — S. auch Dschinn, Wasser. batnujv Kapxn&ovluuv 225.273.284.286.304. Damu 317. — S. auch Tammuz 4. Dea Syria 48, 2. — Schrift 73. Ae\e$>3 phön., Gottesn. 66. 348. 528; vgl. I Baal. — ien byi s. I Baal Hamman. — bjQ «BIO phön., Gottesn. 322. nbsn phön., Gottesn. s. I Baalat.

n iTfl hebr. 455.

nin phön. 484. nin hebr., Name 482 f. 485. nin phön., Gottesn. 484 f. hezirän aram. 147. •DDü-itan pun., Gottesn. 261A. D^KTI südarab. 467. 469 f. rrn, JI«, vn, hajwa. 1. Hebräisch: n;n Kai 390 f. 397.456.48of. — Piel 391 f. 394 f. 404. 460. 481 f. — Hiph. 391. 460. 480—482. -n Adj. 392. 450—454. 480. 483 f. 486 f. 498. — ^n 452,2. — D^n Nom. 57. 396 f. 487.—rwn», n;nn 485. 2. Phönizisch: ¡vn* 4 7 7 . - 0 ^ 1 8 , 2 . 457f. — Vgl. nin. 3. Syrisch: J-L« 397. 485. — JiLoi 398. — IKi» 485. 4. Arabisch: Ja., 485-

5. Äthiopisch: hajwa 397. 485. — h'ejäw 397- 45°. I- — hejwat 397. 485. -6n hebr. 489, 3. 495. D^n hebr., Hiph. 396. l»n phön., Gottesn. = byi Inn 66. pun., Gottesn.(?) 292. 294, 1. 303. •vrp hebr. 89. ^ pun., Gottesn. (?) 292. V pun., Gottesn. (?) 292. 294,1. ^«bv hebr., Ortsn. 389-

288—

289— 289— 323 f.

HS mxß phön. 66. 243. 256. "¡bis Nom., hebr., phön. 276. mnwiP^B phön., Gottesn. 260. "DDB phön., Gottesn. 261 A. «\svmp^» s. II Tyrus (Baal). niJ!B pun. 260. südarab. vn N31B hebr. 386. 396. «B1Ö, DKB1B phön. 322.

R e g i s t e r III: Semitische W ö r t e r in Buchstabenschrift u. Keilschrift-Wörter. X

3 t»33 aram. 427.

12t phön., Gottesn. 260. 275.

IBJtJ, D^öW hebr. 88 f.

278.

tfBJ hebr. s. I Seele.

Gottesn. 275. 278—280.

D pD phön., Gottesn. 241, 1.

V 12» hebr., N a m e 483.



mp^o-ns

pun., —

ijs

Gottesn.

mntyy

262.

D'J"ip h e b r . ,



rfintf»

Ortsn. 18, 1.

262. — fyn d » mntyj) phön., Gottesn. 270.

]£ pun. 23, 1.



Niph.

Kai 404.

396.

aram.,

Kai

319.

321.

palm., K a i 318 f.

Gottesn. (?) 71.

324-

rabbin., Planet

niKSI hebr. 386. 396. S. auch I V , 1 «ST 2. t i ; ,

pip hebr., Hiph. 406.

S. auch II Cypern.

1 inn

rabbat.

¿ 3 3 2 °- —

raf'a, marfe 320. äthiop.:

W

Tin

251. —

S. 330 hebr. 405.

dijjb pun. 217.

n n hebr. s. I R u a c h . — n n n " n 460.

320, 3. nw phön. 248 f.

aram. s. II Sam'al. KB1:

rnto hebr., N a m e 249. pt» palm. 249.

1. NB1 westsemit. 321 f.

2. K e i l s c h r i f t - W ö r t e r .

ha-ia-ma (= Tt) 477, AN-NIN-PIS 150, 3. balä(u, V e r b . 397. 398,3. sahu 151, 4. 482,4.485 f. — N o m . 399 A . saru 503 f.

rafd'i,

f)tsn phön., Gottesn. 233.

n a i phön. 323,2, — auch I



HMB") hebr. 396.

P

42,2, —



phön., K a i 316. 322. 324.

247 f., —

& l^OJS pun. 261, 1.

hebr.,

pTi hebr.,

BHp phön., A d j . 249.

phön.,

445,

324. —

D$> kataban., Gottesn. 43, 2. nmt»j>:

385—387.



ty hebr. 18, 2. — DTi tj> phön. nip hebr., K a i 405 f. 419 f. 429. — Hiph. 4'04—406. 18. 457 f«B^ji palm. 489. 499, 4.

321.

269.

D^IJ) hebr. 487—489. 497 f. 11J) hebr., Niph. 406.



316.

n j m s pun., Gottesn. 260.

Jupiter 248.

1J> hebr., N o m . 497.

378. 388.

555

3.

tabu 107. 447, 2. usumgal 381, 1.



IV. Erklärte Personennamen. Auch solche Namen, deren Vorkommen nur als irgendwie bedeutsam belegt wurde, sind hier aufgenommen.

i. N a m e n in B u c h s t a b e n s c h r i f t . W o zu den Namen in hebräischen, griechischen oder lateinischen Typen keine Bezeichnung hinzugefügt ist, sind die Namen phönizisch oder punisch. nyiöK hebr. 475. btOK safait. 43,2.

Ibetb« 216.

Ab-baal (Abibaal) 39 f.

1DNVIBK 199.

Abijah, hebr. 40.

^[1]3-|[D]N 199.

Abimelek, hebr. 40.

p D K 199.

JlO;l 69, I.

"IBIP"1DN 199.

pt8>N-n[N] 67. 216. 250. 281. ni3i« 503,1. ]1iOBt!>K, 299. 67. tyvaiN

67.

p n ^ l « hebr. 71. n;? 1 «,

•lrvj'iN hebr. 71.

'übl aram. 459 A. p t r t s n nabat. 67. nstya 260. a^wbjin 41. BBw^ya 41. KB"Q palm. 318. b y r r a 43,1. 67. 216.

i

250. 281. 299. 216. 250. p^n-saPN 216. 250.

217. 250. 261 A.

KBmatPN (Dan-'«?) 216. 250.

n

p m 1 ! « hebr. 71. 248.

ny-aotf« 218. 250.

DjVi1™ hebr. 71.

Ijv-jöifftt 216. 218. 250. 303. ^KJl palm. 466, 4.

DT1}1™ hebr. 68. 71.

"IIS)-2Bt0N 215 f. 250.

B^ErilN 67. 348.

DBjnB»« 216. 218. 250.

BWJ[1N] 67.

D^Ö-JDWN 216. 250.

^«'[n?] palm. 466,4.

n

ytirjiN hebr. oder phön. 68. n^s-iaty« 216. 218. 250. 216. 250, I. Adoram, hebr. 71,2. D ^ - j ö b k 216. 218. 250. Ohelbaal 516.

[njnj^nn südarab. 477.

IBBrJBtifK] 216. 250. Ohelmilk 516. vrAx sinait. 467, 6. 469 A. DBV"B»S 2l6. 250. rrten®« 199. 47o, 3- 479- 5°i-

w&'il, arab. 291.

Ilt-rapaa, südarab. 319. DJ»i?K 289. bys-bK 289. ]B»K*BK 45. 216. 250. m n c y ß « 45.

Hadoram, hebr. 71, 2.

1 edessen., südarab. 291. 291, 4.

3 p®K"i3 216. 218. 250,1.

lbt» nabat., sinait. 291. safait. 516.

«Bin palm. 318.

^RTtt südarab. 516.

inabttn'a aram. 30, 1.

I1^! sinait. 291.

Register I V : Erklärte Personennamen,

i. N a m e n in Buchstabenschrift.

Dl^ 289.

tnrtyB 217. 250.

o J l ü . 468 A.

lb' libysch 289.

ipK'XB palm. 474.

T m hebr. 160. a ^

Djty' 289.

'nns 476,1.

D^Jfl hebr. 292 A.

inTic 476.

n

469. 470, 3. Dftby1 289. 293, 1. Ls^?. 319—321-

468, 4479- 5°2.

557

X

i n n s 260. Tl safa'it. 467. 468, 4. 502. HSV südarab. 319. irvpnx (?) 247,1. hebr. 466. 468 f. 470, 3. toBT aram. 316,3. 319. 321. •jbnpnx 247,1. 471- 478. 3241 Vtcn palm. 466. 469. 473 f. 319—321. nabat., palm., safa'it. 476 f. 487. — safa'it. 466 f. ,T3V aram. 389. 323, 2. 468, 4. 469 f. 473 f. 476 f. l!>ajn'(?) 247,1. NB"l hebr. 389. — RBI palm. 487. — sinait. 466 f. 318, — safa'it. 319. n b t c n safa'it. 467. 468, 4. -isjiv 260. 469 f. 474- 477- 487-

3

469 A . K"n hebr. 468.

W & B 3 moab. (?) 475- 477-

J j S ^ a . 467. 469 f-

ö

(?) nabat. 470, 3.

p n ä - ^ B hebr. 248. TV-IB 475. 477-

¿LläL 469 A. fiTi nabat.,

palm.,

sinait., touna, ntouna 289.

"?«B"! hebr. 388. — bttBI palm. 318. 388 f., — safa'it. 319. riKBT safait. 319. ^>13B1 palm. 318. nsn hebr. 389. tHBT hebr. 389. n;B"i hebr. 389. ^>«3'p1 (?) nabat. 470, 3.

thamud. 469 A. -[ban 466.

KBH3J aram. 321, 1.

HDbnn 466. D

nsjn 260. •jbonn 466.

(?) palm. 474. 3-

V ^VB-b«'' C?) 288 f. 292. 293, I. []]et»N"U'1 218. 250.

' [ n j t n a y 67. DN~ny 200.

]nJl.T aram. 30, I.

iDK-iiy 198 f. 234,7.

hebr. 291.

hebr. 474, 1. i?S31tf hebr. 474,1. «61)21» palm. 318. bj!3BStf 41.

n Kinn 476. (| 'ty, D'>n 'öV Gen. 23, 1 ist rnfc verkürzte Vorwegnahme für das dann folgende rnto ME*. Dieselbe verkürzte Ausdrucksweise findet sich, so viel ich sehe, nur noch Gen. 7, I i : n}E> „(im) .. . Jahre des Lebens (der Lebenszeit) Noah's" und ist hier offenbar deshalb gebraucht, weil nJItf vorhergeht (LXX an beiden Stellen Zwr|). Mit 'B ^rt2 (Lev. 18,18 usw.) wird nicht ausgedrückt: „in der Lebenszeit eines" sondern: „bei dem Amiebensein eines" (im Gegensatz zu "iniBS Rieht. 16, 30; vgl. II Sam. 1, 23). Auch Ps. 30, 6 bezeichnet D"n nicht sowohl die Lebensdauer des Menschen als sein Dasein, allerdings sein ganzes Dasein im Unterschied von einem vorübergehenden Augenblick. Da nämlich D^O der Gegensatz ist zum Totsein, so schließt es in seinem vollen Sinne das Sterben aus und bezeichnet daher oft das dauernde oder bleibende Leben. Diese Bedeutung liegt schwerlich, wie BURKITT annimmt, im Plural des hebräischen Wortes sondern ergibt sich aus der Bedeutung, die dem Wortstamm eignet (vgl. oben S. 480 ff.). Die auch von mir angewandte Vergleichung mit den beiden griechischen Wörtern wird besser unterlassen, da diese nicht bestimmt unterschieden werden. Aber „Lebensdauer" oder „Lebensweise", wofür vorzugsweise ßioc gebraucht wird, ist meines Erachtens D^n nirgends sondern „Dasein" und dann „Kraft oder Fülle des Daseins".

Berichtigungen. S. 4, Z. 2 v. u. ist in einzelnen Exemplaren das zweite t von 'attarij abgesprungen. S. 29, Anmkg., Z. 2. v. u. vor ABA. hinzuzufügen: Nachträge zur ägyptischen Chronologie, S. 51, Z. 20 v.u. statt: Al-Manät 1.: Manät S. 72, Anmkg. 1 statt: 42 fr. 1.: 50 ff. S. 82, Z. 10 v. u. 1.: Bekker S. 93, Anmkg., Z. 3 v. o. 1.: Theologisch S. i n , Z. 4 v. u. ist „so grausam" (als ein Zusatz CHWOLSON's) ZU streichen. S. i n , Z. 3 v. u. statt: in einer 1.: in der S. 145, Anmkg. zu S. 144, Z. I v. u. statt: 95 f. 1.: 95 f S. 151, Z. 9 v. o. 1.: IV,44 S. 157, Z. 13 v. u. 1.: Chersones S. 217, Anmkg. 1, Z. 3 v. o. 1.: Tunisien S. 225, Z. 2 v. o. und Anmkg. I, Z. 2f. v. u. 1.: Burdsch Dschedid

S. 233, Z. 10—12 v. o. ist der Passus in Klammern „(ausgenommen . . . HST)" zu streichen. S. 234, Anmkg. 6 statt: 210 1.: 211 S. 244, Z. 9 v. u. statt: Eine Quelle 1.: Quellwasser S. 293, Z. 4 v. u. statt: c. 1, 6 1.: c. 1, 61 S. 295, Z. 18 v. u. 1.: griechischen S. 317, Z. 6 v. u. ist „Ninib" zu streichen. S. 411, Anmkg. 1, Z. I v. o. statt: Adoniskult 1.: Attiskult S. 411, ebend.: Z.2 v.o. statt: Attisdienste 1.: Adonisdienste S. 443, Z. 13 v. u. statt: jene Vorstellung 1.: die Vorstellung von der Ruach S. 479, Z. 19f. v. o. statt: in allen . . . das Verbum 1.: in den . . . das Verbum überall

Nachträge 2.

Berichtigungen.

573

Zu,S. 397, Z. s v. o. Nach B u r k i t t (Life, Zu)i®|, Hayyim, Zeitschr. f. die neutestamentl. Wissenschaft, Jahrg. XII, 1911, S. 228—230) drückt D^n aus „a career (ßioc) rather than a State (Euir|)" (S. 230). Wie mir scheint, kommt weder speziell das eine noch das andere in D^n zum Ausdruck, eher aber noch das zweite: D"»n bezeichnet das Dasein und dann das mit Energie ausgestattete Dasein. „Lebensdauer" wird ausgedrückt nicht durch DMn sondern durch DVD DVD rilJB1, C"rr'jB> 'ty, D'>n 'öV Gen. 23, 1 ist rnfc verkürzte Vorwegnahme für das dann folgende rnto ME*. Dieselbe verkürzte Ausdrucksweise findet sich, so viel ich sehe, nur noch Gen. 7, I i : n}E> „(im) .. . Jahre des Lebens (der Lebenszeit) Noah's" und ist hier offenbar deshalb gebraucht, weil nJItf vorhergeht (LXX an beiden Stellen Zwr|). Mit 'B ^rt2 (Lev. 18,18 usw.) wird nicht ausgedrückt: „in der Lebenszeit eines" sondern: „bei dem Amiebensein eines" (im Gegensatz zu "iniBS Rieht. 16, 30; vgl. II Sam. 1, 23). Auch Ps. 30, 6 bezeichnet D"n nicht sowohl die Lebensdauer des Menschen als sein Dasein, allerdings sein ganzes Dasein im Unterschied von einem vorübergehenden Augenblick. Da nämlich D^O der Gegensatz ist zum Totsein, so schließt es in seinem vollen Sinne das Sterben aus und bezeichnet daher oft das dauernde oder bleibende Leben. Diese Bedeutung liegt schwerlich, wie BURKITT annimmt, im Plural des hebräischen Wortes sondern ergibt sich aus der Bedeutung, die dem Wortstamm eignet (vgl. oben S. 480 ff.). Die auch von mir angewandte Vergleichung mit den beiden griechischen Wörtern wird besser unterlassen, da diese nicht bestimmt unterschieden werden. Aber „Lebensdauer" oder „Lebensweise", wofür vorzugsweise ßioc gebraucht wird, ist meines Erachtens D^n nirgends sondern „Dasein" und dann „Kraft oder Fülle des Daseins".

Berichtigungen. S. 4, Z. 2 v. u. ist in einzelnen Exemplaren das zweite t von 'attarij abgesprungen. S. 29, Anmkg., Z. 2. v. u. vor ABA. hinzuzufügen: Nachträge zur ägyptischen Chronologie, S. 51, Z. 20 v.u. statt: Al-Manät 1.: Manät S. 72, Anmkg. 1 statt: 42 fr. 1.: 50 ff. S. 82, Z. 10 v. u. 1.: Bekker S. 93, Anmkg., Z. 3 v. o. 1.: Theologisch S. i n , Z. 4 v. u. ist „so grausam" (als ein Zusatz CHWOLSON's) ZU streichen. S. i n , Z. 3 v. u. statt: in einer 1.: in der S. 145, Anmkg. zu S. 144, Z. I v. u. statt: 95 f. 1.: 95 f S. 151, Z. 9 v. o. 1.: IV,44 S. 157, Z. 13 v. u. 1.: Chersones S. 217, Anmkg. 1, Z. 3 v. o. 1.: Tunisien S. 225, Z. 2 v. o. und Anmkg. I, Z. 2f. v. u. 1.: Burdsch Dschedid

S. 233, Z. 10—12 v. o. ist der Passus in Klammern „(ausgenommen . . . HST)" zu streichen. S. 234, Anmkg. 6 statt: 210 1.: 211 S. 244, Z. 9 v. u. statt: Eine Quelle 1.: Quellwasser S. 293, Z. 4 v. u. statt: c. 1, 6 1.: c. 1, 61 S. 295, Z. 18 v. u. 1.: griechischen S. 317, Z. 6 v. u. ist „Ninib" zu streichen. S. 411, Anmkg. 1, Z. I v. o. statt: Adoniskult 1.: Attiskult S. 411, ebend.: Z.2 v.o. statt: Attisdienste 1.: Adonisdienste S. 443, Z. 13 v. u. statt: jene Vorstellung 1.: die Vorstellung von der Ruach S. 479, Z. 19f. v. o. statt: in allen . . . das Verbum 1.: in den . . . das Verbum überall

Erklärung der Tafeln. Tafel I zu S. 78. Felsskulptur von Ghineh nach R E N A N , Mission de Phénicie, Paris 1864, Taf. X X X V I I I , verkleinert. Tafel II ZU S. 78. Dieselbe Felsskulptur nach einer von HUGO W L N C K L E R aufgenommenen Photographie bei V. LANDAU, Beiträge zur Altertumskunde des Orients IV, 1905, Taf. III. Die Erlaubnis zur Wiedergabe dieser Abbildung hat mir noch der verstorbene FRHR. V. LANDAU erteilt. Tafel III zu S. 78. Felsskulpturen von Maschnaka nach R E N A N , Mission, Taf. X X X I V , ein Stück aus Abbildung A und ein Stück aus Abbildung B. Tafel IV zu S. 153. Etruskischer Spiegel nach E D U A R D GERHARD, Etruskische Spiegel, Thl. IV, 1, 1865, Taf. C C C X X V , mit Weglassung der Umrahmung. Tafel V. Nr. I zu S. 220. Münze von Sidon nach einem Abdruck des Exemplars im Cabinet des Médailles des Nationalmuseums zu Kopenhagen, der mir gefalligst von der Verwaltung übersandt wurde. Nr. 2 zu S . 2 3 3 . Münze von Berytos nach ROUVIER, Journal international d'archéologie numismatique, Bd. III, 1900, Taf. IA' n. 9.

Nr. 3—5 zu S. 253. Nr. 3 nach BABELON, Rivista Italiana di numismatica, Bd. X V I , 1903, Taf. III (zu S. 157 ff.), n. 10 ( = BABELON, Comptes rendus de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 1904, S. 232, Fig. 1). Avers: S E V E R V S . PIVS. A V G . Revers: P. M. T R . P. X V . COS. III. P. P. Nr. 4 ebend. n. 11. Avers: L. S E P T I M I V S . S E V E R V S . PIVS. A V G . Kopf oder Büste des Septimius Severus. Revers: P. M. T R . P. X V . COS. III. P. P. S. C. Nr. 5 ebend. n. 12. Avers: P. S E P T I M I V S . G E T A . C A E S A R . Revers: P O N T I F E X . COS. SC.

Tafel VI zu S. 269. 331 -

Zwei Stücke eines Silberbandes aus Batna in Algerien nach PHILIPPE BERGER, Gazette archéologique, Jahrg. V, 1879, Taf. 21.

Erklärung der Tafeln.

S7S

T a f e l V I I zu S. 296. Vergoldete Silberschale aus Cypern (Larnaka) nach: Musée Napoléon III, Choix de monuments antiques pour servir à l'histoire de l'art en Orient et en Occident, Texte explicatif par ADRIEN DE LONGPÉRIER, Paris, Livraison 1—29, Taf. XI. Auf dem in unserer Abbildung fehlenden Stücke wiederholen sich die Bilder der beiden Runddarstellungen. T a f e l V I I I zu S. 297. Eine zweite vergoldete Silberschale aus Cypern (Larnaka) nach: Musée Napoléon III, Taf. X. Auf der in unserer Abildung fehlenden Hälfte wiederholen sich die Bilder der beiden Runddarstellungen. T a f e l IX zu S. 299. N r . I : Relief an einem Altar aus dem Hauran (jetzt im Louvre) nach einer mir vom R. P. RONZEVALLE gütigst zugesandten Photographie. Vgl. die Abbildungen bei RONZEVALLE, Revue archéologique, Série IV, Bd. V, 1905, S. 45, Fig. i und bei JALABERT, Mélanges de la Faculté Orientale Beyrouth, Bd. I, 1906, Taf. II n. 1. Nr. 2 : Relief an der Basis eines Altars in Kefr-el-Mâ, nach G. SCHUMACHER, Across the Jordan, London 1886, S. 81, Fig. 33 („Photograph, retouched"); vgl. ebend. Fig. 34 „showing the head piece of the statue". Zu der Abbildung der ganzen Figur vgl. die unbedeutend abweichende bei SCHUMACHER, Zeitschr. des Deutschen Palaestina-Vereins, Bd. I X , 1886, S. 337, Fig. 118. Daß der Gegenstand, den die Figur in der linken Hand hält, „eine Art befiederter Pfeil" sein soll (SCHUMACHER, Zeitschr., S. 336), ist mir sehr unwahrscheinlich, eher ein Gegenstand, der der Schlange dargereicht wird. N r . 3 : Relief eines Altars in Mukês nach einer Photographie, die nach andern Photographien retouchiert wurde. Die Abbildungen verdanke ich dem R. P. RONZEVALLE. Vgl. die Abbildung in den Mélanges de la Faculté Orientale Beyrouth, Bd. I, Taf. II n. 4 . N r . 4 : Relief aus der Umgegend von Schnân nach H. C. BUTLER, Architecture and other arts, Part II of the publications of an American archaeological expedition to Syria in 1899—1900, New York 1904, S. 284. Tafel X. Nr. I zu S. 332. Hettitischer Siegelzylinder nach WARD, American Journal of archaeology, Series II, Bd. II, 1898, S. 163 und (damit identisch) ebend. Bd. III, 1 8 9 9 , S. 1 8 , Fig. 1 9 . Nr. 2 — 5 zu S. 335. Münzen von Epidauros nach GARDNER, Catalogue of the Greek coins in the British Museum, Bd. Peloponnesus, London 1887, n. 7. 29. 30. 27; Taf. X X I X , 14. 22. 23. 20 (n. 20 = unsere Nr. 5: „Obverse: Head of Asklepius"). Nr. 6 zu S. 335- Münze von Kos nach HEAD ebend., Bd. Coins of Caria, Cos etc. 1897, n. 124; Taf. XXXII, 2: „Obverse: Head of Asklepios". Nr. 7 zu S. 335. Münze von Pergamon nach WROTH ebend., Bd. Coins of Mysia 1892, n. 84; Taf. X X V , 12: „Obverse: Head of Asklepios, Reverse: Templekey, on snake".

Druck von W. Drugulin in Leipzig.

Tafel I

F e l s s k u l p t u r zu G h i n e h .

B a u d i s s i n , Adonis 11. Esmun.

Tafel II

Zweite Abbildung der Felsskulptur zu Ghineh.

Tafel III

Felsskulpturen zu Maschnaka. B a u d i s s i n , A d o m s u. Esmun.

Tafel IV

Etruskischer Spiegel.

Tafel I'

Nr. 1. Münze von Sidon.

Nr. 2. Münze von Berytos.

Nr. 3 und 4. Münzen des Septimius Severus. B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

Nr. 5. Münze des Geta.

Tafel VI

Silberband von Batna.

Tafel VII

Silberschale (A) aus Cypern. B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

Tafel

Silberschale (B) aus Cypern.

Vili

Tafel IX

Äsculapbilder aus Syrien. ß a u d i s s i n , Adonis u. Esmun.

Tafel

1

r. 1. Siegelzylinder mit hettitischer Schrift.

Nr. 2 — 7 griechische Münzen.